PERIOPERATIVE SCHMERZTHERAPIE BEI OPIOIDABHÄNGIGEN UND OPIOIDABSTINENTEN PATIENTEN - Pains.at

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PERIOPERATIVE SCHMERZTHERAPIE BEI OPIOIDABHÄNGIGEN UND OPIOIDABSTINENTEN PATIENTEN - Pains.at
SCHMERZMEDIZIN

Josef Ramaseder: Wetterkarte Europa (Magenta), 160 cm x 160 cm (Ausschnitt)

PERIOPERATIVE SCHMERZTHERAPIE
BEI OPIOIDABHÄNGIGEN UND
OPIOIDABSTINENTEN PATIENTEN
HINTERGRUND                                                                         VON OÄ DR.                     standardisierten Handlungsleitfäden
                                             Mediendienst Wilke

Die Prävalenzschätzung des problema-                                                WALTRAUD                       minimiert werden kann.1
tischen, meist polytoxikomanischen                                                  STROMER
                                                                                    Abteilung für Anästhesio-
Drogenkonsums mit Beteiligung von                                                                                  NEUROPSYCHOLOGISCHE /
                                                                                    logie und allgemeine
Opioiden weist zurzeit ca. 33.000 Be-                                               Intensivmedizin Landes-        NEUROPHYSIOLOGISCHE
troffene in Österreich auf.                                                         klinikum Horn; Konsiliarärz-   BESONDERHEITEN
                                                                                    tin im Moorheilbad             SUCHTKRANKER
Darüber hinaus steht eine zunehmen-                                                 Harbach, Vorsitzende           1. Das Suchtverhalten lässt sich durch
                                                                                    der Sektion Schmerz der
de Anzahl von Patienten unter medizi-                                                                              Wirkungen psychoaktiver Substanzen
                                                                                    ÖGARI
nischer Dauertherapie mit Opioiden in                                                                              in Teilen des mesokortikolimbischen
verschiedenen Darreichungsformen.                                                                                  Systems erklären.2 Durch wiederhol-
Dabei sind Tumorschmerzpatienten                                  Unter diesem Aspekt sind sowohl                  ten Substanzkonsum werden neuro-
von chronischen Schmerzpatienten                                  Suchtkranke mit aktiver oder auch                plastische Prozesse induziert, die die
(Opioidtherapie gegen chronischen                                 vormaliger Heroinabhängigkeit                    Struktur und Funktionen verschie-
Schmerz aufgrund einer nichtmalig-                                („clean“), Suchtkranke unter langzei-            dener Rezeptorsysteme verändern.
nen Krankheit) zu unterscheiden.                                  tiger Substitution, wie auch Patienten           Dadurch werden suchttypische Ver-
                                                                  mit einer langzeitigen Opioidtherapie            haltensänderungen, ein unkontrol-
Die großzügige Langzeitanwendung                                  auf Grund chronischer Schmerzen und              lierbares Konsumverhalten „craving“
von Opioiden bei verschiedenen psy-                               einer daraus resultierenden Abhängig-            und langanhaltende Erinnerungen ge-
chischen Störungen ist nicht emp-                                 keit zu berücksichtigen.                         prägt: „das Suchtgedächtnis“.
fohlen. Die analgetische Wirkung ist
eingeschränkt; verschiedene Fakto-                                Anästhesisten müssen sich bei der                Auf Grund der Vernetzung affek-
ren können die Entwicklung von Miss-                              Versorgung operativ versorgter und               tiv-emotionaler Zentren mit nozizepti-
brauch fördern.                                                   traumatisierter Suchtkranker bezie-              ven Zentren haben Suchtkranke durch
                                                                  hungsweise opioidgewöhnter Patien-               affektive Triggerung häufig ein stärke-
Opioidabhängigkeit ist ein komplexes                              ten auskennen, da diese Patienten-               res Schmerzempfinden.
Phänomen, das Krankheiten und Lei-                                gruppe in der perioperativen Phase
denszustände einschließt, die Inter-                              auf Grund psychischer und physischer             2. Auslöser: Stress Suchtkranke wei-
ventionen auf den verschiedenen Be-                               Co-Morbiditäten ein hohes Risiko-                sen eine erhöhte Stressvulnerabilität
handlungsebenen erfordert.                                        potenzial aufweist, das mit erstellten           auf. Bei organischen (z.B. Operation,

                                                                                                                    ANÄSTHESIE Nachrichten Nr. 1 | Jänner 2019   13
Daraus resultiert eine Rechtsver-
                                              TOLERANZ                                       schiebung der Dosis-Wirkungs-Kurve
                                                                                             von Opioiden (Abb. 1), weshalb bei
                                                                                             Patienten mit Opioidabhängigkeit ein
                                                                                             mindestens 30-100 Prozent höherer
                                                                                             Bedarf die Folge ist.5, 6
     WIRKUNG

                                                                                             Bei repetitiver Opioidexposition ent-
                                                                                             steht Toleranz nicht nur gegenüber
                                                                                             der analgetischen Wirkung, was den
                           Therapeutischer                                                   erhöhten Substanzverbrauch bedingt,
                           Bereich                                                           sondern auch gegenüber der psycho-
                                                                                             tropen, sedierenden oder atemde-
                                                                                             pressiven Wirkung. Es benötigen auch
                                                                                             Patienten mit chronischen Schmerzen
                                                  DOSIS                                      und eindeutig organischer Schmerz-
                                                                                             ätiologie perioperativ höher dosierte
                                                                                             Opioidverabreichungen. Je deutlicher
Abb. 1: Toleranz: Rechtsverschiebung der Dosis-Wirkungs-Kurve, d.h. das Medikament
verliert seine Wirkstärke (nach Koppert)                                                     jedoch in diesem Kontext psychosozia-
                                                                                             le Faktoren die Schmerzstärke fördern,
                                                                                             desto eingeschränkter wirken postope-
                                             HYPERALGESIE                                    rativ verabreichte Opioide analgetisch.
       SCHMERZEMPFINDUNG

                                                                                             4. Opioidinduzierte Hyperalge-
                                                                                             sie (OIH) entsteht als Folge einer
                                                                                             opioidbedingten Aktivierung des
                                                                                             NMDA-Systems und der Synthese
                                                                                             pronozizeptiv wirkender Neuropep-
                                                                                             tide.7 Es kommt zu einer intensiveren
                                                                                             spinalen Erregungsübertragung mit
                                                                                             starken intra- und postoperativen
                                                                                             Schmerzreizen.

                                                                                             Die vermehrte Freisetzung von er-
                                                                                             regenden Neurotransmittern und der
                                              REIZSTÄRKE                                     Einfluss absteigender aktivierender
                                                                                             Bahnen über den dorsolateralen Funi-
Abb. 2: Hyperalgesie: Linksverschiebung der Reiz-Empfindungs-Kurve, d.h. ein ursprüng-       kulus führen zusätzlich zu einer intensi-
lich nicht schmerzhafter Reiz wird danach als schmerzhaft empfunden (Allodynie), während     veren spinalen Erregungsübertragung,
ein ursprünglich schon schmerzhafter Reiz noch an Intensität zunimmt (nach Koppert)          was starke intra- und postoperativen
                                                                                             Schmerzen auslösen kann.

