Paralympics Zeitung Konsole mio! - E-Sport soll bald olympisch werden - und paralympisch? - Tagesspiegel
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DONNERSTAG, 8. MÄRZ 2018 Paralympics Zeitung In Kooperation mit der Konsole mio! E-Sport soll bald olympisch werden – und paralympisch? Schnee von gestern Wie Angela Merkel beim Langlauf ihren Alltag vergisst
ANZEIGE INHALT 4 | SO SEHEN SIEGER AUS Die sechs Disziplinen und ihre Medaillenkandidaten Der Heraus- 6 | EIN BISSCHEN FRIEDEN Nord- und Südkorea nähern forderung sich über den Sport wieder an gewachsen. 7 | MIXED ZONE 100 Grillen pro Riegel und viele Hörnchen ohne Haus 8 | WAS KOSTET ERFOLG? Kaum ein Spitzensportler erhält ausreichend Förderung 9 | „POSITIVE IMPULSE“ Bundeskanzlerin Merkel über die Bedeutung der Spiele 10 | GEFÄLLT MIR In Sozialen Medien erzählen Menschen mit Behinderung ihre eigenen Geschichten 12 | E WIE SPORT Warum Computerspielen bald olympisch wird 13 | GENERALPROBEN Doping steht in Pyeongchang noch mehr im Fokus 14 | DAS LEBEN SEITDEM Drei Erfolgsfälle der DGUV Foto: Lee Jae-Won/Imago/Aflosport Glücksbärchi. „Bandabi“ ist das Maskottchen der Paralympics. Mit dem Nationalen Förderer der Deutschen Paralympischen Impressum Herausgeber: Stephan-Andreas Projektleitung: Tanja Peuker Mannschaft. Casdorff, Lorenz Maroldt Projektmitarbeit: Ulrike Gersten, Chefredaktion: Ronja Ringelstein Tong-Jin Smith Redaktion: Benjamin Apitius Projektberatung: Annette Kögel Reporter: Joanna Bartlett, Salome Social Media Team: Maxie Berblinger, Benjamin Brown, Borchert, Ann-Kathrin Hipp (Ltg.), Sooyeon Jo, Sun Kim, Marie Menke, David Hock, Amrei Zieriacks Jana Rudolf, George Simonds, Lea Stratmann, Jisu Yon Die Paralympics Zeitung ist ein Fotoredaktion: Thilo Rückeis Gemeinschaftsprojekt vom Artdirektion: Julia Schneider, Tagesspiegel und der Deutschen Sabine Wilms Gesetzlichen Unfallversicherung. Layout: Barbara Paschmann Titel: Die dreifache Snowboard- Herstellung: Marco Schiffner Weltmeisterin Brenna Huckaby Anzeigen: Nadja Holzmaier (USA). Foto: Joe Kusumoto
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 3 EDITORIAL Foto: promo Foto: Henning Schacht Foto: Mike Wolff Für die olympische Idee Seitdem die „Paralympics Zeitung“ aus der Stark für Menschenrechte Taufe gehoben wurde, steht sie für Verständi- Mehr Redaktionen der Vielfalt Die Paralympics sind für uns beim Tagesspie- gung. Junge Redakteurinnen und Redakteure Bei den Paralympics in Pyeongchang wird von gel alle zwei Jahre journalistische Festtage, aus verschiedenen Ländern begegnen sich, um Sportlerinnen und Sportlern mit Behinderun- und die „Paralympics Zeitung“ gehört seit den gemeinsam die Paralympics zu erleben und da- gen und ihren Teams Geschichte geschrieben. Spielen von Athen 2004 zu uns wie der tägliche rüber zu berichten. Sie bringen uns Menschen Geschichten von Fairness und Kampfgeist, von Politikteil. Und Politik spielt ja in Pyeongchang näher und Themen, die für die gesetzliche Un- Niederlagen und grandiosen Siegen. Und ge- eine wichtige Rolle: Gekämpft wird hier auch fallversicherung von besonderer Bedeutung nau diese Geschichten müssen unbedingt er- um den Frieden der Welt. Bei aller politischen sind. In den letzten Jahren verdunkelten hin zählt werden. Erzählt werden sie von jungen Spannung gibt es ermutigende Signale: Nach und wieder politische Schatten die Olympi- Nachwuchs-Journalisten mit und ohne Behin- einigem Hin und Her nehmen Sportler aus schen und Paralympischen Spiele. Vielleicht derungen. Diese neue Generation von Journa- Nordkorea an den Spielen beim südkoreani- kann die olympische Idee in Pyeongchang aber listen kann den Ton bestimmen, kann mit Sen- schen Nachbarn teil. Ja, der Sport kann Men- nun eine ihrer besten Qualitäten ausspielen: sibilität und Humor, mit Respekt und Sachkom- schen miteinander verbinden – hoffen wir, die der Verständigung. Gerade die Paralympics petenz über Spitzensport berichten. Es ist wich- dass die Verständigung Gold gewinnt. stehen für die Idee, dass die Vielfalt der Men- tig, dass im Journalismus Menschen unter- Wir haben auch diesmal wieder eine Partner- schen unser größter Reichtum ist und dass wir schiedliche Perspektiven einbringen. Daher zeitung: Es ist die „Hankyoreh“, deren Redak- sie achten und schätzen müssen. Die „Paralym- brauchen wir dringend auch in den Redaktio- teure sich stark für Menschenrechte und eine pics Zeitung“ wird auch in Pyeongchang für nen mehr Vielfalt. Die paralympische Bewe- freie Berichterstattung engagieren. Vielfalt und Inklusion werben. gung steht im Zeichen von Toleranz, Frieden Social Media bekommt auch für die „Paralym- und einem ehrlichen Wettbewerb. Wenn Nach- pics Zeitung“ eine immer wichtigere Bedeu- JOACHIM BREUER, wuchsjournalisten diese Werte in die Welt tra- tung, und wir haben wieder ein tolles Team am Hauptgeschäftsführer der Deutschen gen, weckt das Begeisterung und lässt die Pa- Start – so können Sie die Spiele auch täglich Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ralympics lebendig werden. im Netz verfolgen. Was uns besonders freut: Als ich noch selbst bei den Paralympics gestar- Etliche frühere Mitglieder unserer PZ-Redak- tet bin, habe ich als blinde Athletin mit meinem tion helfen den neuen Jungjournalisten in Süd- Begleitläufer im Team gewonnen und verloren. Mehr Artikel und Videos unter: korea, sie reichen die Fackel weiter, aber blei- tagesspiegel.de/paralympics Daher weiß ich, dass das perfekte Team entschei- ben dabei – mit derselben großen Leiden- und dguv.de/pz dend ist für den Sprung aufs Treppchen. Die „Pa- schaft, mit der sie einmal angefangen haben, ralympics Zeitung“ als Erfolgsgeschichte eines 2016 in Rio, 2014 in Sotschi, 2012 in London… Unser Social-Media-Team starken Teams hat gute Chancen auf einen Platz Ich habe es gleich gespürt, als sich das „Team berichtet live aus Pyeongchang. auf dem Treppchen. Viel Spaß beim Mitfiebern – Pyeongchang“ zum ersten Mal in Berlin zum Folgen Sie uns auf: und beim Erzählen großartiger Geschichten. facebook.com/ParalympicsZeitung Workshop traf: Das passt, das wird prima! twitter.com/parazeitung instagram.com/ParalympicsZeitung VERENA BENTELE, LORENZ MAROLDT, snapchat.com/add/parazeitung Beauftragte der Bundesregierung für die Chefredakteur Der Tagesspiegel Belange von Menschen mit Behinderung Unser Team 2018 Sie stecken voller Energie, die Jungjournalisten der „Paralympics Zei- tung“ – hier am „Pavillon der Einheit“ am Potsdamer Platz in Berlin. Jetzt sind alle in Südkorea, bei den achten Spielen, die wir als Tages- spiegel-Team mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung bei unserem internationalen Medienprojekt begleiten. Fiebern Sie mit bei den Paralympics dank der zehn Nachwuchsschreiber aus Deutschland, Südkorea und Großbritannien. Schmökern Sie in der zweiten Ausgabe der „PZ“, die am 19. März im Tagesspiegel und am 22. März in der Zeit und dem Handelsblatt beiliegt. Wieder bringen wir je eine „PZ“ in Eng- lisch und der Landessprache heraus. Drei Alumni nehmen Sie auf www.tagesspiegel.de/paralympics-zeitung, www.dguv.de sowie über Social Media mit in den Schnee! Es erfüllt mit Stolz, dass das berufliche Baby groß geworden ist – während das private mich gerade mehr braucht. Grüßt mir die paralympische Familie! ANNETTE KÖGEL Foto: Thilo Rückeis
