Warum sich viele junge Menschen in Graz von der Stadt ausgetrickst fühlen - Megaphon
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S T R A S S E N M A G A Z I N U N D S O Z I A L E I NI T I AT I V E # 30 3 – J U NI 20 21 50% für die Verkäufer:innen S K A T E V E R B O T Warum sich viele junge Menschen in Graz von der Stadt ausgetrickst fühlen
UNSER WASSER: NATÜRLICH GUT holding-graz.at/trinkwasser Rund um die Uhr bestes Trinkwasser für Graz: • Vollkommen naturbelassen • Nicht aufbereitet und gechlort • Reich an Kalzium und Magnesium Erfrischung pur – achtzigzehn | Foto: Lex Karelly | BEZAHLTE ANZEIGE direkt aus der Leitung!
E D I T O R I A L M E G A P H O N / 3 Welttag der Flucht. Im April flattert eine Nachricht in unser E-Mail-Postfach. Unser ehemaliger Kolumnist Ronald Frühwirth, zuletzt im November 2019 beim jüngsten Relaunch unseres Straßenmagazins mit einem großen Interview im Megaphon zu Gast, bot uns einen Text an. Er habe sich zum Anlass des internationalen Tags der Flucht Gedanken zur Grazer Amokfahrt vor sechs Jahren gemacht, schreibt er. Denn der Tag, an dem die steirische Landeshauptstadt in Schockstarre verfiel, war ein 20. Juni. Seit 2001 haben die Vereinten Nationen dieses Datum zum Aktionstag für Geflüchtete ausgerufen. Sein berührender Text findet sich in voller Länge in dieser Ausgabe – ebenso wie eine Update aus S A B I N E G O L L M A N N ( L E I T U N G ), dem Leben und Wirken jenes Mannes, der lange als einer der besten P E T E R ( C H E F R E D A K T E U R ) K . W A G N E R Asylanwälte des Landes galt und nun ein neues Leben führt. T I T E L F O T O : P E T E R P A T A K I Auch der zweite große Artikel dieser Ausgabe nimmt viel Raum A U T O R : I N N E N - ein. Weil es genau um diesen geht. In Graz ist rund um ein Skateverbot I L L U S T R A T I O N E N : L E N A W U R M eine Debatte über Zusammenleben und öffentlichen Raum entstanden. Unsere Redakteurin Julia Reiter ist ausgebildete Mediatorin und leiden- schaftliche Skaterin. Sie begab sich auf eine rechercheeintensive Suche F O L G T U N S nach Konsens. Das Megaphon ist auch in den sozialen Medien aktiv: Schaut vorbei auf Instagram und Facebook. Oder auf megaphon.at :-) 10 20 28 R E G I O N A L U R B A N P O R T R Ä T Fotos: Clara Frühwirth, Peter Pataki, Valerie Maltseva Flüchtige Begegnung Skatement Verkäuferin des Monats Der ehemalige Megaphon-Ko- Ein neues Skateverbot zum Irena ist Romni, Ungarin und lumnist und Asylanwalt Ronald Grazer Sportjahr 2021. Die Slowakin – und verkauft das Frühwirth mit einer vagen An- Szene ist empört, die Stadt Megaphon am Grazer Hasner- näherung an die Grazer Amok- paralysiert. Redakteurin Julia platz. Und ermöglicht ihren fahrt vor sechs Jahren. Reiter sucht den Konsens. Enkeln damit Zukunft.
K O L U M N E 4 / M E G A P H O N Zukünfte (3) Lebensfragen Definition von Frauen und es regt mich Es reden immer die Gleichen. auf, dass Frauen vom Land in Film oder Das muss aufhören. Deshalb habe ich auf Literatur nach wie vor als Gegenteil der Anfrage der „murauerInnen“ acht Frauen „Stadtfrau“ inszeniert werden. Gut tut aus dem Bezirk vor die Kamera geholt, hingegen, dass sich meine Gesprächspart- um mit ihnen über ihren Alltag, Karriere, nerinnen vor laufender Kamera über ihre regionale Herausforderungen und ihre Erfolge freuen konnten und voller Stolz persönlichen Ziele zu sprechen. Dabei über Vergangenes und Zukünftiges spra- kamen Frauen zu Wort, die selten gefragt chen. Ohne leere Phrasen oder Floskeln. werden und doch so viel zu sagen haben. Ohne nach der Schrift zu reden und auf Anfangs wollten sich einige vor den Schwindelzettel zu schielen. Das ist die Gesprächen drücken. Sie hatten Sorge, Magie an dem Projekt. Das Echte. Es sind nichts Nennenswertes erreicht zu haben. ehrliche, bodenständige und reflektier- Dabei lebt jede ihre Geschichte voller te Aufnahmen entstanden, die zeigen, I S A B E L L A K R A I N E R Selbstbewusstsein: Eine Frau schaffte es dass Lebenswege bunt, aufregend und (*1974, Kärnten) ist Autorin und zum Beispiel, als Alleinerzieherin über erzählenswert sind. Die Interviewreihe Sozialarbeiterin. Ihre Arbeiten pendeln den zweiten Bildungsweg zu studieren, setzt dabei auf Dialog statt Monolog und zwischen Politsprech und Dialekt- und eine andere, die früh ins Ausland Solidarität statt Fingerzeig. Und – last but landschaft. Bis 31. Oktober kann ihr gegangen war, kehrte Jahrzehnte später not least – geht es um ehrliche Antwor- Videoprojekt „MURAUERiNNEN – wieder zurück. Eine junge Schneiderin, ten auf die Frage: „Wie geht es dir?“ Wer FRAUEN*LIFE*LIVE“ im Kunsthaus die mit ihrem ersten Atelier durchstartet, etwas erfahren will, muss eben nachfragen Graz besucht werden: Starke Frauen bekam dabei ebenso ihre Bühne wie eine und das Gegenüber dann auch ausreden erzählen darin, wie sie wurden, wer Wirtin, die bereits fester Bestandteil der lassen. Unbeantwortet bleibt nur, warum sie sind, und was sie dazu beitragen, Ortsgemeinschaft ist. Frausein bedeutet Videos, in denen Frauen über sich selbst um zu werden, wer sie sein wollen. Vielfalt. Für mich gibt es nicht die eine sprechen, als Kunstprojekt angesehen werden. ANZEIGE FFP2-Masken schützt den Träger BEZAHLTE ANZEIGE DES LANDES STEIERMARK. BILDER: GETTYIMAGES.AT (Vladimir Vladimirov) schützt das Umfeld Vor dem Aufsetzen und nach dem Absetzen gründlich Hände waschen! Ziehen Sie die FFP2- Maske oben aufs Nasen- bein und drücken Sie den Nasenbügel fest. Schütze dich, Vermeiden Sie während des Tragens, die FFP2- schütze andere! Maske anzufassen. Beim Abnehmen mög- Mut für morgen. lichst die Außenseiten news.steiermark.at | ages.at/coronavirus nicht berühren. Hotline: 0800 555 621 | Gesundheitstelefon: 1450
S T R A S S E N B I L D - G E W I N N S P I E L M E G A P H O N / 5 GRAZ AUF ALLEN INFO KANALEN Informationen zur Stadt Graz und allen städtischen Projekten finden Sie in der BIG, im Web und auf unseren Social-Media-Kanälen. graz.at Straßenbild In einer Gasse in Graz wartet ein Areal auf die facebook.com/stadtgraz Realisierung eines weiteren Im- instagram.com/stadtgraz mobilienprojekts – und ermöglicht aktuell den Blick auf die Rückseite eines alten Gebäudes mit beson- derer Verzierung. Unterschiedliche alte Reklametafeln hängen zwi- schen Balkonen und Fenstern. In welcher Gasse hat Sarah Löcker von #urbansketchers-graz dieses Bild gezeichnet? Antwort an: megaphon@caritas-steiermark.at, Stichwort: Straßenbild. Unter den richtigen achtzigzehn | Foto: Joel Kernasenko | Bezahlte Anzeige Einsendungen werden 3 „Briefe an mich“- Geben wir auf uns und andere acht – so schaffen wir das! Sonderprodukte zum Selberzeichnen verlost. I L L U S T R AT I O N U N D F O T O : S A R A H L Ö C K E R