Trauma) oder psychischen Stressoren                 jähriger Drogenabstinenz die neuro-      Alle in der Klinik eingesetzten Opioide
(z.B. Angst, Leistungsdruck) ist die                plastischen Veränderungen nicht voll-    führen dosisabhängig zu einer Herab-
Aktivität des limbischen und des vege-              ständig reversibel sind, wodurch die     setzung der Schmerzschwelle (Abb. 2).
tativen Systems gesteigert. Die Akti-               hohe Rückfallrate bei Suchtkranken zu    Die OIH ist vor allem jedoch während
vierung des endogenen Stresssystems                 erklären ist.                            der Verwendung von Remifentanil kli-
wird als wesentlich sowohl                                                                   nisch und experimentell beobachtet
u für die negative Stimmungslage bei                3. Die Toleranz, durch ZNS-dämpfende     worden.
   Drogenabstinenz als auch                         Substanzen ausgelöst, ist das Resultat
u für die erhöhte Stressvulnerabilität              einer gesteigerten Aktivität des Ade-    Remifentanil ist zwar optimal steuer-
erachtet.                                           nylatzyklasesystems im Bereich des       bar, kann aber das nozizeptive System
                                                    limbischen Systems und des Locus co-     in klinischer Relevanz destabilisieren
Koob postuliert Dysregulationen im                  eruleus mit einer dauerhaft erhöhten     und nach Beendigung der Anwendung
zerebralen Stress- aber auch im An-                 Aktivität exzitatorischer Rezeptorsys-   ein körperliches, von Hyperalgesie
ti-Stress-System, die das Empfinden                 teme.3                                   geprägtes Entzugsbild provozieren. 8
von Distress und das Verlangen nach                                                          Es induziert eine akute Toleranzent-
distressmindernden Substanzen dauer-                Es werden vermehrt NMDA-Rezepto-         wicklung, damit übereinstimmend bei
haft verändert. Es muss davon ausge-                ren exprimiert, die Anzahl aktivierba-   gesunden Probanden auch Hyper-
gangen werden, dass auch nach lang-                 rer Opioidrezeptoren sinkt.4             algesie, also stärkere Schmerzen auf
14   ANÄSTHESIE Nachrichten Nr. 1 | Jänner 2019
SCHMERZMEDIZIN

schmerzhafte Reize. Außerdem sind        Tab. 1: Selbstbeurteilungsskalen für Opiatentzugssymptome
die Katcholaminwerte im Blut als Aus-            – SOWS (Subjective Opiate Withdrawal Scale)
druck sympathikotoner Entgleisungen
nach Anwendung von Remifentanil           1.   Ich fühle mich ängstlich                                      0 1 2 3 4
stark erhöht. Infolge der Stressvulne-
                                          2.   Ich habe anhaltendes Gähnen                                   0 1 2 3 4
rabilität von Suchtkranken dürften die
geschilderten remifentaniltypischen       3.   Ich schwitze                                                  0 1 2 3 4
Ereignisse eher verstärkt auftreten.      4.   Meine Augen tränen                                            0 1 2 3 4
Kontrollierte Studien diesbezüglich
                                          5.   Meine Nase läuft                                              0 1 2 3 4
fehlen zurzeit.
                                          6.   Ich habe Gänsehaut                                            0 1 2 3 4
Die Probleme der OIH sind bei Pa-         7.   Ich habe Schüttelfrost                                        0 1 2 3 4
tienten mit Opioidsucht und Metha-
                                          8.   Ich habe Hitzegefühle                                         0 1 2 3 4
donsubstitution deutlich stärker aus-
geprägt als bei Nichtsuchtkranken.        9.   Ich habe Glieder- und Muskelschmerzen                         0 1 2 3 4
Heroin hat im Vergleich zu Methadon       10. Ich fühle mich unruhig                                         0 1 2 3 4
einen wesentlich stärkeren hyperalge-
                                          12. Ich habe Brechreiz                                             0 1 2 3 4
tischen Effekt. Postoperativ kann dies
zu eskalierenden Schmerzen führen,        13. Ich habe Muskelziehen                                          0 1 2 3 4
vor allem da das Distress-Empfinden       14. Ich habe Bauchkrämpfe                                          0 1 2 3 4
hoch ist.
                                          15. Ich fühle mich, als würde ich gleich hochgehen                 0 1 2 3 4
Anstelle von Remifentanil können an-     Score: mild = 4-20, moderat = 21-40, stark = 41-60 (nach Bradley und Wesson)
dere Opioide wie Sufentanil, Fenta-
nyl oder Alfentanil unproblematisch
angewendet werden. Deren subzel-         verbunden mit einer Intensivierung         perioperativ ein besonderes Augen-
luläre, akut pronozizeptiv wirksame      der perioperativen Stressreaktion auf-     merk beigemessen werden muss.
NMDA-Aktivierungen scheinen we-          treten können.
niger relevant zu sein. Ihre klinische                                              Affektiv-emotionale Zentren sind mit
Wirksamkeit ist nicht abrupt been-       Die Verabreichung von α2-Agonisten         nozizeptiven Zentren eng vernetzt.
det, und die allmählich auftretenden     wie z.B. Clonidin als adjuvante Me-        Dies erklärt, warum die nozizeptive
Schmerzen sind wirksamer behandel-       dikation kann sinnvoll sein, um stark      Transmission durch affektive Einflüsse
bar als nach Remifentanilgabe.           ausgeprägte sympathikoadrenerge            zusätzlich verstärkt wird. Das Ziel ist
                                         Kreislaufwirkungen zu dämpfen. Es          somit, die perioperative Stressbelas-
In allen Studien konnte die Hyper-       aktiviert präsynaptisch noradrenerge       tung zu minimieren, denn Angst und
algesie durch die Verabreichung von      Rezeptoren und reduziert dadurch die       Schmerz gelten als potenzielle Auslöser
S (+) - Ketamin verringert werden.       Ausschüttung von Noradrenalin im           für das Verlangen nach der Droge bzw.
Präventiv wirkt auch die Gabe von        ZNS, wodurch das exzitatorische sym-       für den Rückfall in die Sucht. Die ver-
α2-Agonisten und von alpha-2-delta       pathikoadrenerge Entzugssyndrom            minderte Stresstoleranz dieser Patien-
Modulatoren wie Pregabalin und Ga-       abgemildert wird. Aufgrund neuro-          ten besteht auch bei Abstinenz weiter.
bapentin. COX-Inhibitoren reduzieren     naler Vernetzung mit dopaminergen
die spinale Ausschüttung exzitatori-     Hirnstrukturen hemmen α2-Agonisten         Skalen in Form von subjektiven und
scher Neurotransmitter und wirken        zudem suchtaktivierende Prozesse. Un-      objektiven Systemen zur Messung von
somit synergistisch mit NMDA-Rezep-      erwünschte Nebenwirkungen können           Entzugssymptomen stehen zur Ver-
tor-Antagonisten.9                       Sedierung, arterielle Hypotonie und        fügung (Tab. 1). Sie dienen der quan-
                                         Bradykardie sein.                          titativen Erhebung der Intensität des
ENTZUGSSYNDROM,                                                                     Entzugssyndroms und somit einer ra-
PERIOPERATIVER STRESS                    Die durch den akuten Substanzmangel        tionalen Prophylaxe und Therapie von
Opioidabhängige bzw. chronisch opio-     ausgelöste, ungebremste Aktivität des      Entzugssymptomen.10, 11
idvorbehandelte Patienten müssen         NMDA-Systems trägt ebenfalls zur
auch perioperativ eine kontinuierliche   Schmerzverstärkung bei. Insgesamt          DER OPIOIDABHÄNGIGE BZW.
Applikation des gewohnten Opioids in     resultiert daraus eine ausgeprägte, für    KONTINUIERLICH OPIOD-
gewohnter Dosierung zur gewohnten        den abhängigen Patienten bedrohli-         VORBEHANDELTE PATIENT
Zeit erhalten.                           che Stresssituation, welche die bereits    Suchtkranke sind aufwendige Patien-
                                         ohnehin erhöhte Stressvulnerabilität       ten, die meist ein komplexes peri- und
Durch die physische Abhängigkeit         Suchtkranker mit den Folgen einer          postoperatives Analgesiekonzept be-
entwickelt sich bei Substanzmangel       Aktivitätserhöhung des limbischen          nötigen.12 Man muss bei opioidabhän-
ein sympathikoadrenerg geprägtes         und des vegetativen Systems triggert.      gigen Patienten perioperativ mit einer
Entzugssyndrom, in dessen Folge er-      Die Schmerzschwelle wird in der Folge      erniedrigten Schmerzschwelle, mit
hebliche kardiovaskuläre Belastungen     herabgesetzt, ein Mechanismus, dem         verminderter Schmerztoleranz und

