Nordsee und Wattenmeer - eine Zustandsbeschreibung
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Nordsee und Wattenmeer - eine Zustandsbeschreibung 1
Impressum Herausgeber Landesamt für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer Schloßgarten 1, 25832 Tönning www.wattenmeer-nationalpark.de in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein Hamburger Chaussee 25, 24220 Flintbek www.lanu-sh.de Fotos Archiv Nationalparkamt: Brunckhorst, Gätje, Gilly, Jessel, Quedens, Reinke, Schröder, Stock, Todt Marinefliegergeschwader Nordholz/Eikenjäger LANU/Voß Redaktion, Text und Graphik Ingrid Gilly, Achim Stölting, Elisabeth Koop (NPA) Druck Boyens, Heide Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öf- fentlichkeitsarbeit der schleswig-holsteini- schen Landesregierung herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Per- sonen, die Wahlwerbung oder Wahlhilfe betreiben, im Wahlkampf zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorste- henden Wahl darf die Druckschrift nicht in © Alle Rechte beim einer Weise verwendet werden, die als Landesamt für den Nationalpark Parteinahme der Landesregierung zugun- Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sten einzelner Gruppen verstanden wer- Tönning, 2004 den könnte. 2
Inhalt Einleitung ................................................ 5 Nährstoffe ............................................... 7 die Düngung der Nordsee Schadstoffeinträge................................... 10 zu Land, zu Wasser und in der Luft Anreicherung in der Nahrungskette .......... 14 oder wer frisst wen? Vogeleier ................................................. 16 Indikatoren für Schadstoffe Seehunde ............................................... 18 auf hohem Niveau Organozinnverbindungen ........................ 20 giftige Schiffspflege Radioaktivität .......................................... 21 der Abfall der Wiederaufbereitung Ölverschmutzungen ................................ 22 immer noch ein Problem Müll ......................................................... 26 und andere Strandfunde Chronik ................................................... 28 was ist erreicht im Nordseeschutz? 3
Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, Industrie, intensive Landwirtschaft und Verbraucher haben die Nordsee über Jahr- zehnte als Abfallgrube für Nähr- und Schadstoffe missbraucht. Vehemente Proteste von Umweltschutzorganisationen haben dieses Problem öffentlich gemacht und einen Wandel eingeleitet. Seit Mitte der achtziger Jahre arbeiten Umweltverbände und Um- weltverwaltungen daran, die Verschmutzung der Nordsee kontinuierlich abzubauen. Wir müssen die Logik durchbrechen, dass immer nur die dramatischen Folgen von Sauerstoffmangel, Fischsterben oder Algenpest und Katastrophen, dafür sorgen, dass konkrete Maßnahmen nicht nur beschlossen, sondern auch umgesetzt werden. Längst gibt es umweltfreundliche Alternativen. Einige - wie bleifreies Benzin oder phosphat- freie Waschmittel - sind längst Teil unseres Alltages. Um die Nährstoffeinträge gesetzlich zu reduzieren, sind eine Novellie- rung der Düngeverordnung der EU und die Bindung von EU- Direktzahlungen an verbindliche Standards zur Stärkung des Umwelt- und Naturschutzes geplant. Gesetze allein werden nicht genügen - die landwirtschaftliche Praxis muss sich konsequen- ter an Qualitäts- und Umweltzielen orientieren. Das Problem der Schiffssicherheit ist ebenso virulent – auch hier müssen wir die nationale wie internationale Zusammenarbeit beim Meeresschutz forcieren. Wir haben in dieser Broschüre Forschungs- und Monitorin- gergebnisse für Sie aufbereitet. Damit wollen wir Ihnen zeigen, wie es derzeit um die Nordsee und das Wattenmeer bestellt ist und wo wir uns erfolg- reich engagiert haben. Nur mit vereinten Kräften können wir dafür sorgen, dass unse- re Meere und Küsten auch zukünftigen Generationen Freude bereiten und ihnen eine gute, gesunde Lebensgrundlage sind. Ihr Klaus Müller Minister für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft des Landes Schleswig-Holstein 4
Einleitung Das Wattenmeer als Teil der Nordsee ist eine einmalige Naturlandschaft. Dieser au- ßergewöhnlich reiche Lebensraum genießt den Schutzstatus eines Nationalparks. Hin- ter diesem Begriff steckt die Idee, in einzig- artigen Lebensräumen die Natur sich selbst zu überlassen. 1985 wurde der National- park Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer gegründet, 1986 und 1990 folgten die Wat- tenmeer-Nationalparke in Niedersachsen und Hamburg. Was aber nützt es, Schutzgebiete aus- Seit Ende 2000 ist die EU-Wasserrah- zuweisen, wenn sich die äußeren Schad- menrichtlinie (WRRL) in Kraft. Sie gilt für einflüsse nicht stoppen lassen? Nicht nur alle Gewässer Europas - für das Grund- mit der Wasserströmung, sondern auch über wasser wie auch für die Oberflächenge- die Luft gelangen giftige Stoffe von weit her wässer einschließlich der Übergangs- und in die Schutzgebiete. Die Nordsee ist wich- Küstengewässer. Ziel der WRRL sind der tiger Lebens- und Wirtschaftsraum für den natürliche Zustand und die natürliche Qualität Menschen. So wird sie von vielbefahrenen des Wassers. In Schleswig-Holstein wird Schifffahrtsstraßen gekreuzt, hier wird Öl und mit hoher Priorität an der Umsetzung ge- Gas gefördert und intensiv Fischerei betrie- arbeitet. ben. Die Schönheit des Meeres lockt, hier Was hat sich in den letzten Jahren tat- Erholung zu suchen und