Netzwerk Ost-West Berlin - Riga 2018 - Prof. Dr. Martin Heger
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BESONDERER DANK AN: Druck: Universitätsdruckerei der Humboldt-Universität Netzwerk Ost-West Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin Unter den Linden 9 10099 Berlin Betreuender Professor: Prof. Dr. Martin Heger
INHALT Grußwort von Prof. Dr. Martin Heger ....................................................................................... 1 Teilnehmende ............................................................................................................................ 3 Tag 1 ........................................................................................................................................... 4 Tag 2 ........................................................................................................................................... 4 Tag 3 ........................................................................................................................................... 5 Tag 4 ........................................................................................................................................... 6 Tag 5 ........................................................................................................................................... 6 Tag 6 ........................................................................................................................................... 9 Tag 7 ......................................................................................................................................... 10 Tag 8 ......................................................................................................................................... 12 Tag 9 ......................................................................................................................................... 12 Tag 10 ....................................................................................................................................... 14 Tag 11 ....................................................................................................................................... 16 Tag 12 ....................................................................................................................................... 18 Tag 13 ....................................................................................................................................... 19
GRUßWORT VON PROF. DR. MARTIN HEGER Liebe Studierende, auch in diesem Jahr konnte das Netzwerk Ost- West mit seinen rechtsvergleichenden Semina- ren in Osteuropa das breite Angebot der Hum- boldt-Universität zu Berlin um wichtige Lehrver- anstaltungen bereichern. Zum zweiten Mal in Folge konnten wir Projekte mit sechs Universitä- ten in Mittel- und Osteuropa anbieten und da- mit insgesamt 60 Studierenden der Juristischen Fakultät die Gelegenheit bieten, sich wissenschaftlich zu betätigen, internationale Erfahrung zu sammeln und somit wichtige Impulse für ihren eigenen Werdegang zu setzen. Dass unsere Studierenden dabei zugleich den Gedanken der Völkerverständigung in praktischer Arbeit um- setzen, ist für uns Freude und Ansporn zugleich, an unseren Projekten festzuhalten und diese stetig zu verbessern. Zu unseren Partnern zählten wie bereits im vergangenen Jahr sechs renommierte Hauptstad- tuniversitäten in den Ländern Mittel- und Osteuropas: Dazu gehörten die Juristischen Fakul- täten der Universität Lettlands in Riga, der Nationalen Taras Schewtschenko-Universität in Kiew, der Staatlichen Ivane Javakhishvili Universität in Tiflis, der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest, der Karls-Universität in Prag sowie der Russisch-Armenischen Universität in Jere- wan. Die Projektphase verlief vom 06.-19. August 2018. Dabei fand erneut die erste Seminarwoche an einer unserer Partneruniversitäten statt. Während der zweiten Seminarwoche trafen sich alle Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Hier haben wir wieder intensiv darauf hingearbeitet, dass sich die einzelnen bilateralen Austauschprojekte zu einem internationalen Gesamtprojekt verbinden. Hierzu hatte es bereits in den vergangenen Jahren einige gemein- same Veranstaltungen gegeben. Im Jahr 2018 wurde den einzelnen Projekten unter anderem die Gelegenheit gegeben, sich und ihre Arbeit den anderen Projekten vorzustellen, was auf sehr positive Resonanz gestoßen ist. Wie bereits in den Vorjahren haben wir alle Gruppen zu einer gemeinsamen Abendveranstaltung und einem Grillfest eingeladen. Hier wollen wir auch künftig Schwerpunkte setzen, mit dem Ziel, den Kontakt der einzelnen Delegationen zueinan- der zu fördern und weitere bi- und internationale Kooperationen herzustellen. Auf eine erfreulich große Resonanz ist auch in diesem Jahr unser Abend für Alumnae und Alumni gestoßen. Viele unserer Ehemaligen sind inzwischen in ganz unterschiedlichen Positi- onen tätig, was den Abend auch für unsere aktuellen Projektstudierenden so interessant ge- macht hat. Bei Bier und Bratwurst hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Seminare die Gelegenheit, ganz ungezwungen mit Richtern, Staatsanwältinnen, Rechtsanwältinnen und Referenten des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz ins Gespräch zu kom- men. 1
