Neu in der Kardiologie - Rhythmologie

Die Seite wird erstellt Finn Reinhardt
 
WEITER LESEN
Neu in der Kardiologie - Rhythmologie
Neu in der Kardiologie –
Rhythmologie

Die kardiale Elektrophysiologie bzw. Rhyth-     ca. zwei Prozent der Gesamtbevölkerung           Fall 1
mologie hat sich über die vergangenen zwei      an Vorhofflimmern, allein in Deutschland
Jahrzehnte zu einem überaus wichtigen           ca. 1,8 Millionen Menschen. Dabei steigt         Ein 71-jähriger Patient präsentiert sich mit seit
Bereich der Kardiologie entwickelt, der         die Prävalenz mit dem Alter an, bei den          ca. drei Monaten zunehmender Dyspnoe und
durch eine rasante Fortentwicklung der          über 70-jährigen sind knapp zehn Prozent         Leistungseinschränkung. In der Anamnese fin-
wissenschaftlichen Erkenntnisse aber auch       der Bevölkerung betroffen. Neue Behand-          det sich eine bekannte koronare Herzkrankheit
spezialisierter Technologien immer neue         lungsstrategien ermöglichen es, die bei Vor-     (KHK) mit invasivem Ausschluss interventions-
Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen       hofflimmern erheblich gesteigerte kardiale       bedürftiger Stenosen vor drei Jahren bei damals
                                                                                                 echokardiografischem Normalbefund sowie in
und Patienten mit Herz-Rhythmusstörungen        Morbidität und Mortalität zu senken, gerade
                                                                                                 einem Langzeit-EKG einmalig dokumentiertem
erschließen konnte. Viele wissenschaftliche     auch wenn Vorhofflimmern eine Herzinsuf-         6-minütigem (asymptomatischem) paroxysma-
Untersuchungen und technologische Weiter-       fizienz induziert oder aggraviert. Im Folgen-    lem Vorhofflimmern.
entwicklungen bei invasiven Behandlungs-        den berichten wir über Fortschritte in der
methoden (Katheter-Ablationen, implan-          kardialen Bildgebung, die mittlerweile neben     Im Aufnahme-EKG zeigt sich Vorhofflimmern
tierbare Geräte), sorgten für die Entwicklung   der anatomischen Information auch patho-         mit eher tachykarder Überleitung (94 S/min.).
und Verbesserung evidenzbasierter Be-           physiologisch bedeutsame, funktionelle Vor-      Es liegt eine pulmonale Stauung mit beginnen-
handlungsstrategien. Aufgrund der immen-        gänge, und noch dazu in 3D, darstellen kann.     den Knöchelödemen vor und im UKG zeigt sich
                                                                                                 eine neu aufgetretene global mittelgradig ein-
sen Anzahl der betroffenen Patienten wol-       Und zuletzt zeigen wir auf, wie sich die Risi-
                                                                                                 geschränkte Pumpfunktion (Ejektionsfraktion
len wir im folgenden Artikel gerade auch auf    ko-Evaluierung und die Behandlungsmög-           [EF] 47 Prozent – siehe Tabelle 1) mit dilatierten
Fortschritte bei der Behandlung von Vor-        lichkeiten bei lebensbedrohlichen ventrikulä-    Vorhöfen bei einer funktionellen Mitralinsuffi-
hofflimmern, der „rhythmologischen Volks-       ren Arrhythmien (ventrikuläre Tachykardien,      zienz I-II°. Laborchemisch fallen ein stauungs-
krankheit Nr. 1“, eingehen: Immerhin leiden     plötzlicher Herztod) verbessert haben.           bedingter Anstieg der Transaminasen sowie ein

64      Bayerisches Ärzteblatt 3/2023
Neu in der Kardiologie - Rhythmologie
Titelthema

                                                                                                                  PD Dr. Felix Bourier
                                                                                                                  Prof. Dr. Isabel Deisenhofer
                                                                                                                  PD Dr. Carsten Lennerz

