Pathobiochemie und klinisch-chemische Diagnostik der hepatogenen Enzephalopathie und des Coma hepaticum - De Gruyter
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Lab.med. 9: 231-239 (1985) Pathobiochemie und klinisch-chemische Diagnostik der hepatogenen Enzephalopathie und des Coma hepaticum A. M, Gressner Abteilung für Klinische Chemie und Zentrallaboratorium, Klinikum der Philippe-Universität, Marburg Zusammenfassung: Hepatogene Enzephalopathie und Coma hepaticum beruhen auf einer funktionell-metabolischen Schädi- gung des Hirns infolge schwerer Leberzellinsuffizienz und/oder portosystemischer Umgehung der Leber. Sie sind verbunden mit einer Akkumulation cerebrotoxischer Substanzen im Blut, Urin und Liquor (Ammonium, Mercaptane, kurzkettige Fettsäuren, Phenol und Phenolderivate) sowie mit schweren Veränderungen im Aminosäurespektrum gekennzeichnet durch eine Zunahme aromatischer (Tyrosin, Phenylalanin, Tryptophan) und Abnahme verzweigtkettiger (Leucin, Isoleucin, Valin) Aminosäuren. Die komplexen biochemischen Anomalien lassen sich pathogenetisch einordnen in die Intoxikationshypothese, der zu folge cerebrotoxische Substanzen für die neuropsychiatrischen Veränderungen verantwortlich sind und in die Neurotransmitterhy- ppthesef die von der intracerebralen Bildung inaktiver (z. B. Octopamin, - Phenylethanolamin) oder inhibito- rischer (z. B. Seroton in, G ) Neurotransmitter bei gehemmter Synthese exzitatorischer Transmitter (Dopa- min und Noradrenalin) ausgeht Sowohl die Bestimmung hirntoxischer Metabolite als auch die Erfassung von falschen oder inaktiven Neurotransmittern (besonders von Octopamin) im Serum, gegebenenfalls auch im Urin oder Liquor sind für die Diagnostik, Verlaufskontrolle und prognostische Beurteilung des Coma hepaticums verwertbar. Schlüsselwörter: Coma hepaticum - hepatogene Enzephalopathie - cerebrotoxische Metabolite - falsche Neurotransmitter Summary: Hepatic encephalopathy and coma hepaticum are caused by a metabolic injury of the brain due to severe liver failure and/or portosystemic shunt. They are associated with an accumulation of cerebrotoxic metabolites in blood, urine, and cerebrospinal fluid (ammonia, mercaptans, short-chain fatty acids, phenols) and changes ofthe amino acid profile characterized by an increase ofaromatic (tyrosine, phenylalanine, tryptophan) and decrease of branched-chain (leucine/isoleucine, valine) amino acids. The complex biochemical abnormalities can be classified in an "intoxication hypothesis", which is based upon the action of cerebrotoxic compounds and in the "neurotransmitter hypothesis", which is based upon the cerebral synthesis of inactive (e.g. octopamine, ß-penylethanolamine) or inhibitory (e.g. serotonin, G ) neurotransmitter in combination with the decreased synthesis of Physiologie transmitters dopamine and noradrenaline. Both the estimation of cerebrotoxic metabolites and the measurement of false neurotransmitters (especially of octopamine) in serum or even in urine and cerebrospinal fluid can be utilized for diagnosis, follow-up and prognosis ofcoma hepaticum. Keywords: Coma hepaticum - hepatic encephalopathy - cerebrotoxic metabolites - false neurotransmitter Die hepatische Enzephalopathie ist eine nicht-entzünd- dium IN (Stupor) und Stadium IV (tiefes Coma). Nach Art liche, funktionell-metabolische Schädigung des Gehirns der zugrundeliegenden Lebererkrankung wird zwischen auf der Basis einer akuten oder chronischen massiven ,dem endogenen Leberzerfallscoma und dem Leberaus- Leberzellinsuffizienz. Sie äußert sich in einer komplexen fallscoma unterschieden (2). Das relativ seltene, nur für neuropsychiatrischen Symptomatik, die sich von Konzen- etwa 10% aller Comafälle verantwortliche Leberzerfalls- trations- und Merkschwäche, Reizbarkeit Antriebs- coma (3) kann bei einer fulminant verlaufenden ausge- schwäche über Verwirrtheit und delirante Zustände, Flat- prägten Leberschädigung ohne vorherige Leber- tertremor („flapping tremor"), Schläfrigkeit und weiteren erkrankung aufgrund toxischer (Phalloidin, Paracetamol, neuromuskulären Symptomen bis hin zum Stupor und Halothan, Tetrachlorkohlenstoff u.a.), infektiöser (fulmi- Coma, dem finalen und in vielen Fällen letalen Stadium nant verlaufende Virushepatitis, Rickettsieninfektion) der Enzephalopathie erstreckt. Die verschiedenen oder zirkulatorischer (akute Lebervenenthrombose) Ur- Schweregrade der hepatogenen Enzephalopathie werden sachen akut eintreten. Häufiger, mit ca. 60% der Fälle ist im allgemeinen in 4 Stadien eingeteilt (1): Stadium l das exogene Leberausfallscoma Ursache einer schweren (Prodromalstadium), Stadium II (drohendes Coma), Sta- hepatogenen Enzephalopathie (3). Es entwickelt sich im Lab.med. 9: 231 (1985) 231