Ich freue mich sehr, dass mit dem vorliegenden Projektjournal eine Publikation entstanden ist, die die Fachthemen des Seminars sowie die Veranstaltungen des Rahmenprogramms vorstellt und festhält. Dieses Journal sowie alle weiteren Projektjournale sind auch in digita- ler Form auf unserer Homepage www.netzwerk-ost-west.de abrufbar. Den Autorinnen und Autoren des Journals danke ich für ihre Arbeit. Die Seminare des Netzwerk Ost-West waren von Beginn an als studentische Initiativen ausge- legt und leben bis heute maßgeblich vom unermüdlichen Einsatz der ehrenamtlich tätigen Or- ganisatorinnen und Organisatoren sowie Tutorinnen und Tutoren. Ihnen sei an dieser Stelle zuvorderst herzlich für ihren Einsatz im Projektjahr 2018 gedankt! Einen besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle auch allen Mitarbeiterinnen und Mitar- beitern der Humboldt-Universität und unserer Partneruniversitäten im Ausland aussprechen, die in der Planung und Durchführung der Seminare tätig waren. In Berlin sind dies insbeson- dere die Mitarbeiterinnen der Stabstelle Internationalisierung der Humboldt-Universität so- wie die Koordinatorin Hannah Rainer und der Koordinator Michael Jahn, die sich an meinem Lehrstuhl federführend um Projektanträge, Administration und Einsatz der Projektmittel so- wie um den Fluss der gesamten organisatorischen Abwicklung und den Kontakt zu den Part- neruniversitäten kümmern. Wir blicken bereits zuversichtlich auf das Projektjahr 2019. Sowohl das Interesse an unseren Programmen als auch das Engagement bei der Planung und Durchführung sind ungebrochen. Erneut konnten aus dem Kreis der diesjährigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer wieder en- gagierte Studierende für die Weiterführung der Projekte 2019 gewonnen werden. Ihnen wün- sche ich viel Erfolg beim Meistern der größeren und kleineren Herausforderungen, die eine solche Projektorganisation – von der Auswahl der Beteiligten bis zur Abrechnung der Projekt- mittel – mit sich bringt. Nicht zuletzt möchte ich an dieser Stelle hervorheben, dass unsere beliebten Austauschpro- jekte nicht ohne die wohlwollende und umfangreiche Förderung der Meyer-Struckmann-Stif- tung zustande gekommen wären. Dies gilt außerdem für den Deutschen Akademischen Aus- tauschdienst (DAAD), der seit 2016 im Rahmen der CENTRAL-Partnerschaften die Projekte Bu- dapest und Prag ermöglicht. Herzlichen Dank! Prof. Dr. Martin Heger Projektleiter 2
TEILNEHMENDE TutorInnen Paulina Frank Robin Matzke Jūlija Terjuhana Lolita Bērziņa OrganisatorInnen Isabelle Rasp Flora Toramanyan Kristīne Ketija Treigūte Jānis Guobis Studierende Elisabeth Rasch Ivo Korņejevs Jenny Witzel Samanta Lidere Jan Philip Kobylinski Liene Lelde Rieba Jennifer Hammer Ērika Gribonika Sinan Marz Stella Kaprāne Polin Georgieva Toms Simsons Pauline Krekeler Germans Pavlovskis Finn Schädlich Kalvis Engīzers Markus Milz Edgars Cebaks Sebastian Steinert 3
TAG 1 durften einige unserer TeilnehmerInnen, selbstverständlich Am Montag, den 6. August 2018, stiegen mit Handschuhen, wir um 12:45 Uhr am Flughafen Riga aus im antiquarischen dem Flugzeug. Der Organisator der letti- Codex Iustinianus schen Gruppe, Janis Guobis, lotste uns zu blättern. dem Bus, mit dem wir wenig später unser Die Studierenden Hostel “Amalienhof” im Stadtzentrum er- der Humboldt- reichten. Universität staun- Nachdem alle Betten belegt und alle Koffer ten nicht schlecht, ausgepackt waren, hatten wir auf dem Weg zu dem Restaurant, in dem wir zu Abend es- sen und vor allem unsere lettischen Aus- tauschstudentInnen zum ersten Mal treffen würden, Gelegenheit, uns einen ersten Ein- druck von Riga zu machen. Nach vielen en- gen, verwinkelten Straßen mit niedrigen Häusern betraten wir das Restaurant “Folk- klubs Ala Pagrabs” in der Peldu iela 19, in dem wir uns an einer langen Tafel zu natio- als ihnen der eigens für Moot Courts einge- naler Küche unter die lettischen StudentIn- richtete Raum im Gerichtssaaldesign ge- nen mischten. Unmittelbar begannen un- zeigt wurde. Anschließend ging es in den zählige aufgeregte Kennenlerngespräche obersten Stock der Universität, in dem sich und schließlich fanden sich auch die jeweils alle 28 TeilnehmerInnen in den ehemaligen zusammengehörenden Paare zusammen. „Strafraum“ zwängten. Der Raum diente der Bestrafung solcher Studierender, die zu spät kamen oder zu erledigende Aufgaben zu spät einreichten. Beeindruckt waren alle von der Dachterrasse, die einen umwerfen- den Blick über die Dächer Rigas gewährte und so manche für Jurist_innen unbekannte Gerätschaft bereithielt. TAG 2 Am zweiten Tag unseres Austauschs wur- den wir an der Latvijas Universitāte mit ei- ner Führung durch die Universität begrüßt. In der Bibliothek der juristischen Fakultät 4
Danach folgte das Mittagessen in der die noch in Riga vortragen würden, bereits Mensa, um gestärkt die Erstellung der Prä- eine gewisse Anspannung anzumerken war. sentationen angehen zu können. Fast alle Unsere TutorInnen, Paulina Frank und Ro- TeilnehmerInnen nutzten die dafür vorge- bin Matzke, ließen die Partnergruppen der sehenen vier Stunden vollständig aus – ei- Reihe nach die ersten Minuten ihrer inzwi- nige in den Räumen der juristischen Fakul- schen größtenteils fast vollendeten Vor- tät, andere in Bibliotheken oder bei 30 Grad träge präsentieren und gaben bei Bedarf ei- in der Sonne im Freien. Uns wurde von un- nige Ratschläge zu der Vortragsweise und seren OrganisatorInnen zudem mitgeteilt, Verständlichkeit. Zur Mittagszeit trafen wir dass der Strandtag aus wettertechnischen uns abermals in der Mensa der Universität Gründen auf Donnerstag vorverlegt werden Riga, um wie schon tags zuvor ein eigens für würde und die ersten fünf Präsentationen uns vorbereitetes Buffet in einem Séparée erst Samstag stattfinden würden. Diese vorzufinden. Planänderung stieß auf allgemeine Zustim- Nach zwei weiteren Stunden der Arbeit an mung, hatte man so doch mehr wertvolle den Vorträgen, zu welchen sich die meisten Zeit zur Erstellung der Präsentationen. Im in verschiedene Cafés in Universitätsnähe Arbeitsraum erhielten die TeilnehmerInnen