Sport zu treiben. sächlich getan und wie sieht es heute um Nutzungskonflikte sind vorprogrammiert und den Zustand der Nordsee aus? Die Ein- Probleme nicht einfach lösbar. Die Nordsee träge vieler Umweltgifte konnten verrin- ist ein internationales Gewässer, und über gert werden. Doch noch immer treiben Schutzbemühungen müssen sich alle An- verölte Seevögel und jede Menge Schiffsmüll liegerstaaten einigen. an unsere Küste. Eine Bewertung der ge- Auf nationaler und internationaler Ebene genwärtigen Situation ist schwierig, da me- wurden seit den 70er Jahren Maßnahmen thodisch einheitliche Datenerhebungen über zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung lange Zeiträume nur für einzelne Parameter ergriffen. Verschiedene politische Verwaltungs- vorliegen. Mit dieser Broschüre möchten gremien, z.B. die Internationale Maritime Or- wir in die Problematik der Nordseever- ganisation (IMO) oder die internationalen Mee- schmutzung einführen und Ihnen span- resschutzkonferenzen beschäftigen sich seither nende Fakten zum Genesungszustand der mit dem Schutz der Meere. Nordsee vorstellen. 5
r se as W es ch is nt la At Atlantisches Wasser (westl.) Norwe g is ches K ü s F a i r Is l e Nördliches Nordseewasser St rom ten w as se r Sc hot m D o ole y St ro t isch es Kü er ass ste n eew Z entrale s N ords wass er r se as w e se rd asser No t enw h es Küs S ü d li c ta l es in en nt Ko m ro st in le na Ka Die Wassermassen der Nordsee zirkulieren gegen den Uhrzeigersinn. Diese Strömungsverhältnisse entscheiden darüber, wohin die Schad- und Nährstoffe der Flussmündungsbereiche transportiert werden. Grafik: OSPAR Commission, zur Verfügung gestellt von HAAGEN design. 6
Nährstoffe die Düngung der Nordsee Nährstoffe, wie die Nährsalze Phosphat, Im vergangenen Jahrzehnt konnten vor Nitrat und Silikat werden als Grundlage für allem die Phosphateinträge reduziert den Aufbau allen Lebens im Wattenmeer werden. Verbesserte Reinigungsverfah- benötigt. Algen und Bakterien können sie ren der Kläranlagen und phosphatfreie direkt aufnehmen. So gelangen sie in die Waschmittel trugen dazu bei. Für die Nahrungskette. Auf verschiedenen We- Einträge der Stickstoffverbindungen, gen, etwa durch den Abbau toter Orga- insbesondere aus der Landwirtschaft, nismen, werden Nährstoffe wieder freige- ist jedoch noch keine Besserung in setzt. Im Jahresverlauf ändern sich Sicht. Insgesamt sind die Nährstoffein- dadurch die im Wasser vorhandenen Kon- träge in die Nordsee immer noch zu zentrationen erheblich. Im Frühjahr etwa hoch. bieten über den Winter angereicherte Nährstoffe und eine zunehmende Lichtin- tensität optimale Wachstumsbedingungen für die im Wasser schwebenden mikrosko- 350 Primärproduktion (g C m-2y-1) Phytoplankton 300 Phytobenthos 250 200 150 100 50 0 1980 1990 -1995 Die Primärproduktion im Meer wird vom Phytoplankton, mikroskopisch kleinste Pflanzen, die freischwebend im Wasser leben, und dem Phytobenthos, den Pflanzen am Meeresgrund, geleistet. Diese Produktion organischer Nährstoffe mit Hilfe von Sonnenenergie wird gemessen in Gramm Kohlenstoff pro Quadratmeter und Jahr. Sie ist in der Meeresregion um Sylt-Rømø seit 1980 deutlich angestiegen. Daten: Asmus et al. 1999 7
pisch kleinen Algen. Als Folge kommt es zu Massenvermehrungen, den Algenblü- Nitrat + Nitrit 60 50 ten. 40 Über Flüsse sowie Abgase in der At- mosphäre gelangen gewaltige Nährstoff- mol/l 30 20 frachten aus Landwirtschaft, Industrie und 10 Verkehr in die Nordsee. Diese durch den 0 Menschen verursachten Nährstoffeinträge 19 5 19 6 87 19 8 19 9 90 19 1 19 2 19 3 94 95 19 6 19 7 19 8 20 9 20 0 01 8 8 8 8 9 9 9 9 9 9 9 0 19 19 19 19 19 fördern die pflanzliche und tierische Pro- 2,5 duktion, ein Prozess, der als Eutrophierung 2,0 Phosphat bezeichnet wird. Immer häufigeres Auftreten 1,5 der Massenentwicklungen von Algen und mol/l 1,0 eine veränderte Artenzusammensetzung 0,5 werden heute als Folgen angesehen. Vor 0,0 der Küste Schleswig-Holsteins gibt es in 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 1990 19 91 1992 1993 19 94 1995 19 96 1997 19 98 20 99 20 00 01 den letzten Jahren allerdings Indizien für 19 30 einen Rückgang von Algenblüten. 25 Für Organismen entscheidend ist nicht 20 nur die Konzentration der Nährstoffe, sondern mol/l 15 auch ihr Verhältnis untereinander. Während Silikat 10 die Einträge von Phosphor (P) in den letz- 5 ten Jahren zurückgegangen sind, blieben 0 die Stickstoffeinträge (N) auf einem hohen 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 1990 19 91 19 92 19 93 19 94 1995 19 96 19 97 19 98 20 99 20 00 01 19 Niveau. Mittlerweile treten N:P Verhältnisse von Mittlere Nährstoffkonzentration im Winterwasser der 50:1 bis 100:1 auf, für die Nordsee nor- Deutschen Bucht bei einem Salzgehalt von s=30. Daten: H. Nies, BSH: Monitoring in der Nordsee. 1. mal wären jedoch Verhältnisse von etwa Tagung „Forschungshorizonte der Küstenregion“, 20:1. Einige Algenarten, z.B. die Schaumalge 13. bis 15.02.2003, Hamburg (Phaeocystis globosa), haben bei Stickstoff- überschuss und Phosphatmangel gegen- über anderen Algen Vorteile, da sie in der Lage sind, organisch gebundenen Phos- phor zu nutzen. Die Alge Chrysochromu- lina polylepis entwickelt dann sogar toxi- sche Eigenschaften und führt damit zu Fischsterben. Auch manche gebietsfrem- 8