allgemeinen protrahiert, oft mit akuten Exazerbationen anderen Faktoren an der Pathogenese des Coma hepa- verbunden über mehrere Stadien hinweg zum Final- ticum direkt oder indirekt beteiligt sind, wenngleich ihr zustand und tritt am häufigsten als Folge einer alko- Wirkungsmechanismus im einzelnen oft noch nicht ge- hol-toxischen oder posthepatitischen Leberzirrhose auf. klärt ist (Abb. 1) (5, 8). Die wichtigsten Metabolitver- Im Gegensatz zum endogenen Zerfallscoma ist das Aus- schiebungen betreffen: fallscoma mit einem oft ausgeprägten portosystemischen - erhöhte Konzentrationen von Ammoniak in Blut Umgehungskreislauf der Leber verbunden (portosyste- Muskel, Gehirn und Liquor, mische Enzephalopathie). In ca. 30% der Comata liegen Mischformen von Zerfalls- und Ausfallscoma vor, z.B. - erhöhte Konzentrationen von Glutamin und a-Keto- bedingt durch Fettleber- Coma, akute nektrotische glutaramid in Gehirn, Liquor und Muskel, Schübe bei Leberzirrhose oder durch eine die Zirrhose - erhöhte Konzentrationen kurzkettiger Fettsäuren in überlagernde Serumhepatitis (3). Blut und Liquor, Obwohl die Pathomechanismen der akuten und chroni- - Auftreten von Mercaptanen in Blut, Liquor, Gehirn, schen hepatitischen Enzephalopathie bzw. des Comas im einzelnen wahrscheinlich unterschiedlich und multifak- Urin und Atemluft („Foetor hepaticus"), torieller Genese sind, lassen sich folgende gemeinsame - Auftreten von unkonjugierten (freien) Phenolen und pathobiochemische Grundzüge herausstellen (4-8). Phenolderivaten in Blut und Urin, a) Akkumulation zerebro-toxischer Substanzen in der - Verschiebungen des Aminosäureprofils in Blut, Gehirn, systemischen Zirkulation infolge einer stark reduzierten Liquor und Urin, gekennzeichnet durch Zunahme der aro- hepatischen Clearance durch Parenchymschwund und/ matischen Aminosäuren Tryptophan (nicht-proteinge- oder portosystemischer Umgehung der Leber, bundener Anteil), Phenylalanin, Tyrosin, sowie Aspartat b) der überwiegende Teil der akkumulierenden toxischen und Glutamat und des Methionins bei gleichzeitiger Substanzen entsteht im Darm und ist Proteinursprungs, Abnahme der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin. Weiterhin Zunahme der Tyrosin- c) die Enzephalopathie kann folglich (siehe b) durch orale metabolite Tyramin und Phenole, Proteinbelastung oder Blutungen in das Intestinallumen akut verstärkt oder ausgelöst bzw. durch Restriktion der - erhöhte Konzentrationen falscher IMeurotransmitter wie oralen Proteinzufuhr oder antibiotischen Hemmung des Octopamin und ß-Phenylethanolamin in Blut, Gehirn, mikrobiellen Proteinabbaues vermindert werden, Liquor, Urin und Muskel, d) die Beeinträchtigung der neurosynaptischen Über- - erniedrigte Konzentrationen echter Neurotransmitter leitung durch Veränderungen der neuronalen Mem- (Dopamin, Noradrenalin) in Gehirn und Muskel. branfunktion, der Neurotransmitterzusammensetzung Die komplexen Stoffwechselveränderungen lassen sich und/oder des zerebralen Energiestoffwechsels (reduzier- hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Pathogenese des ter 02- und Glukoseverbrauch). Coma hepaticum in die beiden wesentlichen Hypothesen, Sowohl bei Patienten mit hepatogener Enzephalopathie die zur Erklärung der Enzephalopathie herangezogen als auch bei tierexperimenteller portocavaler Shunt- werden, einordnen: bildung sind erhöhte Konzentrationen von Metaboliten - Intoxikationshypothese nachgewiesen worden, die häufig im Synergismus mit - Neurotransmitterhypothese. 