zurückgezogen hatten, begann am Nach- zudem einige Präsente der Latvijas Univer- mittag eine Exkursion durch Riga, die von sitāte. den lettischen Tutorinnen angeleitet Die darauffolgenden freien Stunden nutzen wurde. Unsere erste Station war das Frei- viele, um die Stadt zu erkunden oder sich heitsdenkmal (“Brīvības piemineklis”), wel- auszuruhen. Unsere neu gewonnen letti- schen FreundInnen besuchten uns später am Abend im Hostel. Dabei gab es ange- regte Gespräche über die verschiedenen Rechtssysteme und die Unterschiede der JuristInnenausbildung beider Länder. Ab- seits der Juristerei fand sich Raum für sport- lichen Austausch – im Innenhof des Hostels wurde bilateral gekickt. Dass die Pizza mit großer Verspätung geliefert wurde, tat der ches ein Symbol für die nationale Souverä- guten Laune dabei keinen Abbruch. Den nität Lettlands ist. Abend ließen wir so mit Tanz und Musik auf Weiter sahen wir das sogenannte Schwarz- der Dachterrasse des Hostels ausklingen. häupterhaus auf dem Rathausplatz sowie das eindrucksvolle Gebäude des Lettischen TAG 3 Okkupationsmuseums, welches sich unter den Rigaer StudentInnen zu unserem völli- Ein weiteres Mal bereiteten die einzelnen gen Unverständnis keiner besonderen Teams morgens um 9 Uhr verstreut in den Beliebtheit erfreuen konnte. Vorbei am Ri- verschiedenen Bibliotheken der Latvijas gaer Rathaus, dem Parlamentsgebäude und Universitāte zusammen ihre Präsentatio- einem Museum für moderne Kunst nen vor, wobei insbesondere denjenigen, 5
sich nahezu alle TeilnehmerInnen ins Was- ser, was nach der halbstündigen Fahrt im nicht klimatisierten Zug für eine willkom- mene Abkühlung sorgte. Danach spielten einige mit neu kennengelernten Strandbe- sucherInnen Beachvolleyball. Unser Teil- nehmer Jan brachte uns außerdem das Ge- schicklichkeitsspiel Wikingerschach näher. In den zwischendurch stattfindenden Erho- erreichten wir das pompöse Gebäude des lungspausen kam der akademische Aus- Lettischen Nationaltheaters und ließen tausch nicht zu kurz – auch am Strand nach einem Abstecher in das Jugendstilvier- wurde über Blockchain, ICO & Co. disku- tel unsere Exkursion ausklingen. tiert. Einige nutzten die Zeit auch, um an der Promenade von Majori zu flanieren und in den kleinen Cafés und Restaurants die regi- onale Küche zu verkosten. Erst am Abend traten wir die Rückreise zum Hostel an. Ei- nige TeilnehmerInnen machten sich auf, um sich durch das Buffet im „Lido“ zu probie- ren. Anschließend saßen wir gemütlich auf der Dachterrasse zusammen und kühlten den ein oder anderen Sonnenbrand. TAG 5 Für viele beinhaltete der fünfte Tag unseres Austauschs ein Highlight: Den Besuch im Unser Abendessen fand diesmal in einem Constitutional Court Lettlands. Ausgeschla- guten italienischen Restaurant mit dem ver- fen trafen sich die TeilnehmerInnen pünkt- traut klingenden Namen “Mamma Pasta” lich 12.30 Uhr vor dem eher unscheinbaren statt, in dem wir uns nach Pizza und Pasta Gebäude. Wir wurden von drei Mitarbeite- mit üppigem Nachtisch von dem abwechs- rInnen begrüßt, die uns sogleich durch die lungsreichen Tag erholten. Räumlichkeiten führten. Zufällig verließ die Präsidentin des Gerichts, Prof. Dr. Ineta Zie- TAG 4 mele, just in diesem Moment das Gebäude, sodass wir auch von ihr einen Eindruck be- Am vierten Tag erwartete uns der Ausflug kommen konnten. Zuerst ging es in einen zum Strand, auf den sich schon alle gefreut Raum, in dem sich die RichterInnen bera- hatten. Bei 32 Grad boten sich optimale Be- ten. Anschließend nahmen wir in einem Sit- dingungen und als wir in Majori aus dem zungssaal Platz, in dem eine Präsentation Zug stiegen und zur Küste liefen, war die über das Gericht vorbereitet war. Uns Stimmung ausgelassen. Sogleich begaben 6
wurde erklärt, wie man Richter_in am Con- stitutional Court wird, insbesondere was die Voraussetzungen für eine solche Tätigkeit sind. Auch die Systematik und die Kompe- tenzen des Gerichts wurden erklärt – spezi- ell, dass das Gericht lediglich judicial re- views vornimmt, wer genau als Kläger_in auftreten kann und wie das Prozedere aus- sieht, bis tatsächlich ein Urteilsspruch ergeht. Nur sehr wenige Fälle initiieren tat- sächlich auch einen Prozess vor dem Ge- richt: so sind 2017 ganze 421 Dokumente eingereicht worden, von denen 155 akzep- tiert wurden und letztendlich lediglich 19 ei- nen Prozess auslösten. Anschließend gab uns die Richterin Prof. Dr. Daiga Rezevska einen Überblick über ausgewählte Fälle des vergangenen Jahres. Im ersten Fall ging es beispielsweise um die Restriktion von Rech- ten von Personen, die nach dem 13.01.1991 in bestimmten Organisationen wie z.B. der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und eine wohltuende Umwelt umfasst, er- aktiv waren. Solche Personen dürfen sich klärt. Im dritten Fall wurde die Norm, die es qua Verfassung nicht zur Wahl als Abgeord- Personen verbietet, nach ernsthaften Ver- nete des Parlaments stellen (Chapter 1 Nr. brechen als Lehrer_in zu arbeiten, für ver- 5 section 6 of The Saeima Election Law). fassungswidrig erklärt. Im Anschluss über- Diese Norm wurde vom Constitutional gab uns Prof. Dr. Rezevska Präsente, unter Court als verfassungsgemäß erklärt. Dar- anderem ein „Selected Case-Law“ Buch für über hinaus ging es um die Lautstärke von den Lehrstuhl von Prof. Dr. Heger. Nach ei- Freiluftmotorradrennen. Die Normen, die nem offiziellen Pressefoto für die Website das dafür geltende Lautstärkelimit setzen, des Constitutional Courts, durften wir dann wurden als inkompatibel mit der Men- auch endlich auf der Richter_innenbank schenwürde, die das Recht auf Gesundheit 7
