Epidemiologisches Bulletin 49 2021 - RKI
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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH 49 Epidemiologisches 2021 Bulletin 9. Dezember 2021 4. COVID-19-Welle: Impfquotenerhöhung notwendig | Impfquoten von Kindern | SARS-CoV-2-Ausbruch auf Jugendreise
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 2 Inhalt Die 4. COVID-19-Welle wurde durch fehlenden Impfschutz angestoßen: Was ist zu tun? 3 Neue Berechnungen zeigen, dass eine Erhöhung der Impfquote notwendig ist: Bei 8 – 9 von 10 SARS-CoV-2- Ansteckungen ist mindestens eine ungeimpfte Person beteiligt. Geimpfte spielen nur bei 5 – 6 von 10 Anste- ckungen eine Rolle. (Dieser Beitrag erschien online vorab am 8. Dezember 2021.) Impfquoten von Kinderschutzimpfungen in Deutschland – aktuelle Ergebnisse aus der RKI-Impfsurveillance 6 Die aktuellen Analysen weisen auf die bereits in den Vorjahren aufgezeigten Defizite hin, die bei fast allen Impfungen bestehen: Kinder in Deutschland werden oftmals zu spät und zu wenig geimpft und dadurch un- nötig lange einer Infektionsgefahr ausgesetzt. Hohe SARS-CoV-2-Ansteckungsraten mit der Delta-Sublinie AY.6 auf einer Jugendreise nach Dänemark im Juli 2021 30 Am 20.07.2021 kam es unter Teilnehmenden einer Jugendreise in einer dänischen Ferienhausanlage zu einem COVID-19-Ausbruch mit der SARS-CoV-2-Delta-Sublinie AY.6. Das Gesundheitsamt Hamburg Eimsbüttel er- mittelte eine Ansteckungsrate von 92,8 %. Die Ansteckungsrate betrug 64,3 % bei vollständig geimpften Per- sonen und 97,6 % für nicht oder nur einmalig geimpften Personen. Save The Date: Tagung „Tuberkulose aktuell“ 37 Publikationshinweis: Neues vom Journal of Health Monitoring 37 Hinweis zu „Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten“ Aufgrund von technischen Problemen stehen aktuell keine Daten zur Verfügung. Impressum Herausgeber Allgemeine Hinweise/Nachdruck Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung: Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull Telefon 030 18754 – 0 Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise Redaktion die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Dr. med. Jamela Seedat Dr. med. Maren Winkler (Vertretung) Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Telefon: 030 18754 – 23 24 Namensnennung 4.0 International Lizenz. E-Mail: SeedatJ@rki.de Nadja Harendt (Redaktionsassistenz) Telefon: 030 18754 – 24 55 Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung) ISSN 2569-5266 E-Mail: EpiBull@rki.de Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 3 Die 4. COVID-19-Welle wurde durch fehlenden Impfschutz angestoßen: Was ist zu tun? Impfungen gehören zu den wirksamsten Mitteln wurden also 76 Personen von Ungeimpften ange- der gegenwärtigen Pandemiebekämpfung. Trotz- steckt. Der Anteil der Leute, der durch Geimpfte an- dem sind die Impfraten im deutschsprachigen gesteckt wird, ist erheblich kleiner: 15 Angesteckte Europa aktuell viel zu niedrig für eine effektive Ein- sind Ungeimpfte, die von Geimpften angesteckt dämmung des Severe Acute Respiratory Syndrome wurden und 9 sind Geimpfte, die von Geimpften Corona Virus 2 (SARS-CoV-2). In Deutschland wa- angesteckt wurden. Es wurden also lediglich 24 Per- ren am 22.11.2021 68 % der Bevölkerung vollständig sonen von Geimpften angesteckt. 91 von 100 Anste- geimpft, obwohl das Robert Koch-Institut (RKI) ckungen entstehen mit Beteiligung mindestens ei- bereits im Juli 2021 empfahl, 85 % der 12 – 59-Jähri- ner Person ohne Impfschutz. gen und 90 % der über 60-Jährigen zu impfen. Ähnlich schlecht sieht es in Österreich (65 % voll- Um zu verstehen, ob neue Ansteckungen durch feh- ständig geimpft) und der Schweiz (66 %) aus. Auf lenden Impfschutz getrieben werden wenn die Imp- frischungsimpfungen (Booster) zur Erhöhung der fung nur eine geringe Effektivität hat, wurde in ei- Impfeffektivität sind seit November in Deutschland nem zweiten Beispiel eine geringere Impfeffektivität empfohlen. angenommen. In der unteren Grafik (B) wird eine Impfeffektivität von 50 % bei über 60-Jährigen, 60 % Neue Berechnungen auf der Basis eines mathemati- bei Erwachsenen bis 59 Jahren und 60 % bei Kin- schen Ansteckungsmodells1 zeigen, dass eine effek- tive Erhöhung der Impfquote dringend notwendig ist: Bei 8 – 9 von 10 SARS-CoV-2-Ansteckungen ist 1 Das theoretische Framework hinter diesen Berechnungen mindestens eine ungeimpfte Person beteiligt – als heißt Contribution Matrix. Die Berechnungen sind detail- Ansteckender, Angesteckter oder beides. Geimpfte liert hier beschrieben: https://www.medrxiv.org/cont- ent/10.1101/2021.11.24.21266831v1 spielen nur bei 5 – 6 von 10 Ansteckungen eine Rolle. 2 Beide Szenarien gehen von folgenden aktuellen Impfraten pro Altersgruppe aus: 0 – 11 = 0 %, 12 – 17 = 40 %, 18 – 59 = Die folgenden Beispiele illustrieren, dass der Groß- 72 %, 60+ = 85 %. Über die tatsächliche Impfeffektivität besteht wissenschaftliche Unsicherheit. Daher werden teil der Neuinfektionen durch fehlenden Impf- zwei verschiedene Szenarien angenommen. In Szenario A schutz verursacht wird, obwohl ungeimpfte Perso- wird eine hohe Impfeffektivität von 92 % bei Kindern und nen nur ca. 32 % der Bevölkerung ausmachen. 72 % bei Erwachsenen angenommen. Dies entspricht den Effektivitäten der Periode Oktober 2021 für symptomati- sches COVID-19 (RKI Situationsbericht vom 11.11.2021). Abbildung 1 zeigt, wie ungeimpfte und geimpfte Im Modell werden jedoch Impfeffektivitäten gegen Infek- Personen anteilig an der Verbreitung von SARS- tion angenommen, die üblicherweise geringer sind als gegen symptomatisches COVID-19. Diese Effektivitäts- CoV-2 beteiligt sind (laut oben genannten Modell- schätzung ist daher eine optimistische Schätzung und schätzungen). Man stelle sich eine Gruppe von Infi- dient als mögliche Obergrenze. Die niedrigeren Impf zierten vor. Angenommen, diese Gruppe hat 100 An- effktivitäten gegen SARS-CoV-2-Infektion (Szenario B) sind in Übereinstimmung mit Daten aus Großbritannien steckungen verursacht. Im ersten Szenario in der gewählt (50 % bei über 60-Jährigen, 60 % bei Erwachse- oberen Grafik (A) wird eine Impfeffektivität von nen bis 59 Jahren und 60 % bei Kindern und Jugendlichen 72 % bei Erwachsenen ab 18 Jahren und 92 % bei bis 17 Jahren). In Großbritannien wurde vorwiegend mit AstraZeneca geimpft. Dieser Impfstoff gilt in der Literatur Kindern und Jugendlichen angenommen.2 Dann als weniger effektiv. Daher dienen diese Werte im Modell sehen die 100 Ansteckungen folgendermaßen aus: als Schätzung für niedrige Impfeffektivität gegen Infek 51 von den 100 Angesteckten sind Ungeimpfte, die tion. Die Ansteckungszahlen beschreiben die geschätzten Anteile der Infektionswege an der totalen effektiven von anderen Ungeimpften infiziert wurden. 25 sind Reproduktionszahl (Reff). Zum Zeitpunkt dieser Berech- Geimpfte, die von Ungeimpften infiziert wurden. Es nungen lag R etwa bei 1,2.
