Aussenpolitische Strategie 2016-2019 - Bericht des Bundesrates über die Schwerpunkte der Legislatur - Eidgenössisches ...
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Der Bundesrat beauftragte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am 11. Mai 2011, zu Beginn jeder Legislatur eine Strategie vorzulegen, welche die Schwerpunkte der Schweizer Aussenpolitik definiert. Der vorliegende Bericht, die zweite solche Legislaturstrategie, erfüllt diesen Auftrag. Er trägt zudem einer vom Parlament überwiesenen Motion Rechnung (10.3212, «Klare strategische Ausrichtung der Aussenpolitik»).
Vorwort «Der Bund setzt sich ein für die Wahrung Die Schweiz will ein geregeltes, partner- der Unabhängigkeit der Schweiz und für schaftliches und ausbaufähiges Verhältnis ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur EU sichern, zum Nutzen beider Seiten. zur Linderung von Not und Armut in der Wir wollen uns zudem noch stärker für Frie- Welt, zur Achtung der Menschenrechte den und Sicherheit in der Welt einsetzen, und zur Förderung der Demokratie, zu den Dialog fördern und als Brückenbauer einem friedlichen Zusammenleben der in Konflikten auftreten. Dank ihrer Eigen- Völker sowie zur Erhaltung der natürli- ständigkeit, ihrer Glaubwürdigkeit und ihrer chen Lebensgrundlagen.» humanitären Tradition kann die Schweiz hier eine besondere Rolle spielen. So verlangt es die Bundesverfassung und diese Ziele verfolgt die Schweiz in ihrer Aus- Hohe Bedeutung messen wir der Prävention senpolitik. Kaum ein anderer Staat ist wirt- von gewalttätigem Extremismus bei. Mög- schaftlich, sozial und politisch mit der Welt lichst viele Menschen sollen heute und in so eng verflochten wie die Schweiz. Um ihre Zukunft in Würde und in Frieden leben kön- Sicherheit, ihren Wohlstand und ihre Unab- nen. Mit ihrer internationalen Zusammen- hängigkeit zu wahren, ist sie auf ein stabiles arbeit – zum Beispiel im Bereich der Berufs- Umfeld und eine regelbasierte und gerechte bildung – leistet die Schweiz einen Beitrag internationale Ordnung angewiesen. Die dazu, dass insbesondere Jugendliche in ihrer Schweiz ist bereit, konkrete Beiträge zur Be- Heimat Zukunftsperspektiven haben. wältigung der aktuellen Herausforderungen zu leisten und ihre Verantwortung wahrzu- Es ist eine Stärke der Schweiz, dass ihre nehmen. Aussenpolitik innenpolitisch gut verankert ist. Der Bundesrat zählt darauf, dass Sie die Die Aussenpolitische Strategie 2016–2019 Aussenpolitik unseres Landes auch in den legt hierfür den Rahmen fest. Sie definiert kommenden vier Jahren mitgestalten und die Schwerpunkte für die nächsten vier Jahre mittragen werden. und ermöglicht es dem Bundesrat, die bis- herige Aussenpolitik weiterzuführen und gleichzeitig flexibel auf Veränderungen in der Welt zu reagieren. Didier Burkhalter Bundesrat 3
Inhalt Vorwort 3 Einleitung 5 Kontinuität und Wandel 5 Das internationale Umfeld 6 Verfassungsmässige Ziele der Schweizer Aussenpolitik 10 Prinzipien der Umsetzung 11 Strategische Schwerpunkte der Aussenpolitik 14 Beziehungen zur Europäischen Union und zu den EU-/EFTA-Staaten 15 Beziehungen zu globalen Partnern 18 Frieden und Sicherheit 21 Nachhaltige Entwicklung und Wohlstand 27 Bürgernahe Dienstleistungen 31 Landeskommunikation 33 Ressourcen, Aussennetz und Personal 35 Schlusswort 37 4
Einleitung Nach einer Beschreibung der Ausgangslage ziehungen zur Europäischen Union und zu («Kontinuität und Wandel») und einer Ana- den EU-/ EFTA-Staaten, die Beziehungen zu lyse des internationalen Umfelds legt der globalen Partnern, das Engagement für Frie- Bericht die verfassungsmässigen Ziele der den und Sicherheit sowie das Engagement Schweizer Aussenpolitik und die Prinzipien für nachhaltige Entwicklung und Wohlstand. der Umsetzung dar. Im Hauptteil werden die Danach folgen separate Kapitel zu den Be- vier strategischen Schwerpunkte der schwei- reichen Bürgernahe Dienstleistungen, Lan- zerischen Aussenpolitik für die Legislaturpe- deskommunikation sowie Ressourcen, Aus- riode bis 2019 vorgestellt, nämlich die Be- sennetz und Personal. Kontinuität und Wandel Die erste Aussenpolitische Legislaturstrategie weil auch die Kontinuität bei den überge- (2012–2015) bewährte sich als