Platz nehmen und eigene Schnappschüsse ist, zu sehen. 1 Insbesondere die Fotoaus- machen. stellung, die viele Einzelschicksale erzählt, Ein Großteil der TeilnehmerInnen nutzte die war für uns BetrachterInnen höchstemotio- Freizeit im Anschluss, um an den Präsenta- nal und beklemmend. Das Gesehene gab tionen für den nächsten Tag zu arbeiten. Ei- Anlass, sich mit den lettischen PartnerInnen nige, die ihre Präsentationen erst in Berlin über den besorgniserregenden Aufstieg halten würden, besuchten das Rigaer rechter Kräfte in Europa auszutauschen und Ghetto-Museum und berichteten später das politische Klima in Lettland zu erfor- über ihre Eindrücke. Sogar die lettischen schen. PartnerInnen waren davon beeindruckt – wussten sie doch teilweise gar nicht, dass es in Riga während des zweiten Weltkriegs ein Ghetto der Nationalsozialist_innen gege- ben hatte. Dort waren seit 1941 auf engs- tem Raum zunächst lettische Juden unter- gebracht. Ab Ende 1941 wurden auch Juden in Zügen aus dem Deutschen Reich dorthin deportiert. Auf dem mit Pflastersteinen von den Rigaer Ghetto-Straßen gepflasterten Grundstück sind Stände mit den Namen der mehr als 70 000, während des Holocaust Am Abend gab es traditionelle Speisen im ums Leben gekommenen lettischen Juden, „XL Pelmeni“ und anschließend kehrten wir sowie auch eine Fotoausstellung, die der zurück ins Hostel, in dem sich viele noch bis antisemitischen Propaganda, dem Holo- in die späten Abendstunden eifrig an das caust in Lettland, der Widerstandsbewe- Vorbereiten und Üben ihrer Vorträge mach- gung und den Rettern von Juden gewidmet ten. 1 https://www.liveriga.com/de/2823-rigaer-ghetto- museum, zuletzt aufgerufen am 26.08.2018. 8
TAG 6 Betrachtung bestehender technischer und rechtlicher Schwierigkeiten, wie der Anony- Dies war der Tag, an dem die ersten Vor- mität der Nutzer und der starken Preis- träge gehalten wurden. Wir trafen uns um schwankungen sowie der Schwierigkeiten, 9:30 Uhr in dem - glücklicherweise klimati- sierten - Auditorium der Latvijas Univer- sitāte. Das Team aus Sinan Marz und Stella Kaprāne eröffnete die Runde mit einem Vortrag zum Thema “Liability 4.0”, in dem es insbesondere um die Unterschiede in der dass Nutzer verschiedenen Rechtsordnun- gen angehören, aus. Ob Währungen wie Bitcoin als Weltmarktstabilisierer taugen und welcher Umgang mit Cryptowährungen aus erbrechtlicher Sicht möglich wäre, wa- ren die dominierenden Themen der Diskus- sion. Haftung verschiedener Produkte des Inter- Jenny Witzel und Samanta Lidere beschäf- nets der Dinge (IoT) in Lettland und tigten sich im Vortrag “Blockchain-based Deutschland ging. Die ReferentInnen legten Land Registries” mit der Frage, ob es nütz- dar, dass in beiden Ländern die Tendenz in lich ist, das Grundbuchsystem in Lettland Bezug auf autonomes Fahren und Roboter und in Deutschland blockchainbasiert zu in Richtung einer verschuldensunabhängi- betreiben. Dabei gaben sie einen Überblick gen Haftung gehe und beleuchteten in die- über das sem Zusammenhang auch Fragen des Ver- braucherschutzes. In der anschließenden Diskussion wurden das Für und Wider einer Übertragung der Haftung für Tiere auf auto- nom fahrende Fahrzeuge und Versiche- rungsfragen besprochen. In dem zweiten Vortrag beschäftigten sich derzeitige System Elisabeth Rasch und Ivo Korņejevs mit “En- beider Länder. An- forcement in Digital Assets”, wobei sie zu- schließend stellten sie blockchainbasierte nächst die Funktionsweise und die rechtli- Grundbuch Lösungen aus Georgien und che Stellung digitaler Währungen anhand Ghana vor - beide Länder verfolgen diesen des Beispiels Bitcoin in beiden Ländern dar- Ansatz insbesondere wegen der hohen Kor- stellten. Besonders intensiv fiel die ruptionsrate und versprechen sich davon 9
mehr Transparenz und Vertrauen in staatli- focus on regulatory law” zunächst die che Register. Im Ergebnis verneinten beide grundlegende Klassifikation der dominie- TeilnehmerInnen aber einen Mehrwert ei- renden Tokenarten in Currency Token, Uti- ner Systemumstellung. In der nachfolgen- lity Token und Security Token. Nachdem den Diskussion ging es um Pro und verschiedene regulatorische Contra blockchainbasierter Grundbü- Ansätze und Vorhaben in cher, besonders im Hinblick auf den Deutschland und Lettland Einsatz von Public Blockchains gegen- dargelegt wurden, wurde über Private Blockchains. klar, dass einer Anwendung bestehender Regularien Zu der Frage “Possibilities of imple- ohne die Vornahme einiger menting a Decentralized Autonomous grundlegender Anpassungen Organization within the current Ger- bisher kaum überwindbare man and Latvian legal systems” refer- Hindernisse entgegenste- ierten Jennifer Hammer und Ērika hen. Die Frage, wie solche Gribonika. Nachdem die grundlegende Neuregelungen Funktionsweise und die Konzepte einiger aussehen könnten bisher existierender DAOs dargestellt wur- und Aspekte der den, fand eine Betrachtung der in den Be- Möglichkeit einer trieb einer DAO involvierten Akteure statt. Selbstregulation waren schließlich Thema der Diskus- sion. Den Abend verbrachten wir im Čili Pizza und versammelten uns danach einmal mehr auf der Dachterrasse des Hostels. TAG 7 Wege der Realisierung von DAOs wurden zunächst im Hinblick auf gesellschaftsrecht- liche Fragen und schließlich auf Alternativ- lösungen in Verzicht auf eine eigene recht- liche Anerkennung der DAO untersucht. In der anschließenden Diskussion ging es ins- besondere um faktische Nutzungsmöglich- keiten und die Eignung der Stiftung als Mitten im Zentrum Rigas befindet sich in ei- Rechtsform von DAOs. nem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus eine bis 1991 betriebene KGB-Zentrale, die Marcus Milz und Edgars Cebaks veran- im Volksmund einfach “Eckhaus” genannt schaulichten in ihrem Vortrag “ICO/ITO with 10