1. Intoxikationshypothese Dieser Hypothese liegt die experimentell gut begründete Annahme zugrunde, daß durch die eingeschränkte Ent- giftungsfunktion der Leber Substanzen auftreten, die nach Übertritt in den Liquorraum toxische Wirkungen auf den Hirnstoffwechsel ausüben. Die wichtigsten dieser Toxine sollen im folgenden.kurz berschrieben werden. Coma Ammoniak hepaticum, hepatische Die Leber nimmt durch ihre Fähigkeit zur Harnstoff- Enzephalo- synthese als Ort der definitiven Elimination des Ammo- pathie niums (definiert als die Summe des freien NH 3 und des mit ihm im pH-abhängigen Dissoziationsgleichgewicht stehenden NH/ >pH das bei normalem Blut-pH 7,4 zu 98% auf der Seite von NH/ liegt) eine zentrale Stellung in der Beseitigung des toxisch wirkenden Ammoniums ein. Das überwiegend (aber nicht ausschließlich) im Darmlumen bakteriell ge- Abb. 1: Ursächliche und erschwerende Faktoren des Coma he- bildete und absorbierte Ammonium (ca. 4 g/Tag) gelangt paticums und der hepatischen Enzephalopathie. Erklärung im in erhöhtem Maße in die systemische Zirkulation auf- Text grund der portosystemischen Umgehung der Leber sowie 232 Lab.med. 9:232 (1985)
ihrer stark herabgesetzten Fähigkeit zur Harnstoffsyn- Neutrotransmitter anstelle der exzitatorischen Amino- these. Letztere läßt sich an der signifikanten Aktivitätsab- säure Glutamat fungiert (12). Eine dem Ammonium zu- nahme der Schrittmacherenzyme des Harnstoffzyklus, der geschriebene Hemmung des zerebralen Energiestoff- Carbamylphosphatsynthetase und der Argininosuccinat- wechsels sowie direkte Effekte auf die neuronalen Mem- Synthetase, in der zirrhotischen Leber nachweisen (9). branen kommen als weitere pathobiochemische Mecha- Die daraus resultierende Hyperammoniämie, deren Aus- nismen seiner Hirntoxizität in Betracht. Eine in allen maß nur bedingt mit dem Schweregrad der Enzephalo- Punkten befriedigende, experimentell bewiesene Vorstel- pathie korreliert (4, l, 10, 11) und bei etwa 10% der lung über die Ammoniumwirkung auf den Hirnstoffwech- Patienten mit Coma hepaticum nicht angetroffen wird sel gibt es zur Zeit noch nicht. Es ist anzunehmen, daß (7), führt zu einem gesteigerten Influx von Ammonium einige der Ammoniakwirkungen synergistisch durch an- in den Liquorraum und cerebralen Aufnahme (bevorzugt dere Toxine, z.B. kurzkettige Fettsäuren und Mercaptane graue Substanz). Hier wird es durch Gliazellen mit Gluta- (s.u.), verstärkt werden. Auf die Auswirkungen einer mat zum Glutamin umgesetzt (Abb. 2), dessen Konzen- durch Hyperammoniämie bewirkten gesteigerten Gluka- tration im Hirn und Liquor stark ansteigt. Der Gluta- gonsekretion wird unten eingegangen. minspiegel im Liquor korreliert von allen zur Verfügung stehenden biochemischen Parametern am besten mildem Ausmaß des Anstieges und Toxizität des Ammoniums Schweregrad der hepatischen Enzephalopathie (4, 5). werden durch einige additive Faktoren beeinflußt Daneben entsteht aus der Bindung von Ammonium an ot- (Abb. 1), die z.T. für die nur mangelhafte Korrelation der Hyperammoniämie zum klinischen Schweregrad des Co- Ketoglutarat in höheren Konzentrationen a-Ketoglutara- mas verantwortlich sind (3, 7,10,11). mid, welches, wie Injektionsversuche in die Vertikel von Tieren gezeigt haben) zumindest für einen Teil der zere- a) Alkalose brotoxischen Wirkung des Ammoniums verantwortlich zu machen ist. Ein weiterer Teil der toxischen Hirnwirkungen Mit zunehmendem pH verschiebt sich das Äquilibrium ist möglicherweise dem Glutamin zuzuschreiben, welches zwischen Ammoniumionen (NH 4 + ) und freiem Ammoniak in Kompetition mit Glutamat in die peripheren Nerven- (NH 3 ), welches bei pH 7,4 auf der Seite des NH 4 + liegt endigungen aufgenommen wird und dort als inaktiver (s.o.) stark zugunsten der nicht-ionisierten Form. Nur die Gehirn Leber Muskel AMMONIUM (NH/) ( GLUTAMIN (Gin) ] HARNSTOFF 7 Niere 0 Colon VXWIVSI l ^Ha^offi^« J " Abb. 2: Zusammenstellung der am Ammoniumstoffwechsel beteiligten Organe (modifiziert nach Ref. 48) Das Colon ist der Haupt- bildungsort des // 7, wo es durch Wirkung bakterieller Urease und Aminosäureoxidasen entsteht. In der Leber erfolgt die Umwandlung des toxischen NH9in Harnstoff, andere Organe wie Hirn und Muskel beteiligen sich an-der NH3-Clearanceundurch enzymatische Umwandlung in Glutamin (Gin) mit Glutamat (Glu) als Substrat. Bei portosystemischem Shunt gelangt N\ %V"%^.™ Leber direkt in die Zirkulation, aus der es vorwiegend durch die Skelettmuskulatur entfernt wird, dem wichtigsten Organ der Ammonium- homöostase bei portosystemischem Shunt. Dabei ist die Rate der -Clearance eine lineare Funktion der arteriellen Ammonium- konzentration Lab.med 9:233(1985) 233