4 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG So sehen Sieger aus – und ihre Sportarten In Pyeongchang treten rund 670 Athleten in sechs Disziplinen an. Das deutsche Team geht mit 20 Sportlern in vier von ihnen an den Start. Worauf es ankommt und wer die besten Chancen hat, lesen Sie hier Ski Alpin Ob sitzend oder stehend: Hauptsache schnell! Beim Ski Alpin in Pyeongchang werden die Athleten in 30 Wett- kämpfen gegeneinander in den Kategorien Slalom, Riesenslalom, Super-G, Super-Kombination und Abfahrt antreten – wobei sie bis zu 125 Kilome- ter pro Stunde erreichen. Bei den Winterspielen 2014 in Sotschi war das deutsche Team beson- ders erfolgreich und holte elf Medaillen, sechs da- von in Gold. Monoskifahrerin Anna Schaffelhuber (Bild) war mit fünf ersten Plätzen der Star im deut- schen Team, die Erwartungen für Pyeongchang sind also hoch. Nach drei Gold- und zwei Silberme- daillen bei der Weltmeisterschaft 2017 darf man er- neut Großes von der 25-Jährigen erwarten. Sie führt das Deutsche Team an. Auch Anna-Lena Forster und Andrea Rothfuß sind Medaillenkandidatinnen. BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE Langlauf Fotos: imago/DBS-Akademie (2), Julian Strathenschulte/dpa, Ralf Kuckuck/DBS-Akademie, imago/VI Images, imago/Kyodo News Sie ist die deutsche Medaillenhoffnung: Die 46 Jahre alte Sitzskiathletin Andrea Eskau (Bild) war bereits bei fünf Winter- und Sommerspielen dabei. Bei den vergangenen Paralympics in Rio holte sie zuletzt Gold im Straßenrennen mit dem Handbike. In Südkorea kann ihr das im Langlauf gelingen. Auch Martin Fleig und Anja Wicker zäh- len zu den deutschen Hoffnungsträgern. Gestartet wird auf drei verschiedenen Strecken, die zwischen 2,5 und 20 Kilometer lang sind. In 15 Wettkampfklassen werden die Athleten unterteilt. In drei von ihnen starten Athleten mit einer Sehbehinderung, ein zusätzlicher Guide gibt ihnen während der Rennen Komman- dos. In zwölf weiteren Wettkampfklassen starten die Sportler mit einem speziellen Sitzski. MARIE MENKE, 20 JAHRE
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 5 Eishockey Ausdauer, Geschwindigkeit und Gleichgewicht – darauf kommt es beim Sledge-Eishockey an. Die überwiegend männlichen Spieler sitzen in individuell angepassten Schlitten, zur Fortbewegung und zum Schießen des Puks dienen zwei kurze Schläger mit Spikes an den Enden. Bei den Winterspielen in Sotschi gewann das US-Team. 2018 werden erneut acht Mannschaften gegeneinander antreten, gespielt wird im Gangneung Hockey Center, wo im vergangenen Jahr bereits die WM ausgetragen wurde. Kanada gewann das Finale gegen die USA, Südkorea wurde Dritter. Das Team des Gastgebers könnte zum Publi- kumsliebling werden – die Nummer 14, Jung Seung-hwan (Bild), nennen sie den „Messi auf dem Eis“. Für Südkorea könnte es die dritte Paralympics-Medaille geben, das deutsche Team verpasste die Qualifikation. JISU YON, 20 JAHRE Snowboard Sie fliegen durch die Luft oder rasen im Slalom den Berg herunter: Die Snowboarder treten in zwei Disziplinen an. Beim „Snowboard Cross“ müssen sie die Strecke aus senkrechten Abschnitten, kleinen Hügeln und scharfen Kurven möglichst schnell über- winden. In der neuen Disziplin „Banked Slalom“ stürzen sich die Athleten eine Slalom-Piste voller scharfer Kurven herab. Erst bei den vergangenen Para- lympics feierte Snowboarding sein Debüt. Vier der sechs möglichen Medail- len holte das Team USA. In Pyeongchang starten die Snowboarder nun in zehn verschiedenen Kategorien. Bei den Frauen versucht die 45 Jahre alte Niederlände- rin Bibian Mentel (Bild) ihren Titel gegen die dreimalige Weltmeisterin Brenna Huckaby (USA) zu verteidigen. Die Sportart hat das Zeug zum Publikumsmagneten. Aus dem deut- schen Team geht niemand an den Start. BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE Curling Schach auf dem Eis wird Rollstuhlcurling auch genannt. Denn der mannschaftsfüh- rende Skip muss mit seinem Team mehrere Züge vorausdenken. Die zwei gemischt- geschlechtlichen Mannschaften bestehen aus jeweils vier Spielerinnen und Spielern. Im Unterschied zum olympischen Curling darf nicht ge- wischt werden. Umso präziser müssen die Athleten den fast 20 Kilo schweren Stein stoßen. In Pyeongchang zählt allen voran der dreifache Paralym- pics-Sieger Kanada zu den Medaillenfavoriten. Vor heimischer Kulisse rechnet sich auch Südkorea Chancen aus, bei der WM 2017 reichte es für Platz sechs. Für Deutschland mit dabei ist auch Christiane Putzich (Bild). Sie spielt seit 2009 im Na- tionalteam und war bereits bei den Spielen 2010 in Vancouver dabei. „Ich wün- sche mir, dass wir in die Gruppe der letzten vier kommen – alles Weitere ist dann Bonus“, sagt die 42-Jährige. SALOME BERBLINGER, 20 JAHRE Biathlon Mit 23 Jahren ist Clara Klug (Bild) die jüngste weibliche Medaillenhoffnung im deutschen Biathlon-Team bei den Winterspielen in Südkorea. Im vergange- nen Jahr gewann sie bei den Weltmeisterschaften bereits zweimal Sil- ber und einmal Bronze. Auch Martin Fleig zeigte sich da schon in be- stechender Form. Der 28-Jährige feierte Doppel-Gold. Die Kombina- tion aus Ski-Langlauf und Gewehrschießen ist seit 1994 paralympisch. Zusätzlich zum Langlauf wird sowohl im Liegen als auch im Stehen auf Zielscheiben geschossen. Biathleten mit Sehbehinderung – wie Clara Klug – nutzen ein Gewehr, das einen Ton abgibt, je nachdem wie es auf die Zielscheibe gerichtet ist. Als Topfavorit gilt der zehnfache Paralym- pics-Sieger Brian McKeever aus Kanada. MARIE MENKE, 20 JAHRE
6 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG Dienstleistungen, seine Produktion von Autos und Hightech-Geräten bekannt. Mit den Sommerspielen 1988 wurde die Halbinsel in die globale Gemeinschaft auf- genommen und hat sich mittlerweile als eine führende Hightech-Nation etabliert. Nord- und Südkorea haben trotz der Tren- nung noch immer einiges gemein: Die ko- reanische Schrift „Hangeul“ gilt sowohl Aus Nordkorea treten zwei Athleten an – da passt der Slogan „Passion. Connected“ in wissenschaftlicher als auch kreativer Hinsicht als weltweit einzigartiges Schrift- system, das auf den koreanischen König Sejong zurückzuführen ist. Auch die tradi- tionsreiche Küche Koreas hat ein Allein- stellungsmerkmal. Nicht zuletzt ist das Foto: YNA/dpa Land religiös und vor allem vom Protes- tantismus und Buddhismus geprägt und Historischer Handschlag. Südkoreas Präsident Moon Jae In begrüßt Kim Yo Jong (rechts), die für das Regime aus Nordkorea anreiste. durch seine Leidenschaft für Innovation und Unterhaltungskultur bekannt – E Zwei Seiten „K-Pop“ ist mehr als nur das weltweit be- ine simple Geste der Begrüßung, kannte Lied „Gangnam Style“ und prak- deren Bedeutung aber kaum grö- tisch eine ganze Kultur für sich. ßer sein konnte: Bei der Eröff- Als Gastgeber der Winterspiele wird Süd- nungsfeier der Olympischen korea wohl erneut einen Wendepunkt in einer Medaille Spiele reichte der südkoreanische Präsi- seiner Geschichte erfahren. Unter dem dent Moon Jae-in der Schwester des Motto „New Horizon“ sollen die Spiele in nordkoreanischen Diktators Kim Pyeongchang dabei vor allem die Wirt- Jong-un seine Hand, beide lächelten. schaft beleben und neue Arbeitsplätze Eine historische Begegnung. Kim Yo-jong schaffen. Als neues Zentrum für Winter- ist damit das erste Mitglied der Kim-Dy- sport kommt die Halbinsel wohl aber nicht nastie gewesen, das Südkorea seit dem Als Gastgeber der Winterspiele steht infrage. Der kulturelle Austausch und die Waffenstillstand von 1953 besuchte. Südkorea an einem Wendepunkt in seiner positive Energie während der Spiele sol- Südkorea, zum zweiten Mal seit 1988 len – so erhoffen es sich die Organisatoren Gastgeber von Paralympischen Spielen Geschichte – zu den Paralympics entsendet und Politiker – dem Land neue Impulse ge- und seit dem Koreakrieg vom Norden ab- ben