Uns kann nichts trennen - Magazin für Vielfalt in Düsseldorf - Diversitas
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bunt No 02 2021 Magazin für Vielfalt in Düsseldorf Uns kann nichts trennen Alle reden Neuer Geschäftsführer 40 Jahre von Diversity für DIVERSITAS Aids
Impressum Inhalt Herausgeber: Aidshilfe Düsseldorf e. V. (V.i.S.d.P.), 1 Editorial Gemeinnütziger Verein, Mitglied der Deutschen Aidshilfe e. V., der Aidshilfe NRW e. V., des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes 2 Aktuell und der Deutschen Leberhilfe e. V. Corona aktuell Redaktion: Operngala Yvonne Hochtritt Annette Rau Jubiläum Texte | Quellenangaben: Falk Adam · Yodit Aidoo · DAh 4 Leute DAh/HIV-BERATUNG.AKTUELL Ausgabe 02/2021 Vorstellung neue Mitarbeitende Marco Grober · Jana Hansjürgen · Kjell Herold Yvonne Hochtritt · Isabelle Jenessen · Kerstin Kollenberg Nachrufe Amit Marcus · Dr. Volker Mertens/DAS Anna-Lena Pohlmann · Annette Rau · Lea Schmoley Harald Schüll · Dean Shams · Gary van der Meer 8 Talk Matthias Weber (Völklinger Kreis) Interview Zeitenwechsel Fotos | Grafiken: Matthias Brucklacher · DAh · Susanne Diesner/DAS Heike Gröper · Yvonne Hochtritt 12 Titelthemen Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin · Pexels Diversity Annette Rau · SCHLAU-Archiv · Barbara Schmitz, WDR Harald Schüll · PRADI · PULS-Archiv Weltgesundheitsorganisation (WHO) Julia Sanchez-Jochum · Lea Schmoley · Youthwork NRW 40 Jahre HIV und Aids www.ilga.org Titelbild: "Uns kann nichts trennen" 16 Projekte und Gruppen Illustration: Matthias Brucklacher SCHLAU Layout: Praktikum bei PRADI Julia Sanchez-Jochum Bündnis GleichBeHandeln Redaktionsadresse: Heartbreaker Aidshilfe Düsseldorf e. V. Yvonne Hochtritt Projekt „Erinnern“ Johannes-Weyer-Straße 1 Karnevalsverein für Vielfalt 40225 Düsseldorf yvonne.hochtritt@duesseldorf.aidshilfe.de Youthwork Youthwork NRW Druck: wir-machen-druck.de Auflage: 26 Service 1.500 Exemplare Neue Broschüre Der Bezug der Zeitung ist kostenlos. Für unverlangt ein- HIV-Therapie gesandte Manuskripte und Stellungnahmen kann keine Podcast Haftung übernommen werden. Namentlich gekennzeich- nete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der SportHIV Redaktion wieder. Wenn Sie daran interessiert sind, Ihre Anzeige im bunt Magazin zu veröffentlichen, schicken Burlesque-Workshop wir Ihnen unsere Mediadaten gerne zu, Anfragen unter Telefon 0211 - 77 095-44. 28 Rückblick Diese Ausgabe wurde unterstützt von Scheckübergabe Heartbreaker Mitgliederversammlung Abschied von Peter von der Forst 30 Termine 31 Social Media 32 Kontakt & Angebote
Liebe Leser*innen, „Uns kann nichts trennen“ steht als Titel auf dieser Magazinausgabe. Die liebevolle Illustration von Matthias Brucklacher macht deutlich, was jetzt wirklich wichtig ist. Über Corona nicht den Kontakt zu verlieren, weiterhin menschliche Nähe zu suchen und zu erhalten. Manchmal sind die Wege nur ein wenig umständlicher als früher. Viele unserer Angebote können wieder stattfinden. Natürlich immer unter den aktuellen Corona-Auflagen. Denn die Gesundheitsfürsorge für unsere Klient*nnen, ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden steht an erster Stelle. Wir hoffen sehr, dass im Herbst/Winter Angebote stattfinden können. Und hoffentlich müssen die- ses Jahr die Aktionen zum Welt-Aids-Tag nicht ausfallen. Drücken Sie bitte mit uns fest die Daumen! Helfen Sie „Uns kann nichts trennen“ passt auch zum Abschied von Peter von der Forst, der die Aidshilfe nach 26 Jahren verlassen hat. Er und sein Nachfolger Özgür Kalkan uns helfen! haben zur Übergabe ein gemeinsames Interview gegeben. Sie lesen es in diesem Heft. Ein denkwürdiges Jubiläum sollten wir nicht übersehen. Vor 40 Jahren wurde Überweisen Sie Ihre Spende erstmals von Aids berichtet. Schwule Aktivisten bauten ein einzigartiges Selbst auf unser Konto bei der hilfe-Modell auf, welches sich mittlerweile zu einem professionellen Netzwerk ent- Deutschen Apotheker- und wickelt hat. Viele Geschichten und Anekdoten ranken sich von damals bis heute. Ärztebank Düsseldorf: Heute wird von Altem und Neuem Aids gesprochen. Von der medizinischen Be- handelbarkeit und Antidiskriminierungsarbeit. Die Frage, ob Aidshilfen heute IBAN DE30 3006 eigentlich noch notwendig seien, können wir aus vielen Gründen eindeutig mit Ja beantworten (lesen Sie dazu bitte ab Seite 15). 0601 0002 5090 08 Und die Corona-Krise hat auch deutlich gemacht, wie wichtig die Arbeit der DIVER- BIC DAAEDEDDXXX SITAS-Organisationen ist. Vielen Menschen konnten die Mitarbeitenden mit viel Kreativität und Flexibilität durch die schweren Zeiten helfen. Oder Sie werden Mitglied und unterstützen uns mit Ihrem Leider haben wir Spendeneinbrüche zu verzeichnen. Sehen Sie eine Möglichkeit, jährlichen Beitrag von 60 Euro. die Arbeit der Beratungsstelle zu unterstützen? Jeder Euro hilft. Vielen Dank! Mehr Infos hierzu erhalten Sie Kommen Sie gut durch den Spätsommer und viel Freude beim Lesen von bunt – unter Telefon 0211 - 77 095-0. Magazin für Vielfalt in Düsseldorf. Online spenden unter Herzliche Grüße www.duesseldorf.aidshilfe.de Yvonne Hochtritt 1
Aktuell Das geht wieder! Sportveranstaltungen Stand: 16.8.2021 Das Angebot Gayrobic kann leider wei- terhin nicht stattfinden. Grund ist die V or dem Hintergrund der aktu- ellen Corona-Inzidenzen kann die Beratungsstelle der Aidshilfe Alle Infos zur Anmeldung und zum Ab- lauf auf unserer Webseite. Sanierung der Turnhalle. Das Angebot SportHIV soll im August an den Start gehen. Alle Infos auf www.aidshilfe. Düsseldorf aktuell wieder persön Frühstücksangebote duesseldorf.de lich und in dringenden Fällen Das Dienstags-Frühstück für Men- auch ohne vorherige Terminverein- schen mit HIV/Aids und ihre An- und barung aufgesucht werden. Um Zugehörigen findet seit Juli wieder im Bitte informieren Sie sich vor Besuch längere Wartezeiten und größere Loft-Café der Aidshilfe statt. Da die unbedingt über den tagesaktuellen Menschen a nsammlungen zu ver- Anzahl der Teilnehmenden Corona- Stand und die Vorgaben der Angebote, meiden, bitten wir jedoch weiterhin bedingt noch begrenzt ist, ist eine Gruppentreffen, Frühstücke, Sportver- darum, möglichst einen Termin zu vorherige Anmeldung weiterhin erfor- anstaltungen etc. auf vereinbaren. Um die Gesundheit derlich. Alle Infos zur Anmeldung eben- www.duesseldorf.aidshilfe.de aller Besucher*innen und Mitarbei- falls auf unserer Webseite. www.care24-sozialedienste.de tenden zu schützen, sind die Hygiene www.puls-duesseldorf.de vorschriften bzw. die AHA-Regeln Das Donnerstags-Frühstück für dro- zu beachten. gengebrauchende und substituierte Darüber hinaus ist die Beratungsstelle Menschen findet seit August eben- telefonisch oder per Mail zu den Checkpoint Düsseldorf falls wieder im Loft-Café statt. Auf unten genannten Öffnungszeiten Seit August kann das Testprojekt www.aidshilfe.duesseldorf.de sind die zu erreichen. Aktuelle Informa Checkpoint wieder ohne vorherige Ter- aktuellen Termine und Vorgaben hin- tionen für Ratsuchende und minvereinbarung aufgesucht werden. sichtlich des Besuchs zu finden. Besucher*innen finden sich auch Wer sich als schwuler oder bisexueller jederzeit auf unserer Webseite unter Mann* auf HIV, Syphilis oder weitere Gruppenangebote und Treffen www.duesseldorf.aidshilfe.de STI testen lassen will, kann einfach Die Gruppentreffen (aktuell PRADI, Text: Annette Rau · Foto: pexels Dienstagabend in die Beratungsstelle Trans*Gruppe, Positiv älter werden) Beratungstelefon kommen. Diejenigen, die eine Wartezeit finden wieder statt. Alle Infos zu An- Aidshilfe Düsseldorf 0211 - 77 095-0 vermeiden wollen, können weiterhin meldung, Örtlichkeit und Zeiten bitte Montag bis Freitag: 10 bis 13 Uhr einen Termin buchen. Pro Abend stehen unserer Webseite entnehmen. Montag bis Donnerstag: 14 bis 17 Uhr fünf feste Termine zur Verfügung. Bundesweite Rufnummer für Beratung 0211 - 19411 Online-Beratung rund um die Uhr 2 unter aidshilfe-beratung.de