de Alge, die mit dem Ballastwasser der Schiffe in unsere heimischen Meere ge- langt, findet hier nun gute Wachstumsbe- dingungen und tritt in Konkurrenz mit den heimischen Arten. Massenvorkommen treten nicht nur bei im Wasser schwebenden Kleinstalgen, dem Phytoplankton auf. Auch bei gro- ßen Grünalgen wird dieses Phänomen in den letzten Jahren verstärkt beobachtet. Besonders in den 1980er Jahren traten riesige Für ihr Wachstum sind neben dem Nähr- Schaumberge aus Eiweiß entlang der Nordseeküste auf. Sie entstehen beim Zerschlagen der Zell- stoffangebot im Freiwasser weitere Faktoren kolonien der Schaumalge (Phaeocystis globosa) wie die Wassertrübung und der Nährstoff- durch Wind und Wellen. Sie sind gesundheitlich unbedenklich. vorrat im Wattsediment sowie Veranke- rungsmöglichkeiten auf den Wattflächen entscheidend. Bei günstigen Bedingun- werden. Kann sich das Bodenwasser hier gen können sie innerhalb weniger Wo- nicht mit dem Oberflächenwasser durch- chen geschlossene Algenmatten bilden. mischen, wird möglicherweise der gesamte Sterben die Algen nach einer Massen- Sauerstoff aufgezehrt. Tiere wie Muscheln, vermehrung ab, müssen sie am Meeres- Fische und Krebse können in diesem Be- grund unter Sauerstoffverbrauch abgebaut reich dann nicht mehr überleben. Zu eindrucksvollen Wasserverfärbungen kann es bei den “Red Tides” kommen. Ursache sind Massen- vorkommen von einzelligen Planktonor- ganismen. Hierzu gehört auch der Einzeller Noctiluca, ein Flagellat, der das Meeresleuchten verursacht. Aufnahme aus dem Hubschrauber. Voß, LANU 9
Schadstoffeinträge zu Land, zu Wasser und in der Luft Meist werden Maßnahmen zur Reduzie- Maßnahmen zur Schadstoffreduzie- rung der Schadstoffe erst dann eingelei- rung, wie die Einführung bleifreien Ben- tet, wenn die Schäden bereits offensicht- zins, führten zu einem Rückgang der lich sind. Schwermetalleinträge in die Nordsee. Hauptsächlich aus Abgasen, die mit der Luft verdriftet werden und mit den Abwässern Schadstoffe können in die vier Gruppen der Flüsse gelangen viele Schadstoffe in Schwermetalle, Organochlorverbindun- das Meer. Gerade die Einzugsgebiete der gen, Erdölkohlenwasserstoffe und radio- großen Flussläufe Rhein, Elbe und Weser aktive Verbindungen unterteilt werden. sind dicht besiedelt, hoch industrialisiert Einige dieser Stoffe wirken bereits in ge- oder intensiv landwirtschaftlich genutzt. ringen Konzentrationen giftig. Andere Entsprechend stark sind die Flüsse mit weisen zwar keine direkte Giftigkeit auf, Schadstoffen belastet. verändern aber das Hormonsystem und Doch es hat sich etwas getan. Maß- somit z.B. Wachstum, Immunsystem und nahmen zur Verringerung der Schwerme- den Fortpflanzungserfolg. Der Nachweis tallkonzentration gibt es schon seit über der Schadwirkung auf Organismen ist 20 Jahren, und sie zeigen Erfolge. So ist nicht immer einfach, da Effekte oft erst in der Nordsee für viele Schwermetalle ein nach langen Zeiträumen sichtbar werden. rückläufiger Trend feststellbar. 10
Einträge über die Atmosphäre Durch die Einführung von bleifreiem Ben- Einträge über die Flüsse zin sind die sehr hohen atmosphärischen Konzentrationen der bleiorganischen Ver- 6000 bindungen stark reduziert worden. Verblei- 5000 tes Benzin wird in Deutschland seit 1988 4000 nicht mehr angeboten. In Böden und Se- dimenten wird Blei jedoch gespeichert und Blei (t) 3000 2000 kann so noch nach langen Zeiträumen wie- der freigesetzt werden. Wird Blei kontinu- 1000 ierlich in kleinen Mengen aufgenommen, 0 1985 1990 1996 1999 2000 kommt es zu chronischen Vergiftungen. 35 30 Quecksilber findet vielfältige technische Anwendung. Seine Verbindungen sind für Quecksilber (t) 25 20 ihre Giftigkeit bekannt. Meeresbewohner 15 nehmen sie über Kiemen und Nahrung auf 10 und reichern sie an. Unter Umständen 5 können hierbei hohe Konzentrationen ent- 0 1985 1990 1996 1999 2000 stehen. Daten zusammengestellt aus Berichten der verschiedenen Nordsee- schutzkonferenzen, Quality status reports und RID 1999 der OSPAR Commission 11
Beispielhafte Schadstoffverteilung im Wasser der Deutschen Bucht am 15.06.2001. In dieser Modellbe- rechnung wurde angenommen, dass ein Schadstoff mit willkürlicher Einheit kontinuierlich sechs Monate mit dem Wasser der Elbe und Weser eingeleitet wurde. (Blau = geringe Konzentration, rot = hohe Konzentration) Grafik: Dick, BSH 12
Ein Blick in die Vergangenheit Lange Zeit haben wir die Nordsee als = 1000 t billige Entsorgungsstelle für Produkti- 720 t Arsen, 72 t Cadmium, 20 t Quecksilber onsabfälle aus dem Binnenland miss- 1280 t Nickel braucht. Auf dem Meer konnte man strenge Rechtsvorschriften, wie sie 4563 t Kupfer 3002 t Blei etwa für die Verbrennung von Abfall an 2850 t Chrom Land gelten, umgehen. 8556 t Zink 1969 begann die Verklappung von Dünnsäure als Abfallprodukt aus der 1990 gelangten noch über 23 000 t giftige deutschen Titandioxidproduktion in ein Schwermetalle durch Verklappung in die Seegebiet bei Helgoland. Man nahm Nordsee. Bei fast allen Stoffen sind die Einträge durch Verklappung deutlich an, dass die enormen Wassermassen zurückgegangen. die Gifte ausreichend verdünnen könn- Daten zusammengestellt aus Berichten der verschiedenen Nordseeschutzkonferenzen, ten. Jährlich gelangten bis zu 750.000t Quality status reports und RID 1999 der der unter anderem mit den giftigen Me- OSPAR Commission tallen Arsen, Blei und Chrom verunrei- nigten Säure in die Nordsee. Welche später auch im Bereich des Nordost- schwerwiegenden Folgen das Einbrin- atlantiks. Seit 1991 wird kein Abfall gen von Schadstoffen in die Meere tat- mehr auf See verbrannt. Das Einbrin- sächlich hat, trat erst langsam zutage. gen von Klärschlamm in den Nordost- 1975 brachte man erstmals ver- atlantik ist seit 1999 verboten. Weiter- mehrt auftretende Fischkrankheiten in hin wird jedoch Baggergut, das vor Verbindung mit verklappten Schwer- allem bei der Unterhaltung der metallen. Ende der achtziger Jahre hat Schifffahrtswege anfällt, in der Nordsee die Politik schließlich entschieden, die versenkt. Die bislang im Sediment ge- gedankenlose Abfallentsorgung zu be- speicherten Schwermetalle gelangen enden. 1989 wurde die Verklappung in bei der Umlagerung dann teilweise in die Nordsee eingestellt, wenige Jahre das Wasser zurück. 13