und die jüngsten politischen Krisen in geschnitten, hat die Hoffnung auf eine Wie- nun erstmals auch der Norden ein Team den Hintergrund rücken. dervereinigung noch nicht aufgegeben. Rund 670 Athleten aus insgesamt 45 Län- Provokationen durch Raketen- und Atom- dern gehen bei den Paralympics in 80 Me- tests seitens Kim Jong-un hatten den Kon- Amtes enthoben wurde. Vor allem die Be- Beendigung der Kriegsführung in Korea daillenentscheidungen an den Start. Zum flikt immer wieder verschärft – die Hand- fürworter einer politischen Reform sehen im Jahr 1953 war die südliche Halbinsel ersten Mal überhaupt bei Winterspielen reichung könnte ein neuer Anfang sein. in dem neuen Präsidenten Moon Jae-in stark auf Entwicklungshilfen angewie- wird dann auch Nordkorea dabei sein, ver- Die südkoreanische Gesellschaft sehnt nun eine große Hoffnung für das Land. sen. Mithilfe von Mischkonzernen und treten durch zwei nordische Ski-Athle- sich nach Frieden und wieder mehr Demo- Südkoreas Weg vom militärischen Re- sich rasch wandelnden inländischen Re- ten, die erst in diesem Jahr ihr internatio- kratie. Noch nicht vergessen sind die in- gime zu einer aufstrebenden Demokratie formen wurde die koreanische Wirtschaft nales Debüt feierten. So passt der Slogan nenpolitischen Unruhen vor etwas mehr war beschwerlich und lang, um das Land immer weiter ausgebaut, es ergaben sich für die Spiele in Südkorea vielleicht gar als einem Jahr, nachdem Präsidentin verstehen zu können, ist ein Blick auf bald neue Wege für Handel und Gewerbe, nicht so schlecht. Er lautet: „Passion. Park Geun-hye wegen Korruption ihres seine Geschichte und Kultur nötig. Nach und Südkorea wurde vor allem für seine Connected.“ JANA RUDOLF, 20 JAHRE „Kulturelle Brücken nach Nordkorea“ Das Goethe-Institut Korea wurde 1968 wurde. Derzeit ist die Lage nach wie vor dass sich die politische Lage entspannt begründet, setzt sich seitdem für die sehr angespannt – was waren Erfolge? und wir die kulturellen Brücken nach Vermittlung zwischen koreanischer und Wir versuchen, Kontakte zu Partnern aus Nordkorea wieder aktiv begehen können. Foto: Goethe-Institut Korea/OZAK deutscher Kultur ein. Gibt es etwas, wo- dem Kulturbereich in Nordkorea auf- rin sich Deutschland und Korea ähneln? rechtzuerhalten. Für einige Jahre er- Das Goethe-Institut Korea ist Projekt- Ein wichtiges gemeinsames Thema im laubte ein Lesesaal in Pjöngjang den Zu- partner der „Paralympics Zeitung“ und deutsch-koreanischen Austausch ist na- gang zu Büchern und Zeitschriften aus sorgt dafür, dass es auch eine koreani- türlich das Thema Teilung und Wiederver- Deutschland. Das Münchner Kammeror- sche Ausgabe in Zusammenarbeit mit einigung. Trotz aller Unterschiede zwi- chester war für Konzerte und Workshops der koreanischen Zeitung „Hankyoreh“ Marla Stukenberg, 55, ist die Leiterin schen der deutsch-deutschen Teilung in Nordkorea. Für die Zukunft hoffen wir, geben wird. Was sind Ihre Ziele und des Goethe-Instituts in Korea. Sie ist und der Situation auf der koreanischen Wünsche für die Kooperation? verantwortlich für die Region Ostasien. Halbinsel herrscht in Korea ein großes In- Der Behindertensport und auch Themen teresse an den deutschen Erfahrungen wie Inklusion, Teilhabe und selbstständi- während und nach der Wiedervereini- ges und selbstbestimmtes Leben von nischen Ausgabe die Chance, dem Behin- gung. Neben vielen anderen Aspekten Menschen mit Behinderungen spielen in dertensport in Korea mehr Öffentlichkeit verbindet beide Länder insbesondere Südkorea gesellschaftlich nach wie vor zu verschaffen und gleichzeitig den jour- auch die Begeisterung für Musik. eine untergeordnete Rolle. Auch das Inte- nalistischen Austausch zwischen resse an den Paralympics 2018 im eige- Deutschland und Korea zu fördern. Wir Sie teilten mit, dass mit der Projektar- nen Land war nicht sehr ausgeprägt. Vor freuen uns sehr, dass die koreanische beit in Nordkorea ein entscheidender diesem Hintergrund sah das Goethe-Insti- Ausgabe am 16. März erscheinen wird. Schritt in beiden Teilen Koreas gemacht tut Korea in der Herausgabe einer korea- DIE FRAGEN STELLTE JISU YON, 20 JAHRE
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 7 MIXED ZONE Grillen mal anders Fotos: Tim Hartmann, Organisationskomitee Gemischter Insektenteller mit Wasserwanzen auf Salat – das bekommen bisher nur mutige Touristen auf Straßenmärkten in Thailand. Nun können die Proteinbomben auch deutschen von Pyeongchang (POCOG) Sportlern zu Gute kommen. Einen Riegel, des- sen Protein-Hauptlieferant 80 bis 100 zu Pulver verarbeitete Grillen sind, hat das Start-up „Swarm“ mit der Sporthochschule Köln und Foto: Imago/Nature Picture Library dem Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bio- ökonomie Potsdam entwickelt. Grillen liefern alle essentiellen Aminosäuren für den Muskel- aufbau. Die erste große Produktion fand mit 80 000 Riegeln im Februar statt. Ob die deut- sche Sportler die Hürden des Ekels überwinden Lange gefackelt werden? SALOME BERBLINGER, 20 JAHRE Weiß, grazil und schlank – so lässt sich die Fa- ckel beschreiben, mit der vor den Paralympi- schen Winterspielen 2018 das Feuer entfacht Kein Herz für wird. Dabei ist sie extra dafür gebaut, auch dem südkoreanischen Winter mit Wind und Schnee Hörnchen standzuhalten. Wenn die Flamme am 9. März bei der Eröffnungsfeier übergeben wird, hat sie Schon Monate vor den Winterspielen wurden eine 2018 Kilometer lange Reise hinter sich, ge- die Proteste in Südkorea massiver. 13 Umwelt- tragen von 800 Fackelträgern. Bei den Paralym- schutz-Organisationen kritisierten den Bau der pischen Spielen beginnt der Fackellauf traditio- Alpin-Pisten in den Naturschutzgebieten Jung- nell in Stoke Mandeville, einem kleinen Ort in bong und Gariwan Mountain in Pyeongchang. England und Geburtsort der paralympischen Be- Neben geschützten Tierarten beherbergt das wegung. Am 2. März wurde das Feuer in Stoke Naturschutzgebiet auch vom Aussterben be- Mandeville sowie in Seoul, der Hauptstadt Süd- drohte Pflanzen: Auf dem 500 Jahre alten Gari- koreas, und sechs weiteren südkoreanischen wan Mountain wächst der Wangsasre-Baum, Städten entfacht. Gemeinsam sollen die acht eine seltene Birke. Und dort leben das Gleit- Aus, der deutsche teilnehmenden Städte an das Jahr 1988 erin- hörnchen und der Eurasische Fischotter – nern, in dem die Paralympischen Spiele zuletzt beide sind äußerst selten. Doch der Urwald an Eishockey-Traum in Südkorea, genau genommen in Seoul, statt- dem Berg sowie im Gebirge Jungbong musste fanden. MARIE MENKE, 20 JAHRE den neuen Pisten Platz machen. Eine Alterna- Sie müssen sich die Spiele wieder von Zuhause tive gibt es nicht in Pyeongchang: Der Weltski- aus ansehen: die deutsche Sledge-Ho- verband FIS legt fest, dass eine olympische Ab- ckey-Mannschaft. „Kurz vor dem Ziel haben wir Mehr Artikel und Videos unter: fahrt einen Höhenunterschied von 800 Metern es nicht geschafft. Diese Enttäuschung sitzt ziem- tagesspiegel.de/paralympics aufweisen muss. Dies ist in der Umgebung al- lich tief“, sagt Cheftrainer Andreas Pokorny. Im und dguv.de/pz lein am Gariwang Mountain der Fall. Andere ver- Qualifikationsspiel gegen Schweden verlor die weisen auf die wirtschaftlichen Vorteile, die das Mannschaft 4:1. Jetzt muss Pokorny eine neue Unser Social-Media-Team Event der Region bringen kann. Schließlich leistungsstarke Mannschaft aufbauen. Schwie- berichtet live aus Pyeongchang. könnten die gerodeten Gebiete nach den Spie- rig. „Das sind alles Hobby-Jungs, die ihren Sport Folgen Sie uns auf: facebook.com/ParalympicsZeitung len ja wieder aufgeforstet werden. Ob das wirk- selbst finanzieren müssen.“ Anders ist das in Ka- twitter.com/parazeitung lich passiert, muss sich zeigen. nada und den USA, den Favoriten: Professionelle instagram.com/ParalympicsZeitung MARIE MENKE UND JANA RUDOLF, BEIDE 20 JAHRE Ligen, Sportler verdienen Geld. Für die National- snapchat.com/add/parazeitung mannschaft gebe es eine Auswahl aus 600 bis 800 Spielern, in Deutschland aus 20 bis 30, so Po- korny. SALOME BERBLINGER, 20 JAHRE ANZEIGE Klaus Koch, Ausbildungsmeister Bauindustrie, Nicolas Neumann, Auszubildender » Wir sind kommmitmenschen. « Sicher. Gesund. Miteinander. www.kommmitmensch.de