                                                                                     ANÄSTHESIE Nachrichten Nr. 1 | Jänner 2019   15
mit daraus resultierendem erhöhten                Zahlreiche Patienten mit chronischen        der Fälle eingesetzt. Andere Substan-
Analgesiebedarf über einen längeren               Schmerzen sind auf eine transdermale        zen, wie z.B. Buprenorphin plus Nalo-
Zeitraum hinweg rechnen. Es sollte                Applikation von hochpotenten Opioi-         xon bzw. Levomethadon finden nur bei
ein multimodales Analgesiekonzept,                den eingestellt. In Österreich sind Ma-     ca. einem Prozent der Patienten Ver-
das bereits präoperativ geplant wird,             trixsysteme zugelassen, die Fentanyl        wendung.
angewendet werden.                                oder Buprenorphin enthalten. Diese
                                                  Applikationssysteme verhalten sich          Das Vermeiden beziehungsweise Besei-
Es gibt keine umfassenden Richtlinien             wesentlich träger als orale Retardprä-      tigen einer körperlichen Entzugssymp-
zum anästhesiologischen bzw. anal-                parationen, z.B. von Morphin, Hydro-        tomatik ist ein wesentlicher Bestandteil
getischen Vorgehen bei Suchtkran-                 morphon oder Oxycodon. Daher kann           der suchtmedizinischen Versorgung.
ken. Es überwiegen Empfehlungen aus               und soll das fentanyl- oder buprenor-       Das hierzu verwendete Präparat und
Übersichtsarbeiten mit Erfahrungs-                phinhaltige Pflaster bei Operationen        die aktuelle Substitutionsdosis werden
mitteilungen.                                     belassen werden.                            in der Regel von der verabreichenden
                                                                                              Apotheke oder dem verschreibenden
Der suchtkranke Patient ist chronisch             Nach lange dauernden bzw. größeren          Dienst schriftlich bestätigt.
krank. Insbesondere bei umfangrei-                Eingriffen kann eine Hypothermie ent-
chen operativen Eingriffen gilt er als            stehen, auch infolge intra- oder post-      Die Substitutionstherapie zur Stabi-
Hochrisikopatient aufgrund seiner                 operativer Volumenverluste kann die         lisierung der psychischen und physi-
zahlreichen Co-Morbiditäten.13 Neben              periphere Durchblutung vermindert           schen Abhängigkeit bei Opioidsüchti-
den somatischen sind psychische Be-               sein. Während langer Aufenthalte auf        gen im klinischen Setting wird vorran-
gleiterkrankungen bei Suchtkranken                einer Intensivstation können Patienten      gig akut mittels Methadon, einem syn-
häufiger als in der Normalbevölke-                über einen längeren Zeitraum hinweg         thetischen Opioid-Agonisten sowie
rung, weshalb man mit einem höheren               febrile Temperaturen begleitet von          einem NMDA-Rezeptor-Antagonisten
perioperativen Risiko von organischen             einer Hyperhidrose aufweisen. Durch         mit einer variablen HWZ von 24-36
und psychischen Komplikationen                    diese Faktoren kann die Konstanz der        Stunden, oder unter intensivmedizi-
rechnen muss.                                     transkutanen Opioidresorption beein-        nischen Bedingungen mittels anderer
                                                  trächtigt sein. Auf Entzugssymptome         reiner μ-Opioidrezeptoragonisten wie
< PRÄMEDIKATION                                   ist hierbei speziell zu achten und in       z. B. Fentanyl oder Sufentanil durch-
Eine beruhigende Gesprächsführung,                diesem Fall ist ein Opioid i.v. über eine   geführt. Die Kombination mit einem
die Vertrauen schafft, ist als wesent-            PCA- Pumpe bzw. einen Perfusor zu-          Sympatholytikum wie z.B. Clonidin
lich zu erachten, um Suchtkranken den             zuführen. Die Berechnung der Dosis          kann hierbei sinnvoll sein, um stark
Stress der perioperativen Phase und               erfolgt nach dem Morphinäquivalent.         ausgeprägte sympathikoadrenerge
die erhöhte Angst vor Schmerzen zu                                                            Kreislaufwirkungen zu dämpfen.
nehmen.                                           u Bei Abhängigen mit unkontrollierter
                                                  Einnahme von Straßenheroin liegt die        Die genaue Kenntnis der bisher miss-
Da opioidabhängige Patienten zur                  Problematik der Substitution darin,         brauchten Substanzmenge und der
Polytoxikomanie unter anderem mit                 dass der Reinheitsgrad stark variiert       Suchtdauer dienen als Information,
Benzodiazepinen neigen, sollten für               und man deshalb keine genauen Men-          um die benötigte äquivalente Substi-
die Prämedikation erstrangig Antipsy-             genangaben erhält. Die zur Verfügung        tutionsdosis zu finden.
chotika oder Neuroleptika verwendet               stehenden Äquivalenztabellen beru-
werden.                                           hen auf tierexperimentellen Ergeb-          Wird ein Patient bereits mit Methadon
                                                  nissen bzw. auf klinischen Erfahrungen      substituiert, soll auch perioperativ die
Suchtkranke und substituierte Patien-             und unterliegen somit einer nicht vor-      einmal tägliche Dosis zur selben Zeit
ten erhalten perioperativ ihre Basis-             hersehbaren Schwankungsbreite. Die          verordnet werden. Bei beginnender
medikation in gewohnter Dosierung                 im klinischen Alltag errechnete Äqui-       Substitutionstherapie beträgt die ini-
bzw. ein äquivalent wirksames Opioid              valenzdosis dient lediglich als Anhalts-    tiale Methadon-Dosis 30 mg. Bei auf-
ohne Unterbrechung weiter, auch am                punkt und muss somit bei Auftreten          tretenden Entzugssymptomen können
Tag der Operation.                                von Entzugssymptomen sofort korri-          zusätzlich 10 – 20 mg verabreicht, be-
                                                  giert werden.                               ziehungsweise kann das Zeitintervall
DIE PERIOPERATIVE PROPHY-                                                                     von einmal auf zweimal oder dreimal
LAXE / THERAPIE DES ENTZUGS-                      < SUBSTITUTION                              täglich gesteigert werden. Diese Vor-
SYNDROMS VON OPIOIDEN                             Von den in Österreich ca. 33.000 Ab-        gehensweise kann auch zu einer ver-
DIENT DER STABILISIERUNG DER                      hängigen mit problematischem Opio-          besserten perioperativen Analgesie
PSYCHISCHEN / PHYSISCHEN                          idkonsum befinden sich ca. 17.000 in        beitragen.15 Die tägliche Erhaltungs-
ABHÄNGIGKEIT                                      einer Substitutionsbehandlung. 14 Mit       dosis beträgt 60 – 120 mg.16 Bei Un-
u Bei Substitutions- beziehungsweise              retardiertem Morphin werden ca. 56          terbrechung der oralen Nahrungsauf-
opioidabhängigen Patienten muss die               Prozent mit einer einmal täglichen          nahme sollte die Methadonsubstitu-
tägliche Opioiddosis peroral, transder-           Dosierung von 600 – 800 mg substi-          tion parenteral weitergeführt werden
mal oder äquivalent intravenös auch am            tuiert. Methadon wird in ca. 16 Prozent     – bei einer Dosisreduktion von 30 bis
Tag der Operation beibehalten werden.             und Buprenorphin in ca. 18 Prozent          50 Prozent als i.v. Infusion.17
16   ANÄSTHESIE Nachrichten Nr. 1 | Jänner 2019
SCHMERZMEDIZIN