Anreicherung in der Nahrungskette oder wer frisst wen? Vögel und marine Säugetiere sind als Viele Schadstoffe sind in Fett löslich. Sie Endglieder der Nahrungskette stark mit können deshalb ideal im tierischen Orga- Schadstoffen belastet. Ob sich die Be- nismus gespeichert werden. Innerhalb des lastung der Robben und Schweinswa- Nahrungsnetzes werden sie somit von ei- le des Wattenmeeres gebessert hat, ner Konsumentenstufe zur nächsten wei- weiß man nicht. Langzeitmessungen, tergegeben und dabei immer stärker kon- wie sie für Vogeleier jährlich durchge- zentriert. Es ist also nicht verwunderlich, führt werden, existieren für diese Tier- dass gerade in Vögeln und marinen Säu- gruppe noch nicht. gern oft sehr hohe Schadstoffkonzentra- tionen gemessen werden. Zu den Verbin- dungen, die sich in allen Organismen über die Nahrungskette stark anreichern, ge- hören die chlorierten Kohlenwasserstoffe wie das Insektenvernichtungsmittel DDT PCBs sind sehr stabile Verbindungen, und die als Weichmacher verwendeten die in der Natur nur langsam abge- baut werden. In Deutschland dürfen sie seit 1978 nur noch in geschlosse- nen Systemen eingesetzt werden, 1983 stellte man ihre Produktion ein Beispiel für die Anreicherung von PCBs und seit 1989 dürfen keinerlei PCB- innerhalb des Nahrungsnetzes. Die haltige Stoffe mehr in den Verkehr Pfeile verdeutlichen die Nahrungsbezie- hungen. PCB-Gehalt jeweils als gebracht werden. Mittelwert von 7-10 Individuen. Nach Matting et al. 1996 PCBs (ng/g Fett) 8.000 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 Plankton Herzmuschel Strandkrabbe Scholle Silbermöwe 14
polychlorierten Biphenyle (PCB). Oft ist die Einsatz und durch Abgase und Abwässer Wirkungsweise dieser Stoffe weniger in die Meere. Über ihre Auswirkungen auf durch sofortige Vergiftungserscheinungen das Ökosystem Meer weiß man jedoch gekennzeichnet als vielmehr durch bedeu- meist recht wenig. tend weniger auffallende Effekte wie ge- ringe Fruchtbarkeit und entsprechend we- niger Nachwuchs. In der Industrie gelangen immer neue Chemikalien in den Das Insektizid DDT zählt zu den zehn gefährlichsten Stoffen der Welt. Seine Anwendung ist heute in den meisten Indu- strieländern verboten. In einigen tropischen Ländern wird es jedoch noch zur Malariabekämpfung eingesetzt. DDT bleibt sehr lange in der Umwelt aktiv und ist selbst in der menschli- chen Muttermilch nachweisbar. Beim Stillen wird das im Fett- gewebe angereicherte DDT mobilisiert und an das Kind wei- tergegeben. 15
Vogeleier Indikatoren für Schadstoffe Schadstoffmessungen in Vogeleiern do- zustand des Wattenmeeres zu treffen. kumentieren die Belastung der küsten- Deshalb werden im Wattenmeer jährlich nahen Meeresbereiche. Entsprechend Eier von verschiedenen Seevögeln auf spiegeln sich in den Ergebnissen die Schadstoffe untersucht. Welche Stoffe deutlich abnehmenden Konzentratio- in einer Vogelart besonders reichlich an- nen an DDT und PCB bei allerdings wei- getroffen werden, hängt in erster Linie terhin hohen Lindankonzentrationen wi- davon ab, was auf dem Speiseplan der der. Tiere steht. So ist z.B. Fisch stärker mit PCB und DDT belastet als die wirbello- sen Tiere. Entsprechend ist die Anreiche- Da Vögel auf einer hohen Konsumenten- rung der beiden Stoffe in Flusssee- stufe stehen, sind sie von der Schadstoff- schwalben mit der Hauptnahrungsquelle anreicherung besonders stark betroffen. Fische im allgemeinem stärker als bei Die Eier der Küstenvögel eignen sich da- Austernfischern, die im Wattboden nach her, um Aussagen über den Belastungs- Muscheln suchen. Trischen Norderoog 6000 5000 Summe PCB (ng/g) 4000 3000 2000 1000 0 94 95 96 97 98 99 00 86 87 88 89 90 91 92 93 19 19 19 19 19 19 20 19 19 19 19 19 19 19 19 Vergleich der Konzentrationen von PCBs in Eiern der Flussseeschwalbe (Sterna hirundo) auf den Nordseeinseln Trischen und Norderoog Daten: Becker, Institut für Vogelforschung Wilhelmshafen 16
3,0 2,5 2,0 PCBs (t) 1,5 1,0 0,5 0,0 1985 1990 1996 1999 Die Menge der PCBs, die über die Flüsse in die Nordsee gelangt, zeigt seit 1985 einen rückläufigen Trend. Daten zusammengestellt aus Berichten der verschiedenen Nordseeschutzkonferenzen, Quality status reports und RID 1999 der OSPAR Commission Neben Unterschieden zwischen den Ar- Aufsehen erregte das Massensterben von ten treten jedoch auch regionale Unter- Austernfischern im Wattenmeer während schiede auf. Besonders in den Bereichen einer Kältewelle im Januar 1987. Die ver- der Flussmündungen sind die Schadstoff- hungerten Tiere besaßen kein Fett mehr belastungen sehr hoch. So werden die und wiesen stark erhöhte Gehalte an PCB Schadstofffrachten der Elbe mit der vor- und Quecksilber in der Leber auf. Die herrschenden Strömung nach Norden im Fett gespeicherten Schadstoffe scheinen verdriftet und verdünnen sich dabei zu- hier den natürlichen Vorgang der Win- nehmend. Entsprechend sind Eier der tersterblichkeit verstärkt zu haben. Die Flussseeschwalben auf der Insel Trischen Belastung der Vogeleier im Wattenmeer stärker mit PCBs belastet als auf der wei- ist seit Ende der 80er Jahre rückläufig, ter nördlich liegenden Insel Norderoog. ein Zeichen dafür, dass Maßnahmen zur Folgenschwer kann die Schadstoffan- Schadstoffreduzierung erfolgreich sind. reicherung für Vögel während Hunger- Nur für das Insektizid Lindan, das heute zeiten werden. Dann werden Fettreser- immer noch eingesetzt wird, werden sta- ven abgebaut und die dort gespeicherten gnierende und sogar zunehmende Kon- Schadstoffe gelangen in die Blutbahn. zentrationen gemessen. 17
