PALLIATIVVERSORGUNG MÖGLICHKEITEN DER AMBULANTEN VERSORGUNG, PRAXISBEISPIELE UND RECHTLICHE HINWEISE - Kassenärztliche ...
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PALLIATIVVERSORGUNG MÖGLICHKEITEN DER AMBULANTEN VERSORGUNG, PRAXISBEISPIELE UND RECHTLICHE HINWEISE
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, INHALT die Versorgung schwerstkranker und sterbender Leid lindern, Lebensqualität erhalten Seite 3 Menschen ist eine hochsensible Aufgabe. Auf einen Blick: Palliativversorgung Seite 4 Wenn die kurativen Möglichkeiten weitestgehend ausgeschöpft sind und kaum mehr Aussicht auf Möglichkeiten der Heilung besteht, rückt die palliative Versorgung in ambulanten Palliativversorgung Seite 6 den Vordergrund: Schmerzen und seelisches Leid Palliative Primärversorgung Seite 7 zu lindern, die Lebensqualität so weit wie möglich Allgemeine ambulante zu erhalten, ein Sterben in Würde zuzulassen. Palliativversorgung – AAPV Seite 8 Die meisten Menschen wünschen sich, in ihrem Spezialisierte ambulante vertrauten Umfeld zu sterben, viele verbringen Palliativversorgung – SAPV Seite 11 jedoch den letzten Lebensabschnitt im Kranken- haus. Dabei gibt es im ambulanten Bereich vielfäl- Fokus: Häusliche Krankenpflege als Teil tige Möglichkeiten der palliativen Versorgung – der ambulanten Palliativversorgung Seite 13 zu nennen ist hier insbesondere die allgemeine ambulante Palliativversorgung, kurz AAPV. Sie wurde in den vergangenen Jahren gefördert und Palliativversorgung im Netzwerk Seite 14 ausgebaut, ist aber oftmals wenig bekannt. In dieser Broschüre stellen wir Ihnen die ambulan- Interview: Dr. Markus Beier, ten Möglichkeiten vor und was jeweils dazu gehört. Facharzt für Allgemeinmedizin Seite 15 Damit möchten wir Sie und Ihr Praxisteam bei der wohnortnahen Versorgung schwerstkranker und Aus der Praxis: Ute Hartenstein, sterbender Menschen unterstützen. Fachärztin für Innere Medizin Seite 16 Die Broschüre bietet grundlegende Informationen sowie Beispiele und Empfehlungen für die Praxis. Fokus: Betäubungsmittel Seite 18 Im Serviceteil finden Sie unter anderem Hinweise zur Patientenverfügung und zum PALMA-Formular sowie weiterführende Informationen. Im Fokus der Service Broschüre steht die Behandlung Erwachsener. Checklisten für die Praxis Seite 20 Rechtliche Hinweise Seite 22 Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre. Weiterführende Informationen Seite 23 Ihre Kassenärztliche Bundesvereinigung
„Es geht nicht darum, LEID LINDERN, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den LEBENSQUALITÄT Tagen mehr Leben.“ ERHALTEN Dieses Zitat wird der englischen Ärztin Cicely Saunders (1918–2005) zugeschrieben, die als Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativversorgung gilt. Wenn die kurativen Möglichkei- Ziel ist es, bis zum Tod die Lebensquali- STERBENDE „UMMANTELN“ ten weitestgehend ausgeschöpft tät so weit wie möglich zu erhalten und Abgeleitet vom lateinischen „pallium“ ein Sterben in Würde zu ermöglichen. sind und kaum mehr Aussicht will die Palliativversorgung Sterbende Wichtig sind dabei an erster Stelle die auf Heilung besteht, beginnt die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffe- umhüllen und sie vor unerträglichem palliative Versorgung. Leid schützen. Dieses „Ummanteln“ nen, aber auch der Menschen, die ihnen kann keiner allein leisten. Daher sollten besonders nahestehen. Arztpraxen, Pflege- und Hospizdienste, Dann rücken andere Aspekte in den Psychologen, Sozialarbeiter, Seelsorger, WUNSCH ZU HAUSE ZU SEIN Vordergrund: Nicht die Heilung ist das Physiotherapeuten und andere Beteiligte oberste Prinzip der Behandlung, son- Nachdem 1983 die bundesweit erste Hand in Hand arbeiten. dern das Wohlergehen eines Menschen palliativmedizinische Station an der Dabei muss stets gefragt werden, was und seine Lebensqualität. Uniklinik Köln eingerichtet wurde, gibt Betroffenen guttun kann. Darüber es mittlerweile hunderte Palliativstatio- Die Weltgesundheitsorganisation be- hinaus unterstützt Palliativversorgung nen und stationäre Hospize in Deutsch- schreibt Palliativversorgung als einen auch diejenigen, die Betroffenen nahe- land. Die meisten Menschen wünschen „Ansatz zur Verbesserung der Lebens- stehen: Familie, Freunde, Nachbarn. sich jedoch, ihre letzte Lebensphase zu qualität von Patienten und ihren Fami- Hier geht es vor allem um die Verarbei- Hause zu verbringen. lien, die mit Problemen konfrontiert tung psychischer und sozialer Probleme, sind, welche mit einer lebensbedroh- Für die wohnortnahe Versorgung kön- die Unterstützung beim Umgang mit lichen Erkrankung einhergehen. Dies nen die niedergelassenen Ärzte und ihre Trauer, Sterben und Tod. geschieht durch Vorbeugen und Lindern Praxisteams wertvolle Unterstützung In welchen Lebens- beziehungsweise von Leiden durch frühzeitige Erken- leisten – zum Beispiel in Form der allge- Sterbephasen palliative Versorgung erfol- nung, sorgfältige Einschätzung und meinen ambulanten Palliativversorgung gen kann, wer sie durchführt und welche Behandlung von Schmerzen sowie (AAPV), die in den vergangenen Jahren Ziele damit verbunden sind, zeigt die anderen Problemen körperlicher, ausgebaut wurde und seit 2017 auch Übersicht auf der folgenden Doppelseite. psychosozialer und spiritueller Art“. finanziell gefördert wird. HOSPIZ/ ZU HAUSE KRANKENHAUS PFLEGEHEIM WUNSCH UND WIRKLICHKEIT: STERBEORTE IN DEUTSCHLAND 58 % 28 % 4% möchten zu Hause sterben möchten im Hospiz/Pflegeheim sterben möchten im Krankenhaus sterben 23 % 19 % 58 % sterben zu Hause sterben im Hospiz/Pflegeheim sterben im Krankenhaus Quelle: Deutscher Hospiz- und Palliativverband, Ergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsbefragung 2017 „Sterben in Deutschland – Wissen und Einstellungen zum Sterben“ KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG 3