Eine intravenöse Entzugstherapie mit      THERAPIESTRATEGIEN BEI                     treten und bei denen kein Epiduralka-
Methadon kann mit 0,5-1 mg i.v. alle      OPIOIDABHÄNGIGEN BZW.                      theter gelegt werden kann, eignet sich
fünf bis zehn Minuten bis zum Abklin-     KONTINUIERLICH OPIOIDVOR-                  als perioperative Alternative eine int-
gen starker Entzugssymptome titriert      BEHANDELTEN PATIENTEN                      ravenöse Lidocain-Gabe mit bekann-
werden.                                   Chronische Schmerzpatienten unter          ter analgetischer Wirksamkeit.
                                          einer Langzeittherapie mit hochpo-
Täglich muss die Wirksamkeit über-        tenten Opioiden müssen auch peri-          SYSTEMISCH
prüft werden, da durch die lange und      operativ eine ununterbrochene Ap-          BALANCIERTE ANALGESIE
variable Halbwertszeit die möglicher-     plikation des gewohnten Opioids in         Die Auswahl der Pharmaka bei Sucht-
weise kumulierende Dosis die Tole-        gewohnter Dosierung zur gewohnten          kranken richtet sich nach organischen
ranzentwicklung vor allem am zweiten      Zeit erhalten. Ist dies nicht möglich,     Vorschäden und dem geplanten Ein-
beziehungsweise dritten Tag überho-       ist ein anderer reiner µ-Opioidrezep-      griff. Eine Allgemeinanästhesie per se
len kann, und es daher zu einer Über-     tor-Agonist als i.v.-IPerfusor bzw. als    gilt nicht als suchtaktivierend. Sowohl
dosierung kommen kann.                    PCA-Pumpe oder p.o. in einer orien-        inhalative als auch total intravenöse
                                          tierenden äquianalgetischen Dosisre-       Techniken (TIVA) sind möglich.
Zur Substitution können weiters reine     lation zu verabreichen.
μ-Opioidagonisten wie z.B. Morphin,                                                  Bereits intraoperativ muss mit einer sys-
Fentanyl, Sufentanil oder Hydromor-       REGIONALANÄSTHESIE                         temisch balancierten Analgesie unter
phon in Form einer intravenösen Infu-     Neben der Opioid-Substitution hat die      Berücksichtigung der Faktoren Toleranz
sion verwendet werden.                    Regionalanästhesie bei Suchtkranken        und Hyperalgesie begonnen werden.
                                          eine sehr hohe Präferenz, auch wenn
Suchtkranke, die mit 4-8 mg, in einzel-   bisher umfangreiche prospektive Stu-       Nichtopioide (NSAR, Coxibe, Meta-
nen Fällen bis zu 32 mg Buprenorphin,     dien fehlen, die dies untermauern. Da      mizol, Paracetamol) sollten unter Be-
einem Partialagonisten, auf Grund der     sich die Durchführbarkeit mangels Ko-      rücksichtigung von Kontraindikatio-
bis zu 72-stündigen Wirkdauer täglich     operationsbereitschaft gerade bei die-     nen und Anwendungsbeschränkungen
oder sogar nur dreimal wöchentlich        ser Patientengruppe als problematisch      primär voll ausgeschöpft werden.20
sublingual substituiert werden, können    erweisen kann, sollten im Vorfeld alter-
perioperativ zusätzlich einen reinen      native Methoden, wie auch die Allge-       Die intraoperative Gabe von Remifen-
μ-Opioidagonisten erhalten.18 Trotz der   meinanästhesie besprochen werden.19        tanil ist wegen einer möglichen akuten
bekannten hohen Rezeptor-Bindungs-                                                   Toleranz- und Hyperalgesie-Entwick-
affinität von Buprenorphin wird die       Wenn immer möglich, sollen Katheter-       lung zu vermeiden.
analgetische Wirksamkeit der reinen       verfahren angewendet werden. Als Al-
μ-Opioidagonisten dadurch nicht ab-       ternativen eignen sich Wundrand-Infil-     Reine μ-Opioidagonisten, besonders
geschwächt. Perioperativ kann zur Ver-    trationen, Gelenks-Instillationen kurz     Sufentanil auf Grund seiner hohen
meidung eines Entzugssyndroms bezie-      vor OP-Ende, sowie Wundkatheter.           intrinsischen Aktivität, haben jedoch
hungsweise zum Erreichen einer sta-                                                  einen hohen Stellenwert.21 Initial und
bileren Analgesie das Zeitintervall der   Das Lokalanästhetikum Ropivacain ist       repetitiv muss aufgrund von Kreuzto-
Verabreichung von einmal auf zweimal      wegen seiner geringeren Kardiotoxizi-      leranzen mit einem 30 bis 100 Prozent
oder dreimal täglich gesteigert werden.   tät, vor allem bei Patienten mit Koka-     höheren Opioidbedarf bei Suchtkran-
                                          in-Begleitkonsum, zu bevorzugen.           ken gerechnet werden.22 Die Dosisti-
Die gleichen Dosierungsangaben und                                                   tration erfolgt nach klinischen Krite-
Vorgehensweisen betreffen auch das        Zur Intensivierung der analgetischen       rien. Bei intraoperativ auftretender
Mischpräparat Suboxone ® , das die        Wirksamkeit eignet sich ein epiduraler     Tachykardie, Hypertension und bei
Substanzen Buprenorphin und Nalo-         Opioid- (Sufentanil 0,5-0,75 μg/ml,        Schweißausbrüchen ist differenzialdia-
xon in sich vereint. Naloxon, enteral     Fentanyl 0,5 µg/ml) beziehungsweise        gnostisch die mangelnde Anästhesie-
aufgenommen, blockiert die zentralan-     α2-Agonisten-Zusatz (Clonidin 0,5 μg/      tiefe vom beginnenden Entzugssymp-
algetische Opioidwirkung nicht. Wird      kg als Single-Shot oder 0,25 μg/kg/h       tom abzugrenzen.
dieses Präparat nicht sublingual ein-     als kontinuierliche Gabe).
genommen, sondern intravenös ver-                                                    POSTOPERATIVE PHASE
abreicht, löst Naloxon jedoch Entzugs-    Die kontinuierliche Infusion des Lokal-    Die Aufwachphase sollte angemes-
erscheinungen aus. Aus diesem Grund       anästhetikums bzw. diese kombiniert        sen langsam und stressarm verlaufen.
wird dieses Präparat auch im Rahmen       mit einer regionalen PCA-Technik ha-       Deswegen verbietet sich die Gabe von
der Substitutionstherapie eingesetzt;     ben Vorteile gegenüber intermittieren-     Antidoten (Naloxon, Flumazenil, Pro-
die Wirkung eventuell zusätzlich ver-     den Verfahren. Zusätzlich soll primär      stigmin).
abreichter illegaler Drogen wird bei      die systemische Verabreichung von
intravenöser Verabreichung blockiert.     Nichtopioiden ausgeschöpft werden.         Da opioidabhängige Patienten zumeist
                                                                                     körperliche und psychische Begleiter-
Die Basistherapie zur Substitution ver-   Bei abdominellen bzw. thorakalen Ein-      krankungen aufweisen und eine stabile
mittelt keinerlei Analgesie – zusätzli-   griffen, bei denen bekanntermaßen          analgetische Therapie zur Vermeidung
che Analgetika werden benötigt!           postoperativ starke Schmerzen auf-         von Entzugssymptomen gefordert ist,

