PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - ALLERGIE UND IMPFEN - IN KLINIK UND PRAXIS - Pädiatrische Allergologie

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PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - ALLERGIE UND IMPFEN - IN KLINIK UND PRAXIS - Pädiatrische Allergologie
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE
                      IN KLINIK UND PRAXIS

SONDERHEFT

ALLERGIE UND IMPFEN
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - ALLERGIE UND IMPFEN - IN KLINIK UND PRAXIS - Pädiatrische Allergologie
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - ALLERGIE UND IMPFEN - IN KLINIK UND PRAXIS - Pädiatrische Allergologie
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“           3

Liebe Kolleginnen und Kollegen,                                                                  Wir hoffen, dass der hier zusammenge­
                                                                                                 fasste gegenwärtige Kenntnisstand und
                                                                                                 die resultierenden Empfehlungen dazu bei­
Eltern von Kindern mit erhöhtem Allergie­      die Kinder die Impfung hinsichtlich Allergie      tragen, nach wie vor erforderliche Schutz­
risiko haben häufig Bedenken wegen früher      so sicher wie möglich durchzuführen, son­         impfungen für allergische und nichtaller­
Routine-Impfungen. Einerseits wird be­         dern auch mit den Eltern die Risiken kompe­       gische Kinder sicherer zu machen und die
fürchtet, dass Impfungen die Entwicklung       tent und ausgewogen zu besprechen.                Durchimpfung weiter zu verbessern.
allergischer Erkrankungen wie Neurodermi­
tis oder Asthma fördern könnten. Deshalb       Das vorliegende Positionspapier bietet
                                                                                                   PD Dr. Christoph Grüber †
werden Kinder nicht, inkomplett oder erst      impfenden Ärzten Informationen über die
verzögert geimpft. Zusätzlich bestehen Be­     realistisch zu erwartenden Risiken aller­
fürchtungen, dass allergische Reaktionen       gischer Impfreaktionen und den Einfluss
gegen Bestandteile des Impfstoffs auf­         von Schutzimpfungen auf die Allergie­
treten könnten. In der Tat sind allergische    entwicklung. Es wurde in einer Arbeits­
Reaktionen auf Impfungen bis hin zum ana­      gruppe der Gesellschaft für Pädiatrische
phylaktischen Schock bekannt. Diese Be­        Allergologie und Umweltmedizin (GPA)
denken tragen zum unvollständigen Schutz       von spezialisierten Wissenschaftlern so­
vor impfpräventablen Erkrankungen bei und      wie allergologisch tätigen und impfenden
setzen das Kind zumeist einem ungleich         Kinderärzten erstellt. Bei den im Konsens­          Klinik für Kinder- und Jugendmedizin

höheren Risiko für schwere Infektionsfol­      verfahren erstellten Empfehlungen wurde             Klinikum Frankfurt (Oder)
                                                                                                   Müllroser Chaussee 7
gen ungeschützt aus. Dem impfenden Arzt        auf praktische Realisierbarkeit besonde­
                                                                                                   15236 Frankfurt (Oder)
kommt damit nicht nur die Aufgabe zu, für      rer Wert gelegt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,                                                                  GPA! Mit fast 2.000 Mitgliedern sind wir
                                                                                                 die größte Fachgesellschaft innerhalb der
                                                                                                 DGKJ und im Bereich der Allergologie in
aus unserer ärztlichen Praxis heraus erle­     ches und -relevantes Positionspapier. Mein        Deutschland. Informationen über die neuen
ben wir häufig die Situation, dass Fragen      Wunsch ist es, dass dieses Sonderheft der         Medien der GPA und zur Mitgliedschaft fin­
bezüglich Impfungen bei allergischen Kin­      GPA Sie in Ihrer täglichen Arbeit unterstützt,    den Sie in diesem Sonderheft.
dern bestehen und Unsicherheiten existie­      Ihren Entscheidungen Sicherheit gibt und
ren. Andererseits ist es eines der wichtigen   letztlich die von uns allen behandelten Kin­
                                                                                                   Prof. Dr. med. Christian Vogelberg
pädiatrischen Interessen, Kindern den emp­     der von der geleisteten Arbeit profitieren
fohlenen und sinnvollen Impfschutz zu ge­      werden.
währleisten. Daher freue ich mich sehr, dass
die wissenschaftliche Arbeitsgruppe „Aller­    Noch ein Wort in eigener Sache: Die GPA hat
gie und Impfen“ der GPA unter Federführung     in den vergangenen zwei Jahren einen um­
von Herrn Privatdozent Dr. Christoph Grüber    fassenden Modernisierungsplan abgearbei­
sich dieser Thematik, wie ich finde, überaus   tet. Unsere Medien (Homepage, eJournal
fundiert und differenziert angenommen hat.     „Pädiatrische Allergologie in Klinik und
Alle relevanten Fragestellungen zu diesem      Praxis“, der monatliche eNewsletter der
Thema wurden zusammengetragen. Auf             GPA und die MFA-Facebook-Seite) wurden              Universitätsklinikum Carl Gustav Carus

der Basis einer sorgfältigen Bewertung von     neu gestaltet bzw. erstmals eingerichtet.           Klinik u. Poliklinik f. Kinder- u. Jugendmedizin
                                                                                                   Bereich Kinderpneumologie / Allergologie
aktuellen publizierten Daten, sofern vorhan­   Machen Sie es wie viele Ihrer Kolleginnen
                                                                                                   Fetscherstr. 74 | 01307 Dresden
den, entstand nun ein wirklich praxistaugli­   und Kollegen und werden Sie Mitglied der
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4         Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“

Inhalt / Impressum
Empfehlungen zur Impfung von Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Allergierisiko                                                                                            5

     Hintergrund
     	          und Ziele                                                                                                                                                   5

     Grundlagen                                                                                                                                                              7

     Fördern
     	      Standardimpfungen die Entwicklung allergischer Erkrankungen im Kindesalter?                                                                                  10

     Vorgehen
     	       bei besonderem Risiko für allergische Impfreaktion                                                                                                          12

     Vorgehen
     	       bei vermuteter allergischer Reaktion auf Impfung                                                                                                            15

     Prävention
     	         und Management allergischer Impfreaktionen                                                                                                                18

     	
     Information und Schulung für medizinisches Assistenzpersonal                                                                                                         20

     Methodik                                                                                                                                                             21

     Literatur                                                                                                                                                            21

Das Leitbild der GPA                                                                                                                                                      24

Die wissenschaftlichen Arbeitsgruppen der GPA                                                                                                                             25

Der Vorstand der GPA                                                                                                                                                      25

Die vier regionalen Arbeitsgemeinschaften der GPA                                                                                                                         26

    Die erste Auflage dieses Themenheftes wurde kurz vor dem Tod unseres Vorstandskollegen – PD Dr. Christoph Grüber
    († 10. Januar 2016) – in Druck gegeben.

Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis,
Sonderheft „Allergie und Impfen“

Herausgeber:                                             Schriftleitung:                                          Bildnachweis: Titelseite: fotolia.com – Anja Greiner
Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie               PD Dr. med. Christoph Grüber, Kinderzentrum, Klini­      Adam, S. 3 oben: Dr. C. Grüber, S. 3 unten: Prof. C. Vogel-
und Umweltmedizin e. V., Rathausstraße 10,               kum Frankfurt (Oder), Müllroser Chaussee 7, 15236        berg, S. 5: fotolia.com – stalnyk, S. 8: fotolia.com – Nat­
52072 Aachen, Tel. 02 41/98 00-4 86,                     Frankfurt (Oder); Prof. Dr. med. Christian Vogelberg,    Ulrich, S. 9: fotolia.com – esben468635, S. 11: fotolia.
Fax 02 41/98 00-2 59, gpa.ev@t-online.de,                Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Fetscher­        com – tatyana, S. 14: iKOMM GmbH; S. 18: fotolia.com
E www.gpau.de                                            straße 74, 01307 Dresden, christian.vogelberg@           – PhotographyByMK, S. 19: fotolia.com – Tomsickova,
                                                         uniklinikum-dresden.de                                   S. 20: fotolia.com – ISO K°-photography, S. 26: fotolia.
Verlag:                                                                                                           com – StingerMKO (verändert iKOMM)
iKOMM • Information und Kommunikation im                 Kontakt:
Gesundheitswesen GmbH, Friesenstraße 14,                 PD Dr. med. Sebastian M. Schmidt, Universitätsmedi­      Layout: kippconcept gmbh, Bonn
53175 Bonn, Tel. 02 28 /37 38 41, Fax 02 28 /37 38 40,   zin, Kinderklinik, Sauerbruchstr. 1, 17475 Greifswald,
info@ikomm.info, E www.ikomm.info                        sebastian.schmidt@med.uni-greifswald.de                  ISSN: 2364-3455

Verlagsleitung: Dr. Ulrich Kümmel
                                                                                                                  Stand: 2. überarbeitete Auflage, Februar 2020
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LANGFASSUNG DES POSITIONSPAPIERS DER GESELLSCHAFT FÜR
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE UND UMWELTMEDIZIN (GPA)