AUF EINEN BLICK PALLIATIVVERSORGUNG PHASEN, ZIELE UND AUFGABEN Jeder Mensch hat eine einmalige Lebens-, Kranken- und auch Sterbensgeschichte. Die hier angegebenen Prognosezeiten für die einzelnen Phasen dienen deshalb nur der Orientierung. 1. REHABILITATIONSPHASE 2. PRÄTERMINALPHASE 3. TERMINALPHASE 4. STERBEPHASE In dieser Monate bis Die Krankheit beein- Die Vorstufe des Die Phase beschreibt die Jahre dauernden ersten trächtigt die Aktivität Sterbens kann Tage letzten Tage des Lebens, Phase nach der Diagnose zunehmend und schränkt bis Wochen dauern. in der S3-Leitlinie Palliativ- sollen Betroffene zur Betroffene immer mehr ein. medizin werden drei bis Teilhabe am täglichen sieben Tage genannt. Leben befähigt werden. Die Fähigkeiten sind zunehmend eingeschränkt. ZIELE / Lebensqualität verbessern und erhalten Betroffene (wieder) aktiv Betroffene sollen die noch Begleitung der Betroffenen Sterbende begleiten am Leben teilnehmen lassen, verbleibende Zeit positiv und Angehörigen bei der und ihre Würde achten. sie durch eine gute Symp- verbringen – trotz ihrer Vorbereitung auf das Sterben. tomkontrolle mobilisieren, Ängste und Einschränkungen. damit sie alltägliche Dinge selbst tun können. ÄRZTLICHE AUFGABEN Verordnung von Arznei-, Umfassende Schmerz- Umfassende Schmerz- Linderung der Symptome, Heil- und Hilfsmitteln und Symptomkontrolle, und Symptomkontrolle, die mit dem Sterben einher- Einbindung anderer zum Beispiel Übelkeit zum Beispiel Krämpfe, gehen können, wie starke Berufsgruppen, zum Beispiel Einbindung anderer Wunden oder Atemprobleme Schmerzen oder Atemnot Psychotherapeuten Berufsgruppen, zum Einbindung anderer Begleitung und Beratung Beispiel Psychotherapeuten Berufsgruppen, zum nahestehender Menschen, Beispiel Wundexperten die oftmals viele Symptome nicht kennen, zum Beispiel Atemaussetzer oder Nahrungsverweigerung Einbindung anderer HINWEIS Berufsgruppen, zum Beispiel Seelsorger Wie die kurative ist auch die palliative medizinische Behandlung eine wichtige ärztliche Aufgabe. Dabei wird unter Primärversorgung die gesundheitliche Grundversorgung und Beratung verstanden, in der Einteilung der Phasen nach: auch über weitere Behandlungsschritte in der ambulanten und stationären Lehrbuch für Palliativmedizin medizinischen Behandlung befunden wird. Darüber hinaus geht die (3. Auflage 2012, Hrsg.: E. Aubert, F. allgemeine ambulante Palliativversorgung, kurz AAPV, bei der Ärzte Nauck, L. Radbruch, Schattauer Verlag) beispielsweise eine telefonische Erreichbarkeit und Besuchsbereitschaft in kritischen Phasen ermöglichen. Für die spezialisierte ambulante Palliativ- S3-Leitlinie Palliativmedizin: versorgung, kurz SAPV, benötigen Vertragsärzte die Zusatzbezeichnung www.awmf.org > Leitlinien Palliativmedizin. Näheres dazu stellen wir auf den folgenden Seiten vor. > aktuelle Leitlinien > Palliativmedizin 4 KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG
ORTE UND TEAMS Eine palliative Versorgung ist überall dort möglich, wo kranke Menschen betreut werden. Viele wünschen sich, dass es das eigene Zuhause ist. Doch manchmal geht das nicht, weil Partner oder Kinder mit der Situation überlastet sind oder eine spezielle Behandlung erforderlich ist. ZU HAUSE Wie wichtig Hausärztinnen und Für den Weg in die Arztpraxis sind Schwerstkranke oftmals nicht mehr in der Lage. Hausärzte angesehen werden, zeigt das In solchen Fällen sind ärztliche Hausbesuche erforderlich, die mit Pflegediensten, Ergebnis einer Befragung des Deutschen Therapeuten und ambulanten Hospizdiensten abgestimmt werden. Hospiz- und Palliativverbandes: Ambulante Hospizdienste unterstützen Schwerstkranke und Sterbende dabei, die noch verbliebene Zeit in der vertrauten Umgebung zu verbringen, und sind auch für AN WEN WÜRDEN SIE SICH WENDEN, deren Familie da. Meist handelt es sich um Teams aus Ehrenamtlichen. Sie beraten WENN SIE EINEN HOSPIZ-PLATZ individuell und stehen in engem Kontakt mit Arztpraxis und Pflegedienst. ODER EINE HOSPIZ-BEGLEITUNG IM HEIM FÜR ZU HAUSE SUCHEN WÜRDEN? Auch im Heim kann eine Palliativversorgung ermöglicht werden. Kooperationsver- 1. HAUSARZT 23 % träge mit niedergelassenen Ärzten vereinfachen die Zusammenarbeit. Ende 2018 be- standen rund 22.000 Kooperationsverträge zwischen Arztpraxen und Pflegeheimen. 2. FAMILIE/FREUNDE 14 % Um den besonderen ärztlichen Aufwand zu vergüten, wurde 2016 das Kapitel 37 in 3. INTERNET 14 % den EBM aufgenommen. Es enthält mehrere Gebührenordnungspositionen (GOP) für die Kooperation und Koordinierung der Heimbetreuung. 4. ÖRTLICHER HOSPIZVEREIN 10 % Pflegeheime können gesetzlich Krankenversicherten eine Versorgungsplanung 5. KRANKENHAUS 8% zur individuellen und umfassenden medizinischen, pflegerischen, psychosozialen Auswahl Top 5-Nennungen, Mehrfachnennungen und seelsorgerischen Betreuung in der letzten Lebensphase anbieten (Grundlage: möglich, Quelle: Deutscher Hospiz- und Palliativver- Paragraf 132g SGB V). Ärzte können die GOP 37400 als Zusatzpauschale für die band, Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungs- Beteiligung an der Beratung eines Patienten abrechnen. Durch die frühzeitige befragung 2017 „Sterben in Deutschland – Wissen Beratung schon bei Aufnahme ins Heim können wichtige Informationen gesam- und Einstellungen zum Sterben“ melt und festgeschrieben werden. HOSPIZ ODER PALLIATIVSTATION Sie kommen für Menschen infrage, die zu Hause oder im Heim nicht adäquat Die Deutsche Gesellschaft für palliativ versorgt werden können. Stationäre Hospize sind eigenständige Einrich- Palliativmedizin bietet einen Flyer zum tungen zur ganzheitlichen Pflege und Versorgung von Palliativpatienten. Haupt- Thema „Schwerkranke Menschen und und Ehrenamtliche arbeiten eng mit erfahrenen Palliativmedizinern der ambulanten Angehörige im Mittelpunkt“: Versorgung zusammen. Auf einer spezialisierten Palliativstation im Krankenhaus www.dgpalliativmedizin.de versorgt ein multiprofessionelles Team schwerstkranke Menschen, die unter kom- > Presse & Medien > Informations- plexen Symptomen leiden. Rund 15 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland materialien > Flyer haben eine Palliativstation. KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG 5
MÖGLICHKEITEN Palliativversorgung soll die Lebens- qualität und Selbstbestimmung so DER AMBULANTEN weit wie möglich erhalten, fördern PALLIATIVVERSORGUNG und verbessern sowie ein würdi- ges Leben zu Hause, im Heim oder Hospiz ermöglichen. In diesem Kapitel werden Möglichkeiten der ambulanten Palliativversorgung für Erwachsene vorgestellt. Für Kinder und Jugendliche gelten zum Teil eigene Regelungen. SPEZIALISIERTE AMBULANTE PALLIATIVVERSORGUNG – SAPV ist eine multiprofessionelle Palliativversorgung durch ein spezialisiertes Team kann durch jeden Arzt SAPV verordnet werden ALLGEMEINE AMBULANTE zur Durchführung verfügen PALLIATIVVERSORGUNG – AAPV Vertragsärzte über eine Weiterbildung AAPV ist eine besonders qualifizierte in Palliativmedizin und führen die und koordinierte Form der ambulanten Zusatzbezeichnung Palliativmedizin Palliativversorgung Paragrafen 37b und 132d SGB V für einige Leistungen ist grundsätz- Seite 11 lich der Abschluss der 40 Stunden Kurs-Weiterbildung nach dem (Muster-) Kursbuch Palliativmedizin der Bundesärztekammer notwendig Paragraf 87 SGB V und Anlage 30 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte „Vereinbarung zur besonders PALLIATIVE qualifizierten und koordinierten PRIMÄRVERSORGUNG palliativmedizinischen Versorgung“ gehört ambulant und stationär genau wie die kurative Behandlung Seiten 8 bis 10 zu den ärztlichen Aufgaben Paragraf 27 SGB V Seite 7 PALLIATIVE PRIMÄRVERSORGUNG Hinweise zur Onkologie-Vereinbarung und zur ambulanten spezialfachärzt- lichen Versorgung Seite 12 Palliativmedizin ist mittlerweile ein verpflichtendes Lehr- und Prüfungsfach an medizinischen Fakultäten. Zudem bestehen mehrere Lehrstühle für Palliativmedizin in Deutschland. Sie ist auch Teil der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin. Sich in dem Gebiet zu spezialisieren, ist seit 2004 möglich. Eine solche Zusatzqualifikation ist keine Voraussetzung für die Primärver- sorgung, aber im Praxisalltag hilfreich. 6 KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG
PALLIATIVE PRIMÄRVERSORGUNG So wie die kurative gehört die palliative Behandlung der gesetz- lich Versicherten zu den primären vertragsärztlichen Aufgaben. Hierbei geht es um die gesundheit- liche Grundversorgung und Bera- tung. Außerdem wird über weitere Behandlungsschritte befunden. In der Regel übernehmen Haus- ärzte diese Aufgabe. Sie kennen ihre Patienten oftmals schon über Jahre oder Jahrzehnte und sind wichtige Vertrauenspersonen. WER HAT ANSPRUCH? HINWEISE ZUR ABRECHNUNG GOP 03372 Zuschlag zu GOP 01410 (Besuch) oder 01413 (Besuch eines Alle gesetzlich Krankenversicherten Vertragsärzte, die an der Versorgung weiteren Kranken) für die palliativmedi- von Palliativpatienten beteiligt sind, zinische Betreuung in der Häuslichkeit; DAS GEHÖRT DAZU können über den EBM folgende Gebüh- 124 Punkte je vollendete 15 Minuten, renordnungspositionen (GOP) zusätzlich Tageshöchstwert 620 Punkte: Insbesondere ärztliche abrechnen: Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt, Primärbehandlung Dauer mindestens 15 Minuten, GOP 03370 Palliativmedizinische palliativmedizinische Betreuung Ersterhebung des Patientenstatus Koordinationsleistungen des Patienten (z. B. Schmerztherapie, inklusive Behandlungsplan; Symptomkontrolle) 341 Punkte, 1 x im Krankheitsfall: Verordnung von häuslicher Kranken- Untersuchung des körperlichen und GOP 03373 Zuschlag zu GOP 01411, pflege, medizinischer Rehabilitation, psychischen Zustands, Beratung und 01412 oder 01415 (Dringende Besuche) Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln u. a. Aufklärung von Patient und/oder für die palliativmedizinische Betreuungsperson zur Ermittlung und Betreuung in der Häuslichkeit; ÄRZTLICHE QUALIFIKATION gegebenenfalls Erfassung des Patienten- 124 Punkte je Besuch: willens, Erstellung und Dokumentation Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt, Über die berufliche Grundqualifikation eines palliativmedizinischen Behand- palliativmedizinische Betreuung des hinaus wünschenswert: Kenntnisse lungsplans unter Berücksichtigung des Patienten (z. B. Schmerztherapie, und Erfahrungen in der palliativen Patientenwillens Symptomkontrolle) Versorgung, Engagement und Zeit GOP 03371 Zuschlag zur Versicherten- Für die palliativmedizinische Betreuung ZIELE pauschale 03000 für die palliativ- von Kindern und Jugendlichen enthält medizinische Betreuung des der EBM-Abschnitt 4.2.5 analoge GOP. Krankheit erkennen, Patienten in der Arztpraxis; ihre Verschlimmerung verhüten, 159 Punkte, 1 x im Behandlungsfall: Krankheitsbeschwerden lindern Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt, Dauer mindestens 15 Minuten, Den EBM mit allen Abrechnungs- Sterbende begleiten palliativmedizinische Betreuung des bestimmungen finden Sie unter: Patienten (z. B. Schmerztherapie, www.kbv.de > Service > EBM Symptomkontrolle) > Online-Version des EBM KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG 7
ALLGEMEINE AMBULANTE PALLIATIVVERSORGUNG – AAPV DAS GEHÖRT DAZU Die allgemeine ambulante Palliativ- versorgung, kurz AAPV, schließt die Palliativmedizinische Ersterhebung, bei Lücke zwischen Primärversorgung der anhand eines Assessments der indi- und spezialisierten Angeboten. viduelle palliative Bedarf ermittelt wird, Ihr Ausbau geht auf das Hospiz- z. B. für eine Schmerztherapie und Palliativgesetz zurück, das eine besonders qualifizierte und Koordination der medizinischen und koordinierte palliativmedizinische pflegerischen Versorgung unter Leitung Versorgung vorsieht. Damit soll die des Arztes, hierbei geht es vor allem um allgemeine Palliativversorgung, die Zusammenarbeit mit Pflegediensten, die vorrangig hausärztlich erfolgt, Therapeuten, Hospizen etc. flächendeckend gefördert werden. Hausbesuche sowie telefonische Erreich- barkeit und Besuchsbereitschaft auch außerhalb der Sprechstundenzeiten WER HAT ANSPRUCH? sowie vorher deren zeitliche Abstim- mung, ggf. längere Telefonate mit Pfle- Schwerstkranke und Sterbende, deren gepersonal, ärztlichem Bereitschafts- Lebenserwartung auf Tage, Wochen oder dienst oder Angehörigen außerhalb Monate gesunken ist; kurative Behand- der Sprechstunden lung der Grunderkrankungen ist nicht mehr indiziert oder von Patientenseite Patientenorientierte Fallbesprechungen nicht mehr erwünscht; Voraussetzungen mit wichtigen Beteiligten wie Fachärz- für die SAPV werden (noch) nicht erfüllt; ten, Pflegediensten, Angehörigen, die die SAPV-Beratungsleistung kann an der Versorgung beteiligt sind allerdings parallel schon in Anspruch genommen werden PALLIATIVVERSORGUNG BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN Sie unterscheidet sich von der bei Erwachsenen. Eine palliativmedizinische Versorgung kann bei Kindern und Jugendlichen auch dann erfolgen, wenn die Lebenserwartung nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann, zum Teil auch intermittierend und begleitend zur kurativen Versorgung über viele Jahre. Die palliative Primärversorgung übernehmen Kinder- und Jugendärzte gemeinsam mit ambulanten (Kinder-) Krankenpflege- diensten. Besondere psychosoziale Unterstützung erhalten Familien bei ambulanten Kinderhospizdiensten sowie durch Aufenthalte in stationären Kinder- und Jugendhospizen. In Krisensituationen, in Phasen der Krankheitsprogression und am Lebensende kann die Primärversorgung durch das Angebot einer multipro- fessionellen spezialisierten ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung sowie durch die Kinderpalliativ- station und Kinderhospize ergänzt werden. 8 KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG
WWW. CHARTA-FUER- STERBENDE.DE Wir ÄRZTLICHE QUALIFIKATION unterstützen Über die berufliche Grundqualifikation hinaus wünschenswert: Kenntnisse Fortbildung die Charta und Erfahrungen in der palliativen 8 Fortbildungspunkte pro Jahr, Versorgung vor allem zur Fallbesprechung Um die Versorgung Schwerstkranker sowie Qualitätszirkel und Sterbender ins öffentliche Licht Für die Abrechnung bestimmter zu rücken, haben verschiedene Leistungen der AAPV ist eine Mehr zu Qualitätszirkeln auf Seite 15 Organisationen, darunter die KBV, besondere Qualifikation gefordert: eine Charta entwickelt. Träger und ZIELE Herausgeber sind die Deutsche Praktische Erfahrungen Gesellschaft für Palliativmedizin Ein Sterben in der selbst gewählten e. V., der Deutsche Hospiz- und Betreuung von mindestens 15 Palliativ- Umgebung bei bestmöglicher indivi- Palliativverband e. V. und die patienten innerhalb der vergangenen dueller Lebensqualität ermöglichen Bundesärztekammer. Mehr als drei Jahre (dieses Kriterium erfüllen 2.000 Organisationen und Institu- ca. 2/3 der Hausärzte) oder tionen sowie über 25.000 Einzel- personen setzen sich mit ihrer Mindestens 2-wöchige Hospitation in Unterschrift für die Charta ein. einer Einrichtung der Palliativversor- gung oder in einem SAPV-Team DIE FÜNF LEITSÄTZE: esellschaftspolitische G Theoretische Kenntnisse Herausforderungen 1 – Ethik, Recht und 40-stündige Kurs-Weiterbildung öffentliche Kommunikation Palliativmedizin nach (Muster-) Kurs- buch Palliativmedizin der Bundes- Bedürfnisse der Betroffenen ärztekammer oder 2 – Anforderungen an die Versorgungsstrukturen Vertragsärzte, die die strukturierte curriculare Fortbildung „Geriatrische Anforderungen an die Aus-, Grundversorgung“ der Bundesärzte- 3 Weiter- und Fortbildung kammer (60 Stunden) und die Fortbil- dung „Curriculum − Psychosomatische Grundversorgung“ (80 Stunden) 4 Entwicklungsperspektiven und Forschung absolviert haben, weisen die Teilnahme am Themenkomplex 2 „Behandlung von Die europäische und Schmerzen und anderen belastenden 5 internationale Dimension Symptomen (Symptomkontrolle – 20 Stunden)“ der Kurs-Weiterbildung Palliativmedizin nach oder Mehr zur Charta: www.charta-zur-betreuung- Vertragsärzte, die bereits die Zusatzqua- sterbender.de lifikation „Spezielle Schmerztherapie“ (80 Stunden) absolviert haben, weisen Wollen auch Sie die die Teilnahme an den Themenkomple- Charta unterstützen? xen 3, 4, 5 und 6 der Kurs-Weiterbildung Informationen finden Sie hier: („Psychosoziale und spirituelle Aspek- www.koordinierung-hospiz- te“, „Ethische und rechtliche Fragestel- palliativ.de/service_charta- lungen“, „Kommunikation und Team- unterzeichnen.html arbeit“ und „Selbstreflexion“ insgesamt 18 Stunden) nach KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG 9 HINWEISE ZUR ABRECHNUNG Diese Leistungen dürfen alle Vertrags- ärzte abrechnen, die an der Versorgung eines Palliativpatienten beteiligt sind: GOP 37305 Zuschlag zu GOP 01410 (Besuch) und 01413 (Mitbesuch) für die palliativmedizinische Betreuung in der Häuslichkeit; tens 5 Bereichen, Erstellung und/oder GOP 37318 Telefonische Beratung 124 Punkte je vollendete 15 Minuten, Aktualisierung eines schriftlichen und von mindestens 5 Minuten Dauer; Tageshöchstwert 744 Punkte: allen Beteiligten zugänglichen Therapie- 213 Punkte je Telefonat, höchstens Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt, planes und/oder eines qualifizierten 7 x im Behandlungsfall: Dauer mindestens 15 Minuten, Schmerztherapieplanes und Notfallpla- Telefonischer Kontakt mit Pflegepersonal palliativmedizinische Betreuung des nes (z. B. „PALMA“) in Zusammenarbeit oder ärztlichem Bereitschaftsdienst oder Patienten (z. B. Schmerztherapie, mit beteiligten Ärzten Angehörigen des Patienten oder dem Symptomkontrolle) Krankenhaus GOP 37302 Zuschlag zur Versicher- GOP 37306 Zuschlag zu GOP 01411, ten- oder Grundpauschale für den 01412 oder 01415 (Dringende Besuche) Diese GOP können nur Konsiliarärzte koordinierenden Vertragsarzt; für die palliativmedizinische mit Zusatzbezeichnung Palliativmedizin 275 Punkte, 1 x im Behandlungsfall: Betreuung in der Häuslichkeit; (siehe SAPV) berechnen: Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt, 124 Punkte je Besuch: Koordination diagnostischer, therapeu- GOP 37314 Konsiliarische Erörterung; Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt, tischer und pflegerischer Maßnahmen, 106 Punkte, 1 x im Behandlungsfall palliativmedizinische Betreuung Koordination der palliativmedizinischen des Patienten (z. B. Schmerztherapie, und palliativpflegerischen Versorgung Symptomkontrolle) durch Einbeziehen von und Zusammen- GOP 37320 Fallkonferenz; 86 Punkte, arbeit mit anderen an der Versorgung höchstens 5 x im Krankheitsfall: des Patienten Beteiligten Patientenorientierte Fallbesprechung GOP 37317 Telefonische Erreichbarkeit Fakten zur besonders qualifizierten unter Beteiligung der notwendigen und Besuchsbereitschaft in kritischen und koordinierten palliativmedizini- ärztlichen Fachdisziplinen und/oder Phasen als Zuschlag zur GOP 37302; schen Versorgung: weiterer komplementärer Berufe sowie 1.425 Punkte, 1 x im Krankheitsfall: www.kbv.de/html/30684.php mit Pflegekräften bzw. Angehörigen, Telefonische Erreichbarkeit des koordi- die an der Patientenversorgung betei- Vereinbarung zur besonders nierenden Arztes für Patient, Angehö- ligt sind (auch telefonisch und als qualifizierten und koordinierten rige, Pflegekräfte und/oder ärztlichen Videofallkonferenz möglich) palliativmedizinischen Versorgung: Bereitschaftsdienst und Besuchsbereit- www.kbv.de > Service > Verträge schaft außerhalb der Sprechstunden- Für diese Leistungen ist eine Abrech- > Bundesmantelvertrag > Anlage 30 zeiten, an Wochenenden, gesetzlichen nungsgenehmigung der Kassenärztli- Palliativversorgung Feiertagen, am 24. und 31. Dezember chen Vereinigung erforderlich: in kritischen Phasen, die nicht durch GOP 37300 Palliativmedizinische qualifizierte Schmerztherapie, einen Ersterhebung des Patientenstatus Therapie-, und/oder Notfallplan zu be- inklusive Behandlungsplan; heben sind; im Vorfeld Abstimmung der 392 Punkte, 1 x im Krankheitsfall: Erreichbarkeit zwischen Arzt und Patient Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt, bzw. Angehörigen; keine Vorgabe, über Untersuchung des körperlichen und welchen zusammenhängenden Zeitraum psychischen Zustands, Ersterhebung bzw. über wie viele Tage im Krankheits- des individuellen palliativen Bedarfs im fall die Erreichbarkeit/Besuchsbereit- Rahmen eines standardisierten palliativ- schaft vorzuhalten ist, dies liegt im medizinischen Assessments in mindes- Ermessen des koordinierenden Arztes. 10 KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG
SPEZIALISIERTE AMBULANTE PALLIATIVVERSORGUNG – SAPV WER HAT ANSPRUCH? ZIELE Manche Menschen, die unheil- bar krank sind, haben ein so Schwerstkranke Menschen, deren Lebensqualität sowie Selbstbestimmung komplexes Symptomgeschehen, Lebenserwartung begrenzt ist und die schwerstkranker Menschen erhalten, dass sie der spezialisierten eine besonders aufwändige Versorgung fördern und verbessern; ein menschen- ambulanten Palliativversorgung, von Fachleuten mit spezifischen Palliativ- würdiges Leben bis zum Tod in der ver- kurz SAPV, bedürfen. kenntnissen und -erfahrungen benötigen trauten häuslichen Umgebung oder einer stationären Pflegeeinrichtung ermög- Voraussetzung ist, dass andere ambu- lichen; vordergründig medizinisch- lante Versorgungsformen sowie ambulan- Die SAPV ist seit 2007 eine Leistung der pflegerische Zielsetzung, Symptome te Hospizleistungen nicht ausreichen gesetzlichen Krankenkassen. Damit soll und Leiden einzelfallgerecht zu lindern oder nur unter besonderer Koordination Menschen, die in ihrer letzten Lebens- möglich sind. Anhaltspunkt dafür ist phase eine besonders aufwändige Ver- HINWEISE ZUR ABRECHNUNG das Vorliegen eines komplexen Symptom- sorgung benötigen, ein würdiges Leben geschehens, z. B. durch eine ausgeprägte bis zum Tod in der vertrauten häuslichen VERORDNUNG neurologische, respiratorische oder Umgebung und bei ihren Angehörigen kardiale Symptomatik Für die Verordnung der SAPV sind für ermöglicht werden. Nur rund zehn Pro- alle Vertragsärzte zwei Abrechnungs- zent der Palliativpatienten fallen schät- DAS GEHÖRT DAZU ziffern im EBM zu finden: zungsweise in diese Versorgungsgruppe. GOP 01425 Erstverordnung der SAPV; SAPV ist Teamarbeit, je nach MULTIPROFESSIONELLES TEAM 253 Punkte Versorgungsbedarf erfolgt sie als: GOP 01426 Folgeverordnung zur Für die spezialisierten palliativen Versor- Fortführung der SAPV; 152 Punkte, gungsangebote wird ein multiprofessio- Beratung, Anleitung oder Begleitung höchstens 2 x im Behandlungsfall nelles Team mit einem interdisziplinären des verordnenden oder behandelnden Arbeitsansatz benötigt. Das palliative Arztes sowie weiterer Beteiligter, Für die Verordnung von SAPV sind keine Kernteam sollte aus Pflegefachkräften z. B. Angehöriger spezifischen Voraussetzungen erforderlich. und Ärzten mit einer spezialisierten Aus- bildung für Palliativversorgung bestehen Koordination der diagnostischen, thera- SAPV-LEISTUNGEN und durch Psychologen, Sozialarbeiter peutischen und pflegerischen Leistungen Die Vergütung der SAPV-Leistungen erfolgt und Physiotherapeuten ergänzt werden. regional unterschiedlich. Dazu schließen Teilversorgung in additiv In stationären Hospizen besteht ein An- die gesetzlichen Krankenkassen Verträge unterstützender Form spruch auf die Teilleistung der erforderli- mit SAPV-Teams vor Ort. Darin regeln sie chen ärztlichen Versorgung im Rahmen Einzelheiten der Versorgung sowie zur Ab- Vollversorgung der SAPV, wenn die ärztliche Versorgung rechnung und Vergütung. In naher Zukunft im Rahmen der vertragsärztlichen Ver- wird es dazu einen einheitlichen Rahmen- sorgung aufgrund des besonders auf- ÄRZTLICHE QUALIFIKATION vertrag geben (nach SGB V § 132d Abs. 1). wändigen Versorgungsbedarfs nicht Anerkannte Zusatzweiterbildung ausreicht. Palliativmedizin nach der aktuell gültigen Weiterbildung der jeweiligen FILMTIPP VERORDNUNG AUF FORMULAR 63 Landesärztekammer Für die Ver- „PALLIATIVMEDIZIN: AUF DEM ordnung der Erfahrung aus der ambulanten pallia- LETZTEN WEG GUT VERSORGT“ SAPV gibt es tiven Behandlung von mindestens ein eigenes 75 Palliativpatienten, z. B. in deren Dr. André Haas ist Hausarzt und vertrags- häuslicher Umgebung oder in einem Palliativmediziner in Thüringen und ärztliches stationären Hospiz, innerhalb der letzten Teil eines SAPV-Teams. Das Filmteam Formular drei Jahre oder aus einer mindestens von KV-on hat ihn begleitet: (Formular 63). einjährigen klinischen palliativmedizi- www.youtube.de > Sucheingabe nischen Tätigkeit in einer Palliativabtei- „Palliativmedizin: auf dem letzten lung in einem Krankenhaus innerhalb Weg gut versorgt“ der letzten drei Jahre KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG 11
PALLIATIVVERSORGUNG NACH DER ONKOLOGIE-VEREINBARUNG Vertragsärzte, die an der Onkologie-Ver- Dabei sind folgende Leistungen einbarung teilnehmen wollen, benötigen verpflichtend: dafür eine Genehmigung ihrer Kassen- Standardisiertes palliativmedizini- ärztlichen Vereinigung. Beim Antrag sches Basisassessment (siehe müssen sie eine bestimmte Qualifikation Stichwort) zu Beginn der Behandlung nachweisen, entweder eine Weiterbil- dung Innere Medizin mit Schwerpunkt Umfassende Behandlung zur Symp- Hämatologie und Onkologie oder die tomkontrolle und -behandlung und Zusatzweiterbildung „Medikamentöse zur psychosozialen Stabilisierung Tumortherapie“ oder eine Facharzt- unter Einbeziehung der Angehörigen beziehungsweise Gebietsbezeichnung, die diese Inhalte erfüllt. Nachzuweisen In Sachsen und Thüringen bestehen eigene sind zusätzlich die Betreuung einer Vereinbarungen zur Onkologie. Auch dort bestimmten Mindest-Patientenzahl wird die Palliativversorgung abgebildet. sowie regelmäßige Fortbildungen. Zur Förderung der ambulanten Versor- Für den besonderen ärztlichen Auf- ÄRZTLICHE AUFGABEN gung speziell krebskranker Menschen wand gibt es Kostenpauschalen, die wurde 2009 mit der Onkologie-Verein- Der onkologisch verantwortliche Vertrags- regional unterschiedlich vergütet barung ein bundesweiter Rahmen arzt stellt die gesamte ambulante Diag- werden – für die Palliativversorgung geschaffen – sowohl kurativ als auch nostik und Therapie der Tumorkrankheit ist es die Kostenpauschale 86518. Sie ist palliativ. Partner sind auf Bundesebene wohnortnah sicher. Für die umfassende als Zuschlag zu den Kostenpauschalen die KBV und der GKV-Spitzenverband. Planung der Therapie bildet er eine onko- 86510 und 86512 bei progredientem In Sachsen und Thüringen gibt es logische Kooperationsgemeinschaft mit Verlauf der Krebserkrankung nach regionale Vereinbarungen zwischen den Fachbereichen: Pathologie, Radiolo- Abschluss einer systemischen medika- Krankenkassen und Kassenärztli- gie, Strahlentherapie, Palliativmedizin, mentösen Tumortherapie oder Strah- chen Vereinigungen. Weil sich nicht Hämatoonkologie sowie gegebenenfalls lentherapie beziehungsweise nach alle Krankenkassen beteiligen, steht mit weiteren Fachbereichen / Schwerpunk- erfolgter Operation eines Patienten diese Form der Versorgung nicht allen ten, wenn diese in Abhängigkeit der ohne Heilungschance einmal im Krebspatienten offen. Tumorerkrankungen erforderlich sind. Behandlungsfall berechnungsfähig. Viele onkologische Schwerpunktpraxen arbeiten mit SAPV-Teams zusammen und können ihren Patienten somit auch diese Form der Palliativversorgung anbieten. STICHWORT PALLIATIVMEDIZINISCHES AMBULANTE SPEZIALFACHÄRZTLICHE BASISASSESSMENT VERSORGUNG Zum palliativen Basisassesment Krebskranke können auch in der ambulanten gehört die umfassende Ersteinschät- spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) behandelt zung mit Anamnese, Umfeldanalyse werden. Dieses interdisziplinäre Behandlungs- und Erfassung der komplexen indivi- angebot richtet sich an gesetzlich Versicherte, AMBULANTE duellen Lebenssituation. Ziele sind die an einer seltenen oder schweren Erkrankung SPEZIALFACHÄRZTLICHE VERSORGUNG eine qualifizierte palliative Erhebung mit besonderem Krankheitsverlauf leiden. Vertrags- INTERDISZIPLINÄR IN PRAXEN UND KLINIKEN AKTUALISIERTE AUSGABE und Behandlungsplanung. Eine Doku- und Klinikärzte übernehmen hier die Versorgung AUGUST 2018 mentationshilfe bietet die Deutsche gemeinsam. Die Vergütung erfolgt zu festen Preisen Gesellschaft für Palliativmedizin: und extrabudgetär ohne Mengenbegrenzung. www.dgpalliativmedizin.de > Service Mehr dazu stellt die KBV auf den ASV-Themenseiten > Dokumentationshilfen > Palliativ- und in einer Broschüre aus der Reihe PraxisWissen vor: medizinisches Basisassessment www.kbv.de/asv 12 KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG
FOKUS HÄUSLICHE KRANKENPFLEGE ALS TEIL DER PALLIATIVVERSORGUNG Bei der Symptomkontrolle sollen Krankheitszeichen und Begleiterscheinungen möglichst schnell erkannt, erfasst und behandelt werden. Vertragsärzte können sie Palliativpatien- ten seit 2017 als Leistung der häuslichen Krankenpflege verordnen. VERBESSERUNG DER SYMPTOMKONTROLLE VERORDNUNG FÜR JEWEILS 14 TAGE IN DER HÄUSLICHKEIT Erst- und Folgeverordnungen können für jeweils bis Bei der häuslichen Krankenpflege erfolgt die zu 14 Tage ausgestellt werden. Die Häufigkeit richtet Symptomkontrolle in enger Abstimmung zwischen sich nach dem individuellen Bedarf. Das heißt, es den Pflegekräften und dem verordnenden Arzt. Im gibt keine Beschränkung hinsichtlich der Anzahl Vordergrund steht die Symptomatik und Lebensqua- und Dauer der täglichen Pflegeeinsätze. lität von Sterbenden in ihrer häuslichen Umgebung zu verbessern. VERORDNUNGSFORMULAR Eine Symptomkontrolle soll insbesondere bei Ärzte geben auf dem Formular 12 „Verordnung Schmerzsymptomen, Übelkeit, Erbrechen, pulmo- häuslicher Krankenpflege“ die Leistungsziffer 24a nalen oder kardialen Symptomen und Obstipation für die palliative Symptomkontrolle an. Unabhängig sowie bei der Kontrolle und Behandlung von exul- davon sind alle notwendigen behandlungspflegeri- zerierenden Wunden durchgeführt werden. Zudem schen Maßnahmen wie gewohnt auf der Verordnung gehört die Krisenintervention dazu, etwa bei Krampf- anzugeben. anfällen, Blutungen oder akuten Angstzuständen. ABGRENZUNG ZUR SAPV IN JEDEM ALTER Die Leistung ist für Patienten gedacht, die einen Die Leistung ist für die Behandlung schwerstkranker palliativen Versorgungsbedarf haben, der keine und sterbender Menschen in jedem Alter verord- Versorgung im Rahmen der SAPV erfordert. Daher nungsfähig. Versicherte müssen an einer nicht ist eine Verordnung bei bereits bestehender SAPV- heilbaren und so weit fortgeschrittenen Erkrankung Versorgung (Teil- oder Vollversorgung) nicht möglich. leiden, dass die Lebenserwartung Wochen oder Tage beträgt. Mehr zur häuslichen Kranken- pflege lesen Sie in der Broschüre „PraxisWissen Häusliche Kranken- pflege – Hinweise zur Verordnung“, die Sie kostenfrei bei der KBV bestellen können, sowie auf der HÄUSLICHE KRANKENPFLEGE Themenseite im Internet: HINWEISE ZUR VERORDNUNG FÜR ÄRZTE www.kbv.de > Service > Verord- nungen > Häusliche Krankenpflege KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG 13
PALLIATIVVERSORGUNG Eine qualitativ hochwertige Palliativ- versorgung erfordert die Vernetzung IM NETZWERK aller Beteiligten. Warum das so ist und was dazu gehört, stellen wir in diesem Kapitel vor. PSYCHOTHERAPEUTEN APOTHEKEN IN DER NÄHE SEELSORGER SELBSTHILFEGRUPPEN HEILMITTELANBIETER PFLEGEDIENST HILFSMITTELANBIETER ANGEHÖRIGE UND PRAXIS-TEAM NAHESTEHENDE QUALITÄTSZIRKEL PATIENT PRAXISNETZE PRAXIS- KON TAKT E NETZWERK N PATIENTE PATIENTEN- DATEN NETZWERK HEIM WEITERE BETEILIGTE HOSPIZ OHNE NETZWERK GEHT ES NICHT KRANKENHAUS SAPV-TEAM Netzwerken ist wichtig – sowohl im direkten Umfeld eines schwerstkranken oder sterbenden Menschen als auch generell in der Region, in der das Praxis- team tätig ist. Ziel ist das „Ummanteln“ eines schwerstkranken oder sterbenden G G UN Menschen. Das Team arbeitet eng mit RFÜ allen zusammen, die dem Patienten VE nahestehen oder wichtig für ihn sind. TEN EN Je nach Bedarf können dann Kontakte, I PAT die für einen Palliativpatienten wichtig sind oder sein könnten, genutzt oder aktiviert werden. Dabei empfiehlt es sich, eine Kontaktliste anzulegen und diese aktuell zu halten. 14 KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG
Zu den Forschungsschwerpunkten von Professor Dr. Johannes Erdmann zählen die Therapie von Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2. Dr. Markus Beier ist Facharzt für Allgemeinmedizin in Erlangen und betreut seit vielen Jahren Palliativpatienten. Er ist außerdem Landesvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, Ehrenvorsitzender des Vereins INTERVIEW Hausärzte Erlangen und Umgebung e.V. sowie Mitglied der Vertreter- versammlung der KV Bayerns. Für das Projekt „Vernetzte Versorgungs- DR. MARKUS BEIER, strukturen in der Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV)“ FACHARZT FÜR erhielt er den Bayerischen Gesundheitspreis 2018 in der Kategorie ALLGEMEINMEDIZIN „Selbstbestimmt leben bis zum Schluss“. Bei der ambulanten Palliativversorgung wird immer wieder Versorgungslandschaft zurückgreift. Die Schaffung künstlicher betont, wie wichtig ein gut ausgebautes und stabiles Strukturen ohne Hintergrund bildet keine stabile Basis. Nieder- Netzwerk ist – warum ist das so wichtig? Besonders in der gelassene Ärzte, die neu in der ambulanten Versorgung sind Palliativversorgung muss jede Betreuung individuell erfolgen. und noch nicht auf etablierte Strukturen zurückgreifen können, Häufig ist es jedoch so, dass gerade am Lebensende plötzlich sollten vorhandene Beratungsangebote nutzen und zum viele Fragen auftauchen, die den medizinischen, sozialen und Beispiel die Regionalstellen der Berufsverbände ansprechen. auch spirituellen Bereich betreffen. Dann ist es hilfreich, wenn Außerdem ist es hilfreich, sich mit dem regionalen Hospizver- die Partner der Versorgung untereinander gut vernetzt sind ein, dem SAPV-Team, falls vorhanden der Palliativstation oder und jeder die Angebote der anderen kennt. So ist eine Vermitt- einem stationären Hospiz in Verbindung zu setzen und sich mit lung von Hilfsangeboten auf kurzem, schnellem Weg möglich, Kollegen, die dort bereits Erfahrung haben, auszutauschen. ohne immer wieder aufs Neue Kommunikationswege aufbauen Wichtig ist aber nicht nur der Aufbau eines Netzwerks, sondern