                                                                                      ANÄSTHESIE Nachrichten Nr. 1 | Jänner 2019   17
muss eine Intensivüberwachung vor                 In der stabilen postoperativen Phase       sein. Auch die bekannte antineuropa-
allem nach größeren chirurgischen                 können auch Opioide per os/transder-       thische Wirksamkeit kann als Indika-
Eingriffen erwogen werden.                        mal eingesetzt werden.                     tion gesehen werden.26

Die Substitutionsdosis bzw. die Basis-            Die Dosistitration der Opioide rich-       Einen besonderen Stellenwert im Rah-
opioiddosis des suchtkranken Patien-              tet sich nach der aktuellen Schmerz-       men der perioperativen Schmerzthe-
ten sind als feste Größe anzusehen, die           stärke. Kontrollen der analgetischen,      rapie haben die Antikonvulsiva Gaba-
perioperativ nicht geändert werden                sedierenden und möglichen psycho-          pentin und Pregabalin.
sollte. Operationsschmerzen können                tropen Wirkung sollten deutlich eng-
durch die Weiterführung der Opioid-               maschiger als üblich erfolgen.             Beide Substanzen zeigen eine anxio-
medikation in gewohnter Dosierung                                                            lytische Wirksamkeit, die auch peri-
allein nicht behandelt werden.                    KOANALGETIKA                               operativ genutzt werden kann. In
                                                  Koanalgetika besitzen im Rahmen der        einer Meta-Analyse von Zhang et al.
Häufig wird der postoperative Schmerz             balancierten Analgesie bei Opioidab-       konnte der, aufgrund der antihyper-
bei Suchtpatienten unterschätzt und               hängigen einen sehr hohen Stellenwert.     algetischen Wirksamkeit bedingte,
unzureichend therapiert. Substitu-                                                           perioperative opioidsparende Effekt
ierte und opioidabhängige Patienten               α2-Adrenozeptoragonisten wie Cloni-        dargestellt werden. 27 Bedingt durch
haben postoperativ eine erniedrigte               din (0,1-0,2 μg/kg/h i.v. oder 75 (150)    eine verbesserte pharmakokinetische
Schmerzschwelle mit verminderter                  μg 2-3x/Tag per os + Bedarf) haben         Effektivität zeigt sich durch die Ver-
Schmerztoleranz und weisen deswe-                 sowohl wegen der bekannten opioid-         wendung von Pregabalin diesbezüg-
gen einen erhöhten Analgesiebedarf                sparenden als auch wegen der antihy-       lich eine bessere Wirksamkeit. So
über einen längeren Zeitraum hinweg               peralgetischen Wirkung große Bedeu-        zeigt Freedman et al. in einer Arbeit,
auf. Es sollte ein multimodales Analge-           tung.24 Zusätzlich wird die adrenerge      dass die Prämedikation mit 75 mg
siekonzept, mit dem bereits intraope-             Entzugssymptomatik durch Aktivie-          Pregabalin, sowie die darauf folgen-
rativ begonnen wird, angewendet wer-              rung präsynaptischer noradrenerger         de Dosierung von zweimal täglich 75
den. Neben systemischer Analgesie                 Rezeptoren unterdrückt.                    mg sieben Tage postoperativ zu einer
mit Nichtopioiden und Opioiden hat                                                           signifikanten Opioideinsparung bei
der Einsatz von regionalen Katheter-              In mehreren Studien konnte der positi-     gleichzeitiger Reduktion von opioid-
verfahren einen hohen Stellenwert.                ve Effekt von S (+) -Ketamin bei gleich-   bedingten Nebenwirkungen führte.28
                                                  zeitiger Opioidgabe auf den postopera-     Es fehlen jedoch immer noch Daten
Geeignete postoperative Verabrei-                 tiven Schmerzverlauf gezeigt werden.25     zur optimalen Dosierung, zum geeig-
chungsformen von Opioiden sind so-                Grund hierfür ist die Reduktion von        neten Anwendungsbereich und zum
wohl die kontinuierliche intravenöse              Toleranz und Hyperalgesie und somit        unbedenklichen Einsatz, um eine evi-
Gabe mittels Perfusor mit einer Do-               ein opioidsparender Effekt. In einem       denzbasierte Empfehlung im Rahmen
sisadaptierung an den analgetischen               Fallbericht konnte bei kontinuierlicher    der postoperativen Schmerztherapie
Bedarf durch Steigerung der Fluss-                Gabe von S (+) -Ketamin (1 μg/kg/min       aussprechen zu können.
rate als auch die intravenöse, patien-            in Kombination mit 1 Amp DHP und 5
tenkontrollierte Analgesie (i.v. PCA).            mg Midazolam) der tägliche Morphin-        Glucocorticoide, zum Zeitpunkt ei-
Hierbei können zusätzlich zu einer                verbrauch auf ein Drittel reduziert wer-   ner Nervenschädigung verabreicht,
Hintergrundinfusion zur Stabilisierung            den, und das bei deutlich verbesserter     könnten die Inzidenz hinsichtlich Ent-
des gewohnten Basisbedarfs die durch              Analgesie.                                 wicklung sowohl von akuten wie auch
den Patienten abrufbare Opioid-Do-                                                           von persistierenden postoperativen
sierungen in Form von Bolusgaben                  Intraoperativ kann S (+) -Ketamin in       neuropathischen Schmerzen senken.
und die verkürzten Lock-out-Inter-                Form von Bolusgaben (0,25-0,5 mg/          Eine Metaanalyse von De Oliveira et
valle an die Schmerzstärke adaptiert              kg KG) eingesetzt werden, oder als         al. zeigt eine gute Evidenz hinsichtlich
werden (z.B. eine beginnende Bolus-               kontinuierliche Infusion (1-2 μg/kg/       Dexamethason-Gabe und Reduktion
gabe von 2-3 mg Morphin bzw. bei                  min), die postoperativ weitergeführt       von akutem postoperativem Schmerz.
niereninsuffizienten PatientInnen Hy-             werden kann.                               Es wurde auch gezeigt, dass die An-
dromorphon bzw. Piritramid und einer                                                         algesie verstärkt wird, wenn Steroide
Sperrzeit von zehn Minuten).23                    Bei einem postoperativ hohen Opio-         präoperativ oder kurz nach der Narko-
                                                  idbedarf kann eine einmalige Kurz-         seeinleitung verabreicht werden.
Im Vergleich zur i.v. PCA sind Kurzin-            infusion mit 5-10 mg S (+)-Ketamin
fusionen mit höheren Opioid-Dosie-                die analgetische Wirksamkeit deutlich      Auf Benzodiazepine sollte wegen ihres
rungen sehr kritisch zu sehen. Sie be-            verbessern.                                hohen Suchtpotenzials so weit wie
wirken höhere Medikamentenkonzen-                                                            möglich verzichtet werden.
trationen in Blut und Gehirn mit der              Koanalgetika wie trizyklische Anti-
Möglichkeit, unerwünschte psycho-                 depressiva (Amitriptylin 10-25 mg          Eine präoperativ eingeleitete psycho-
trope Effekte auszulösen. Sie können              abends, Doxepin 10-25 mg abends)           logische Begleitbehandlung soll post-
bei Falschanwendung eine Ateminsuf-               können wegen ihres mild sedierenden        operativ zur Stabilisierung weiterge-
fizienz verursachen.                              Effektes eine wertvolle Ergänzung          führt werden.
18   ANÄSTHESIE Nachrichten Nr. 1 | Jänner 2019
SCHMERZMEDIZIN