 LV-EF (%)      Schweregrad der              NYHA          Merkmal                                   Englische Bezeichnung                        Punkte
                Pumpfunktions-               Grad
                                                           Herzinsuffienz                            Congestive heart failure                     1
                einschränkung
                                                           Bluthochdruck                             Hypertension                                 1
 > 50 %         Erhaltene                    I
                Pumpfunktion                               Alter > 75 Jahre                          Age > 75 years                               2
 40 – 49 %      Leichtgradig                 (I –) II      Diabetes mellitus                         Diabetes mellitus                            1
                eingeschränkt
                                                           Z. n. Schlaganfall/TIA                    Stroke/TIA                                   2
 30 – 39 %      Mittelgradig                 II – III
                                                           Gefäßerkrankung (Arteriosklerose)         Vascular disease                             1
                eingeschränkt
                                                           Alter 65 bis 74 Jahre                     Age 65 to 74 years                           1
 < 30 %         Hochgradig                   III – IV
                eingeschränkt                              Weibliches Geschlecht (> 65 Jahre)        Sex Category                                 1
Tabelle 1: Einschätzung des Schweregrades der
Pumpfunktionseinschränkung anhand der links-               Geringes Risiko: 0 – 1 Punkte             Mittleres/hohes Risiko: > 2 Punkte
ventrikulären Ejektionsfraktion (LV-EF) mit jeweils ca.
                                                           Erwägung einer oralen                     Empfehlung zur oralen
korrespondierendem Grad der Herzinsuffizienz nach
                                                           Antikoagulation: ≥ 1 Punkt                Antikoagulation: ≥ 2 Punkte
der New York Heart Association (NYHA Grad I – IV)
(nach den ESC-Leitlinien von 2016).                       Tabelle 2: CHADSvasc-Score

erhöhtes NT-proBNP von 1.800 pg/ml auf. Bei               Parallel zur Rekompensation werden mit dem      (Abbildung 1) kann der Patient nach Abschluss
neu aufgetretener Herzinsuffizienz auf dem                Patienten die Möglichkeiten der Rhythmus-       der Rekompensation im stabilen Sinusrhyth-
Boden von nun persistierendem, eher tachykard             kontrolle besprochen: Bei vorbekanntem pa-      mus mit verbessertem echokardiografischem
übergeleitetem Vorhofflimmern erfolgt die so-             roxysmalem Vorhofflimmern wird aufgrund         Befund nach Hause entlassen werden. In der
fortige Initiation einer oralen Antikoagulation           des deutlich besseren Langzeitergebnisses       kurzfristigen Nachsorge nach einem und drei
mit einem NOAK bei einem individuell berech-              eine Katheterablation des Vorhofflimmerns       Monaten in der Rhythmusambulanz und beim
neten CHADSvasc score von 3 (Alter > 65 Jahre,            mittels elektrischer Isolation der Pulmonal-    niedergelassenen Kardiologen zeigt sich ei-
neu aufgetretene Herzinsuffizienz und vaskuläre           venen (PVI) empfohlen. Präprozedural erfolgt    ne normalisierte linksventrikuläre Ejektions-
Erkrankung; T­ abelle 2). Ferner erfolgt die Initi-       ein Ausschluss intrakardialer Thromben mit-     fraktion (LV-EF) sowie eine Normalisierung
ation einer Betablockade, Diuretika-Gabe und              tels Niedrig-Dosis CT, wobei gleichzeitig ein   der kardialen Diameter und der MI auf ≤ I°.
einer angepassten Herzinsuffizienz-Medikation             Progress der KHK im simultan durchgeführten     Medikamentös erfolgt bis auf weiteres eine
mit niedrig dosiertem Angiotensin-Rezeptor-               Koronar-CT ausgeschlossen wird. Nach kom-       Fortführung der oralen Antikoagulation, die
Neprilysin-Inhibitor Sacubitril/Valsartan und             plikationsloser Katheterablation mittels 3D-    Herzinsuffizienz-Medikation kann sukzessi-
dem Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten               Mapping und Radiofrequenz-(RF)-Ablation in      ve ausgeschlichen werden, wobei eine milde
Spironolacton.                                            High-Power-Short-Duration (HPSD)-Technik        Beta-Blockade belassen wird.

                                                                                                                  Bayerisches Ärzteblatt 3/2023       65
Neu in der Kardiologie - Rhythmologie
Titelthema

Diskussion
Beim Vorhofflimmern, der „rhythmologischen
Volkskrankheit Nr. 1“, hat sich in den vergange-
nen Jahren ein Paradigmenwechsel ergeben, da
immer mehr erkannt wurde, wie sehr Vorhof-
flimmern einen signifikanten, negativen Effekt
auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mor-
talität hat. Am deutlichsten wurde dies in der
EAST-AF-net-Studie nachgewiesen: Hier wurde
bei 2.789 Patienten mit neu aufgetretenem Vor-
hofflimmern und kardiovaskulärem Risikoprofil
eine Rhythmuskontrolle mit dem Ziel, den Sinus-
rhythmus zu erhalten, mit einer reinen Frequenz-
kontrolle bzgl. des kombinierten Endpunktes aus
kardiovaskulärem Tod, Stroke, Hospitalisierung
wegen Herzinsuffizienzverschlechterung oder
akutem Koronar-Syndrom (ACS) randomisiert
verglichen. Es zeigte sich, dass die frühe Rhyth-
muskontrolle (mittels medikamentöser Therapie
und gegebenenfalls Kardioversion oder Ablation)
der Frequenzkontrolle signifikant überlegen ist.
Bemerkenswert ist, dass dieser Effekt auch bei
bzgl. des Vorhofflimmerns asymptomatischen
Patienten nachweisbar war.