8 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG B ereits Monate vor den Paralympi- für erntet es jedoch sehr unterschiedliche schen Spielen war der gelernte Kritik: Einige bemängeln, dass ein Sport- Geld Mediengestalter fast täglich im ler sich kaum allein durch die vom Innen- Training: Als Georg Kreiter 2006 ministerium zur Verfügung gestellten Gel- zum ersten Mal in einem Monoski saß, der finanzieren kann. Anderen wiederum packte ihn der Ehrgeiz. Seitdem fasziniert erscheint die hochgerechnete Summe von ihn das Sportgerät. 2008 wurde er in das insgesamt 169 Millionen Euro, die das In- für Gold Deutsche Para-Ski-Alpin-Team aufge- nenministerium 2017 in den Spitzensport nommen, 2010 dann in die Nationalmann- steckte, als zu hoch, da sie das Geld lieber schaft. Für die Paralympischen Winter- in andere Bereiche als in den Sport inves- spiele in diesem Jahr gilt er inzwischen als tieren würden. Medaillenhoffnung. Die Gelder sollen den deutschen Teams zu Damit hat er etwas geschafft, das nicht vie- internationalen Erfolgen verhelfen: Im len gelingt: Seit 2017 ist er außerdem Mit- Erfolg im Spitzensport kostet viel. Sport sind Medaillen die Währung, die glied des sogenannten Top Teams des Deutschen Behindertensportverbands. Er Die Fördersummen sollten höher sein, zählt. In der Hoffnung, den Zusammen- hang zwischen den Erfolgen deutscher und fünf weitere Sportler sowie ein Be- findet auch Monoskifahrer Georg Kreiter gleitläufer wurden damit auf ihrem Weg Medaillen sind hier die nach Pyeongchang gefördert. „Fitnessstu- dio, Material, Fahrten“, zählt Skifahrer Währung, die zählt Kreiter Kosten auf, die auf die Sportler zu- kommen – und die sind hoch. Mit jeweils Sportler und den Summen, die in sie inves- 500 Euro monatlich verringert die Förde- tiert werden, messbar zu machen, begann rung des Top Teams dabei den Eigenan- 2017 eine Kommission der Universität teil, den die Sportler selbst aufbringen Mainz, das Potenzial des Spitzensports zu müssen. Dazu kommt eine mögliche be- analysieren und daraufhin neu festzule- gen, wo genau investiert wird. Kritiker be- Zwölf von 15 deutschen fürchten, dass diese Umstrukturierung zu einer gezielteren Förderung einzelner Ta- Medaillen in Sotschi lente führen wird, während Gelder für eine allgemeine Sportförderung abseits von holten Athletinnen Medaillenhoffnungen ausbleiben könn- aus dem Top Team ten. Sie finden, dass das in Sport inves- tierte Geld nicht nur Medaillen bringen, rufsbezogene Unterstützung von bis zu sondern vor allem kulturelle und gesell- 1000 Euro im Monat, damit die Arbeitszei- schaftliche Werte vermitteln sollte. ten von Athleten gekürzt werden, um ih- „Gut ist an der jetzigen Lage, dass es über- nen mehr Trainingszeit zu geben. In Sot- haupt eine Förderung gibt“, sagt Georg schi hat die Strategie 2014 bereits Erfolge Kreiter. Die berufsbezogene Förderung gezeitigt: Zwölf von insgesamt 15 Medail- entlaste zwar den Arbeitgeber, eine kom- len, die an das deutsche Team gingen, hol- plette Freistellung sei über einen länge- ten vier Athletinnen aus dem Top Team. ren Zeitraum dennoch nur selten möglich. Kreiter hat es bei den Paralympics 2014 im- Er selbst ist im familieneigenen Druckerei- merhin auf den 8. Platz geschafft, in die- betrieb angestellt und kann seine Arbeits- sem Jahr könnte mehr drin sein. zeiten daher recht flexibel gestalten. 70 Spitzensportler mit und ohne Behinde- bis 80 Fehltage rechnet er in einer Winter- rung beziehen finanzielle Förderungen saison für Training und Rennen. „Mit einer aus verschiedenen Quellen: So wird das höheren Fördersumme könnten die Sport- Top Team von der Deutschen Telekom, Profisport als Nebenjob. ler jedoch noch besser und individueller der Allianz und dem Deutschen Sparkas- Georg Kreiter fehlt bei trainieren und müssten zur Vorbereitung Foto: Paul Hoffmann sen- und Giroverband möglich gemacht, der Arbeit etwa 70 Tage wichtiger Jahre und Wettkämpfe nicht ne- aber auch das Bundesministerium für In- pro Wintersaison. benbei arbeiten.“ neres investiert in den Leistungssport. Da- MARIE MENKE, 20 Auf dem Weg nach oben Der Weg zu den Paralympics ist lang. Es man das, was Forster und Schaffelhuber „Ich will eines Tages auch dort stehen!“ und musste Schaffelhuber den Rang über- braucht nicht nur gute Leistungen. erreicht haben? Grundlage für die Nomi- Forsters Vorbild ist Anna Schaffelhuber. lassen. Solche Fehler dürfen Forster in Alle Athleten, die bei den Paralympics an nierung zu den Paralympischen Spielen In Sotschi galt Schaffelhuber noch als Pyeongchang nicht passieren, wenn sie im den Start gehen, haben intensivste Trai- bildet in erster Linie die Satzung des Deut- klare Favoritin, in Südkorea aber will Fors- Wettkampf vor Anna Schaffelhuber im Ziel ningsphasen hinter sich. So auch die 22 schen Behindertensportverbandes (DBS). ter ihr nun auf Augenhöhe begegnen. Ihre sein möchte. Die richtige Motivation dafür Jahre alte Monoskibobfahrerin Vorgeschlagen wird ein Athlet durch den Ausgangslage ist gut, im ersten Lauf des aber hat sie jedenfalls: „Ich will meine Anna-Lena Forster, die zum deutschen jeweiligen Bundestrainer, die Nominie- Para-Ski-Alpin-Weltcups, der im Dezem- Kompetenzen, die ich mir in den letzten Ski-Alpin-Team gehört. „Momentan be- rung erfolgt durch den DBS. Für die Sport- ber im österreichischen Kühtai stattfand, Trainingsmonaten erarbeitet habe, opti- herrschen die Vorbereitungen auf die Pa- arten gibt es verbandsinterne Qualifikati- sicherte sich Forster den ersten Platz. mal einsetzen und die Goldmedaille im Sla- ralympics meinen ganzen Tag – er besteht onskriterien, verpflichtend ist das Min- Beim anschließenden Slalom patzte sie lom holen!“ JANA RUDOLF, 20 JAHRE komplett aus Skifahren, Kraft- und Aus- destalter von 15 Jahren. dauertraining“, sagte Forster vor Beginn Neben den formalen Anforderungen der Spiele. Neben dem Sport studiert sie braucht jeder Sportler aber noch ganz an- Psychologie in Freiburg, ist aber während dere Dinge, um es ganz nach oben zu schaf- der Vorbereitungsphase auf die Paralym- fen, erzählt Forster: „Talent, tägliches pics vom Studium befreit. In Pyeongchang Training, Zielstrebigkeit, Organisation will sie Gold holen. und ein stärkendes soziales Umfeld.“ Forster, die von Geburt an kein rechtes Auch finanziell muss man viele Hürden und ein verkürztes linkes Bein hat, fuhr überwinden. „Bis ich erst mal im Interna- Motivationsprofi. mit sechs Jahren zum ersten Mal Ski. Ihr tionalen Team dabei war, hat meine Eltern Die Psychologie- Foto: Stratenschulte/ dpa Idol und Teamkollegin Anna Schaffelhu- der Sport sehr viel Geld gekostet.“ Studentin Anna-Lena ber mit fünf. Beide haben zahlreiche Welt- Ihre Motivation fand Forster in dem Mo- Forster will in cup-Siege errungen und gelten als abso- ment, als sie ihre Teamkollegen bei der Er- Pyeongchang eine lute Spitzenathletinnen. Doch wie schafft öffnungsfeier der Spiele sah und dachte: Medaille holen.
Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG | 9 Frau Bundeskanzlerin, mit Südkorea sind die Paralym- pics und die Olympischen Spiele dieses Jahr in ein be- sonderes politisches Umfeld eingebettet. Wie kann die Sicherheit der Spiele garantiert werden? Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel berei- ten uns allen Sorgen. Zugleich wissen wir, dass es den südkoreanischen Gastgebern ein großes Anliegen ist, Olympische Winterspiele und die Paralympics auszurich- ten, bei denen sich die teilnehmenden Sportlerinnen und Sportler sowie die Besucher sicher fühlen können. Der südkoreanische Präsident Moon Jae-in hat auch sehr früh eine ausdrückliche Einladung an Nordkorea ausgesprochen und damit eine positive Entwicklung in Gang gesetzt. Präsident Moon Jae-in hatte gesagt, er wünsche sich eine „heilende Wirkung“ der Spiele für die Beziehun- gen zwischen Nord- und Südkorea. Was können Groß- events tatsächlich auf politischer Ebene bewirken? Und glauben Sie, dass die Spiele einen Effekt auf die Beziehungen zwischen Nordkorea und den Rest der Welt haben werden? Sportereignisse wie die Paralympics und die Olympi- schen Spiele bringen Menschen aus aller Welt zusam- men. Davon können positive Impulse ausgehen. Aller- dings wäre es zu viel, zu erwarten, dass damit die beste- henden politischen Probleme gelöst werden würden. Das ist Aufgabe der Politik. Im Fall von Nordkorea ist es das Raketen- und Nuklearprogramm, das gegen zahlrei- che Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Na- tionen verstößt und damit völkerrechtswidrig ist. Wir ha- ben das wiederholt kritisiert und rufen die Regierung in Pjöngjang auf, ihren Kurs zu ändern. Foto: imago Werden Sie es selbst nach Pyeongchang zu den Spie- len schaffen? Angela Merkel, 63, reist nicht zu den Paralympics, verfolgt einige Wettkämpfe aber im Fernsehen. Ich werde es terminlich nicht schaffen, nach Pyeong- chang zu reisen. Wenn möglich werde ich mir Wett- kämpfe im Fernsehen ansehen und auch die weitere Be- „Ichbindietypische richterstattung verfolgen. Allen deutschen Athletinnen und Athleten drücke ich ganz fest die Daumen. 2016 schalteten über 20 Millionen Zuschauer mindes- Breitensportlerin“ tens einmal die Paralympics bei den öffentlich-rechtli- chen Sendern ein, bei Olympia waren es knapp 55 Mil- lionen. Die Paralympics haben sich emanzipiert, der Unterschied bleibt trotzdem groß. Wie kann man errei- chen, dass Para-Sport einen ebenso großen Platz in der Gesellschaft erhält wie Leistungssport von Nicht- behinderten? Den Stellenwert des Para-Sports in der Gesellschaft al- Bundeskanzlerin Sie sind selbst Ski-Langläuferin. Welcher Para-Winter- sport ist Ihr Favorit? lein an Einschaltquoten festzumachen, greift meines Er- achtens zu kurz. Entscheidend ist doch eher, wie die Angela Merkel über Ich kann da keinen bestimmten Favoriten nennen. Viele paralympische Sportarten faszinieren mich und haben Breite und Vielfalt dieses Sports im gesellschaftlichen ihre Leidenschaft ganz besondere Momente. Mich beeindruckt immer wie- Alltag angenommen werden. Viele Sportvereine bieten Sport für Menschen mit Behinderungen an – als Breiten- für den Wintersport und der die unglaubliche Disziplin und Motivation aller Athle- tinnen und Athleten. Es gibt sicherlich auch in Pyeong- sport oder auch als Leistungssport. In welchem Maße die Medien den Leistungssport von Menschen mit Behin- darüber, was die chang viele spannende Wettkämpfe, auf die wir uns freuen können. derungen aufgreifen, hat viel mit der Attraktivität und Paralympics für Südkorea Leistungsfähigkeit der jeweiligen Sportart zu tun. Das Haben Sie früher selbst an sportlichen Wettkämpfen gilt aber für den Leistungssport der Menschen ohne Be- bewirken können. Beim teilgenommen? hinderungen genauso. Ich bin überzeugt: Je spannen- der para-sportliche Wettkämpfe werden, desto mehr Be- Thema Inklusion fordert Leistungssport und sportliche Wettkämpfe habe ich schon immer denen überlassen, die so etwas wirklich achtung werden sie auch finden. sie einen stärkeren gut können. Ich bin eher die typische Breitensportlerin, die Sport aus Freude an der Bewegung und zur Erhal- Die Bundesregierung fördert Inklusion mit vielen Pro- Bewusstseinswandel tung der Gesundheit betreibt. jekten. Wünschen Sie sich manchmal mehr Unterstüt- zung aus der Gesellschaft? in der Gesellschaft Was schätzen Sie am Wintersport im Allgemeinen? In Die Bundesregierung kann Inklusion unterstützen, aber unserem Interview für die Paralympics 2014 erholten nicht vollständig steuern. Wir brauchen noch mehr Be- Sie sich gerade von einem Unfall, waren aber positiv wusstseinswandel in der Gesellschaft, um weg von der gestimmt, schon bald wieder Ski fahren zu können. bloßen Fürsorge und hin zu einer selbstbestimmten Teil- Hat das geklappt? habe behinderter Menschen zu kommen. Das fängt im Bewegung in der Natur und an der frischen Luft bedeu- Kindergarten an und setzt sich in Schule, Ausbildung tet mir einfach sehr viel. Deshalb wandere ich im Urlaub und Arbeit fort. Wir finden heute viele ermutigende Bei- gerne in den Bergen. Ich habe mich gefreut, in den Weih- spiele für inklusives Zusammenleben in unserer Gesell- nachtsferien wieder etwas Zeit für den Skilanglauf zu schaft, so auch im Sport. Besonders schätze ich das En- haben. So konnte ich das Naturerlebnis mit der Auffri- gagement von Menschen mit Behinderungen und ihrer schung der Kondition sehr schön verbinden. Verbände. Nach dem Motto „Nichts über uns ohne uns“ gestalten sie inklusive Prozesse mit. Ihr Rat und Sach- verstand haben bei der Entwicklung des Bundesteilhabe- DIE FRAGEN STELLTEN DIE NACHWUCHSREPORTER gesetzes sehr geholfen. DER PARALYMPICS-ZEITUNG SCHRIFTLICH