Seehunde auf hohem Niveau choerus grypus) vor. Im inneren Watten- Seit Beginn der regelmäßigen Zählflü- meer gehört der Seehund zu den Leittier- ge 1975 ist der Seehund-Bestand im arten, er ist einer der Besuchermagneten Wattenmeer bis zum Seehundsterben des Wattenmeeres. 1988 kontinuierlich gestiegen. Danach Seehunde suchen im späten Frühjahr erholte sich der Bestand rasch und die Sandbänke des Wattenmeeres auf, stieg bis 2002 auf etwa 21.000 Tiere. gebären dort ihre Jungen und ziehen sie Beim Seehundsterben 2002 wurden auf. Nach dem Wechsel des Haarkleides mehr als 10.000 Tiere im gesamten ziehen sich die Seehunde im frühen Herbst Wattenmeer tot geborgen. in die Nordsee zurück. Seehunde stehen am Ende des Nahrungsnetzes. Sie ernähren Der Seehund (Phoca vitulina) ist im Wat- sich von den jeweils am häufigsten vor- tenmeer weit verbreitet. Daneben kommt kommenden Fischarten, die Jungtiere fressen unter den Meeressäugern nur noch der nach der Stillzeit bevorzugt Garnelen. Schweinswal (Phocoena phocoena) und Bis 1974 wurden Seehunde im schleswig- in geringen Zahlen die Kegelrobbe (Hali- holsteinischen Wattenmeer bejagt. Zu dem Anzahl der bei den Zählflügen im gesamten Wattenmeer erfassten Seehunde. Der tatsächliche Bestand liegt etwa ein Drittel höher. Deutlich erkennbar ist die Zunahme der Seehundzahlen seit 1975. Die Seehundepidemien von 1988 und 2002 konnten den Bestand nicht dauerhaft gefährden. Daten NPA 18
Zeitpunkt wurden hier nur noch 1.500 Tiere gezählt. Nach Ein- stellung der Jagd ha- ben die Seehundjäger die Hege der See- hunde übernommen. Seit 1990 sind See- hunde im gesamten Wattenmeer durch ein Abkommen der Wat- tenmeerstaaten ge- schützt. Der Seehundbe- stand erholte sich durch die Schutzmaßnahmen allmählich, Die Seehundpopulation erholte sich in bis 1988 eine Epidemie unter den Tieren den Folgejahren rasch. Im Jahr 2002 wurden ausbrach. Diese nahm ihren Ausgang im im Nationalpark 7.900 und im gesamten Bereich der dänischen Ostseeinsel Anholt Wattenmeer fast 21.000 Tiere bei den Zähl- und verbreitete sich über Skagen sehr schnell flügen des gemeinsamen Monitoringpro- ins gesamte Wattenmeer. Als eigentliche gramms der drei Wattenmeerstaaten ge- Ursache für das Seehundsterben wurde zählt. ein hundestaupe-ähnliches Virus festge- 2002 brach die Seehundstaupe erneut stellt. Das dadurch geschwächte Immun- aus. Ausgangspunkt der Epidemie war wie- system der Tiere und die übrigen Bela- derum die Insel Anholt. Die Infektion er- stungen durch Parasitenbefall und Schadstoffe reichte das Wattenmeer später als 1988 insbesondere mit PCBs führten dazu, dass und der Verlauf war weniger heftig. Den- Tiere in großer Zahl verendeten. noch wurden mehr als 10.000 Tiere tot Insgesamt starben 1988 von den im geborgen, allein in Schleswig Holstein 3.500. Wattenmeer gezählten 10.000 Tieren (der Inwieweit der erneute Ausbruch der Seu- geschätzte Bestand lag bei über 13.000 che an der gleichen Stelle natürliche Ur- Tieren) mehr als 60%. Allein im schleswig- sachen hat, ist ungeklärt. holsteinischen Nationalpark wurden 5.800 tote Seehunde geborgen, die zum Teil aus den anderen Wattenmeerregionen hier an- geschwemmt wurden. 19
Organozinnverbindungen giftige Schiffspflege Seit 1985 wird Triphenylzinn (TPhT) wurde seine Anwendung im Schiffsverkehr nicht mehr als zusätzlicher Wirkstoff in lange Zeit toleriert. Entsprechend werden Antifoulinganstrichen verwendet, die heute immer noch sehr hohe Konzentra- gemessenen Konzentrationen sind tionen in Muscheln der Hafenbereiche seither deutlich zurückgegangen. Im gemessen. Gegensatz dazu ist für Tributylzinn Organozinnverbindungen finden häu- (TBT) keine Abnahme der Schadstoff- fig in der Industrie Anwendung. Für Schlagzei- konzentration erkennbar. len sorgte der Nachweis von Tributylzinn in Sportkleidung, wo es antibakteriell wir- ken sollte. Wird TBT aus Schiffsanstrichen Aquatische Organismen wie Seepocken, ins Wasser freigesetzt, beeinträchtigt sei- Muscheln und Algen siedeln gern auf ne hormonelle Wirkung das Fortpflanzungs- Schiffsrümpfen. Um den Bewuchs zu ver- system von Schnecken und Muscheln. Dies hindern, werden Schiffe mit organozinn- kann bis zur Sterilität der weiblichen Tie- haltigen Antifoulingfarben, insbesondere re führen und somit zum lokalen Ausster- Tributylzinn (TBT), bis 1985 zusätzlich ben einer Population. Vor allem im Sedi- auch mit Triphenylzinn (TPhT) gestrichen. ment von Hafenbereichen finden sich hohe Diese Organozinnverbindungen töten al- Konzentrationen an TBT, die sich nur langsam lerdings nicht nur den unerwünschten Auf- abbauen. Für Boote unter 25 m Rumpf- wuchs, sondern wirken auch auf andere länge besteht seit 1989 in der Europäi- Wasserorganismen stark toxisch. schen Union ein Verbot für die Anwendung Obwohl bekannt ist, dass TBT schwe- von TBT. Mittlerweile ist jedoch auch für re Schäden an Meeresorganismen anrichtet, 50 TPhT In Probenahmen von µg Sn/kg Frischgewicht 40 Miesmuscheln in Eckwarder- TBT hörne (Niedersächsisches 30 Wattenmeer) fanden sich Tributylzinn (TBT) und Triphenylzinn (TPhT) 20 als vorherrschende Organozinnverbindungen. 10 Daten: Rüdel et al. 1999, UBA 0 98 99 85 86 88 90 92 93 94 95 96 97 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 20