Bezüglich der „besten“ Rhythmuskontrolle hat
sich in den vergangenen drei Jahren bei paroxys-
malem Vorhofflimmern gleich in mehreren ran-
domisierten Studien eine signifikante Überlegen-
heit der „first line“ Katheterablation gegenüber
einer erstmaligen antiarrhythmischen Medikation
gezeigt bzgl. der Freiheit von Vorhofflimmern,
mit Erfolgsraten der Ablation zwischen 70 bis 80
Prozent nach einer Ablation bei gleichzeitig sehr     Abbildung 1: A) Blick in das elektrophysiologische Katheterlabor. Auf den Monitoren sind Röntgenbild, Hämo-
niedriger prozedur-assoziierter Komplikationsrate     dynamik, EKG-Messplatz und 3D-Mapping-System während einer PVI zu sehen.
(
Neu in der Kardiologie - Rhythmologie
Titelthema

                                                                                               Herzinsuffizienz

                                                         Mitralinsuffizienz                                              Volumenüberladung, Stauung

                                                          unregelmäßige LV Füllung                                                         LV Dilatation

                                                         Hohe Herzfrequenz                                                            Mitralinsuffizienz

                                                         Atrialer „Stretch“, Fibrose                                                      LA Dilatation

                                                         Verlust der atrialen Kontraktilität                                 Atrialer „Stretch“, Fibrose

                                                         Neurohumorale Effekte                                                Neurohumorale Effekte

                                                                                               Vorhofflimmern

Abbildung 2: Schema der Pathomechanismen von sich gegenseitig aggravierender Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern.

