Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

 
WEITER LESEN
Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Prof. Dr. med. S.C. Bischoff

                                                        Ernährung und Darmflora
                                                        Ihre Bedeutung bei
                                                        Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Ein Service der

ARDEYPHARM GmbH
58 313 Herdecke · Loerfeldstraße 20
Telefon 0 23 30 - 977-677 · Telefax 0 23 30 - 977-697
office@ardeypharm.de · www.ardeypharm.de                    Ein Service der Ardeypharm GmbH, Herdecke
Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Prof. Dr. med. S.C. Bischoff

Ernährung und Darmflora
Ihre Bedeutung bei
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Inhaltsverzeichnis

                                                                     Vorwort                                                      5

                                                                      1. Grundlagen
                                                                           Was sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) 7
                                                                           Die Darmflora und ihre Bedeutung bei CED                8
                                                                           Warum ernährungsmedizinische Maßnahmen bei CED         11
                                                                           Mangelernährung bei CED                                13
                                                                           Kann die Ernährung auch Auslöser von CED sein          16

                                                                      2. Ernährungsformen
                                                                           Orale Ernährung                                       18
                                                                           Enterale Ernährung                                    18
                                                                           Parenterale Ernährung                                 19

                                                                      3. Bevorzugte Ernährungsformen im akuten Schub             20
                                                                           Vorschläge zum Kostaufbau nach akutem
                                                                           Schub einer CED                                       22

                                                                      4. Ernährungsweise in der Remissionsphase                  24

                                                                      5. Ernährungsmedizinische Konzepte bei Komplikationen
                                                                        (Fisteln, Stoma, Kurzdarmsyndrom)                        27

                                                                      6. Allgemeine Empfehlungen zur oralen Kost                 33

                                                                      7. Ernährung in besonderen Situationen                     40

Verfasser: Prof. Dr. med. S.C. Bischoff                               8. Speziell angereicherte Diäten bei CED                   43
Lehrstuhl Ernährungsmedizin/Prävention
Universität Hohenheim                                                 9. Einfluss der Ernährung auf die Darmflora                45
Fruwirthstraße 12 · 70593 Stuttgart                                  10. Zusammenfassung                                         46
Tel. 0711 / 459 41 01 · Fax 0711 / 459 43 43
Unter Mitarbeit von                                                  11. Glossar: Fachausdrücke und Abkürzungen                  48
Dipl. oec. troph. Sylvia Gastell, Düsseldorf
Diätassistentin Sabine Schuklies, Fachklinik Sonnenhof, Waldachtal
Diätassistentin Claudia Seipt, Medizinische Hochschule Hannover

© 2006

2                                                                                                                                 3
Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Vorwort

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), zu denen der Morbus
Crohn und die Colitis ulcerosa gerechnet werden, sind in Schüben ver-
laufende Erkrankungen des Verdauungstrakts, die dessen Funktion erheblich
beeinträchtigen. Zu den möglichen Folgen zählen häufig Störungen der
Nahrungsaufnahme mit Mangelernährung und bei Kindern Wachstumsver-
zögerungen. Es wird angenommen, dass etwa 2⁄3 der Patienten mit Morbus
Crohn und 1⁄ 3 der Patienten mit Colitis ulcerosa einen Gewichtsverlust von
mehr als 10 % der Norm aufweisen. Die Mangelernährung kann sich außer-
dem in Form von Blutarmut, Eiweißmangel im Blut, Verlust von Stickstoff
oder Mangel an Blutsalzen, Vitaminen und Spurenelementen äußern. Offen-
sichtlich gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ernährungsstatus und
der Krankheitsaktivität. Aus diesen Gründen sind ernährungsmedizinische Maß-
nahmen ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung von Patienten mit CED.
Aus jüngster Zeit stammen neue Erkenntnisse zur Bedeutung der Darmflora,
sowohl im Hinblick auf die Entstehung als auch die Behandlung chronisch
entzündlicher Darmerkrankungen. Darauf begründet sich der Einsatz pro-
biotischer Arzneimittel bei CED.
Offen bleibt die Frage, ob Ernährungsfaktoren auch die Ursache von CED
sein können. Eine „CED-Diät“ gibt es nicht. Vielmehr wird empfohlen, sich
ausgewogen, d. h. nach allgemeiner Ansicht „gesund“, zu ernähren und
lediglich individuelle Unverträglichkeiten zu beachten. Viele CED-Patienten
geben Beschwerden an, die auf primäre Nahrungsmittelallergien oder auf im
Krankheitsverlauf erworbene, durch die gestörte Darmfunktion bedingte,
sekundäre Unverträglichkeiten und Mangelerscheinungen zurückzuführen sind.
Ein besonderes Thema ist der Stellenwert der künstlichen Ernährung bei CED.
Die Notwendigkeit einer künstlichen Ernährung ist in Spezialsituationen
(Fisteln, Kurzdarm, Stenosen) unbestritten, während im akuten Schub nicht
generell künstlich ernährt werden muss.
Trotz einiger offener Fragen lassen sich klare Empfehlungen zur Ernährung
bei CED geben, die in dieser Broschüre zusammengefasst sind. Wir hoffen,
damit Betroffenen Anregungen zur Ernährung geben zu können und das
Verständnis für ernährungsmedizinische Maßnahmen bei CED zu erhöhen.
Für Anregungen und konstruktive Kritik sind wir dankbar. Wir wünschen
Ihnen viel Freude beim Lesen!

Prof. Dr. med. S.C. Bischoff                         Stuttgart, im Juni 2006

                                                                          5
Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
1. Grundlagen

    Was sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)?
    Der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa sind schubweise ver-
    laufende Erkrankungen des Verdauungsapparates. Nach Schätzung
    der Deutschen Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV)
    sind in Deutschland ca. 300.000 Menschen an einer CED erkrankt.
    Überwiegend sind jüngere Menschen im Alter zwischen 15 und
    40 Jahren betroffen.
    Während bei Colitis ulcerosa die Entzündungsreaktion auf die ober-
    flächlichen Schichten der Darmwand im Bereich des Dickdarmes
    begrenzt ist, kann bei Morbus Crohn die gesamte Darmwand im
    Bereich des Dünn- und Dickdarms betroffen sein. Bei Patienten mit
    Morbus Crohn treten die Entzündungen bevorzugt im Bereich des
    unteren Ileums und des Dickdarms auf, können sich jedoch auf alle
    Abschnitte des Magen-Darm-Trakts ausbreiten. In der Folge kann es
    zu Darmverengungen und Fistelbildungen kommen. Die Colitis ulcero-
    sa nimmt ihren Anfang immer im Enddarm, kann aber auch bis zum
    Quercolon verlaufen („linksseitige Kolitis“) oder den gesamten Dick-
    darm befallen („Pankolitis“).
    Die Patienten klagen über krampfartige Schmerzen im Unterbauch,
    Übelkeit, Durchfälle, Appetitverlust, Gewichtsabnahme, Blutungen
    aus dem Darm und Fieber. Die Folgen sind häufig Mangelerschei-
    nungen (Eiweiß- und Vitaminmangel) und bei Kindern zusätzlich
    Wachstumsstörungen.
    Bei CED-Patienten kann es zur Mitbeteiligung anderer Organe außer-
    halb des Verdauungstraktes kommen. Zu diesen sogenannten extra-
    intestinalen Manifestationen gehören z. B. Gelenkentzündungen, ent-
    zündliche Hautveränderungen, Knochenschwund (Osteoporose) oder
    auch Entzündungen der Augen.

