Operatives Mana gement thorako-abdominaler Aortenaneurysmen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Originalie Operatives Management thorako-abdominaler Aortenaneurysmen St. Wolk1,2, St. Ludwig1,2, R.-T. Hoffmann2,3, N. Weiss2,4, J. Weitz1,2, Ch. Reeps1,2 Einleitung und Zusammenfassung Als Aortenaneurysma wird eine pathologische Erweiterung der Hauptschlagader auf mehr als das 1,5 – 2-fache des physiologischen Durchmessers bezeichnet. In Abgren- zung zum rein thorakalen (TAA) oder abdominellen Aortenaneurysma (AAA) ist das thorako-abdominelle Aorten aneurysma (TAAA) durch eine Mit- einbeziehung der Nieren- bzw. Visze- Normal Typ-I-TAAA Typ-II-TAAA Typ-III-TAAA Typ-IV-TAAA ralarterienmanschette charakterisiert [1, 2] (Abb. 1). Durch die Größe des Abb. 1: Morphologische Einteilung von TAAA nach Crawford Das Typ-I-TAAA beginnt distal der linken A. subclavia und endet auf Höhe der Nierenarterien. Eingriffs, die kardiopulmonal belas- Das Typ-II-TAAA umfasst den Abschnitt von der Höhe der linken A. subclavia bis zur Aortenbifurkation. tende thorakale Aortenklemmung Das Typ-III-TAAA beginnt im distalen Abschnitt der Aorta descendens ab dem 6. Interkostalraum und reicht (Cross-Clamping) und die Anatomie über die gesamte abdominelle Aorta. Das Typ-IV-TAAA beginnt auf Höhe des Truncus coeliacus und betrifft mit Beteiligung lebenswichtiger die gesamte abdominelle Aorta. © Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden Organ- und Rückenmarksarterien ist die Behandlung solcher Aortenpa- Wegen des operativen Traumas der Danlos-Syndrom (0,1 %). Aber auch thologien eine der größten operati- offenen Aneurysmasanierung sowie mykotische Aneurysmen (0,6 %) onstechnischen Herausforderungen. durch die zunehmenden technischen oder als Folge einer Takayasu Arteri- Durch eine fortwährende Weiterent- Möglichkeiten der endovaskulären tis (0,5 %) müssen differenzial- wicklung der Operationstechnik, Therapie wurden in der letzten pathogenetisch in Erwägung gezo- konsequente Anwendung organ- Dekade neue potenzielle, weniger gen werden [3]. Trotz der teilweise und rückenmarksprotektiver Maß- belastende, komplementäre Verfah- hereditären Ursachen ist das TAAA nahmen und deutlicher Verbesserun- ren zur Behandlung des TAAA entwi- meist eine Erkrankung des älteren gen im perioperativen intensivmedi- ckelt und evaluiert. Neben kombi- Menschen mit einem Durchschnitts- zinisch anästhesiologischen Manage- nierten endovaskulär-offenen Hyb- alter bei Operation von etwa 70 Jah- ment konnten die Ergebnisse der rideingriffen haben sich mittlerweile ren [4]. offenen Operation in den letzten aber auch vollständig endovaskuläre Jahrzehnten stetig verbessert wer- Therapieverfahren zur TAAA-Aus- Epidemiologie und natürlicher den. Eine postoperative Paraplegie, schaltung etabliert und bereichern Verlauf Nierenversagen, die mesenteriale das mögliche therapeutische Arma- Die genaue Prävalenz und Inzidenz Ischämie, kardiale und pulmonale mentarium. Das Ziel dieser Über- von TAAA ist wegen fehlender syste- Insuffizienz sind jedoch nach wie vor sichtsarbeit ist eine Darstellung der matischer Populationsstudien unklar, Komplikationen mit entsprechend derzeitigen Behandlungsoptionen wird jedoch auf 0,4 bis 3 von hoher Morbidität und Mortalität. hinsichtlich Anwendbarkeit und den 100.000 Personen pro Jahr geschätzt Ergebnissen dieser komplementären [5 – 7]. Nach Angaben des Statisti- Therapieverfahren beim TAAA. schen Bundesamtes war im Zeitraum 1 Bereich für Gefäß- und endovaskuläre Chirurgie, Klinik und Poliklinik für Visze- von 2004 bis 2013 ein kontinuierli- ral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Univer- Pathogenese des TAAA cher Anstieg von Behandlungsfällen sitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Neben