D I E Z A H L E N 6 / M E G A P H O N Zu den Zahlen A U F G E S C H R I E B E N V O N F A B I A N W E B E R 6 Grad kühler kann es an heißen Sommertagen innerhalb des 3.135 Euro wurden bis zum Redaktionsschluss für Adi und seine Gemeinschaft auf Lombok Klima-Kultur-Pavillons sein. Der gesammelt. Das Geld steuerten 35 Spender:innen bei. Unsere Redakteurin Julia Reiter hölzerne Pavillon, in dessen Mitte berichtete in der letzten Ausgabe von der schwierigen Lage, organisierte die Spenden- sich ein kleiner Wald befindet, ist aktion und steht weiterhin in Kontakt mit Adi. Bisher konnte er mit dem Geld seine bis 15. August am Freiheitsplatz in Community mit Lebensmitteln, Matratzen für die Babys, Decken und anderen lebensnot- Graz ausgestellt. Die Kombination wendigen Dingen versorgen. Außerdem baut Adi gerade ein Haus für seine Mutter, das aus fast 150 Pflanzen und einer als Übergangslösung dienen soll, damit sie zumindest ein Dach über dem Kopf hat. Wassernebelanlage sorgt für den Adis Großvater ist der Naturkatastrophe leider zum Opfer gefallen, seine Urgroßmutter kühlenden Effekt und könnte konnte geborgen werden. Die unmittelbare finanzielle Hilfe durch die Spendenaktion sich als innovative Lösung gegen war wichtig, um zumindest die Versorgung der Grundbedürfnisse gewährleisten zu können. Für eine langfristige Verbesserung der Lage bräuchte es aber nachhaltigere die stetige Erwärmung urbaner Lösungen und einen allgemeinen Systemwandel. Auf Unterstützung von der indonesi- Räume behaupten. schen Regierung warten Adi und seine Community derweil noch vergeblich. 14 0,7 28 Foodsharing-Fairteiler gibt es in der ganzen Steiermark – 13 davon allein in Graz. An den jeweiligen Radweg-Kilometer sollen die derzeitigen 120 Kilometer in Graz bis Standorten sind Schränke und 2030 erweitern. Das Projekt mit dem – meist auch – Kühlschränke Quadratmeter müssen einem Titel „RADMOBIL Graz 2030“ basiert aufgestellt, in die jede:r Lebensmittel Mastschwein, das weniger als auf einer Studie zum Grazer Rad- hineinlegen und ebenso welche 110 Kilogramm wiegt, bei wegenetz. Es wird mit hundert konventioneller Tierhaltung zur aus diesen entnehmen kann. Das Millionen Euro von Stadt und Land Verfügung stehen. Über 97 % finanziert und soll dazu beitragen, Hauptziel der Aktion ist es, unnötiger des in Österreich produzierten den Anteil der Radfahrer:innen am Lebensmittelverschwendung Schweinefleischs stammen aus Verkehr zu verdoppeln. entgegenzuwirken. einer solchen Haltung. I N S P - L I V E T I C K E R The Big Issue – England INSP Deutschland Scarp de‘ tenis – Italien Nach Ende des Lockdowns profitieren Im Namen von 20 deutschen Straßen- Die Kolleg:innen aus Mailand feiern Megaphon ist stolzer Teil immer mehr Verkäufer:innen der engli- zeitungen interviewt Annette Bruhns in diesem Jahr nicht nur ihr 25. Jubi- des internationalen Netzwerks schen Straßenzeitung von kontakt- von Hinz&Kunzt aus Hamburg im läum, darüber hinaus wurde gerade der Straßenzeitungen: losem Zahlen – 594 Kolporteur:innen Vorfeld der Bundestagswahl deutsche die 250. Ausgabe der Straßenzeitung www.insp.ngo setzen bereits auf digitale Bezahlung. Spitzenpolitiker:innen. veröffentlicht.
D I E Z A H L E N M E G A P H O N / 7 6.800.000 bis 27.000.000 Tonnen beträgt – Schätzungen von Greenpeace zu- folge – die Menge an Beifang, die bei der Fischerei jährlich entsteht. Der Großteil des unerwünschten Beifangs wird bereits tot oder ster- bend ins Meer zurückgeworfen. Am höchsten ist der Beifang in der Shrimp-Fischerei, wo meist über 80 Prozent andere Arten im Netz Diagonale’21 Festival des österreichischen Films landen. Im Rahmen des World Graz, 8.—13. Juni 2021 diagonale.at Ocean Day am 8. Juni soll unter anderem auf das Schutzbedürf- nis unserer Ozeane aufmerk- #Diagonale21 sam gemacht werden. Einzel- #FestivalOfAustrianFilm personen und Organisationen Für die Initiative „Hunger auf Kunst und Die Tickets sind ausschließlich in der Kultur“ stellt die Verkaufsstelle können die 30x30-Petition un- Diagonale auch heuer wieder je eine Karte im Kunsthaus Graz (2.— 13. Juni pro Kulturpassbe- 2021, 10 bis 18 Uhr) terschreiben, die sich zum Ziel sitzer*in zur Verfügung. erhältlich. Zusätzlich steht Kulturpassbesitzer*innen setzt, dass sich Staaten auf der ein Stundenkartenkontingent der Holding Graz Linien zur Verfügung. ganzen Welt verpflichten, bis zum Jahr 2030 dreißig Prozent Hunger auf Kunst & Kultur / Steiermark, Kinkgasse 7 8020 Graz, Austria +43 316 827 122 der Land- und Meeresflächen info@culture-unlimited.com der Erde unter Naturschutz zu stellen. ANZEIGE
S O N D E R P R O D U K T M E G A P H O N B R I E F K A S T E N M E G A P H O N / 8 Neu! Illustration: Lena Wurm Briefkasten Ki d s Gut, dass es das Megaphon gibt JOSEF Anfangs habe ich das Megaphon gekauft, um den Verkäufer:innen eine kleine Freude zu machen. Ge- lesen habe ich es, weil ich als Kind dazu erzogen wurde „aufzuessen“. Man wirft etwas nicht weg, wofür man 3 Euro bezahlt hat. Inzwischen freue ich mich auf jede neue Ausgabe und auf das, was mir Menschen sagen, die nur im Megaphon zu Wort kommen. Gendern FAMILIE M. Die Bemühungen um eine geschlechtergerechte Sprache geraten mitunter zum Kabarett. Mit dem „Bürge- rinnenmeister“ im Artikel über die Präsentation einer U- Bahn für Graz im Megaphon vom April 2021 ist eine weite- re geniale Lachnummer entstanden. - Ist Ihnen eigentlich 6 Tipps aufgefallen, dass mit dieser Wortschöpfung jetzt eine ein- deutige Diskriminierung der Bürger erreicht wurde? Gendergerechte Sprache wie du die GERHARD Zukunft mitge- Glauben Sie wirklich, dass weibliche Formen mit stalten kannst Sonderzeichen gendergerecht sind? Noch werden viele Diskussionen ins Lächerliche gezogen, aber derzeit führt der Weg weit über das Ziel hinaus und wird bald zur Be- nachteiligung der männlichen Formen und Gegenmaß- nahmen führen. Gibt es eigentlich andere Sprachen mit diesen Problemen? Ich habe noch nie davon gehört. Wenn nur der Vater ein Zeugnis unterschreiben darf, dann ver- letzt das die Gleichberechtigung. Aber das sprachliche Thema ist durch das Wort „Elternteil“ abgedeckt. RE: Gendern und gendergerechte Sprache MIT JULIA REITER, REDAKTION Ich möchte auf keinen Fall behaupten, dass wir G I N WUN die ideale Form der geschlechtergerechten Sprache gefun- den haben. Außer Frage steht: Es gibt zahlreiche Studien, SCH ! die zeigen, dass Sprache das gesellschaftliche Bewusstsein N F T prägen. Ein Beispiel: www.fu-berlin.de/presse/informatio- K U nen/fup/2015/fup_15_223-einfluss-geschlechtergerechte- Z U sprache/index.html Da das Stichwort „Kabarett“ gefallen ist: Eine sehr humorvolle Leseempfehlung zum Thema ist DIE „Der Ursprung der Welt“ von Liv Strömquist. S I E W O L L E N U N S E T W A S A B S O F O R T E R H Ä L T L I C H M I T T E I L E N ? Wir freuen uns stets über 5 B E I U N S E R E N Zuschriften unserer Leser:innen: V E R K Ä U F E R _ I N N E N megaphon@caritas-steiermark.at oder an Megaphon, Mariengasse 24, 8020 Graz 50% für die Verkäufer:innen