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 4 A: Hohe Impfeffektivität – 91% der Neuinfektionen kommen durch mind. eine:n Ungeimpfte:n zustande Annahmen (pro Altersgruppe): Impfraten (vollständig): 0-11 = 0%, 12-17 = 40%, 18-59 = 72%, 60+ = 85% Impfeffektivitäten gegen Ansteckung: 0-17 = 92%, 18+ = 72% 51 von 100 Ungeimpft steckt Ungeimpft an 91 von 100 15 von 100 Geimpft steckt Ungeimpft an 25 von 100 Ungeimpft steckt Geimpft an 9 von 100 Geimpft steckt Geimpft an B: Geringere Impfeffektivität – 84% der Neuinfektionen kommen durch mind. eine:n Ungeimpfte:n zustande Annahmen (pro Altersgruppe): Impfraten (vollständig): 0-11 = 0%, 12-17 = 40%, 18-59 = 72%, 60+ = 85% Impfeffektivitäten gegen Ansteckung: 0-17 = 60%, 18-69 = 60%, 60+ = 50% 38 von 100 Ungeimpft steckt Ungeimpft an 84 von 100 17 von 100 Geimpft steckt Ungeimpft an 29 von 100 Ungeimpft steckt Geimpft an 16 von 100 Geimpft steckt Geimpft an Abb. 1 | Hier werden 100 angesteckte Personen dargestellt. Je nach Impfeffektivität ist an ca. 84 – 91 von 100 Ansteckungen mindestens ein Ungeimpfter beteiligt – entweder als Ansteckender oder als Angesteckter. Geimpfte spielen nur bei 49 – 62 von 100 Ansteckungen eine Rolle.
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 5 dern und Jugendlichen bis 17 Jahren angenommen. Dann sehen die 100 Infektionen folgendermaßen Die Dynamik der Pandemie wird aktuell durch fehlenden oder nachlassenden bzw. weniger aus: 38 von den 100 Angesteckten sind Ungeimpfte, effektiven Impfschutz getrieben. Daher empfiehlt die von anderen Ungeimpften infiziert wurden. sich: 29 sind Geimpfte, die von Ungeimpften infiziert 1. Die Impfquote effektiv erhöhen. wurden. Es wurden also 67 Personen von Ungeimpf- 2. Die Effektivität des Impfschutzes erhöhen, ten angesteckt. Der Anteil der Leute, der durch z. B. durch Boostern. Geimpfte angesteckt wird, ist erheblich kleiner: 3. Kontakte reduzieren, v. a. zwischen ungeimpften 17 Angesteckte sind Ungeimpfte, die von Geimpften Personen. angesteckt wurden und 16 sind Geimpfte, die von Geimpften angesteckt wurden. Es wurden also ledig- lich 33 Neuinfizierte von Geimpften angesteckt. 84 Ohne zusätzliche politische Maßnahmen ist keine von 100 Ansteckungen entstehen mit Beteiligung baldige Verbesserung der Impfquote zu erwarten, mindestens einer Person ohne Impfschutz. Daraus da deren Zuwachsrate in der Impfkampagne seit ergibt sich: Juni 2021 stagniert. Für zusätzliche Maßnahmen 1. Bei 8 – 9 von 10 Ansteckungen ist mindestens zur Steigerung der Impfquote besteht die Heraus- eine Person ohne Impfschutz beteiligt – als An- forderung, dass ein Großteil der ungeimpften Per- steckender, Angesteckter oder beides. Geimpfte sonen schwer erreichbar ist: Laut der COSMO- spielen nur bei 5 – 6 von 10 Ansteckungen eine Studie sind 30 % der Ungeimpften zögerlich, 54 % Rolle. sagen, sie wollen sich auf keinen Fall impfen lassen 2. Je effektiver der Impfschutz, desto weniger An- (Stand November 2021). Vor- und Nachteile einer steckungen werden durch geimpfte Personen Impfpflicht sollten diskutiert werden. Maßnahmen, verursacht. die schnell die Kontakte reduzieren, sollten zum Brechen der 4. Welle implementiert werden, da Weitere Berechnungen ergaben, dass man den selbst ein schneller Anstieg der Impfquote erst mit- R-Wert, also die effektive Reproduktionszahl, unter 1 telfristig weitere Wellen verhindern, wahrscheinlich drücken und die Pandemie zurückdängen könnte, aber nicht die aktuelle Welle brechen kann. wenn Ungeimpfte ihre Kontakte 2 – 3 Mal stärker reduzieren würden als Geimpfte. Autorinnen und Autoren Vorgeschlagene Zitierweise a) a) Dr. Benjamin F. Maier | Angelique Burdinski | Maier BF, Burdinski A, Klamser P, Wiedermann M, a) Dr. Pascal Klamser | a) Dr. Marc Wiedermann | Jenny MA, Betsch C, Brockmann D: b) Dr. Mirjam A. Jenny | c,d) Prof. Cornelia Betsch | Die 4. COVID-19-Welle wurde durch fehlenden Impf- a) Prof. Dirk Brockmann schutz angestoßen: Was ist zu tun? a) Humboldt-Universität zu Berlin Epid Bull 2021;49:3-5 | DOI 10.25646/9363 b) Harding-Zentrum für Risikokompetenz der Universität Potsdam und Max-Planck-Institut (Dieser Artikel ist online vorab am 8. Dezember 2021 für Bildungsforschung erschienen.) c) Universität Erfurt d) Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Interessenkonflikt Hamburg Die Autorinnen und Autoren erklären, dass keine Korrespondenz: bfmaier@physik.hu-berlin.de Interessenkonflikte vorliegen.
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 6 Impfquoten von Kinderschutzimpfungen in Deutschland – aktuelle Ergebnisse aus der RKI-Impfsurveillance Zusammenfassung Impfung gegen Poliomyelitis und Haemophilus Das Robert Koch-Institut (RKI) analysiert und publi influenzae Typ b (Hib) zum Stillstand gekommen zu ziert auf jährlicher Basis Impfquoten bei Kindern sein. Gleichzeitig steigen die Impfquoten der Hepa- und Jugendlichen in Deutschland unter Berücksich- titis-B-Impfung weiter leicht an. tigung von Daten aus den Schuleingangsuntersu- chungen und Abrechnungsdaten der Kassenärztli- Erstmals werden differenzierte FSME-Impfquoten chen Vereinigungen (KVen). Die hier berichteten aus den ausgewiesenen Risikogebieten bei Kindern aktuellen Analysen weisen auf die bereits in den und Jugendlichen im Alter unter 18 Jahren klein Vorjahren aufgezeigten Defizite hin, die bei fast räumig bereitgestellt: Die Quoten liegen in allen Re- allen Impfungen bestehen: Kinder in Deutschland gionen auf einem niedrigen Niveau und divergieren werden oftmals zu spät und zu wenig geimpft. dabei stark. Dadurch werden bei keiner Impfung national bzw. Bei 15-jährigen Mädchen ist der Anteil derer, die international gesetzte Impfquotenziele erreicht. eine vollständige Impfung gegen Humane Papillom Weiterhin gibt es bei der Inanspruchnahme aller viren (HPV) erhalten haben, in den vergangenen Impfungen große regionale Unterschiede. So diver- Jahren zwar leicht und kontinuierlich auf 47 % an- gierten beispielsweise die Impfquoten der Rotavirus gestiegen. Das Public-Health-Potenzial in Bezug auf impfung um 22 Prozentpunkte auf KV-Ebene und die Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs und die Inanspruchnahme der 2. Masernimpfung bis anderen HPV-assoziierten Karzinomen und Krebs- zum Alter von 24 Monaten um 44 Prozentpunkte todesfällen wird mit diesem Wert aber nicht annä- auf Kreisebene. Empfehlungen zum Nachholen feh- hernd ausgeschöpft. Mit Impfquoten von rund 5 % lender