Aktuell Endlich wieder Operngala Die Deutsche AIDS-Stiftung freut sich sehr, dass am Der Kartenvorverkauf Text: Dr. Volker Mertens/DAS · Foto: Susanne Diesner/DAS 16. Oktober 2021 die 12. Festliche Operngala Düsseldorf für die Festliche Operngala im Saal der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf stattfin- Düsseldorf hat am 19. August den kann. Die Benefiz-Gala musste im vergangenen Jahr begonnen. Karten sind an der wegen der Corona-Pandemie leider abgesagt werden. Opernkasse oder telefonisch unter 0211 - 89 25 211 erhältlich. Am Gala-Abend werden wieder Weltstars der Oper für den guten Zweck ohne Gage auf der Bühne stehen. Hinzu kom- men Mitglieder aus dem Ensemble der Deutschen Oper am Rhein. Mehr Informationen auf www.aids-stiftung.de Herzlichen Glückwunsch! Klaus Bleymehl ist seit mittlerweile ♥ über 30 Jahren für die Aidshilfe Text: Yvonne Hochtritt · Foto: Heike Gröper Düsseldorf tätig. Als Psychologe berät er Menschen mit HIV und Aids sowie ihre Zugehörigen. Und das mit viel Empathie und Engagement. ♥ Vielen Dank Klaus! ♥ 3
Leute Yodit Aidoo Neue Mitarbeitende Ich möchte mich als neue Mitarbeiterin der Aidshilfe Düsseldorf vorstellen. Mein Name ist Yodit Aidoo, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Geboren bin ich in Eritrea, ich lebe schon seit 41 Jahren in Deutschland. In Dortmund habe ich mein Studium zur Diplom-Sozialpädagogin absolviert. Viele Jahre war ich in der seelsorgerischen Begleitung von Migranten*innen tätig und sammelte dort viele Erfahrungen im multikulturellen Bereich. Seit Januar 2021 arbeite ich in der Aidshilfe Düsseldorf und unterstütze Rufin Kendall in der psychosozialen Beratung von Migranten*innen. Als ich im Januar 2021 in der Aidshilfe anfing, wurde ich mit viel Wärme, Interesse und Freundlichkeit aufgenommen. Auch wenn dieses Jahr sehr ungewöhnlich war, hatte ich einen tollen Einstieg ins Berufsleben, habe nette Kollegen*innen kennengelernt, viele neue Dinge gelernt und die Möglichkeit ergriffen mich online per Zoom auszutauschen und weiterzubilden. Weiterhin habe ich gelernt, Menschen wertfrei und ohne Vorurteile zu begegnen. Gerne möchte ich als Diplom-Sozialpädagogin diese Einrichtung mit meinen Fähigkeiten unterstützen und noch viele Menschen begleiten. Isabelle Jenessen Mein Name ist Isabelle und ich bin „die Neue“ in der Buchhaltung der Aidshilfe. Ich bin 45 Jahre alt, Single, komme aus Mönchengladbach, bin Trans und freue mich sehr, hier zu sein und meine Fähigkeiten in dieses tolle Team einzubringen. In der Vergangenheit habe ich viele verschiedene, interessante Tätigkeiten ausgeübt, wodurch ich einen breiten Erfahrungsschatz in unterschiedlichsten Aufgabengebieten sammeln konnte. Nach meiner Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau habe ich einige Jahre im Kundendienst und in der Lagerverwaltung gearbeitet, bevor ich bei einem Süß- warenhersteller tätig war. Dort waren unter anderem Arbeitsoptimierung und Qualitäts- kontrolle mein Aufgabengebiet. Später bin ich dann wieder in den Verkauf gewechselt, in einem kleinen, inhabergeführten Comic- und Spieleladen. Dies war ein Herzensjob, aber leider bot er irgendwann keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr. Etwa zur gleichen Zeit machte ich eines meiner Hobbys zum (Neben)Beruf: Ich begann professionell für ver- schiedene Verlage zu schreiben, vornehmlich im Fantasy- und Sci-Fi Bereich. Hier habe ich mittlerweile an etwa 30 Anthologien mitgeschrieben sowie fünf eigene Bücher ge- schrieben. Seit einigen Jahren bin ich zudem in der Musikszene in meiner Heimatstadt tätig und veranstalte dort kleine Konzerte und Partys. Ab 2011 kam die Pflege meines demenzkranken Vaters dazu, was mich diesen vollkom- men neu kennenlernen ließ. Nach seinem Tod orientierte ich mich neu und ging in die Buchhaltung eines Assistenzdienstes. So wechselhaft und vielseitig mein Weg auch war, eines war immer ein wichtiger Aspekt: Zahlen! Egal ob Lagerbestände, die Planung eines Buchs oder einer Veranstaltung oder die Abrechnung von Mitarbeitenden, Rechnungen Texte: Yodit Aidoo, Isabelle Jenessen · Fotos: privat und Anträge schreiben – die Arbeit mit Zahlen hat mir immer viel Spaß gemacht. Und so lag es für mich nahe weiter in diesem Bereich zu bleiben. Hier in der Aidshilfe ist vieles positiv anders als in meinem bisherigen Berufsleben, vieles muss ich neu lernen (wie in jedem neuen Job), aber ich freue mich schon mich hier vollends ausleben zu können. Ich höre gern Musik (Gothic, Metal, Alternativ), lese viel und bin Serien- und Filmfan (alles gerne phantastisch-historisch-gruselig). Ich koche gerne, habe ein Faible für Geschichte und Architektur und liebe es kreativ tätig sein zu können. Ich freue mich auf alles was kommt, eine tolle Arbeit mit herausfordernden Aufgaben, netten Kolleg*innen und Vorgesetzte und so vieles mehr. Wenn ihr Fragen an und über mich habt, sprecht mich gerne an. 4
Anna-Lena Pohlmann Hallo! Ich bin Anna-Lena Pohlmann und studiere Sozialarbeit/Sozialpädagogik an der Hochschule Düsseldorf. Im April habe ich mein fünfmonatiges Anerkennungs-Praktikum bei der Aidshilfe Düsseldorf begonnen. Von Anfang an wurde ich sehr herzlich in das Team der Aidshilfe Düsseldorf aufgenom- men und konnte daher schon in meinen ersten Wochen viele spannende Einblicke gewin- nen und Neues lernen. Mein Fokus während des Praktikums liegt auf der Mitarbeit beim Projekt PRADI (mehr dazu auf Seite 17 ). Ich freue mich schon sehr auf die kommenden Wochen und Monate und eine tolle Zeit hier bei der Aidshilfe. Dean Shams Mein Name ist Dean Shams und ich bin seit April 2021 als Praktikant im Bereich Youthwork bei der Aidshilfe Düsseldorf tätig. Im Jahr 2017 habe ich die Ausbildung zum Gesund- heits- und Kinderkrankenpfleger erfolgreich abgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist auch ein erster Berührungspunkt mit der Aidshilfe Düsseldorf entstanden, da ich im Rahmen der Ausbildung einen Workshop zum Thema HIV/Aids besucht habe. Meine Erfahrungen während der ersten Berufsjahre bestärkten meinen Wunsch, Men- schen psychosozial zu beraten und zu begleiten. Nun studiere ich im vierten Semester Soziale Arbeit an der Technischen Hochschule Köln und darf mein derzeitiges Praxis semester (Anerkennungspraktikum) in der Aidshilfe Düsseldorf durchführen. Das Praxis- semester erstreckt sich in meinem Fall über zwölf Monate, da ich es in Teilzeit ablege. Einen Teil der aktuell durchführbaren Angebote konnte ich bereits praktisch erfahren und begleiten. Ich wurde offen und herzlich empfangen, worüber ich mich sehr gefreut habe. Leider fallen durch die derzeitige Corona-Pandemie viele (Gruppen-)Angebote aus. Aber ich hoffe sehr, dass ich im Laufe meines Praktikums diese noch mitbekomme und daran Texte: Anna-Lena Pohlmann, Dean Shams · Fotos: Pexels, Annette Rau teilnehmen kann. Ich freue mich auf eine spannende und vielschichtige Zeit bei der Aidshilfe Düsseldorf. 5