letztere, nicht jedoch Ammoniumionen kann Zellmembra- mas. Die toxische Wirkung der Mercaptane beruht dabei nen und die Blut-Hirn-Schranke permeieren und somit wahrscheinlich auf einer neuronalen Membranfunktions- intrazelluläre Wirkungen entfalten. störung infolge Hemmung der Na*-K*-ATPase und zu- sätzlich auf einer Hemmung der NH 3 -Entgiftung. b) Hypokaliämie Häufig im Rahmen eines sekundären Hyperaldostero- Phenole und Phenolderiyate nismus bei Leberzirrhose oder durch Diuretika induziert erhöht durch Aktivitätssteigerung der renalen Gluta- Phenole entstehen überwiegend im Darm als Abbaupro- minase die Ammoniumkonzentration im zurückströ- dukte der aromatischen Aminosäuren Tyrosin und Phe- menden Nierenvenenblut. nylalanin und werden nach Absorption in der Leber durch Veresterung mit Glukuronsäure und Schwefelsäure ent- c) Gastrointestinale Blutungen (z.B. Osophagusvarizen), giftet. Im Coma hepaticum kommt es zu einer starken orale Proteinbelastung und Obstipation führen zu ver- Erhöhung der freien (nicht-konjugierten) Phenole im Se- mehrtem Anfall von Substraten mikrobieller Ammonium- rum und Urin bei gleichzeitigem Auftreten von Phenolde- bildung und Freisetzung aromatischer Aminosäuren rivaten (p-Hydroxyphenylazetat, p-Hydroxyphenyllaktat (s.u.) bzw. bewirken eine gesteigerte enterale Absorption u.a.) (3, 20, 21). Das Ausmaß der Konzentrationser- von Ammonium. höhung geht parallel mit dem klinischen Schweregrad der Enzephalopathie, doch ist der pathobiochemische d) Katabole Bedingungen (z.B. im Rahmen von Infektio- Mechanismus ihrer zerebrotoxischen Wirkung noch nicht nen) führen zu einer vermehrten Bildung von Ammonium genau bekannt. unter Verstärkung der ammoniakalischen Enzephalo- pathie. 2. Neurotransmitterhypothese KurzkeW'ge Fettsäuren Diese Hypothese geht von den Veränderungen der Neu- rotransmitterzusammensetzung im zentralen Nerven- Die Serum- und Liquorkonzentrationen von kurzkettigen system aus, die zu Hemmungen in der synaptischen Erre- Fettsäuren (Propionat, Butyrat, Valeriat, Octonoat) sind gungsübertragung führen (4-6, 8). Ursache hierfür sind bei Patienten mit Coma hepaticum erhöht (14,15). Nach primär die komplexen Verschiebungen des Aminosäure- intraperitonealer Injektion können sie ein reversibles profils im Serum (22-24), die sich zeigen in einer Coma auslösen. Die kurzkettigen Fettsäuren entstehen wahrscheinlich infolge inkompletter ß-Oxidation lang- - Zunahme der aromatischen Aminosäuren Tyrosin und kettiger Fettsäuren im Darm und werden nur unvoll- Phenylalanin, ständig in der Leber katabolisiert. Ihre toxischen Wirkun- -Zunahme des freien, d.h. nicht-proteingebundenen gen betreffen vorwiegend die Hemmung einiger Enzyme Anteils des Tryptophans, (z. B. der Glykolyse, Na + -K + -ATPase), die Hemmung der NH 4 + -Entgiftung durch Harnstoffsynthese, die kompeti- - Zunahme von Methionin, Asparaginsäure und Gluta- tive Hemmung der Bindung von anderen Toxinen an Albu- minsäure, min und den Synergismus mit anderen zerebrotoxischen - Abnahme der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Substanzen wie Ammonium und Mercaplanen (4). Auf Isoleucin und Valin. die letztgenannte Wirkung weist die Beobachtung hin, daß die Serumkonzentrationen kurzkettiger Fettsäuren im Das molare Verhältnis von verzweigtkettigen Aminosäu- allgemeinen nur wenig mit dem Schweregrad der Enze- ren zur Summe von Phenylalanin und Tyrosin von nor- phalopathie korrelieren (16) und daß die Coma-auslö- malerweise 3-4 ist auf 1 und weniger erniedrigt (4, 23). sende Wirkung des Ammoniaks durch gleichzeitige Gabe Der Pathomechanismus der Verschiebung des Amino- von kurzkettigen Fettsäuren tierexperimentell erheblich säurespektrums bei Leberzirrhose und/oder portosyste- gesteigert werden kann (17). mischem Umgehungskreislauf ist komplex. Die Zunahme der aromatischen Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin beruht auf einer reduzierten hepatischen Aufnahme der Mercaptane und andere Methioninderivate enteral freigesetzten und absorbierten Aminosäuren und auf einer Einschränkung ihres Katabolismus in der Leber. Im Serum sowie im Liquor und im Gehirn von Patienten mit hepatogener Enzephalopathie kommt es zu einer oft Die Aktivität des weitgehend leberspezifischen Schlüs- exzessiven (ca. SOfachen) Erhöhung der Methioninkon- selenzyms des Phenylalaninabbaus, die Phenylalaninhy- zentration bei gleichzeitigem Auftreten zerebrotoxischer droxylase, welche die Degradation durch 4-Hydroxylie- Oxidationsprodukte wie Methioninsulfoxid und Methio- rung zum Tyrosin einleitet, ist in der zirrhotischen Leber ninsulfoxim (18). Im Colon entstehen durch bakterielle signifikant vermindert (25). Die Tryptophangesamt- Umsetzungen aus dieser Aminosäure die extrem toxi- konzentration im Serum ist nur mäßig erhöht, doch findet schen, schwefelhaltigen Mercaptane, wie Methanthiol, sich eine starke Zunahme des nicht-proteingebundenen, Ethanthiol, Dimethylsulfid und Dimethyldisulfid, deren freien Anteils (26). Dazu trägt einerseits die häufig vor- Konzentrationen im Blut, Urin, Liquor und Hirn wegen handene Hypalbuminämie bzw. Hypoproteinämie (ein reduzierter hepatischer Clearance stark erhöht sind, was additiver Faktor des Comas) (Abb. 1), andererseits die zur Diagnostik des Comas herangezogen werden kann kompe,titive Verdrängung des Tryptophans von Trans- (19) (s.u.). Ihre Anwesenheit in der Atemluft der Coma- portproteinen durch erhöhte Konzentration freier Fett- patienten erzeugt den typisch süßlichen Geruch des säuren (s.o.) bei. Die Abnahme der verzweigtkettigen „Foetor hepaticus". Die comaauslösende Wirkung der Aminosäuren hingegen ist keine direkte Folge einer Mercaptane ist ebenso wie ihre toxizitätssteigernde Wir- Leberfunktionsstörung, da diese Aminosäuren vorwie- kung von Ammonium und kurzkettigen Fettsäuren tier- gend in extrahepatischen Geweben wie Gehirn, Muskel experimentell bewiesen (5). Eine orale Methiöninzufuhr und Niere katabolisiert werden (6). Ihre Clearancerate ist bewirkt auf diesem Wege eine Verstärkung des Co- bei hepatischer Enzephalopathie erhöht (27,28). Sie wird 234 Lab.med. 9:234(1985)
vermutlich durch eine erhöhte Insulinsekretion bewirkt verzweigtkettigen Aminosäuren ein wichtiger Kompetitor die die Aufnahme mit nachfolgendem oxidativem Abbau um dieses Transportsystem wegfällt kommt es zu er- dieser Aminosäuren im Muskel stimuliert. Die Erhöhung höhtem Influx der neutralen Aminosäuren in den Liquor- des Insulinspiegels wiederum erfolgt reaktiv auf die durch raum, was überdies durch ihre stark erhöhte Serum- Hyperammoniämie erzeugte, oft stark ausgeprägte Hy- konzentration noch verstärkt wird. Hier besteht eine perglukagonämie (29). Folge des vermehrten oxidativen für die Therapie der hepatischen Enzephalopathie nutz- Abbaus der verzweigtkettigen Aminosäuren ist eine Net- bare Korrekturmöglichkeit durch Infusion verzweigt- toproduktion von Ammoniak, die zu dessen Konzentra- kettiger Aminosäuren, die zu einer Hemmung des tionserhöhung beiträgt und somit im Rahmen eines Cir- Hirneinstroms aromatischer Aminosäuren führt (31). culus vitiosus den gesteigerten Katabolismus der Amino- säuren Valin, Leucin und Isoleucin unterhält (4, 29). Als Die erhöhte intrazerebrale Phenylalaninkonzentration be- weiterer pathobiochemisch möglicherweise bedeutsamer wirkt eine kompetitive Hemmung der Tyrosin 3-Mono- Ort der Verwertung dieser Aminosäuren muß die Niere mit oxygenase, das Schrittmacherenzym in der Bildung der ihrer Fähigkeit zur Glukoneogenese angesehen werden. physiologischen Neurotransmitter Dopamin und Nor- Die zerebralen Auswirkungen der peripheren Amino- adrenalin, da Tyrosin und Phenylalanin über ähnliche Af- säureverschiebungen erklären sich daraus, daß finitäten zu diesem Enzym verfügen. Tryptophan führt ebenfalls zu einer Hemmung dieses Enzyms. Damit wird a) die Aminosäuren Tyrosin und Phenylalanin Substrate nicht nur die Bildung von Dopa und somit von Dopamin der intrazerebralen Synthese der adrenergischen Neuro- und Noradrenalin inhibiert, sondern gleichzeitig durch transmitter Dopamin und Noradrenalin sind (Abb. 3), Blockierung des Tyrosinabbaus und Steigerung der Tyro- sinbildung aus Phenylalanin dessen Konzentration weiter b) die Aminosäure Tryptophan Vorstufe der intrazerebra- erhöht. Das im Exzess vorhandene Tyrosin wird in einem len Bildung des inhibitorischen Neurotransmitters Sero- alternativen Stoffwechselweg zunächst decarboxyliert zu tonin ist (Abb. 3), Tyramin, welches durch ß-Hydroxylierung mittels einer c) die neutralen Aminosäuren Phenylalanin, Tyrosin, relativ unspezifischen Dopamin-ß-Monooxygenase in Tryptophan und Methionin mit den verzweigtkettigen Octopamin überführt wird (Abb. 3). Octopamin wirkt als Aminosäuren Leucin, Valin und Isoleucin um ein gemein- falscher (inaktiver) Neurotransmitter (32). Dieses Amin sames Aminosäure-Carriersystem durch die Blut-Hirn- wird in Kompetition mit Dopamin und Noradrenalin in die Schranke konkurrieren (30). Da mit der Abnahme der zentralen Nervenendigungen aufgenommen, gespeichert Tyramin Tyr-Mon- l Decarb- | H * ' H ox |qse f^j] jpCH2-C-COOH fi^VCH2-C-COOH oxygenase^ |!