6                                                                     7
Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Die Darmflora und ihre Bedeutung bei CED
Der Magen-Darm-Trakt ist von zahlreichen Kleinstlebewesen                  lebensnotwendig. Sie unterstützt die Entwicklung des Immunsystems
(Mikroorganismen) – hauptsächlich Bakterien – besiedelt, die zusam-        und ermöglicht es dem Körper, Krankheitserreger abzuwehren. Das
men auch als Darmflora bezeichnet werden.                                  Immunsystem des Darmes ist das größte Immunorgan des Körpers
Die meisten Bakterien befinden sich im Dickdarm. Ihre Zahl kann man        und steht mit den Immunsystemen anderer Gewebe in Verbindung.
sich nur schwer vorstellen: es sind 100.000.000.000.000 (100 Billionen     Die Immunzellen, die sich in der Darmwand befinden, werden durch
oder 1014) Bakterien. Verständlicher ist wahrscheinlich das Gewicht        den ständigen Kontakt mit von außen aufgenommenen Stoffen und
dieser Bakterien im Dickdarm: sie wiegen zusammen ca. 1 kg. Auch           Bakterien aktiviert. Eine gesunde Darmflora „trainiert“ diese Abwehr-
die Stuhlmasse (Feuchtgewicht) besteht zu 50 -- 60 % aus Bakterien.        zellen und bereitet sie auf die Bekämpfung von Krankheitserregern
                                                                           vor. Ohne die normale Darmflora kann die optimale Funktion des
Die Bakterien im Darm leben und betreiben einen intensiven Stoff-
                                                                           Immunsystems nicht aufrechterhalten werden.
wechsel. In der Gesamtheit erreicht er die Stoffwechselleistung der
Leber, die als zentrales Stoffwechselorgan des Körpers gilt. Im Darm       Bei der Entstehung der CED wirken mehrere Faktoren zusammen.
leben die verschiedensten Bakterienarten zusammen und bilden bei           Dazu zählen eine erbliche Veranlagung und überschießende Immun-
gesunden Menschen ein kompliziertes Ökosystem aus. Das Gleich-             reaktionen, ausgelöst durch bestimmte Umwelteinflüsse. Hier spielt
gewicht der Bakterien im Darm wird von zwei großen Gruppen                 die Darmflora eine zentrale Rolle. In jüngster Zeit wurden interessante
bestimmt: auf der einen Seite den „aeroben“ Keimen, die auf Sauer-         Erkenntnisse über die Kommunikation zwischen den Darmbakterien
stoff angewiesen sind, und auf der anderen Seite den „anaeroben“           als den Bewohnern und dem Menschen als Wirt gewonnen. Als ge-
Keimen, für die Sauerstoff schädlich ist. Im Dickdarm bzw. im Dick-        sichert gilt, dass CED nicht wie bestimmte Infektionskrankheiten auf
darminhalt des Erwachsenen sind die Anaerobier zahlenmäßig über-           einen bestimmten Erreger zurückzuführen sind. Vielmehr werden
legen, da die Aerobier hauptsächlich an der Darmwand siedeln.              überschießende Immunreaktionen beobachtet, die sich gegen das
Anders ist es direkt nach der Geburt. Zu diesem Zeitpunkt befindet         eigene Darmgewebe richten. Normalerweise besteht eine natürliche
sich noch Sauerstoff im Magen-Darm-Trakt. Als erstes besiedeln des-        Toleranz des Darmimmunsystems gegenüber der Darmflora. Bei CED-
halb Bakterien den Darm, die Sauerstoff verbrauchen und das Milieu         Patienten scheint diese verloren gegangen zu sein. Auffällig ist auch,
im Darm so verändern, dass sich danach auch anaerobe Mikro-                dass ein akuter Schub häufig im Anschluss an eine Durchfall-
organismen ansiedeln und vermehren können. Der wichtigste Erst-            erkrankung auftritt.
besiedler des Darms ist Escherichia coli. Er baut den Sauerstoff ab, der
                                                                           Die CED betreffen hauptsächlich den Dickdarm und damit den
über das Blut zum Darm transportiert wird und bereitet somit das
                                                                           Bereich des Verdauungstraktes mit den meisten Bakterien. Im Ver-
anaerobe Milieu des Dickdarms und stabilisiert das bakterielle Gleich-
                                                                           gleich zu Gesunden werden bei CED-Patienten vermehrt Bakterien
gewicht der Darmflora unser Leben lang.
                                                                           unmittelbar an oder sogar in der Darmschleimhaut gefunden. Häufig
Keimfrei (steril) sind wir in unserem ganzen Leben nur während des         sind die Keime der gesunden Darmflora vermindert, während poten-
Zeitraumes vor der Geburt. Unmittelbar danach werden alle Körper-          ziell krankmachende Keime vermehrt vorkommen. Dazu gehören z. B.
oberflächen des Neugeborenen, auch der Magen-Darm-Trakt, mit               die normalerweise nur in sehr geringen Mengen vorhandenen Myko-
Bakterien besiedelt. Die Bakterien stammen aus der Scheiden- und           bakterien, Salmonellen, pathogene E. coli, Chlamydien, Yersinien oder
Darmflora der Mutter und aus der Umgebung (z.B. von den Händen             Proteus. Dieser Nachweis echter Infektionserreger ist allerdings eher
der Ärzte und Schwestern im Krankenhaus oder aus der Luft). Diese          eine Folge der Darmentzündung. Diese Keime sind nicht die Ursache
Keimbesiedlung des menschlichen Körpers ist ganz natürlich und             der Erkrankung, sondern sie siedeln sich auf der entzündeten

8                                                                                                                                               9
Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Schleimhaut leichter an und können einen akuten Schub auslösen           Warum ernährungsmedizinische Maßnahmen bei CED?
bzw. unterhalten. Zudem kann eine so veränderte Darmflora nicht          Zu den typischen Komplikationen bei CED-Patienten zählen eine
im selben Maße wie eine gesunde Darmflora die essentiellen Nähr-         Mangelernährung und bei Kindern Wachstumsverzögerungen. Etwa
stoffe (kurzkettige Fettsäuren) für die Schleimhaut bereitstellen. Das   2⁄ 3 der Patienten mit Morbus Crohn und 1⁄ 3 der Patienten mit Colitis
führt zu einem frühzeitigen Absterben der Darmzellen und dem             ulcerosa weisen einen Gewichtsverlust von mehr als 10 % des
klinischen Bild der Entzündung.                                          Normalgewichts auf. Die Mangelernährung zeigt sich außerdem in
Die Erkenntnisse zur Bedeutung der Darmflora bei CED haben auch          Form von Eiweißmangel im Blut (insbesondere Albuminmangel), Blut-
therapeutische Konsequenzen. So wird mit dem probiotischen E. coli       armut (Anämie) und Mangel an Mineralstoffen, Vitaminen und
Stamm Nissle 1917 (Mutaflor®) die Remission einer Colitis ulcerosa       Spurenelementen (Tabelle 1). Bei hoher Krankheitsaktivität ver-
aufrechterhalten oder der Prednisolonverbrauch bei Patienten mit         schlechtert sich im allgemeinen der Ernährungszustand der Betroffenen.
Morbus Crohn des Dickdarms gesenkt. Über die Wirkmechanismen             Deshalb sind ernährungsmedizinische Maßnahmen ein wichtiger
dieser speziellen Bakterien wurde in den vergangenen Jahren intensiv     Bestandteil in der Behandlung von Patienten mit CED.
geforscht. Heute weiß man, dass sie die Barrierefunktion des Darm-
epithels stärken, vor einer Vielzahl krankmachender Keime schützen
und einen positiven Effekt auf das menschliche Immunsystem ausüben.      Tabelle 1:
                                                                         Mangelerscheinungen bei CED-Patienten (Häufigkeit in %)

  Beeinflussung der Darmflora,                                                              Morbus Crohn       Colitis ulcerosa
  ein Therapieprinzip bei CED, weil:                                      Gewichtsverlust       60 -- 75 %            20 -- 60 %
                                                                          Blutarmut             60 -- 80 %                  60 %
  • Hauptbefallsort Dickdarm, wo die meisten Bakterien leben
                                                                          Mangel an:
  • Besserung der Symptomatik nach Darmspülungen und Anti-                Eiweiß                  25 -- 80 %          25 -- 50 %
    biotikagabe                                                           Eisen                         40 %                80 %
  • Infektiöse Darmerkrankung kann akuten Schub auslösen                  Vitamin B12                   50 %                 5%
                                                                          Folsäure                40 -- 50 %          30 -- 40 %
  • Vermehrter Nachweis von Krankheitserregern wie z. B. Myko-
                                                                          Vitamin D               25 -- 75 %                35 %
    bakterien, Salmonellen, pathogene E. coli , Chlamydien,
                                                                          Zink                    20 -- 40 %                    –
    Yersinien, Proteus
                                                                          Kalzium                       13 %                    –
  • Austausch der Darmflora durch Stuhleinläufe von Darm-                 Magnesium                15-30 %                      –
    gesunden kann Entzündung bekämpfen                                    Kalium                   5 -- 20 %                    –
  • Therapieerfolg durch probiotische Arzneimittel
    (z. B. Mutaflor®)