Leute Abschied von Karin K arin war seit den achtziger Jahren eine sehr aktive Ehrenamtlerin und eine sehr großzügige Spend- erin für die Aidshilfe Düsseldorf. Schon früh hat sie Auf Karins Wunsch wurde auf Blumenschmuck ver- zichtet und um Spenden für die Aidshilfe Düsseldorf gebeten. Nach einer kurzen Zeremonie auf dem Schiff sich stark für Menschen mit HIV und Aids eingesetzt. wurde die Urne ins Meer gelassen. Alle Teilnehmen- den konnten sich in Ruhe von Karin verabschieden. So hat Karin ihr kreatives Talent genutzt, um das Lay- out für das damalige Info-Heft zu gestalten und mit Ihre Verbundenheit mit „ihrer“ Aidshilfe hat Karin sehr viel Inhalt anzureichern. Damit die damaligen bereits in der Vergangenheit gezeigt, als sie die Themen plastisch dargestellt wurden, hat sie zu den größte Spende gemacht hat, die der gemeinnützige aufklärenden und auch aufmunternden Texten Zeich- Verein bisher jemals bekam. Ein toller Wert, der die nungen und Bilder hinzugefügt, um alles leichter les- Finanzierung einiger Aidshilfe-Projekte ermöglicht bar und verständlich zu machen. und sichert. Nach langer, schwerer Krankheit ist Karin nun im Alter von 66 Jahren am 13. Mai verstorben. Corona hatte auch hier Auswirkungen. Ihr Mann durfte lange nicht Wir sind Karin sehr zu Karin ins Krankenhaus. Nur die letzten drei Stun- den ist das Klinikpersonal dann „über seinen Schat- dankbar und werden ten gesprungen“ und es wurde ihm erlaubt bei ihr zu sie niemals vergessen. sein und ihr für den letzten Schritt Mut zu machen. Text und Fotos: Harald Schüll Am 18. Juni, ihrem 38. Hochzeitstag, fand eine sehr bewegende Trauerfeier und Seebestattung in der Nähe der Insel Pellworm statt. Durch Corona war die Anzahl der Teilnehmenden begrenzt. Wir sind dank- bar, dass Vertreter*innen des Aidshilfe Düsseldorf dabei sein durften. 6
Leute 1. Jahresgedächtnis – Erinnerung an Uwe Verstorben am 31. Juni 2020 Im letzten Jahr ist unser Ehrenamtlicher Uwe verstorben. Uwe H. war der Aidshilfe Düsseldorf sehr verbunden. Bei ver- schiedenen Aktionen war er dabei und hat sich mit Charme und handwerklichem Können als Friseur für die Aidshilfe engagiert. Auch bei den „Kümmerlingen“, der ehrenamtlichen Begleitungs- gruppe, war er mehrere Jahre aktiv. Er hat Menschen mit HIV in der Universitätsklinik besucht und ihnen Mut und Hoffnung gegeben. Uwe war ein dem Leben zugewandter Mensch. Er liebte Gesprä- che, Urlaube und Hundewanderungen mit seinem Lebensgefähr- ten und lieben Freunden. Im letzten Jahr war dann für Uwe die Zeit gekommen, seine letzte Reise anzutreten. Wir sind dankbar für alles, was er für die Aidshilfe bewirkt hat. In unseren Gedanken sind wir bei seinen Lieben und verstehen Text: Kerstin Kollenberg · Fotos: pexels, privat die Lücke, die er hinterlassen hat. 7
Talk Zeitenwechsel E ine Ära geht zu Ende. Nach 26 Jahren verabschie- dete sich Peter von der Forst Ende Mai als „Kapi- tän“ bei der Aidshilfe Düsseldorf e.V., Care24 Soziale für Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund …– sind unter Deiner Ägide entstanden. Was ist Dir besonders in Erinnerung geblieben – Dienste gGmbH und Schwul-lesbische Jugendarbeit positiv und negativ? Düsseldorf e.V., die ihre Kräfte erst im Herbst letzten Jahres unter der neuen Dachmarke „DIVERSITAS – Peter: Ich habe viel von den Menschen gelernt, mit denen Bunt für Düsseldorf“ vereinigt haben. Zum 1. Juni hat und für die wir Unterstützung gestaltet haben, die sich Özgür Kalkan offiziell das Steuer als Geschäftsführer eingebracht haben und gezeigt haben, wie ein Leben trotz übernommen. Was war, was bleibt, was kommt – dazu Widrigkeiten wie Diskriminierung und Erkrankung gestaltet haben uns beide kurz vor Peter von der Forsts Verab- werden kann. Das Negative war und ist immer wieder die schiedung gemeinsam Rede und Antwort gestanden. Erfahrung, dass in Deutschland und auch weltweit oft Geld und Reichtum über (Über-) Lebenschancen und Gesundheit bunt: Peter, wie ist Dir zumute, wenn Du an Deinen entscheiden. Das war und ist so bei HIV, wo besonders in baldigen Abschied denkst? Gehst Du – nach unglaub den ärmeren Ländern die aktuellen Therapien fehlen, das ist lichen 26 Jahren - mit dem sprichwörtlichen „lachen- bei Corona auch so, wenn wir z.B. an die Impfung oder auch den und weinenden Auge“? an Intensivtherapie denken. Peter: Natürlich gehe ich mit Wehmut, schließlich habe ich mit viel Herzblut gearbeitet. Ich bin allerdings auch froh, aus bunt: Nenn uns doch trotzdem ein paar konkrete dem Dauerstress herauszukommen und mehr Zeit für mich, Meilensteine oder Ereignisse, die sich in Dein Gedächtnis „eingebrannt“ haben… meine Familie und Freund*innen zu haben. Peter: Damit könnte ich jetzt Bücher füllen, eine Auswahl Fotos: Annette Rau bunt: Du hast die Aidshilfe Düsseldorf durch bewegte ist nicht einfach: Natürlich zählt dazu das große Festival of Zeiten geführt. Viel ist passiert, das Gesicht von HIV/ Friendship 1995, gleich als ich anfing, das Burgplatz, Markt- Aids hat sich stark gewandelt, neue, vielfältige Orga- platz und die Straßen dazwischen einnahm und einen gewal- nisationen und Projekte – wie z. B. Care 24 Soziale tigen Schub an Bekanntheit und Sympathie für unsere Anlie- Dienste, SLJD/PULS, das Schwul-lesbische Aufklä- rungsprojekt SCHLAU, die Trans*beratung, Projekte gen bewirkt hat. Und herausragend: die große Hoffnung der 8
Peter: » Unsere Dachmarke DIVERSITAS – Bunt für Düsseldorf zeigt, dass der Kampf für die Akzeptanz von Vielfalt auch in Zukunft der gemeinsame Nenner und das gemeinsame Ziel aller unserer Angebote ist. « Menschen mit HIV/Aids und ihrer An- und Zugehörigen, als für Düsseldorf zeigt, dass der Kampf für die Akzeptanz von die ersten Aidsmedikamente in der zweiten Hälfte der 90er Vielfalt auch in Zukunft der gemeinsame Nenner und das Jahre aufkamen. Später dann die effektiven Therapien, die gemeinsame Ziel aller unserer Angebote ist. ein langes und gutes Leben mit HIV ermöglichen und u.a. unseren damaligen Pflegedienst überflüssig machten! Ein bunt: Peter, welche persönlichen Eigenschaften sollte echter Meilenstein war die Erkenntnis, dass Menschen mit man an der Spitze von DIVERSITAS mitbringen? HIV unter einer funktionierenden HIV-Therapie das HI-Virus nicht weitergeben. Das wurde oft nicht geglaubt, auch von Peter: Lust auf Zukunft, viel Durchhaltevermögen und Fle- den HIV-Infizierten selbst nicht. Und doch ist es ein gewal- xibilität, Rückschläge einzustecken. Man muss gerne mit tiger Meilenstein, der endgültig deutlich macht, dass Men- unterschiedlichen Menschen arbeiten, Konflikte konstruktiv schen mit HIV so leben können, wie alle anderen auch! gestalten können. Humor hilft auf alle Fälle … Fachlich sind neben der klassischen Ausbildung Erfahrung und viel Lern- bunt: Eines der großen Projekte, das Du fast pass bereitschaft, ein vertieftes Verständnis für psychosoziale genau zu Deinem Ausscheiden „aufgegleist“ hast, war und gesundheitliche Prozesse in unserer Gesellschaft bis die über zwei Jahre währende Organisationsentwick- hin zu betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten wichtig. lung hin zur neuen Dachmarke DIVERSITAS – Bunt für Düsseldorf. Du bist zu einer Zeit zur Aidshilfe gesto- bunt: Özgür, nochmals: Herzlich willkommen! In der ßen, als die Diagnose HIV/Aids noch einem Todes letzten Ausgabe der „bunt“ haben wir Dich schon kurz urteil gleichkam und im Fokus – auch der öffentlichen vorgestellt. Heute wollen wir gerne erfahren, wie Du Wahrnehmung – stand. Inwieweit hat das Thema die ersten Wochen/Monate bei DIVERSITAS erlebt Vielfalt dem Kernthema HIV/Aids über die Jahre den hast. Du übernimmst ja ein wahrhaft vielfältiges, Rang abgelaufen innerhalb der Organisation? Oder wie buntes Aufgabengebiet, das als „People business“ ist der Name DIVERSITAS zu werten? stark von zwischenmenschlichen Kontakten lebt, was aktuell nur eingeschränkt möglich ist. Peter: Akzeptanz vielfältiger, von der heterosexuellen Norm abweichender Lebensstile und der Kampf für diese Akzep- Özgür: Die ersten Wochen war es mir wichtig die einzelnen tanz gehörte zur Gründungs-DNA der Aidshilfen, auch der Organisationen unter dem Dach von DIVERSITAS besser Düsseldorfer. Denn die Diskriminierung und der Hass, die kennenzulernen. Die internen Prozesse, die Fachbereiche, Menschen mit HIV in den 1980er und 1990er Jahren ent- Projekte und ihre Teams. Das ist eine wichtige Grundlage gegenschlugen, hatten zum großen Teil ihre Ursache darin, für eine der zukünftigen Aufgaben hinsichtlich der Vernet- dass sogenanntes „normabweichendes Verhalten“ (Homo zung und der Lobbyarbeit. Die Herausforderungen haben sexualität, wechselnde