10 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG Die Machtverschiebung Geschichten über Behinderung hatten lange das Schema „Opfer oder Held“– Soziale Medien können das verändern D ie UN-Behindertenrechtskon- vention hat einen Leitspruch: „Nicht ohne uns über uns“. Er sollte immer gelten, nicht zu- Foto: Screenshot/Instagram/www.instagram.com/amypurdygurl/ letzt, wenn Medien über Menschen mit Behinderung berichten. Lange Zeit aber wurden immer diese zwei Geschichten er- zählt: die eine vom „Opfer“, das seit ei- nem „tragischen Unfall“ an den „Roll- stuhl gefesselt“ ist . Und die des Helden, der „trotz der Behinderung“ Dies und Je- nes tut. Heute bemühen sich viele deut- sche Medien, es besser zu machen und machen es besser. Das liegt nicht zuletzt am Engagement von den „Leidmedien“, „Gefällt mir“. Die us-amerikanische Para-Snowboarderin Amy Purdy hat 271 000 Follower auf Instagram. die Workshops in den Redaktionen ge- ben. Oft ist die Angst groß, Unpassendes zu schreiben, zu sagen. Wie berichtet wie vor bedeutet: „Sie haben das Bild, trügt. Viele deutsche Paralympioniken, fragt sie. Das bleibt vorerst unbeantwor- man „richtig“ über Behinderung? dass das alles sehr schlimm sein muss.“ wie Leichtathlet Heinrich Popow, nutzen tet. Die Gesellschaft muss noch bewei- Dabei hat womöglich bereits die entschei- Eben deshalb bloggt sie, sitzt in Talk- das, mit Witz und Charme. Popow hat sen, dass sie Menschen mit Behinderung dende Revolution begonnen: Menschen shows und hat ein Buch geschrieben. 19 000 Follower. Doch der Instag- wirklich in ihrer Mitte will. Ein Moderator mit Behinderung übernehmen selbst. In Auch auf Instagram ist sie aktiv – wie etli- ram-Star ist wohl die US-Para-Snowboar- mit Behinderung in den Abendnachrich- den Sozialen Medien, auf Plattformen che Sportler der Paralympics auch. derin Amy Purdy. 271 000 Menschen „fol- ten, auch wenn es nicht um die Paralym- wie Instagram, Facebook, Twitter, kann Soziale Medien können Barrieren einrei- gen“ ihr. Ihre Bilder bekommen tau- pics geht, wäre ein Anfang. Es braucht jeder, egal, welchen Beruf er auch aus- ßen. Der „Follower“ fühlt sich dem, dem sende „Likes“. Purdy ist Werbegesicht mehr von denen, die in die Öffentlichkeit übt oder was er auch tut, andere Men- er folgt näher, hat das Gefühl teilzuha- von Coca Cola und trat im Fernsehen bei drängen, nicht weil sie eine Behinderung schen – Follower – daran teilhaben las- ben, auch wenn der Schein sicherlich oft der Tanzshow „Dancing with the stars“ haben, sondern weil sie zur Gesellschaft sen. „Sich selbst darstellen, anstatt dar- auf. Ihre Instagram-Fotos vermitteln das gehören. Instagram kann da nur ein An- gestellt zu werden, kann viel verändern. Bild einer glamourösen Welt. Sie geht of- fang sein. RONJA RINGELSTEIN Man reißt diese Macht an sich“, sagt die fensiv mit ihrer Behinderung um. Und Berliner Bloggerin Laura Gehlhaar. Auf German Paralympic Media Award wird nicht müde, zu betonen, dass mit Wil- ihrer Homepage lauragehlhaar.com Zum 18. Mal verleiht die Deutsche lenskraft jeder alles erreichen könne. Oft räumt sie mit Klischees über Behinderun- Gesetzliche Unfallversicherung sieht man sie im Minikleid, ihre Unter- gen auf, erzählt aus ihrem Alltag im Roll- den „GPMA“. Der Medienpreis schenkel-Prothesen tragen hohe Schuhe, stuhl und über das Großstadtleben. Für zeichnet herausragende journalis- die Kunststoffzehen sind lackiert. Fast er- ihr Bullshit-Bingo hat sie die Sätze zu- tische Beiträge über Reha- und kennt man die Prothesen gar nicht. sammengetragen, die sie häufig hört – Behindertensport aus. Die Preis- Ist das der Weg, um Behinderung in die Foto: Andi Weiland „Toll, dass Sie trotzdem rausgehen.“ verleihung findet am 25. April Mitte der Gesellschaft zu bringen? Weder Für Laura Gehlhaar zeige dieser Satz, 2018 in den Räumlichkeiten der Opfer noch Held? Die Berlinerin Laura der sie zur Heldin glorifiziert, nur weil sie DGUV in der Berliner Glinka- Gehlhaar ist skeptisch: „Muss ich erst zei- es vor die Tür geschafft hat, was Behinde- straße statt. Weitere Informatio- gen, dass ich so normal wie möglich sein Hat was zu sagen. Die Berliner Bloggerin rung in den Köpfen der Menschen nach nen unter: www.dguv.de/gpma kann, damit ihr mich gut finden könnt?“, Laura Gehlhaar. Die Spiele Neben Live-Übertragungen gibt es täg- liche Zusammenfassungen, in denen ZDF ARD im TV und die Highlights der vergangenen 24 Stun- Freitag, 9. März 2018: Mittwoch, 14. März: den gezeigt werden – natürlich mit Ex- 11.50 - 14 Uhr Eröffnungsfeier (live) 2.05 - 5.30 Uhr, 9 - 10.15 Uhr (live) perten im Studio. Für die ARD der 11.30, 13, 16.45 Uhr (Highlights) im Netz Ski-Rennfahrer Gerd Schönfelder, der Samstag, 10. März: bei Paralympischen Spielen zahlreiche 0.25 Uhr - 7 Uhr/ 9 Uhr (live) Donnerstag, 15. März: Medaillen gewann, und die Leichtathle- 15 Uhr - 16.10 Uhr (Highlights) 1.50 - 7 Uhr, 9.55 - 10.20 Uhr (live) ten Niko Kappel und Mathias Mester. 11.35, 14.05, 16.15 Uhr (Highlights) Vom 9. bis 18. März 2018 kann man die Das ZDF unterstützt Matthias Berg, Sonntag, 11. März: Freitag, 16. März: Spiele im Fernsehen verfolgen. Bis ebenfalls mehrfacher Medaillenträger 0.25 Uhr - 6.30 Uhr/ 9 Uhr (live) 2.05 Uhr - 5.30 Uhr (live) zum 13. März berichtet das ZDF, bevor bei Paralympischen Spielen, der seit 12.30 Uhr - 13.30 Uhr (Highlights) 11.15 Uhr (Highlights) ab dem 14. die ARD übernimmt. Die Ab- Jahren als Experte für das ZDF berich- schlussfeier am 18. März überträgt der tet. Online senden ARD und ZDF Live- Montag, 12. März: Samstag, 17. März: Sender One (Beginn 12 Uhr). Durch den streams. Zu sehen sein werden die 1.55 Uhr - 9 Uhr (live) 2.50 Uhr - 7 Uhr (live) Zeitunterschied ist Südkorea acht Stun- Wettkämpfe außerdem auf dem You- 12.10 Uhr - 13 Uhr (Highlights) 9, 16 Uhr (Highlights) den vor Deutschland, sodass die Wett- tube-Kanal des Internationalen Para- kämpfe in Pyeongchang um 1.30 Uhr lympischen Kommittees (IPC) unter Dienstag, 13. März: Sonntag, 18. März: nachts deutscher Zeit beginnen und www.youtube.com/paralympics. 1.25 Uhr - 9 Uhr (live) 1.30 Uhr - 7 Uhr (live) live mitverfolgt werden können. MARIE MENKE, 20 JAHRE 15 Uhr - 15.50 Uhr (Highlights) 9, 11.20, 17.15 Uhr (Highlights)
A N Z E I G E A N Z E I G E EINE SONDERVERÖFFENTLICHUNG DER AKTION MENSCH PROJEKTE Andrea Rothfuss (28) startet in Pyeongchang Zusammen in der Kategorie „Damen stehend“ beim Slalom, Riesenslalom, Super-G und in der Abfahrt. auf der Piste Foto: Paul Hoffmann Ob Ski- oder Bobfahren, Rodeln oder Eisskulpturen gestalten: Die inklusiven Wintersportwochen des Vereins FortSchritt Rosen- heim e. V. kommen bei Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinde- rung immer gut an. Skifahren ist in Rosenheim etwas ganz Selbstverständ- liches. Mit Förderung der Aktion Mensch machte der Verein FortSchritt Rosenheim e. V. vor drei Jahren erstmals ein inklusives Wintersportan- gebot. Seitdem ist die Freizeit in Bayrischzell-Sudelfeld in der Nähe von Tegern- und Schliersee jeden Winter heiß begehrt. Von klein auf ge- meinsam den gleichen Skilift nutzen, den Hang herunter- sausen, auf der Hütte essen: Für die jungen Teilnehmer ist das längst ganz normal ge- „Dann fährt sie halt worden. Möglich machen das ein engagiertes Team und die passende Ausrüstung. Je nach Behinderung fahren die Teilnehmer zum Beispiel in adaptierten Skibobs oder Biskis mit Sitzschale mit. „Wichtig ist uns dabei immer, nur mit einem Stock“ dass auch Kinder mit schwe- Paralympics-Star Andrea Rothfuss fehlt von Geburt an die linke Hand. ren Behinderungen selbst In ihrem Kinder-Skiclub im Schwarzwald spielte das keine große Rolle. aktiv mitmachen können“, sagt Bettina Brühl vom Verein FortSchritt Rosenheim e. V. Seit mehr als zehn Jahren gehört sollten dann Skistöcke hin- nach Oberammergau fuhr, war Ski fahren kann und wie sich ein Andrea Rothfuss zur Weltspitze zukommen. Für Andrea eine sie schon viele Rennen gegen Rollstuhlfahrer in einen Mono- im Behinderten-Skisport. Bislang Herausforderung. Zwei Stöcke Gleichaltrige ohne Behinderung ski setzt und genauso den Berg holte die amtierende Weltmeis- kamen nicht infrage, ganz ohne gefahren. Sich in diesem Umfeld runterfährt.