degenerativ chronisch prote- wegen eines Aortenaneurysmas von Dresden olytisch-inflammatorischen Vorgän- 22.933 auf 29.048/a zu verzeichnen, 2 Universitäts GefäßCentrum, Universi- tätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dres- gen, entstehen viele TAAA häufig mit einem überproportionalen An den auch als Spätfolge einer sekundär stieg des TAAA von 3,5 % auf 5,5 % 3 Institut und Poliklinik für radiologische dilatierenden Aortendissektion (26,7 %) (Abb. 2). Die Prognose des nicht- Diagnostik, Universitätsklinikum Carl oder auf dem Boden einer familiären operierten TAAA-Patienten ist Gustav Carus, TU Dresden 4 Medizinische Klinik und Poliklinik III, Prädisposition bzw. hereditärer Bin- schlecht. Nach einer Analyse von Bereich Angiologie, Universitätsklinikum degewebserkrankungen wie dem Bickerstaff et al. betrug die 5-Jahres- Carl Gustav Carus, TU Dresden Marfan- (7,1 %) oder dem Ehlers- Überlebensrate bei unbehandelten Ärzteblatt Sachsen 5 / 2016 201
Originalie zukommen. Zuverlässige Zahlen zur prähospitalen und damit zur Gesamtmortalität des rupturierten TAAA existieren nicht, wird jedoch auf über 90 % geschätzt. Aus- schließlich Patienten mit gedeckter Ruptur oder symptomatischem TAAA erreichen das Krankenhaus. Dieser Anteil mit absoluter Therapieindika- tion liegt in großen Serien bei 9,1 bis 11,4 % [9, 10]. Die Notfallversor- gung im Stadium der Ruptur ist dabei ein unabhängiger Risikofaktor für eine hohe Krankenhausmortalität [9 – 11], liegt bei über 30 – 40 % [10] und ist stark altersabhängig [4]. Ähnliche Ergebnisse werden bei der Hybridversorgung erzielt [12]. Daten Abb. 2: Behandlungsfälle von Aortenaneurysmen in Deutschland, 2004 bis 2013 (Quelle: Statistisches Bundesamt). zur vollständig endovaskulären Ver- sorgung rupturierter Aneurysmen mit sogenannten „Off-the-Shelf“ TAAA nur 19,2 %, wobei 51 % der ges Screening eingeführt werden. Stentgrafts liegen aktuell nicht vor. Patienten auch tatsächlich an einer Ein Entwurf einer G-BA Richtlinie Im Gegensatz zum symptomatischen TAAA-Ruptur verstarben [5]. Noch wurde bereits von den Fachgesell- oder rupturierten TAAA orientiert weniger optimistische Angaben wur- schaften kommentiert und befindet sich die Indikation zur prophylakti- den von Crawford et al. gemacht, sich in der finalen Entscheidung. schen Aneurysmasanierung am welcher ein 2-Jahres-Überleben Maximal-Durchmesser, an der Expan- unbehandelter Aneurysmapatienten Klinische und morphologische sionsrate (> 0,5 cm/Jahr), der Aneu- von nur 24 % beschreibt, während Klassifikation rysma-Morphologie, der Ätiopatho- das Überleben operativ versorgter Bei der morphologischen Klassifika- genese, dem Operationsrisiko und TAAA-Patienten nach 2 und 5 Jahren tion des TAAA hat sich die Klassifika- dem Therapieverfahren. Aufgrund 70 % bzw. 59 % betrug [8]. Im tion nach Crawford durchgesetzt, der höheren Komplexität der Opera- Gegensatz zum AAA versterben ver- welche 4 Typen unterscheidet [1] tion und des perioperativen Risiko- mutlich mehr TAAA-Patienten tat- (Abb. 1). Diese hat für die Planung, profils wird im Vergleich zum AAA sächlich zeitlebens an einer Aneurys- das Operationsverfahren und die die Indikation zur Ausschaltung maruptur. Abschätzung des perioperativen Risi- eines degenerativen TAAA tendenzi- Zur Vorbeugung einer Aneurysma- kos erhebliche Bedeutung. ell zurückhaltender gestellt. Nach ruptur werden in Zukunft Screening- Die klinische Einteilung des TAAA den aktuellen Leitlinien der Deut- Programme eine größere Rolle erfolgt in Analogie zum AAA in drei schen Gesellschaft für Gefäßchirur- spielen. So ist durch das Institut für Stadien. Das Stadium I beschreibt gie (DGG), European Society of Car- Qualität und Wirtschaftlichkeit im das bislang asymptomatisches TAAA, diology (ESC) und American