Impfungen werden jedoch bis zum Alter des für eine vollständige Impfung verlief der Start der Schuleinganges vielfach umgesetzt. Einen Anstieg seit August 2018 empfohlenen HPV-Impfung der der Impfquoten für alle Altersgruppen über die Zeit Jungen eher schleppend. Vergleichende Analysen verzeichneten fast ausschließlich die Impfungen, deuten auf eine ähnliche Impfakzeptanz hin wie die erst in den vergangenen 10 bis gut 15 Jahren in zum Start der Impfung bei Mädchen. den Impfkalender der Säuglinge aufgenommen wurden. Dies sind die Impfungen gegen Varizellen, Das Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes und der Pneumokokken, Meningokokken C und Rotaviren. Beginn der Coronavirus Disease 2019-(COVID-19-) Einen leichten Anstieg gab es in den vergangenen Pandemie im Jahr 2020 in Deutschland überlagern 10 Jahren auch bei der Masern-Mumps-Röteln-Imp- sich zeitlich. Eine zeitgerechtere Inanspruchnahme fung und hier insbesondere bei der 2. Impfstoff der Masernimpfung – und möglicherweise auch dosis. Jedoch wird auch gegen Masern oftmals zu weiterer Impfungen – bei Kleinkindern konnte im spät und insgesamt noch zu wenig geimpft. Nach ersten Jahr dieser beiden Ereignisse festgestellt wer- aktuellen Daten waren im Alter von 24 Monaten den. Ein Rückgang von Impfquoten der Routine 76 % der Kinder zweimal gegen Masern geimpft, impfungen wurde in diesem Zeitraum hingegen zum Schuleingang hatten 93 % der Kinder die nicht verzeichnet. 2. Impfung erhalten. Während sich in den Auswertungen zum Impf Hintergrund status bei Schuleingang der leichte Rückgang der Im vorliegenden Artikel werden die aktuellen Impf- Impfquoten bei den Impfungen gegen Diphtherie, quoten zu den von der Ständigen Impfkommission Tetanus und Pertussis fortsetzt, scheint er bei der (STIKO) empfohlenen Standardimpfungen im Kin-
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 7 des- und Jugendalter in Deutschland dargestellt. Die trächtlich und lag bei 2019 geborenen Kindern zwi- Daten hierfür stammen aus den beiden gesetzlich schen 59,9 % und 82,0 %. Bei 92,4 % aller 2019 ge- verankerten Systemen zur Erhebung bundesweiter borenen Kinder, die mindestens eine Dosis erhalten Impfquoten: den Schuleingangsuntersuchungen hatten, wurde die Impfserie zeitgerecht begonnen, und der auf Abrechnungsdaten der KVen basieren- d. h. die 1. Impfstoffdosis wurde bis zum Alter von den KV-Impfsurveillance. Der Impfstatus der Kin- höchstens 12 Wochen verabreicht (Spannweite auf der und Jugendlichen in Deutschland wird in der KV-Ebene: 89,5 – 95,3 %). Zusammenschau der Analysen aus beiden Syste- men bewertet. Details zu diesen Systemen und wie Bei den Schuleingangsuntersuchungen 2019 lag in sie sich ergänzen wurden bereits im Epidemiologi- allen 11 datenübermittelnden Bundesländern die schen Bulletin (Epid Bull) publiziert.1 Impfquote bei insgesamt 34,5 % mit großer Spann- weite zwischen den Bundesländern (22,7 – 70,6 %). Im Mittelpunkt der Analysen standen die erreichten In den 10 Bundesländern mit Vergleichsdaten aus Impfquoten einzelner Impfungen, die Vollständig- den Schuleingangsuntersuchungen 2018 sind die keit der Impfserien und die Einhaltung der empfoh- Impfquoten um 2 – 7 Prozentpunkte (7 Bundes lenen Alterszeitpunkte für die Impfungen. Dabei länder) bzw. um 10 – 16 Prozentpunkte in (Baden- wurden insbesondere die Erweiterungen und Ände- Württemberg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Hol- rungen des Impfkalenders, die von der STIKO seit stein) gestiegen. 2013 beschlossen wurden, auch retrospektiv in den Datenauswertungen berücksichtigt (aufgeführt im Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib, Epid Bull 32+33/20201). Hepatitis B und vorgelegte Impfausweise Die ersten Dosen der Standardimpfungen gegen Das seit Juni 2020 von der STIKO empfohlene Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib und He- 2+1-Impfschema für die Grundimmunisierung ge- patitis B sollten im Alter von 2 Monaten verabreicht gen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis, werden und die Grundimmunisierung mit 11 Mona- Hib und Hepatitis B bei Anwendung eines 6-fach- ten (ehemals 11 – 14 Monate) abgeschlossen sein. Impfstoffs für reifgeborene Säuglinge wurde in den Fehlende Impfungen können jederzeit nachgeholt Datenanalysen ebenfalls bereits berücksichtigt. werden. Des Weiteren wurden mit den Daten der KV- Die dreimalige Impfung gegen Diphtherie, Tetanus Impfsurveillance sowie mit Verordnungsdaten aus und Pertussis (DTP3) zum Alterszeitpunkt 15 Mona- Apothekenrechenzentren Effekte des im März 2020 te ist ein internationaler Indikator und wichtiges in Kraft getretenen Masernschutzgesetzes auf die Kriterium für die Qualität des Routine-Impfsys- Inanspruchnahme der Masern-Mumps-Röteln-Imp- tems. Die Impfquoten für mindestens eine Imp- fung und der COVID-19-Pandemie auf die generelle fung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis Inanspruchnahme von Impfungen im Kleinkind- (DTP1) liegt mit 15 Monaten bundesweit bei 96,4 % und Säuglingsalter untersucht. und in den einzelnen KVen bei mindestens 95 %; die Impfquote mit 3 DTP-Impfdosen beträgt bun- desweit 90,2 % (Spannweite auf KV-Ebene: 87,1 – Ergebnisse 94,1 %) (s. Tab. 2). Die bundesweiten Werte in den Geburtsjahrgängen 2008 – 2018 sind dabei jeweils Rotavirusimpfung recht konstant (Spannweite DTP1: 95,8 – 96,4 %; Die Impfquote für die seit August 2013 empfohlene Spannweite DTP3: 89,5 – 90,8 %) (s. Datenanhang). Rotavirusimpfung wurde mit den KV-Daten erst- Aus den aktuellen Werten lässt sich berechnen, dass mals für den Geburtsjahrgang 2014 erhoben, für bis zum Alter von 15 Monaten 6,4 % der Kinder, die den sie 59,9 % betrug. Sie erhöhte sich für jeden eine DTP-Impfung begonnen haben, die 3. Impfung weiteren Geburtsjahrgang leicht und betrug 68,2 % bisher nicht erhalten haben. Auf Ebene der KVen für Kinder des Geburtsjahrganges 2019 (s. Tab. 1). reicht dieser Wert von 4,1 % bis 8,8 %. Auf KV-Ebene variierte die Inanspruchnahme be-