wird. 2 Um 10 Uhr betraten wir das präch- Begründungen poli- tige Jugendstilgebäude in der Brīvības iela tische Gefangene 61 und versammelten uns hinter einem en- hier festgehalten gen holzvertäfelten Flur um unseren Muse- und gefoltert wur- umsführer. Er schloß die Tür hinter uns ab den. Als er uns in und teilte uns prompt mit, er selbst habe im den Keller führte, Rahmen seiner Wehrpflicht für zwei Jahre wurde die Luft im Eckhaus als Wärter arbeiten müssen. Der dünn und feucht. 8.500 qm umfassende Gebäudekomplex Der lange Flur, von glich einem Irrgarten,3 weshalb alle sorgfäl- dem hinter dicken tig darauf bedacht waren, die Gruppe nicht Metalltüren unzäh- aus den Augen zu verlieren. Wir sahen zu- lige winzige Gefängniszellen mit vielen nächst ein Büro, an dessen Wänden sich schmalen Betten abgingen, war bekannt als viele Fotos von Personen befanden, deren “Straße des Drecks”, da sich auf seinem Bo- Identitäten bis dahin nicht geklärt werden den Fäkalien und andere menschliche Aus- konnten. Die geschichtliche Aufarbeitung scheidungen sammelten. Um Luft zu holen habe in Riga spät begonnen und gestalte begaben wir uns in einen von hohen Mau- sich wegen des Fehlens von Namenslisten ern umgebenen Innenhof, der den wenigen Gefangenen, denen dieses Privileg zuge- standen wurde, zum Freigang gedient hatte. In einer Höhe von etwa drei Metern waren drei massive Zellenschlüssel in die Mauer eingelassen, deren Zweck selbst un- serem Fremdenführer nicht bekannt war, deren Anblick für die Gefangenen allerdings der reine Hohn gewesen sein musste. Un- sere Führung endete vor einem Erschie- ßungsraum, in dem der KGB rätselhafter- weise - sonst war er stets bemüht gewesen, von Agenten und Gefangenen schwierig, er- alle Hinweise auf sein Handeln zu vernich- zählte uns unser Fremdenführer. Als wir uns ten - unzählige Patronenhülsen zurückge- in einen hellblau tapezierten Verhörraum lassen hatte. Die Verwandten vieler Ver- drängten, knallte es plötzlich laut - der Mu- schwundener wissen bis zum heutigen Tage seumsführer hatte mit einem Gummiknüp- nicht, ob die Vermissten dort starben - oft pel aus der Zeit des Gefängnisbetriebes auf bereits bloß verschleppt, weil sie private den in der Mitte des Raumes stehenden Kontakte ins Ausland pflegten oder einer Holztisch geschlagen. der vielen Denunzianten einen anonymen Augenblicklich war es ruhig und wir hörten noch etwas erschrocken, unter was für bru- talen Bedingungen und fadenscheinigen 2 3 https://martin-ebner.net/regions/eastern-eu- https://lidenz.ru/de/das-eckhaus-riga/, zuletzt rope/riga-kgb/, zuletzt aufgerufen am 09.09.2018. aufgerufen am 09.09.2018. 11
Hinweis in den Briefkasten am Eingang des und holten den in Riga verlorenen Schlaf Eckhauses warf.4 nach. Fünf Stunden später saßen wir im Restau- TAG 9 rant “Gan bei” im siebten Obergeschoss ei- ner der wenigen höheren Glasbauten Rigas. Prof. Dr. Heger begrüßte uns am neunten Zu guter japanischer Küche und mit einem Tage in der juristischen Fakultät der Hum- großartigen Ausblick von der Terrasse des boldt-Universität. Im Anschluss stellten sich alle Teams der NOW Generation 2018 vor. Auch unsere Organisatorinnen Isabelle Rasp und Flora Toramanyan berichteten, wie wir die vergangene Woche verbracht hatten und konnten bei dieser Gelegenheit das Präsent der lettischen Verfassungsrich- terin Prof. Dr. Rezevska an Prof. Dr. Heger übergeben. Da bis zum Mittagessen in der Mensa noch Zeit blieb, entschlossen sich Restaurants ließen wir gemeinsam mit un- die deutschen Studierenden spontan, ihren seren lettischen Austauschstudierenden lettischen PartnerInnen eine Führung über den letzten Abend in Riga ausklingen. den Bebelplatz sowie durch die Bibliothek der juristischen Fakultät zu geben. TAG 8 Besonders das Mahnmal des israelischen Am achten Tag war es Zeit, Abschied von Künstlers Micha Ullmann, das an die Bü- Riga zu nehmen - mit Taxis gelangten wir cherverbrennung der NationalsozialistIn- alle reibungslos zum Flughafen und hoben nen im Jahr 1933 erinnert, stieß dabei auf mit vierzigminütiger Verspätung Richtung Berlin ab. Um 14.30 Uhr konnten wir unsere Das war ein Vorspiel nur, dort lettischen PartnerInnen in Deutschland will- wo man Bücher verbrennt, kommen heißen. Unsere Organisatorin verbrennt man am Ende auch Menschen. Flora Toramanyan begleitete sie zu ihrem Heinrich Heine 1820 – Inschrift auf einer in den Boden des Bebelplatzes eingelassenen Bronzeplatte. Hostel in Kreuzberg. Viel Zeit blieb bis zum Abendessen nicht, denn schon um 18.00 großes Interesse. Durch eine Glasscheibe Uhr trafen wir uns am Potsdamer Platz im kann man mitten auf dem Bebelplatz in ei- “Amrit”. Im Anschluss erkundeten viele der nen weißen Raum mit Regalen einer Biblio- LettInnen die Umgebung und liefen bis zum thek ohne Bücher blicken. Brandenburger Tor und zur Humboldt-Uni- Mit der Bücherverbrennung am 10. Mai versität. Die deutschen TeilnehmerInnen 1933 wollte das NS-Regime die Universitä- hingegen freuten sich auf das traute Heim ten auf ihre «Blut-und-Boden»-Ideologie einschwören. 5 Bücher etwa von Magnus 4 5 https://martin-ebner.net/regions/eastern-eu- https://www.berlin.de/tourismus/insider- rope/riga-kgb/, zuletzt aufgerufen am 09.09.2018. tipps/3054987-2339440-bebelplatz-wo-die-nazis- 12