Radioaktivität der Abfall der Wiederaufbereitung Für die derzeitig andauernde radioak- fig Cäsium 137 verwendet, mit einer Halb- tive Belastung der Nordsee ist vor al- wertszeit von 30 Jahren ein recht langle- lem die Wiederaufbereitungsanlage in biges Nuklid. Sellafield verantwortlich. Heute ist die Neben La Hague in Frankreich ist vor Ableitung der Anlage jedoch lange nicht allem die mittelenglische atomare Wieder- mehr so hoch wie Mitte der siebziger aufbereitungsanlage in Sellafield Haupt- Jahre. verursacher für die Einleitung radioakti- ver Abwässer in die Nordsee. In Sellafield In den 50er und 60er Jahren führten Nu- werden rund 3,3 Milliarden Liter radioak- klearwaffentests in der Atmosphäre zu ei- tive Abwässer jährlich über kilometerlan- ner globalen radioaktiven Kontamination ge Rohrleitungssysteme in die Irische See der Nordhalbkugel durch Fallout-Nuklide. gepumpt und von dort mit der Meeres- Heute sind es atomare Wiederaufberei- strömung über weite Strecken verfrach- tungsanlagen, die große Mengen künstli- tet. Auf diese Weise reicht der Einfluss von cher Nuklide mit ihren Abwässern in die Sellafield selbst bis in den arktischen Ozean Meere einleiten. Eine systematische Über- hinein. wachung der künstlichen Radionuklide in der Nordsee wird seit 1969 betrieben. Als Leitnuklid wird für die Überwachung häu- 1000 Zeitlicher Verlauf der Cäsium 137-Konzentrati- on im Wasser der Deutschen Bucht an der 100 Position des ehemaligen Feuerschiffs “Elbe 1”. Durch den Fallout des Reaktorunfalls von 10 Tschernobyl kam es 1986 zu einer kurzzeiti- gen deutlichen Zunahme der Cs-137 Aktivitätskon- 1 zentration. 1961 1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 Daten: H. Nies, BSH: Monitoring in der Nordsee. 1. Tagung „Forschungshorizonte der Küstenregion“, 13. bis 15.02.2003, Hamburg 21
Ölverschmutzungen immer noch ein Problem Ölverschmutzungen aus der Schifffahrt waren aus der havarierten Pallas vor Am- führen im Wattenmeer noch immer zu rum ausgelaufen. hohen Verölungsraten der Küstenvögel. Unfälle wie die der Pallas erregen zwar Zwar wurden Maßnahmen bereits in Aufsehen, doch auch ohne solche Hava- den 80er Jahren eingeleitet, Mitte der rien belegen die an der Küste angespül- 90er Jahre führte das zunehmende ten verölten Vögel einen ständigen Ölein- Schiffsaufkommen in Schleswig-Hol- trag in die Nordsee. Der Anteil verölter Vögel stein jedoch wieder zu ansteigenden an der Gesamtzahl aller angespülten Vö- Verölungsraten. gel wird als Verölungsrate erfasst. In den Wintermonaten wird sie im Rahmen des Als der Holzfrachter Pallas 1998 strande- Trilateralen Monitoring and Assessment Pro- te, wurden 16.000 durch Öl verendete gramms (TMAP) von den drei Wattenmeer- Seevögel gezählt. 60 t Schwerölreste anrainerstaaten Niederlande, Deutschland 100% 80% Verölungsrate Mittlere Verölungsraten 60% von Vögeln der deutschen Nordseekü- ste aus den Wintern 40% 1984/85 bis 2001/02 in Prozent. Keine Daten Keine Daten (Verölungsrate = Anteil 20% verölter Vögel an der Gesamtzahl der Totfunde) 0% Daten NPA 19 /85 19 /86 19 /87 19 /88 19 /89 19 /90 19 /91 19 /92 19 /93 19 /94 19 /95 19 /96 19 /97 19 /98 19 /99 20 /00 1 /0 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 19 22
Mittlere Verölungsraten Sterntaucher von Vögeln der deutschen Nordseekü- Lebensraum Nordsee: ste aus den Wintern Tordalk schwimmend und tauchend 1999/00 bis 2001/02 in Prozent. Je nach Trauerente bevorzugtem Lebens- raum, Lebensweise und Trottellumme der Art des Nahrungser- werbs unterscheiden Eissturmvogel sich die Verölungsraten Lebensraum Nordsee: einzelner Vogelarten fliegende Lebensweise, beträchtlich. Dreizehenmöwe Nahrung von der Wasseroberfläche Daten NPA Brandente Lebensraum Wattenmeer Austernfischer Lachmöwe 0% 20% 40% 60% 80% 100% und Dänemark auf Kontrollstrecken auf- Durch Analysen des Öls im Vogelge- genommen. In den letzten Jahren sind die fieder gelangt man auf die Spur der Ver- Verölungsraten zwar deutlich geringer ursacher. Rohöl macht in der Deutschen geworden, sie sind jedoch immer noch Bucht nur einen geringen Anteil aus. Es erschreckend hoch. Besonders durch Öl scheidet somit als Hauptverursacher zu- gefährdet sind Vögel, die sich vorwiegend mindest für die toten Vögel der deutschen auf der Wasseroberfläche aufhalten und Nordseeküste aus. Die von offshore-Öl- nach Nahrung tauchen, wie etwa die Trot- plattformen ausgehenden Rohölverschmut- tellumme. zungen gelangen aufgrund der Strömungs- Paraffin Motorenöl Rohöl Brennstoffrückstände + Motorenöl Ergebnis der Ölanalysen aus dem Brennstoffrückstände + Paraffin Gefieder verölter Vögel an der deutschen Nordseeküste im Winter 1998/99 (290 Proben). Hauptverursa- cher der Verölungen sind in diesem Fall Brennstoffrückstände Brennstoffrückstände aus der Seeschiff- fahrt. 23