Empfehlungen zur Impfung
von Kindern und Jugendlichen
mit erhöhtem Allergierisiko
Christoph Grüber (1), Tobias Ankermann (2), Carl-Peter Bauer (3), Roswitha Bruns (4), Philippe Eigenmann (5), Peter J. Fischer (6),
Frank Friedrichs (7), Michael Gerstlauer (8), Isidor Huttegger (9), Lars Lange (10), Thomas Lob-Corzilius (11), Christian Vogelberg (12),
Sebastian Schmidt (4)

       1 Kinderzentrum, Klinikum Frankfurt (Oder), Frank-     4 Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin,       Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salz-
        furt (Oder) und Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumo-       Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald                  burg
        logie / Immunologie, Charité – Universitätsmedi-       5 Dpt. Pédiatrie, Hôpitaux Universitaires Genève, Genf    10 A
                                                                                                                              bteilung für Kinderheilkunde, St.-Marien-Hos-
        zin Berlin, Berlin                                     6 Praxis für Kinder- und Jugendmedizin, Schwäbisch           pital, Bonn
       2K
         linik für Allgemeine Pädiatrie, Campus Kiel, Uni-      Gmünd                                                    11 C
                                                                                                                              hristliches Kinderhospital Osnabrück, Osna-
        versitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel             7 Kinderarztpraxis Laurensberg, Aachen                        brück
       3F
         achklinik Gaißach, Zentrum für chronische            8 II. Klinik für Kinder und Jugendliche, Klinikum Augs-   12 P
                                                                                                                              neumologie/Allergologie, Klinik und Poliklinik
        Erkrankungen, Gaißach und Kinderklinik Mün-              burg, Augsburg                                              für Kinder und Jugendliche, Universitätsklinikum
        chen-Schwabing, Technische Universität, Mün-           9 Pädiatrische Allergologie und Pneumologie, Uni-            Carl Gustav Carus, Dresden
        chen                                                     versitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde,

1. Hintergrund und Ziele

1.1 Hintergrund

Impfungen zählen zu den wirksamsten
präventivmedizinischen Maßnahmen. Mo-
derne Impfstoffe sind gut verträglich;
schwere bleibende unerwünschte Arznei­
mittelwirkungen werden nur in sehr selte-
nen Fällen beobachtet. Auch Allergiker
benötigen alle von der Ständigen Impf­
kommission (STIKO) am Robert Koch-
Institut empfohlenen Impfungen, sofern
keine Kontraindikation mit einem Risiko
besteht, das höher als das Risiko durch
die zu verhindernde Infektionskrankheit
ist.
                                                              tischen Schock. Einige Patienten, ins-                      allergische Reaktion und bedürfen spe­
Eine allergische Reaktion ist selten, kann                    besondere Patienten mit vorheriger al-                      zieller Kautelen. Die meisten anaphylak­
aber bei jedem Patienten infolge Impfung                      lergischer Impfreaktion oder allergischer                   tischen Reaktionen treten allerdings bei
auftreten. Der Schweregrad reicht von                         Reaktion gegen einen Impfstoff-Bestand­                     Patienten ohne bekannte Risikofaktoren
milder Lokalreaktion bis zum anaphylak-                       teil, tragen ein erhöhtes Risiko für eine                   auf und können mit den gegenwärtig zur
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6       Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“

Verfügung stehenden Instrumenten nicht                dass Standardimpfungen bei Kindern                1.2 Ziele
vorhergesagt werden. Weil Sorge wegen                 allergische Sensibilisierungen bzw. al-
möglicher allergischer Reaktionen zu Un­              lergische Erkrankungen fördern könnten.           Das Positionspapier soll folgenden Zielen
sicherheit führen kann, ob oder ob nicht              Mehrere Umfragen identifizierten die Sor­         dienen:
geimpft werden soll und so zu unvollstän­             ge vor Förderung der Allergieentwicklung          ❙ Professionelles Statement zur Sicher­
diger Durchimpfung beitragen kann, be­                als wesentliches Hindernis für plangemä­            heit von Impfungen bzgl. Allergie für
steht ein Bedarf für Hinweise, wie sicher             ße Impfung. Daher besteht ein Bedarf für            impfende Ärzte
im Hinblick auf Allergie geimpft werden               Hinweise in Bezug auf den Einfluss von            ❙ Professionelles Statement zur Sicher­
kann.                                                 Standardimpfungen auf die Allergieent­              heit von Impfungen bzgl. Allergie für
                                                      wicklung und für Hinweise, wie Patienten            ratsuchende Patienten
Neben Bedenken wegen möglicher al-                    mit erhöhtem Risiko für die Entwicklung           ❙ Reduktion von Impflücken wegen unge­
lergischer Reaktion gegen den Impfstoff               allergischer Erkrankungen geimpft wer­              rechtfertigter Bedenken
selbst besteht nennenswerte Besorgnis,                den sollten.                                      ❙ Bessere professionelle Aufmerksam­
                                                                                                          keit bzgl. allergischer Impfreaktion

                                                                                                        Das Positionspapier nimmt u. a. zu folgen­
    Tabelle 1. Mögliche Allergenquellen in Impfstoffen                                                  den Problemen Stellung:

    Adjuvatien                              ❙ Aluminium
                                                                                                        1. 	Prävention und Management aller-
                                            ❙ Konjugate, z. B. CRM197, Tetanus- und
                                              Diphtherietoxoid, Protein D von nicht-                      gischer Reaktionen auf Impfung:
                                              typisierbarem Haemophilus influenzae                        ❙ Führen die öffentlich empfohlenen
                                                                                                            Impfungen für Kinder und Jugend-
    Aktive Impfantigene                     ❙ Toxoide, Toxine
                                                                                                            liche zu allergischen Reaktionen?
                                            ❙ Andere Impfantigene
                                                                                                          ❙ Wie kann bei erhöhtem Risiko für eine
                                              (nativ, rekombinant)
                                                                                                            allergische Impfreaktion vorgegan­
    Kontaminationen                         ❙ Hühnerei                                                      gen werden?
    aus den Kulturmedien                    ❙ Hühnerembryo                                                ❙ Wie kann nach vermuteter aller-
                                            ❙ Pferdeserum
                                                                                                            gischer Reaktion auf Impfung vorge­
                                            ❙ Zellbestandteile von Mäusen, Affen, Hunden
                                                                                                            gangen werden?
    Weitere Verunreinigungen                ❙ Latex

    Zusatzstoffe                                                                                        2. Sicherheit
                                                                                                                     der Impfungen in Bezug auf
                                                                                                           die Entwicklung allergischer Erkran­
    – Antibiotika                           ❙ Neomycin
                                                                                                           kungen:
                                            ❙ Kanamycin
                                                                                                          ❙ Fördern die öffentlich empfohlenen
                                            ❙ Tetracyclin
                                                                                                            Impfungen für Kinder und Jugend-
                                            ❙ Gentamycin
                                                                                                            liche die Entwicklung allergischer Er­
                                            ❙ Streptomycin
                                            ❙ Polymyxin B                                                   krankungen?

                                            ❙ Amphotericin B                                              ❙ Schützen bestimmte Impfungen vor
                                                                                                            Allergie?
    – Konservierungsmittel                  ❙ Formaldehyd
                                                                                                          ❙ Gelten besondere Impfhinweise für
                                            ❙ Thiomersal
                                                                                                            Kinder und Jugendliche mit aller-
                                            ❙ Natriumthimerfonat
                                                                                                            gischer Erkrankung?
                                            ❙ 2-Phenoxyethanol
                                            ❙ Octoxinol

    – Stabilisatoren                        ❙ Gelatine
                                            ❙ Lactose
                                            ❙ Polysorbat 80 / 20

                                                                       modifiziert nach Fritsche 2010
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Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“    7