zent bei koronarer Dreigefäßerkrankung. Vor          tomatik. Anhand der 12-Kanal-Morphologie der          ten, sind sie klinisch meistens durch strukturel-
15 Jahren erlitt er einen Myokardinfarkt der         VT konnte deren Ursprung in der bestehenden           le Schädigung des ventrikulären Myokards bei
Hinterwand mit Intervention der RCA. Seitdem         Hinterwand-Narbe des linken Ventrikels veror-         ischämischer oder dilatativer Kardiomyopathie
bestehen eine medikamentöse Thrombozyten-            tet werden. In der daraufhin durchgeführten           (zum Beispiel Narbe nach Myokardinfarkt) be-
aggregationshemmung mit Aspirin sowie eine           Katheterablation konnte der VT-Mechanismus            dingt. Die strukturelle Schädigung des Myokards
Statin- und eine Herzinsuffizienz-Therapie. Vor      durch hochauflösendes 3D-Mapping präzise im           bewirkt eine Verzögerung der elektrischen Sig-
fünf Jahren erfolgte zudem die primärprophy-         Bereich der Hinterwandnarbe nachvollzogen und         nalweiterleitung, sodass es zum Auftreten so-
laktische Implantation eines VVI-ICD-Systems.        gleichzeitig erfolgreich abladiert werden (Abbil-     genannter Reentry-Tachykardien kommen kann
Im umgehend aufgezeichneten 12-Kanal-EKG             dung 3). Während der anschließenden weiteren          - einer kreisenden elektrischen Aktivierung im
präsentierte sich eine monomorphe ventrikulä-        stationären Überwachung bestand durchwegs             Ventrikel, im Oberflächen-EKG als Bild einer VT
re Tachykardie (VT) mit einer Herzfrequenz von       stabiler Sinusrhythmus, es kam zu keinem er-          erkennbar. Handelt es sich um eine stabil krei-
160/min. Die periphere O2-Sättigung betrug 94        neuten Auftreten ventrikulärer Herzrhythmus-          sende elektrische Aktivierung, zum Beispiel durch
Prozent, der Blutdruck lag bei 85/61 mmHg, der       störungen, die Frequenz-Zonen der ICD-Therapie        eine nach einem Myokardinfarkt der Hinterwand
Patient war zum Zeitpunkt der Aufnahme wach          wurden in einer erneuten Aggregatkontrolle            aufgetretene, anatomisch fixierte Myokardnarbe,
und ansprechbar. Es erfolgten dann eine Blut-        optimiert. Nach zwei Tagen konnte der Patient         zeigt sich im EKG das Bild einer monomorphen
entnahme zur Kontrolle der Laborwerte sowie          in stabilem Zustand in die Häuslichkeit entlas-       VT. Eine polymorphe VT bildet sich bei instabi-
eine Abfrage des ICD-Systems, wobei sich eine        sen werden. Eine Verlaufskontrolle nach sechs         len oder wechselnden Aktivierungsmustern aus.
einprogrammierte Therapiezone des Systems            Monaten bestätigte die Rezidivfreiheit von VT.        Die polymorphe VT zeigt dabei ein noch größe-
oberhalb von 180/min zeigte. Ein Versuch die VT                                                            res Risiko in Kammerflattern oder -flimmern zu
mit Hilfe eines Programmiergerätes manuell über                                                            degenerieren. Durch den Einsatz von (neuarti-
den ICD überzustimulieren gelang leider nicht,       Diskussion                                            gen) ICD-Systemen (siehe Patientenfall Nummer
sodass im nächsten Schritt eine erfolgreiche                                                               3) können VT zwar terminiert und dadurch die
externe Kardioversion mit 200 Joule erfolgte.        Das Auftreten von ventrikulärer Tachykardie           kardiale Mortalität dieser Population reduziert
Eine von radialem Zugang durchgeführte Ko-           (VT) stellt einen oft lebensbedrohlichen klini-       werden, jedoch führen ICD nicht zu einer Re-
ronarangiografie ergab einen stabilen Befund         schen Zustand dar und bedarf einer sofortigen         duktion der weiteren VT-Inzidenz und die an
der bekannten koronaren Dreigefäßerkrankung          internistisch-kardiologischen Diagnostik und          sich lebensrettenden ICD-Therapien bedeuten
ohne Interventionsbedarf. Die zwischenzeitlich       Therapie. Im Gegensatz zur physiologischen elek-      für die betroffenen Patienten eine ernstzuneh-
verfügbaren Laborwerte des Patienten ergaben         trischen Aktivierung der Ventrikel führt die VT       mende Verschlechterung ihrer Lebensqualität.
keinen relevanten pathologischen Befund, ins-        nur zu einer insuffizienten ventrikulären Kon-
besondere die Schilddrüsen- und Elektrolytwerte      traktion und somit zu einem deutlich vermin-          Die aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesell-
waren normwertig. Unter Monitor-Überwachung          derten Herzzeitvolumen und hämodynamischer            schaft für Kardiologie und European Society of
auf der Intermediate Care Station kam es nach        Kompromittierung des Patienten. Während ven-          Cardiology (ESC) [4] stellen nun den großen Nut-
wenigen Stunden zu einem erneuten Auftreten          trikuläre Tachykardien selten idiopathisch beim       zen einer Katheterablation von VTs in den Fokus.
der ventrikulären Tachykardie und der damit ein-     Herzgesunden oder sekundär im Rahmen von              Die Katheterablation ermöglicht eine ursächli-
hergehenden klinisch stark belastenden Symp-         zum Beispiel Elektrolytentgleisungen auftre-          che Therapie ventrikulärer Tachykardien, indem

                                                                                                                    Bayerisches Ärzteblatt 3/2023          67
Neu in der Kardiologie - Rhythmologie
Titelthema