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 8 KV-Impfsurveillance, SEU 2019, Alter 4 – 7 Jahre DTP1, DTP3, 3 Dosen BL – KV Alter 32 Wochen (Geburtsjahrgänge Alter 15 Monate Alter 15 Monate Polioimpfstoff, BL – KV (Geburtsjahr 2019) 2011 – 2014) (Geburtsjahr (Geburtsjahr Alter 15 Monate 2018) 2018) (Geburtsjahr 2018) BW 61,5 47,8 BW 95,5 87,1 84,8 BY 59,9 – BY 95,1 87,5 84,6 BE 73,3 – BE 96,6 90,4 88,4 BB 79,2 65,8 BB 97,2 92,7 90,9 HB 66,2 22,7 HB 96,5 88,1 85,2 HH 63,1 – HH 95,1 88,9 86,1 HE 68,7 29,0 HE 97,2 91,7 89,8 MV 82,0 66,8 MV 97,2 92,9 91,1 NI 70,6 – NI 97,4 92,6 90,7 NRW 71,7 26,3 NRW 97,1 91,5 89,7 – KV NO 69,2 – – KV NO 97,2 91,9 90,3 – KV WL 74,6 – – KV WL 96,9 91,1 89,1 RP 67,2 – 97,0 92,4 90,3 RP SL 65,6 28,2 98,1 94,1 92,1 SL SN 73,7 67,9 SN 95,4 88,4 86,3 ST 80,8 70,6 ST 97,2 92,7 91,0 SH 73,8 32,9 SH 97,0 92,4 90,3 TH 70,8 56,1 TH 96,2 89,6 88,1 Gesamt 68,2 34,5 Gesamt 96,4 90,2 88,1 Tab. 1 | Rotavirusimpfquote vollständig geimpft bis zum Alter Tab. 2 | Impfquoten nach 1 bzw. 3 Impfstoffdosen gegen von 32 Wochen (Geburtsjahrjahr 2019) aus der KV-Impfsur- Diphtherie, Tetanus und Pertussis (DTP1, DTP3) und Polio veillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung) sowie bei den jeweils mit 15 Monaten (Ergebnisse der KV-Impfsurveillance; Schuleingangsuntersuchungen (SEU) 2019, nach KV-Region KV – Kassenärztliche Vereinigung), nach KV-Region (NO: Nordrhein; WL: Westfalen-Lippe), Bundesland (BL) (NO: Nordrhein; WL: Westfalen-Lippe), Bundesland (BL) und bundesweit. Impfquoten in Prozent. Zu den Größen der und bundesweit. Impfquoten in Prozent. Zu den Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang. Studienpopulationen: s. Datenanhang. Die Polioimpfquote für mindestens 3 Impfungen die Impfquote dieser 5 Impfungen um zirka 6 Pro- im Alter von 15 Monaten stellt einen wichtigen inter- zentpunkte an auf rund 87 % (s. Datenanhang), auf nationalen Indikator für die Überwachung der er- Ebene der KVen beträgt der Anstieg jeweils 3 – 11 reichten Poliofreiheit im jeweiligen Staatsgebiet dar. Prozentpunkte. Damit wird deutlich, dass der gene- Der Wert ist in den Geburtsjahrgängen 2008 – 2018 rellen Empfehlung, fehlende Impfungen nachzuho- recht konstant und beträgt rund 88 % (Spannweite len, auch gefolgt wird. Die Inanspruchnahme der über die Geburtsjahrgänge: 87,5 – 88,9 %; Spann- Hepatitis-B-Impfung ist etwas geringer: 77,8 % der weite auf KV-Ebene, Geburtsjahrgang 2018: 84,6 – 2-Jährigen sind vollständig geimpft (Spannweite 92,1 %) (s. Datenanhang). KV-Ebene: 68,4 – 83,0 %). Die Inanspruchnahme steigt bis zum Alter von 36 Monaten um rund 6 Pro- Gemäß den Daten der KV-Impfsurveillance erfolgt zentpunkte auf 83,7 % (Zuwachs auf KV-Ebene: je- nur bei 80 % aller Kinder der Abschluss der Impf weils 3 – 10 Prozentpunkte) (s. Datenanhang). serien gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio und Hib bis zum Ende des 2. Lebensjahres (s. Die Impfquoten zum Einschulungsalter zeigen, Tab. 3), wobei 75 – 77 % aller Kinder 4 Impfstoffdo- dass fehlende Impfungen vielfach offenbar auch sen erhalten hatten und 3 % nach dem 2+1-Schema noch nach dem 3. Geburtstag nachgeholt werden. So geimpft waren. Bis zum Alter von 36 Monaten steigt waren bundesweit und in beinahe allen Bundeslän-
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 9 dern wie schon in den Vorjahren auch zur Einschu- spruchnahme der Hepatitis-B-Impfung dar, sie lung 2019 meist weit über 90 % der Kinder gegen steigt seit den Untersuchungen 2018 wieder etwas Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio und Hib an. In den Querschnittsanalysen der KV-Impfsur- geimpft (s. Abb. 1, Tab. 3). Die Ausnahmen bilden veillance zum Alter von 24 Monaten bildet sich da- Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, das Saar- gegen eine vergleichbare Verminderung der Inan- land und Thüringen mit einem Teil der Werte un- spruchnahme über die Geburtsjahrgänge nicht ab. terhalb 90 % im Untersuchungsjahr 2019. Die In- Hier liegen die Impfquoten in den Geburtsjahrgän- anspruchnahme der Hepatitis-B-Impfung ist auch gen 2008 – 2018 in einem Bereich von 76 – 79 % (s. zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchungen Datenanhang). Eine Ausnahme bildet auch hier die geringer und beläuft sich 2019 auf 87,4 % mit gro- Hepatitis-B-Impfung mit zirka 71 – 76 %. ßer Variation zwischen den Bundesländern (Spann- weite 78,9 – 94,5 %). Der Anteil von Kindern, die zur Schuleingangsun- tersuchung einen Impfausweis vorlegen, nahm zwi- Der seit den Schuleingangsuntersuchungen 2015 schen 2015 und 2018 leicht ab. Mit dem Untersu- leicht sinkende Trend der Impfquoten bei Diphthe- chungsjahr 2019 ist ein leichter Anstieg auf bundes- rie, Tetanus, Pertussis, Polio und Hib setzte sich weit 92,2 % zu beobachten (Spannweite auf Ebene auch im Untersuchungsjahr 2019 größtenteils wei- der Bundesländer: 86,9 – 93,9 %) (s. Abb. 1, Tab. 3). ter fort (s. Abb. 1). Eine Ausnahme stellt die Inan- KV-Impfsurveillance, Alter 24 Monate (Geburtsjahr 2018) SEU 2019, Alter 4 – 7 Jahre (Geburtsjahrgänge 2011 – 2014) BL – KV Anteil Dip Tet Per Polio Hib HepB Dip Tet Per Polio Hib HepB Kinder mit Impfausweis BW 71,7 71,7 71,7 71,6 71,5 67,9 88,1 88,2 88,0 87,4 86,5 78,9 93,5 BY 79,1 79,1 79,1 79,0 78,9 75,2 95,7 96,2 95,0 95,0 93,4 86,3 92,8 BE 81,0 80,9 80,8 80,8 80,7 78,6 – – – – – – – BB 81,9 81,9 81,8 81,7 81,6 80,1 95,7 96,1 95,2 95,1 94,2 92,2 90,4 HB 76,2 76,2 76,2 76,1 76,0 74,3 89,7 89,7 89,5 92,6 90,2 88,2 89,1 HH 82,5 82,6 82,3 82,5 82,2 80,3 90,9 91,2 90,6 90,0 88,2 85,0 93,8 HE 83,0 83,0 83,0 82,9 82,8 81,4 92,6 92,7 92,5 91,7 90,2 87,5 93,9 MV 81,2 81,2 81,2 81,1 81,0 80,1 96,1 96,3 95,8 95,4 94,3 93,2 92,9 NI 84,1 84,1 84,1 84,0 84,0 82,7 93,4 93,6 93,1 93,4 92,1 89,8 92,3 NRW 82,0 82,0 81,9 81,9 81,8 80,4 92,0 92,1 91,9 92,3 91,1 89,8 91,6 – KV NO 82,3 82,3 82,2 82,2 82,1 80,7 – – – – – – – – KV WL 81,7 81,7 81,7 81,6 81,6 80,2 – – – – – – – RP 83,3 83,4 83,3 83,2 83,2 82,0 96,2 96,4 95,7 95,8 94,5 94,5 92,4 SL 82,2 82,2 82,2 82,1 82,1 80,0 90,4 90,4 90,1 90,4 88,3 87,2 90,6 SN 74,9 74,9 74,9 74,6 74,5 68,4 93,3 93,6 93,1 91,9 90,9 86,3 91,8 ST 82,6 82,6 82,6 82,5 82,4 81,5 93,0 93,0 93,0 91,9 90,5 92,1 86,9 SH 84,5 84,5 84,5 84,4 84,3 83,0 92,4 92,6 92,2 91,6 90,3 87,3 88,3 TH 78,7 78,7 78,7 78,6 78,5 77,3 92,8 92,9 92,8 91,7 89,8 87,8 93,5 Gesamt 80,3 80,3 80,2 80,1 80,1 77,8 92,7 92,9 92,4 92,3 91,0 87,4 92,2 Tab. 3 | Impfquoten bei Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib und Hepatitis B mit 24 Monaten (Ergebnisse der KV-Impf surveillance; KV – Kassenärztliche Vereinigung) und zum Alter der Schuleingangsuntersuchungen (SEU) 2019, sowie Anteile von Kindern mit vorgelegtem Impfausweis in den SEU. Nach KV-Region (NO: Nordrhein; WL: Westfalen-Lippe), Bundesland (BL) und bundesweit. Alle Angaben in Prozent. Zu den Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang.