“ Hier lernte Andrea terin im Riesenslalom und im Stöcke ging es jedoch auf Dauer Gerda Pamler kennen, eine Super-G (Super-Riesenslalom) auch nicht. Schließlich sollte sie ehemalige Paralympics-Siegerin Inklusion erlebte zweimal paralympisches Gold, es mit einem Stock versuchen. und Weltmeisterin im Monoski, fünfmal Silber und zweimal Was dann auch den anderen sie von Anfang an die im Rollstuhl sitzt. Sie stellte Bronze. Als die heute 28-Jährige Kindern logisch erschien: „Die wenig später mit Andrea und mit fünf Jahren ihre ersten Versu- Andrea hat halt nur eine Hand, mit den Besten zu messen, war einigen anderen talentierten che auf den Brettern machte, die dann fährt sie halt nur mit jedoch kaum möglich. Anders im Skiläuferinnen und -läufern, die ihr inzwischen so viel bedeuten, einem Stock.“ Also eigentlich Behindertensport. „In Oberam- in Oberammergau gestartet gab es für den Behindertensport kein Problem. Und wie sich spä- mergau habe ich so viele Men- waren, eine Nachwuchsmann- nur wenig öffentliche Auf- ter herausstellen sollte, auch den schen mit Behinderung gesehen, schaft auf. Viele von deren Mit- Foto: FortSchritt Rosenheim e. V. merksamkeit. Mit ihrer älteren paralympischen Regeln entspre- darunter auch eine Menge gliedern gehören heute zum Schwester sah Andrea damals chend. Jugendliche, die Ski fuhren. Es deutschen Nationalteam. Mit gerne Skirennen im Fernsehen. Von Fremden wurde Andrea war für mich total neu und faszi- Andreas Wechsel in den Behin- Geld für Wie die meisten Nachbarskinder in der kleinen Schwarzwaldge- manchmal gefragt, ob sie einen Stock verloren habe. „Denen nierend, wie man auf einem Bein dertensport wurde aus dem Hobby eine immer noch mit gro- neue Ideen meinde Loßburg wurden auch sie und ihre Schwester früh im habe ich dann erklärt, wie es ist. Ich habe mich eigentlich nie als ßem Spaß, aber auch mit sehr viel mehr Ehrgeiz betriebene Die Aktion Mensch fördert Skiverein angemeldet. Dass ihr Außenseiterin gefühlt und von Sache. inklusiven Sport. eine Hand fehlte, spielte kei- klein auf gelernt, offen mit mei- Andrea Rothfuss erlebte Inklu- ne Rolle. „Ich glaube, keiner ner Behinderung umzugehen“, sion im Sport von Anfang an. Mit Einnahmen aus ihrer So- hat es als etwas Besonderes erzählt sie. Sie verschweigt auch Nur nannte es damals niemand ziallotterie unterstützt die empfunden, dass man als Kind nicht, dass sie sich im Vergleich so. Auch Barrierefreiheit war Aktion Mensch jeden Monat zu den Gleichaltrigen anfangs kaum ein Thema. Das ist inzwi- bis zu 1.000 soziale Projekte für Menschen mit Behinde- etwas schwertat: „Mit zwei Stö- schen anders. Aus Sicht der rung, Kinder und Jugendli- Keiner empfand es als cken funktioniert es halt etwas angehenden Sport- und Fitness- che. Viele Programme stehen etwas Besonderes besser. Wenn man mit nur kauffrau ist neben technischen auch sportlichen Ideen offen. einem Stock anschieben kann, und baulichen Verbesserungen Mit bis zu 300.000 Euro för- verliert man beim Grundtempo aber auch heute vor allem eines dert die Aktion Mensch etwa mit Behinderung mit Kindern schon etwas an Geschwindig- nötig: mehr Offenheit und Enga- Projekte, die uneingeschränk- ohne Behinderung Sport trieb“, keit.“ Solange sie das Skifahren gement aller Beteiligten für ten Zugang zu Sportange- erinnert sich Andrea Rothfuss. als pure Freizeitbeschäftigung gemeinsame Sportgruppen von boten für Menschen mit „Es hieß: Dem Kind fehlt betrieb, war dies jedoch nicht so Menschen mit und ohne Behin- Behinderung ermöglichen: eben eine Hand, aber warum wichtig. „Denn eigentlich geht es derung. So wie damals, als es um von inklusiven Winterspielen soll es da nicht mitmachen?“ ja vor allem in den ersten Jahren ihre Skistöcke ging. über Blindenfußball bis zum Wie auch anderen Kindern fiel darum, Spaß am Sport zu entwi- K O N TA K T Rollstuhlmarathon. Für kleine ihr der Anfang nicht leicht. ckeln. Und zusammen mit ande- Projekte ist die Förderaktion Aktion Mensch mit bis zu 5.000 Euro geeig- Andreas erste Skistunde endete ren hat man einfach mehr Spaß.“ Christina Marx net. Einen Überblick über alle mit Tränen. Aber schon damals Doch irgendwann wollte Andrea Als Kind fuhr Andrea Rennen Leiterin Aufklärung war sie keine, die schnell auf- mehr. Als sie im Winter 1999 mit Heinemannstr. 36, 53175 Bonn Förderprogramme gibt es un- gegen Kinder ohne Behinderung. Telefon: 0228/2092362 ter www.aktion-mensch.de/ gibt. Und irgendwann hatte es ihren Eltern zu den Bayerischen Ausgegrenzt fühlte sie sich nie, christina.marx@aktion-mensch.de foerderfinder sie gepackt. Im zweiten Skikurs Meisterschaften der Behinderten im Nachteil schon. Foto: Privat www.aktion-mensch.de