                                                                                                                  173 ms wird im Herzinsuffizienz-(Heart Failure;
                                                                                                                  HF) Team die Entscheidung zu einer Versorgung
                                                                                                                  mit einem ICD System mit kardialer Resynchroni-
                                                                                                                  sation (cardiac resynchronization, CRT-ICD) mit
                                                                                                                  Anlage einer endovenösen (links-ventrikulären)
                                                                                                                  Sonde im Coronarvenensinus (CS) gefällt. Im
                                                                                                                  Rahmen des Eingriffs zeigt sich leider in den Seit-
                                                                                                                  Ästen des CS nur eine einzige Ziel-Vene bezüglich
                                                                                                                  der optimalen Resynchronisation von linkem und
                                                                                                                  rechtem Ventrikel geeignet, dort zeigt sich zu-
                                                                                                                  nächst auch eine zufriedenstellende Reizschwelle.
                                                                                                                  Die Lage der LV-Sonde in diesem CS-Seit-Ast ist
                                                                                                                  jedoch instabil. Deshalb fällt intra-operativ die
                                                                                                                  Entscheidung zum Versuch einer Stimulation des
                                                                                                                  spezifischen Reizleitungssystems, um doch noch
                                                                                                                  eine für die Behandlung der Herzinsuffizienz so
                                                                                                                  wichtige synchrone rechts- und linksventriku-
                                                                                                                  läre Kontraktion zu erreichen. Dafür erfolgt die
                                                                                                                  Anlage einer Stimulationselektrode im Bereich
Abbildung 3: A) zeigt posteriore Ansichten der linksventrikulären Patientenanatomie. Durch 3D-Mapping konnte      des linken Schenkels mittels einer spezifischen,
ein intrakardiales Abbild der VT erstellt werden, die der VT zugrundeliegende kreisende Aktivierung ist anhand    neu-entwickelten Sonde, die von rechtsventri­
des Farbverlaufs und der durch die helle Fläche dargestellten elektrischen Aktivierung visuell nachvollziehbar.
                                                                                                                  kulär aus transseptal bis in den Bereich des linken
Der gelbe Stern markiert den sogenannten „Isthmus“ als kritische Engstelle des VT-Mechanismus.
                                                                                                                  Schenkels eingeschraubt wird. Nun kann durch
Durch Ablation dieses Isthmus (B) kann eine sofortige Terminierung der laufenden VT erzielt werden.               diese „physiologische“ gleichzeitige Stimulation
                                                                                                                  beider Schenkel ein deutlich schlankerer QRS-
C) stellt eine 3D-Rekonstruktion funktioneller CT-Bildgebung dar. Die rot-orange-gelben Areale zeigen eine        Komplex von 110 ms ohne typische linksschen-
von basal bis apikal und lateral reichende Hinterwandnarbe nach Myokardinfarkt an. Linksatriale und linksven-
trikuläre Anatomie sind grau, das rechte System ist transparent mit liegender ICD-Sonde dargestellt. Venöse
                                                                                                                  kelblock-förmige Deformation erreicht werden
Koronargefäße sind blau, arterielle sind rot visualisiert.                                                        (Abbildung 4). Bereits vor Verlassen des Kran-
                                                                                                                  kenhauses kann in der trans-thorakalen Echo-