2. Grundlagen

2.1 Allergene in Impfstoffen                   Hydrolyse eine Gelatine mit deutlich ge­        nen eine allergische Reaktion vom verzö­
                                               ringerer allergener Potenz zu erhalten und      gerten Typ bzw. eine Kontaktdermatitis
Als Allergene kommen die Impfstoffe sel­       zu verwenden.                                   verursachen. Am besten ist dies für Alu­
ber, Zusatzstoffe wie Stabilisatoren und                                                       minium dokumentiert, welches gelegent­
Konservierungsmittel sowie Kontamina­          Antibiotika                                     lich am Injektionsort Granulom-ähnliche
tionen aus dem Herstellungsprozess in          In einigen Impfstoffen können Spuren            Veränderungen oder Zysten hervorrufen
Betracht (s. Tab. 1). Tatsächlich sind aber    von Antibiotika (Neomycin, Polymyxin            kann.
wenige Stoffe als kausale Allergene bei al­    B, Streptomycin, Gentamycin) enthalten
lergischer Impfreaktion beschrieben, wie       sein. Die anzutreffenden Dosen liegen in        2.1.3 Kontamination
Gelatine, Hühnereiweiß, Hefe und Latex.        Bereichen, in denen die Auslösung einer
                                               allergischen Reaktion kaum zu erwarten          Hühnerei
2.1.1 Impfstoffe                               ist. Es gibt einen Bericht über eine Re­        Hühnerei ist ein relevantes Allergen in
                                               aktion auf Neomycin in einem Impfstoff,         Impfstoffen, für die Viren in Hühnerei-
Eine IgE-Antwort nach der Impfung wird         weitere Berichte über allergische Sofort-       Fibroblastenzellkultur (MMR-Impfstoffe,
bei einigen Impfantigenen beschrieben          reaktionen nach Impfung aufgrund einer          Tollwut und FSME) bzw. in embryonierten
und ist Teil der physiologischen immu­         Antibiotikumallergie liegen nicht vor [29,      Hühnereiern (Influenza) oder in Hühner-
nologischen Reaktion. Ausgeprägt ist           65, 87]. Stattgehabte Anaphylaxie gegen         embryos (Gelbfieber) gezüchtet werden.
die IgE-Synthese gegen Pertussis-Toxin         Neomycin ist als Kontraindikation gegen         Die Mengen an Ovalbumin liegen in Be­
nach Impfung mit azellulären Bordetella        Impfung mit einem neomycinhaltigen              reichen ≤ 1,0 µg / Dosis bei Influenza [68,
pertussis-Impfstoffen [78]. Ein erhöhter       Impfstoff gewertet worden [5].                  74] und ≤1 ng / Dosis bei MMR- und FSME-
IgE-Titer ist vergesellschaftet mit Atopie                                                     Impfstoffen, sodass eine anaphylaktische
und verstärkter Lokalreaktion, nicht aber      Formaldehyd                                     Reaktion selbst bei hoch allergischen
mit anaphylaktischer Reaktion auf Pertus­      Formaldehyd wird einigen Impfstoffen in         Patienten nicht zu erwarten ist [20, 24,
sis-Impfstoff [1, 28, 39]. Auch nach ande­     geringsten Mengen zur Inaktivierung von         33, 34, 38, 51, 83, 98]. Der Gehalt z. B. an
ren Impfungen wird eine IgE-Bildung auf        Viren und bakteriellen Toxinen zugesetzt.       Ovalbumin in herkömmlichen trivalenten
die jeweiligen Toxine beobachtet, beson­       Formaldehyd ist bekannt als Kontaktaller­       inaktivierten Influenza-Impfstoffen (TIV)
ders bei Impfstoffen mit Aluminiumsal­         gen und einige alte Berichte dokumentie­        ist in den letzten Jahren immer geringer
zen als Adjuvans. Auch dies scheint mit        ren Urtikaria und Ekzemverschlechterung         geworden.      Stichprobenartige        Kontrol­
erhöhtem Risiko für Lokalreaktion einher­      nach Impfungen [31, 88]. Eine veröffent­        len unabhängiger Institute in den USA
zugehen.                                       lichte Beschreibung einer Sofortreaktion        ergaben, dass die TIV-Impfstoffe in der
                                               gibt es nicht.                                  Saison 2010/11 ≤ 0,17 μg Ovalbumin pro
2.1.2 Zusatzstoffe                                                                             0,5-ml-Impfdosis enthielten [74].
                                               Thiomersal, Aluminium, Phenoxyethanol
Gelatine                                       Thiomersal, Aluminium und Phenoxy-              Gelbfieber-Impfstoffe        können      höhere
Gelatine ist der häufigste beschriebene        ethanol sind in einigen Impfstoffen als         Mengen an Hühnereiproteinen enthalten,
Auslöser von allergischen Reaktionen           Konservierungsmittel oder Wirkverstärker        sodass hier allergische Reaktionen wahr­
nach Impfungen. Sie findet sich in vielen      enthalten. Thiomersal, welches Quecksil­        scheinlicher sind. Die Angaben in der Li­
Impfstoffen als Stabilisator, z. B. in Impf­   ber enthält, wurde in den letzten Jahren        teratur differieren erheblich (z. B. ≤ 10 ug /
stoffen gegen Influenza, Varizellen, MMR,      immer weniger genutzt, um die kumula­           ml [80], ≤ 1,6 mg / Dosis [33]. Aufgrund der
Tollwut, Typhus, Gelbfieber und in älteren     tive Quecksilberexposition im Kindsalter        Zucht von Impfviren in Hühnerembryo­
Impfstoffen gegen Japanische Enzepha­          möglichst niedrig zu halten. Aktuell ent­       nen ist bei Hühnerfleischallergikern eine
litis. Der Gehalt an Gelatine liegt im Be­     halten nur noch Influenza-Impfstoffe in         Kreuzreaktion möglich. Eine Patientin, die
reich von Mikrogramm bis Milligramm pro        Mehrdosenbehältnissen Thiomersal.               erhitztes Ei problemlos vertrug, reagierte
Impfdosis [56, 76, 92, 93, 104]. In neueren                                                    allergisch auf Gelbfieber-Impfstoff, mög­
Impfstoffen wird daher versucht, auf Ge­       Diese Stoffe verursachen keine aller-           licherweise als Reaktion auf hitzelabile
latine zu verzichten oder durch stärkere       gische Soforttyp-Reaktion, aber sie kön­        Eiproteine wie Ovalbumin [57].
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8     Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“

                                                                                                 2.2 Immunologie

                                                                                                 Zusätzlich zur protektiven IgG-Immun-
                                                                                                 antwort auf Impfantigene wird häufig
                                                                                                 eine spezifische IgE-Antwort beobach­
                                                                                                 tet. Etwa 50 % der gegen Diphtherie und
                                                                                                 Tetanus grundimmunisierten Kinder ha­
                                                                                                 ben IgE gegen die Impftoxoide im Serum
                                                                                                 nachweisbar [23], nach Booster-Dosis bis
                                                                                                 > 90 % der Kinder [70]. Die IgE-Antwort
                                                                                                 gegen Impfantigene scheint bei ato-
                                                                                                 pischen Kindern ausgeprägter zu sein [23,
                                                                                                 78], korreliert aber nicht mit protektivem
                                                                                                 IgG gegen die Impfantigene [40, 50].

                                                                                                 Eine allergische Entzündung wird durch
                                                                                                 Th2-Lymphozyten      gesteuert.   Mehrere
                                                                                                 Impfungen und Adjuvanzien induzieren
                                                                                                 eine Immunantwort vom Th2-Typ gegen
                                                                                                 Impfstoffkomponenten. Dies ist jedoch
                                                                                                 nicht mit einer klinischen Allergie assozi­
                                                                                                 iert. Beispielsweise sind trotz recht hoher
Hefepilze                                           Latex                                        IgE-Titer (bis zu RAST-Klasse 4) gegen
Proteine des Hefepilzes Saccharomyces               Latex ist kein Bestandteil von Impfstof­     Pertussis-Toxin nach Booster-Impfung
cerevisiae (Bäckerhefe) können als Konta­           fen, es ist aber denkbar, dass beim Durch­   keine relevanten allergischen Reaktionen
mination in Impfstoffen gegen Hepatitis B           stechen von latexhaltigen Gummistopfen       auf die Impfung beobachtet worden [78].
und HPV vorhanden sein. In sehr seltenen            von Behältnissen, in denen Impfstoffe        Wahrscheinlich spielen dabei regulatori­
Fällen wurden allergische Sofortreaktio­            gelagert werden, Latex verschleppt und in    sche T-Zellen eine Rolle [102].
nen nach Impfung auf deren Hefebestand­             den Patienten eingebracht werden kann.
teile bei Patienten mit bekannter Hefe-             Dies gilt v. a. für Mehrdosenbehältnisse     Die Reaktogenität früher (z. B. neonataler)
Allergie beschrieben [27, 66].                      [19]. Allergische Reaktionen bei hoch-       Impfung stellt eine zusätzliche Heraus­
                                                    gradig Latex-allergischen Patienten wur­     forderung dar. Die optimale Balance von
Kuhmilch (Kasein)                                   den nur ganz vereinzelt beschrieben          Immunogenität und Reaktogenität neuer
Ein unlängst veröffentlichter Bericht be­           [91].                                        Impfstoffe ist für Kinder noch nicht ge­
schrieb eine Serie von hochgradig Kuh-                                                           klärt [101].
milch-allergischen Patienten, die nach einer        2.1.4 Adjuvanzien
Diphtherie-, Polio-, Tetanus-Impfung aller­                                                      2.3 Epidemiologie
gische Sofortreaktionen zeigten. In einem           In vielen Impfstoffen werden Alumini­
Medium für die Impfstoffherstellung sind            umsalze als Adjuvanzien eingesetzt, um       Jährlich werden weltweit Millionen Impf­
wenige Nanogramm Kasein enthalten [55].             die Immunantwort zu stimulieren. IgE-        dosen appliziert. Vor diesem Hintergrund
Bei der großen Häufigkeit der Kuhmilch-             Antikörper gegen Aluminiumsalze selber       kann dadurch auch bei einer vergleichs­
allergie und der nur selten beobachteten            werden nicht gebildet, beobachtet werden     weise niedrigen Rate an allergischen Re­
Anaphylaxie nach DTaP- und TdaP-Imp­                aber Fremdkörperreaktionen in Form von       aktionen gegenüber Impfungen ein rele­
fung bedarf diese Beobachtung jedoch                subkutanen Noduli [9, 54, 67]. Thiomersal    vantes medizinisches Problem bestehen.
der unabhängigen Bestätigung. In aller              ist in den aktuell zur Verfügung stehenden   Je nach applizierter Vakzine und Reak­
Regel stellt eine Exposition von Kasein             Impfstoffen nicht mehr enthalten [105],      tionsart variieren die Angaben zur Häu­
im Nanogrammbereich keine Gefahr für                mit Ausnahme einiger Influenza-Impfstof­     figkeit allergischer Reaktionen auf Impf­
Kuhmilch-allergische Patienten dar [96].            fe in Mehrdosenbehältnissen.                 stoffe. Während bei leichten, v. a. lokalen
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - ALLERGIE UND IMPFEN - IN KLINIK UND PRAXIS - Pädiatrische Allergologie
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“    9