^ 0 2- - y ^ r^VCH2-CH2 WANJ NH2 U 2 UQ^^^X^ NH2 HO^^ NH2 H Tryptophan Phenylalanin Tyrosin Tyramin Phenylalanin ^ 1 jyr-3- R Dopamin-ß- Hydroxylase 1 Decarboxylase Trypjophan ^rU-l Monoxygenase ] Monoxygenase a V HO H jL H ) jTCH2-C-COOH CH2-CH2 ^jpCH2-C-COOH rü^VCH— CH2 M 1 ^•^N NH2 NH2 HO^^T ^H2 HO-^X OH NH2 H OH 5-Hydroxytryptophan PhenylethylamiQ 5-OH- Dopa Octopamin Tryptophan - B I Dopamin-ß- § H Decarboxylase I Monoxygenase Serotonin S\ Decarboxylase -THO ^ H ^ jTCH2'~CH2 j^V-C — CH2 /i^r>s>-CH2-CH2 Wx^N^ NH2 W/ OH NH2 HO^S^ ^H2 H . OH 5-Hydroxytryptamin ß-Phenylethanolamin Dopamin Tyramin · . (Serotoninf FNT ~Iirh Dopamm-ß- Serotonin S 1 Mw^VÖ«1111«8 H JL — CH2 r^VC '^ OH NH2 OH Noradrenalin Abb 3' Veränderungen der intracerebralen Neurotransmittersynthese bei hepatischer Enzephalopathie und Coma hepaticum. Die Synthesewege falscher Neurotransmitter (FNT) und inhibitorischer Transmitter (Serotonin) sind angegeben. CD symbolisiert die Hemmung einer enzymatischen Umwandlung, symbolisiert die Verstärkung eines Stoffwechselweges. Erklärung im Text Lab.med.9:235(1985) 235
und durch Depolymerisationsreize freigesetzt entfaltet wird (33). Zusätzlich zu ihren inhibitorischen Wirkungen jedoch postsynaptisch nur etwa Vw der sympathomime- auf die Synapsenfunktion hemmen die falschen Neuro- tischen Wirkung von Noradrenalin (6). Die Synthese- transmitter auf mehreren Ebenen die Synthese von Dopa- hemmung der echten Neurotransmitter und ihre kompe- min und Noradrenalin, so daß sich auch hier ein pathobio- titive Verdrängung von den synaptischen Nervenendi- chemischer Circulus vitiosus ausbilden kann (6). Beide gungen durch den schwachen Neurotransmitter Octopa- falschen Neurotransmitteramine sind bei Comapatienten min führen zu einer hochgradigen Beeinträchtigung der in erhöhter Konzentration im Serum und Urin nachweis- synaptischen Erregungsübertragung. Ein weiterer fal- bar (32, 34). Da das Ausmaß ihrer Erhöhung mit dem scher Neurotransmitter mit ähnlicher Struktur und Wir- Schweregrad des Comas gut korreliert, ist ihre Bestim- kung ist ß-Phenylethanolamin, welches, ausgehend von mung zur Diagnostik und Verlaufskontrolle des Coma he- dem erhöhten Phenylalaninangebot, vermehrt gebildet paticum empfohlen worden (Tab. 1) (s.u.) (32, 34, 35). Tab. 1: Klinisch-chemische Parameter zur Diagnose und Verlaufskontrolle der hepatischen Enzephalopathie und des Coma hepaticum Parameter Pathomechanismus des Interpretation Literatur im Serum Konzentrationsanstieges Ammoniak reduzierte hepatische NH 3 - Elimina- Ausmaß der Hyperammoniämie kor- 5,6,7,9,13,40, tion reliert nicht streng mit Schwere- 43,48 - verminderte Harnstoffsynthese grad der Enzephalopathie (10% der - portosystemische Umgehung Comapatienten haben normale erhöhte enterale NH 3 -Bildung N H 3 -Konzentrationen im arteriellen - gastrointestinale Blutungen Blut) - Exzess-Proteinzufuhr u.a. Verstärkende Faktoren der NH 3 - Toxizität und NH 3 -Erhöhung - Alkalose (z. B. Diuretika) - Hypokaliämie (z.B. Diuretika, se- kundärer Hyperaldosteronismus) - katabole Zustände (z.B. Infektio- nen) Octopamin gesteigerte intrazerebrale Synthese Ausmaß der Konzentrationserhö- 32, 35, 44, 45 aus Tyrosin bzw. Tyramin hung im Serum (und Urin) korreliert eng mit dem Schweregrad der Enze- phalopathie Geeignet zur Diagnose und Über- wachung der hepatischen Enzephalo- pathie Mäßige Octopaminanstiege auch bei Urämie Phenylethanolamin gesteigerte intrazerebrale Synthese wie bei Octopamin, gute Korrelation 34 aus Phenylalanin mit dem Schweregrad der Enze- phalopathie Ethanthiol starke Erhöhung bei akutem Le- 19 berversagen (Leberzerfallscoma) normale oder leicht erhöhte Kon- zentrationen bei Leberausfalls- coma zur Differenzierung beider Comafor- men geeignet Methanthiol reduzierte hepatische Clearance der »mäßige Erhöhung bei Zirrhotiker 19,47 intestinal gebildeten Mercaptane ohne Enzephalopathie starke Erhöhung bei Zirrhotiker mit Enzephalopathie Korrelation mit dem Schweregrad der Enzephalopathie Dimethylsulfid häufig bei Leberzerfallscoma erhöht, 19 seltener bei Leberausfallscoma Anstieg nur bei schweren Formen des Comas, prognostisch ungün- stige'' Tyramin reduzierter hepatischer Abbau mäßige (ca. 2*) Erhöhung bei 36 erhöhte extrahepatische Bildung Zirrhotikern ohne Enzephalo- aus Tyrosin pathie starke .(ca. 5 ) Erhöhung bei Zirrhotikern mit Enzephalopathie 236 Lab.med. 9:236(1985)