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R E G I O N A L M E G A P H O N / 1 1 Flüchtige verbunden durch die Augartenbrücke, der ich mich nun mit ei- nem Gefühl der Unzufriedenheit näherte. Schon früher hätte ich mich nach Hause aufmachen können, so der Kritiker in mir. Zu Begegnung schön wäre der Tag, um ihn zu lange im dunklen und kühlen Büro zu verbringen. Ich ärgerte mich darüber, dass ich es nicht geschafft hatte, bei dem zu bleiben, was ich mir zuvor vorgenom- men hatte: zehn Minuten, höchstens zwölf bis dreizehn Minuten im Büro zu verbringen. Es wurden fünfunddreißig Minuten, die – so mein Anspruch – nun wieder eingeholt werden müssten. Mei- ne Langsamkeit missfiel mir. Eine alte Unzulänglichkeit, mit der ich an diesem Tag meinen Frieden schließen sollte. Womöglich Der ehemalige Megaphon-Kolumnist wendete sie nämlich ein größeres Unglück von mir ab. und Asylanwalt Ronald Frühwirth II. mit einer vagen Annäherung an die Am Weg zur Augartenbrücke jedenfalls ärgerte ich mich noch. Dann aber ließ mich das laute Aufröhren eines Motors aufschre- Grazer Amokfahrt, die sich am inter- cken. Plötzlich raste ein für Grazer Straßen viel zu großer Pick-up nationalen Tag der Flucht vor sechs aus der Zweiglgasse in die Kreuzung mit dem Grieskai ein. Irre, dachte ich, diese Geschwindigkeit. In meiner Erinnerung schwebt Jahren ereignete. der Pick-up über die Straße, er fliegt über den Asphalt, zu schnell, um mit den Rädern am Boden bleiben zu können. Der Fahrer blickte aus dem geöffneten Fenster zu mir herüber. Das Bild geht I L L U S T R AT I O N E N : C L A R A F R Ü H W I R T H mir seither nicht mehr aus dem Kopf. Ein Mann mit dunklem Bart und dunkler Brille, den linken Arm lässig halb aus dem Fenster der Fahrertüre gelegt, laute E-Gitarren-lastige Musik dröhnte aus I. dem Wagen. Fahrzeug und Fahrer gehören nicht hierher, dachte An Samstagvormittagen ging ich früher gerne laufen. Wochen- ich damals. Ich schaute kurz nach einem Surfbrett auf der La- tags arbeitete ich von früh bis spät, am Samstag konnte ich bei defläche. Es hätte dorthin gepasst. Der Fahrer rief etwas zu mir Tageslicht Runden durch den Augarten drehen. Die Bewegung hin, es klang nach bloßem Grölen. Unsere Blicke trafen sich; so- schuf Raum für frische Gedanken, die dann aber meist nicht weit fern sich das durch die Sonnenbrillen hindurch sagen lässt. Es genug abschweiften, um die drängendsten Aufgaben vergessen zu fühlte sich jedenfalls so an. Ich glaubte, ein kurzes Zögern zu lassen. Das Ende eines solchen Laufes führte mich deshalb oft erkennen, dann riss der Fahrer das Lenkrad nach rechts. Ich weiß in die Kanzlei, wo sich während des Cooldowns kurze Notizen noch, dass der Pick-up über die Bordsteinkante fuhr, ohne dass auf Aktendeckeln anbringen ließen. Meist blieb es nicht bei ein die sich wirklich bemerkbar machte. Kein Rütteln des Fahrzeugs, oder zwei verschriftlichten Überlegungen. Mein Blick fiel allzu kein dumpfer Knall, der Wagen fegte einfach über sie hinweg. Es gerne auf weitere Akten. Es war schwer, in meinem Büro an ihnen krachte dennoch: Ein Radfahrer flog durch die Luft. Der Pick- vorbeizusehen. Also wurden da und dort noch weitere Notizen up düste vom Gehweg auf die Straße zurück. Dabei rumpelte es angebracht. Das Schrifteln überdauerte an vielen Samstagen den nun doch noch. Der Wagen schlingerte kurz, dann verlor ich ihn Cooldown. So auch am 20. Juni des Jahres 2015, dem internatio- nach der Brücke aus den Augen. Der Radfahrer krümmte sich am nalen Tag der Flucht. Gehweg. Er schrie auf, hielt sein Knie. Ich eilte über die Straße. In der Büroküche lag noch eine Banane herum. Der Ansonsten war es still wie sonst nie an dieser Kreuzung. Ein Blick Hunger ließ mich schließlich von den Akten absehen. Ich nahm nach rechts in die Zweiglgasse: Ein Öffi-Bus stand dort mitten die Banane und verließ das Büro. Die Kanzlei lag nur wenige Geh- auf der Straße. Dahinter andere Autos. Sonst nichts. Erst auf den minuten von meiner Wohnung entfernt. Die kurze Distanz er- zweiten Blick hin stellte ich mir die Frage: Liegt da ein Mensch leichterte derlei Arbeitssessions. Wohnung und Büro lagen beide auf der Straße vor dem Bus? Der nächste Blick ging aber zunächst direkt am Murufer, die eine am linken, das andere am rechten, zurück zum Radfahrer. Ich erreichte ihn. Er wimmerte und wand
R E G I O N A L 1 2 / M E G A P H O N R O N A L D F R Ü H W I R T H schrieb für das Megaphon einige Jahre lang die Kolumne „Recht engagiert“, in der er zu aktuellen Fragen rund um das Asylrecht Stellung bezog. sich vor Schmerz. Ich fragte ihn, ob es ihm gut gehe. Seine Ant- men immer mehr hinzu. Auch dort wieder: diese Stille. Menschen wort hörte ich nicht, meine Sinne waren woanders hin ausgerich- blieben stehen, verweilten in Gedanken. Manche hielten einander, tet, suchten Anzeichen für das Wiederaufflackern der Gefahr zu umarmten sich, andere blieben für sich. Viele weinten. Man sah erkennen, die sich in der Umgebung fühlen ließ. Aber es blieb nachdenkliche Gesichter, warme Gesichtsausdrücke. Die Leute völlig still. Das Wimmern des Radfahrers nahm ich nur irgendwo waren einander zugetan. Ich weiß es nicht, aber ich bin mir si- weit im Hintergrund wahr. Dann wurde es wiedergegeben. Aus cher, es haben sich dort Leute umarmt, die einander zuvor nicht der Zweiglgasse kam auch ein leises Weinen. Aus dem Bus stieg kannten. Die Straßenbahngarnituren fuhren sehr langsam vorbei. jemand aus, langsam. Mein Blick ging in die andere Richtung, Keiner ihrer Fahrerinnen oder Fahrer wagte es zu bimmeln. die Augartenbrücke hinauf. Der Pick-up hatte ein geparktes Auto gerammt. Er stand nun am Straßenrand vor der Spar-Filiale. Ein V. kurzer Moment der Furcht kam auf; die Frage, ob der Fahrer zu- Auch am Geländer der Augartenbrücke wurde eine Kerze ange- rückkommt, ob er mit dem Radfahrer eine Rechnung zu beglei- zündet, genauso am Zaun zur Synagoge in der Zweiglgasse und chen hat. Von der anderen Seite näherte sich ein Auto. Es kam an allen anderen Orten, an denen Menschen verletzt oder getö- von Süden her, bog vom Grieskai herein. Der Beifahrer öffnete tet worden sind. Die Kerze am Brückengeländer erinnerte an den das Fenster. Ist er absichtlich auf den Gehsteig gefahren?, fragte er Radfahrer. Sein Fahrrad hatte ich mit in meine Kanzlei genom- ungläubig und betroffen. – Ich denke ja, antwortete ich. – Ist der men. Oder nicht? Ich denke schon, er kam doch einige Tage spä- verrückt? – Ich denke ja. ter, es abzuholen. Ich fand ihn sehr sympathisch. Er kannte die Der Radfahrer kam zur Ruhe. Ob ich ihn angegriffen, Arbeit mit geflüchteten Menschen. Wir fanden daher rasch Ge- ihm geholfen habe, sich hinzusetzen, das weiß ich nicht mehr. sprächsstoff abseits des Pick-ups und seines Fahrers. Was dieser Jedenfalls bot ich ihm meine Banane an, da bin ich sicher. Eine wohl bezweckte, dachte ich mir damals oft. In der Zweiglgasse Frau näherte