                                                                                                                  kardiografie ein deutlich verbessertes Kontrak-
                                                                                                                  tionsverhalten der Ventrikel mit Anhebung der
                                                                                                                  LV-EF auf ca. 40 Prozent nachgewiesen werden,
sie die Regionen narbenbedingter myokardialer            Charakteristik der relevanten Infarktnarbe) und          mit einer Verbesserung der NYHA-Klasse auf II
Leitungsverzögerung derart modifiziert, dass             kann den der ventrikulären Tachykardie zugrun-           im mittelfristigen Verlauf.
ursprünglich durch die Narbe bedingte VTs nicht          deliegenden Mechanismus genau nachvollziehen
mehr ausgelöst werden können. Dieses Verfah-             (Abbildung 3A). Im zweiten prozeduralen Schritt
ren stellt für von VT betroffene Patienten eine          abladiert er auf diesen Informationen aufbauend          Diskussion
effektive Therapieoption dar und die Leitlinien          diejenigen Bereiche des ventrikulären Myokards,
sehen eine Evidenz-Klasse-I-Indikation zur Ka-           welche für die Aufrechterhaltung der Tachykardie         Im Bereich der implantierbaren kardialen Devices
theterablation für Patienten mit rezidivierenden         relevant sind (Abbildung 3B). Mit diesem Verfah-         sind Herzschrittmacher (HSM) und Defibrillatoren
VT trotz medikamentöser antiarrhythmischer The-          ren kann bei ischämischen VTs eine 1-Jahres-             (ICD) sowie Systemen zur kardialen Resynchroni-
rapie sowie für Patienten, die von in kurzer Zeit        Erfolgsrate von 80 bis 90 Prozent erzielt werden.        sation (CRT) etablierte Therapien zur Behandlung
wiederholt auftretenden VT („elektrischer Sturm“)        Neue nicht-invasive Methoden ermöglichen zu-             von bradykarden bzw. tachykarden Herzzrhyth-
betroffen sind, vor. Basierend auf den Ergebnissen       dem die Visualisierung und 3D-Darstellung myo-           musstörungen sowie der Linksherzinsuffizienz.
der SMASH-VT [5] und VTACH-Studien [6], kann             kardialer Narben und VT-Mechanismen durch                Es handelt sich bei allen Gerätearten um sehr
die Ablation ischämischer VT bereits nach einem          funktionelle MRT- oder CT-Bildgebung (Abbil-             sichere und ausgereifte Medizinprodukte, die
ersten VT-Ereignis als Primärtherapie empfohlen          dung 3C). Diese 3D-Darstellungen können direkt           jährlich tausenden Patienten in Deutschland das
werden. Die kürzlich publizierte randomisierte           in das 3D-Mapping während Katheterablationen             Leben retten oder die Lebensqualität verbessern.
PARTITA-Studie [7] zeigt darüber hinaus, dass            integriert werden und bieten dem Untersucher
die VT-Ablation bei Patienten mit ischämischer           dadurch zusätzliche Orientierung und Einblicke           Wie im vorliegenden Fall gezeigt, konzentrieren
Kardiomyopathie auch eine hochsignifikante               in Anatomie und relevante VT-Mechanismen.                sich die Forschung und klinische Anwendung in
prognostische Relevanz hinsichtlich Mortalität                                                                    der Device-Therapie zunehmend auf eine mög-
und Herzinsuffizienz besitzt.                                                                                     lichst physiologische Stimulation des Reizlei-
                                                         Fall 3                                                   tungssystems. Die direkte Stimulation des His-
Während einer VT-Katheterablation wird in einem                                                                   Bündels oder des linken Tawara-Schenkels werden
ersten prozeduralen Schritt eine hochaufgelös-           In der Herzinsuffizienz-Ambulanz stellt sich ein         aktuell als optimale Stimulationsorte diskutiert.
te „Landkarte“ (3D-Mapping) des betroffenen              67-jähriger Patient mit ischämischer Kardiomyo-          Eine Stimulation des Reizleitungssystems ver-
Ventrikels durch meist von einem femoralem               pathie und einer erheblich reduzierten LV-EF von         spricht eine physiologischere und synchronere
Zugang aus eingebrachte Katheter angefertigt.            31 Prozent vor. Er leidet trotz einer optimalen          Erregung der Ventrikel als eine konventionelle
Dabei erhält der Untersucher anatomische und             Herzinsuffizienz-Medikation weiterhin unter einer        rechtsventrikuläre Stimulation, da diese zur asyn-
elektrische Information über strukturelle myo-           Dyspnoe NYHA III. Bei einem zusätzlich bestehen-         chronen Kontraktion des linken Ventrikels führt
kardiale Narben (zum Beispiel die Position und           dem Linksschenkelblock mit einer QRS-Dauer von           und eine bestehende Linksherzinsuffizienz ver-