Hirschfeld, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Verfügung gestellter Rechtsprodukte. Auch Sigmund Freud und Rosa Luxemburg wur- die Haftbarkeit bei autonomem Fahren und den auf Verbotslisten gesetzt und ver- der Vergleich zur Tierhaftung wurden inten- brannt. 6 Auch hier fand sich daher wieder siver untersucht. In der anschließenden Dis- ein Anlass, über die NS-Vergangenheit kussion ging es besonders um die philoso- Deutschlands zu diskutieren, die – wie sich phische Frage nach der Eignung von KI-Sys- schon zuvor am Rigaer Ghetto zeigte – ihren temen, Rechtsanwälte in der Zukunft zu er- giftigen Einfluss auch in Lettland nahm. setzen. Den Vortrag schlossen die Referen- Anschließend bestaunten unsere lettischen ten mit zwei Buchempfehlungen: “Life 3.0: TeilnehmerInnen die Fakultätsbibliothek Being Human in the Age of Artificial Intelli- und machten auf den dortigen Balkonen Bil- gence” von Max Tegmark und “Superintelli- der vom geschichtsträchtigen Bebelplatz gence: Paths, Dangers, Strategies” von Nick und der Deutschen Oper. Besonders die Bostrom. Größe schien zu beeindrucken, war die let- tische Bibliothek im Vergleich doch recht Jan Philip Kobylinski und Liene Lelde Rieba klein. beschäftigten sich mit “Blockchain-based Arbitration”. Nachdem uns das digitale Schiedsverfahren mitsamt der verschiedenen Einsatz- möglichkeiten von Smart Contracts erklärt wurde, er- leuchteten die Vortragenden die rechtlichen Möglichkei- ten und Hindernisse block- chainbasierter Streitbeile- Die Vorträge in Berlin eröffneten Polin Ge- gung in Lettland und Deutsch- orgieva und Toms Simsons mit dem Thema land. An eine Abwägung der “Legal Ability and Liability of Machines”. Wir praktischen Vor- und Nachteile des Einsat- erhielten zunächst eine Einführung in das zes blockchainba- Gebiet der künstlichen Intelligenz im Allge- sierter Schiedsver- meinen und anschließend einen vertieften fahren schloss sich Einblick in die Abläufe maschinellen Ler- neben einem Bei- nens. Auf eine Vorstellung verschiedener spielfall, den das Typen von Legal Techs folgte die Frage nach Publikum zu lösen der rechtlichen Verantwortung für maschi- hatte, eine Debatte nelles Handeln - beispielsweise für Fehler um die Gerechtig- einer Software zur Dokumentanalyse in keit und Rechts- Kanzleien oder direkt dem Verbraucher zur kraft der buecher-verbrann.html#slide6, zuletzt aufgerufen buecher-verbrann.html#slide5; https://www.visit- am 09.09.2018. berlin.de/de/denkmal-zur-erinnerung-die-buecher- 6 https://www.berlin.de/tourismus/insider- verbrennung, zuletzt aufgerufen am 09.09.2018. tipps/3054987-2339440-bebelplatz-wo-die-nazis- 13
Entscheidungen eines solchen Verfahrens zum Abendessen in das wunderbare “Sai- an. Der Vortrag endete mit einem Umfrage- gon and More” in der Nähe des Wittenberg- spiel auf kahoot7, durch das die Zuhörer die platzes, wo wir uns zu authentischer vietna- Vorgänge der Entscheidungsfindung auch mesischer Küche in entspannter Atmo- praktisch verstehen konnten. sphäre von dem ereignisreichen Tag erhol- ten. Nach den Vorträgen ging es gleich weiter zu einer Stadttour von den deutschen für die TAG 10 lettischen Studierenden. Die Tour begann am Bebelplatz, wo es um die Geschichte des Der zehnte Tag des Projekts sollte die letz- Fakultätsgebäudes und erneut die Bücher- ten drei Präsentationen bereithalten. verbrennungen der Nationalsozialist_innen ging. Nach einer Vorstellung der Gebrüder Sebastian Steinert startete mit dem Thema Humboldt vor dem Haupteingang der Uni- „Digital Identity“. Da seine lettische Partne- versität schlenderten wir zur Museumsinsel rin abgesprungen war, musste er zwar leider al- lein arbeiten, seiner Mo- tivation schadete dies aber keineswegs. Zu- nächst gab er einen Über- blick darüber, was unter „Digital Identity“ zu ver- stehen ist und was für Probleme bei der online und dem Berliner Dom, den am Tag darauf stattfindenden Identi- einige der lettischen Studierenden auch tätskontrolle auftauchen gleich von innen besichtigten. Viele von können. Er stellte den Lö- ihnen kannten das Jacob-und-Wilhelm- sungsansatz der europäi- Grimm-Zentrum bereits aus verschiedenen schen Union eIDAS vor. Die eIDAS-Verord- Netflix-Serien und waren dementsprechend nung enthält verbindliche europaweit gel- erfreut, als sie ihre Taschen im Foyer stehen tende Regelungen in den Bereichen "Elekt- lassen und von den Terrassen aus dessen ronische Identifizierung" und "Elektroni- Architektur begutachten konnten. Unsere sche Vertrauensdienste". Gleichzeitig sei Tour führte uns über den ehemaligen aber auch dieser Ansatz wieder mit Schwie- Grenzübergang am Bahnhof Friedrich- rigkeiten behaftet, da beispielsweise in straße durch das Brandenburger Tor und Deutschland nur 3,08% die eID überhaupt endete an dem Denkmal für die ermorde- aktiviert haben (Stand: 2017) und in ten Juden Europas. Deutschland ohnehin eine Angst vor Nach diesem intensiven Querschnitt durch dem_der „gläsernen Bürger_in“ herrsche. die jüngere deutsche Geschichte fuhren wir 7 https://kahoot.it, zuletzt aufgerufen am 26.08.2018. 14
In der Diskussion dominierten Beiträge zu Effizienz und den gleichzeitigen ökologi- Datensicherheit und dem hohen Miss- schen Nutzen, auf. brauchspotential der Technologie. In der Diskussion ging es überwiegend da- Anschließend spendierte uns Fachschafts- rum, ob nicht ein Grundrecht auf Internet- mitglied Liese eine Kaffeepause in der zugang eingeführt werden sollte und die „Schublade“, sodass wir gestärkt und hell- TeilnehmerInnen verglichen die Situation wach dem nächsten Vortrag lauschen konn- des Internetzugangs in Lettland und in ten. Deutschland. Es verwundert nicht, dass Lettland dabei deutlich besser abschnitt Pauline Krekeler und Germans Pavlovskis in- und die lettischen TeilnehmerInnen uns formierten uns in der zweiten Präsentation verrieten, dass sie nicht einmal das WLAN des Tages über „Digital Private Law“. In ih- der HU nutzten, da das eigene einfach ren Arbeiten konzentrierten sich beide be- schneller sei und man in Lettland ohnehin sonders auf Smart Meter und gaben dem- wenig dafür zahle. entsprechend zunächst einen Überblick, was ein Smart Me- Den Abschlussvortrag hielten Finn Schäd- ter von einem her- lich und Kalvis Engīzers, die sich mit „Smart kömmlichen Mess- Contracts & the Civil