sich uns. Sie hatte eine Wasserflasche dabei. Wir hatte ich am Samstag richtig gesehen. Es lag nicht nur ein Mensch hockten kurz zu dritt. Aus der Zweiglgasse drang Wehklagen zu am Boden, es waren zumindest zwei. Ein Paar war dort nieder- uns. Ich griff zu meinem Telefon und rief die Rettung, kam nicht gefahren worden. Sie seien bosnische Staatsangehörige gewesen, durch, dann doch, oder nicht … Ich weiß es nicht mehr. Aus der hieß es, auch der Fahrer des Pick-ups hatte bosnische Wurzeln. Zweiglgasse näherten sich mit großer Geschwindigkeit nun Fahr- Nach der Augartenbrücke, beim dortigen Supermarkt, habe er zeuge, drei oder vier dunkle, schnelle Wagen, mit aufgesetzten dann eine Frau mit einem Messer attackiert. Sie sei afghanische Blaulichtern am Dach; zivile Streifen, mit hohem Tempo, aber un- Staatsangehörige gewesen, hieß es. In der Herrengasse sei eine wirklich leise, an uns vorbei in Richtung Grazbachgasse. Mein Frau ums Leben gekommen, deren Identität man zunächst nicht Blick folgte ihnen. Der Pick-up war schon weg. Sie schienen ihm habe feststellen können. Sie habe um Almosen gebeten, hieß es. folgen zu wollen. Die Opfer hatten allesamt einen Bezug zu den Themen Flucht und Migration, dachte ich mir einmal. Und die Amokfahrt fiel auf den III. internationalen Tag der Flucht. Auch der Radfahrer arbeitete mit Die Stille hielt sich lange. In meiner Erinnerung prägt sie die Sze- schutzsuchenden Menschen, so wie ich. Aber ich war kein Opfer. nerie. Eine stille Amokfahrt. Einzig das Hineinrasen des Pick-ups Dafür war ich damals um wenige Augenblicke zu langsam. Hätte in die Kreuzung blieb mir als laut in Erinnerung. Später, bei der ich das Büro nur eine Minute früher verlassen, wäre ich am linken Gerichtsverhandlung, wurde ich danach gefragt, was der Pick-up- Gehweg der Augartenbrücke entlanggegangen, als der Pick-up in Fahrer mir zugerufen hatte. Ich habe es nicht verstanden, antwor- die Kreuzung einfuhr. Der Fahrer hätte dann eine Auswahl treffen tete ich. Ob es Allahu akbar sein habe können, wurde ich gefragt. können, zwischen dem Radfahrer auf der rechten Seite oder dem Das könne ich nicht sagen, ich habe es ja nicht verstanden, gab Läufer mit der Banane auf der linken. ich zur Antwort. Der Frager hätte sich wohl ein „ja“ erhofft, dann hätte das ganze Ereignis besser eingeordnet werden können. Ein VI. späterer Vizekanzler verbreitete gleich noch am Tag des Ereig- Ein paar Tage später kam es zu einer großen Trauerkundgebung. nisses, es sei vom Rufen dieser Wortfolge berichtet worden. Er Ein Marsch entlang der Fahrtroute des Pick-ups. Viele Leute erntete dafür nur Unverständnis und Kritik. schlossen sich an. Freundinnen, Freunde und Familie gingen mit mir. Ich war froh, nicht alleine zu sein. Am Hauptplatz fand die IV. Schlusskundgebung statt, wieder mit viel Stille. Es gab sanfte und Über Graz legte sich eine besondere Stimmung in den Tagen da- bedacht entworfene Reden. Ich weiß noch, der damalige Bun- nach. Ich ging mehrmals täglich an der Stadtpfarrkirche vorbei. despräsident sprach bewegende Worte, auch der Bürgermeister. Der Gehweg vor ihrem Eingang war gesäumt von Kerzen. Es ka- Am Ende der Veranstaltung wurde ein Satz auf zahlreiche Tafeln
R E G I O N A L M E G A P H O N / 1 3 projiziert: Wir sind füreinander da. Man hätte kaum treffendere Welle der Empathie trug weite Teile des Landes. Leute klatschten Worte finden können. Es klang kein Revanchismus in den Wort- bei der Ankunft ihnen völlig fremder Menschen an Bahnhöfen. meldungen dieses Tages durch, nur Betroffenheit und Trauer, Sie freuten sich mit ihnen, dass sie in Sicherheit waren, den Kon- Mitgefühl und der ehrlich gemeinte Appell, füreinander da zu fliktherden dieser Welt heil entkommen waren. Später wurden sie sein; nicht, um auf der Hut zu sein, um sich rechtzeitig zu warnen, als Willkommensklatscher abgekanzelt, ihre Empathie als Ge- vor dem nächsten Pick-up-Fahrer, vor Angreifern, die am besten fühlsduselei belächelt, ihr Realitätssinn als verschwommen be- und liebsten als von außen kommend verortet werden. Nein, schrieben und überhaupt die Ereignisse dieses Sommers als un- schlicht, weil man zusammen am ehesten die Wunde schließen verantwortliche Naivität abgetan. Der Bürgermeister beschwor werde können, die die Route des Pick-ups in die Stadt geschnitten auf Anzeigesujets mit ernster Miene die Einführung einer Ober- hatte. In meiner Erinnerung war Graz nie so warmherzig, so of- grenze für die Aufnahme geflüchteter Menschen. fen, so freundlich, wie in den Tagen und Wochen nach der Fahrt des Pick-ups. Ich kann mich an keine Betonboller in der Innen- VIII. stadt erinnern. Im Herbst 2016 fand die strafgerichtliche Aufarbeitung der Pick- up-Fahrt statt. Im Warteraum vor dem Gerichtssaal traf ich auf VII. den Bürgermeister. Er war wie ich als Zeuge geladen. Viele andere Einige Monate später hörte ich wieder den Bundespräsidenten re- auch. Die Befragungen zogen sich etwas, blieben ohne wirkliche den. In Wien rief er mit abertausenden anderen auf einem großen Substanz. Was sollte ich schon für die Wahrheitsfindung Wesent- Platz den Slogan: Say it loud and say it clear, refugees are welcome liches beitragen können? Die Wahrheit lag ohnehin offen zutage. here. Der spätere Vizekanzler war sehr still in diesen Tagen. Eine Ich musste an die vielen Fragen denken, die in Asylverfahren im-
R E G I O N A L 1 4 / M E G A P H O N mer gestellt werden: Wie viele Männer stürmten in ihren Laden? R O N A L D F R Ü H W I R T H Waren sie in Uniform oder zivil gekleidet? Vermummt, bewaffnet? hat fast vier Jahrzehnte in Graz gelebt. Welche Waffen? Waren es nun fünf oder sechs? Wenn Sie das per- Als Rechtsanwalt war er auf Asyl- sönlich erlebt haben, werden sie das wohl sagen können. Das muss rechtsfragen spezialisiert. Seine Kanz- ja ein einschneidendes Erlebnis gewesen sein, da kann ich wohl lei hat er Ende 2019 geschlossen und erwarten, dass Sie mir das etwas genauer schildern können. Gerü- Graz daraufhin verlassen. Der Plan, che, Lichtverhältnisse, Wetter, Temperatur, ich will Details hören. sich dann mit der Familie eine Zeit In Verkehrsunfallprozessen wollen technische Sachver- lang durch die Welt treiben zu lassen, ständige oft wissen, wie weit entfernt das gegnerische Fahrzeug wurde von der Pandemie durchkreuzt. zum Zeitpunkt des ersten Wahrnehmens war. Manche belustigen Auf Reise gingen sie dennoch, allein dann die Antworten, genüsslich rechnen sie vor, weshalb sie tech- die Schritte wurden kleiner und führten nisch unmöglich stimmen könnten. Bei Befragungen von schutz- die Familie bisher in die Pinzgauer suchenden Menschen kann meist kein technischer Beweis oder Berge, nach Wien und Hamburg. Dem Gegenbeweis erbracht werden. Die unzureichende Präzisierung Asylrecht widmet sich Frühwirth wei- wird dann als Vagheit beschrieben, die für die Unglaubwürdigkeit terhin als Vortragender