Reaktionen Häufigkeiten bis zu 1/50.000        verzögerten, nicht IgE-vermittelten Reak­       Arzneimittelgesetzes (AMG) aus einem
berichtet werden, treten schwere, ana­         tion v. a. an der Haut in Form eines maku­      Mitgliedstaat der Europäischen Gemein­
phylaktische Reaktionen selten, bei ca.        lopapulösen Exanthems, einer verzögert          schaften oder anderen Vertragsstaaten
1/100.000 bis 1/1.000.000 Vakzinationen        auftretenden Urtikaria oder aber in Form        des Abkommens über den Europäischen
auf [5, 11, 60, 103]. Klinische Manifestati­   eines Erythema multiforme.                      Wirtschaftsraum zu beziehen.
onsformen können lokal oder systemisch,
sofort oder verzögert auftreten.               2.4 Rechtliche Aspekte                          Für die Anwendung des Impfstoffs sind
                                                                                               die in der Fachinformation genannten In­
Lokale Reaktionen geringerer Ausdeh­           2.4.1 Deutschland                               formationen verbindlich. Liegt aber eine
nung sind häufig nicht allergischer Ursa­                                                      besondere Situation vor, die fachlich be­
che, sondern irritativ bedingt, und werden     Grundsätzlich dürfen für alle Schutzimp­        gründet eine Abweichung von der Fach-
unmittelbar durch den Gebrauch einer           fungen nur Impfstoffe verwendet werden,         information erforderlich macht, muss
korrekten Nadellänge bzw. korrekter Ein­       die vom Bundesamt für Sera und Impf­            der Patient darüber und über mögliche
stichtiefe mit sicherer intramuskulärer        stoffe (Paul-Ehrlich-Institut) oder von der     Risiken umfassend aufgeklärt werden.
Deposition beeinflusst [26]. Bei großflä­      Kommission der Europäischen Gemein­             Der Patient entscheidet, ob er sich unter
chigen lokalen Reaktionen werden zwei          schaften zugelassen sind und deren ein­         diesen Bedingungen impfen lassen will.
Typen unterschieden und auch hinsicht­         zelne Chargen vom Paul-Ehrlich-Institut         Die Verwendung eines Impfstoffs außer­
lich ihrer Pathophysiologie unterschied­       freigegeben oder von der Freigabe freige­       halb des zugelassenen Anwendungs-
lich diskutiert:                               stellt worden sind. Ausnahmen hiervon           gebietes     (z. B.   Influenza-Impfung      bei
❙ Die eine Reaktionsform, die mit lokaler     können in medizinisch begründeten Ein­          Hühnereiweiß-Allergikern) stellt einen Off-
  Rötung, Schwellung und Schmerzhaf­           zelfällen auf Antrag des behandelnden           Label-Use dar. Es besteht keine Leistungs­
  tigkeit typischerweise 24–72 Stunden         Arztes vom fachlich zuständigen Ministe­        pflicht der GKV (vorab zu klären). Liegt
  nach Injektion auftritt, deutet auf eine     rium genehmigt werden.                          keine Impfempfehlung auf Landesebene
  lokale Inflammation, verursacht durch                                                        für diese Situation vor, so haftet nicht
  eine    Antigen-   oder    Adjuvans-Toll-    Die Länder Schleswig Holstein, Thüringen        der Staat für etwaige Impfschäden (kein
  Like-Rezeptor-Reaktion      oder     aber    und Bayern bestimmen darüber hinaus,            Anspruch nach § 60 IfSG), sondern der
  durch eine durch Autoantikörper in­          dass bei Anhaltspunkten für Allergien des       Arzt aus seinem Behandlungsvertrag. Hat
  duzierte Arthus-Typ-Reaktion hin [17].       Impflings gegen Impfstoffbestandteile,          der Arzt die vorgenannten Punkte beach­
  Diese Form der lokalen Reaktion wird         sofern entsprechende allergenfreie Impf­        tet und insbesondere den Impfling zuvor
  v. a. bei repetitiv applizierten Vakzinen    stoffe in Deutschland nicht zur Verfügung       umfassend aufgeklärt, trägt nach gegen­
  beobachtet [85].                             stehen, ausnahmsweise ein anderer Impf­         wärtiger Rechtsprechung der Patient das
❙ Die andere Form lokaler Reaktion tritt      stoff verwendet werden darf. Der Impf­          Risiko etwaiger Nebenwirkungen, über die
  innerhalb von 24 Stunden auf und ist in      stoff ist als Einzelimport nach § 73 des        er ja zuvor aufgeklärt wurde.
  der Regel lediglich durch eine Schwel­
  lung gekennzeichnet im Sinne eines
  reaktiven Ödems [71].

Lokale ekzematöse Reaktionen werden
v. a. bei Vakzinen mit Aluminiumsalzen,
aber auch bei Thiomersal- oder Formal­
dehydzusätzen beobachtet [22].

Systemische Reaktionen, IgE-vermittelt
vom Soforttyp, können unterschiedliche
Symptome wie Urtikaria, Angioödem,
bronchiale Obstruktion, Rhinitis oder arte­
rielle Hypotension umfassen. Demgegen­
über manifestieren sich Symptome der
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10      Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“

2.4.2 Österreich                                      Impfstoffen dar. Kontraindiziert sind Impf­   Wie in Deutschland sind auch in der
                                                      stoffe, welche in embryonierten Hühner-       Schweiz für die Anwendung des Impf­
Laut aktueller Fassung des Österreichi­               eiern bzw. in Hühnerembryos hergestellt       stoffs die in der Fachinformation ge­
schen     Impfplans      (www.sozialministe-          werden (z. B. Influenza). Bei Impfstoffen,    nannten Informationen verbindlich. Je­
rium.at/Themen/Gesundheit/Impfen/                     die    in   Hühner-Fibroblastenzellkulturen   doch kann der Arzt entscheiden, dass ein
Impfplan-Österreich.html), der in enger               (z. B. MMR, FSME, Tollwut) bzw. in Hühner-    Patient auch bei einer Kontraindikation
Zusammenarbeit zwischen dem Bundes­                   embryos (Gelbfieber) hergestellt werden,      geimpft werden kann. Eine vollständige
ministerium für Gesundheit und Experten               ist die jeweilige Fachinformation zu beach­   Information für den Patienten ist jedoch
des Nationalen Impfgremiums erarbeitet                ten.                                          unerlässlich.
und aktualisiert wird, können Impfhinder­
nisse bestehende Allergien gegen Inhalts­             2.4.3 Schweiz                                 Gemäß dem Eidgenössischen Heilmit­
stoffe des Impfstoffs sein. Bei diesen                                                              telgesetz (Stand 01.01.2002) muss bei
Personen soll nach Konsultation einer                 Neue Impfstoffe werden in der Schweiz         schwergradigen medikamentösen Neben­
Fachabteilung eine Impfung erwogen wer­               auf Initiative der Pharmaunternehmen          wirkungen (die tödlich verlaufen, lebens­
den. Die Kontraindikationen sind der Fach-            zugelassen und vertrieben. Die Zulassung      bedrohend sind, zu einer Hospitalisierung
information des jeweiligen Impfstoffs zu              eines Produkts erfolgt durch Swissmedic       oder deren Verlängerung führen, schwere
entnehmen.                                            (die Zulassungsbehörde die der EMA in         oder bleibende Schäden verursachen,
                                                      der EU entspricht). Sie erfolgt unabhängig    oder sonst als medizinisch wichtig zu be­
Eine Hühnereiweißallergie stellt nur bei              von nationalen Impfempfehlungen, die          urteilen sind) Swissmedic benachrichtigt
anaphylaktischen Reaktionen in der Vor­               von der Eidgenössischen Impfkommissi­         werden. Es gibt in der Schweiz keine sys­
geschichte      eine   Kontraindikation       zur     on und dem Bundesamt für Gesundheit           tematische Dateikollektion von Reaktio­
Verabreichung von hühnereiweißhaltigen                herausgegeben werden.                         nen auf Impfstoffen.