Aufgrund einer geforderten stabilen       terverfahren haben auch bei opioidab-                          PJ, Markou A, O‘Delln LE, Parsons LH, Sanna PP,
                                                                                                         Neurosci Biobehav Rev 2004; 27:739-749
Substitutionstherapie, einer adäqua-      stinenten Patienten Vorrang.                            3
                                                                                                         Jaffe JH, In: Gilman AG, Rall TW, Nies AS, Taylor
ten analgetischen Versorgung und                                                                         P (eds). Goodman and Gilman‘s the pharmacologi-
                                                                                                         cal basis of therapeutics. 8 th ed. Pergamon Press
aufgrund in den meisten Fällen beste-     Nichtopioide und Tramadol als Opioid                           1990, New York, 522-573
henden physischen und auch psychi-        der Wahl sollen bei kleinen bis mittle-                 4
                                                                                                         Bonnet U, Gaspar M, In: Gastpar M, Mann K, Rom-
                                                                                                         melsbacher H (Hrsg.): Lehrbuch der Suchterkran-
schen Co-Morbiditäten ist eine post-      ren postoperativen Schmerzintensi-                             kungen. Thieme 1999, Stuttgart: S 237-262
operative Weiterbetreuung auf einer       täten zur Behandlung herangezogen                       5
                                                                                                         Rapp SE, Ready LB, Nessly ML, Pain 1995; 61:195-
                                                                                                         201
Intensivstation in Betracht zu ziehen.    werden (z.B. Würzburger Tropf: Kom-                     6
                                                                                                         Nestler EJ, Neuropharmacol 2004; 47:24-32
                                          bination von Metamizol/Tramundal                        7
                                                                                                         Koppert W, Ihmsenn H, Korber N, Wehrfritz A, Sittl
                                                                                                         R, Schmelz M, Schuttler J, Pain 2005; 118:15-22
DER OPIOIDABSTINENTE                      und DHB in 500 ml RL).                                  8
                                                                                                         Guignard B, Bossard AE, Coste C, Sessler DI, Le-
PATIENT                                                                                                  brault C, Alfonsi P, Fletcher D, Chauvin M, Anest-
                                                                                                         hesiology 2000; 9:409-417
Das anästhesiologische Vorgehen           Wenn nötig, müssen auch hoch poten-                     9
                                                                                                         Koppert W, Anaesthesist 2004; 53:455-466
unterscheidet sich kaum von dem bei       te Opioide, auch in retardierter Form,                  10
                                                                                                         Bradley BP, Gossop M, Phillips GT, Legarda JJ, Br
                                                                                                         J Addict 1987; 82:1139-1142
opioidgewöhnten Patienten, wobei in       sobald die enterale Gabe wieder mög-                    11
                                                                                                         Stromer W, Michaeli K, Sandner-Kiesling A, Euro-
diesem Fall alle Maßnahmen zur Ent-       lich ist, als Baustein einer balancierten                      pean Journal of Anaesthesiology 2013; 30(2):55-
                                                                                                         64
zugsprophylaxe wegfallen.                 postoperativen Schmerztherapie ein-                     12
                                                                                                         Schug Stephan A, Acute pain management in the
                                          gesetzt werden.                                                opioid-tolerant patient, Pain Manage 2012; 2(6),
                                                                                                         581–59
Ehemalige Abhängige mit oder ohne                                                                 13
                                                                                                         Reiter S, In: Beubler E, Haltmayer H, Springer A
Substitutionstherapie haben Angst         Opioide sind entsprechend der                                  (Hrsg.): Opioidabhängigkeit: Interdisziplinäre As-
                                                                                                         pekte für die Praxis, Springer 2006, Wien, S 139-147
vor einem Rückfall in eine Abhängig-      Schmerzstärke sorgfältig zu titrieren                   14
                                                                                                         ÖBIG Bericht zur Drogensituation 2009. Öster-
keit und weisen ein Fortbestehen ihrer    und erfordern häufigere Kontrollen                             reichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen.
                                                                                                         Wien
psychischen und physischen Komorbi-       bezüglich auftretender Nebenwirkun-                     15
                                                                                                         Basu S, Bruce RD, Barry DT, Altice FL. Pharma-
ditäten auf.                              gen und psychotroper Wirkungen.                                cological pain control for human immunodefi-
                                                                                                         ciency virus-infected adults with a history of drug
                                                                                                         dependence. J. Subst. Abuse Treat. 2004; 32(4),
Die Rückfallgefahr in die aktive Ab-      Die Technik der i.v.PCA ermöglicht                             399–409
                                                                                                  16
                                                                                                         Scherbaum N, Finkbeiner T, Leifert K, Gastpar M,
hängigkeit steigt bei häufig vorhan-      eine optimale individuelle Anpassung                           Pharmacopsychiatr 1996; 29:212-2
denen Schmerzen und bei einer un-         und vermeidet höhere Blut- und Ge-                      17
                                                                                                         Mitra S, Sinatra RS. Perioperative management of
                                                                                                         acute pain in the opioiddependent patient. Anest-