in Schulungen des Vorgebrachten spreche. und Seminaren, ansonsten beobachtet er viel, die Entwicklung seiner Kinder IX. und die der Welt. Ich weiß nicht, ob meine Erinnerung an den Moment auf der Augartenbrücke dem tatsächlich Geschehenen entspricht. Der Mann, den ich im Gerichtssaal als Angeklagten sah, hatte nicht einmal ansatzweise Ähnlichkeit mit dem Bild des grölenden Fah- rers in meiner Erinnerung. Ich weiß nicht, ob ich kurz vor der Einmündung in die Brücke stand oder dreißig Meter davor, als der Pick-up in die Kreuzung einfuhr. In meiner Erinnerung flog der Radfahrer über den Pick-up. Ich weiß nicht mehr, wie die junge Frau aussah, die dem Radfahrer ihre Wasserflasche reichte, bin nicht mehr sicher, ob ich ihm wirklich eine Banane anbot. An die Farbe seines Fahrrads kann ich mich nicht erinnern, ich glaube mich daran zu erinnern, dass es keine Kotflügel hatte. Ich weiß nicht mehr, ob ich das Fahrrad mit zu mir nach Hause, mit in mein Büro oder gar nicht mitnahm. Ich glaube, der Radfahrer war am Knie verletzt, es könnte aber auch das Schienbein gewesen sein. Die Amokfahrt ist sechs Jahre her. Ich habe in meiner Erinnerung ein klares Bild von manchen Abläufen, von manchen weiß ich gar nichts mehr. Das war schon wenige Tage danach so. Selbst bei dem, was mir immer noch so klar erscheint, bin ich unsicher. Ich wage es nicht zu recherchieren, ob der Amokfahrer wirklich einen Pick-up fuhr. Würde man mich lange fragen, ich würde bei jedem Detail zu schwanken beginnen. Sicher bin ich mir bei meinen Gefühlen, aber die würden, käme es auf meine Beschreibung an, als zu vage abgetan werden. R O N A L D F R Ü H W I R T H hat vor einigen Monaten Graz nach 39 Jahren hinter sich gelassen.
K O L U M N E M E G A P H O N / 1 5 P R E C I O U S P E O P L E heißt die Megaphon-Kolumne von Precious Nnebedum, in der sie sich mit anderen Grazer:innen über Themen, die bewegen, unterhält und damit empowert. Diesmal mit ihrer Freundin Pamela Gyan. Precious People (3): „I’m a whole sweetness!“, das ist nun mein Motto für das Leben. len und als Hexe zu gehen. Die Mädchen dort, die alle wesentlich älter waren als ich, Pamela Gyan über Mein Name heißt aus dem Grie- haben angeboten, mir mit meinem Make- Einflüsse ihrer Jugend chischen übersetzt „die ganz Süße“ und ich up zu helfen. Als naive 6-Jährige willigte würde sagen, dass ich nun diesen Namen ich ein, ohne irgendeinen Hintergedanken komplett verkörpere. Allerdings war meine zu erahnen. An jenem Tag lernte ich, was Selbstwahrnehmung nicht immer positiv das „N-Wort“ bedeutet, als mich andere T E X T : P R E C I O U S N N E B E D U M geprägt. In meiner Jugend war ich sehr naiv Kinder auslachten und ich es danach auf F O T O S : M O H A D E S E P A N A H I und ging mit rosaroten Brillen durch das meiner Stirn las. Nach diesem Vorfall ver- Leben. Ich habe jeder Person Vertrauen lor ich jegliche Motivation, in den Hort zu geschenkt, mit der Erwartung, dass jede:r gehen. es gut mit mir meinte, nur musste ich leider Obwohl mir meine schwere Ju- auf die harte Tour lernen, dass das nicht gend dazu verholfen hat, dass ich mir eine immer der Realität entspricht. dickere Haut zulegte, wünsche ich keinem Meine Kindheit und Jugend haben Kind eine solche Zeit. Aber hey! Dadurch die derzeitige Wahnehmung meines Selbst habe ich gelernt, wenn gute Zeiten ver- und meiner Umwelt stark beeinflusst. Auch gehen können, dann können schlechte wenn ich sehr schöne Erfahrungen sam- genauso schnell vergehen! meln durfte, muss ich leider zugeben, dass die negativen Erlebnisse meiner Jugend die positiven überwogen. In der Volkschule wurde ich nicht immer angemessen behandelt. Meine Mitschüler:innen haben mich oft auf- grund meines Namens, Aussehens und Körperbaus gehänselt. Meine Familie war zu der damaligen Zeit die einzige Schwar- ze Familie in der ländlichen Siedlung und wir haben von Anfang an gemerkt, dass P R E C I O U S N N E B E D U M wir nicht willkommen waren. Die Namen, (1997 Nigeria) ist mehrsprachige die ich in der Volksschule und im Hort Poetin, Künstlerin und Afrikanerin genannt wurde, werde ich so schnell nicht in Diaspora. Zusammen mit zwei wieder vergessen. Freundinnen leitet sie die Gruppe An ein Ereignis im Hort kann ich TANAKA für junge Menschen mich sehr gut erinnern. Bei der Halloween- mit Migrationsgeschichte. Sie lebt Party waren alle Kinder verkleidet und ich mit ihrer Familie in Graz. beschloss, mich selber im Gesicht anzuma-
T I P P S 1 6 / M E G A P H O N Elektrisierend Von innen Triathlon 2 .– 6 . J U N I 2 0 2 1 B I S 5 . J U N I 2 0 2 1, 26. J U NI 2021 Graz verwandelt sich Forum Stadtpark, Graz 10–20. U HR fünf Tage lang in einen Julian Palacz befasst sich in Anlage Sand und Meer, Graz Hotspot für elektronische seinen Arbeiten vornehmlich Fußball, Beachsoccer und Musik und Kunst. Das mit der Macht und Mechanik Footvolley – das sind die drei Springfestival bringt be- von Überwachung. In seinem Disziplinen des ersten Gra- kannte Performer:innen neuesten Projekt „Handle zer Fußball-Triathlons. Acht und Newcomer:innen, with Care“ wird er selbst zur bis zehn Mannschaften mit unter anderem Chris Instanz des Überwachenden. fußspezifischem Können und Liebing und Juju, in die Er verschickt Sendungen mit Ausdauer treten gegenein- einzigartige Festival-Lo- Kameras und Mikrofonen ander an. Alle Spieler:innen cation: das ganze Grazer präpariert, um Einblick hin- sollten älter als 30 Jahre sein Stadtzentrum. Tickets: ter die Kulissen des Versand- und in jedem Team muss sich Foto: lienhof.at spielstaetten.buehnen- systems zu erlangen. zumindest eine Frau unter graz.com Tipps F R E I E R E I N T R I T T den „Elf“ befinden. GE WINN Filmhauptstadt Me, We von David Clay Diaz SPIEL 1 8 .–1 3 . J U N I 2 0 2 1 M I T T W O C H , 9 . J U N I , 1 6 U H R Die Diagonale, DAS Fes- Helmut-List-Halle, Graz tival des österreichischen (AT 2020) Marie fährt ans Mittelmeer, um Menschen in Seenot Films, startet mit dem Er- zu helfen. Marcel gründet einen Geleitschutz für Frauen vor „über- öffnungsfilm’21 „Fuchs im griffigen Migranten“. Petra nimmt einen traumatisierten Geflüch- Bau“ von Regisseur Arman teten auf. Und der Asylheimleiter Gerald wird von einem Bewohner T. Riahi. Die Reihe „Zur auf die Probe gestellt. In David Clay Diaz’ prominent besetztem Person“ rückt die Regis- Spielfilm prallen rechte und linke Weltsichten aufeinander – beide seurin Jessica Hausner in mit dem Anspruch des Absoluten. den Fokus. Im historischen Special wird das Wechsel- © Diagonale/Theresa Wey D I A G O N A L E G E W I N N S P I E L spiel zwischen gebauter und Gewinne 2x2 Tickets für die Vorstellung am 9. Juni 2021 um 16 Uhr. gelebter Stadt nachvollzie- Schicke einfach eine Mail an megaphon@caritas-steiermark.at bar gemacht. Tickets und bis Montag, 7. Juni 2021. Kennwort: Diagonale-Gewinnspiel. Wir Infos: www.diagonale.at wünschen viel Glück!