besteht Gesundheitswesen (IQWiG) bereits welches als Zufallsbefund diagnosti- bei einem maximalen Durchmesser eine positive Nutzenbewertung eines ziert wird. Symptomatische, aber von 6 cm bei degenerativen TAAA Früherkennungsprogrammes von nicht rupturierte TAAA werden dem und 5,5 cm bei chronisch expandie- AAA beschieden worden. Hierdurch Stadum II zugeordnet und meist renden Dissektionen, sowie einem könnte sich auch die Früherkennung durch abdominelle oder Rücken- maximalen Durchmesser von über von TAAA erhöhen. Ein Screening schmerzen apparent. Seltener wer- 5 cm bei hereditären Bindegewebs- mittels Sonografie innerhalb klini- den Symptome durch Kompression erkrankungen die OP-Indikation [13, scher Studien erbrachte, dass sich von Nachbarorganen oder Struktu- 14]. In Abhängigkeit vom individuel- bezüglich der Gesamtmortalität, der ren ausgelöst (zum Beispiel Schluck- len Risikoprofil des Patienten, der AAA-bedingten Mortalität, der Rup- störungen oder Heiserkeit). Im Sta- Morphologie des TAAA, des Mortali- tur-Häufigkeit und Anzahl der Not- dium III besteht eine gedeckte oder tätsrisikos und der Langzeitprognose falloperationen ein Beleg für einen freie Ruptur, welche mit plötzlichen wird eine offen-chirurgische, kom- Nutzen eines Ultraschall-Screenings stärksten thorakalen oder abdomi- plett endovaskuläre oder Hybridver- auf AAA für Männer ergab (www. nellen Schmerzen einhergeht. sorgung gewählt. Bei Patienten mit iqwig.de). So soll in Zukunft bei TAAA handelt es sich um ein meist Männern über 65 Jahren, insbeson- Therapieindikation multimorbides Patientengut mit zahl- dere mit Raucheranamnese und Hauptziel der Behandlung ist einer reichen Begleiterkrankungen, wie anderen Risikofaktoren ein einmali- tödlichen Aneurysmaruptur zuvor Herzinsuffizienz (33,4 %), vorange- 202 Ärzteblatt Sachsen 5 / 2016
Originalie gangener Herzinfarkt (3,8 %), Hyper tonie (83,8 %), COPD (37,1 %), chronische Niereninsuffizienz (19,5 %), Diabetes mellitus (19,3%) oder ein vorangegangener Schlaganfall (16,5 %) [4]. Eine präoperative internistische Risikostratifizierung und Risikofakto- renoptimierung ist deshalb obligat und dient auch zur Verbesserung der Gesamtprognose [15]. Therapieoptionen Zur Ausschaltung stehen 3 komple- mentäre technische Verfahren zur Verfügung, welche in spezialisierten Zentren je nach Aneurysmamorpho- logie, Grunderkrankung, Prognose und Risikofaktorenprofil des Patien- Abb. 3: intraoperativer Situs vor offener Ausschaltung eines TAAA ten ihre Anwendung finden: Die © Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden offen-chirurgische Aneurysmasanie- rung, kombinierte offen-endovasku- gen. Aufgrund der guten Langzeiter- kenkassendaten von 5.489 Patienten läre Hybrideingriffe und die komplett gebnisse und der stabilen Nahtanas- [4] beschreibt eine signifikante 1-, 5- endovaskuläre Aneurysmaausschal- tomosen stellt die offene Operation und 10-Jahres Mortalität von jeweils tung mittels gebranchter oder fenes- immer noch den Goldstandard bei 36 %, 54 % und 76 %, obwohl trotz trierter Spezialprothesen. Bei allen jüngeren Patienten, aortalem Infekt der Eingriffsgröße in hochspeziali- genannten Verfahren erhöht die und endovaskulär schwierig zu ver- sierten Zentren über eine akzeptabel Beteiligung der Viszeralarterienman- sorgenden Patienten dar [13]. niedrige perioperative 30-Tages-Mor- schette das Risiko für das Auftreten Jedoch ist anzumerken, dass insbe- talität von 5 % berichtet wird [17]. von Endorganischämien. Die Aus- sondere beim langstreckigen Aorten- Als relevante Komplikationen, wel- schaltung rückenmarkversorgender ersatz (Typ I- und II-TAAA) sowohl che oben genannte signifikante Mor- Arterien erhöht zudem signifikant die perioperative Mortalität als auch bidität und Mortalität bedingen, sind