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 10 Anteil in % 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Diphterie Tetanus Pertussis HiB Polio Hepatitis B 1. Masern 2. Masern Impfausweis Abb. 1 | An das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelte Impfquoten und Anteil von Kindern mit vorgelegtem Impfausweis bei den Schuleingangsuntersuchungen in Deutschland 2008 – 2019. Angaben in Prozent. Anzahl überprüfter Kinder: n = 676.325 Masern, Mumps, Röteln men: Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Thü- Diphtherie Tetanus Pertussis Hib Polio Hepatitis B 1. Masern Die STIKO empfiehlt eine erste Masern-, Mumps- ringen) (s. Datenanhang). und Rötelnimpfung für Kinder im Alter von 11 Mo- naten (bis 2019 Altersbereich 11 – 14 Monate) und Die 2. Masernimpfung haben im Alter von 24 Mona- eine 2. Impfung mit 15 Monaten (ehemals 15 – 23 ten 75,6 % der Kinder des Geburtsjahrgangs 2018 er- Monate). Aufgrund der nahezu ausschließlichen halten (ohne Sachsen, da hier für die 2. Impfung ein Verfügbarkeit von Kombinationsimpfstoffen sind höheres Impfalter empfohlen wird; Spannweite auf die Masern-, Mumps- und Rötelnimpfquoten bei- KV-Ebene: 65,4 – 82,1 %; Sachsen 40,0 %) (s. Tab. 4). nahe ausnahmslos identisch. Die Impfquote für die Auf Kreisebene divergieren die Masernimpfquoten 1. Masernimpfung bei Kindern im Alter von 15 Mo- beträchtlich und liegen (ohne Sachsen) zwischen naten beträgt bundesweit 85,8 % (Spannweite auf 45,0 % im Main-Tauber-Kreis (Baden-Württemberg) KV-Ebene: 77,1 – 90,5 %) (s. Tab. 4). Auf Kreisebene und 88,7 % im Rhein-Kreis Neuss (KV Nordrhein, stellt sich die Impfquote sehr heterogen dar, die Nordrhein-Westfalen) (s. Abb. 3). Mit 36 Monaten Spannweite erstreckt sich von 61,5 % im Landkreis steigt die Masernimpfquote um 11 Prozentpunkte Garmisch-Partenkirchen (Bayern) bis 95,4 % in stark an auf 86,5 % (ohne Sachsen) (s. Abb. 2). Darmstadt (Hessen), der einzigen Region auf Kreis ebene mit einem Wert von mindestens 95,0 % (Da- Bis zur Schuleingangsuntersuchungen werden ten nicht gezeigt). Damit wird das im Nationalen Masernimpfungen noch nachgeholt, wie die Impf- Masernaktionsplan formulierte Ziel der Impfquote quoten der Masern-, Mumps-, Rötelnimpfung zum für die erste Masernimpfung von 95 % im Alter von Schuleingang zeigen. Hier werden bei 97,2 % der 15 Monaten mit nur einer Ausnahme in nahezu Kinder (Spannweite auf Bundeslandebene: 95,3 – allen Kreisen weiterhin verfehlt. 98,6 %) die 1. Masernimpfung und bei 92,7 % (Spannweite auf Bundeslandebene: 85,0 – 95,8 %) Im Vergleich zu den Impfquoten im Alter von auch die 2. Masernimpfung registriert (s. Tab. 4). In 15 Monaten steigt die Impfquote für die 1. Masern allen untersuchten Bundesländern haben jeweils impfung bis zum Alter von 24 Monaten bundesweit mehr als 95,0 % der Kinder bis zur Einschulung die um weitere rund 7 Prozentpunkte auf 92,5 % an 1. Masernimpfung erhalten, für die 2. Impfung wer- und mit 36 Monaten nochmals leicht auf 94,4 % (s. den diese Werte nur in Brandenburg und Mecklen- Abb. 2). In der Mehrzahl der KV-Bereiche werden burg-Vorpommern erreicht. Damit ist auch ein wei- mit 36 Monaten 95,0 % und mehr erreicht (Ausnah- teres Ziel aus dem Masernaktionsplan – dass 95 %
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 11 KV-Impfsurveillance, KV-Impfsurveillance, Alter 15 Monate Alter 24 Monate (Geburtsjahr 2018) SEU 2019, Alter 4 – 7 Jahre (Geburtsjahrgänge 2011 – 2014) (Geburtsjahr 2018) BL – KV 1. 1. 1. 2. 1. 2. 1. 2. 1. 2. 1. 2. 1. 2. Mas, Mum, Var Mas, Mum, Mas, Var Var Mas Mas Mum Mum Röt Röt Var Var Röt* Röt* Mum, Röt* BW 77,5 69,7 83,9 65,4 76,8 60,3 95,3 89,9 95,0 89,7 95,0 89,7 85,1 80,3 BY 83,8 76,2 91,3 73,8 82,9 67,6 97,3 93,1 96,9 92,9 96,9 92,9 83,4 80,2 BE 89,8 78,7 95,1 Mum: 89,7; 82,0 Mum: 78,6; 89,2 74,0 – – – – – – – – Mum: 94,9 Röt: 90,0 Röt: 78,9 BB 89,0 83,8 95,2 75,1 91,3 72,4 98,6 95,2 98,4 95,1 98,4 95,1 93,3 89,8 HB 85,2 76,1 92,0 71,1 83,8 65,0 98,2 93,3 97,9 93,0 97,9 93,0 82,4 77,2 HH 89,2 85,6 93,6 80,8 90,3 77,9 96,8 92,0 96,4 91,7 96,4 91,6 90,6 86,6 HE 88,9 82,6 94,3 78,3 89,6 74,9 97,7 94,2 97,7 94,2 97,7 94,2 92,3 88,3 MV 87,9 84,4 94,9 74,5 92,4 72,7 98,3 95,8 98,1 95,6 98,0 95,5 94,9 92,2 NI 88,6 84,4 94,5 79,7 90,7 76,9 96,8 93,2 96,7 93,0 96,7 93,0 90,9 87,6 NRW 88,0- 83,6 94,7 79,1 90,9 76,0 98,1 94,5 98,0 94,3 98,0 94,3 91,9 88,4 – KV NO 88,7 84,6 95,1 79,9 92,0 77,3 – – – – – – – – – KV WL 87,3 82,5 94,3 78,3 89,8 74,8 – – – – – – – – RP 87,4 82,5 93,6 77,7 89,6 74,5 97,8 94,2 97,7 94,0 97,7 94,0 92,4 90,8 SL 90,5 87,9 95,3 79,9 93,1 77,7 97,7 91,5 97,3 91,2 97,3 91,2 94,1 88,0 SN # 91,1 77,1 56,0 Mum, Röt: 40,0 74,0 41,9 96,7 85,0 96,2 84,8 96,3 84,7 81,4 74,0 91,0 ST 89,4 86,1 95,3 76,9 92,9 75,0 97,8 93,2 97,7 93,1 97,7 93,1 95,1 89,0 SH 82,1 97,3 94,2 97,0 93,9 97,0 93,9 92,6 88,9 Mum, Röt: 90,1 87,5 95,2 82,0 92,5 79,7 TH 97,0 92,7 96,8 92,5 96,8 92,5 90,8 86,7 86,5 80,0 93,5 73,6 88,4 70,4 Gesamt 85,8 79,5 92,5 75,6# 86,8 70,7 97,2 92,7 97,0 92,6 97,0 92,6 88,9 85,0 Tab. 4 | Masern-, Mumps-, Röteln- und Varizellenimpfquote, 1. Dosis mit 15 Monaten (Geburtsjahr 2018) und 1. und 2. Dosis mit 24 Monaten (Geburtsjahr 2018) aus der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung) und bei Schuleingangsunter suchungen (SEU) 2019, nach KV-Region (NO: Nordrhein; WL: Westfalen-Lippe), Bundesland (BL) und bundesweit. Impfquoten in Prozent. Zu den Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang. * Sofern nicht anders angegeben, sind die Masern-, Mumps- und Rötelnimpfquoten identisch. Bei Abweichungen von der Masernimpfquote sind die Mumps- bzw. Rötelnimpfquoten separat ausgewiesen. # Für die 2. Masern-, Mumps-, Rötelnimpfung ist in Sachsen ein höheres Impfalter empfohlen (ab dem 5. Lebensjahr). Daher werden in der KV-Impfsurveillance bei den für das Alter von 24 Monaten auf Bundesebene zusammengefassten Impfquoten die Werte der 2. Impfung aus Sachsen nicht berücksichtigt. der Kinder zum Schuleingang zweimal gegen Ma- mal 6 Land- bzw. Stadtkreisen mindestens 95 % der sern geimpft sein sollen – nur in 2 Bundesländern Kinder des Geburtsjahrgangs 2014 im Alter von 72 erreicht, bundesweit jedoch nicht. In der Quer- Monaten (also etwa im Alter bei Schuleintritt) zwei- schnittsanalyse der Geburtskohorten 2008 – 2018 mal gegen Masern geimpft (Landkreis Südwestpfalz zeigt sich über alle Geburtsjahrgänge jeweils im Al- und Ansbach in Bayern; Donnersbergkreis, Rhein- ter von 15 – 36 Monaten und ebenso über die Unter- land-Pfalz; Darmstadt, Hessen; Emden, Niedersach- suchungsjahre der Schuleingangsuntersuchungen sen, Dessau-Roßlau, Sachsen-Anhalt) – laut Masern von 2008 – 2019 ein Anstieg der Masernimpfquoten aktionsplan sollte dies jedoch zum Schuleingang in (s. Abb. 1 und Abb. 2). Nach Daten der KV-Impfsur- 90 % aller Kreise der Fall sein. veillance sind auf Kreisebene jedoch in gerade ein-