verhältnisse der Nordsee nicht bis in die Deutsche Bucht. Für die Verölungen der Deutschen Bucht sind vielmehr Brennstoff- rückstände aus der Schifffahrt verantwortlich. Anstelle der kostenpflichtigen Entsorgung im Hafen werden diese Abfallprodukte häufig illegal auf der offenen See entsorgt. Um Verölte Eiderenten dies zu vermeiden, ist es wichtig, Hafen- auffangeinrichtungen bereitzustellen, de- Hochseevögel sind von Ölverschmutzungen besonders stark betroffen. Durch das Öl verklebt ren Kostensystem Anreiz bietet, die Ab- ihr Gefieder und die isolierenden und wasserab- fälle nicht auf See zu entsorgen. Die EU- weisenden Eigenschaften gehen verloren. Die Tiere ertrinken oder erfrieren. Zusätzlich nehmen Richtlinie zur Schiffsentsorgung, die seit sie bei ihren Reinigungsversuchen das Öl auf Dezember 2000 in Kraft ist, setzt hier an. und verätzen dadurch ihren Magen-Darm-Trakt. In Einrichtungen zur Reinigung wird versucht, Im Rahmen eines Pilotprojekts ermög- Vögel vom Öl zu befreien. Geringe Überlebens- lichten Bund und Länder Ende der acht- chancen und der zusätzliche Stress stellen solche Rettungsversuche jedoch in Frage. ziger/Anfang der neunziger Jahre eine ko- stenlose Ölentsorgung in den Häfen der Nord- und Ostsee. Sie kann jedoch nicht Rohöl Rest: Bunker-C-Öl wertvolle leichte Bestandteile: Benzin, Petroleum, Heizöl, Dieselkraftstoff Erwärmung und Reinigung im Maschinenraum schwerflüssiges Restöl und Verunreinigungen illegale Einleitung ins Meer Entsorgung im Hafen Die Bunkeröle, die in der Seeschifffahrt eingesetzt werden, sind Abfallprodukte der Raffinerien. Bevor sie als Treibstoff verbrannt werden können, müssen sie an Bord gereinigt werden. 24
als alleinige Ursache für den Rückgang der Verölungsraten in dieser Zeit angesehen werden. Vielmehr führten seit Inkrafttre- ten des Übereinkommens zur Ver- hütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL 1983) eine ganze Reihe von Maßnah- men auf internationaler und na- tionaler Ebene zur Verbesserung der Situation der südlichen Nord- Die Überwachung von see. Verschärfte Regelungen, effektivere Ölverschmutzungen Überwachung sowie Abschreckung durch aus der Luft wird von Marinefliegern Strafe bei Verstoß und möglicherweise ein durchgeführt. verändertes Umweltbewusstsein trugen zu einer Verhaltensänderungen in der See- fahrt bei. Die Anzahl der Ölplattformen der und die Entsorgung der Plattformen Nordsee hat in den letzten 20 Jahren stellt für die Meere eine Umweltbela- stark zugenommen. Während der Öl- stung dar. förderung gelangt Erdöl durch ölhalti- Die einzige Ölplattform im Wattenmeer, ge Bohrschlämme und Produktions- die Mittelplate, besitzt noch bis ins Jahr wasser in die Nordsee. Aber auch die 2011 eine Fördergenehmigung. Zum Erkundung neuer Standorte, die Verle- Schutz des hochsensiblen Lebens- gung langer Pipelines am Meeresgrund raums, in dem sie liegt, wurden be- sonders strenge Umweltsicherungs- maßnahmen getroffen. 25
Müll und andere Strandfunde Trotz internationaler Übereinkommen Modellrechnungen können bei Unfällen auf zur Müllreduzierung aus der Schifffahrt See Ausbreitung und Verdriftung von Ge- hat sich an der Müllsituation der Nord- genständen und gefährlichen Stoffen vor- seeküste noch wenig gebessert. ausgesagt werden. Als im Dezember 1993 der französische Frachter “Sherbo” meh- rere Container im Ärmelkanal verlor, trie- Was an unserer Küste angespült wird, ben tausende Beutel mit dem giftigen hängt stark von den herrschenden Strö- Pflanzenschutzmittel Apron Plus bis in die mungs- und Windverhältnissen ab. Durch Deutsche Bucht. Zusammensetzung des gestrandeten Plastikmülls an der deutschen Nordseeküste im Jahr 2002 (5 Strecken von 100m Länge, je eine Zählung im Frühling, Sommer, Herbst und Winter) n= 1956 Zusammensetzung des gestrandeten Mülls an der deutschen Nordseeküste im Jahr 2002 (fünf Strecken von 100m Länge, je eine Zählung im Frühling, Sommer, Herbst und Winter) n= 2670 26
MARPOL- MARine POLution Internationales Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, das welt- weit gültig ist. Fünf Anlagen regeln bestimmte Teil- bereiche: Anlage I: Ölverschmutzung Anlage II: Verschmutzung durch schädliche flüssige Stoffe, die als Massengut befördert werden (Chemikalien in Tankern). Anlage III: Schadstoffe, die in verpackter Form befördert werden, z.B. gefähr- liche Güter in Containern. Anlage IV: Verschmutzung durch Schiffsabwasser Anlage V: Verschmutzung durch Schiffsmüll Nach den Anlagen ist die Schiffsbesatzung u.a. verpflichtet, über den Verbleib von Ölrückständen aus Maschinenraum und Ladetanks ein Öltagebuch, über den Verbleib geladener Chemikalien ein Ladungstagebuch und über den Ver- bleib von Schiffsmüll ein Mülltagebuch zu führen. OSPAR- OSlo-PARis Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks zur Ver- hütung von Verschmutzungen vom Lande, durch Schiffe und Luftfahrzeuge. OSPAR gibt Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten und die Europäische Union, kann aber auch völkerrechtliche Beschlüsse fassen. Oft reicht jedoch schon der täglich ange- den darf. Doch trotz Verbots bestehen spülte Müll der Seeschifffahrt aus, um für auch heute noch drei Viertel des Mülls an die Tierwelt zur tödlichen Falle zu werden. der gesamten Nordseeküste aus Plastik- Häufig werden tote Seevögel aufgefun- teilen. Zur besseren Kontrolle wird seit den, die sich in Plastikmüll und Fischnet- 2002 die Menge und Zusammensetzung zen verfangen haben. Die seit mehreren des Mülls im Rahmen des sogenannten Jahren existierenden gesetzlichen Grund- Spülsaummonitoring (OSPAR Müll-Pilot- lagen zur Eindämmung des Müllproblems Projekt) an verschiedenen Kontrollstrek- scheinen hier noch wenig Erfolge zu zei- ken erfasst. gen. Dabei ist die Nordsee nach dem in- ternationalen MARPOL Übereinkommen seit 1991 Sondergebiet für Müll. Das be- deutet, dass kein Müll aus der Seeschiff- fahrt mehr in der Nordsee entsorgt wer- 27