Law“ beschäftigt hat- gerät unterschei- ten und ihren Fokus auf e-commerce leg- det. ten. Zunächst erläuterten sie smart contracts von der technischen so- wie der rechtli- chen Seite, be- sonders, ob es sich da- Anschließend verglichen sie lettische und bei tatsächlich um einen deutsche Regulierungen und gingen auf Vertrag handelt oder vielmehr um einen mögliche Probleme einer flächendecken- Verkaufsautomaten (vending machine). An- den Einführung ein u.a. Verbraucherrechte schließend gingen sie auf rechtliche Prob- und wie denn Notlagen von Verbrau- leme ein, die beim Einsatz von smart cher_innen identifiziert werden sollen. Sie contracts typischerweise entstehen können zeigten aber auch die Vorteile von Smart z.B. die Anonymität der Vertragsparteien o- Meters, insbesondere die ökonomische der die Diskrepanz zwischen dem her- kömmlichen Vertrag in Schriftform und 15
dem gecodeten smart contract. Abschlie- Keller des älteren Gebäudekomplexes, in ßend stellten sie einen Vorschlag für einen dem wir durch die bunkerähnlichen Ver- smart contract basierten Standard für e- ließe geführt wurden. Diese erinnerten uns commerce vor. sehr stark an das, was wir bereits im KGB In der Diskussion kamen Fragen zur Haftung Haus in Riga gesehen hatten. Schnell wurde in solchen Fällen auf, in denen Vertrag und den TeilnehmerInnen klar, warum dieser smart contract nicht konform sind und aus Trakt auch als „U-Boot“ bezeichnet wurde: welchen Gründen smart contracts eigent- In den fensterlosen Zellen brannte Tag und lich noch nicht weiterverbreitet sind. Nacht Licht, ständig war das Geräusch der Belüftungsanlage hörbar und die Inhaftier- Die wohlverdiente Freizeit am Nachmittag ten fühlten sich „abgetaucht“. Auch von der nutzten viele der lettischen Austauschpart- Isolation der Inhaftierten, der physischen nerInnen, um die Stadt weiter zu erkunden, Misshandlung und den schlechten Hygie- Andenken zu erstehen oder sich in einem nebedingungen wurde uns berichtet. Be- der Berliner Einkaufstempel für die gelun- sonders diejenige Folterzelle mit erhöhter genen Präsentationen zu belohnen. Am Türschwelle, in denen Gefangene mit kal- Abend stand schließlich das projektüber- tem Wasser übergossen wurden, bis sie greifende Grillfest im Innenhof der juristi- knöcheltief im Wasser standen und dort schen Fakultät an. Dort fand bei Würstchen, mehrere Tage lang ausharrten, hat sich in Grillkäse, Salat und Freigetränken ein reger unser Gedächtnis eingebrannt. Austausch mit den anderen Teilnehmer_in- Unser Guide zeigte uns auch einen Ost-Ber- nen aus Prag, Kiew, Budapest, Jerewan und liner Stadtplan, auf dem das Gefängnis nicht Tiflis statt. einmal existierte, sondern als Leerfläche eingezeichnet war. In einer Garage stand TAG 11 ein Kleintransporter der Marke Barkas B Pünktlich um 9 Uhr morgens trafen wir uns in Höhenschönhausen. Auf dem dort liegen- den Gelände der früheren zentralen Unter- suchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) befindet sich seit 1994 eine Gedenkstätte. 8 Sie gilt als einer der wichtigsten Erinnerungsorte für die Op- fer kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland. 9 Einleitend wurde uns ein 1000, mit dem die zu Inhaftierenden zu- Film gezeigt, der einen Überblick über poli- meist unbemerkt verschleppt wurden. tische Verfolgung und Unterdrückung in der Die originalgetreue Nachbildung des Innen- Sowjetischen Besatzungszone und der DDR raums hinterließ bei vielen ein gab. Anschließend begaben wir uns in den 8 9 https://www.berlin.de/museum/3109402- https://www.berlin.de/museum/3109402- 2926344-gedenkstaette-berlinhohenschoenhau- 2926344-gedenkstaette-berlinhohenschoenhau- sen.html, zuletzt aufgerufen am 09.09.2018. sen.html, zuletzt aufgerufen am 09.09.2018. 16
beklemmendes Gefühl, vermag man sich dem beispielweise die Vorhänge während doch nicht vorzustellen, wie es wäre, auf of- des Verhörs immer zugezogen waren. Erst fener Straße in ein solches Gefährt gezerrt mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepub- und eine Art winzigen Käfig gesperrt zu wer- lik Deutschland am 3. Oktober 1990 wurde den. Anschließend wurde uns der neuere die Haftanstalt in Berlin-Hohenschönhau- Teil des Gefängnisses gezeigt, welcher nach sen geschlossen.12 Übernahme der Haftanstalt Hohenschön- Die freien Stunden im Anschluss nutzten hausen durch das Ministerium für Staatssi- viele der TeilnehmerInnen für einen Ausflug cherheit der DDR in den späten 1950er Jah- nach Friedrichshain, um sich die East Side ren von Inhaftierten errichtet wurde. Gallery näher anzuschauen. Nach dem Mauerbau diente es unter ande- Um 17 Uhr ging es dann unter die Erde. In rem als Haftanstalt für Menschen, die flie- hen oder ausreisen wollten, aber auch für Kritiker der SED – mithin jede_r, der_die der kommunistischen Diktatur im Weg stand. Seit dieser Zeit ersetzten psychologische Vernehmungsmethoden die physische Ge- walt.10 Das Ziel der Vernehmer blieb jedoch das gleiche: Die men- tale Zermürbung der der Nähe der S-Bahn-Station Gesundbrun- Häftlinge. 11 Dies nen empfing uns unser Guide und führte wurde einmal mehr uns zu einer Tour durch im Kalten Krieg als durch Isolation zu er- Atombunker ausgebaute unterirdische Bau- reichen versucht, wel- werke. Während wir durch verlassene U- che neben Einzelhaft Bahnhöfe und enge, luftarme Tunnel liefen, durch ein an den Flur- wurde uns bewusst, wie aussichtslos die wänden installiertes Lage im Falle eines atomaren Angriffs für Alarmsystem aus die Bevölkerung tatsächlich gewesen wäre. Überputzleitungen Der Kontrast zwischen den Darstellungen und Ampeln sicherge- der staatlichen Propagandaplakate aus den stellt wurde. In die- 80er Jahren und der Realität in dem Raum sem neueren Teil nahmen wir auch auf den mit der Luftreinigungsanlage, die durch ei- Holzpritschen und Schemeln einer Gemein- nen mit Sand gefüllten Nebenraum als Filter schaftszelle Platz und sahen uns zum Ab- für lediglich etwa 48 Stunden Luft von ihrer schluss schließlich ein Vernehmungszimmer Strahlung befreien konnte, war beklem- an. Die psychologische Folter in Form von mend. Dieses Gefühl steigerte sich noch, als Desorientierung ging auch hier weiter, in wir hörten, für wie wenige Menschen in den 10 https://www.stiftung-hsh.de/geschichte/stasi-ge- berlin-hohenschoenhausen/, zuletzt aufgerufen faengnis/buecher-zum-thema/das-stasi-gefaengnis- 09.09.2018. 