das Risiko für eine konsekutive Para- die Morbidität vor allem bei älteren vor allem Nachblutungen (5,9 %), parese. Patienten hoch sein können. Ver- dialysepflichtiges Nierenversagen schiedene Registerstudien berichten (16,6 %), Schlaganfall (5 %), respira- Offener Aortenersatz hier eine durchschnittliche periopera- torische Insuffizienz (39 %) und die Bezüglich der offenen Versorgung tive Mortalität zwischen 19 % und spinale Ischämie (4,1 %) zu nennen eines TAAA gibt es bisher die größte 31 % nach einem Jahr [16]. Auch die und sind mit dem Umfang des Aor- und längste Erfahrung und ist tech- bisher größte retrospektive Analyse tenersatzes assoziiert [10]. Postope- nisch prinzipiell zur Sanierung jed- aus den USA, basierend auf Kran- rative terminale Niereninsuffizienz weder Aortenpathologie geeignet. Die Exposition des TAAA wird hierbei durch einen thorako-abdominellen Zugang nach Crawford erreicht (Abb. 3). Entsprechend der Aneurysmamor- phologie erfolgt ein sequentielles Cross-Clamping der Aorta mit stu- fenweiser Rekonstruktion unter Ein- beziehung kaliberstarker Interkostal- bzw. Spinalarterien zur spinalen Isch- ämieprophylaxe. Eine kontinuierliche distale Perfusion der unteren Körper- hälfte mittels externer maschineller Kreislaufunterstützung wirkt sich zusätzlich günstig aus. Auch zur Pro- tektion der Nieren und Viszeralor- gane kann während des Ersatzes der renoviszeralen Manschette eine Abb. 4: intraoperativer Situs nach Anlage eines ilacoviszeralen Bypasses zum selektive maschinelle Perfusion der Debranching der Nieren- und Viszeralgefäße entsprechenden Organarterien erfol- © Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden Ärzteblatt Sachsen 5 / 2016 203
Originalie nen Versorgung von TAAA ebenfalls ration ebenfalls um einen ausge- zu einer Verringerung der Rate an dehnten offen-chirurgischen Eingriff spinalen Ischämien durch Induktion mit inhärentem Risikoprofil und der spinalen Kollateralisation [18]. methodenspezifischen Komplikati- Eine perioperative Liquordrainage onsmöglichkeiten. In einer Meta- senkt das relative Risiko einer spina- Analyse von Moulakakis et al. wird len Ischämie bei der offenen Versor- jedoch auch hier über eine signi gung in einer randomisiert-kontrol- fikante 30-Tages-Mortalität von lierten Studie von Coselli et al. um 12,8 % berichtet. Als Ursache wer- 80 % [19]. Zur Verringerung der den hauptsächlich Multiorganversa- Rate an Niereninsuffizienz und Ischä- gen, respiratorische Insuffizienz, Sep- mien der Viszeralorgane sollte eine sis und Darminfarkte genannt. Zu selektive Perfusion während der erwähnen ist, dass über 87 % der Operation über die Herz-Lungen- Patienten schwere Nebenerkrankun- Maschine vorgenommen werden gen aufwiesen (ASA > 3) und der [20]. Zur Reinsertion der Nieren- und Großteil der Patienten aufgrund von Viszeralgefäße können Prothesen mit Typ-II und Typ-III-TAAA behandelt Seitenarmen verwendet werden. wurden (61,1%). Die primäre techni- Eine Alternative ist die Reinsertion sche Erfolgsrate lag bei 96,2 %, die der Viszeralmanschette als Inselpatch Bypassoffenheitsrate bei 96,5%. (Seit-zu-Seit) in die Prothese. Jedoch Eine spinale Ischämie entwickelten ist bei Patienten mit Bindegewebser- 7,5 % mit permanenter Paraplegie krankungen die Rate an Patchaneu- bei 4,5 %, ein dialysepflichtiges Nie- rysmen hoch, weshalb hier ein renversagen 8,8 %, eine prologierte Anschluss mittels Seitenarmprothese Beatmungsdauer 8,2 % und kardiale bevorzugt werden sollte [21]. Komplikationen 3,7 % der Patienten [12]. Aufgrund der Möglichkeit von Hybridverfahren Bypassverschlüssen oder sekundären Ein potenziell weniger belastendes Endoleckagen (insuffiziente Stent- und invasives Verfahren im Vergleich graftabdichtung) ist nach Anwen- zum kompletten offenen thorakoab- dung