Chronik was ist erreicht im Nordseeschutz? 1985 Einrichtung des Nationalparks "Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer" 1986 Einrichtung des Nationalparks "Niedersächsisches Wattenmeer" 1987 II. Internationale Nordseeschutzkonferenz (INK), London (GB): Das Vorsorge- prinzip wird für den Schutz der Nordsee verankert. Bis 1995 ist der Gesamt- eintrag gefährlicher Stoffe um 50% gegenüber 1985 zu verringern. In der gleichen Größenordnung muss die Einleitung von Nährstoffen eingeschränkt werden. Das Nationalparkamt und der Nordseebäderverband präsentieren auf der II. INK die schwimmende Ausstellung "Rettet die Nordsee" auf der Pidder Lyng. 1988 Ausbruch der Seehundseuche. Insgesamt starben von den geschätzt über 10.000 Tieren im Wattenmeer mehr als 75%. "Phosphor-Sofortprogramm" in Schleswig-Holstein. Phosphat-Fällung in den 38 größten Kläranlagen. 1989 Die Einbringung von Industrieabfällen, wie Verklappung von Dünnsäure, wird bis Ende 1989 beendet (Ausnahmeregelung für Großbritannien, Spanien und Frankreich bis 1992). Begrenzung von Stickstoffeinträgen aus kommunalen Kläranlagen in Deutschland. Die Ökosystemforschung im schleswig-holsteinischen Wattenmeer beginnt. 1990 III. INK, Den Haag (NL): Weitergehende Verringerung der Einträge von Cadmium, Quecksilber, Blei und Dioxin um 70% oder mehr. Kein Einsatz von PCB mehr und deren umweltverträgliche Beseitigung bis 1995, spätestens bis 1999. Einrichtung des Nationalparks "Hamburgisches Wattenmeer" Der Nationalpark in Schleswig-Holstein wird als Biosphärenreservat im Rahmen des UNESCO-Programms "Man and Biosphere" (MAB) anerkannt. 1991 6. Trilaterale Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeeres (TGC) in Esbjerg (DK): Verabschiedung eines umfangreichen Maßnahmenbündels. Abkommen zum Schutz der Seehunde im Wattenmeer tritt in Kraft. 28
EU-Richtlinie über die Behandlung von kommunalen Abwässern. Beginn des Programms zur Fällung von Stickstoff und Phosphor aus Kläranlagen. Abwasserabgabe für Stickstoff und Phosphor in Deutschland Die EU-Nitratrichtlinie zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen tritt in Kraft. Die Nordsee wird Sondergebiet für Schiffsmüll nach MARPOL. Dieser darf nicht mehr über Bord gegeben werden. Der Nationalpark wird als Feuchtgebiet Internationaler Bedeutung im Rahmen des Ramsar Abkommens anerkannt. 1992 Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in Nord- und Ostsee. Neue OSPAR Konvention beschlossen. Die FFH-Richtlinie tritt in Kraft. 1993 Interministerielles Treffen der Nordseeminister in Kopenhagen (DK). Verstär- kung der Maßnahmen zur Reduzierung von Stickstoffeinträgen aus der Landwirtschaft. 1994 Die Verbrennung von Abfällen auf See wird stufenweise bis Ende 1994 eingestellt. 7. TGC in Leeuwarden (NL): Definition von Kooperationsgebiet und Schutzge- biet. Verabschiedung von Qualitätszielen, Gemeinsames Monitoringpro- gramm wird als Pilotphase gestartet. 1995 IV. INK, Esbjerg (DK): Kontinuierliche Verringerung der Nordseeverschmut- zung mit dem Ziel der Einstellung im Laufe einer Generation (25 Jahre). 1996 Synthesebericht der Ökosystemforschung. 1997 8. TGC in Stade (D): Verabschiedung des Wattenmeerplanes; das gemeinsa- me Monitoringprogramm tritt in die Hauptphase. Interministerielles Treffen der Nordseeminister in Bergen (N) über Fischerei. 1998 OSPAR-Ministertreffen in Sintra (Portugal). Aufnahme des Schutzes von Habitaten und Arten in die OSPAR Konvention. 29
1999 Das Nationalparkgesetz in Schleswig-Holstein wird novelliert. Der National- park wird seeseitig vergrößert; ein Nullnutzungsgebiet und ein Walschutzge- biet werden eingerichtet. Die Nordsee wird Sondergebiet für Öl nach MARPOL. Öleinleitungen sind zukünftig verboten. 2000 EU-Richtlinie über Hafenauffanganlagen für Schiffsabfälle und Ladungsrück- stände tritt in Kraft. Umsetzung in den Staaten bis 2002. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie tritt in Kraft. Ordnungsrahmen der Gemein- schaft im Bereich der Wasserpolitik. Erhaltung und Verbesserung der aquati- schen Umwelt. 2001 Die Nationalparkgesetze in Hamburg und Niedersachsen werden novelliert. Die Nationalparke werden seeseitig vergrößert. 9. TGC in Esbjerg (DK): Einrichtung eines Wattenmeerforums zur Entwicklung einer nachhaltigen Nutzung des Wattenmeergebietes. 2002 V. INK in Bergen (N) mit den Kernthemen Fischerei, Schifffahrt, Offshore- Windkraftanlagen. Erneuter Ausbruch der Seehundseuche. Mit etwa 11.000 Seehunden starben über 50% der seit 1988 auf etwa 20.000 Tiere angewachsenen Seehundpo- pulation im Wattenmeer. Beginn der schrittweisen Abschaffung von TBT-haltigen Antifouling-Anstrichen auf allen Schiffen bis 2008. Schrittweise Abschaffung von Einhüllentankern. Das trilaterale Wattenmeer wird besonders empfindliches Meeresgebiet (PSSA). 2003 Gemeinsame Ministerkonferenz von OSPAR und HELCOM Zusammenarbeit mit der Ostsse wird verstärkt. Ein Netzwerk von Meeresschutzgebieten soll geschaffen werden. 30
© Common Wadden Sea Secretariat, Wilhelmshaven. www.waddensea-secretariat.org 31
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