T I P P S M E G A P H O N / 1 7 Abenteuerlust 9 .–1 2 . J U N I 2 0 2 1, Kasematten am Schloss- berg und Congress Graz Das internationale Film- festival MOUNTAINFILM Graz zeigt heuer 36 Filme zwischen 5 und 95 Minuten aus dem Genre Alpinismus. Beein- Pretty Strong © NeverNotCollective druckende Natur- und Kulturdokumentationen zeigen spektakuläre Aufnahmen. Eine inter- nationale Jury kürt die Gewinner:innen. Baumtour Fichte? Zirbe? Expert:innen vom Bundesforschungszentrum MEINE HITS. MEIN GRAZ. für Wald laden zum Stadt- spaziergang ein, um Wissen über Bäume und ihre Klima- Wirksamkeit zu teilen. 11. J U N I 2 0 2 1, 1 0 –13 U N D 1 4 –17 U H R , 160 F R E I H E I T S P L AT Z G R A Z A N M E L D U N G : M E D I A @ B R E AT H E E A R T H . N E T 162 40. Jahrgang 165 #160/2019 für Literatur, Kunst und Zeitkritik Zeitschrift 41. Jahrgang #162/2020 für Literatur, Kunst und Zeitkritik Zeitschrift 160 und PoetrySlam 41. Jahrgang m Gold #165/2020 ijeka für Literatur, zis & Kunst und Zeitkritik : Na dt R Zeitschrift ptsta 162 nkt rhau 162 erpu ltu Schw e r Ku us d ur a erat t: Lit 165 unk d nd to 165 Sch werp rić leben u luča ia K zwischen 2 2. J U NI 2021, 19 U HR laud , t e il: C ergänge WAS s t Kun ckte üb Literaturhaus Graz Schw 162 e erpu nkt: verst Liter atur Silke Gruber, Emil Kaschka, aus Kunst dveer K teil: N 165 rsteucltu Clau WEN kterühau dia K Klaus Lederwasch und Mar- berpgtsta luča ängdet R rić für Literatur, Zeitschrift zwijiseka Kunst und 41. Jahrgang tha Schnuderl duellieren sich chen #162/2020 Zeitkritik leben und tod Schwerpunkt: Nazis & Goldmund Rijeka T im Städte-Battle Graz vs. Rijeka für Literatur, NWCAHS, Zeitschrift tod Kunst und 41. Jahrgang tod #165/2020 Kulturhauptstadt Zeitkritik und Innsbruck. Wer gewinnt den Foto: Martha Schnuderl © Samira Joy Frauwallner Kulturhauptstadt und leben leben Dichter:innen-Wettstreit um zwischen WWEENR zwischen die Gunst des Publikums? der der übergänge aus N übergänge aus Mario Tomić, treibende Kraft Literatur Literatur der steirischen Slamszene, N CH versteckte versteckte Schwerpunkt: Schwerpunkt: moderiert das wortgewandte T Klučarić. Klučarić. Freundschaftsspiel. Karten- WER Claudia Claudia reservierung notwendig. Kunstteil: www.literaturhaus-graz.at Kunstteil: ANZEIGEN
B U C H T I P P V O N N A D I N E M O U S A 1 8 / M E G A P H O N Das macht Gut gegen Böse Ein Plädoyer für mehr Engagement und Empathie – Denkanstöße inklusive, denn: „Es fühlt sich einfach besser an, kein Arsch zu sein.“ „Es geht bei allen meinen guten Taten nie nur ausschließlich um die anderen, G U T , M E N S C H Z U S E I N sondern auch um mich selbst.“ Ehrlich, offen, selbstkritisch. Der Caritas-Geschäftsführer ist das erste Buch von Klaus Schwertner will in seinem ersten Buch Lust auf das Gute machen, indem er über seine Klaus Schwertner, 192 Seiten Vergangenheit und seinen Alltag erzählt – und lässt dabei auch hinter die Kulissen seiner ISBN 978-3-22215-065-4 teils polarisierenden Arbeit für und rund um die Caritas blicken. Manche Äußerungen und Erhältlich beim Büchersegler Aktionen auf seinen Social-Media-Kanälen mögen auf den ersten Klick verwundern, wie Mariahilferplatz 5, 8020 Graz etwa die Bilder seines Besuchs im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, bei dem er keine www.buechersegler.at Fotos machen sollte, schlussendlich aber doch abgedrückt und veröffentlicht hat. Solche Postings rütteln wach, üben Druck aus – auf die ganze Gesellschaft, insbesondere aber die Politik. Schwertner geht auf die Machtkämpfe im Internet ein und fordert Flowerrain statt Shitstorm. Er rückt Dinge in den Fokus, die mensch eigentlich nicht sehen möchte. Sein Buch kann als Appell verstanden werden: Kämpfe für das, was richtig und wichtig ist, auch wenn dabei die Welt auf den Kopf gestellt werden muss. Ein Versuch, in einer krisenreichen Zeit auf das Gute und Schöne zu blicken, um daraus neuen Mut zu schöpfen. ANZEIGE Lust Graz, 25. Juni bis 25. Juli 2021 styriarte.com
S E L B E R M A C H E N M E G A P H O N / 1 9 Selber machen Zitronenverbene-Minze-Sirup 6 Noch heiß in sterile Flaschen füllen, gut verschließen und kühl lagern. 1 Zitronenverbene und Minze (am 7 besten aus eigenem Anbau, gute Flaschen beschriften und nach Qualität gibt es aber auch auf Lust und Laune dekorieren. Der F O T O : F A B I A N W E B E R den heimischen Bauernmärk- Sirup hält sich dunkel und kühl ten) von starken Stielen befreien gelagert mehrere Monate. Sabine Gollmann ist Leiterin und waschen. der sozialen Initiative und 2 TIPP Der Sirup ist aufgespritzt mit Mineral- Straßenzeitung Megaphon – und Wasser aufkochen und den Sirupzucker im heißen Wasser wasser und Eiswürfeln ein herrliches Erfrischungsgetränk. Dekoriert mit begeisterte Selbermacherin. auflösen, noch einmal auf- kochen, bis die Lösung klar ist. Zitronenscheiben und frischen Kräu- tern ist das Getränk auch optisch In dieser Ausgabe von Selber Kräuter in die Zuckerlösung geben. ein Hingucker. Anstelle von Mineral- wasser kann man natürlich auch machen erklärt sie uns, wie aus Prosecco oder Sekt verwenden. wenigen natürlichen Produkten 3 Bio-Zitronen in Scheiben ein leckerer Sirup für den schneiden und in die Kräuter- Zuckerlösung geben. Sommer entsteht. 4 Kräuter-Zuckerlösung für 36−48 Stunden kühl stellen. D U B R A U C H S T: 1 großer Bund Zitronenverbene • 1 kleiner Bund Minze 5 Foto: Pexels/Karolina Grabowska (bevorzugt Orangenminze) • 1 kg Sirup- zucker für Holunderblüten und Kräuter (Das Rezept funktioniert aber auch mit Sirup durch ein Sieb abseihen Feinkristallzucker und etwas Zitronen- und für 3 Minuten sprudelnd säure.) • ¾ l Wasser • 2-3 Bio-Zitronen kochen.