Sexualpartner*innen, Sexarbeit, sich in der Corona-Pandemie in allen Bereichen erhöht. Drogenkonsum etc.) oder der „Import“ von HIV (Menschen Schlechtere Versorgung, schwierige Erreichbarkeit von Äm- mit Migrationsgeschichte) für die Verbreitung von HIV und tern und eingeschränkte Hilfsangebote haben die Aufgaben Aids verantwortlich gemacht wurden und als Ursache dafür und Anforderungen an unsere Mitarbeitenden erhöht. Diese galten, dass den „braven“, norm- und moralgerecht Leben- schwierige Situation haben die Mitarbeitenden durch ein den vermeintlich der Tod drohte. Deshalb waren und sind hohes Engagement sehr gut gemeistert und die Angebote Akzeptanz- und Emanzipationsarbeit immer ein zwingender den Umständen angepasst. Ich erlebe ein sehr motiviertes Bestandteil unserer Angebote. Aus dieser Haltung heraus und engagiertes Team. Inzwischen konnte ich alle Bereichs- haben wir seit den 1990er Jahren Angebote, die nicht unmit- leiter*innen und diverse Teams kennenlernen und mir einen telbar mit HIV zusammenhängen, hinzugefügt. Die Spann- Einblick in die Tätigkeitfelder verschaffen. Zudem gab es breite reicht von der Wohnungslosen- und Eingliederungs bereits einen Austausch mit den politischen Akteur*innen hilfe über HIV und Aids bis hin zu Angeboten mit und für die innerhalb der für uns wichtigen Gremien. Leider bisher nur queere Community. Unsere Dachmarke DIVERSITAS – Bunt in digitaler Form, aber ich hoffe, dass ich diesen ersten 9
Talk Austausch auch bald mit einem per- anderer sein. Die Rechte des Einzelnen, gemeinsam mit SCHLAU Düssel- sönlichen Kontakt verbinden kann. wie sie im Grundgesetz verankert sind, dorf und dem Jugendzentrum PULS aber auch die allgemeine Erklärung der Schwul-lesbischen Jugendarbeit bunt: Özgür, Du hast schon viel der Menschenrechte, die Werte und zusammengefasst. Das verbessert über den Tellerrand geschaut, Grundsätze der Weltgesundheitsorga- die fachliche Zusammenarbeit, den warst für ein internationales nisation und nicht zuletzt das Sozial Wissenstransfer und die gemeinsa- Unternehmen tätig, hast u.a. in gesetzbuch sind die Grundlagen un- me Entwicklung zukunftsgerichteter den USA und Japan gelebt und serer Arbeit. Ein Recht auf Gesundheit Projekte. Unsere Haltung ist die, dass selbst türkische Wurzeln. Was hat Dich bzw. reizt Dich an der neuen und Teilhabe an gesundheitsfördern- wir partizipativ arbeiten, Mitarbeitende Aufgabe? Welche Erfahrungen den Ressourcen, auf soziale Sicherheit haben eine wichtige Stimme. Im Lei- – ob persönlich oder beruflich – und die Schaffung der notwendigen tungsteam arbeiten wir auf Augenhöhe hast Du mit dem Thema Vielfalt Voraussetzungen zur freien Entfaltung miteinander. und Diskriminierung gemacht? der Persönlichkeit wird ein Schwer- punkt sein. Und in diesem Kontext Özgür: Die Mitbestimmung im Unter- Özgür: In meiner bisherigen beruf möchte ich die Organisationen und nehmen beruht auf der grundsätz lichen Tätigkeit war es für mich wich- Projekte innerhalb von DIVERSITAS lichen Überzeugung: Demokratie darf tig immer mit hohem Engagement entwickeln und weitere Projekte ansto- nicht auf den Staat beschränkt bleiben, und professionellen Dienstleistungen ßen. Ein weiterer Schwerpunkt wird die sondern muss für alle gesellschaft für eine sozial gerechte und diskrimi- Organisationsentwicklung sein. Hier lichen Bereiche gelten. Die Weiterent- nierungsfreie Gesellschaft zu kämp- möchte ich die Themenfelder finan wicklung der Dachmarke selbst – und fen – denn Diskriminierung von Min- zielle und personelle Entwicklung und der Einheit darunter – wird ein wichti- derheiten ist in unserer Gesellschaft ihre dazugehörigen Strukturen in den ger Bestandteil der Mitbestimmung, immer noch vorhanden. Deshalb ist Fokus nehmen. transparenten und partizipativen es mir wichtig, der zunehmenden Ver- Teamarbeit der Mitarbeitenden sein. schärfung dieser Diskriminierung von bunt: Nochmals zu DIVERSITAS: Hierzu möchte ich gerne ein Projekt- Minderheiten, die aufgrund von sexu- Wie wird es gelingen, die ein- team implementieren, an der alle inte- zelnen Organisationen (und ihre ressierten Mitarbeitenden teilnehmen eller Orientierung und geschlechtlicher Mitarbeitenden) auszubalancie- Identität, ihrer Herkunft oder ihrer können. ren im Spannungsfeld zwischen Gesundheit ausgegrenzt werden, ent- Autonomie/Eigenständigkeit gegenzutreten, ihnen Schutz zu bieten bunt: Helmut Schmidt sagte einst: einerseits und einer neuen Einheit und für ihre Rechte einzutreten. In der „Wer Visionen hat, sollte zum andererseits? Peter, wie hast Arzt gehen.“ Trotzdem: Welche Aidshilfe Düsseldorf bzw. bei DIVER- Du das in den letzten Monaten Visionen, oder besser Zielvor- SITAS kann ich diesen Ansatz weiter- erlebt? Özgür: Hast Du konkrete stellungen hast Du, Özgür, für verfolgen. Weitere Beweggründe sind Pläne, wie man hier ggf. vorhan- DIVERSITAS? dene Widerstände auflösen kann? die bisherigen persönlichen und beruf- lichen Erfahrungen, die ich gemacht Özgür: DIVERSITAS bzw. die Aidshilfe, habe. Aufgrund meiner Wurzeln werde Peter: Während der Organisationsent- Care24 und der SLJD sind wichtige ich oft mit Vorurteilen konfrontiert und wicklung hin zu DIVERSITAS konnten Institutionen der Düsseldorfer Sozial nehme leider wahr, dass unsere Gesell- alle Mitarbeitenden zu Wort kommen. gesellschaft und ich freue mich, ge- schaft trotz der vorhandenen Vielfalt Die Entscheidung, eine gemeinsame meinsam mit dem Vorstand und den noch nicht gänzlich aufgeklärt ist. Zukunft anzustreben ist gemeinsam Mitarbeitenden die Entwicklungen in getroffen worden. Aus etwa 100 eine nachhaltige Zukunft zu führen. bunt: Wo möchtest Du Schwer- Namens vorschlägen aus ehren- und Das bedeutet für mich, die strategi- punkte und Akzente Deiner Arbeit hauptamtlichen Bereichen wurde sche Ausrichtung in einer innovativen, setzen? Hast Du durch Deinen DIVERSITAS als Dachmarkenname zukünftigen Zusammenarbeit der betriebswirtschaftlichen Hinter- ausgewählt! Wir haben die Fachberei- Organisationen zu bündeln. Konkret grund vielleicht einen anderen che und die Zuordnung der einzelnen auch, DIVERSITAS eine Rechtsform Blick auf die Dinge? Projekte zu den Fachbereichen nach zu geben um dadurch das vielfältige inhaltlichen Kriterien rechtsformüber- Entwicklungspotenzial abzurufen, zeit- Özgür: Auch wenn sich der berufliche greifend neu sortiert, z. B. sind im gemäß weiterzuführen und den Blick Hintergrund von dem Peters unter- Fachbereich Jugend das Youth- und auch auf neue Handlungsfelder zu scheidet, wird der Schwerpunkt kein Schoolwork-Projekt der Aidshilfe richten zu können. 10
Talk bunt: Peter: Was hast Du Deinem Nachfolger mit auf den Weg gegeben? Peter: Eine gute Einarbeitung und meine besten Wünsche! bunt: Den besten Wünschen – für Euch beide – können wir uns nur anschließen! Lieber Peter, Dir im Namen aller Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen, der vielen Kooperationspartner* innen und Unterstützer*innen vielen herzlichen Dank für Deinen Peter von der Forst Özgür Kalkan jahrelangen engagierten und couragierten Einsatz! Wir werden Vor 65 Jahren in Duisburg geboren, Der gebürtige Düsseldorfer Özgür Dich vermissen. studierte Peter von der Forst Politik Kalkan ist 45 Jahre alt, verheiratet und Dir, Özgür, wünschen wir von Her- wissenschaften und machte später Vater von zwei Kindern. zen weiterhin „gutes Ankommen“, eine berufsbegleitende Fortbildung viel Power und ein glückliches zum Thema Sozialmanagement. Er hat in Düsseldorf sein Studium Händchen, um DIVERSITAS in die zum Betriebswirt absolviert und im Zukunft zu führen. Vor seiner Tätigkeit bei der Aidshilfe Anschluss für ein international tätiges Düsseldorf war er bereits bei der Unternehmen gearbeitet, war u.a. in Vielen Dank für das Gespräch an Aidshilfe Marburg sowie der Aidshilfe den USA und Japan tätig. Von April Euch beide. Frankfurt tätig. 2012 bis März 2021 arbeitete er für die Arbeiterwohlfahrt in Aachen, zunächst Der verheiratete Vater dreier erwach als Kaufmännischer Leiter und seit Das Interview führte Annette Rau. sener Kinder lebt in Ratingen und ist 2014 als Geschäftsführer. Darüber hin begeisterter Fahrradfahrer und aus hat Özgür Kalkar eine Ausbildung ambitionierter Hobbyfotograf. zum Sozialwirt an der Alice Salomon Zwei Hobbys, für die ihm jetzt im Hochschule Berlin abgeschlossen. „Un“ruhestand viel mehr Zeit bleiben. Seine freie Zeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie und mit der Arbeit für einige Organisationen, für die er ehrenamtlich tätig ist. Özgür: » Mir ist es wichtig, der zunehmenden Verschärfung der Diskriminierung von Minderheiten (...) entgegenzutreten, ihnen Schutz zu bieten und für ihre Rechte einzutreten. In der Aidshilfe Düsseldorf bzw. bei DIVERSITAS kann ich diesen Ansatz weiterverfolgen. « 11