Die Zunahme der Tryptophankonzentration im Liquorund nen inhibitorischer Substanzen wie Serotonin und mög- Gehirn ist Ausgangspunkt einer vermehrten Synthese von licherweise GABA. Serotomn (5-Hydroxytryptamin), einem inhibitorisch wirkenden Neurotransmitteramin. Die Konzentrationen des Serotonins und seines Metaboliten 5-Hydroxyindol- azetat sind stark erhöht im Liquorvon Comapatienten (6). Klinisch-chemische Diagnostik und Verlaufskontrolle der hepatogenen Enzephalopathie Außer seiner hemmenden Wirkung auf die synaptische Erregungsübertragung greift es zusammen mit seinen Die Bestimmung einiger der im pathobiochemischen Teil Vorstufen hemmend in die Synthese der echten Neuro- erwähnten Metabolite im Serum oder Urin, seltener im transmitter ein (Abb. 3). So inhibiert Tryptophan die Liquor, kann mit Einschränkungen zur Diagnostik, Ver- Aktivität der Tyrosin 3-Monooxygenase, 5-Hydroxy- laufskontrolle, Abschätzung des Schweregrades, zur Un- tryptophan und -tryptamin hemmen kompetitiv die terscheidung der beiden Comaformen (Zerfalls- und Aus- Dopa-Decarboxylase und Serotonin die Dopamin-ß- fallscoma) sowie zur prognostischen Beurteilung der he- Monooxygenase (Abb. 3). Daraus resultiert wiederum patischen Enzephalopathie und des Coma hepaticum eine Hemmung der Noradrenalinsynthese auf mehreren herangezogen werden und somit die klinische und Ebenen. elektroenzephalographische Bewertung der Enzephalo- pathie unterstützen. Für die genannten Fragestellungen Die bei leberzirrhotischen Patienten mit Enzephalopathie eignen sich bevorzugt die folgenden Parameter (siehe nachgewiesene Erhöhung der Serum-Tyraminkonzentra- auch Tab. 1): tion wird ebenfalls als ein möglicher pathogenetischer Faktor des Coma hepaticum betrachtet (36). Tyramin ent- steht im Intestinaltrakt durch bakterielle Decarboxylie- rung des Tyrosins und wird physiologischerweise in der Diagnostik Leber durch Monoaminooxydasen vollständig metabo- lisiert. Die eingeschränkte Clearance- Funktion der Ammonium im arteriellen (weniger zuverlässig im venö- zirrhotischen Leber, die portosystemische Shuntbildung, sen) Blut aber auch eine gesteigerte extrahepatische Umwandlung Obwohl die Bestimmung der Ammoniumkonzentration des erhöht vorliegenden Tyrosins in Tyramin sind die die am häufigsten durchgeführte klinisch-chemische Un- wahrscheinlichen Ursachen der Hypertyraminämie (36). tersuchung bei hepatischer Enzephalopathie ist, sollte bei Da eine intakte Blut-Hirn-Schranke für phenolische der Interpretation der Hyperammoniämie einschränkend Amine weitgehend undurchlässig ist dürfte sich die Tyr- berücksichtigt werden, daß aminämie nur bei erhöhter Permeabilität wie sie im fort- a) nur etwa 90% der Comapatienten erhöhte Konzentra- geschrittenen Stadium des Comas nachweisbar ist tionen aufweisen (verläßlicher wäre eine Ammonium- pathogenetisch auswirken. Die zerebralen Wirkungen des bestimmung im Liquor) (11, 39) und somit eine fehlende Tyramins liegen auf verschiedenen Ebenen und betreffen Hyperammoniämie nicht gegen die Diagnose eines Coma vorwiegend seine indirekte sympathomimetische Wir- hepaticums sprechen muß. kung (Freisetzung von Noradrenalin), die Hemmung der Noradrenalinsynthese und durch ß-Hydroxylierung die b) das Ausmaß der Hyperammoniämie nicht streng den vermehrte Bildung des falschen Neurotransmitters Oc- Schweregrad des Comas wiedergibt da, wie oben ausge- topamin (Abb. 3), dessen inhibitorische Wirkung bereits führt wurde, eine Vielzahl synergistischer Pathomecha- erwähnt wurde. nismen wirksam sind. Eine weitere, tierexperimentell begründete Neurotrans- c) Extrahepatische Mechanismen (Abb. 2) die Ammo- mitterhypothese weist dem -Aminobutyrat (GABA) als niumkonzentration im Serum maßgeblich mitbestimmen. inhibitorischen Transmitter eine Rolle in der Pathogenese der Enzephalopathie bzw. des Comas zu (31, 38). Diese d) Die Toxizität des Ammoniums nicht nur von seiner Annahme basiert auf dem Nachweis erhöhter intrazere- Geamtkonzentration, sondern wesentlich von der pH-ab- braler G -Konzentrationen und einer durch GABA- hängigen Lage des Dissoziationsgleichgewichtes NH 4 + ^± induzierten Zunahme postsynaptischer spezifischer Re- NH 3 + H"1" abhängig ist. Mitzunehmendem pH (metabo- zeptoren. Die Veränderungen führen zu einer vermehrten lische und respiratorische Alkalose) entsteht das frei Sensitivität des Hirns gegenüber GABAergischer neuro- diffusible, neuro-toxische NH 3 . naler Hemmung. GABA entsteht extrazerebral vorwie- e) Coma-unabhängige genetische und erworbene gend im Colon und kann unter Umgehung der in- Hyperammoniämiesyndrome existieren (40). suffizienten Leber in die systemische Zirkulation und über eine abnorm permeable Blut--Hirn-Schranke in das Hirn Ein wesentlicher Vorteil des Ammoniums gegenüber allen gelangen (37). Ob diesem GABA-Mechanismus auch im anderen unten aufgeführten biochemischen Parametern Coma hepaticum des Menschen eine entscheidende der Enzephalopathie kommt von der Seite des Labors. Er Funktion zukommt kann derzeit noch nicht definitiv ent- ist gegeben in der vergleichsweise guten Praktikabilität der enzymatisch-UV-optischen Bestimmungsmethode schieden werden (8). Auf die mögliche Rolle des Gluta- (41, 42) bei Berücksichtigung wichtiger Störfaktoren mins als falscher oder inaktiver Transmitter ist bereits bei Beschreibung der toxischen Wirkung des Ammoniaks (43). hingewiesen worden (s.o.). Zusammenfassend sind die Verschiebungen der neuro- Octopamin, ß-Phenylethanolamin, Mercaptane nalen Transmitterzusammensetzung im Coma hepaticum und Tyramin im Serum und Urin (Tab. 1) somit charakterisiert durch eine Abnahme der exzitato- rischen Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin, Ihre Konzentrationsbestimmung ist aufwendiger (Gas- aber auch von Glutamat und Aspartat und durch eine chromatographie, HPLC, enzymatisch-radiochemisch Zunahme der inaktiven (falschen) Neurotransmitter Oc- etc.) als die des Ammoniums (enzymatisch-optisch) und topamin und seiner Vorstufen Tyramin, ß-Phenylethanpl- deshalb im Rahmen der Diagnostik im allgemeinen spe- amin und Glutamin sowie durch erhöhte Konzentratio- zielleren Fragestellung vorbehalten. Lab.med. 9: 237 (1985) 237
70-, chronisch aktiver Hepatitis und Verschlußikterus (19). Die Bestimmung der Marcaptane (Ethanthiol, Methan- 66- thiol, Dimethylsulfid) erfolgt mit der Gaschromatographie und ist unter dieser apparativen Voraussetzung für ein Routinelabor geeignet (19, 47). 32- Prognostik ^ 28- 0 O) _» Dimethylsulfid im Serum (Tab. 1) - c 24- Dieses Mercaptan ist im Serum Gesunder nicht nach- weisbar, sondern tritt nur bei sehr schweren, prognostisch 020- ungünstigen Comaverläufen (vorwiegend Leberzerfalls- S « coma) auf (19). Sein Anstieg im Serum weist frühzeitig 16 auf eine fatale Entwicklung der Enzephalopathie hin. o ~ U 4 ff 0 c^ ^ E Die aufgeführten Parameter können auch im Liquor in 12- erhöhten Konzentrationen nachgewiesen werden. In die- 0 ser Körperflüssigkeit ist jedoch die Glutaminkonzentra- tion der zuverlässigste Parameter für den Schweregrad - • ft^Q ·· 4 der hepatischen Enzephalopathie und allen anderen Kenngrößen im Serum überlegen. 0 - ® Kontrollen ^ 1 J Schweregrad der Schrifttum: Enzephalopathie 1. TREY. C., DAVIDSON, C. S.:The Management of Fulminant Hepatic Failure. Progr. Liver Disease (POPPER, H.. SCHAFFNER, F.. Hrsg.). Grüne & Stratton, New York Abb. 4: Octopaminkonzentrationen im Serum von Patienten mit 1970, Bd. 111, 282. verschiedenen neuro-psychiatrischen Schweregraden derporto- 2. KALK, H., WILDHIRT, E.: Krankheiten der Leber. In: Klinik der Gegenwart Urban & systemischen (hepatogenen) Enzephalopathie (nach Ref. 44) Schwarzenberg 1958, Bd. 7, 377. 3. MÜTING. D., REIKOWSKI, J.: Coma hepaticum. Grundlagen der Pathogenese und der Behandlung. Fortschr. Med. 101.1610-1614 (1983). 4. ZIEVE, L.: Hepatic Encephalopathy: Summary of Present Knowledge with an Elaboration on Recent Developments. 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