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 12 1. Masernimpfung, Impfquote in % 100 100 Zweite Masern‐Impfung, 94,4 93,4 93,3 93,1 90 93,0 92,9 92,9 92,7 92,6 92,5 83,5 91,4 85,883,2 83,9 83,1 82,9 83,6 82,7 90,7 90,5 90,4 90,1 82,8 82,0 90,0 89,9 84,0 81,7 89,5 89,4 81,5 81,1 88,7 Impfquote in % 87,4 80,7 78,7 Erste Masern‐Impfung, 90 80 Impfquote in % 79,8 79,6 70,7 70,3 69,9 69,9 77,2 76,7 67,8 67,4 80 66,9 65,6 70 63,2 70 60 60 50 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 50 Geburtsjahrgang 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2. Masernimpfung, Impfquote in % Geburtsjahrgang 15 Monate 24 Monate 36 Monate Datenreihen5 Datenreihen1 Datenreihen3 100 Zweite Masern‐Impfung, 86,5 90 83,5 83,2 83,1 82,9 82,7 82,0 81,7 81,1 Impfquote in % 78,7 75,6 80 71,4 70,7 70,3 69,9 69,9 67,8 67,4 66,9 65,6 70 63,2 60 50 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Geburtsjahrgang Geburtsjahrgang 15 Monate 24 Monate 36 Monate Abb. 2 | Impfquoten für mindestens eine und zwei Masernimpfungen nach Geburtsjahrgang und zu unterschiedlichen Alterszeit- punkten, bundesweit (Werte der 2. Impfung ohne Sachsen). Ergebnisse der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereini- gung). Impfquoten in Prozent. Varizellen 85,0 % zur Schuleingangsuntersuchungen noch Die Impfung gegen Varizellen wurde erst 2004 in stark an. den Kinderimpfkalender eingeführt und ist damit noch nicht so lange etabliert wie fast alle der zuvor Auch die Varizellenimpfquoten weisen in beiden Da- besprochenen Impfungen. Die Impfquote für die tenquellen über die Zeit einen ansteigenden Trend 1. Varizellenimpfung bei Kindern im Alter von 15 Mo- auf (s. Abb. 4; nicht gezeigt für Daten aus der KV- naten beläuft sich bundesweit auf 79,5 % (Spannwei- Impfsurveillance). In den Schuleingangsuntersu- te auf KV-Ebene: 56,0 – 87,9 %) (s. Tab. 4). Auch hier chungen ist der Anstieg allerdings seit dem Jahr 2014 steigen die Impfquoten mit zunehmendem Alter auf nur noch sehr gering. Nach Daten der KV-Impfsur- 86,8 % mit 24 Monaten (und auf 88,6 % mit 36 Mo- veillance waren für den Geburtsjahrgang 2011 sowohl naten; s. Datenanhang). Zum Alter der Schulein- für die 1. als auch für die 2. Varizellenimpfung die gangsuntersuchungen beträgt die Impfquote 88,9 % Impfquoten leicht rückläufig. In den Schuleingangs- (Spannweite auf Bundeslandebene: 81,4 – 95,1 %). untersuchungen scheint dieser temporäre Rückgang wieder nahezu ausgeglichen. Damit bestätigt sich, Die 2. Varizellenimpfung haben nur 70,7 % der Kin- wie an anderer Stelle bereits diskutiert, dass die Än- der empfehlungsgemäß bis zum 2. Geburtstag er- derung der Impfempfehlung in Bezug auf die ge- halten (Spannweite auf KV-Ebene: 41,9 – 79,7 %). Im trennte Gabe von MMR- und Varizellenimpfstoff bei weiteren Altersverlauf steigt der Anteil der Kinder, 1. Impfung keine gravierenden Auswirkungen auf die zweimal gegen Varizellen geimpft wurden, auf die Impfinanspruchnahme hatte.2 80,7 % (mit 36 Monaten; s. Datenanhang) und auf
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 13 95,0 – 100,0 80,0 – 94,9 60,0 – 79,9 0,0 – 59,9 Abb. 3 | Impfquoten für 2 Masernimpfungen im Alter von 24 Monaten (Geburtsjahrgang 2018) auf Kreisebene, Ergebnisse der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung). Impfquoten in Prozent. Zu den Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang. Impfquote in % 100 100 90 90 80 80 70 70 Impfquote in % 60 1.1.Varizellen Varizellen 60 50 50 2.2.Varizellen Varizellen 40 40 Meningokokken MeningokokkenCC 30 30 20 20 Pneumokokken Pneumokokken 10 10 0 0 2008 2009 2008 2010 2009 2011 2011 2010 2012 2012 2013 20132014 20142015 20152016 20162017 20172018 2018 20192019 Jahr Jahr Abb. 4 | Impfquoten der Impfungen gegen Varizellen (nach Dosis) sowie Meningokokken und Pneumokokken (jeweils vollständig geimpft) bei den Schuleingangsuntersuchungen in Deutschland, 2008 – 2019, in Prozent.
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 14 Pneumokokken der Datenerhebung 2008 – 2010 auf sehr niedrigem Auch die seit dem Jahr 2006 eingeführte Pneumo- Niveau (nicht mehr als 15 %) (s. Abb. 4). Sie stieg in kokken-Grundimmunisierung für Kinder empfiehlt den Folgejahren schnell an und erreichte ab dem die STIKO seit 2020 möglichst im Alter von 11 Mo- Erhebungsjahr 2013 Werte von 83 – 85 %. Der starke naten (zuvor 11 – 14 Monate) abzuschließen. Nachhol Anstieg ab 2011 erklärt sich daraus, dass nun die Ge- impfungen sind bis zum Abschluss des 2. Lebens- burtskohorten zur Schuleingangsuntersuchung an- jahres empfohlen. Mit dem Alter von 24 Monaten standen, die als erstes von der Impfempfehlung sind 72,5 % der Kinder vollständig gegen Pneumo- 2006 profitieren konnten. Das zeigt, dass die Um- kokken geimpft (Spannweite auf KV-Ebene: 61,3 – setzung einer Impfempfehlung im Säuglingsalter 78,4 %) (s. Tab. 5). Diese Impfquote setzt sich zu- erst ca. 5 Jahre später mit den Schuleingangsunter- sammen aus 67,1 % aller Kinder, die gemäß dem suchungen bewertet werden kann. Die Pneumokok- seit dem Jahr 2015 empfohlenen 2+1-Schema kenimpfquoten zum Schuleingang sind aufgrund geimpft wurden und 5,3 %, die stattdessen 4 Impf- der von der KV-Impfsurveillance abweichenden De- stoffdosen erhielten. Die Quote vollständig gegen finition für eine vollständige Impfserie nur bedingt Pneumokokken geimpfter Kinder stieg von der Ge- mit den Ergebnissen der KV-Impfsurveillance ver- burtskohorte 2008 mit 65,9 % in den Folgejahrgän- gleichbar. Ein Teil der in den Impfquoten zum gen auf Werte von 68 – 71 % (s. Abb. 5). Der Geburts- Schuleingang erfassten Kinder hat die Pneumokok- jahrgang 2015 war als erster von der Änderung des kenimpfung eventuell auch außerhalb der STIKO- Impfschemas von 3+1 zu 2+1 betroffen. Diese Ände- Empfehlung für die Standardimpfung, d. h. nach rung könnte zu dem leichten Rückgang der Quote dem 2. Geburtstag erhalten, zum Beispiel aufgrund vollständig Geimpfter beim Geburtsjahrgang 2015 einer bestehenden gesundheitlichen Indikation. geführt haben, weil hier womöglich noch nicht im- mer die für die Vollständigkeit erforderlichen Impf- Meningokokken C abstände eingehalten wurden. Unter den Kindern Die Empfehlung zur Meningokokken-C-Impfung der Schuleingangsuntersuchungen 2019 waren besteht wie die Pneumokokkenimpfung für Kinder 83,4 % vollständig gegen Pneumokokken geimpft seit dem Jahr 2006. Die Impfquote bei Kindern im (Spannweite auf Bundeslandebene: 74,7 – 89,2 %) Alter von 24 Monaten stieg von 71,7 % im Geburts- (s. Tab. 5). Die Impfquote lag in den ersten Jahren jahrgang 2008 auf 80,5 % im Geburtsjahrgang Impfquote in % 100 100 95 Pnk, 24 Mo MenC, 24 Mo MenC, 36 Mo 95 90 90 85 85 Impfquote in % 80 80 75 75 70 70 65 65 60 60 55 55 50 50 2008 2009 20102008 2011 2009 2012 20102013 2011 2014 2012 2015 2013 2016 2014 2017 2015 2018 2016 2017 2018 Geburtsjahrgang Geburtsjahrgang Abb. 5 | Impfquoten für vollständige Impfungen gegen Pneumokokken (Pnk) mit 24 Monaten (Mo) und gegen Meningokokken C (MenC) mit 24 bzw. 36 Mo nach Geburtsjahrgang, Ergebnisse der KV-Impfsurveillance. Impfquoten in Prozent. Zu den Größen der Studienpopu- lationen: s. Datenanhang.