Titelthemen V ielfalt und Diversität sind ak- tuell in aller Munde. Egal ob in Politik und Gesellschaft oder wenn es um Führung und Management in Unternehmen geht. Warum ist das so? Denn das Thema ist keines- wegs neu. Es hat sich aber entwi- ckelt, ist ganzheitlicher und immer bedeutender geworden. Der Vorsitzende des Völklinger Kreis e.V., Matthias Weber, (l.) überreichte den Max-Spohr-Preis Seit Jahrzehnten gibt es schon den an die Gleichstellungsbeauftragte Elisabeth Wilfart, den damaligen Oberbürgermeister der Stadt Düssel Kampf für die Gleichstellung von Frauen dorf Thomas Geisel und an die Diversity Beauftragte Jana Hansjürgen (von l. nach r.) im Arbeitsmarkt – sei es mit öffent- lichkeitswirksamen Kampagnen wie national und international entstanden, internationale Bewegung hervor, dem Equal-Pay-Day oder gesetzlichen die unterschiedlichen Bevölkerungs- welche der Gesellschaft verdeutlich- Regelungen, wie der Frauenquote in gruppen Sichtbarkeit verleihen und te, dass sie vielfältiger war als es im definierten Unternehmen. Begonnen somit dem Thema Diversity mehr ersten Moment erschien. Und dass als ein Kampf um Gleichstellung der Aufmerksamkeit verschaffen. Auch es wichtig war, diese Vielfalt miteinzu Geschlechter, ist dieser mittlerweile der Völklinger Kreis, der Berufsver- beziehen. komplexer, vielfältiger geworden und band schwuler Führungskräfte und berücksichtigt heute auch zahlreiche Selbständiger, ist aus diesem Grund Eine der wichtigen Organisationen andere Dimensionen von Vielfalt. Und vor 30 Jahren gegründet worden: um die sich hier engagieren, ist die 1985 das aus gutem Grund: Die Gesellschaft mehr Sichtbarkeit für homo-, bi- und gegründete Aidshilfe Düsseldorf. Sie selbst ist sichtbar vielfältiger gewor- transsexuelle Männer in Unternehmen war schon früh einer der Orte, an denen den und das Ziel einer allgemeinen und zu schaffen und damit deren Forderun- sich Menschen zusammenfanden, die gerechten Gleichstellung wird zurecht gen verstärkt voranzubringen. versuchten, sich der Krankheit ent- eingefordert. gegenzustellen und sie aufzuhalten, Jedoch war die Welt vor 30 Jahren, aufzuklären und einzudämmen. Hier Diese Vielfalt der Gesellschaft auch in Anfang der 90er Jahre, noch eine ganz trafen sich Menschen, die nach Mitteln Unternehmen abzubilden, ist oftmals andere. Es gab noch kein Internet und und Wegen suchten Betroffenen zu eine Herausforderung. Es geht um Sichtbarkeit war ein wertvolles Gut, im helfen und die herrschenden Zustände das Entwickeln von Methoden, welche Besitz der großen Medienunterneh- zu verändern. die Vielfalt heutiger Gesellschaften men. Das Schaffen von Sichtbarkeit Text: Matthias Weber (Völklinger Kreis) · Fotos: Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin, privat berücksichtigt und einbindet. Nur so war nicht leicht. Und Vielfalt als Quali- Minderheiten haben die Kraft, lassen sich die Bedürfnisse und Not- tätsmerkmal zu sehen eine doch eher die Gesellschaft zu verändern wendigkeiten der unterschiedlichsten abwegige Meinung. Der Kampf gegen HIV/Aids verdeut- Gruppen in Einklang bringen und wirk- lichte den Minderheiten in unserer Ge- lich alle fühlen sich in den Unterneh- Doch damals spielte sich weltweit be- sellschaft, dass Veränderung möglich men ganz selbstverständlich akzep- reits seit Jahren eine Katastrophe ab, ist. Und dass ein erster Schritt hierbei tiert und eingebunden. welche die Minderheiten der Gesell- ist, sichtbar zu werden. schaft zutiefst verändern sollte: Aids. Bedeutung von Sichtbarkeit Anfangs noch leise, unbeachtet und Auch wenn HIV und Aids immer noch Ein wichtiger Faktor ist hierbei die auch ignoriert, da sie vermeintlich nur nicht heilbar sind, als chronische Er- Sichtbarkeit. Zahlreiche Organisatio- Randgruppen der Gesellschaft betraf, krankung ist es heute behandelbar. nen sind in den letzten Jahrzehnten brachte die Aids-Katastrophe eine Und so hat der Kampf gegen Aids angefangen sich zu wandeln und aus der Aidshilfe Düsseldorf wurde über Warum reden alle die Jahrzehnte eine vielfältige Organi- sation mit verschiedensten Projekten, von Diversity? aber mit einem gemeinsamen Ziel: der Einsatz für Vielfalt in einer diskrimi- nierungsfreien Gesellschaft. Die neue Dachmarke „DIVERSITAS – Bunt für Düsseldorf“ ist sichtbarer Beleg für diese gelungene Wandlung. 12
Matthias Weber Matthias Weber ist Fachwirt für Finanzberatung und hat Arbeits- und Organisationspsychologie studiert. In der Deutsche Bank-Gruppe ist er Mitglied der Geschäftsleitung und Regionalbereichsleiter NordWest der Postbank in Düsseldorf, wo er auch seit sechs Jahren lebt. Er ist seit 2015 Di versity-Vorstand und seit 2018 zudem Vorsitzender des Vorstands des Völk linger Kreis. Engagiert ist er auch als Präsident des europaweiten Dachver bandes der LGBT-Berufsverbände und Vizepräsident des größten deutschen Führungskräfte-Dachverbandes „United Leaders Association“. Wichtig ist ihm auch sein Beiratsmandat in der Düssel dorfer „BeyondGenderAgenda“ und seit schon 25 Jahren sein Ehrenamt als Das Konzept der Sichtbarkeit hat sich im Laufe der Jahre ver- 1. Vorsitzender einer regionalen ändert und über die Gesellschaft bis in die Unternehmen hinein Aidshilfe in NRW. entwickelt. Im Diversity-Management für Unternehmen wird Sichtbarkeit Der Völklinger Kreis z. B. durch LGBT-Netzwerke umgesetzt. Oder durch sogenannte Rolemodels für LGBT in Unternehmen. Diese verdeutlichen, dass Der Völklinger Kreis (VK) feiert dieses in Unternehmen eine offene, inklusive und auch verschiedene Jahr sein 30jähriges Jubiläum und Lebensformen akzeptierende Unternehmenskultur herrscht. Mit ist der Berufsverband für schwule dieser Sichtbarkeit schaffen LGBT-Führungskräfte eine wichtige Führungskräfte und Selbständige Grundlage, LGBT-Mitarbeitende zu unterstützen und sie in ihrer in Deutschland. Zahlreiche seiner Sichtbarkeit zu bestärken. Aktivitäten und Projekte, wie z. B. der Max-Spohr-Preis für herausragendes Letztlich gilt, egal ob in Gesellschaft oder in Unternehmen: Jede*r Diversity-Management, die Event-Reihe einzelne sollte sich aufgehoben und beachtet fühlen. Fühlen sich DiverseCity oder auch das Mento Menschen in all ihrer Vielfalt aufgehoben und wahrgenommen ring-Programm Future Leaders sind – egal welchen Geschlechts, welchen Alters, welcher sexuel- fester Bestandteil der politisch-wirt ler Orientierung oder Identität, welcher Religion oder Welt- und schaftlichen Landschaft Deutschlands. Lebensauffassung könnten wir das Ideal einer diskriminierungs- In Düsseldorf wurden bereits mehrere freien und vielfältigen Gesellschaft leben. Das ist der Grund, DiverseCities erfolgreich mit der weshalb Diversity zur Zeit in aller Munde ist. Und auch wenn es Landeshauptstadt umgesetzt – und noch ein Ideal sein mag, jeder Schritt dorthin ist ein Schritt in die Düsseldorf erhielt 2020 auch den richtige Richtung. begehrten Diversity-Preis des VK, den Max-Spohr-Preis.