3. Fördern Standardimpfungen die Entwicklung allergischer Erkrankungen im Kindesalter?

Allergische Sensibilisierung                          en wurde allerdings häufiger allergische      figer bzw. seltener betroffen als Kinder
IgE wird häufig gegen Impfantigene ge­                Sensibilisierung im Zusammenhang mit          ohne MMR-Impfung [42]. In einer großen
bildet (s. Abschn. 2.2). Die IgE-Antwort              MMR- bzw. BCG-Impfung gefunden [4,            Querschnittstudie mit über 100.000 Kin­
gegen Impfantigene ist daher als norma­               94]. Bias durch Selektion (anthroposo­        dern wurde eine schwache negative As­
ler Bestandteil der immunologischen Ant­              phische Schüler bzw. Überlebende nach         soziation von DTP- oder Masern-Impfung
wort auf die Impfung anzusehen. IgE ge­               Masernepidemie) ist in beiden Studien         und atopischer Dermatitis gefunden [6].
gen andere Umweltallergene, z.B. Pollen               wahrscheinlich.                               Varizellen-Impfung war in einer Studie mit
oder Nahrungsmittel, scheint nicht durch                                                            von Neurodermitis betroffenen Kindern
Standardimpfungen gefördert zu werden.                Atopische Dermatitis                          invers mit schwererem Ekzem assoziiert
Daten aus mehreren Kohortenstudien                    In einer großen longitudinalen Studie         [43]. In einer weiteren Studie war die Vari­
zeigen keine vermehrte allergische Sen­               wurde ein nahezu verdoppeltes Neu­            zellen-Impfung bei Kindern mit Neuroder­
sibilisierung gegen Umweltallergene nach              auftreten von atopischer Dermatitis bei       mitis im weiteren Verlauf mit geringerer
Pertussis-Impfung [40, 43, 78] bzw. nach              MMR-geimpften gegenüber nichtgeimpf­          Ekzemschwere als bei Nichtgeimpften
MMR-Impfung [87]. Im Gegenteil war in                 ten Kindern nachgewiesen; allerdings war      verbunden [62]. Schließlich ist allgemein
einer longitudinalen Studie eine bessere              bei Masernfällen die Inzidenz der atopi­      eine bessere Durchimpfung, abhängig von
Durchimpfung, abhängig von der Zahl der               schen Dermatitis vergleichbar hoch [82].      der Zahl der Impfdosen, mit geringerer
Impfdosen, mit geringerer Wahrschein­                 Hinsichtlich     Pertussis-Impfung   wurde    Wahrscheinlichkeit von atopischer Der­
lichkeit für allergische Sensibilisierung             kein erhöhtes Risiko gefunden [75, 79].       matitis [42] bzw. geringerem Schweregrad
verbunden [42]. In zwei Querschnittstudi­             Auch MMR-Geimpfte waren nicht häu­            bei bestehendem Ekzem assoziiert [43].
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“      11

                                                                                                 Studien legt nahe, dass frühe BCG-Imp­
                                                                                                 fung wahrscheinlich nicht effektiv vor
                                                                                                 allergischer Sensibilisierung und Ekzem
                                                                                                 jedoch möglicherweise vorübergehend
                                                                                                 gegen Entwicklung von Asthma bronchia­
                                                                                                 le schützt [69]. Andererseits sind etwaige
                                                                                                 Schutzeffekte vermutlich gering.

                                                                                                 Allergische Rhinitis
                                                                                                 Allergische Rhinitis tritt zumeist erst im
                                                                                                 Schulalter oder später, also nicht in en­
                                                                                                 gem zeitlichen Zusammenhang mit der
                                                                                                 Grundimmunisierung, auf. In zwei Studien
                                                                                                 wurde kein bzw. ein negativer Zusammen­
                                                                                                 hang von DTP- oder Masern-Impfung und
                                                                                                 allergischer Rhinitis bei Kindern gefunden
                                                                                                 [6, 12]. In der kontrollierten Pertussis-Impf­
                                                                                                 studie wurde kein systematischer Zusam­
                                                                                                 menhang gefunden, lediglich bei 7-Jähri­
                                                                                                 gen nach Grundimmunisierung mit einem
                                                                                                 der beiden geprüften experimentellen
                                                                                                 azellulären Impfstoffe nach Booster-Imp­
                                                                                                 fung bestand ein etwa 3-fach erhöhtes
                                                                                                 Risiko für allergische Rhinitis [79].
Asthma                                         za-Impfung bei Kindern mit Asthma kontro­
Einige Querschnittstudien suggerieren          vers diskutiert. In einer kontrollierten Stu­     Zusammenfassend ergeben sich keine
eine Assoziation von Asthma-Sympto-            die mit inaktivierter Influenza-Vakzine bei       überzeugenden Hinweise für eine Förde­
men und Impfung. In einer retrospekti­         Kindern mit Asthma war keine signifikante         rung allergischer Erkrankungen bei Kin­
ven, nichtrandomisierten Studie entwi­         Reduktion von durch Influenza getrigger­          dern durch Standard-Impfungen. Einige
ckelten 11 % der DTP-geimpften, aber nur       ten Asthma-Exazerbationen nachgewiesen            epidemiologische       Studien     suggerieren
2 % der nichtgeimpften Kinder nachfol­         worden, die Asthma-Schwere war gleich             einen allergieprotektiven Effekt. Für einige
gend Asthma [81]. In einer weiteren Stu­       unter Geimpften und Nichtgeimpften [13].          neuere Impfungen, u.a. die Lebendimp­
die hatte keines von 23 nicht DTP-Polio        Nach Impfung mit Lebendimpfstoff (at­             fung gegen Influenza, liegen diesbezüglich
geimpften Kindern gegenüber 23 % von           tenuierter Influenza-Erreger) wurde kein          noch keine ausreichenden Sicherheits-
1242 DTP-Polio (2 x im Alter von 3 und         erhöhtes Risiko für eine Asthma-Exazerba­         daten für Säuglinge und Kleinkinder vor.
5 Monaten)Geimpften Asthma-Episoden            tion in einer kontrollierten Studie gefunden
[61]. Demgegenüber wurde in einer pro­         [14]. Nach Impfung mit kälteadaptierter
                                                                                                   Statement 1
spektiven kontrollierten Kohorte kein Ef­      Influenza-Vakzine bei Kindern jünger als 3
fekt von Pertussis-Impfung auf Asthma          Jahre war 4-fach häufiger eine Atemwegs­
                                                                                                   Spezifische Standardimpfungen und
gefunden [79]. Schließlich ist allgemein       hyperreagibilität beobachtet worden [8].
                                                                                                   bessere Durchimpfung (höhere An­
bessere Durchimpfung, abhängig von der
                                                                                                   zahl    insgesamt      erhaltener     Impf-
Zahl der Impfdosen, mit geringerer Wahr­       Mykobakterien sind klassische Induk­
                                                                                                   dosen) fördern nicht die allergische
scheinlichkeit von frühem Asthma asso­         toren einer Immunantwort vom Th1-Typ
                                                                                                   Sensibilisierung       gegen       Umwelt-
ziiert [42].                                   und sind deshalb als Impfung gegen Al-
                                                                                                   allergene und fördern nicht die Ent­
                                               lergieentwicklung ins Gespräch gebracht
                                                                                                   wicklung allergischer Erkrankungen,
Kinder mit Asthma tragen ein erhöhtes Ri­      worden. Experimentelle Daten stützten
                                                                                                   wie Neurodermitis, Asthma und Heu­
siko für eine durch Influenza getriggerte      diese Hypothese [49]. Eine Metaanalyse
                                                                                                   schnupfen.
Exazerbation. Gleichzeitig wird die Influen­   systematisch     überschauter     klinischer
12    Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“