zureichenden analgetischen Therapie       hirnkonzentrationen, die psychotrope                           hesiology 2004; 101(1), 212–227
aufgrund von Lernvorgängen im Ge-         Effekte induzieren. Initial niedrigere                  18
                                                                                                         Fiellin DA, Kleber H, Trumble-Hejduk JG, McLel-
                                                                                                         lan AT, Kosten TR, J Subst Abuse Treat 2004;
hirn im Sinne eines „pseudoaddictive      Bolusdosen (z.B. 2,5 mg MO, 1 mg Pi-                           27:153-159
behaviour“.                               ritramid) können im Verlauf entspre-                    19
                                                                                                         Jage J, Heid F, Anaesthesist 2006; 55:611-628
                                                                                                  20
                                                                                                         Marret E, Kurdi O, Zufferey P, Bonnet F. Effects
                                          chend der Schmerzstärke adaptiert                              of nonsteroidal antiinflammatory drugs on pa-
Diese Patientengruppe weist für ei-       werden.                                                        tient-controlled analgesia morphine side effects:
                                                                                                         meta-analysis of randomized controlled trials. An-
nige Monate nach Beendigung des                                                                          esthesiology 2005;102(6), 1249–1260
Opioidkontakts eine latente neuro-        Koanalgetika (z.B. Antidepressiva,                      21
                                                                                                         de Leon-Cassasola OA, Best Practice & Research
                                                                                                         Clinical Anaesthesiology 2002; 16:521- 525
nale Übererregbarkeit und somit eine      Antikonvulsiva) erwiesen sich sowohl                    22
                                                                                                         Chapman CR, Donaldson G, Davis J, Ericson D,
erhöhte Empfindlichkeit gegenüber         in der Behandlung von Opioidabhän-                             Billharz J. Postoperative pain patterns in chronic
                                                                                                         pain patients: a pilot ain Med. 2009; 10(3), 481–
erneut zugeführten Opioiden auf, was      gigen wie auch von Abstinenten als                             487
als „protrahiertes Abstinenzsyndrom“      nützlich. S (+) -Ketamin, ein Antihype-                 23
                                                                                                         Heid F, Jage J, In: Pogatzki-Zahn EM, Van Aken
                                                                                                         HK, Zahn PK (Hrsg.) Postoperative Schmerzthe-
bezeichnet wird.                          ralgetikum, kann ebenso ein notwen-                            rapie. Thieme 2008, Stuttgart, S 275-292
                                          diger Teil des balancierten Behand-                     24
                                                                                                         Tetrault JM, O’Connor PG. Substance abuse and
                                                                                                         withdrawal in the critical care setting. Crit. Care
Geringe Opioiddosen können in die-        lungsregimes sein, wie z.B. Clonidin                           Clin. 2008; 24(4), 767–788, viii
ser Phase zu Analgesie, aber auch zu      aufgrund seiner bekannten opioidspa-                    25
                                                                                                         Laulin JP, Maurette P, Corcuff JB, Rivat C, Chau-
                                                                                                         vin M, Simmonet G, Anesth Analg 2002; 94:1263-
Nebenwirkungen führen.                    renden Wirkung.                                                1269
                                          Opioidabhängige wie auch opioidabs-                     26
                                                                                                         Kehlet H, Wilmore DW, AM J Surg 2002; 183:630-
                                                                                                         641
Die Applikation eines Opioids erst        tinente Patienten benötigen aufgrund                    27
                                                                                                         Zhang K.-Y. Ho Y. Wang, British Journal of Anaest-
nach Einleitung der Narkose bzw. wäh-     der Komplexität ein gezieltes schmerz-                         hesia 2011;106(4): 454–462
                                                                                                  28
                                                                                                         Freedman BM, O´Hara E, Aesthet Surg J 2008;
rend einer Allgemeinanästhesie gilt       medizinisches Entlassungsmanage-                               28(4):421-424
als unbedenklich. μ-Opioidagonisten       ment, das eine Patientenedukation und
wie Sufentanil und Fentanyl sind we-      eine Kontaktaufnahme zum extramural
gen des Bestehens eines möglichen         weiterbehandelnden Arzt beinhaltet,
protrahierten Abstinenzsyndroms ini-      um eine kompetente postoperative                        LECTURE BOARD:
tial in der Dosierung von 50 Prozent      Weiterversorgung und Anpassung der                      PRIM. UNIV.-PROF. DR.
der errechneten Dosis bei Patienten       Medikation zu gewährleisten.                            RUDOLF LIKAR, MSc
                                                                                                  Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und
ohne Suchterkrankung zu verabrei-                                                                 Intensivmedizin, Klinikum Klagenfurt am Wörthersee
chen.                                     LITERATUR:
                                                                                                  AO. UNIV.-PROF. DR.
                                          1
                                              Huxtable CA, Roberts LJ, Somogyi AA, MacInty-
Angewendete Lokalanästhetika (z.B.            re PE. Acute pain management in opioid-tolerant     SABINE SATOR-KATZENSCHLAGER
                                              patients: a growing challenge. Anaesth. Intensive   Stv. Leitung der Klinischen Abteilung für Spezielle
Infiltration, Gelenkinstallation etc.),       Care 2011;39(5), 804–823                            Anästhesie und Schmerzmedizin, Medizinische
sowie periphere und zentrale Kathe-       2
                                              Koob GF, Ahmed SH, Boutrel B, Chen SA, Kenny        Universität Wien, Allgemeines Krankenhaus Wien