Titelthemen Corona torpediert die globalen Ziele im Kampf gegen HIV und weitere Erkrankungen D er kürzlich herausgegebene Fortschrittsbericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigt zwar in einigen Bereichen Erfolge, jedoch auch gra- 2019) zeigen jedoch eine andere Realität: Nur 81 Prozent der Menschen mit HIV kannten ihren Status, 82 Prozent davon wurden behandelt und bei 88 Prozent der Behandelten war vierende Lücken im weltweiten Engagement und der durch die Behandlung kein Virus mehr nachweisbar. Umsetzung von Maßnahmen gegen HIV und weitere sexuell übertragbare Infektionen (STI) wie Hepatitis. Sexuell übertragbare Infektionen Die weltweite Covid-19-Pandemie war dabei zwar Auch im Bereich STI stagniert die Inzidenz. Jeden Tag ste- nicht hauptursächlich, hat die Situation aber weiter cken sich geschätzt eine Mio. Menschen weltweit mit einer verschärft – gerade in ärmeren Ländern. So sollen bis STI an. Dies hat laut WHO jährlich 2,3 Millionen Todesfälle 2025 die besonders betroffenen Schlüsselgruppen zur Folge. Die Fallzahlen mit Hepatitis B und C sind zudem und der Abbau von Ungleichheit im Mittelpunkt des weiterhin zu hoch. 2019 wurden allein rund 3 Mio. neue Einsatzes gegen HIV/Aids, Hepatitis und weitere STI Infektionen sowie 1,1 Mio. Hepatitis-bedingte Todes fälle stehen. registriert. Besonders auffällig, gerade bei Hepatitis B: Nur ein geringer Teil der Infektionen werden überhaupt diagnos- Noch immer haben viele Menschen keinen ausreichenden tiziert und noch weniger behandelt. Zugang zu lebenswichtigen Maßnahmen, gerade für die am stärksten betroffenen und gefährdeten Bevölkerungs- Lichtblick bei der Behandlung von Schwangeren gruppen fehlen (leicht zugängliche) HIV/STI-Test-, Präven- und Neugeborenen tions- und Behandlungsangebote. Durch die Corona-Pan- Übertragungen von Syphilis und HIV auf Babys während demie wurden zudem viele Hilfsangebote ausgesetzt oder Schwangerschaft und Geburt sind deutlich zurückge- konnten nur einschränkt aufrechterhalten werden. „Der Re- gangen; in der Folge kam es zu einem ebenso deutlichen chenschaftsbericht hätte vor einem Jahr, also vor Covid-19, Rückgang der Sterblichkeit von Neugeborenen. Hilfreich ganz anders ausgesehen“, so Dr. Meg Doherty, Direktorin und ursächlich in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, der WHO-Abteilung für globale HIV-, Hepatitis- und STI-Pro- dass die Gesundheits- und Schwangeren-Vorsorge in immer gramme. Der Bericht ist somit gleichzeitig ein Aufruf zum mehr Ländern strategisch umgesetzt wird und inzwischen verstärkten Handeln, um „das große Ziel“, Aids bis 2030 als 85 Prozent der schwangeren Frauen, die mit HIV leben, eine Pandemie zu beenden, noch zu erreichen. antiretrovirale Therapie erhalten. HIV: 90-90-90 Ziel verfehlt Schlüsselgruppen im Fokus – Etwa 1,7 Mio. Menschen haben sich weltweit 2019 neu mit Aids bis 2030 beenden HIV infiziert. Das ist der niedrigste HIV-Inzidenzwert seit Um dem für 2030 gesteckten Ziel, Aids bis 2030 als Pan- 1990. Das sieht auf den ersten Blick erfreulich aus, und doch demie zu beenden, möglichst nah zu kommen, rücken täuscht der Blick, denn: Angestrebtes Ziel war eine Zahl von WHO und UNAIDS in den nächsten Jahren vor allem den 500.000 und damit zwei Drittel weniger Neu-Infizierte. Bis Abbau von Ungleichheit in den Mittelpunkt und nehmen die heute erhalten zudem weiterhin nur zwei Drittel der Men- besonders von HIV und Aids bedrohten und betroffenen Text: Annette Rau · Quelle: DAh schen mit HIV eine antiretrovirale Therapie. Bitter: Die bereits „Schlüsselgruppen“ in den Fokus ihrer Arbeit. Dazu zählen 2014 formulierten „90-90-90“-Ziele wurden verfehlt, denn Sexarbeiter*innen, Drogengebrauchende, Inhaftierte, Trans*- bis 2020 sollten 90 Prozent aller HIV-Infektionen diagnosti- Personen sowie schwule Männer und Männer, die Sex mit ziert sein, 90 der Diagnostizierten sollten Zugang zu einer Männern haben (MSM). Denn auf sie entfallen weltweit 62 HIV-Therapie haben und 90 Prozent der Behandelten sollten Prozent der HIV-Infektionen – obwohl sie nur einen viel klei- unter der Nachweisgrenze liegen. Die Zahlen (Stand Ende neren Anteil der Erdbevölkerung ausmachen. 14
Titelthemen 40 Jahre HIV und Aids V or rund 40 Jahren, am 5. Juni 1981, berichtete die US-Ge- sundheitsbehörde CDC (Center Strafe für Unmoral aus dem Blick- winkel der Mehrheitsgesellschaft. Bis sich in Deutschland die Erkenntnis Fällen gut behandelt werden kann und ein annähernd normales Leben mög- lich ist – sofern der Zugang zu einer for Desease Control) erstmals durchsetzte, dass HIV/Aids grundsätz- Behandlung möglich ist. über ein mysteriöses neues Krank- lich jede*n treffen konnte (z. B. in den heitsbild bei fünf homosexuellen Anfangsjahren auch über Bluttrans- Diskriminierung verhindert Männern – kurz darauf bekannt fusionen), vergingen Jahre. Aber sie weitere Bekämpfung unter dem Namen AIDS (Acquired veränderten alles. Die Unbefangenheit An der Diskriminierung, mit der viele Immune Deficiency Syndrome). beim Sex war verflogen, die Angst vor Betroffene konfrontiert sind, hat sich Ein Todesurteil muss die Infek Begegnungen mit fremden Menschen allerdings über die Jahrzehnte zu we- tion längst nicht mehr sein – aber groß, das Misstrauen ebenso. Und po- nig geändert. Denn: Nach einer neuen Ausgrenzung und Stigmatisierung litisch war das Klima vergiftet, wenn Umfrage der Deutschen Aidshilfe er- sind immer noch Alltag für viele in- es um die mit HIV infizierten bzw. an lebt gut die Hälfte der HIV-Positiven fizierte Menschen. Anlässlich des Aids erkrankten Menschen ging. Von immer noch Diskriminierung. „Stigma 40. Jahrestags der Entdeckung Zwangstests bis hin zur Kenntlichma- und Diskriminierung sind eine der Ur- des Virus fordern Aidshilfen, WHO chung und zum Wegsperren gingen die sachen dafür, dass die HIV-Pandemie und UNAIDS daher verstärkte An- politischen Gedankenspiele. weltweit nach 40 Jahren noch nicht zu strengungen. Ende ist“, so Virologe Prof. Dr. Hendrik Gründung der Aidshilfen: Selbst- Streeck (zuletzt als Corona-Experte Zunächst noch unbemerkt von der hilfe und Aufklärung gegen Stig- vielen bekannt) anlässlich von 40 Jahre Mehrheitsgesellschaft, erkrankten – matisierung HIV/Aids gegenüber der dpa. Die Fol- und starben – Anfang der 80er Jahre Als Reaktion gründete sich 1983 die gen der Corona-Pandemie auf die beinahe ausschließlich homosexuelle Deutsche Aidshilfe. Ihr Ziel: Konkrete HIV-Infektionen seien ebenfalls noch Männer an den unterschiedlichsten Hilfe für die betroffenen Menschen, nicht abzusehen, sagte Streeck. Vieler Krankheitsbildern, die sich in Folge gemeinsamer Kampf gegen Ausgren- orts hätten sich weniger Menschen der erworbenen Immunschwäche zung und Stigmatisierung. 