68        Bayerisches Ärzteblatt 3/2023
Neu in der Kardiologie - Rhythmologie
Titelthema

Abbildung 4: In der linken Bildhälfte das native EKG im Sinusrhythmus mit intrinsischer Überleitung und mit breitem Linksschenkelblock, QRS Breite ca. 170ms mit typi-
scher doppelgipflig positivem QRS in I und QS-Konfiguration in V1-V3. In der rechten Bildhälfte atrial getriggerte ventrikuläre Stimulation mit deutlich schlankerem QRS
(ca. 120ms) und deutlich veränderter R-Progression in den Brustwänden mit RSB-förmiger Deformation in V1 und (Stimulationsbedingten) Repolarisation-Störungen in
V1-V4. Das Ziel einer erheblich schnelleren und synchroneren Depolarisation beider Ventrikel mit entsprechend dynamischeren und damit verbesserter Kontraktilität
konnte hier voll erreicht werden.

schlechtern oder sogar verursachen kann. Große           Isolationsdefekt oder Infektion). Viele Innovatio-       zeitliche Abstimmung zwischen Vorhof (A) und
Beobachtungsstudien zeigen eine signifikante (30         nen im Bereich der Device-Therapie zielen daher          Ventrikel (V) ermöglichen. Diese „AV-synchrone“
bis 50 Prozent) Risikoreduktion für die Morta-           darauf ab, die Risiken von Sonden-assoziierten           Arbeitsweise macht den sondenlosen HSM auch
lität oder Hospitalisierung bei Herzinsuffizienz         Komplikationen zu reduzieren.                            für Patienten mit relevanten AV-Blockierungen
bei His-Bündel- oder Linksschenkelstimulation                                                                     attraktiv. Schließlich ist auch bereits ein ech-
gegenüber der konventionellen RV-Stimulation.            Beim „leadless pacer“ oder sondenlosen HSM wird          tes Zweikammer-System mit kommunizierenden,
                                                         ein kapselförmiger Herzschrittmacher über die V.         sondenlosen HSM im Vorhof und Ventrikel be-
Die direkte Stimulation des Reizleitungs-                femoralis kathetergestützt eingebracht und direkt        reits in der Studienphase, sodass wahrscheinlich
systems beim sogenannten „conduction system              im rechten Ventrikel unter Verzicht auf eine Elek-       auch zukünftig alle HSM Indikationen über die
pacing“ könnte auch eine Alternative oder so-            trode implantiert (Abbildung 5). Aktuell ist zwar        sondenlosen HSM abgebildet werden können.
gar Verbesserung zur etablierten CRT-Therapie            nur ein Modell marktverfügbar, doch zukünftig            Bereits heute ist der sondenlose HSM nach den
bei Linksherzinsuffizienz darstellen, die zur Re-        sind von mehreren Herstellern sondenlose HSM zu          ESC-Guidelines eine Klasse IIa Empfehlung, wenn
synchronisation eine biventrikuläre Stimulation          erwarten. Durch Miniaturisierung ist dieser kapsel-      kein Venenzugang zu den oberen Extremitäten
über eine klassische rechtsventrikuläre und eine         artige HSM nur ca. 2,6 cm lang, wiegt 1,75 g und         vorhanden ist oder wenn das Risiko einer Infektion
linksventrikuläre Sonde im Coronarsinus verwen-          verspricht eine Laufzeit von 8 bis 13 Jahren. Die        der Gerätetasche besonders hoch ist, zum Beispiel
det. Allerdings sollte es hierfür noch eine tech-        erste Geräte-Generation war als Einkammer-HSM            nach früheren Infektionen und bei hämodialyse-
nologische Weiterentwicklung des conduction              lediglich für eine kleine Zielgruppe geeignet, das       pflichtigen Patienten.
system pacings geben, um die anspruchsvolle              heißt für Patienten mit bradykardem Vorhofflim-
Sondenimplantation zur Stimulation des Reiz-             mern. Der Implantationserfolg ist mit 99 Prozent         Das Bestreben, auch bei den implantierbaren
leitungssystems zu erleichtern.                          hoch und die Funktion sehr stabil. Eine anfänglich       Defibrillatoren/Cardiovertern auf eine transve-
                                                         erhöhte Rate an Perikardergüssen und Tamponaden          nöse Schocksonde zu verzichten, führte 2009 zur
Betrachtet man die möglichen Komplikationen              bei Implantation hat sich mit septaler Zielregion        Einführung eines rein subkutanen Defibrillators
der modernen Geräte-Therapie, so sind diese              und Erfahrung deutlich reduziert und ist jetzt           (Abbildung 4). Die Defibrillationssonde liegt sub-
ganz überwiegend direkt „Sonden-assoziiert“:             vergleichbar zur traditionellen HSM Implantation.        kutan, parallel zum Sternum und zieht entlang
akut mit dem Einbringen und der Platzierung der          Eine Überlegenheit konnte der sondenlose HSM             des Rippenbogens zum mid-axillären Aggregat
transvenösen Elektroden (zum Beispiel Pneumo-            bzgl. Reinterventionsrate und chronischen Kom-           unterhalb des M. latissimus dorsi. Der subku-
thorax, Sondendislokation) oder langfristig mit          plikationen zeigen. Die zweite Geräte-Generation         tane implantierbare Kardioverter-Defibrillator
einem notwendigen Wechsel bzw. Entfernung                kann über einen Bewegungssensor die mechani-             (S-ICD) ist nahezu doppelt so groß und schwer
der Elektroden (zum Beispiel bei Sondenbruch,            sche Vorhofaktivität wahrnehmen und somit eine           (130 g) wie ein konventioneller ICD aufgrund der

                                                                                                                          Bayerisches Ärzteblatt 3/2023             69
Neu in der Kardiologie - Rhythmologie
Titelthema

                                                                                                                    S-ICD minimiert oder vollständig beseitigt. Aus
                                                                                                                    dem fehlenden Kontakt zum Herzen resultiert je-
                                                                                                                    doch auch die größte Limitation des S-ICD, eine
                                                                                                                    fehlende Stimulationsmöglichkeit des Herzens.
                                                                                                                    Folglich ist der S-ICD keine Option für Patien-
                                                                                                                    ten mit Stimulationsbedarf bei Bradykardie oder
                                                                                                                    für Patienten mit ventrikulären Tachykardien,
                                                                                                                    die von einer schmerzfreien Überstimulation
                                                                                                                    profitieren. Ansonsten sollte der S-ICD gemäß
                                                                                                                    ESC-Empfehlung (Klasse IIa) als Alternative zum
                                                                                                                    transvenösen ICD berücksichtigt werden.