                                                                                                       ANÄSTHESIE Nachrichten Nr. 1 | Jänner 2019         19
SCHMERZMEDIZIN
                                                                                                    TE
                                                                                       P -P   UNK
                                                                                  I DF
                                                                            DRE
DFP-LITERATURSTUDIUM                                                                  IN DEN ANÄSTHESIE NACHRICHTEN
     1.    Welche der folgenden Aussagen ist falsch? (2 richtige Antworten)
           a) Durch wiederholten Substanzkonsum werden neuroplastische Prozesse induziert
           b) Suchtkranke weisen keine erhöhte Stressvulnerabilität auf
           c) Organische oder psychische Stressoren steigern nicht die Aktivität des limbischen und des vegetativen Systems
           d) Auch nach langjähriger Drogenabstinenz sind die neuroplastischen Veränderungen nicht vollständig reversibel.
           e) Bei repetitiver Opioidexposition entsteht Toleranz, weshalb bei Opioidabhängigkeit perioperativ ein mindestens 30 bis 100 % höherer Opioidbedarf die Folge ist.

     2. Welche Aussagen opioidinduzierte Hyperalgesie (OIH) betreffend sind richtig? (3 richtige Antworten)
        a) OIH entsteht durch Aktivierung des NMDA-Systems
        b) Die vermehrte Freisetzung von dämpfenden Neurotransmittern führt zu einer intensiveren spinalen Erregungsübertragung.
        c) Remifentanil kann das nozizeptive System in klinischer Relevanz destabilisieren und ein körperliches, von Hyperalgesie geprägtes Entzugsbild provozieren.
        d) Anstelle von Remifentanil können Opioide wie Sufentanil, Fentanyl oder Alfentanil unproblematisch angewendet werden.
        e) Hyperalgesie kann durch die Gabe von S(+)-Ketamin, von α2-Agonisten, jedoch nicht durch die Gabe von alpha-2-delta-Modulatoren wie
     		 Pregabalin und Gabapentin verringert werden.

     3. Welche Antwort das Opioid-Entzugssyndrom betreffend ist richtig? (3 richtige Antworten)
        a) Physische Abhängigkeit bedingt bei Substanzmangel ein sympathikoadrenerg geprägtes Entzugssyndrom.
        b) Entzug bedingt eine Intensivierung der perioperativen Stressreaktion.
        c) α2-Agonisten, wie z.B. Clonidin, verstärken das exzitatorische sympathikoadrenerge Entzugssyndrom.
        d) Substanzmangel bedingt eine ungebremste Aktivität des NMDA-Systems und dies trägt zur Schmerzlinderung bei.
        e) Angst und Schmerz sind potenzielle Auslöser für das Verlangen nach der Droge und für einen Rückfall in die Sucht.

     4. Welche Antwort ist falsch? (3 richtige Antworten). Man muss bei opioidabhängigen Patienten perioperativ
        a) mit einer erhöhten Schmerzschwelle,
        b) mit einer verminderten Schmerztoleranz,
        c) mit einem verminderten Analgesiebedarf,
        d) mit einem höheren Risiko von organischen und psychischen Komplikationen und
        e) mit einem verminderten Opioidbedarf rechnen.

     5. Welche Aussage ist falsch? (2 richtige Antworten)
        a) Die Substitution bei unkontrollierter Einnahme von Straßenheroin ist problematisch, da der Reinheitsgrad stark variiert und man keine
     		 genauen Mengenangaben erhält.
        b) Bei Substitutions- wie auch opioidabhängigen Patienten muss die tägliche Opioiddosis peroral, transdermal oder äquivalent intravenös auch am
     		 Tag der Operation beibehalten werden.
        c) Zur Substitution können reine µ-Opioidagonisten in Form einer intravenösen Infusion verwendet werden.
        d) Suchtkranke, die mit Buprenorphin substituiert werden, dürfen perioperativ zusätzlich keinen µ-Opioidagonisten erhalten.
        e) Die Basistherapie zur Substitution vermittelt perioperativ ausreichende Analgesie.

     6. Welche Antwort betreffend perioperative Therapiestrategien bei opioidgewöhnten Patienten ist richtig? (4 richtige Antworten)
        a) Die Regionalanästhesie hat bei Suchtkranken eine hohe Präferenz
        b) Zur Intensivierung der analgetischen Wirksamkeit eignet sich ein epidurales Opioid, jedoch kein α2-Agonisten Zusatz
        c) Die kontinuierliche Infusion des Lokalanästhetikums bzw. diese kombiniert mit einer regionalen PCA-Technik haben Vorteile gegenüber
     		 intermittierenden Verfahren.
        d) Die Gabe von Nichtopioiden sollte unter Berücksichtigung von Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen voll ausgeschöpft werden.
        e) Geeignete postoperative Verabreichungsformen von Opioiden sind die kontinuierliche intravenöse Infusion mit
     		 Dosisadaptierung an den analgetischen Bedarf durch Steigerung der Flussrate oder die intravenöse, patientenkontrollierte Analgesie (i.v. PCA)

     7. Welche Antwort betreffend opioidabstinente Patienten ist falsch? (2 richtige Antworten)
        a) Ehemalige Abhängige weisen ein Fortbestehen ihrer psychischen und physischen Komorbiditäten auf.
        b) Die Rückfallgefahr in die aktive Abhängigkeit steigt nicht bei vorhandenen Schmerzen und einer unzureichenden analgetischen Therapie.
        c) Opioidabstinente weisen für einige Monate nach Beendigung des Opioidkonsums eine latente neuronale Übererregbarkeit und dadurch eine erhöhte
     		 Opioidempfindlichkeit gegenüber erneut zugeführten Opioiden auf.
        d) Die Applikation eines Opioids vor Einleitung der Narkose gilt als unbedenklich
        e) Angewendete Lokalanästhetika, sowie periphere und zentrale Katheterverfahren haben eine hohe Präferenz.

Eine Frage gilt dann als richtig beantwortet, wenn Sie von den vorgegebenen Antworten alle richtigen angekreuzt haben. Posititive Beantwortung: fünf von sieben Fragen richtig.
Fortbildungsanbieter: Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin
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20        ANÄSTHESIE Nachrichten Nr. 1 | Jänner 2019
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