und Angebote zusammensuchen zu müssen. auch dessen Erhaltung. Entscheidend dafür ist eine gute Netz- werkarbeit. Hierfür ist ein regelmäßiger Austausch wichtig und Wie gelingt eine solche Zusammenarbeit im stressigen es empfiehlt sich, regelmäßige Treffen zu initiieren. Hilfreich ärztlichen Praxisalltag? Es ist wichtig, dass wenige Partner kann auch eine Netzwerkbroschüre sein, in der die Strukturen den Kern der Versorgung bilden. Das Kernteam sollte idea- und Angebote des Netzwerkes vorgestellt werden. Damit kann lerweise aus dem Hausarzt, der dem Palliativpatienten über das Netzwerk auch auf sich aufmerksam machen. längere Zeit vertraut ist, und den Mitarbeitern von lokalem Hospizverein und Pflegedienst bestehen. Zu viele Schnittstel- len und ein zu zergliedertes System gefährden die Kontinuität in der Betreuung. Dann funktioniert die Abstimmung oftmals nicht mehr reibungslos. Außerdem muss klar sein, wer welche Aufgaben wann zu erfüllen hat. Klar sein muss auch, dass es QUALITÄTSZIRKEL NUTZEN einen Partner gibt, der die vornehmliche Koordination hat. Vertragsärzte, die AAPV-Leistungen abrechnen, müssen Hier bietet sich die Hausarztpraxis als zentraler Ort der Ver- pro Jahr acht Fortbildungspunkte sammeln. Hierzu zählt sorgungssteuerung an. natürlich auch die Teilnahme an Qualitätszirkeln (QZ), Wie schafft es das ärztliche Team, einen vertrauensvollen einer etablierten Form des kollegialen Lernens. Welche Kontakt zu denjenigen aufzubauen, die einem sterbenden Zirkel es vor Ort gibt, erfahren Ärzte und Psychothera- Menschen besonders nahestehen, und für die Dauer der peuten bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung. Behandlung zu halten? Die Einbindung der Familie und THEMEN-MODUL PALLIATIVVERSORGUNG der Nahestehenden ist zentral in der Palliativversorgung: Wichtig sind Ruhe und Beständigkeit sowie Sicherheit in der QZ-Moderatoren stehen zahlreiche Module zur Verfü- Versorgung des sterbenden Menschen. Diese kann nur erreicht gung, auch eines zur ambulanten Palliativversorgung. werden, wenn das Umfeld des Menschen gut eingebunden Das Modul vermittelt Hintergrundwissen zu den Aufgaben und mitgenommen wird, um Irritationen und Unsicherheiten und Strukturen. Es enthält zudem eine umfangreiche zu vermeiden. Der Hausarzt, der diesen sterbenden Menschen Fallbeispiel-Sammlung für die Diskussion sowie unter- meist schon viele Jahre betreut hat und häufig auch die Familie stützende Materialien wie Checklisten für den ersten Haus- und Nahestehende kennt, kann damit auf eine gute Vertrau- besuch oder Krisenpläne bei akuter Atemnot oder Blutung. ensbasis aufbauen und eine gute Einbindung ermöglichen. Begleitmaterial zu Rechten von Kindern und Hinweise Manchmal jedoch ist eine Vermittlung zwischen den Partnern zum Umgang mit Trauer und Verlust ergänzen das Modul. der Versorgung oder verschiedenen Angehörigen intern Das QZ-Modul zur ambulanten Palliativversorgung steht hilfreich. Hierfür bieten sich Hospizkoordinatorinnen oder zum kostenfreien Download zur Verfügung: -koordinatoren an. www.kbv.de > Service für die Praxis > Qualität > Qualitätszirkel > QZ-Module > Palliativversorgung Welche Tipps können Sie ärztlichen Kollegen für den Aufbau eines Netzwerkes geben? Um ein Netzwerk aufzubauen, Weitere Module, zum Beispiel zur Geriatrie oder Patienten- ist es wichtig, dass man auf gewachsene Strukturen in der fallkonferenz: www.kbv.de/html/qualitaetszirkel.php KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG 15
AUS DER PRAXIS: UTE HARTENSTEIN, FACHÄRZTIN FÜR INNERE MEDIZIN „Palliativmedizin gelingt nur, EINE GEMEINDE IN SACHSEN „Wir wollen dafür sorgen, dass Menschen wenn man eine positive Grundein- Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter die letzten Wochen, Tage und Stunden in einer behüteten Umgebung mit respekt- stellung hat – zum Leben wie zum und jahrelanger Kliniktätigkeit ließ voller Fürsorge verbringen können“, sagt Sterben“, sagt Ute Hartenstein. sich Ute Hartenstein 2012 in Weinböhla die Ärztin. Dabei werden auch die Ange- „So wie die Geburt gehört das nieder – einer Gemeinde mit rund hörigen berücksichtigt und unterstützt. 10.000 Einwohnern zwischen Dresden Sterben zum Leben dazu, das darf und Meißen. „Weil mir die Versorgung man nicht ausblenden, auch wenn ARBEITEN IM TEAM schwer kranker und sterbender Men- es schwerfällt“, betont die Fach- schen sowie generell hochbetagter und Wenn Ute Hartenstein Palliativpatienten ärztin für Innere Medizin. Wichtig multimorbider Patienten schon immer zu Hause oder in Heimen besucht, ist am Herzen lag, habe ich mich zuneh- Anne Vetter-Zeidler fast immer an ihrer ist für sie auch die innere Haltung: mend mit Palliativmedizin beschäftigt“, Seite. Die gelernte Krankenschwester ist „Das Wohl eines Menschen muss erzählt sie. 2014 absolvierte die Ärztin spezialisiert im Bereich Palliativversor- an erster Stelle stehen, ökono- hierfür die Zusatzweiterbildung, 2015 gung und hat ebenfalls viel Erfahrung mische und sonstige Interessen legte sie die Prüfung ab. Sie kann damit mit hochbetagten sowie schwer kranken haben da erstmal keinen Platz.“ sowohl die allgemeine als auch die und sterbenden Menschen. spezialisierte ambulante Palliativver- „In der palliativmedizinischen Versor- sorgung übernehmen. gung kann ich jedem nur empfehlen, mit versierten Krankenschwestern oder Kran- GUT VERNETZT kenpflegern zusammen zu arbeiten“, sagt Dabei ist sie vor Ort sehr gut vernetzt, die Ärztin. „Denn es geht ja nicht allein insbesondere über den eingetragenen um evidenzbasierte Medizin, sondern um Verein ZIP Weinböhla, einer Initiative multiprofessionelle Betreuung“, betont zum Ausbau der Palliativversorgung in sie. Und dabei sei es hilfreich, auch den dieser Region (siehe Info auf Seite 17). Erfahrungsschatz anderer zu nutzen. 16 KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG
RESSOURCE ZEIT Aber manchmal möchte jemand direkt mit der Ärztin sprechen. So erzählte ihr Die Lebenserwartung in Deutschland ist eine hochbetagte Patientin, die nach hoch. Viele ihrer Patienten sind 80, 90 einem erfüllten Leben zurück in die Jahre oder älter – und nicht unbedingt Region gezogen ist, den Lebens- und aufgrund einer Krankheit, sondern manch- Sterbeweg ihres Mannes. „Sie woll- mal nur wegen des hohen Alters in der te mir das unbedingt mitteilen und letzten Lebensphase. Besuche von „Frau ich kam einfach nicht weg, weil das Doktor“ und „Schwester Anne“ sind für natürlich Zeit braucht“, sagt die Ärztin. die Patienten oft das Highlight des Tages. „Aber in dem Fall war es auch ganz Doch die Ressource Zeit ist knapp. Die wichtig, dass die Frau mit mir sprechen Arztpraxis öffnet wochentags um acht, konnte“, betont sie. Denn in dem Ge- bis in den späten Nachmittag hinein ist spräch offenbarte sie auch, wie sie sich die Ärztin auf den Beinen, danach braucht das eigene Lebensende vorstellte und sie Zeit für sich und die Familie. Und für was sie im Rückblick auf das Sterben die Rufbereitschaft. Denn Palliativpatien- ihres Mannes auf keinen Fall wollte. Ute Hartenstein im Gespräch mit ihrer ten und deren Angehörige können sich in Mitarbeiterin Anne Vetter-Zeidler, die sie Notfällen auch nachts oder am Wochen- LEBENSERHALTENDE bei Haus- und Heimbesuchen begleitet. ende an sie wenden. MASSNAHMEN Was wünscht sich die Ärztin für die In ihrer Zeit als Klinik- und Notärztin KOMMUNIKATION IST WICHTIG Palliativversorgung in Deutschland? habe sie solche Szenen immer wieder Wie sagt sie Patienten, deren Lebensuhr „Dass wir das Sterben und den Tod erlebt: Hochbetagte Menschen werden abläuft, dass sie als Ärztin nicht mehr Zeit generell in unserer Gesellschaft nicht eingeliefert, nachdem Angehörige bei- für sie hat? „Wir kommen doch wieder“, so verdrängen“, antwortet sie und fügt spielsweise aufgrund einer aussetzenden antwortet Ute Hartenstein und schaut hinzu: „Es sollte zu einer Selbstver- Atmung den Rettungsdienst gerufen zu Anne Vetter-Zeidler, die zustimmend ständlichkeit werden, mit Senioren haben. „Dann wird beispielsweise ein nickt. Die beiden Frauen verstehen sich über die gewollten und nicht gewollten 90-Jähriger, der sich auch gar nicht mehr auch ohne Worte. Dass sie Patienten zu lebenserhaltenden Maßnahmen am wehren kann oder wehren will, künst- zweit besuchen, hat einige Vorteile: „Wir Lebensende zu sprechen und die Ent- lich beatmet oder gar notoperiert. Es gibt können vieles unterwegs absprechen oder scheidungen schriftlich festzuhalten Sedativa, weil die starken Schmerzen telefonisch in die Wege leiten und uns vor und dort zu hinterlegen, wo Ärzte, sonst nicht auszuhalten sind, belastende Ort aufteilen: der eine misst Blutdruck, Pflegekräfte und Angehörige sie einse- Röntgen- oder CT-Aufnahmen, Medika- der andere nimmt die Daten auf.“ hen können.“ Diese vorausschauende mente mit starken Nebenwirkungen. Und Versorgungsplanung, im englischen wenn dieser 90-Jährige noch ein paar Dafür nutzen sie in der SAPV ein Tablet, advance care planning (ACP), gehe über Tage auf der Intensivstation durchhält über das sie auf die Patientenakte zugrei- das Erstellen von Patientenverfügung und dann stirbt, fragt man sich schon, fen. Auch betreuende Pflegekräfte können und Vorsorgevollmacht hinaus. ob das so sein muss.“ Angesichts des auf die Akte zugreifen, sodass jeder unentwegten medizinischen Fortschritts Beteiligte den aktuellen Stand hat und Eine Maßnahme, die sie in den von ihr sollten ihr zufolge ethische Aspekte eine sich informieren kann oder Informationen betreuten Pflegeheimen umsetzt, ist zunehmende Beachtung finden. für die anderen hinterlässt: Was war beim das Ausfüllen des PALMA-Formulars. letzten Mal auffällig? Worauf weisen die In diesen „Patienten-Anweisungen Pflegekräfte die Ärztin hin? Was teilt die für lebenserhaltende Maßnahmen“ Ärztin den Pflegekräften mit? (PALMA) wird mit ärztlicher Beratung individuell festgelegt, ob beispielswei- Ute Hartenstein gehört der Arbeits- GESPRÄCHE MIT PATIENTEN se eine Herz-Lungen-Wiederbelebung gruppe „Ambulante Palliativversorgung“ durchgeführt werden soll oder nicht. der Deutschen Gesellschaft für Palliativ- Die Datenerfassung und der Informations- Solche vorausschauenden Festlegungen medizin an. Sie unterstützt den eingetra- fluss sind das eine. Wichtig ist jedoch vor hält Ute Hartenstein für extrem wichtig. genen Verein „ZIP Weinböhla“, der die allem das persönliche Gespräch – und „Sonst weiß am Ende keiner, was der- palliativen Versorgungsstrukturen in der hier spielt wieder die Ressource Zeit eine jenige will, der im Sterben liegt, und es Region ausbauen will. Kollegen, die den Rolle: „Viele Palliativpatienten möchten kommt zu Reanimationen, unnötigen Verein ebenfalls unterstützen wollen oder sich am Lebensende noch einmal mittei- Krankenhauseinweisungen und Thera- eine ähnliche Initiative in ihrer Region len“, erzählt Ute Hartenstein. Natürlich pien, die vom Palliativpatienten nicht planen, finden hier Informationen: stehen Pflege- und Hospizkräfte, Seel- mehr gewünscht werden.“ https://zip-weinboehla.de sorger oder die Angehörigen bereit. KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG 17
FOKUS BETÄUBUNGSMITTEL Bei Schwerstkranken und Sterbenden sind Symptome unter Umständen so stark, dass übliche Medikamente nicht ausreichen. Dann können Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, infrage kommen. Beispielhaft stellen wir zwei Medikamentengruppen vor. OPIOIDE TIPP Schmerzen gehören zu den besonders belastenden Symptomen bei Palliativpatienten. Reichen gängige Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol nicht GESUNDHEITSINFORMATION FÜR PATIENTEN mehr aus, können Opioide die notwendige Wirkung Wie wirken Opioide? Wann werden haben. Opioide sind erprobte Schmerzmittel. Sie Opioide eingesetzt? Wann wird von enthalten opiumartige Wirkstoffe, die natürlicher- Opioiden abgeraten? Unter dem Titel weise im Schlafmohn vorkommen. Am bekanntesten „Dauerhaft starke Schmerzen – wann helfen ist Morphin (früher: Morphium). Opioide?“ bietet die KBV eine Gesundheitsin- Opioide hemmen gezielt die Schmerzübertragung, formation für Patienten an. Praxen können sie vor allem in Gehirn und Rückenmark. Sie unterdrü- kostenfrei abrufen und ausdrucken: cken plötzlich auftretende Schmerzen. Entgegen www.kbv.de/html/12010.php immer noch bestehender Mythen ist die Gefahr einer Abhängigkeit und auch einer Atemdepression bei einer an die Schmerzintensität und -dauer angepass- ten Dosierung und Anwendung eher gering. Meist werden Opioide in einer Kombination aus medikamentösen, physiotherapeutischen und psy- chologischen Maßnahmen eingesetzt. Die Schmerz- therapie sollte dem WHO-Stufenschema folgen (siehe Abbildung) und entsprechend aufgebaut werden. Welche Therapie geeignet ist, muss im Einzelfall WHO-STUFENSCHEMA DER SCHMERZTHERAPIE: entschieden werden. STARKE OPIOIDANALGETIKA z. B. Morphin Oxycodon STUFE 3 Nicht-Opioidanalgetika Begleitmedikation Fentanyl Buprenorphin unterstützende Maßnahmen SCHWACHE OPIOIDANALGETIKA z. B. Dextropropoxyphen Dihydrocodein STUFE 2 Nicht-Opioidanalgetika Begleitmedikation Tramadol Tilidin (mit Naloxon) unterstützende Maßnahmen NICHT-OPIOIDANALGETIKA z. B. Acetylsalicylsäure Diclofenac STUFE 1 Begleitmedikation Ibuprofen Naproxen unterstützende Maßnahmen Paracetamol 18 KBV PRAXISWISSEN PALLIATIVVERSORGUNG
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