10                                                                                                                                          11
Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Die Ernährungsdefizite können eine Reihe von unterschiedlichen        Mangelernährung bei CED
Beschwerden und Folgeerkrankungen hervorrufen (Tabelle 2). Mit
                                                                      Zu den wichtigsten Aufgaben des Magen-Darm-Trakts gehört die
ernährungsmedizinischen Maßnahmen wird versucht, Mangel-
                                                                      Aufnahme der Nahrungsinhaltsstoffe (Kohlenhydrate, Eiweiß, Fett,
erscheinungen zu beseitigen und den Krankheitsverlauf der CED posi-
                                                                      Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente). In verschiedenen
tiv zu beeinflussen.
                                                                      Abschnitten des Darms werden unterschiedliche Stoffe aufgenom-
                                                                      men (Tabelle 3). Mangelerscheinungen bei CED-Patienten hängen
Tabelle 2:                                                            somit wesentlich von den betroffenen Darmabschnitten und dem
Begleitsymptome bei CED, ausgelöst durch einen Mangel                 Ausmaß der Entzündung ab.
an Nahrungsinhaltsstoffen
                                                                      Tabelle 3:
 Symptom                         möglicher Mangel z. B. an:
                                                                      Lokalisation der Aufnahme von Nahrungsinhaltsstoffen
 Blutarmut                       Eiweiß, Folsäure, Vitamin B12, B6    in den einzelnen Darmabschnitten
 Knochenschwund                  Eiweiß, Kalzium, Vitamin D
                                                                       Zwölffingerdarm, Leerdarm   Wasser, Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate,
 Muskelschwund                   Eiweiß, Kalzium, Vitamin D,           (Duodenum und Jejunum)      Mineralstoffe (Elektrolyte),
                                 Magnesium                                                         Vitamine (außer B12)
 Wachstumsverzögerungen          Eiweiß, Kalzium, Folsäure             Krummdarm (Ileum)           Wasser, verbleibende Substrate,
 Nervenleiden                    Vitamine B2, B6, B12                                              Mineralstoffe (Elektrolyte),
                                                                                                   Gallensäuren, Vitamin B12
 Überfunktion der Schilddrüse    Kalzium, Vitamin D
                                                                       Dickdarm (Kolon)            Wasser, Mineralstoffe (Elektrolyte),
 Schleimhautblutungen            Vitamine K und C
                                                                                                   kurzkettige Fettsäuren, Vitamin K
 Schwellungen (Wassersucht)      Eiweiß

12                                                                                                                                        13
Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Verschiedene Mechanismen führen zur Mangelernährung bei CED          Besonders hervorzuheben sind die möglichen Folgen einer Mangel-
(Tabelle 4). Dazu könnte neben der gestörten Schleimhautresorption   ernährung bei CED im Kindesalter. Hierbei kommt es häufig zu einer
auch ein gestörter Stoffwechsel beitragen. Abgemagerte Patienten     Wachstumsverzögerung. Diese wird bei 15 -- 40 % der vorpubertären
mit Morbus Crohn nehmen selbst bei ausreichender Energiezufuhr       Kinder mit Morbus Crohn und bei 2--20 % der Kinder mit Colitis
schwer an Gewicht zu. Möglicherweise haben sie eine von der Nah-     ulcerosa beobachtet. Mit ernährungsmedizinischen Maßnahmen sollte
rungsaufnahme unabhängige hohe Fettverbrennung.                      bei diesen Kindern so früh wie möglich begonnen werden, weil
                                                                     nach Abschluss der Knochenreifung der Minderwuchs kaum mehr
Tabelle 4:                                                           aufzuholen ist. Es ist daher wichtig, die Mangelernährung frühzeitig
Mögliche Gründe für eine Mangelernährung bei CED                     zu erkennen und rechtzeitig Trinknahrungen oder enterale Diäten
                                                                     einzusetzen.
 Mechanismen               Ursachen
 Verminderte orale         Bauchschmerzen, Durchfall,                  Messverfahren zur Erfassung des
 Nahrungsaufnahme          Übelkeit, Erbrechen,                        Ernährungszustandes
                           Appetitlosigkeit, strenge Diäten,
                           unzureichende künstliche Ernährung          Neben den Ursachen einer Mangel- bzw.
                                                                       Fehlernährung ist es wichtig, den Grad der
 Gestörte Aufnahme von Verminderte funktionstüchtige Schleim-          Mangelsituation zu erfassen.
 Nahrungsinhaltsstoffen hautoberfläche durch Entzündungen
 vom Darm in das Blut   oder operative Entfernung eines kranken        Zur Beurteilung des Ernährungszustandes dienen:
                        Darmabschnittes („Kurzdarm-Syndrom“),
                                                                       • Gewicht (kg) und Körpergröße (m)
                        Erkrankungen der Leber,
                        Bakterielle Fehlbesiedlung des Darms,          • „Body mass index“= BMI
                        Medikamente (s. u.)                              (Gewicht/Größe2 in kg/m2)
 Verlust von Körper-       Durchfall, Blutungen im Magen-Darm-         • Trizeps-Hautfaltendicke am Oberarm (mm)
 flüssigkeiten,            Trakt („Eiweißverlust-Syndrom“)             • Oberarmumfang (cm)
 Mineralstoffen und
                                                                       • Körperzusammensetzung
 Spurenelementen
                                                                         (Body impedance analysis, BIA)
 Gesteigerter Bedarf an    Entzündungen, Fieber, Wundheilung
 Nährstoffen (Energie!),   an Darmschleimhaut bzw. Darmwand,           • Energieverbrauch (Kalorimetrie)
 Vitaminen,                beschleunigter Umsatz der roten             • Laborbefunde (z.B. Blutbild, Protein, Elektrolyte,
 Mineralstoffen etc.       Blutkörperchen                                Vitamine, Eisen und Zink)
 Stoffwechselstörungen,    Nebenwirkungen von Arzneimitteln            • Hautveränderungen
 z. B. Kalzium-, Eiweiß-   wie z. B. Kortison (Prednisolon),
 stoffwechsel, Folsäure-   Sulfasalazin oder Colestyramin
 und Vitamin-Mangel
 (besonders A, D, E, K)

14                                                                                                                                    15
Ernährung und Darmflora - Ihre Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Kann die Ernährung auch Auslöser von CED sein?
Neben Bakterien werden auch Nahrungsmitteleiweiße oder Umwelt-           Welche Bedeutung die Ernährung bzw. das Stillen im Säuglingsalter
schadstoffe als Ursache für CED diskutiert. Sie könnten bestimmte        auf die Entstehung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa haben
Abwehrzellen der Darmwand stimulieren, wodurch dann verschiedene         ist unbekannt. Die Muttermilch hat positive Auswirkungen sowohl
Entzündungsreaktionen in Gang gesetzt würden.                            auf die Entwicklung einer normalen Darmflora als auch auf das
                                                                         Immunsystem.
Umweltfaktoren haben einen Einfluss auf die Häufigkeit von CED.
Beispielsweise kommt der Morbus Crohn in Industrieländern und ins-       Ob immunologische Reaktionen gegen Nahrungsmittel an der Ent-
besondere in Stadtgebieten häufiger vor als in ländlichen Gegenden       stehung von CED beteiligt sind, ist ebenfalls noch nicht abschließend
und Entwicklungsländern. Neben vielen anderen denkbaren Fakto-           untersucht. Im Blut von CED-Patienten sind vermehrt Antikörper
ren könnten dabei auch Ernährungsgewohnheiten eine Rolle spielen.        gegen Nahrungsproteine (z. B. Saccharomyces cerevisiae aus Bäcker-
So wurden raffinierter Zucker (Haushaltszucker), gehärtete Fette (Mar-   hefe, Lactoglobulin aus Milch, Gliadin aus Getreide oder Ovalbumin
garine) oder auch für die Herstellung von Süßspeisen und anderen         aus Eiern) nachweisbar. Ihre Bedeutung ist unklar. Die Zweifel beru-
Fertigprodukten verwendete Stabilisatoren (z. B. Carrageen) in Zusam-    hen unter anderem darauf, dass eine
menhang mit dem gehäuften Auftreten des Morbus Crohn gebracht.           Hefe-freie Diät keinen Effekt auf
Abschließende Erkenntnisse fehlen derzeit noch.                          die Krankheitsaktivität bei
                                                                         Morbus Crohn hat. Ande-
                                                                         rerseits führt das Weglas-
                                                                         sen bestimmter Nahrungs-
                                                                         mittel, die vom Patienten
                                                                         als unverträglich einge-
                                                                         stuft werden, zu einer
                                                                         Erhöhung der Remissions-
                                                                         rate. Kinder mit CED
                                                                         haben besonders häufig eine
                                                                         Kuhmilchallergie. Die Zusammen-
                                                                         hänge zwischen Allergie und CED treffen möglicherweise nur für
                                                                         bestimmte Patienten bzw. Stadien der Erkrankung zu. Eine allergolo-
                                                                         gische Abklärung ist häufig sinnvoll.