1985, als testen lassen, und viele hätten ihre ausbilden konnten: seltene Formen die Wissenschaftlerin Rita Süssmuth Medikamente nicht mehr regelmäßig von Lungenentzündung oder Krebs (CDU) Bundesministerin für Jugend, bekommen. Das könne zu weiteren beispielweise. Schon einen Monat Familie und Gesundheit wurde, fan- Neuinfektionen führen. nach der ersten Erwähnung meldet den sich auch auf politischer Ebene die New York Times: „Seltener Krebs Verbündete, in der Vorreiterrolle über Viele Menschen lassen sich zudem bei 41 Homosexuellen festgestellt.“ Jahrzehnte Rita Süssmuth. Sie gab die aus Angst und Sorge vor den Folgen Die LGBTQ-Szene (damals noch nicht Parole aus: „Wir bekämpfen die Krank- und Angst vor Diskriminierung nicht unter diesem Kürzel benannt) wurde heit, nicht die Betroffenen“ und setzte testen, oder es gebe kaum Testmög- von Aids getroffen wie von einem Blitz. auf Aufklärungskampagnen – und die lichkeiten. Gerade in Osteuropa und Auch in Deutschland setzte das große Zusammenarbeit und Kooperation mit in Ländern wie Ägypten, Südsudan, Sterben, v.a. unter schwulen Männern, der Selbsthilfe und den aus dem Boden Pakistan oder in Westafrika steige die ein. Angst und Verzweiflung nahmen sprießenden Aidshilfen. Zahl der Neuinfektionen weiterhin an. zu, denn eine Infektion mit dem HI-Virus So warnt UNAIDS zum 40. Jahrestag führte fast immer zu Aids und bedeu- Medizinische Fortschritte der Entdeckung von HIV/Aids davor, tete zumeist ein sicheres Todesurteil. Das erste HIV-Medikament kam 1987 dass das Ziel, Aids bis 2030 zu been- zum Einsatz. Meilenstein in der Thera- den, zu scheitern drohe (siehe Artikel Text: Annette Rau · Foto: pexels Dazu gesellte sich die zunehmende pie ist jedoch die seit 1997 eingesetzte S. 14). Verunglimpfung seitens der Mehrheits- Kombinationstherapie, bei der mehrere gesellschaft. Denn: Kaum fand man Wirkstoffe effektiv miteinander kombi- 2020 lebten weltweit 37,6 Mio. Men- heraus, wie die Übertragung zustande niert werden, so dass die Vermehrung schen mit HIV. In Deutschland lebten kam, hatte der Volksmund – und kon- des Virus so weit unterdrückt wird, knapp 100.000 Menschen Ende 2019 servative Kreise in Politik, Kirche und dass die Krankheit Aids nicht mehr mit HIV/Aids, knapp 11.000 davon Gesellschaft – schon die passende ausbrechen kann. Inzwischen gibt es wissen nach Schätzungen des Robert Bezeichnung parat: „die Lustseuche“. eine Reihe wirksamer HIV-Medikamente, Koch-Instituts (RKI) nicht von ihrer Aids als Strafe fürs Anderssein, als so dass die Infektion in den meisten Infektion. 15
SCHLAU Düsseldorf 2021: Erst virtuell, dann endlich wieder in Präsenz I m vergangenen halben Jahr fand SCHLAUe Arbeit in Düsseldorf bis in den Juni hinein ausschließlich virtuell statt. Die Schulen blieben geschlossen und und fachlich hoch kompetenter Einsatz in der SCHLAUen Bildungs- und Antidiskriminierungsarbeit wird uns allen feh- len. Auch wenn sie eine neue Stelle angefangen hat, bleibt alle geplanten Workshops wurden auf einen zukünf- sie uns zu unserer großen Freude aber weiterhin als eine der tigen Zeitpunkt verschoben, zu dem Präsenz-Termine Sprecher*innen von SCHLAU NRW erhalten. hoffentlich wieder möglich sein würden. Wir waren da- her dankbar und froh, mit der Diakonie in sehr gutem Team, Projektkoordination und Trägerverband können sich Kontakt zu sein und mit einigen Gruppen von jungen zudem glücklich schätzen, dass bereits eine Person ge- Erwachsenen, die im Rahmen ihres Freiwilligen Sozia funden wurde, die Wiebkes Stelle übernehmen und in den len Jahres in unterschiedlichen Einrichtungen arbei- kommenden Wochen ihre Arbeit für SCHLAU beginnen wird teten, Online-Angebote zu den Themen sexuelle und – in der nächsten Ausgabe dazu mehr! SCHLAU Düsseldorf geschlechtliche Vielfalt durchführen zu können. Dazu kann somit gut aufgestellt in die Zeit nach den Sommer kam eine Kooperation mit der Hochschule Düsseldorf, ferien starten, um in der zweiten Jahreshälfte viele weitere die wir virtuell in einem Seminar zu „Machtkritischer Workshops durchzuführen. Bildungsarbeit“ besuchten. Mehr Informationen auf www.schlau-duesseldorf.de Im Laufe des Frühjahrs öffneten die Schulen wieder und zur Freude vieler Teamer*innen war es im Juni endlich möglich, Workshops in den Klassenräumen durchzuführen. Die letz- ten Wochen des Schuljahrs sind normalerweise die Zeit des Jahres, in der wir die meisten Workshop-Termine haben. Es wurde schnell deutlich, dass sich 2021 trotz Corona-Pande- mie in dieser Hinsicht nicht von anderen Jahren unterschied: Wir wurden so rege angefragt, dass wir manche Schulen auf die Zeit nach den Sommerferien vertrösten mussten, weil unser Terminkalender komplett gefüllt war. So schafften wir in den letzten beiden Schulwochen insgesamt 16 Work- shops, indem wir nahezu jeden Tag in Doppelbesetzung parallele Einheiten mit den Jugendlichen durchführten. Vielen Dank dafür den beteiligten Schulen und unseren Teamer*innen, die teilweise sehr ausdauernd und mit gro- Text: Kjell Herold · Abbildungen: SCHLAU-Archiv ßen Engagement mehrere Tage am Stück im Einsatz waren! Ein riesengroßes Dankeschön möchten wir von SCHLAU außerdem an Wiebke Herter richten, die als eine der beiden Projektkoordinator*innen von Herbst 2018 bis Mitte Juni 2021 großartige Arbeit leistete: Sei es in der Akquise sowie im engen Kontakt von und mit Schulen und Ehrenamtler* innen, der Konzepterstellung und Durchführung von (teils auch virtuellen) Workshops oder in der Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit – Wiebkes empathischer, herzlicher duesseldorf.schlau.nrw 16
Projekte und Gruppen Mein Praktikum bei PRADI – eigene Vorurteile erkennen und hinterfragen Ich hatte also unbewusst selbst eine warten auf die Entscheidung des Ge- S chwule und bisexuelle Männer*? Geflüchtet oder einen Migra tionshintergrund? Ich hingegen Gruppe von Menschen konstruiert, denen ich bestimmte Eigenschaften zugeschrieben habe, konnte jedoch richts. Dazwischen warten auf einen Deutschkurs, die Erlaubnis zu arbeiten oder eine Ausbildung anfangen zu kön- heterosexuell und cisgender, deutsch direkt zu Beginn mein eigenes Vorurteil nen usw. und weiß. Bin ich für diese Ar- – dass die gleiche sexuelle Orientie- beit geeignet? Passe ich da rein? rung wichtig oder ein ähnlicher kultu- Ständige Unsicherheit und Das waren meine Gedanken, als reller Hintergrund relevant sei – erken- Diskriminierung ich – Anna-Lena, 22 Jahre alt und nen und widerlegen. Die aus ihren Heimatländern geflüch- Studentin der Sozialarbeit/Sozial teten Menschen leben in Deutschland pädagogik an der Hochschule Warten als Dauerzustand also in einem ständigen Gefühl der Un- Düsseld orf – meine Bewerbung für Durch die Vielfalt an Themen und die sicherheit: in Bezug auf ihr Bleiberecht mein Anerkennungs-Praktikum bei immer unterschiedlich ablaufenden und ihren Lebensunterhalt, aber eben- PRADI bzw. der Aidshilfe Düssel- Beratungsgespräche konnte ich wäh- so in Bezug auf ihre sexuelle Orien dorf schrieb. Das