des Hybridverfahrens eine dominellen Aortenersatz wurde ab lebenslange CT-angiografische Nach- dem Jahr 2002 mit der Einführung sorge indiziert. Die langfristige des sogenannten Hybridverfahrens Bypassoffenheitsrate nach im Mittel Abb. 5: CT-Angiografie nach erfolgreicher Ausschaltung eines etabliert. Hierbei kombiniert man die 34,5 Monaten lag bei 96,5 %, TAAA mittels Hybridverfahren offene und endovaskuläre Chirurgie jedoch entwickelten 22,7 % der © Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden in einem ein- oder mehrzeitigen Ver- Patienten reinterventionspflichtige fahren. Zunächst wird durch eine Endoleckagen im Verlauf [12]. Prinzi- oder spinale Ischämie sind dabei Laparotomie ein sequenzielles De piell handelt es sich beim Hybridver- Hauptprädiktoren eines letalen Ver- branching der Nieren- und Viszeral- fahren, im Vergleich zum kompletten laufs [10]. Zur Prophylaxe einer spi- arterien durchgeführt und die offenen Aortenersatz, um ein ten- nalen Ischämie ist es deshalb angera- Organperfusion mittels retrograder denziell schonenderes Verfahren, ten, durchgängige Spinalarterien zwi- Bypässe von der aorto-iliacalen welches insbesondere auch für die schen Th8 und Th12 zu revaskulari- Strombahn distal des Aneurysmas Ruptur und Notfallpatienten genutzt sieren, eine intraoperative Hypotonie aufrechterhalten (Abb. 4). In einem wird, da es für die überwiegende zu vermeiden und einen suffizienten zweiten Schritt erfolgt dann die Anzahl von Morphologien zur Ver- Hb-Ausgleich sowie ein Monitoring eigentliche Ausschaltung des TAAA sorgung geeignet und mit hoher chi- des Liquordrucks (Zieldruck 10 mmHg) durch endovaskuläre Rohrprothesen- rurgischer, aber durchschnittlicher durchzuführen [10]. Die Vorteile implantation mit Überdeckung der endovaskulärer Expertise ausführbar einer milden Hypothermie und dista- Viszeralmanschette [22] (Abb. 5). ist. len Perfusion mittels Herz-Lungen- Prinzipielle Vorteile des Verfahrens Maschine sind ebenfalls in Kohorten- sind, dass auf eine Thorakotomie mit Komplett endovaskuläre Thera- studien belegt. Auch ist das Risiko Einlungenventilation, thorakales pie (branched und fenestrated der spinalen Ischämie bei Typ-II- Cross-Clamping der Aorta und auf Stentgrafts) TAAA mit einer Abklemmzeit von einen Einsatz der Herz-Lungen- Die komplette endovaskuläre Aus- mehr 45 Minuten mit 50 % stark Maschine mit distaler peripherer bzw. schaltung stellt eine echte Bereiche- erhöht. Falls möglich, führt ein soge- selektiver Organperfusion verzichtet rung des Therapiespektrums dar. nannter „staged repair“, also ein werden kann. Trotz dessen handelt Hierdurch ist es mittlerweile möglich mehrzeitiges Vorgehen in der offe- es sich bei der aortalen Hybrid-Ope- geworden, Aortenaneurysmen, wel- 204 Ärzteblatt Sachsen 5 / 2016
Originalie Fazit Das TAAA stellt bezüglich der opera- tiven Versorgung eine Herausforde- rung dar. Aufgrund des höheren perioperativen Risikos besteht die Indikation zur Ausschaltung bei höherem Diameter als bei abdo minellen Aortenaneurysmen. Der offene Aortenersatz geht mit einer initial höheren operativen Belastung für die Patienten aber nachgewiese- nen guten Langzeitergebnissen ein- her und ist deshalb bei jungen und bindegewebserkrankten Patienten als Standardeingriff anzusehen. Eine robuste Alternative zur Versorgung stellt der Hybrideingriff dar. Dieser kommt insbesondere bei engem Aor- Abb. 6: CT-Angiografie nach Implantation einer fenestrierten Aortenprothese © Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden tenlumen (beispielsweise bei Dissek- tionen) und im akuten Notfall zum che die Viszeral- und Nierenarterien Auftreten einer spinalen Ischämie (in Einsatz, stellt aber ebenfalls eine involvieren, komplett endovaskulär 7,1 % der Patienten). Zudem war