16                                                                                                                                         17
2. Ernährungsformen                                                        Die Nährstoffrelationen basieren auf den Empfehlungen der Deut-
                                                                           schen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Diese Form der Ernährung
Orale Ernährung                                                            setzt voraus, dass die Aufspaltung und Aufnahme der Nährstoffe im
Wann immer es möglich ist, sollte einer „normalen“ Ernährung mit           Darm weitestgehend funktionieren. Die meisten enteral ernährten
natürlichen Lebensmitteln vor einer künstlichen Ernährung der Vorzug       Patienten mit CED können optimal mit diesen Nährlösungen verpflegt
gegeben werden. Man spricht von der oralen Ernährung – dem Essen           werden.
und Trinken über den Mund. Die ausgewählten Speisen richten sich           In den niedermolekularen Nahrungen sind die Nährstoffe schon
nach den jeweiligen Bedürfnissen, Vorlieben und Abneigungen sowie          soweit gespalten, dass eine Zerkleinerung durch körpereigene Ver-
Unverträglichkeiten. Industriell gefertigte Trinknahrungen in ver-         dauungssäfte nicht mehr notwendig ist. Diese Nahrungen können in
schiedenen Geschmacksrichtungen (früher „Astronautenkost“                  der akuten Entzündungsphase oder bei Patienten, die aufgrund von
genannt) werden eingesetzt, wenn der Patient normal essen, die             Operationen einen stark verkürzten Dünndarm aufweisen, eingesetzt
erforderlichen Mengen an Nährstoffen aber nicht verzehren kann.            werden. Es gibt niedermolekulare Nahrungen auch zum Trinken in
Ihre ausschließliche oder langfristige Verwendung wird selten tole-        verschiedenen Geschmacksrichtungen.
riert. In der Regel werden maximal 500 ml Trinknahrung (entspricht
meistens 500 kcal) pro Tag zugeführt.                                      Parenterale Ernährung
                                                                           Man spricht von einer parenteralen Ernährung, wenn der Magen-
Enterale Ernährung
                                                                           Darm-Trakt völlig umgangen wird und die Nährlösungen über eine
Bei der enteralen Ernährung gelangt die Nahrung über eine Sonde            Vene direkt in das Blut gelangen. Eine Verdauung ist überhaupt nicht
direkt in den Magen bzw. Dünndarm. Sollen mehrere Tage Zusatz-             mehr nötig. Für die parenterale Ernährung ist ein spezieller Zugang
nahrungen zugeführt werden, wird häufig eine Nasensonde emp-               erforderlich, der sogenannte zentrale Venenkatheter (ZVK). Dieser
fohlen. Dies ist ein dünner Schlauch, der über die Nase und durch die      wird nach örtlicher Betäubung am Hals oder in der Nähe des Schlüs-
Speiseröhre bis in den Magen („nasogastrale“ Sonde) oder in den            selbeins eingeführt und über die obere Hohlvene bis vor das Herz
Dünndarm („nasoduodenale“ Sonde) vorgeschoben wird.                        geschoben. Mit dieser Form der Ernährung soll der Darm „ruhig
Soll länger als 4 -- 6 Wochen enteral ernährt werden, ist oft eine ande-   gestellt“ werden. Die parenterale Ernährung wird nur bei sehr schwe-
re Versorgung ratsam. Es wird dann während einer Magenspiegelung           ren Entzündungen, bei Fisteln und Darmverengungen eingesetzt und
eine Sonde direkt durch die Bauchwand in den Magen oder den                betrifft in der Regel nur Krankenhaus-Patienten.
Dünndarm gelegt. Diese Sonde wird als „PEG“ (= perkutane endo-             Probleme der totalen parenteralen Ernährung (TPE) sind Katheterin-
skopische Gastrostomie) bezeichnet. Bei Fisteln am Magen kann das          fektionen bis hin zur schweren Sepsis und bei längerer Anwendung
Verfahren nicht angewendet werden.                                         die Ausbildung einer Fettleber (hohe Glukosezufuhr!) sowie ein Gal-
Enterale Ernährungslösungen werden meist industriell gefertigt.            lestau. Letzterer wird bei etwa 15% der Patienten beobachtet, wes-
Unterschieden wird zwischen „Nährstoffdefinierten Diäten“ (NDD)            halb bei dauerhafter parenteraler Ernährung die frühzeitige Entfer-
und niedermolekularen Nahrungen, früher auch „chemisch definierte          nung der Gallenblase zu erwägen ist.
Diät“ (CDD) genannt.
Nährstoffdefinierte Diäten sind hochmolekulare, flüssige Nahrungen,
die aus natürlichen Nahrungsmitteln industriell hergestellt werden
und in ihrer Zusammensetzung einer normalen Mischkost entsprechen.

18                                                                                                                                          19
3. Bevorzugte Ernährungsformen im akuten Schub                             Die TPE von Patienten mit CED ähnelt in der Durchführung der TPE
                                                                           bei anderen Erkrankungen, wie sie z. B. in der intensivmedizinischen
Nicht jeder akute Schub eines Morbus Crohn oder einer Colitis ulcerosa
                                                                           Betreuung üblich ist. Die Zusammensetzung orientiert sich am indi-
erfordert eine „künstliche“ Ernährung. Je nach Schweregrad ernähren
                                                                           viduellen Bedarf an Kalorien, Flüssigkeit und Mikronährstoffen
sich die Patienten mit Wunschkost oder einer leicht verdaulichen
                                                                           (Mineralstoffe, Vitamine, Spurenelemente).
Kost. In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, zusätzlich oder ausschließ-
lich eine Trinknahrung zu verabreichen. Individuell unverträgliche         Die Frage nach dem Nutzen der künstlichen Ernährung bei Patienten
Nahrungsmittel sollten gemieden werden.                                    mit CED wird kontrovers diskutiert. So ist umstritten, ob die TPE kurz
                                                                           vor und kurz nach Bauchoperationen wirklich einen Vorteil hat.
Die enterale Ernährung im akuten Schub wird gewählt, wenn die
                                                                           Dagegen ist die TPE als primäre Therapie in Kombination mit anti-
orale Nahrungsaufnahme nicht ausreichend möglich ist. Sie hat weni-
                                                                           entzündlicher medikamentöser Therapie im akuten Schub, insbeson-
ger Nebenwirkungen und ist kostengünstiger als die parenterale
                                                                           dere bei Morbus Crohn, weit verbreitet. Es gibt die Vorstellung, dass
Ernährung. Allerdings hat sich diese Überzeugung noch nicht immer im
                                                                           durch eine „Ruhigstellung“ des Darms ein Rückgang der Beschwer-
klinischen Alltag durchgesetzt, weil die praktische Durchführung der
                                                                           den und der Entzündung erreicht werden kann. Andererseits hat sich
enteralen Ernährung häufig zeitaufwendiger und weniger geläufig ist.
                                                                           gezeigt, dass die Darmwand, die bei CED meist schon vorgeschädigt
Ob im akuten Schub des Morbus Crohn die Kombination der medi-              ist, durch die TPE mitunter noch durchlässiger wird, auch für patho-
kamentösen Therapie mit einer enteralen Ernährung dazu führt, dass         gene Bakterien. Dies könnte dann sogar negative Effekte haben, die
mehr Patienten in kürzerer Zeit eine Remission erreichen, ist noch         bis zu einer Sepsis führen.
nicht geklärt. Es gibt Patienten, die eine Therapie mit Kortikosteroiden
                                                                           Aufgrund der Risiken und der Kosten der TPE sollte sie bei Morbus
ablehnen und denen dann z. B. eine enterale Ernährung angeboten
                                                                           Crohn nur dann eingesetzt werden, wenn eine enterale Ernährung
wird. Die alleinige Therapie des akuten Morbus Crohn mit enteraler
                                                                           nicht durchführbar ist. Deutlich weniger Erfahrungen liegen zur TPE
Ernährung ist allerdings weniger effektiv als eine korrekte medika-
                                                                           bei Colitis ulcerosa vor. Der Ernährungszustand der Patienten besserte
mentöse Therapie. Bei Patienten mit Colitis ulcerosa im akuten Schub
                                                                           sich meist, das Beschwerdebild und das Ausmaß der Darment-
scheinen die enterale und die parenterale Ernährung als zusätzliche
                                                                           zündung dagegen nicht immer. Deshalb kann für die Colitis ulcerosa
Maßnahmen vielfach sinnvoll zu sein.
                                                                           im akuten Schub keine generelle Empfehlung zur TPE ausgesprochen
                                                                           werden. Eingesetzt wird sie z. B. bei einer massiven Darmerweiterung
  Die totale parenterale Ernährung (TPE) von Patienten                     („toxisches Megacolon“) oder einer schweren Pancolitis mit starken
  mit CED kann erwogen werden                                              Darmblutungen.
  • vor bzw. nach großen Bauchoperationen,                                 Wie erfolgt der Wechsel von künstlicher auf normale, orale
                                                                           Ernährung, wenn der akute Schub überwunden ist? Dazu hat sich
  • bei Darmverschluss, Stenosen, Fisteln                                  ein Kostaufbau in vier Stufen bewährt, der in der Regel über 2-- 3
    oder Kurzdarm,                                                         Tage je Stufe durchgeführt wird.
  • im akuten Schub.