UR 2 0 / M E G A P H O N BAN
Skatement U R B A N M E G A P H O N / 2 1 Eine Neuinterpretation der Straßenverkehrsordnung (StVO) hat dazu geführt, dass die Grazer Skater:innen keine Tricks mehr auf ihren Lieblingsspots machen dürfen. Die Skateszene ist empört, die Stadtregierung paralysiert. Denn über allem steht ein Gesetz. Julia Reiter versucht, dem Konflikt auf den Grund zu gehen. T E X T: J U L I A R E I T E R F O T O S : P E T E R P ATA K I „Super Ansage im Grazer Sportjahr!“ „So Skater:innen, nahm sich der Sache an. Was sieht reaktionäre Politik gegen Jugend- unvereinbar schien, konnte durch eine Nut- liche aus. Grässlich!“ Als Ende April be- zungszeitenregelung gelöst werden. Derweil kannt wird, dass Skater:innen auf Gehstei- gewann der Kaiser-Josef-Platz an Beliebtheit. gen und Fußgängerzonen ab sofort keine Die begrenzten Möglichkeiten für Sport Tricks mehr machen dürfen, löst das eine und Begegnung aufgrund der Corona-Maß- Welle an Aufregung aus. Diese Verordnung nahmen und ein genereller Skateboarding- kommt nicht zufällig. Sie richtet sich kon- trend lockten vor allem Kinder und Jugend- kret gegen das Skaten am Kaiser-Josef-Platz liche dorthin. Lärmbeschwerden trudelten und Lendplatz. Auch mein erster Impuls: bei der Stadt ein und das Friedensbüro wur- Nicht im Ernst! Wenngleich sich meine be- de beauftragt, sich des Konflikts anzuneh- scheidenen Skateboardskills eher auf den men. Erste Lösungsvorschläge lagen bereits Transitions1 des Volksgarten-Skateparks am Tisch, als das Trickverbot die Konsens- entfalten und mich das Verbot somit nicht suche abrupt zum Stillstand brachte. „Wir direkt betrifft, empfinde ich Mitgefühl für haben davon erfahren, indem ein Skater von meine Rollbrettgefährt:innen. Doch was einem Polizisten auf recht forsche Art und mich irritiert, geht über Skaten hinaus: Ich Weise darauf hingewiesen wurde, dass das werde das Gefühl nicht los, die Skater:innen ab morgen verboten sei“, erzählt GRÄB- sind den Marktplätzen, was die Punks dem wurden. Was für die einen Poller sind, Mitglied David Knes, der sich intensiv für Erzherzog-Johann-Brunnen waren – ein stellt für die anderen Curbs2 dar. Es dau- seine Community einsetzt. „Keiner hat sich Störfaktor und ein Reminder, der die Frage erte nicht lange, bis Streetskater:innen die ausgekannt weil das Skateboard seit Jahren weckt: Wem gehört öffentlicher Raum? Die Betonklötze für sich entdeckten und ihnen laut StVO als ‚fahrzeugähnliches Spielge- Mediatorin in mir wehrt sich und möchte neues Leben einhauchten. Der Lendplatz rät‘ gilt und die Benutzung daher auf Geh- der Sache auf den Grund gehen. wurde zum Spannungsfeld unterschiedli- steigen und in Fußgängerzonen gestattet cher Bedürfnisse: jenem, vereinzelter An- ist.“ Sehr gefinkelte Juristen haben es ge- Vom Poller zum Verbot rainer:innen nach Ruhe, und jenem der schafft, diese Rechtsansicht von einem Tag Alles begann damit, dass 2018 Skater:innen nach Spaß und Bewegung. auf den anderen auf den Kopf zu stellen. Anti-Terror-Poller als Reaktion auf die Der Verein GRÄB (Grazer Rollbrett Ästhe- Rollen bleibt zwar erlaubt, Ollies und an- Amokfahrt 2015 am Lendplatz aufgestellt ten Bund), eine Interessenvertretung von dere Tricks sind aber verboten – laut David
U R B A N 2 2 / M E G A P H O N Knes eine Wortklauberei und Neuinterpre- boards macht die Leute einfach fertig“, äu- einzunehmen anstatt einzelne Plätze zu be- tation, die ihm sehr willkürlich vorkommt. ßert sich Bernhard Dohr, Pressepsrecher werten. In Graz könnten wir z. B. schauen, Willkürlich vielleicht auch deswegen, weil von Mario Eustacchio (FPÖ), dazu. Fair wann am Kaiser-Josef-Platz ohnehin Lärm das neue Verbot wenig mit dem eigentlichen enough. Lärm scheint eine subjektive An- vorhanden ist, und diese Zeiten zum Ska- Problem – dem unerwünschtem Klackern – gelegenheit zu sein. Und war immer schon ten freigeben. Zu anderen Zeiten müssten zu tun haben scheint. Beschwerdebringer Nr. 1 für Skater:innen. andere Orte zur Verfügung gestellt werden. Ich wende mich an den deutschen Ein Ansatz, den es für den Platz auch schon Wirbel und Wildpinkeln Raum- und Stadtplaner Wouter Mikmak. gab. Doch Lärm scheint nicht das einzige „Der Verkehrslärm trägt in Bal- Seine langjährige Leidenschaft Skaten hat Problem zu sein. Eine Befragung der Nut- lungsräumen etwa 70 bis 80 Prozent zur ihn veranlasst die „Brille der Möglichkei- zer:innen des Kaiser-Josef-Platz durch das Lärmbelastung der BewohnerInnen bei“, ten“ auch beruflich zu nutzen, indem er die Friedensbüro ergibt als größtes Manko Müll heißt es im Grazer Lärmkompass. „Unter- Perspektive von Streetskateboarder:innen und Verschmutzung. „Interessant, dass schieden werden bei Verkehrslärm die Be- in die Stadtplanung integriert. „Das Prob- Lärm dort nicht das Hauptproblem zu sein reiche Straße (Pkw, Lkw, Busse, einspurige lem beim Skaten ist, dass es keinen fließen- scheint“, findet Jutta Dier, Leiterin des Frie- Kfz), Schiene und Flugverkehr, wobei für den Lärm produziert sondern Lärmspitzen densbüros. „Die Verschmutzung hat hinge- Graz in erster Linie der Straßenverkehrs- beinhaltet“, erklärt er. „Diese stechen he- gen mehr mit dem Partyvolk zu tun. Durch lärm als Verursacher anzuführen ist.“ (Ska- raus und werden anders wahrgenommen, das neue Verbot wird sich der Konflikt da- ten wird im Lärmkompass übrigens nicht auch wenn sie rein rechnerisch nicht un- her wohl kaum beruhigen.“ Auch was den erwähnt.) Spätestens seit sich FPÖ-Ge- bedingt lauter sind als z.B. bereits vorhan- Lärm angeht, sieht sie schwarz. „Ich halte meinderat Armin Sippel in einer Gemein- dener Autolärm.“ Aktive Schallschutz- es nicht für sinnvoll, ein solches Problem deratssitzung als glühender Auto-Fan ge- maßnahmen am Skateboard seien nicht über eine Sicherheitsgesetzgebung zu lösen. outet hat, ist bekannt: Die FPÖ wird nicht möglich. Passive Schallschutzmaßnahmen Diese dient dem Schutz von Verkehrsteil- diejenige Partei sein, welche die städtische auf innerstädtischen Plätzen machen stadt- nehmer:innen, nicht der Bekämpfung von Hauptlärmquelle in Angriff nehmen wird. planerisch zumeist wenig Sinn. Daher las- Wildpinkeln, Partylärm und Müll.“ Umso mehr irritiert es mich, dass sich sel- se sich der Konflikt von den harten Fakten bige Partei nun als Bekämpferin von Lärm her auch nicht auflösen. Der bislang erfolg- Kein Bock auf Domestizierung und Personengefährdung durch Skater:in- reichste Umgang mit Lärmproblemen sei, Lärm und Müll. Klassische Schlag- nen präsentiert. „Autolärm schön und gut, Nutzungszeiten festzulegen. Ganz wichtig wörter eines Nutzungskonflikts im öffent- aber das Klackern und Kleschen der Skate- dabei: eine gesamtstädtische Perspektive lichen Raum. Warum es so wichtig wäre,