4. Vorgehen bei besonderem Risiko für allergische Impfreaktion

4.1 Sollten Kinder mit allergischer                das Risiko für schwächere protektive        dass Kinder mit anamnestisch bekannter
     Prädisposition oder allergischen               Antikörperbildung zu minimieren. Bei lau­   Hühnereiweißallergie ohne Gefahr gegen
     Erkrankungen, wie Neurodermitis,               fender sublingualer Immuntherapie ist       Masern, Mumps und Röteln geimpft wer­
     Asthma oder Heuschnupfen,                      kein zeitlicher Abstand zu Impfungen zu     den können [2, 7]. Die Hühnereiweißaller­
     regulär geimpft werden?                        beachten. Beim atopischen Ekzem kann        gie wird in internationalen und nationalen
                                                    es nach einer Impfung, wie bei jeder In­    Leitlinien nicht mehr als Kontraindikation
Die STIKO zählt Impfungen zu den wirk­              fektionserkrankung, zu einer vorüberge­     geführt. Das Robert Koch-Institut emp­
samsten und wichtigsten präventiven                 henden Verschlechterung des Hautbe­         fiehlt, dass ausschließlich Kinder mit
medizinischen     Maßnahmen.         Moderne        fundes kommen.                              einer klinisch sehr schweren Form der
Impfstoffe sind gut verträglich; bleibende                                                      Hühnereiweißallergie        (z. B.   anaphylak­
unerwünschte gravierende Arzneimittel­                                                          tischer Schock nach Genuss oder nur
                                                      Statement 2
wirkungen werden nur in sehr seltenen                                                           nach Kontakt von geringsten Mengen von
Fällen beobachtet. Auch Allergiker benöti­            Kinder mit atopischer Prädisposition,     Hühnereiweiß) unter besonderen Schutz­
gen alle von der STIKO empfohlenen Imp­               mit allergischer Sensibilisierung ohne    maßnahmen und anschließender Beob­
fungen, sofern keine Kontraindikationen               klinische Symptome oder mit al-           achtung (ggf. im Krankenhaus) geimpft
bestehen. Standardimpfungen erhöhen                   lergischen Erkrankungen, wie Neuro­       werden sollten.
das Allergierisiko nicht. Es wird daher               dermitis, Asthma bronchiale und Heu­
empfohlen, dass auch atopisch prädispo­               schnupfen, sollen gemäß der STIKO-
                                                                                                  Statement 4
nierte und Kinder mit allergischen Erkran­            Empfehlungen       unter   Standardbe-
kungen, wie Neurodermitis, Asthma oder                dingungen (Standard-Impfstoff, un-          MMR-Impfung
Heuschnupfen, gemäß den STIKO-Emp­                    geteilte Dosis, keine obligatorische        Kinder mit manifester Hühnereiweiß­
fehlungen geimpft werden. Dies schließt               Nachbeobachtungszeit) geimpft wer­          allergie (nur Hautreaktion) können
auch die notwendigen Indikationsimpfun­               den1 (Empfehlungsgrad A).                   unter Standardbedingungen MMR-
gen ein. Diese Empfehlung ist konkordant
                                                                                                  geimpft     werden.     Kinder     mit   At­
mit der Nationalen Versorgungsleitlinie
                                                                                                  mungs-, Kreislauf- oder gastrointes-
für Asthma bronchiale, die bei Kindern mit
                                                      Statement 3                                 tinaler Reaktion sollen durch einen im
hohem Asthmarisiko keine Einschränkun­
                                                                                                  Erkennen und Behandeln anaphylak­
gen bezüglich der Impfempfehlungen der
                                                      Bei laufender subkutaner Immun­             tischer Reaktionen bei Kindern erfah­
STIKO definiert [15]. Auch die S3-Leitlinie
                                                      therapie sollten Impfungen in der Er­       renen Arzt geimpft werden (ungeteilte
zur Allergieprävention weicht von der re­
                                                      haltungsphase und in der Mitte zwi­         Dosis, Mindestüberwachungszeit 2
gulären Durchimpfung allergischer Kinder
                                                      schen 2 Allergengaben durchgeführt          Stunden) (Empfehlungsgrad A).
nicht ab [25].
                                                      werden (Empfehlungsgrad B).

Entsprechend den STIKO-Empfehlungen                                                             Wenige Impfstoffe werden unter Verwen­
sollten als allgemeine Vorsichtsmaßnah­             4.2 S
                                                         ollten Kinder mit bekannter           dung von bebrüteten Hühnereiern herge­
me jedoch Kinder, Jugendliche und Er­                   allergischer Reaktion auf               stellt (z. B. einige Impfstoffe gegen Influ­
wachsene mit akuten schweren Erkran­                    Impfstoffbestandteile geimpft           enza und Gelbfieber-Impfstoffe). Diese
kungen erst nach Genesung geimpft [30]                  werden?                                 Impfstoffe können herstellungsbedingt
werden (Ausnahme: postexpositionelle                                                            höhere       Hühnereiweiß-Proteinmengen
Impfung). Dies gilt auch für Personen               Hühnereiweiß                                enthalten (siehe Abschn. 2.1.3). Studien
mit Exazerbation allergischer Erkran­               Impfstoffe, deren Viren in Hühnerfibro-     der letzten Jahre haben gezeigt, dass die
kung. Bei einer laufenden subkutanen                blasten-Zellkultur    gezüchtet    wurden
Immuntherapie       (Hyposensibilisierung)          (Masern-Mumps-Röteln, Tollwut, FSME),
sollten Impfungen möglichst in der Er­              enthalten allenfalls Spuren von Hühnerei­
haltungsphase und genau zwischen zwei               weiß (Nanogramm, siehe Abschn. 2.1.3).      1 Zu Kindern mit Nahrungsmittelallergie siehe un­
Allergen­gaben durchgeführt werden, um              Verschiedene Studien haben gezeigt,           ter Abschn. 4.1.2.1
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“   13

                                           sollte die Impfung mit TIV durch einen           positivem Hauttest sollte fraktioniert (Ab­
  Statement 5
                                           Arzt, der in der Behandlung anaphylak­           bildung 3) unter denselben Bedingungen
  Influenza-Impfung                        tischer Reaktionen erfahren ist, erfol­          geimpft werden [58].
  Kinder mit manifester Hühnereiweiß­      gen (ungeteilte Dosis, 2 Stunden Nach­
  allergie (nur Hautreaktion) sollen       beobachtung). Balancierte Aufklärung             Gelatine
  mit inaktivierter Influenza-Vakzine      bzgl. in der Fachinformation genannter           Bei klinisch manifester Allergie gegen Ge­
  geimpft werden (TIV, ungeteilte Dosis,   Kontraindikation bei Hühnereiweißall­            latine wird empfohlen, einen gelatinefrei­
  Mindestüberwachungszeit 2 Stun-          ergie ist erforderlich. LAIV wird auf die        en Impfstoff zu verwenden. Ist dies nicht
  den) (Empfehlungsgrad A). Kinder         nasale Atemwegsmukosa appliziert. Die            möglich, kann in individueller Risiko-Nut­
  mit Atmungs-, Kreislauf- oder gastro­    Impfung mit LAIV wird nach derzeitigem           zen-Abwägung analog zum für Gelb­fieber-
  intestinaler Reaktion sollen durch       Kenntnisstand wegen unzureichender               Impfung beschriebenen Procedere (siehe
  einen im Erkennen und Behandeln          Wirkung gegen das H1N1-pdm09-Virus               Abschn. 4.2., Hühnereiweiß) fraktioniert
  anaphylaktischer    Reaktionen    bei    in der Saison 2013/2014 und 2015/2016            geimpft werden.
  Kindern erfahrenen Arzt geimpft wer­     momentan nicht mehr bevorzugt emp­
  den (ungeteilte Dosis, Mindestüber­      fohlen.                                          Latex
  wachungszeit 2 Stunden) (Empfeh­                                                          Bei Patienten mit einer Anaphylaxie nach
  lungsgrad A).                            Im Gelbfieber-Impfstoff sind höhere Men­         Kontakt mit Latexallergen in der Anam­
                                           gen an residuellem Ovalbumin enthalten           nese sollte ein Präparat ohne Latex im
                                           (bis zu 1,6 mg/Dosis) (siehe Abschn.             Stopfen gewählt werden. Wenn es nur
Anwendung der trivalenten inaktivierten    2.1.3). Die Indikation zur Gelbfieber-Imp­       Präparate mit einem latexhaltigen Stop­
Influenza-Vakzine (TIV) bei Hühnerei-      fung sollte sorgfältig geprüft werden (kei­      fen gibt, sollte dieser entfernt werden, um
allergischen Patienten sicher ist. Eine    ne Standard-Impfung bei klinisch mani-           ein Durchstechen des Stopfens mit einer
Übertragbarkeit von Studienergebnis­       fester Hühnerei-Allergie). Bei sicherer In­      Nadel zu vermeiden [45]. Nach Impfung
sen, die in Nordamerika mit Kauka­         dikation sollte zunächst ein Haut-Prick-         sollte der Patient für mindestens 30 Mi­
siern gewonnen wurden, auf europä­         Test mit dem Gelbfieber-Impfstoff durch­         nuten überwacht werden, die Möglichkeit
ische Kaukasier erscheint biologisch       geführt werden (siehe Abschn. 4.2.1);            der sofortigen adäquaten Behandlung
plausibel. Als erste haben daher die       bei negativem Haut-Prick-Test kann der           einer Anaphylaxie muss gegeben sein.
amerikanischen Behörden die relati­        Impfstoff geteilt (10 % und 90 % der Dosis)      Lediglich Latex-kontaktallergische Pati­
ve Kontraindikation für die Verabrei­      unter stationärer Überwachung mit der            enten (z. B. Dermatitis der Hände) können
chung der TIV an Patienten mit Hühner-     Möglichkeit zur sofortigen Behandlung            regulär geimpft werden [77].
eiweiß-Allergie zurückgezogen, ab der      einer Anaphylaxie gegeben werden; bei
Saison 2016/2017 auch für die Influen­                                                      Kuhmilch
za-Lebendvakzine (LAIV). In der Bundes­                                                     Ob Spuren mit Kasein im Zuchtmedium
                                             Statement 6
republik Deutschland wird TIV-Impfung                                                       für die Herstellung von Impfstoffen gegen
bei Patienten mit Symptomen einer Hüh­                                                      Diphtherie, Tetanus und Pertussis eine Ge­
                                             Gelbfieber-Impfung
nereiweiß-Allergie jedoch bislang nicht                                                     fährdung für hochgradig Kuhmilch-allergi­
                                             Kinder   mit    manifester   Hühnerei­
empfohlen. Stattdessen kann für Er­                                                         sche Patienten bedeuten, ist ungewiss.
                                             weiß-Allergie sollen Gelbfieber-Imp­
wachsene ein Impfstoff genutzt werden,                                                      Bei klinisch manifester Kuhmilchallergie
                                             fung nur nach sorgfältiger individu­
der auf humanen Diploid-Zelllinien (HDC)                                                    mit Atem-Kreislauf-Symptomen wird eine
                                             eller Nutzen-Risiko-Abwägung erhal-
hergestellt wurde und kein Hühnereiweiß                                                     unfraktionierte Impfung mit anschließend
                                             ten (Empfehlungsgrad A). Wenn die
enthält. Für Kinder ist dieser Impfstoff                                                    mindestens 30-minütiger Überwachung
                                             Impfung indiziert ist, soll sie in Ko­
nicht zugelassen. Aus allergologischer                                                      empfohlen.
                                             operation mit einem im Erkennen
Sicht kann bei ausschließlich kutaner
                                             und Behandeln anaphylaktischer Re­
Reaktion auf Hühnerei die Impfung mit                                                       Antibiotika
                                             aktionen bei Kindern erfahrenen Arzt
TIV in der Praxis erfolgen (ungeteilte                                                      Eine Kontaktdermatitis gegen im Impf­
                                             fraktioniert unter stationärer Über­
Dosis, 2 Stunden Nachbeobachtung);                                                          stoff enthaltene Antibiotika stellt keine
                                             wachung geimpft werden (Empfeh­
bei Atem-Kreislauf-Reaktion oder gast­                                                      Kontraindikation für die Gabe des entspre­
                                             lungsgrad A).
rointestinalen Symptomen auf Hühnerei                                                       chenden Impfstoffs dar.
14       Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“