                                                                                                                    Ausblick
                                                                                                                    Ab nächstem Jahr steht mit einem extravaskulären
                                                                                                                    ICD eine potenzielle Alternative zur Verfügung.
                                                                                                                    Dieses Gerät versucht die Vorteile des subkuta-
                                                                                                                    nen und des herkömmlichen ICD-Systems, das
                                                                                                                    heißt Verzicht auf eine transvenöse Sonde bei
                                                                                                                    gleichzeitiger Möglichkeit zur antibradykarden
                                                                                                                    sowie antitachykarden Stimulation, zu vereinen.
                                                                                                                    Hierzu wird die Schockelektrode retrosternal bis
                                                                                                                    nahe ans Herz implantiert. Erste Ergebnisse bzgl.
                                                                                                                    Defibrillationseffektivität und Sicherheit sind
                                                                                                                    überzeugend, erste Daten bzgl. der Tolerierbar-
                                                                                                                    keit der Stimulation, des Überstimulationserfolgs
                                                                                                                    sowie der Rate an inadäquaten Schocks bleiben
                                                                                                                    noch hinter den Erwartungen zurück.
Abbildung 5: A) Röntgen-Thorax nach Implantation eines sondenlosen HSM. Der miniaturisierte Schrittmacher
projiziert sich im Bild auf den rechten Ventrikel (roter Pfeil). B) Röntgen-Thorax nach Implantation eines subku-
tanen ICD (S-ICD). Das Aggregat liegt außerhalb des Brustkorbs (roter Pfeil), die Sonde verläuft parallel zum       Das Literaturverzeichnis kann im Internet
Brustbein, ebenfalls unter der Haut. C) Sondenloser HSM (in Relation zu einer 2-Euro-Münze). D) Modell des          unter www.bayerisches-aerzteblatt.de
Subkutanen ICD (S-ICD) Aggregat mit angeschlossener Sonde.
                                                                                                                    (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

größeren Batterie, die eine Defibrillationsenergie        ohne Anfälligkeit für Elektrodenbrüche. Ande-             Die Autoren erklären, dass sie keine finan-
von 80J aufbringen muss. Hierdurch wird eine              re mit transvenösen Elektroden in Verbindung              ziellen oder persönlichen Beziehungen zu
Defibrillationseffektivität von 98 Prozent er-            stehende Komplikationen wie Pneumothorax,                 Dritten haben, deren Interessen vom Ma-
reicht. Ein geringerer Anspruch an Biegsamkeit            Perforation, Tamponade, hämatogene Infektion              nuskript positiv oder negativ betroffen sein
führt zu einem dickeren, robusten Sondendesign            und risikoreiche Sondenextraktionen sind beim             könnten.

 Das Wichtigste in Kürze
                                                                                                                     Autoren
 Bei Vorhofflimmern wird aufgrund der erhöhten kardiovaskulären Morbidität/Mortalität eine                           PD Dr. Felix Bourier, Oberarzt, Abteilung
 frühe, aggressive Behandlung im Sinne einer Rhythmuskontrolle mit dem Erhalt/Wiederher-                             für Elektrophysiologie
 stellung des Sinusrhythmus propagiert. Hier hat sich die Katheter-Ablation als erfolgreiche
 und sichere Methode etabliert. Mit den sogenannten neue orale Antikoagulantien (NOAKs) und                          Prof. Dr. Isabel Deisenhofer, Leiterin der
 einer erweiterten Herzinsuffizienz-Medikation konnte die Prognose weiter verbessert werden.                         Abteilung für Elektrophysiologie

 Bei ventrikulären Arrhythmien haben Fortschritte in der Bildgebung (Cardio-MRT, funktionelles                       PD Dr. Carsten Lennerz, Oberarzt,­
 Cardio-CT) zu einem verbesserten Verständnis der Pathophysiologie geführt. Vor allem die Fort-                      Abteilung für Elektrophysiologie
 schritte im invasiven „3D-Mapping“ führten zu deutlich verbesserten Erfolgsaussichten der Ka-
 theterablation und damit zur Ausweitung der Ablations-Indikation bei ventrikulären Tachykardien.                    Deutsches Herzzentrum München,
                                                                                                                     Klinik an der Technischen Universität
 Im Bereich der implantierbaren kardialen Geräte zielen Innovationen wie der sondenlose                              München (TUM),
 Schrittmacher, der subkutane, extravasale implantierbare Kardioverter-Defibrillator (ICD)                           Lazarettstr. 36, 80636 München
 sowie die gezielte Stimulation des Reizleitungssystems darauf ab, die Risiken von Sonden-
 assoziierten Komplikationen zu reduzieren und die Stimulationstherapie immer mehr der phy-                          Korrespondenz an: Deisenhofer@dhm.mhn.de
 siologischen Erregungsausbreitung anzugleichen.

70        Bayerisches Ärzteblatt 3/2023
Neu in der Kardiologie - Rhythmologie Neu in der Kardiologie - Rhythmologie Neu in der Kardiologie - Rhythmologie
Sie können auch lesen