12 | Tagesspiegel PARALYMPICS ZEITUNG Wettkampf J ubelnde Zuschauer stehen in den ners Kuro Salehi Takhasomi, der sich in Straßen Seouls, der Hauptstadt der Gaming-Welt „KuroKy“ nennt. Takha- Südkoreas, Läufer tragen stolz somi hat eine körperliche Behinderung, eine Fackel vorbei: Es handelt sich er hat sehr schwache Beine. So ver- virtuell um den Fackellauf im Vorfeld der Olympi- brachte er als Kind viel Zeit sitzend vor schen Spiele. Normal, alles so wie im- dem PC. Heute gehört er zu den erfolg- mer? Nicht ganz. Denn zum ersten Mal reichsten E-Sportlern der Welt. Neben tragen auch E-Sportler die Olympische seinem Ruhm hat Takhasomi mit seiner Fackel – die fünf Spieler des Strategie- Leidenschaft für das Spiel „Dota 2“ ein spiels „League of Legends“. Es ist ein Zei- Vermögen verdient: 2017 gewann sein E-Sport könnte bald olympisch werden – chen dafür, dass E-Sport in der Welt des Team ein Turnier in Seattle. Das Preis- in Südkorea ist er bereits ein Massenphänomen etablierten und traditionellen Sports so geld betrug über neun Millionen Euro. langsam angekommen sind. „KuroKy“ profitiert davon, dass E-Sport E-Sport, das ist der sportliche Wettkampf immer populärer und damit verstärkt zwischen Menschen mit Hilfe von Compu- kommerzialisiert wurde. terspielen. Das „E“ steht für „electronic“. Ob E-Sport in Zukunft aber wirklich para- Bei den Wettbewerben sitzen die Teilneh- lympisch sein wird, hängt davon ab, ob mer vor einem Bildschirm, steuern das das Internationale Paralympische Komi- Geschehen mit Maus und Tastatur. Die tee sieht, was die Fans des Videospielens bekanntesten Spiele, im E-Sport als „Dis- und die IeSA darin sehen: Eine Möglich- ziplinen“ bezeichnet, sind Strate- keit gemeinsam Spaß zu haben, gegenein- gie-Spiele wie „Dota 2“, „League of Le- ander anzutreten und dabei Freiheit und gends“ oder „StarCraft“, Ego-Shoo- Gleichberechtigung auszuleben. ter-Spiele wie „Counter-Strike“ und „Halo“ und Sportsimulationen wie das Fußballspiel „FIFA“. Organisierte Tur- Den E-Sport-Verband niere gibt es seit den 1990er Jahren, für behinderte Spieler lange Zeit wurde der Sport als kleine Ni- schen-Veranstaltung verstanden. Doch gibt es seit 2011 E-Sport wird immer populärer. Und aner- kannter. Selbst im Koalitionsvertrag zwi- Dass die E-Sport-Fackelläufer ausge- schen der CDU und SPD taucht er auf: rechnet in Südkorea ihr Debüt feiern durf- E-Sport soll künftig als eigene Sportart ten, ist kein Zufall. Südkorea gilt als Hoch- mit Vereins- und Verbandsrecht aner- burg des E-Sports, Millionen begeisterte kannt werden. International ist man da Fans fiebern bei täglichen Live-Übertra- schon etwas weiter: Bei den Asian Games gungen im Fernsehen mit und Tausende 2022 in Hangzhou soll E-Sport als offi- Besucher füllen die Arenen bei Turnie- zielle Disziplin vertreten sein – und auch ren, bei denen das Land zahlreiche Titel das Internationale Olympische Komitee holt – auch dank der besonderen staatli- (IOC) denkt bereits darüber nach. Bei den chen Förderung der Athleten durch die Olympischen Spielen 2024 in Paris könn- „Korea e-Sports Association“. Während ten die E-Sportler ihr Debüt geben. Vom man sich in Deutschland noch fragt, ob IPC, dem Paralympischen Komitee, gibt es überhaupt ein Sport ist, ist E-Sport in es hierzu allerdings noch keine Position – Südkorea gesellschaftlich anerkannt und dennoch sind die Weichen für eine erfolg- schon lange ein Massenphänomen. reiche Integration der Sportart gestellt. Und obwohl es noch keine konkreten So gibt es bereits eine „International Pläne gibt, E-Sport zu einer paralympi- e-Sports Federation for the Differently schen Disziplin zu ernennen, war Pyeong- Abled“ (IeSA), also einen E-Sports-Ver- chang bereits Schauplatz des modernen Foto: imago/Christian Grubee band für Menschen mit Behinderung, der Wettkampfes: Das „Pyeongchang 2011 gegründet wurde. e-Sports Festival“ fand im vergangenen Dass eine Behinderung sogar Auslöser Dezember im Olympiagelände statt. für eine erfolgreiche E-Sport-Karriere Wenn das mal kein Vorzeichen ist. Sitzfleisch ist Trumpf. Gamer-Sport wird auch in Deutschland immer beliebter. sein kann, zeigt die Geschichte des Berli- BENJAMIN BROWN, 20 JAHRE Passgenau zum Erfolg Auch technische Innovationen sorgen Während der Winterspiele in Pyeong- Pro- und Orthesen und damit der Sportler bei den Paralympics für Medaillen. chang kommen Prothesen in den Diszipli- revolutionieren. Kleinteile werden so be- Schlitten werden heute schon gedruckt. nen Ski Alpin und Snowboarding zum Ein- reits hergestellt. Bei den Paralympischen Der Puls von Martin Fleig rast, als er auf satz. Durch die spezielle Skiprothese „Pro- Spielen in Sotschi startete Fleig mit einem der Seite liegt und zum Gewehr greift. Carve“ der Firma „Ottobock“ beispiels- Schlitten aus dem Drucker, doch ganz aus- Dass der 28 Jahre alte Biathlet danach in weise kann die richtige Körperhaltung ein- gereift ist die Sache noch nicht. „Das Pro- kürzester Zeit wieder aufrecht sitzt und da- genommen und Bewegungen abgedämpft blem sehe ich in der Stabilität, wenn keine Foto: imago/DBS-Akademie vonpreschen kann, verdankt er vor allem werden. Eine Neuerung: Das Internatio- Carbonfasern verwendet werden. Aber der Passgenauigkeit seines Schlittens – nale Paralympische Komitee (IPC) gab die Carbon kann man bislang noch nicht dru- im Wettbewerb zählt jede Sekunde. Nutzung der Prothese auch ohne Ski- cken“, sagt Sven Rapp, Leiter der Orthopä- Wie Fleig ist ein Großteil der paralympi- schuh frei. So kann der Sportler direkt mit dietechnik bei „Rapp und Seifert“. Weil schen Athleten auf technische Hilfsmittel dem Fußpassteil in die Standard-Abfahrts- In der Spur. Der Schlitten von Martin Fleig das Feld schnell wächst, sieht er in der Zu- angewiesen – sei es ein angepasster Roll- bindung steigen. Vorteil: Er wird nicht mit ist exakt auf seine Bedürfnisse angepasst. kunft aber durchaus Potential im stuhl, spezielle Prothesen oder ein Ski- dem Gewicht des Schuhs belastet und 3-D-Druck. Auch Peter Franzel, Direktor schlitten. Die Finanzierung ist da oft ein kann seine Bewegung besser steuern. für Sportmarketing und Sponsoring bei Problem: „Nur mit Glück und den richti- Mit technischen Innovationen müssen an die hohe Belastung seines Knies gewöh- „Ottobock“ sieht in der Weiterentwicklung gen Ansprechpartnern kann so etwas rei- Sportler ihre Trainingsgewohnheiten an- nen. Seinen neuesten Langlaufschlitten große Vorteile. Für Franzel sind techni- bungslos funktionieren. Leider ist das passen. Als Fleig von seinem alten Ski- hat er sich vom Sanitätshaus und Orthopä- sche Hilfen ein Motor des paralympischen noch lang keine Selbstverständlichkeit schlitten mit gestreckten Beinen zum dietechnik „Rapp und Seifert“ aus Carbon Gedankens: „Die Bestleistungen bei den hierzulande“, sagt der Freiburger. Im letz- neuen Modell in die kniende Position wech- maßschneidern lassen. Er wiegt nun nur Paralympics werden von den meisten Men- ten Weltcup 2017 fuhr Fleig, der in der Ka- selte, benötigte der Biathlet, der seit sei- noch 3,2 Kilogramm. schen ohne Behinderung nicht erreicht. tegorie der Sitzenden antritt, sogar Dop- ner Geburt querschnittgelähmt ist, mehr Wie in anderen Bereichen der Technik, Das rüttelt an den Barrieren in den Köp- pel-Gold mit seinem Skischlitten. Muskelgruppen als zuvor und musste sich könnte auch der 3-D-Druck die Welt der fen.“ LEA STRATMANN, 18 JAHRE
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