das nicht zu vernachlässigende Belas- auszuschalten. Die Patienten, die vor Outcome der Patienten stark vom tung für den Patienten dar. Bei Pati- allem hiervon profitieren, sind Pati- Ausmaß des Aneurysmas abhängig. enten mit zahlreichen Komorbiditä- enten mit schweren Begleiterkran- In der Gruppe der Patienten mit Typ- ten besteht mittlerweile die Möglich- kungen, welche für eine offene Ope- I- bis Typ-III-TAAA war die 30-Tages- keit einer kompletten endovaskulä- ration aufgrund der Komorbiditäten Mortalität bei 11,9 %, während sie ren Ausschaltung mittels individuell nicht geeignet sind. Hierfür sind bei Patienten mit para- und suprare- angefertigten Endoprothesen mit Spezialprothesen entwickelt worden, nalen Aneurysmen bei nur 4,3 % lag. guten kurz- und mittelfristigen welche sogenannte Fenestrierungen [23]. Das Risiko einer spinalen Ischä- Ergebnissen. Als unter Umständen u/o Branches aufweisen, das heißt mie steigt dabei exponentiell mit der nachteilig erweisen sich jedoch Fenster oder Seitenarme in der Endo- Länge des Überdeckens (Covering) manchmal die längere Planungs- prothese für die Viszeral- und Nie- der thorakalen Aorta auf bis zu 50 % phase und selten Einschränkungen renarterienabgänge, durch die sich [24]. Um dieses Risiko minimieren zu hinsichtlich der anatomischen An kleinere Endoprothesenröhrchen zur können, erfolgt deshalb auch hier wendbarkeit des Verfahrens. Auf- Überbrückung und Abdichtung eine schrittweise Ausschaltung der grund der mittlerweile großen thera- implantieren lassen (Abb. 6). In einer Pathologie u/o einer Erhaltung einer peutischen Vielfalt gibt es jedoch für aktuellen multizentrischen Kohorten- Restperfusion des Aneurysmasacks fast jeden Patienten ein geeignetes studie von Marzelle et al. wird bei über eine offene Fenestrierung oder Verfahren, welche jedoch in ihrer diesem Verfahren über eine Seitenarm, welcher nach spinaler Gesamtheit nur an einigen speziali- 30-Tages-Mortalität von 6,7 % be Kollateralisation verschlossen wird. sierten Zentren vorgehalten und rou- richtet [23]. Dies ist im Vergleich zur Hierdurch konnte eine Reduktion der tiniert abgebildet werden können. Mortalität beim offenen Aortener- spinalen Ischämie von 20,9 % auf satz deutlich geringer [10] trotz der 5,0 % gezeigt werden [25]. Ein Pro- Interessenkonflikte hohen Komorbidität im untersuch- blem patientenspezifischer Endopro- Die Autoren geben an, dass keine ten Kollektiv (Medianes Alter 71,6 thesen ist jedoch die schlechte Ver- Interessenkonflikte bestehen. Jahre +/- 8,5 Jahre), wie KHK fügbarkeit in dringenden Behand- (43,3 %), Herzinsuffizienz (13,4%) lungsfällen und Notfällen. Von der und COPD (34,3 %). Bei weiteren Planung sowie der Fertigung bis zur 25,4 % beziehungsweise 27,6 % der Auslieferung können bis zu drei Patienten war zudem ein Aorten- Monate vergehen. Daher wurden Literatur beim Verfasser oder andere abdominale Eingriffe sogenannte „off-the-shelf“ Endo- vorangegangen (sogenannte „hos- prothesen entwickelt, welche nicht Korrespondierender Verfasser: tile abdomen“) [23]. Komplikationen maßangefertigt und bei 60 – 80 % Prof. Dr. med. habil. Christian Reeps, FEBVS Bereichsleiter Vaskuläre- und Endovaskuläre bei der endovaskulären Versorgung, der Patienten anwendbar sind und Chirurgie mit hohem Bezug zur Mortalität, erste gute Ergebnisse zeigen [26]. Klinik und Poliklinik für waren ein terminales Nierenversagen Eine andere Notfallalternative be Viszeral-, Thorax-Gefäßchirurgie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus mit Notwendigkeit der Hämodialyse steht darin, sogenannte Chimney grafts Fetscherstr. 74, 01307 Dresden (in 5,6 % der Patienten) und das in Sandwich-Technik anzuwenden. Christian.Reeps@uniklinikum-dresden.de Ärzteblatt Sachsen 5 / 2016 205
Sie können auch lesen