12 berlin-hohenschoenhausen/, zuletzt aufgerufen https://www.stiftung-hsh.de/geschichte/stasi-ge- 09.09.2018. faengnis/, zuletzt aufgerufen 09.09.2018. 11 https://www.stiftung-hsh.de/geschichte/stasi-ge- faengnis/buecher-zum-thema/das-stasi-gefaengnis- 17
Bunkern Berlins Platz gewesen wäre und und Digitalisierung zu sprechen. besonders, als unser Guide uns - unter einer originalgetreuen Nachbildung der Atom- bombe “Little Boy”, die im Jahr 1945 über dem japanischen Hiroshima abgeworfen wurde, sitzend - anhand einer Europakarte erklärte, welche Zerstörungskraft und wel- chen Radius tatsächlich eingesetzte Atom- bomben zur Zeit des Kalten Krieges gehabt In einer offenen Frage- und Diskussions- hätten. runde sprachen wir unter anderem über die Zukunft datenschutzrechtlicher Regulie- rung innerhalb der Europäischen Union, TAG 12 über die Sinnhaftigkeit von Multi-Messen- ger-Apps im Bezug auf Datenschutz, über Zur Mittagssonne versammelten wir uns am Pros und Cons einer Datensteuer, über Bundestag in der Konrad-Adenauer-Straße. eGovernment, den aktuellen Stand der rechtlichen Einordnung von ICOs und einen Standard für IT-Sicherheit. Nach der Mittagspause in der juristischen Fakultät wurde uns das Legal Tech Start Up Lawlift vorgestellt und reihte sich damit wunderbar in einen Tag voller spannender „Law and Digitalization“ Themen ein. Lawlift ist eine Software für Anwält_innen, mit der intelligente Vorlagen erstellt, bearbeitet und verwendet werden können. Vertrau- lichkeitsvereinbarungen oder Datenschut- Nach einer von unserem Kommilitonen Se- zerklärungen werden so mit wenigen Klicks bastian Steinert geführten Tour durch das kreiert. Im Anschluss an die Präsentation Gebäude und seine historischen und archi- stand uns Dr. Steffen Bunnenberg für offen tektonischen Entwicklungen und Besonder- gebliebene Fragen zur Verfügung. heiten, bei der wir auch den Plenarsaal und Abends trafen sich die TeilnehmerInnen die Dachterrasse erkundeten, trafen wir uns schließlich bei Peter Pane in Steglitz für Bur- in einem Sitzungssaal mit dem Bundestags- ger & Co., wobei über das Geschehen des abgeordneten und ehemaligen Senator für Tages ausführlich diskutiert wurde. Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin, Thomas Heilmann, um über Recht 18
TAG 13 Ziel der Tour auf und uns mit dem Blick auf die Elsenbrücke zufrieden. Anschließend fuhren wir gemeinsam zum Alexanderplatz, wo wir zufällig auf eine große Anzahl von Teilnehmer_innen des „Rudolf-Heß-Gedenkmarsches“ stießen. Heß, ein Stellvertreter Adolf Hitlers, war ei- ner der Angeklagten im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher und wurde 1946 zu lebenslanger Haft verur- teilt. 13 Einmal mehr hatten wir also Gele- genheit, dieses abscheuliche Kapitel deut- scher Geschichte zu beleuchten und wir er- fuhren von unseren lettischen PartnerIn- nen, dass auch in der lettischen Presse im Vorfeld über jene Ansammlung von Neona- zis berichtet worden war. Interessiert frag- Der letzte Tag des Austauschs stand ganz im ten sie nach, warum ein solcher Aufzug Zeichen von Erholung. nicht verboten werden würde, woraufhin So trafen wir uns erst um 12 Uhr im Trepto- wir die Grundrechte der Versammlungs- wer Park, um bei Sonnenschein und 28 Grad und Meinungsfreiheit und deren große Be- eine Tretboot-Tour durch die Spree zu ge- deutung für die freiheitlich demokratische nießen. Unsere Route führte uns vorbei an Grundordnung der BRD erläuterten sowie der „Insel der Jugend“ und erlaubte eine auf die hohen Hürden eines Verbots hinwie- gute Sicht auf das industrielle Äußere der sen. Eine starke Demokratie muss schließ- riesigen Heizkraftwerke an der Ostseite des lich auch solche Meinungen aushalten, die Ufers, die sich in das Landschaftsidyll nicht ihr zuwiderlaufen. Der Wunsiedel-Be- richtig einzufügen vermögen. Vorbei ging es schluss 14 des Bundesverfassungsgerichts an der „Liebesinsel“ gen Norden in Richtung fehlte bei unseren Ausführungen selbstver- Oberbaumbrücke. Da wir alle aber von den ständlich nicht. vergangenen Tagen äußerst erschöpft wa- Nach diesen interessanten Gesprächen ren und auch die Sonne kein Erbarmen stärkten wir uns im kalifornischen Burrito- kannte, gaben wir die Oberbaumbrücke als Restaurant „dolores“, bevor ein letztes Mal Zeit war, Berlin zu erkunden. 20 Uhr stand schließlich das Farewell Dinner im „Blockhaus“ am Zoo-Palast im Bikini Ber- lin auf dem Programm. Dabei übergaben wir kleine Präsente an unsere TutorInnen Paulina und Robin sowie an unser Organisa- tionsteam Isabelle und Flora & Kristin und 13 14 https://www.dhm.de/lemo/biografie/rudolf-hess, BVerfGE 124, 300. zuletzt aufgerufen am 09.09.2018. 19
Janis und dankten für deren stetigen Einsatz und die wirklich gelungenen zwei Wochen Netzwerk Ost-West. Den Abend ließen wir in Kreuzberg ausklin- gen, wo wir ein letztes Mal mit unseren let- tischen AustauschpartnerInnen zusammen- saßen. Wir sind sehr froh, dass es, dank der Mög- lichkeiten in unserer vernetzten und digita- lisierten Welt, keine Schwierigkeit ist, in Kontakt zu bleiben. 20
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