Hefepilze                                                                                             nem Impfstoff ohne das kausale Allergen
Residuelles Hefeprotein in Hepatitis B                                                                ermöglicht wird und weil das Allergen
und Papillomavirus-Impfstoffen kann bei                                                               auch in anderen Impfstoffen enthalten
Patienten mit allergischer Sensibilisie­                                                              sein kann, mit denen der Patient später
rung gegen Saccharomyces cerevisiae                                                                   geimpft werden soll.
und klinisch manifester Allergie gegen
Bäcker- oder Brauer-Hefe ein erhöhtes                                                                 Vor Hauttestung wird ein Abstand von
Risiko für allergische Impfreaktion dar­                                                              mindestens 4 Wochen seit Reaktion auf
stellen. Bei individueller Risiko-Nutzen-                                                             den Impfstoff empfohlen. Auf die Mit­
Abwägung kann analog zum für Gelb-                                                                    führung üblicher negativer und positiver
fieber-Impfung beschriebenen Procedere                                                                Kontrolle ist zu achten.
fraktioniert geimpft werden (siehe oben).
                                                                                                      Für Impfstoffe ist der Haut-Prick-Test
Thiomersal, Aluminium, Phenoxyethanol                                                                 wahrscheinlich weniger sensitiv als der
Wenn lediglich eine reine Kontaktsensibi­              Impfstoff durchgeführt werden können.          Intrakutantest, jedoch sind falsch-positive
lisierung ohne manifeste klinische Symp­               Ihre prädiktive Wertigkeit ist jedoch da­      irritative Reaktionen seltener zu erwarten
tome gegen den betreffenden Zusatzstoff                durch erheblich eingeschränkt, dass so­        [99]. Es wird empfohlen, die Hauttestung
nachgewiesen wurde, ist dies keine Kontra-             wohl eine allergische Sensibilisierung ge­     sequenziell mit dem weniger invasiven
indikation für die Applikation von Impf­               gen Bestandteile der Impfstoffe deutlich       Prick-Test zu beginnen (Impfstoff 1:10
stoffen, die diese Stoffe enthalten [36, 46,           häufiger zu erwarten ist als klinisch-aller-   verdünnt und unverdünnt). Wenn der
77, 84]. Bei manifester Kontaktdermatitis              gische Reaktion gegen sehr geringe Al­         Prick-Test negativ ausfällt, sollten intra­
oder dem Auftreten von Aluminium-Granu­                lergenmengen im Impfstoff als auch (ins­       kutane Testung mit 0,02 ml des Impfstoffs
lomen bzw. -Zysten sollte zukünftig mög­               besondere bei Intrakutantests) dadurch,        (Verdünnung 1:100, 1:10) angeschlossen
lichst ein Impfstoff verwendet werden,                 dass falsch positive irritativ bedingte        werden. Die Rate falsch-positiver Tests
welcher diese Zusatzstoffe nicht enthält.              Hauttestergebnisse auftreten können.           bei korrekter Durchführung wird mit 5 %
                                                                                                      (DT und DTaP) bis 15 % (Influenza) bei
4.3 W
     elche allergologische                            Hauttests können hilfreich sein, wenn          1:100-Verdünnung angegeben [99]. Eine
    Diagnostik ist sinnvoll?                           nach geschehener klinisch-allergischer         Intrakutantestung mit höherer Konzen-
                                                       Reaktion auf einen Impfstoff der wahr­         tration als 1:10 wird wegen der hohen
4.3.1 Hauttests mit Impfstoffen                        scheinlich kausale Impfstoff identifiziert     Rate falsch-positiver irritativer Hauttest­
                                                       werden soll (Mehrfach- oder Simultan­          ergebnisse nicht empfohlen. Hauttestun­
Hauttests zum Nachweis IgE-vermittelter                impfung) oder das am ehesten kausale           gen sollten entsprechend den gültigen
allergischer Reaktion (Prick-Test, Intra-              Allergen im Impfstoff identifiziert werden     Empfehlungen von in der Durchführung
kutan-Tests) haben den Vorteil, dass sie               soll (Einzelimpfung). Die Identifikation       und Bewertung von Hauttestungen er-
sowohl mit dem ganzen Impfstoff als                    des am ehesten kausalen Allergens ist          fahrenen Kollegen durchgeführt werden.
auch mit einzelnen Allergenen aus dem                  wichtig, weil dadurch die Suche nach ei­       Wenn spezifische Serum-IgE-Tests auf
                                                                                                      einzelne Bestandteile der Vakzine nicht
                                                                                                      verfügbar sind, wird die Pricktestung auf
     Statement 7                                         Statement 8
                                                                                                      diese Einzelallergene empfohlen.
     Die Durchführung von Hauttests zur                  Die Durchführung von Hauttests mit
     Vorhersage oder zum Ausschluss                      Impfstoff bzw. mit Einzelkomponen-           4.3.2 IgE
     allergischer Reaktion auf einen Impf­               ten des Impfstoffs nach vorangegan-
     stoff sollte ohne vorangegangene kli­               gener klinisch-allergischer Reaktion         Die prädiktive Wertigkeit von Serum-
     nisch-allergische Reaktion auf einen                auf einen Impfstoff zur Minimierung          IgE-Tests gegen Impfantigene ist zu
     Impfstoff nicht erfolgen (Empfeh­                   des Risikos für zukünftige Impfstoff­        gering, um zukünftige allergische Impf-
     lungsgrad B).                                       reaktionen sollte erfolgen (Empfeh­          reaktion vorherzusagen oder auszuschlie­
                                                         lungsgrad B).                                ßen. Die IgE-Antwort auf Impfantigene
                                                                                                      ist unabhängig von klinisch-allergischer
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“   15

Impfreaktion außerordentlich häufig und        tine, Latex, Hefe) als Indiz herangezogen           4.4 Bei allergischer Erkrankung
am ehesten als Bestandteil der normalen        werden, um eine Hierarchie für das wahr­                zusätzlich empfohlene Impfungen
Impfreaktion zu werten.                        scheinlichste ursächliche Allergen zu
                                               erstellen. Ein prädiktiver Schwellenwert            Die STIKO empfiehlt bei Krankheiten
Die positive prädiktive Wertigkeit von Se­     existiert jedoch nicht.                             der Atmungsorgane (einschl. Asthma
rum-IgE gegen andere Bestandteile des                                                              bronchiale) saisonale Influenza-Schutz-
Impfstoffs als seine Impfantigene ist ge­                                                          impfung und, sofern noch keine Grund­
                                                 Statement 9
ring, da deutlich mehr Patienten allergisch                                                        immunisierung erfolgt ist, das Nach-
sensibilisiert sind als klinisch-allergisch                                                        holen der Pneumokokken-Schutzimpfung
                                                 Die Bestimmung von Serum-IgE ge-
auf die sehr geringe Allergenexposition                                                            sowie für empfängliche Patienten mit
                                                 gen Impfantigene zur Vorhersage
bei Impfung reagieren. Nach geschehener                                                            schwerem atopischem Ekzem, sofern
                                                 oder Diagnostik allergischer Impf­
klinisch-allergischer Impfreaktion kann                                                            noch keine Grundimmunisierung erfolgt
                                                 reak­tionen   sollte    nicht    erfolgen
der IgE-Titer gegen bestimmte Bestand­                                                             ist, das Nachholen der Varizellen-Schutz­
                                                 (Empfehlungsgrad B).
teile des Impfstoffs (z. B. Ovalbumin, Gela­                                                       impfung.