20                                                                                                                                            21
Art und Dauer des Kostaufbaus sind individuell zu bestimmen und
 Vorschläge zum Kostaufbau nach akutem Schub einer CED
                                                                  u.a. abhängig von der Ausdehnung und dem Schweregrad der
 Am Anfang schluckweise Tee und Wasser,                           Erkrankung, dem Vorhandensein von Fisteln, Stenosen, Nahrungs-
 später zusätzlich Zwieback
                                                                  mittelunverträglichkeiten etc. Es wird in Stufe 1 mit einer ballaststoff-
                                                                  armen Kost begonnen (Ballaststoffanteil unter 10 --15 g / Tag). Der
 • Kostaufbaustufe 1:
   überwiegend leicht verdauliche Kohlenhydrate (Zwieback,        Milchzuckergehalt sollte bei Laktose-Intoleranz auf etwa 8 g/Tag
   Toast, Gelee, Hafersuppe, Brühe, Nudeln, Reis)                 beschränkt sein. Es werden vorwiegend Kohlenhydrate zugeführt (ca.
                                                                  80 % der Energie), dafür weniger Fett (15 %)
 • Kostaufbaustufe 2:
                                                                  bzw. Eiweiß (5 %). Der Kaloriengehalt
   zusätzlich leicht verdauliche Eiweiße (gedünstetes Fleisch,
                                                                  beträgt etwa 1600 kcal/Tag. Über
   fettarmer Käse), dadurch Einführung von Milchzucker
                                                                  Stufe 2 bis 4 wird die Art der
 • Kostaufbaustufe 3:                                             Kalorienzufuhr schrittweise
   zusätzlich leicht verdauliches Gemüse (gekocht),               zugunsten von Fett (35 %)
   weitere Milchprodukte, Erweiterung der Brotauswahl
                                                                  und Eiweiß (15 %) verän-
 • Kostaufbaustufe 4:                                             dert sowie die Kalorienzu-
   Erweiterung der Brot- und Gebäckauswahl, zusätzlich leicht     fuhr auf etwa 2500 kcal/
   verdauliches Kompott                                           Tag gesteigert. Die vier Stu-
 • Danach: Gastroenterologische Basisdiät (leicht verdauliche     fen sollten so lange wie
   Kost) bzw. Vollkost unter Berücksichtigung individueller       nötig, aber auch so kurz wie
   Unverträglichkeiten (siehe auch Tabellen 5 – 8, Seite 35 ff)   möglich durchgeführt werden,
                                                                  sonst droht zunehmend die
                                                                  Gefahr eines Nährstoffmangels. All-
                                                                  mählich können dann auch vermehrt Ballaststoffe und Milchzucker
                                                                  eingenommen werden. Ziel ist die schrittweise Wiederanpassung von
                                                                  Dünn- und Dickdarm an eine Vollkost. Das vorgestellte Schema wurde
                                                                  aus der eigenen Erfahrung heraus entwickelt und hat sich in der
                                                                  klinischen Praxis über Jahre bewährt.

22                                                                                                                                      23
4. Ernährungsweise in der Remissionsphase

Abgesehen vom Ausgleich konkreter Defizite
                                                     Morbus Crohn auch eine Fettverdauungsstörung
gibt es keine allgemeinen Richtlinien zur
                                                     vor, insbesondere bei Befall des Zwölffinger-
Ernährung während der Remissionsphase einer
                                                     darms oder bei Gallensäurenverlust nach Ent-
CED. Stattdessen wird eine normale, ausgewo-
                                                     zündung oder Entfernung des terminalen
gene Kost entsprechend den Ernährungsemp-
                                                     Ileums, d.h. des untersten Dünndarmab-
fehlungen der Deutschen Gesellschaft für
                                                     schnittes. In diesen Fällen sind eine fettarme
Ernährung (DGE, siehe auch www.dge.de) emp-
                                                     Diät bzw. mittelkettige Triglyceride (MCT) emp-
fohlen. Pauschal sollte keine Reduktion von Bal-
                                                     fehlenswert. Bei Gallensäurenverlust kann
laststoffen erfolgen. Ausnahmen sind Patienten
                                                     Colestyramin (Quantalan ®, 1-- 3 Beutel/Tag)
mit Stenosen bzw. speziellen Fisteln, die von
                                                     sinnvoll sein, insbesondere nach Ileumresektion,
einer ballaststoffarmen Diät profitieren könnten.
                                                     denn dieses Medikament bindet Gallensäuren.
Ein Vorteil von speziellen Kostformen für die        Nach Ileumresektion ist häufig auch eine Gabe
Dauerbehandlung der CED, beispielsweise              von Vitamin B12 notwendig. Aminosalicylathal-
hinsichtlich der Rezidivrate, ist nicht gesichert.   tige Medikamente wie z. B. Salofalk®, Claversal®
Insbesondere ist nicht belegt, ob das Meiden         und Pentasa® können im Darm zu einer vermin-
von raffiniertem Zucker oder von gehärteten          derten Aufnahme von Folsäure führen. Deshalb
Fetten die Rezidivrate vermindert. In Einzelfäl-     ist bei manchen CED-Patienten eine Folsäure-
len kann eine individuelle Eliminationsdiät bei      substitution sinnvoll. Schließlich sollte an die
Patienten mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten      Verabreichung von Kalzium und Vitamin D bei
sinnvoll sein.                                       laktosearmer Kost bzw. Knochenschwund
Vielfach leiden Patienten mit Morbus Crohn,          (Osteoporose) gedacht werden.
insbesondere in der Akutphase, unter einer
vorübergehenden Milchzuckerunverträglichkeit.
Diese Patienten profitieren von einer milch-
zuckerfreien Diät. Häufig liegt bei Patienten mit

24                                                                                                25
Die Bedeutung der künstlichen Ernährung in der Remissionsphase,        5. Ernährungsmedizinische Konzepte bei
d. h. in Zeiten ohne oder zumindest ohne akute Beschwerden, ist           Komplikationen
unklar. Sowohl die TPE als auch die enterale Ernährung sind mit Ein-
schränkungen der Lebensqualität und mit Risiken verbunden.             Einige CED-Patienten müssen ihre Ernährung bestimmten Bedingungen
Zunächst sollte eine Mangelernährung durch eine ausgewogene orale      anpassen, u. a. Patienten mit Fisteln, Stoma oder einem Kurzdarm-
Ernährung, verbunden mit einer gezielten Diätberatung, bekämpft        syndrom.
werden. Schwere Mangelernährungen und insbesondere die dadurch
                                                                       Fisteln
bedingten Wachstumsstörungen bei Kindern sind allerdings vielfach
nur mittels künstlicher Ernährung erfolgreich zu behandeln. Hierfür    Manche Fisteln heilen unter medikamentöser Therapie ab, manche
sind grundsätzlich parenterale Ernährung, enterale Ernährung           müssen operiert werden, andere rezidivieren häufig. Die Ernährungs-
und/oder orale Trinknahrungen einsetzbar.                              therapie kann z. B. helfen, durch Fisteln verursachte Ernährungsdefizite
                                                                       auszugleichen und die Zeit bis zur Operation zu überbrücken. In kom-
                                                                       plizierten Fällen ist eine künstliche Ernährung angezeigt. In welchen
                                                                       Fällen parenteral bzw. enteral ernährt werden sollte, zeigt die folgende
                                                                       Übersicht zur Ernährung bei Darmfisteln:

                                                                         Enterale Ernährung

                                                                         • Fisteln an der Speiseröhre, am Magen und Zwölffingerdarm,
                                                                           wenn ein Zugang über eine Sonde möglich ist, die die Fistel
                                                                           überbrückt
                                                                         • Fisteln am Ileum mit geringem Ausfluss
                                                                         • Fisteln am Dickdarm

                                                                         Parenterale Ernährung

                                                                         • Unverträglichkeit von bzw. Kontraindikationen für enterale
                                                                           Ernährung
                                                                         • Große Fisteln am Zwölffingerdarm
                                                                         • Ileale Fisteln mit starkem Ausfluss
                                                                         • Fisteln an der Speiseröhre, am Magen, Zwölffinger- und
                                                                           weiteren Dünndarm, wenn ein Zugang über eine Sonde
                                                                           nicht möglich ist