U R B A N M E G A P H O N / 2 3 diese Hürden zu überwinden, zeigt eine ak- bild von einem Wildschwein stehen, auf das tuelle Observer-Studie (Oktober 2020). Das Sie genauso gut schießen können.“ Jede:r Der Kaiser-Josef-Platz Sport- und Freizeitverhalten der Menschen Jäger:in würde widersprechen und so wird und der Lendplatz sind soll sich durch die Lockdown-Erfahrung es auch beim Skaten sein. Wouter Mik- beliebte Spots für Grazer massiv verändert hat. Knapp ein Drittel der maks Rat: „Um besser zu verstehen, muss Skater:innen. Befragten haben weniger Sport betrieben. man sich überlegen, woher Dinge kommen Weniger Bewegung kann sich negativ auf und wohin sie sich entwickeln.“ Skaten ist die Gesundheit auswirken und in weiterer in den 1960er-Jahren in den USA als Fort- Folge volkswirtschaftliche Schäden herbei- setzung des Surfens entstanden. Anfangs führen. Skaten hat in dieser bewegungs- wurden Ditches3, später wegen Dürreperio- armen Zeit hingegen einen kleinen Boom den leerstehende Swimmingpools geskatet. erlebt. Denn Skaten ist kein Kontaktsport, Mit zunehmender Beliebtheit kam auch die ist sehr niederschwellig und ideal für sozi- Kriminalisierung. Seit seiner Entstehung alen Austausch. Der Zeitpunkt des Trick- steht Skaten im Konflikt mit dem Gesetz. verbots könnte also kaum ungünstiger Mensch könnte fast sagen: It’s part oft the sein. Besonders problematisch sieht Lisa game. „Wenn Skater:innen sich Spots zu Veith-Gruber, Obfrau des Vereins GRÄB, eigen machen, werden sie kreativ tätig und die Einschränkungen am Kaiser-Josef- interpretieren die Stadt neu“, erklärt Wouter Platz: „Diese treffen in erster Linie jun- Mikmak den Reiz des Streetskatings. „Ein ge Menschen und das sind dieselben, die Skatepark hingegen ist ein optimierter bereits durch Corona stark eingeschränkt Zweckraum. Er ist vorinterpretiert. Wenn wurden.“ Das Institut für Bewegungswis- Plätze verboten und Ersatzhabitate ange- senschaften der Universität Graz teilt ihre boten werden, dann sind diese immer nur Meinung: „Damit Kinder und Jugendliche in Bewegung bleiben, müssen wir ihnen die Freiheit lassen, ihren Bewegungsdrang ohne massive Hindernisse auszuüben.“ Ein Tina (27) Ich skate Skateverbot erscheine da als „jugend- und fast jeden Tag, weil es bewegungsunfreundliche Politik“. Was den Zeitpunkt des Trickver- Spaß macht, psychi- bots weiters verungünstigt, ist das Grazer Sportjahr 2021. Dieser unglückliche Zu- scher und physischer fall (denn mehr ist es tatsächlich nicht) hat unter den Zyniker:innen auf den Sozialen Ausgleich ist, weil man Medien sofort eingeschlagen. Der Grazer Sportsamtleiter Thomas Rajakovics sagt Freund:innen trifft und dazu: „Das Sportjahr für alle existiert auch, wenn man auf zwei Plätzen nicht mehr ska- einander begegnet. tet. Man kann auch nicht überall Tennis oder American Football spielen und trotz- Am liebsten skate ich dem bleibt Graz eine Sportstadt.“ 600.000 Euro möchte die Stadt investieren, um die am Kaiser-Josef-Platz. Ich kann die Anrai- Grazer Skateparks auszubauen. Wer an ei- nem sonnigen Nachmittag schon mal ver- ner:innen aber verstehen. Ich brauch auch sucht hat, Slalom durch den überfüllten Volksgarten zu fahren ohne zu kollidieren, meinen Schlaf, wenn ich am nächsten Tag weiß die Investition zu schätzen. Wer meint, dies sei die Lösung, um Skater:innen von arbeite. Deswegen haben wir echt versucht, den öffentlichen Plätzen wegzukriegen, hat sich noch nie ernsthaft mit dem Thema be- uns an die Regeln zu halten, Müll wegzu- schäftigt. „Stellen Sie sich vor, Sie sind Jäger räumen und Zeiten einzuhalten. Skateparks und wollen im Wald Tiere schießen“, startet der Raum- und Stadtplaner Wouter Mik- sind wichtig und gut, aber es braucht auch mak einen Veranschaulichungsversuch. „Da kommt jemand und verbietet Ihnen die öffentlichen Plätze als Orte der Begeg- das, weil es zu laut sei. Er schickt Sie in die Halle zum Sportschießen. Dort soll ein Ab- nung – gerade zu Zeiten von Corona.
U R B A N 2 4 / M E G A P H O N Luca (22) Ich skate, seit ich drei Jahre alt bin. Es gehört einfach zu mir. Skatepark ist schwierig, weil dort oft kleine Kinder rumfahren. Darum ist der Kaiser das Herzstück. Die Stimmung hier ist toll, keine bad vibes, kein Streit – also vor dem ganzen Verbot. Jetzt muss man halt die ganze Zeit schauen, ob die Cops kommen. Ein Kumpel von mir wurde letztens sogar fast von einem Typen attackiert. Ich habe das Gefühl, Beschwerden gehen immer über drei Ecken. Die Anrainer:innen wenden sich nicht direkt an uns, sondern an jene, die Verbote veranlassen. Für die Verschmutzung sind wir oft der Sündenbock. Dabei haben wir vorhin sogar Glassplitter weg- gefegt. Ich denke schon, dass wir auf unser „Revier“ achten. Die meisten von uns sind so respektvoll und uns ist der Platz hier auch so viel wert, dass wir definitiv Zeiten einhalten würden. Substitut.“ Domestizierung des Skatens Bundesgesetz widersprechen würden.“ Ge- nennt es der Raumplaner und warnt mit staltungspotential gäbe es am Kaiser-Josef- einem verschmitzten Lächeln: „Skater:in- Platz und Lendplatz schon, indem mensch nen aus ihrem natürlichen Lebensraum diese als Spielstraßen definiert. Dass die herauszunehmen und in einen kompri- beiden Plätze bereits sehr vielfältig genutzt mierten Raum zu stecken, wird auf Dauer werden, macht das allerdings schwierig. nicht funktionieren. Es wird immer Leute Eine einzelne Privatperson hat es also ge- geben, die dort fahren, wo sie Bock haben.“ schafft, die Nutzung zwei der beliebtes- ten Grazer Plätze auf den Kopf zu stellen. Alle über ein Deck geschert Hunderte von Nutzer:innen müssen die I N F O Wenn wir im öffentlichen Leben Rechnung bezahlen. Die Verhältnismä- Um dieses Gesetz dreht Einschnitte erfahren, ziehen wir meist je- ßigkeit finden auch einige Polizist:innen sich aktuell alles: Straßen- manden dafür zur Verantwortung. Viel- fragwürdig, wie ein zufälliges Aufeinan- verkehrsordnung § 88. leicht gehen wir auf die Straße, um zu de- dertreffen mit ihnen zeigt. Ich bin ehrlich Spielen auf Straßen. monstrieren. Zumindest vergeben wir am gesagt überrascht, ja fast berührt von dem (2) Spiele auf Gehsteigen Wahltag unser Kreuzerl anderwärtig. Was respekt- und verständnisvollen Austausch oder Gehwegen und deren diesen Fall so komplex macht: Niemand zwischen Skater:innen und Exekutive. Für Befahren mit fahrzeugähn- scheint das Verbot zwar ganz zu ignorie- sie sei es auch mühsam, etwas abzustrafen, lichem Spielzeug und ähn- ren, es fühlt sich aber auch niemand so das so gut wie niemanden stört, erklären lichen Bewegungsmitteln in recht verantwortlich. „Die aktuelle Rechts- uns die Beamt:innen. Ein Blick auf die Seite Schrittgeschwindigkeit sind auskunft wurde von einem Anrainer einge- skaterlaerm.at kratzt dann doch an meinem gestattet, wenn hierdurch holt“, sagt Jugend- und Sportstadtrat Kurt Eindruck, niemand aus den Reihen der der Verkehr auf der Fahr- Hohensinner (ÖVP). „Die Polizei sieht sich Stadtpolitiker:innen hätte mit dieser ver- bahn oder Fußgänger nicht nun an diese Rechtsauskunft gebunden fahrenen Situation zu tun. Unter dem Slo- gefährdet oder behindert und verhängt Strafen. Als Stadt können gan „Ruhe statt Skaterlärm!“ machen die werden. [...] wir keine Regelungen treffen, die einem FPÖ-Bezirksorganisationen Lend und St.
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