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 15 KV-Impfsurveillance, SEU 2019, (s. Abb. 4). Bis zum Untersuchungsjahr 2019 stieg Alter 24 Monate Alter 4 – 7 Jahre die Impfquote zwar weiter, aber nicht mehr so stark (Geburtsjahrgang 2018) (Geburtsjahrgänge BL – KV 2011 – 2014) an, auf 90,1 % (Spannweite auf Bundeslandebene: Pnk MenC Pnk MenC 86,6 – 94,3 %) (s. Tab. 5). vollständig vollständig BW 64,5 73,4 83,1 87,4 Frühsommer-Meningoenzephalitis BY 70,7 77,9 82,2 86,8 Die Impfung gegen Frühsommer-Meningoen- BE 74,7 81,5 – – zephalitis (FSME) wird von der STIKO allen Perso- BB 76,0 82,3 88,0 92,8 nen in FSME-Risikogebieten empfohlen. Als FSME- HB 66,2 77,8 74,7 91,0 Risikogebiete werden Endemiegebiete der FSME HH 75,3 82,8 82,1 86,6 deklariert, in denen ein Erkrankungsrisiko für Per- 86,8 92,4 sonen mit Zeckenexposition besteht, das nach einer HE 74,1 83,3 87,6 94,3 Übereinkunft von Fachleuten präventive Maßnah- MV 75,3 86,2 men begründet. Das FSME-Erkrankungsrisiko wird NI 75,3 83,4 86,9 90,7 anhand der kreisbezogenen Inzidenz der nach In- NRW 75,4 84,3 78,6 92,2 fektionsschutzgesetz (IfSG) gemeldeten und dem – KV NO 75,9 84,8 – – RKI übermittelten FSME-Erkrankungen jährlich – KV WL 74,9 83,9 – – neu eingeschätzt.3 Die Mehrzahl (97 %) der 2020 RP 74,7 79,8 89,1 91,8 gemeldeten FSME-Erkrankten war gar nicht oder SL 73,6 86,1 78,5 92,0 unzureichend geimpft.4 Ein hoher Anteil der auftre- SN 61,3 76,2 87,9 89,6 tenden FSME-Erkrankungen könnte also durch ST 78,4 84,1 79,4 91,7 eine Steigerung der Impfquoten insbesondere in Ri- SH 77,5 84,1 88,6 91,5 sikogebieten mit hoher FSME-Inzidenz verhindert TH 72,0 81,1 89,2 90,5 werden. Gesamt 72,5 80,5 83,4 90,1 Für die Bewertung der Impfquoten wurden vollstän- Tab. 5 | Pneumokokken(Pnk)- und Meningokokken-C-Impf- quote (MenC) aus Ergebnissen der KV-Impfsurveillance dige Impfserien zugrunde gelegt. Die Grundimmu- (KV – Kassenärztliche Vereinigung) mit 24 Monaten und nisierung gegen FSME erfolgt mit 3 Impfstoffdo- bei den Schuleingangsuntersuchungen (SEU) 2019, nach sen. Auffrischungsimpfungen sind altersabhängig KV-Region (NO: Nordrhein; WL: Westfalen-Lippe), Bundes- land (BL) und bundesweit. Impfquoten in Prozent. Zu den in der Regel nach 3 bzw. 5 Jahren fällig. Größen der Studienpopulationen: s. Datenanhang. Die Daten der KV-Impfsurveillance weisen die FSME- Impfquoten der Bundesländer jeweils beschränkt auf die als Risikogebiet eingestuften Kreisregionen 2018 (Spannweite KV-Ebene, Geburtsjahrgang aus. Insgesamt bestehen zwischen den 161 Risikoge- 2018: 73,4 – 86,2 %) (s. Abb. 5 und Tab. 5). Bis zum bieten des Jahres 2019 große Unterschiede bezüg- Alter von 36 Monaten stieg die Impfquote der 2017 lich der Impfquoten, die bei unter 18-Jährigen zwi- geborenen Kinder um weitere rund 6 Prozentpunk- schen 13,3 % und 50,5 % liegen (s. Abb. 6). Die Impf- te auf 86,1 %. quoten bei unter 18-Jährigen zeigten in den letzten Jahren in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Im Gegensatz zur Pneumokokkenimpfung wird der Thüringen einen abnehmenden Trend und sanken Anstieg der Meningokokken-C-Impfung in den Er- von zunächst 30 – 36 % im Jahr 2013 auf 26 – 32 % gebnissen der Schuleingangsuntersuchungen früh im Jahr 2019 (s. Abb. 7). Recht konstant geblieben nach Impfeinführung sichtbar, da hier eine Nachhol sind die Werte dagegen in Rheinland-Pfalz mit impfung bis zum Alter von 17 Jahren empfohlen ist: 23 – 24 % und nach anfänglichem Anstieg auch im Bereits über 50 % der Kinder des Untersuchungsjah- Saarland mit 25 – 27 %. Für Sachsen wurde erstmals res 2008 waren gegen Meningokokken C geimpft, 2014 ein Risikogebiet ausgewiesen. Hier stieg die und mit den Schuleingangsuntersuchungen 2012 Impfquote von zunächst 17,4 % bis 2017 auf 28,5 % hatte die Impfung bereits 85 % der Kinder erreicht an. Im Jahr 2018 kamen 3 weitere Risikogebiete in
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 16 Sachsen hinzu und die Impfquote für alle Risikoge- Alter – auf die dann erstmals indizierte Auff rischung biete Sachsens zusammen war niedriger als die des zurückzuführen, die laut Definition für das Vorlie- bisherigen einzelnen sächsischen Kreises (2019: gen eines vollständigen Impfschutzes vorhanden 20,0 %). In Niedersachsen wurde erstmalig 2019 sein muss. Nach weiterem Anstieg der Impfquote eine Region als FSME-Risikogebiet deklariert; hier mit zunehmendem Alter zeigt sich bei nahezu allen beträgt die Impfquote zunächst 13,3 %. Bundesländern ein Abfall der Werte ab dem Alters bereich 13 – 15 Jahre. In allen Bundesländern steigt die Impfquote in den Risikogebieten zunächst bis zu einem Alter von Fünf Bundesländer mit FSME-Risikogebieten doku- 5 – 6 Jahren an (s. Abb. 8). Im Anschluss ist in eini- mentieren bei den Schuleingangsuntersuchungen gen Ländern zunächst ein Absinken zu beobachten. die FSME-Impfquoten, eine Differenzierung zwi- Dies ist – bei Beginn der Impfserie in sehr jungem schen Risiko- und Nicht-Risikogebieten innerhalb 90,0 – 100,0 80,0 – 89,9 70,0 – 79,9 60,0 – 69,9 50,0 – 59,9 40,0 – 49,9 30,0 – 39,9 20,0 – 29,9 10,0 – 19,9 0,0 – 9,9 kein Risikogebiet Abb. 6 | FSME-Impfquoten von unter 18-jährigen Personen aus FSME-Risikogebieten nach Kreisregion, 2019. Dargestellt sind die Bundesländer, für die im Jahr 2019 Risikogebiete ausgewiesen waren (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen, Thüringen). Impfquoten in Prozent.
50 45 2013 45 40 50 FSME‐Impfquote Epidemiologisches Bulletin 35 49 | 2021 9. Dezember 2021 2013 2014 45 40 17 50 FSME‐Impfquote 35 30 2013 2014 2015 45 40 50 FSME‐Impfquote 30 25 2013 2014 2015 2016 40 35 50 45 FSME‐Impfquote 25 20 35 30 2013 2014 2015 2016 2017 45 40 15 50 FSME‐Impfquote FSME-Impfquote25 in % 20 35 30 2013 2014 2015 2016 2017 2018 45 40 15 10 FSME‐Impfquote 50 25 20 35 30 5 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 40 15 10 25 45 20 35 30 5 0 2014 2015 2016 2017 2018 2019 15 10 25 20 40 30 5 0 2015 2016 2017 2018 2019 15 10 25 20 35 5 0 2016 2017 2018 2019 15 10 20 30 5 0 2017 2018 2019 15 10 5 0 25 2018 2019 10 5 0 20 2019 0 15 10 5 0 Baden- Bayern Hessen Niedersachsen Rheinland- Saarland Sachsen Thüringen Württemberg Pfalz Abb. 7 | FSME-Impfquoten bei unter 18-jährigen Personen aus FSME-Risikogebieten nach Bundesland, 2013 – 2019. Ab dem Jahr 2014 erstes deklariertes Risikogebiet in Sachsen, ab dem Jahr 2019 erstes Risikogebiet in Niedersachsen. Impfquoten in Prozent. 50 45 FSME-Impfquote in % 50 40 50 FSME‐Impfquote in % 45 45 35 Baden‐Württemberg Baden-Württemberg Bayern Bayern 40 40 30 Hessen Hessen 35 35 Rheinland‐Pfalz Rheinland-Pfalz 25 Saarland Saarland 30 30 Sachsen Sachsen 20 Thüringen Thüringen 25 25 15 Niedersachsen Niedersachsen 20 20 10 15 15 5 10 10 0 5 5 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 0 0 Alter in Jahren 0 0 11 2 2 33 44 55 66 77 88 99 10 10 11 11 12 12 13 13 14 14 15 15 16 16 17 17 Alter in Jahren Abb. 8 | FSME-Impfquoten von unter 18-jährigen Personen aus FSME-Risikogebieten nach Alter und Bundesland, 2019. Impfquoten in Prozent.