26                                                                                                                                          27
Stoma                                                                   Ernährung beim Kurzdarmsyndrom
Stomaträger sollten bezüglich ihrer oralen Ernährung individuell        Das Kurzdarmsyndrom ist definiert als Resorptions- und Verdauungs-
beraten werden. Es gilt u. a., die Flüssigkeitsbilanz zu erhalten und   störung bei einer Restlänge des Dünndarms von unter zwei Metern
Wasser- und Elektrolytverluste über das Stoma zu vermeiden. Bei         bzw. weniger als 50 % der ursprünglichen Länge. Die verbleibende
einem Kolostoma (meist im Bereich des Colon transversum angelegt)       Resorptionsfähigkeit des Darms ist vom Umfang des Eingriffs ab-
bestehen relativ selten Probleme. Beim Ileostoma sind die Ent-          hängig und davon, welcher Darmabschnitt entnommen wurde. Eine
leerungsmengen und damit der Flüssigkeitsverlust erheblich größer.      Entfernung des terminalen Ileums führt z. B. zu einer deutlich ver-
                                                                        kürzten Passagezeit des Nahrungsbreis. Damit ist auch die Resorp-
Generell sollten Stomaträger viele kleine Mahlzeiten über den Tag
                                                                        tionsfähigkeit herabgesetzt.
verteilt einnehmen. Wichtig ist das ausgiebige Kauen, insbesondere
bei Verzehr von zähem Fleisch, Tomaten und Paprika. Abends sollte       Neben diesen Effekten ist nach einer Dünndarmoperation der Umsatz
weniger gegessen werden, um nächtlichen Stuhlgang zu vermeiden.         an Darmflüssigkeiten zu berücksichtigen. Den normalen Dünndarm
Faserige Nahrungsmittel wie Spargel oder Rhabarber sind wegen der       passieren etwa 9 Liter Flüssigkeit pro Tag. Es werden ca. 1,5 l mit der
Verstopfungsgefahr ebenso zu meiden wie blähende Nahrungsmittel         Nahrung aufgenommen; 7,5 l sind körpereigene Flüssigkeiten aus
(z. B. Bohnen, Kohlsorten, Zwiebeln). Zum „Eindicken“ können reife      Darm, Galle und Pankreas. Nahezu 8 l werden im Dünndarm wieder
Bananen und stärkehaltige Lebensmittel (Brot, Nudeln) probiert          resorbiert, weshalb üblicherweise nur 0,6 l in den Dickdarm gelangen
werden. Eier, Fisch und Knoblauch sollten besonders bei Blähungen       und 0,1-- 0,2 l mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Der Dickdarm
eingeschränkt werden. Bei Verstopfung haben Obst und Obstsäfte          kann maximal 5 l pro Tag zurückfiltern. Dieses Limit ist entscheidend
häufig eine abführende Wirkung. Immer ist auf eine ausreichende         für das Zustandekommen eines Durchfalls beim Kurzdarmsyndrom,
Flüssigkeitszufuhr zu achten.                                           einem der häufigsten Symptome.
                                                                        Bei Patienten mit Kurzdarmsyndrom gelangen vermehrt Gallensäu-
                                                                        ren, nicht absorbierte Kohlenhydrate und freie Fettsäuren in den
                                                                        Dickdarm. Dadurch steigt die Konzentration gelöster Teilchen (Osmo-
                                                                        larität) und es kommt zusätzlich zu einem „osmotisch bedingten“
                                                                        Durchfall.
                                                                        Operationen am oberen Dünndarm verursachen deutlich weniger
                                                                        Durchfall bzw. Wasser- und Salzverluste im Vergleich zur Entfernung
                                                                        des Ileums und des Kolons. Bereits die Entfernung von 100 cm Ileum
                                                                        führt zu Fettstühlen. Zusätzlich gehen Gallensäuren verloren,
                                                                        wodurch es zu Durchfall und damit zu Mangelerscheinungen (Kalium,
                                                                        Magnesium, Vitamine) kommt. Als Faustregel gilt, dass Resektionen
                                                                        bis zu 33 % des Darms zu keiner merklichen Störung führen und
                                                                        Resektionen bis 50 % noch ohne spezielle Hilfe toleriert werden. Bei
                                                                        Verlust von mehr als 75 % des Darmes ist in der Regel eine intensive
                                                                        ernährungsmedizinische Betreuung und meist auch eine dauerhafte
                                                                        künstliche Ernährung notwendig. Das Kurzdarmsyndrom zeichnet sich
                                                                        durch vielfältige ernährungsmedizinische Probleme aus.

28                                                                                                                                          29
Wenn der verbliebene Darm länger als 60 -- 80 cm ist, besteht eine
 Ernährungsmedizinisch relevante Probleme des Kurzdarm-                  reelle Chance, sich mit der Zeit wieder komplett oral oder enteral zu
 syndroms                                                                ernähren. Die orale Ernährung beginnt zunächst fettarm und bedarf
 • Starke Durchfälle, dadurch Verluste an Nährstoffen                    eines langsamen, mehrstufigen Kostaufbaus. Die Fettzufuhr kann je
   und Elektrolyten (Kalium, Kalzium, Magnesium)                         nach Verträglichkeit und Grad der Verdauungsstörung allmählich (z. B.
                                                                         in 10 g-Schritten alle 3 Tage) gesteigert werden, wobei bevorzugt
 • Fettstühle durch eine gestörte Fettverdauung
                                                                         mittelkettige Triglyceride eingesetzt werden sollten. Auch die Zufuhr
 • Gallensäurenverlust-Syndrom durch verminderte Aufnahme-               von Milchzucker und Ballaststoffen wird erst allmählich gesteigert.
   fähigkeit des Ileums und daraus resultierenden Durchfällen            Auf eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr ist zu achten.
 • Erbrechen                                                             Kritische Zusatzstoffe sind insbesondere die fettlöslichen Vitamine (A,
                                                                         D, E, K).
 • Gewichtsverlust
                                                                         Ist der Darm kürzer als 60 -- 80 cm, muss die orale Diät meistens durch
 • Vitaminmangel (A, D, E, K, B12, Folsäure)
                                                                         eine enterale Ernährung ergänzt oder auf diese umgestellt werden.
 • Mangel an Spurenelementen (Eisen, Zink, Selen)                        Bei der enteralen Ernährung sind einige praktische Dinge zu beach-
 • Milchzuckerunverträglichkeit durch Enzymmangel                        ten. So sollten anfänglich max. 25 ml einer auf Zimmertemperatur
   (Laktasemangel)                                                       angewärmten Nährlösung pro Stunde mit einer Pumpe über einen
                                                                         geeigneten Zugang verabreicht werden. Zu wählen ist dabei zwischen
 • Bildung von Gallen- und Nierensteinen
                                                                         einer Nasoduodenalsonde oder einer PEG, die sich bei langfristiger
 • Blähungen, Luft- bzw. Gasansammlungen im Darm                         enteraler Ernährung anbietet. Bevorzugt wird meist eine nährstoff-
   (durch bakterielle Überwucherung des Restdarmes)                      definierte, eventuell mit MCT-Fetten angereicherte Kost.

Therapieziele bei einem Kurzdarmsyndrom sind eine ausreichende
Ernährung und eine Minimierung des Durchfalls. Zunächst wird
parenteral ernährt und die orale Ernährung reduziert bzw. eingestellt,
um die Aufnahme osmotisch wirksamer Substanzen zu minimieren. Es
wird auch versucht, die Magensaftsekretion zu hemmen und die
Darmpassage des Nahrungsbreis zu verlangsamen. Flüssigkeits- und
Elektrolytverluste werden ersetzt. Als Richtgröße dient ein Flüssig-
keitsbedarf von mehr als 40 ml Wasser pro kg Körpergewicht und
Tag. Eine teilweise orale oder enterale Ernährung sollte so früh wie
möglich neben der parenteralen Ernährung angestrebt werden. Dies
ist ein wichtiger und natürlicher Anreiz für die verbliebene Darm-
schleimhaut, bis zu einem bestimmten Grad die verlorene Funktion
auszugleichen.