5. Vorgehen bei vermuteter allergischer Reaktion auf Impfung

5.1 W
     ie sollte diagnostisch                   systemisch), genaue Beschreibung der                das klinische Bild mit einer IgE-vermittel­
    vorgegangen werden?                        klinischen Reaktion und Identifizierung             ten Reaktion vereinbar sind (s. Tab. 2),
                                               der Impfstoff-Inhaltsstoffe als mögliche            wird eine Hauttestung mit dem spezifi­
Die bisher publizierten Algorithmen zum        Auslöser (siehe Abschn. 6). Bei verzö­              schen Impfstoff empfohlen. Fällt dieser
diagnostischen Vorgehen sind nicht in          gerter Reaktion sind insbesondere zur               positiv aus, sollte versucht werden, das
prospektiven oder retrospektiven Unter­        Abgrenzung möglicher anderer Ursachen               am ehesten kausale Agens zu identifizie­
suchungen evaluiert, die Verfahren nicht       oder Kofaktoren weitere Informationen               ren. Zum Nachweis allergischer Sensibi­
standardisiert [5, 33, 35, 41, 60, 63, 100].   notwendig (s. Tab. 2).                              lisierung gegen im Impfstoff enthaltener
Nach allergischer Impfreaktion ist vor                                                             Einzelallergene (z. B. Ovalbumin, Gelatine)
jedweder Diagnostik in Synopsis mit der        Eine weitere Diagnostik ist nur bei Sofort­         werden Serum-IgE-Tests (außer gegen
Schwere der Reaktion eine Risiko-Nut­          typ-Reaktionen sinnvoll. Ob bei Reaktio­            Impfantigen, siehe Abschn. 4.2.2) bzw.
zen-Abwägung im Gespräch mit Patient           nen vom verzögerten Typ ein Atopy-Patch-            Haut-Prick-Tests empfohlen (siehe Ab­
und Eltern notwendig. Eine Diagnostik          Test zur Risikostratifizierung vor weiteren         schn. 4.2.1). Dafür kann nach Abbildung 1
ist nur dann sinnvoll, wenn weitere Imp­       Impfungen geeignet ist, ist bislang nicht           verfahren werden.
fungen mit dem entsprechenden Imp­             durch Daten belegt.
fantigen oder im Impfstoff enthaltenen                                                             5.2 Wie sollte bei nachfolgender
potenziell allergenen Bestandteilen indi­      Bei Sofortyp-Reaktionen mit systemi­                     Impfung vorgegangen werden?
ziert sind (siehe Abschn. 5.2) oder wenn       scher Ausdehnung, die im Hinblick auf
in anderen Situationen potentiell rele­                                                            Die Entscheidung über nachfolgende Imp­
vante Allergene in Frage kommen (z. B.                                                             fungen sollte erst nach sorgfältiger Risi­
                                                 Statement 10
Gelatine als potentielles Nahrungsmittel-                                                          ko-Nutzen-Abschätzung im Gespräch mit
Allergen). Erster Schritt der Diagnostik ist                                                       Patient und Eltern durchgeführt werden.
                                                 Nach anaphylaktischer Impfstoffreak-
eine sorgfältige Anamnese. Kardinalfra­                                                            Soweit angemessen, sollten bereits er­
                                                 tion soll eine allergologische Aufar­
gen umfassen Zeitpunkt des Auftretens                                                              reichte Impftiter in der Entscheidungsfin­
                                                 beitung erfolgen, um das Risiko für
der Reaktion (Reaktion vom Soforttyp –                                                             dung berücksichtigt werden. Eine sorgfäl­
                                                 zukünftige anaphylaktische Reaktion
innerhalb von 4 Stunden – bzw. vom ver­                                                            tige Aufklärung im persönlichen Gespräch
                                                 zu minimieren (Empfehlungsgrad A).
zögerten Typ), Ausdehnung (lokal oder                                                              mit Eltern und Patient und Dokumentati­
16       Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Allergie und Impfen“

on des Aufklärungsgespräches ist vor
erneuter Impfung nach Impfreaktionen                     Abbildung 1. Vorgehen nach allergischer Sofortreaktion z. B. auf Hühnerei
obligat. Immer sollte versucht werden,                   bei Impfstoffen mit höherem Ovalbumingehalt (z. B. Gelbfieber-Impfung)
die Impfung mit einem alternativen Impf­
                                                                                                   Haut-Prick-Test mit Impfstoff,
stoff durchzuführen, der das identifizierte                                                               1:10 verdünnt
oder vermutete Allergen nicht enthält. Für
Kinder mit gesicherter Soforttyp-Reaktion                                          negativ                                               positiv

wird pragmatisch folgendes Vorgehen für                             Haut-Prick-Test
                                                                                est mit Impfstoff,
                                                                                                              positiv
weitere Impfungen empfohlen (nicht sys­                                      unverdünnt

tematisch evaluiert; Abbildung 2):                                                 negativ
❙ Hauttestung negativ, keine anaphylakti­
                                                                        Intrakutan-Test
                                                                                    est mit Impfstoff,
     sche lebensbedrohliche Reaktion oder                                      1:100 verdünnt                 positiv

     keine systemische Reaktion: Gabe des                                          negativ
     Impfstoffs mit anschließender Inten­
                                                                        Intrakutan-Testt mit Impfstoff,
     siv-Beobachtung in der Praxis für 60                                       1:10 verdünnt
                                                                                                                                        Testung von
                                                                                                              positiv               Einzelkomponenten
     Minuten.                                                               (cave, häufig irritative
                                                                                                                                       des Impfstoffs
                                                                                  Reaktion)
❙ Hauttestung positiv: fraktionierte Impf­
     stoffgabe (Abbildung 3).                                                      negativ                                               positiv

❙ Hauttestung negativ aber stattgehabte                                   keine weitere Testung                                    Komponente meiden
     Reaktion anaphylaktische lebensbe­

                                                                                                                        drohliche Reaktion oder systemische
     Tabelle 2. Wichtige anamnestische Informationen                                                                   Reaktion: Gabe von 10 % der Impfdosis.
                  bei V. a. auf allergische Impfreaktion                                                                Beobachtung für 30 Minuten. Wenn kei­

     Zeitpunkt                      ❙ Soforttyp (innerhalb von 4 Stunden)                                               ne Reaktion: Gabe der Restdosis (90 %)
                                    ❙ Verzögerter Typ                                                                  und weitere Intensiv-Beobachtung in
     Ausdehnung                     ❙ Lokal                                                                             der Praxis für 60 Minuten.
                                    ❙ Systemisch                                                                   ❙ Hauttestung nicht plausibel oder nicht
     Symptome                       ❙ Urtikaria / Angioödem                                                             eindeutig: Gabe des Impfstoffs mit an­
                                    ❙ Exanthem
                                    ❙ Rhinokonjunktivitis
                                                                                                                        schließender Intensiv-Beobachtung in
                                    ❙ Obstruktive Ventilationsstörung                                                  der Praxis für 60 Minuten.
                                    ❙ Kreislaufreaktion (Tachykardie, RR-Abfall)                                   ❙ Anaphylaktische oder systemische Re-
                                    ❙ Erbrechen, Übelkeit
                                    ❙ Defäkation                                                                       aktion auf Mehrfachimpfstoffe, Haut­

     Dauer                          ❙ Stunden                                                                           testung nicht plausibel oder nicht ein­
                                    ❙ Tage                                                                              deutig: Impfstoffgabe wenn möglich
                                    ❙ Länger bzw. undullierend                                                          mit Einzelkomponenten. Fraktionierte
     Rückbildung                    ❙ Spontan                                                                           Impfstoffgabe erwägen.
                                    ❙ Unter Medikation (welcher?)
     Kofaktoren                     ❙ Infektion
                                                                                                                    Nach systemisch-allergischer Sofortreak­
                                    ❙ Zeitnaher Kontakt zu anderen potentiellen Allergenen
                                                                                                                    tion auf frühere Impfung wird eine (statio­
     Impfanamnese                   ❙ Frühere allergische Impfraktion?
                                    ❙ Erneute Impfung erforderlich?                                                 näre) Überwachung des Patienten für min­
     Impfstoff                      ❙ Präparat                                                                      destens 12 Stunden empfohlen, um etwaige
                                    ❙ Inhaltsstoffe                                                                 anaphylaktische und allergische Spät-Reak­
                                    ❙ Charge
                                                                                                                    tionen mittels dafür trainierten Personals
     Andere bekannte                ❙   Ekzem, Asthma, Rhinokonjunktivitis                                          umgehend erkennen und behandeln zu
     Allergien / Erkrankungen       ❙   Urtikaria
                                    ❙   Nahrungsmittelallergie                                                      können. Als Mindestüber­wachungszeit bei
                                    ❙   Medikamentenallergie                                                        leichterer allergischer Sofort­reaktion wer­
                                    ❙   Kontaktallergie
                                                                                                                    den 2 Stunden empfohlen.
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