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 18 der Bundesländer liegt für diese Auswertungen HPV-Impfungen erhalten hatten. Die Nachholimp- nicht vor: Die Impfquoten erreichten zur Erhebung fung ist bis zum Alter von 17 Jahren empfohlen. Ein 2019 in Bayern 33,5 %, in Baden-Württemberg Großteil der Krankenkassen übernimmt jedoch 22,6 %, in Thüringen 17,5 %, in Hessen 18,8 % und auch die Kosten, um eine bereits begonnene Immu- im Saarland 12,9 %. Im Vergleich zum Vorjahr wei- nisierung spätestens im Alter von 18 Jahren zu ver- chen sie in den meisten Fällen nur geringfügig ab vollständigen. Unter den 18-jährigen Mädchen wa- und liegen teils unter (0,5 Prozentpunkte im Saar- ren im Jahr 2019 52,0 % vollständig geimpft (s. land), teils über (2,4 Prozentpunkte in Hessen, Tab. 6). Auch hier ließen sich große Unterschiede 0,2 – 1,1 Prozentpunkte in allen übrigen Bundeslän- zwischen den Bundesländern identifizieren: nied- dern) den Vorjahresergebnissen. rigster Wert mit 42,0 % in Bremen, höchster Wert mit 71,3 % in Sachsen-Anhalt. Humane Papillomviren (HPV) Da das empfohlene Impfalter der HPV-Impfung Bundesweit zeigte sich für das Jahr 2019 ein starker (9 – 14 Jahre) jenseits des Alters bei den Schulein- Anstieg der Impfquote mit vollständiger Impfserie gangsuntersuchungen liegt, können für die Darstel- über die Altersjahre, die von 0,8 % (9-jährige Mäd- lung der Impfquoten der HPV-Impfung nur die Er- chen) bis 52,0 % (18-Jährige) reichte (s. Abb. 9). Da- gebnisse der KV-Impfsurveillance herangezogen rüber hinaus hatten 65,6 % der Frauen mit 18 Jah- werden. Die Impfquote für eine vollständige HPV- ren eine HPV-Impfserie mindestens begonnen; Impfserie bei 15-jährigen Mädchen betrug im Jahr 20,7 % dieser begonnen Impfserien wurden jedoch 2019 bundesweit 47,2 % mit großen Unterschieden nicht zu Ende geführt. zwischen den KV-Regionen (s. Tab. 6). Sie war am niedrigsten mit 37,7 % in Bremen und am höchsten Bei 15-jährigen Mädchen lag die Impfquote für eine mit 66,9 % in Sachsen-Anhalt. Auch auf Kreisebene vollständige Impfserie im Jahr 2011 bundesweit bei sind die Unterschiede sehr groß: So sind im Land- 27,2 %, stieg in den Folgejahren ab 2014 leicht an kreis Mühldorf am Inn (Bayern) nur 23,3 % der auf über 30 %, bis im Jahr 2019 47,2 % erreicht wur- 15-jährigen Mädchen vollständig gegen HPV den (s. Abb. 10). Die beobachteten Anstiege bei jun- geimpft, während im Landkreis Jerichower Land gen Mädchen sind sehr wahrscheinlich vor allem (Sachsen-Anhalt) bereits 76,8 % alle notwendigen dem gesenkten Impfalter der im Jahr 2014 ange- HPV‐Impfserie mind. begonnen (2019) vollst. geimpft (2019) vollst. geimpft (2014) Impfquote in % HPV‐Impfserie mind. begonnen (2019) vollst. geimpft (2019) vollst. geimpft (2014) 80 80 66,1 65,6 80 64,3 62,8 70 70 50,8 66,1 65,6 58,6 64,3 62,8 70 58,6 60 52,0 60 49,5 48,9 47,2 60 52,0 50,8 49,5 48,9 Impfquote in % 47,2 50 41,4 50 Impfquote in % 50 37,6 41,4 37,6 40 31,3 40 40 31,3 17,9 27,2 27,2 30 22,1 30 30 22,1 17,9 6,9 14,1 14,1 20 20 20 0,86,9 6,3 6,3 10 10 10 0,8 00 0 99 109 10 10 11 11 1112 12 12 13 13 13 14 14 14 15 15 15 16 16 16 17 17 17 18 18 18 Alter in Jahren Alter in Jahren Alter in Jahren Abb. 9 | HPV-Impfquote in Prozent (HPV – Humane Papillomviren) bei Mädchen nach Alter in Jahren. Dargestellt sind die Anteile mit mindestens begonnener HPV-Impfung (Stand Dezember 2019) und abgeschlossener HPV-Impfserie (Stand Dezember 2014 vs. 2019), Ergebnisse der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung)
Epidemiologisches Bulletin 49 | 2021 9. Dezember 2021 19 Impfquote (vollst.) in % 60 60 47,2 50 50 43,0 Impfquote (vollst.) in % 40,0 36,6 40 40 33,4 31,3 29,3 27,2 27,2 30 30 20 20 10 10 00 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Jahr Jahr Abb. 10 | Impfquote (in Prozent) für eine vollständige Impfserie gegen HPV-Infektionen (HPV – Humane Papillomviren) bei 15-jährigen Mädchen jeweils zum Ende der Jahre 2011 – 2019, Ergebnisse der KV-Impfsurveillance (KV – Kassenärztliche Vereinigung). passten Impfempfehlung, einer damit einhergehen- Vollständige Vollständige Vollständige Vollständige HPV-Imp- HPV-Imp- HPV-Imp- HPV-Imp- den besseren Erreichbarkeit der Kinder über Routi- fung, weibl. fung, weibl. fung, männl. fung, männl. BL – KV 15-Jährige 18-Jährige 15-Jährige 18-Jährige nevorsorgeuntersuchungen und einem verkürzten (Geburts- (Geburts- (Geburts- (Geburts- Impfschema geschuldet. Das zeigt sich zum Bei- jahr 2004) jahr 2001) jahr 2004) jahr 2001) spiel darin, dass die Höhe der HPV-Impfquoten BW 37,9 44,2 3,7 2,4 2019 im Vergleich zu 2014 bereits 2 Altersjahre vor- BY 40,2 44,5 3,6 2,0 her erreicht oder übertroffen wird (s. Abb. 9). BE 47,9 53,1 5,3 2,2 BB 61,0 65,0 7,5 4,1 HB 37,7 42,0 3,0 1,5 Seit 2018 wird die HPV-Impfung bei Jungen emp- HH 44,8 48,4 4,8 2,4 fohlen. Für die Auswertung der Impfquoten ist der HE 43,5 48,7 4,3 1,8 mögliche Beobachtungszeitraum in der vorliegen- MV 65,3 70,5 10,1 4,3 den Analyse noch recht kurz. Er endete in der NI 50,7 52,4 5,5 2,2 KV-Impfsurveillance im Dezember 2019, d. h. etwa NRW – – 5,7 2,5 1 Jahr nachdem erst im November 2018 die Impfung – KV NO 49,3 54,6 6,7 3,7 für Jungen Pflichtleistung der gesetzlichen Kranken- – KV WL – – 4,5 1,3 versicherung (GKV) wurde. Impfungen, die vor die- RP 49,6 55,0 5,2 2,9 sem Zeitraum identifiziert wurden, zählen zu den SL 52,2 56,9 4,8 2,2 Satzungsleistungen der Krankenkassen. In jeder SN 56,5 64,6 5,9 3,4 einzelnen Altersstufe der 9- bis 18-jährigen Jungen ST 66,9 71,3 10,0 3,7 haben bundesweit zwar nicht mehr als 6 % die HPV- SH 52,0 57,6 4,9 2,4 Impfung abgeschlossen (beispielsweise 15-Jährige TH 58,5 67,0 7,8 4,2 5,1 %; 18-Jährige 2,5 %; s. Tab. 6), doch bis zu jeweils Gesamt 47,2 52,0 5,1 2,5 20 % haben eine HPV-Impfserie bereits begonnen. Tab. 6 | HPV-Impfquote (HPV – Humane Papillomviren) Auf Ebene der Kreise beträgt die Spannweite der vollständig, nach Geschlecht, 15 und 18 Jahre, nach Impfquoten 15-jähriger Jungen 0,6 – 14,0 % – mit KV-Region (KV – Kassenärztliche Vereinigung; NO: Nord- rhein; WL: Westfalen-Lippe), Bundesland (BL) und dem geringsten Wert im Landkreis Mühldorf am bundesweit, Dezember 2019, Ergebnisse der KV-Impfsur Inn (Bayern) und der höchsten Inanspruchnahme in veillance. Impfquoten in Prozent. Zu den Größen der Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) (s. Abb. 11). Studienpopulationen: s. Datenanhang.
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