30                                                                                                                                           31
Beträgt die Restdarmlänge deutlich weniger als 60 cm oder hatten die    6. Allgemeine Empfehlungen zur oralen Kost
anderen Maßnahmen keinen Erfolg, ist eine parenterale Ernährung
                                                                        Bis heute gibt es keine spezielle Diät, die generell bei CED empfohlen
erforderlich. Begonnen wird dann meist mit einer totalen parenteralen
                                                                        wird. Dies bedeutet nicht, dass die Ernährungsberatung keine Bedeu-
Ernährung (TPE). Während der parenteralen Ernährung ist besonders
                                                                        tung bei CED hat, denn durch eine dem Krankheitsbild angepasste
auf einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt und eine ausreichende
                                                                        Ernährungsform können diverse Symptome positiv beeinflusst wer-
Zufuhr von Salzen, Vitaminen und Spurenelementen (insbesondere
                                                                        den. Bei allen Empfehlungen gilt prinzipiell: „Erlaubt ist, was gut ver-
Zink) zu achten.
                                                                        tragen wird“. Dies ist individuell sehr unterschiedlich und gilt des-
                                                                        halb nur für den Einzelfall.
                                                                        Die Ursachen für individuelle Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind
                                                                        variabel. Beispielsweise kann ein Patient Hülsenfrüchte aufgrund ihrer
                                                                        Blähwirkung nicht vertragen und leidet zusätzlich an einer Nah-
                                                                        rungsmittelallergie. Die Häufigkeit von „echten“, d.h. immunologisch
                                                                        vermittelten, Nahrungsmittelallergien wird bei CED auf 1-- 5 %
                                                                        geschätzt. Dagegen geben mehr als 50 % der Betroffenen Nah-
                                                                        rungsmittelunverträglichkeiten im weiteren Sinn an. Trotz moderner
                                                                        diagnostischer Möglichkeiten kann es im Einzelfall schwierig sein, die
                                                                        wirklichen Ursachen herauszufinden. Deshalb bleibt vielfach nur die
                                                                        Möglichkeit, sich danach zu orientieren, was – aus welchen Grün-
Im Verlauf sollten die Möglichkeiten geprüft werden, die parenterale    den auch immer – nicht vertragen wird.
Ernährung zugunsten einer teilweisen oder ausschließlichen enteralen
oder oralen Ernährung zu reduzieren. Die künstliche Ernährung kann
                                                                          Ursachen für individuelle Nahrungsmittelunverträglich-
eingestellt werden, wenn Ernährungstagebuch und Gewichtsverlauf
                                                                          keiten bei CED:
über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten dokumentieren, dass
die orale Ernährung möglich und ausreichend sein wird. Vorher soll-       • Blähende Lebensmittel (Hülsenfrüchte etc.)
ten ein Venenkatheter oder eine PEG nicht entfernt werden. Die            • Nahrungsmittelintoleranzen, z.B. Milchzuckerunverträglichkeit
Lebensqualität der Patienten kann unter einer gut geführten TPE oder        (Laktose-Intoleranz) und andere Enzymdefekte
enteralen Ernährung besser sein, als wenn 10 --12 kleine Diätmahl-        • Nahrungsmittelallergien (immunologisch vermittelte Reaktion)
zeiten eingenommen werden müssen und ebenso häufig Stuhlgang
abgeführt wird.
Prinzipiell wäre das Kurzdarmsyndrom durch eine Dünndarm-Trans-
plantation heilbar. Diese ist allerdings noch kein Standardverfahren.
Die Ergebnisse der bislang durchgeführten Transplantationen variieren
sehr stark und die längerfristigen Erfolgsraten sind noch unbekannt.

32                                                                                                                                           33
Häufig bekömmliche oder weniger bekömmliche Nahrungsmittel               Tabelle 5:
                                                                         Eiweißhaltige Nahrungsmittel und deren Verträglichkeit
Ein guter Ernährungszustand wird mit einer vollwertigen, ballaststoff-
und abwechslungsreichen Mischkost erzielt. Die meisten Menschen
                                                                          Häufig bekömmlich                             Oft weniger bekömmlich
kennen ihre Unverträglichkeiten. Als Hilfestellung kann die folgende
Lebensmittelauflistung dienen, die auf Erfahrungswerten vieler            fettarme Milchprodukte                        größere Mengen Sahne,
Betroffener beruht. Dabei ist wichtig zu betonen, dass es keine „ver-     (insbesondere Sauermilchprodukte)             Schmand und Creme fraiche
botenen Lebensmittel“ gibt. Es könnte z. B. sein, dass ein Lebens-        wie z. B. Joghurt, Buttermilch,
mittel, das als „weniger bekömmlich“ eingestuft wird, gut vertragen       Kefir, Dickmilch, saure Sahne,
wird oder umgekehrt.                                                      verdünnte Schlagsahne als Ersatz
                                                                          bei Unverträglichkeit von Trinkmilch
Milch- und Milchprodukte, Ei, Fleisch und Fisch                           milde Käsesorten mit bis zu                   scharfe und lang gereifte
Kurz nach einem akuten Schub einer CED kann eine Unverträglichkeit        40 % F. i. Tr. wie z. B. Frischkäse,          Käsesorten wie z. B.
gegenüber Milchprodukten auftreten. In diesem Fall sind Soja-             körniger Frischkäse, Camembert,               Roquefort,
produkte eine Ausweichmöglichkeit. Wichtig ist, dass man nicht            junger Schnittkäse; Speisequark               Gorgonzola, Limburger,
generell auf Milchprodukte verzichtet, sondern immer wieder testet,                                                     Esrom; warmer Käse
ob Milchprodukte nicht doch vertragen werden. Ggf. sollte ein Test        weichgekochte Eier, Rührei,                   hartgekochte Eier,
auf Milchzuckerunverträglichkeit bzw. Milchallergie durchgeführt          Eierstich ...                                 gebratene Eier
werden. Generell werden gesäuerte Milchprodukte besser vertragen.         alle fettarmen und zarten                     sehr fette, stark gewürzte,
Milchunverträglichkeit darf nicht mit einem Nichtvertragen des hohen      Fleischsorten                                 oder geräucherte Fleischsorten
Fettgehaltes einiger Milchprodukte verwechselt werden. Hinweise zu        (z.B. Geflügel, Rind, Kalb,
häufig bekömmlichen und weniger bekömmlichen eiweißhaltigen               Lamm, Wild)
Nahrungszubereitungen sind in Tabelle 5 aufgeführt.                       Bratenaufschnitt, luftgetrockneter            geräucherte, fette und scharf
                                                                          Schinken, Rindersaftschinken,                 gewürzte Wurstsorten wie
                                                                          Lachsschinken, deutsches                      z. B. Salami, Teewurst;
                                                                          Corned beef, Geflügelsülze,                   handelsübliche Fleischsalate
                                                                          Schinkensülze
                                                                          fettarme Fischsorten wie Forelle,             fettreiche Fischsorten wie Aal,
                                                                          Schellfisch, Kabeljau, Scholle,               Hering *, Karpfen, Makrele *,
                                                                          schwarzer Heilbutt, Steinbutt,                Lachs *, Thunfisch * scharfe
                                                                          und Seezunge, Rotbarsch,                      fettreiche Zubereitungen wie
                                                                          Seelachs; Hummer, Krabben,                    z. B. panierter Fisch, Anchovis,
                                                                          Austern, Muscheln                             Ölsardinen, Räucherfisch,
                                                                                                                        Fischkonserven, Fischsalat

                                                                         * Die Austestung der individuellen Verträglichkeit dieser Fischsorten wird wegen des
                                                                           hohen Gehalts an EPA (siehe S. 43) besonders empfohlen.

34                                                                                                                                                        35
Getreide, Obst und Gemüse                                               Tabelle 6:
                                                                        Verträglichkeit von Getreide, Obst und Gemüse
Getreide kann durch seinen hohen Ballaststoffgehalt Wasser binden,
so den Stuhlgang regulieren und Verstopfung und Durchfall mildern.
                                                                         Häufig bekömmlich                  Oft weniger bekömmlich
Hier helfen besonders gut Getreidebreie und -schleimsuppen. Getrei-
debreie, Getreidegerichte und Brote aus feingemahlenem Getreide          alle Arten feingemahlener Sorten   ganze Körner und
sollten bevorzugt werden, weil dies die Bekömmlichkeit steigert. Bei     Mehl, Grieß etc.                   grobgeschrotete Körner
Darmproblemen kann das Obst und Gemüse geschält werden, da die
                                                                         Zwieback, Toastbrot, Mischbrote    sehr frisches Brot und fein-
Schale abführend wirkt. Eine Ausnahme ist das Pektin im rohen Apfel,
                                                                         z. B. Grahambrot                   vermahlenes Vollkornbrot,
das den Durchfall hemmt. Ein großer Teil des Pektins befindet sich in
der Schale. Ganz fein gerieben kann es seine volle Wirkung entfalten.    Banane, Melone, Mango, Kiwi,       frische Zitrusfrüchte,
Gegartes und evtl. zusätzlich püriertes Gemüse wirkt regulierend bei     reifer Apfel und weiche Birne      Trockenobst,
Durchfall, während rohes Gemüse und rohe Salate meist abführend          (evtl. geschält), Pfirsich und     Brombeeren, Johannisbeeren,
wirken (Tabelle 6).                                                      Aprikose ohne Haut,                Mirabellen, Kirschen,
                                                                         Erdbeeren, Himbeeren,              Pflaumen, Preiselbeeren,
                                                                         Heidelbeeren, als Kompott          Reneclauden, Rhabarber,
                                                                         außerdem Ananas und                Stachelbeeren, Weintrauben,
                                                                         Mandarine                          Zwetschgen, Avocado, Nüsse

                                                                         Salzkartoffeln, Kartoffelpüree,    Pommes frites, Kroketten,
                                                                         Klöße, Pellkartoffeln              Kartoffelpuffer, Bratkartoffeln

                                                                         gegartes Gemüse: Blumenkohl,       Hülsenfrüchte, Brechbohnen,
                                                                         Broccoli, Chicoreé, Chinakohl,     Grünkohl, Paprikaschoten,
                                                                         feine Erbsen, Fenchel, Gurke,      Porree, Pilze, Rettich, Rosen-
                                                                         junger Kohlrabi, Möhren,           kohl, Rotkohl, Sauerkraut,
                                                                         Prinzessbohnen, Romanesco,         Spitzkohl, Weißkohl, Wirsing,
                                                                         Rote Bete, Sellerie, Spargel,      Zwiebeln, Oliven
                                                                         Spinat, Tomaten