Projekt PRADI ist rend des Praktikums sehr viel lernen, tierung. Denn die Männer*, die in die ein Beratungsangebot für schwule z. B. über das Asylverfahren und die Beratung kommen, sind schwul oder und bisexuelle Männer* mit einer verschiedenen Formen des Aufent- bisexuell und aus diesem Grund ge- Flucht- oder Migrationsgeschichte. haltsstatus oder die damit verbundene flohen. Weil sie in ihren Heimatländern Dementsprechend findet eine Be- Gesetzgebung. aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ratung zu den Themen sexuelle nicht akzeptiert werden und sogar in Orient ierung oder sexuell übertrag Was mich dabei sehr deprimiert hat, ist Gefahr sind. In den Beratungsgesprä- bare Krankheiten statt. Die Männer* die Tatsache, dass Menschen mit ei- chen ist mir die Tatsache noch einmal können auch mit anderen für sie ner Fluchtgeschichte den größten Teil mehr bewusstgeworden, dass homo- relevanten Themen in die Beratung kommen. Häufig geht es auch um GESETZE ZUR SEXUELLEN ORIENTIERUNG IN DER WELT die Themen „Asylverfahren“, „Geld- Von der Kriminalisierung einvernehmlicher sexueller Handlungen zwischen gleichgeschlechtlichen Erwachsenen bis hin zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung leistungen“ oder „Wohnsituation“. Grönland (DN) Island Färöer Finnland Russland (DN) Norwegen Unbewusste Vorurteile hinter- Schweden Estland Kanada Isle of Man (GB) Dänemark Lettland Litauen Irland Belarus UK Niederlande Deutschland Polen Belgien Tschechien Guernsey (GB) Lux. Ukraine fragen Jersey (GB) Liecht. Österreich Slowakei Kasachstan FrankreichSchweiz Ungarn Mol. Slowenien Kroatien Rumänien Mongolei S. Marino Saint Pierre und B&H Serbien Miquelon (FR) Andorra Italien Monaco M K Bulgarien Spanien Georgien Usbekistan Kirgisistan NM Portugal Vatikanstadt A Armenien Aserbaidschan Nordkorea Vereinigte Staaten von Amerika Griechenland Türkei Turkmenistan Tadschikistan Südkorea Sehr schnell habe ich festgestellt, Gibraltar (GB) Tunesien Malta Zypern Syrien China Japan Libanon Afghanistan Marokko Irak Iran (M) Israel Palestine Bermuda (GB) Jord. Kuwait Pakistan Algerien (M) Libyen Nepal Bhutan Ägypten Bahrain Katar dass meine Sorgen unbegründet Bahamas (M) Mexiko Westsahara Saudi- Bangladesch Hong Kong (China) Taiwan (China) UAE Arabien (M) Kuba Turks- und Caicos-Inseln (GB) Oman Indien Caymaninseln Myanmar Macau (China) Dominikanische Republik Mauretanien Laos Östliche Karibik (GB) Haiti Mali Puerto Rico (USA) Britische Jungferninseln (GB) Cabo Verde Niger Sudan Nördliche Marshallinseln Belize Jamaika Tschad Eritrea Jemen Marianen (USA) Anguilla (GB) Curacao (NL) Senegal Thailand waren. Die Annahme, schwule und Amerikanische Jungferninseln (USA) Guatemala Honduras Vietnam Philippinen Aruba (NL) Gambia St. Martin (FR) El Salvador Nicaragua Bonaire (NL) Burkina Kambodscha Kiribati Sint Maarten (NL) Guinea-Bissau Faso Dschibuti Mikronesien Guam (USA) Guinea Benin Saba (NL) Saint Barthelemy (FR) Costa Rica Panama Trinidad und Tobago Nigeria Somalia Sierra Leone Togo Äthiopien Sint Eustatius (NL) Venezuela Elfenbein- Südsudan küste Zentralafrikanische (M) Sri Lanka Guyana Liberia Ghana Malediven Brunei Palau Nauru St. Kitts und Nevis Kamerun Republik Malaysia Kolumbien Sur. bisexuelle Männer* würden lieber mit Fr. Antigua und Guy. Uganda Montserrat (GB) Barbuda Äquatorialguinea Kenia Republik Singapur Tokelau (NS) Kongo Ecuador São Tomé Gabon Guadaloupe (FR) und Príncipe Demokratische Ruanda Republik Kongo Burundi Indonesien Salomonen Samoa Dominica Tansania Seychellen Britisches Territorium im Papua-Neuguinea einer Person sprechen, die die gleiche Indischen Ozean (GB) Martinique (FR) Peru Komoren Timor Leste Tuvalu Amerikanisch-Samoa Brasilien (USA) St. Lucia Malawi Text: Anna-Lena Pohlmann · Abbildungen: PRADI, www.ilga.org Angola Mayotte (FR) Niue (NS) St. Vincent und Grenadines Sambia Barbados Wallis und Bolivien St. Helena; Ascension Vanuatu Futuna (FR) Mauritius sexuelle Orientierung hat, wurde von Grenada und Tristan da Cunha Mosambik Cookinseln (UK) Simbabwe (NS) Namibia Madagaskar Réunion (FR) Fidschi Französisch-Polynesien (FR) Paraguay Botsuana Chile Australien Tonga Eswatini Pitcairninseln (GB) Neukaledonien Lesotho den Klienten widerlegt. Da Menschen (FR) Südafrika Uruguay Argentinien Neuseeland unterschiedlich sind, gibt es natürlich Falkländische / Malvinas-Inseln Schutz vor Diskriminierung aufgrund Kriminalisierung einvernehmlicher sexueller der sexuellen Orientierung Handlungen zwischen gleichgeschlechtlichen Erwachsenen (GB/AR) Personen, die sich wohler fühlen, wenn Begrenzter/ Faktische 6 Angewandt Schutz durch die Weitgehender Arbeitsrechtlicher Kein Schutz/Keine Haft bis zu Haft 10 Jahre Verfassung 11 Schutz 57 Schutz 81 Ungleichmäßiger 7 Kriminalisierung 43 Kriminalisierung 2 8 Jahren 30 bis lebenslang 27 Todesstrafe Schutz 5 (M) Möglich Südgeorgien und die DEZEMBER 2020 Südlichen Sandwichinseln (GB/AR) Rechtliche Anerkennung von Familien Gesetzliche Hindernisse bei der Ausübung von Rechten die beratende Person ähnliche Erfah- Die in dieser Karte dargestellten Angaben basieren auf Lucas Ramón Mendos, Kellyn Botha, Rafael Carrano Lelis, Enrique López de la Peña, R.I. und Daron Tan ILGA-Bericht State-Sponsored Homophobia. Sofern ILGA als Quelle korrekt angegeben und der Inhalt nicht verändert wird, kann diese Karte ohne Genehmigung vervielfältigt und gedruckt werden. ilga.org Die Übersetzung vom Englischen ins Deutsche erfolgte durch den Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD). Ehe oder andere Formen rechtlicher Anerkennung für gleichgeschlechtliche Paare Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare Gesetzliche Hindernisse bei der Meinungsäußerung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt Gesetzliche Hindernisse bei der Eintragung und der Betätigung zivilgesellschaftlicher Organisationen zu sexueller Vielfalt rungen gemacht hat. Genauso gibt es aber auch Klienten, die lieber von einer ihrer Zeit mit Warten beschäftigt sind. sexuelle oder transsexuelle Personen weiblichen Person beraten werden Warten auf einen Termin zur Anhörung in einigen Ländern immer noch straf- oder solche, denen das Geschlecht, die beim Bundesamt für Migration und rechtlich verfolgt werden oder ihnen sexuelle Orientierung oder der kultu- Flüchtlinge (BAMF). Danach warten sogar die Todesstrafe droht. Und dies relle Hintergrund egal ist. Die meisten auf die Entscheidung des BAMF. Wenn nicht nur von Seiten der Regierung, sagten mir jedoch, dass es für sie das diese negativ ist und dagegen geklagt sondern auch innerhalb der Familie. Wichtigste sei, dass die Person offen wird, wieder warten auf die Anhörung Dies fand und finde ich nach wie vor und hilfsbereit sei. vor Gericht. Und daraufhin wieder sehr schwer vorstellbar. Eine Familie, 17
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