                                                                         Blattsalate                        Gurkensalat, Rettichsalat,
                                                                                                            fettreiche Salate

36                                                                                                                                         37
Fette, Öle, Getränke                                                  Süßwaren und Gewürze
Grundsätzlich sind Dünsten, Dämpfen, Garen in Alufolie, Römertopf     Grundsätzlich sollten die Speisen nicht zu scharf gewürzt werden.
oder Bratenfolie sowie leichtes Braten und Grillen bekömmlichere      Gegen Zucker und Süßigkeiten in Maßen wäre eigentlich nichts ein-
Zubereitungsarten als Panieren, Fritieren und starkes Braten oder     zuwenden, aber sie verflüssigen häufig den Stuhl, machen ihn säuer-
Grillen. Gehärtete Margarinen, Schlachtfette und Speck sind weniger   lich und führen dadurch dazu, dass das Entleeren des Darmes
zu empfehlen als der sparsame Einsatz von Pflanzenölen und Butter     schmerzhaft werden kann. Häufig genannte „Alternativen“ wie
(Tabelle 7).                                                          Honig, Fruchtzucker und Fruchtdicksäfte sind Zucker, die nicht selten
                                                                      in Kombination mit Vollgetreide Blähungen verursachen. Deshalb gilt
Tabelle 7:                                                            die Empfehlung, Zucker und Honig sparsam zu verwenden (Tabelle 8).
Verträglichkeit von Fetten, Ölen und Getränken

 Häufig bekömmlich                  Oft weniger bekömmlich
 Pflanzenöle,                       Schweine- und Gänseschmalz,
 z. B. aus Sonnenblumen,            Rinder- und Hammelfett,
 Maiskeim, Raps, Oliven, Disteln    Speck, Fritierfette, gehärtete
 (nicht zum Braten verwenden),      Margarine und Fette
 ungehärtete Margarine, Butter      (besonders in Fertigprodukten
                                    und Süßwaren)
 Schlagsahne in kleinen Mengen        Mayonnaise
 (bei Fettunverträglichkeit verdünnt)
 Wasser, stilles Mineralwasser,     kohlensäurereiches Mineral-
 reizarmer Bohnenkaffee,            wasser, sehr starker Früchte-     Tabelle 8:
 alle Teesorten, Malzkaffee,        tee (Säure!), sehr saure Säfte    Verträglichkeit von Süßwaren und Gewürzen
 Gemüsesaft, Fruchtsäfte aus        wie z. B. Johannisbeersaft,
 säurearmen Obstsorten wie          alkoholische Getränke,             Häufig bekömmlich                   Oft weniger bekömmlich
 Aprikosen, Birnen, Äpfeln,         insbesondere säurereiche,          in Maßen:                           fettreiche Süßigkeiten wie
 Pfirsichen, Trauben, evtl.         kohlensäurereiche und              Zucker, Honig, Gelee,               Schokolade, Pralinen, Nougat,
 mit Wasser gemischt                hochprozentige Sorten              Zuckerrübensirup, Birnendicksaft,   Marzipan, Zuckeraustausch-
                                                                       Ahornsirup, Fruchtbonbons,          stoffe wie z. B. Sorbit und
                                                                       Pfefferminz, Lakritz,               Fruchtzucker, Schaumzucker-
                                                                       Weingummi, Wassereis                waren, Milchspeiseeis,
                                                                       Dill, Petersilie, milder Curry,     Knoblauch, Meerrettich,
                                                                       Muskat, milder Paprika, Safran,     scharfer Paprika, scharfer
                                                                       Ingwer, Zimt                        Pfeffer, scharfer Senf,
                                                                                                           scharfe und fettige Fertigsoßen

38                                                                                                                                      39
7. Ernährung in besonderen Situationen                                   Tabelle 9:
                                                                         Beispiele für eine kalziumreiche, oxalsäure-arme Lebens-
Durchfall                                                                mittelauswahl
Erster und wichtigster Behandlungsschritt bei Durchfallerkrankungen
ist der frühzeitige Ausgleich des Verlustes an Flüssigkeit und Mine-      Empfehlenswerte                      Nicht zu empfehlende
ralstoffen (Elektrolyten). Ein Erwachsener benötigt hierfür, je nach      (kalziumreiche) Lebensmittel         (oxalsäure-reiche) Lebensmittel
Ausmaß des Durchfalls, eine Trinkmenge von 2-- 4 Litern täglich.          Milchprodukte, insbesondere Käse,    Spinat, Mangold, Rote Bete,
Geeignet sind gesalzene Brühe, kaliumreiche Obstsäfte (oder Brause-       Broccoli, Fenchel, Bleichsellerie,   Bohnen, Rhabarber, Stachel-
tabletten), gezuckerter Tee, verdünnte und gesalzene zuckerhaltige        Lauch, Trockenobst,                  beere, Himbeere, Erdbeere,
Limonaden, alle Formen von Schleimdiäten (Hafer-, Reis-, Gersten-         angereicherte Sojaprodukte,          Kakao, Schokolade, Nuss-
schleim) und z. B. Karottensuppen, geriebener Apfel und fein pürierte     kalziumreiches Mineralwasser         Nougat-Creme, dunkles Brot,
Bananen. Mit fortschreitender Besserung von Allgemeinbefinden                                                  schwarzer und grüner Tee,
und Stuhlbeschaffenheit erfolgt dann die Aufwertung der Kost                                                   Pfefferminztee
durch Zulage von Eiweiß und leichtverdaulichen Fetten (siehe auch
Kostaufbau). Mit dem Erreichen einer normalen Stuhlfrequenz und
-beschaffenheit wird der vorsichtige Übergang auf gewohnte
Ernährungsgewohnheiten unter besonderer Beachtung bekannter              Blähungen
Nahrungsmittelunverträglichkeiten und der Notwendigkeit des Aus-         Ob Blähungen im Zusammenhang mit bestimmten Nahrungsmitteln
gleichs möglicher Defizite an Nährstoffen und Energie eingeleitet.       auftreten, sollte im Zweifelsfall durch Auslass- und Wiederein-
                                                                         führungsversuche individuell getestet werden. Häufigste Auslöser sind
Durchfall bei Gallensäurenverlustsyndrom („chologene Diarrhö“)           Hülsenfrüchte, fett geschmorter Kohl, Zwiebeln, rohe Pflaumen,
Bei chologenen Diarrhöen wird eine zu den Mahlzeiten zeitversetzte       Trockenobst, grobes Schwarzbrot, frisches Hefegebäck, Müsli, kohlen-
Einnahme des Medikamentes Colestyramin empfohlen. Nach Ileum-            säurehaltige Getränke, Zuckeraustauschstoffe und Milchzucker. Eine
resektion ist häufig auch die Gabe von Vitamin B 12 notwendig. Hat       ausreichende Ballaststoffzufuhr ist unverzichtbar, allerdings ist die
der Patient auch Fettstühle („Steatorrhö“), sollte die Kost mit          Ermittlung der individuell optimalen Menge und Auswahl der am
MCT–Fetten (mittelkettige Fettsäuren) angereichert werden. Diese         wenigsten blähenden Ballaststoffträger nicht unproblematisch. Am
Fettsäuren können vom Körper leichter aufgenommen werden als             ehesten geeignet sind z. B. nicht ganz frisches Vollkornbrot, Graham-
andere Fette. Leider werden sie nicht immer gut vertragen, weshalb       brot, Vollkornknäckebrot, gekochte Vollkornhaferflocken und Lein-
ihre Dosis schrittweise erhöht werden sollte.                            samenschrot. Mit der Behandlung einer Verstopfung durch eine
                                                                         ballaststoffangereicherte Kost verschwinden häufig auch die Blähun-
Mit einer kalziumreichen, oxalat-armen Kost wird Gallen- und
                                                                         gen. Hierfür können z. B. indische Flohsamenschalen (Plantago ovata)
Nierensteinen vorgebeugt (Tabelle 9). Ggf. können auch Kalzium-
                                                                         verwendet werden, was in zwei Studien bei CED wirksam war. Wichtig
brausetabletten genommen werden (> 1500 mg Kalzium pro Tag).
                                                                         ist immer eine reichliche Trinkmenge und eine ausgewogene Ver-
Die Patienten sollten ausreichend trinken und 5 -- 6 kleine Mahlzeiten
                                                                         teilung der Hauptnährstoffe (Kohlenhydrate, Eiweiß, Fett).
über den Tag verteilt zu sich nehmen. Die zusätzliche Gabe der fett-
löslichen Vitamine A, D, E und K, bedarfsweise auch von Vitamin B12
und Eisen, wird empfohlen.

40                                                                                                                                           41
Sie können auch lesen