handlungsre- ordneten Zielen, Interessen und Werten der levanter Kompass für die Schweizer Aussen- Schweiz gegeben ist. Die Grundlage dafür ist politik. Sie trug bei zu einer kohärenten und die Bundesverfassung (vgl. Kapitel 1.3.). Auch glaubwürdigen Aussenpolitik, die sich mit die Ausgangslage der Schweiz ist im interna- einer weltpolitisch turbulenten Situation mit tionalen Vergleich weiterhin gut. Die Schweiz vielen und zunehmend intensiven Krisen kon- ist ein weltweit führender Wissenschafts- und frontiert sah. Die bisherige Strategie setzte Forschungsstandort und gehört global zu den einen breiten Rahmen, liess aber gleichzeitig Spitzenreitern in Sachen Wirtschaftskraft, In- Raum, um Opportunitäten zu erkennen und novations- und Wettbewerbsfähigkeit, Infra- aktiv zu nutzen und auf neue Entwicklungen struktur, Rechtssicherheit, politische Stabilität, rasch und lösungsorientiert zu reagieren. Lebensstandard, internationale Vernetzung Im Rahmen der jährlichen aussenpolitischen und Offenheit sowie Image. Die «Soft Power» Berichte legte der Bundesrat über die Umset- der Schweiz ist beachtlich. Damit gehen auch zung der Strategie Rechenschaft ab. die Erwartungen der internationalen Ge- meinschaft einher, dass sich die Schweiz als Die Aussenpolitische Strategie 2016–2019 mittelgrosses europäisches Land aktiv und orientiert sich an der Vorgängerstrategie. lösungsorientiert einbringt. Der OSZE-Vorsitz Kontinuität in der Strategie ist naheliegend, 2014 ist ein Beispiel dafür, dass die Schweiz 5
aussenpolitische Beiträge leisten kann, die für Bei aller Kontinuität nimmt die neue aussen- sie und für die Welt von Nutzen sind. politische Strategie aber auch Akzentver- schiebungen vor. Sie trägt dabei Fortschritten Die Schweiz verfolgt weiterhin das Ziel einer in der Umsetzung der bisherigen Strategie bürgernahen und pragmatischen Aussen- Rechnung. So sind die Beziehungen zu den politik, die auch Dienstleistungen für die direkten Nachbarn der Schweiz heute wieder Schweizerinnen und Schweizer umfasst. Die von hoher Intensität und die Beilegung von Schweizer Aussenpolitik wurzelt dabei in der Meinungsverschiedenheiten in den meisten politischen Kultur der Schweiz, ihren Institu- Fällen weit fortgeschritten. Der Bundesrat tionen und ihren historischen Erfahrungen. legt grossen Wert darauf, diese engen, ver- Innen- und aussenpolitische Werte decken trauensvollen und lösungsorientierten Bezie- sich. Die schweizerische Aussenpolitik ist in- hungen zu den Nachbarstaaten fortzuführen, nenpolitisch breit abgestützt. und hält dies dementsprechend im Rahmen des Schwerpunkts Europäische Union und Die Schweizer Aussenpolitik nutzt ihre Ge- EU-/EFTA-Staaten fest. staltungsfähigkeit und -spielräume. Die aus- senpolitischen Akteure der Schweiz zeich- Andererseits ist das internationale Umfeld nen sich aus durch Geduld und langen Atem der Schweiz einem beschleunigten Wandel und sind sich bewusst, dass der Wirkung unterworfen. Um die Schweizer Interessen des Tuns der Schweiz als einzelne Akteurin weiterhin effektiv wahren und die Globali- bisweilen enge Grenzen gesetzt sind. Daher sierung positiv mitgestalten zu können, wur- sucht die Schweiz – wenn es möglich und in de die Strategie angepasst. ihrem Interesse ist – die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern. Das internationale Umfeld Seit dem Ende des Kalten Krieges befindet stärkten sich zusehends und dürften in den sich die Welt in einer Umbruchphase. Wäh- nächsten Jahren die Weltpolitik weiter beein- rend das globale System jahrzehntelang bi- flussen. polar ausgestaltet war, verblieben nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die USA Das internationale Machtgefüge verändert als einzige Supermacht. Doch die unipolare sich im Kontext der anhaltenden Globali- Phase erwies sich als kurz. Die geopolitischen sierung: Der Westen im Allgemeinen und tektonischen Verschiebungen, die nach 1989 die USA im Besonderen verlieren relativ an vorerst kaum sicht- und spürbar waren, ver- Macht und Einfluss, obschon die USA auf 6
absehbare Zeit und vor allem in Bezug auf die wichtigsten Akteure, aber sie verlie- ihr militärisches Potenzial stärkste globale ren Macht an nicht-staatliche Akteure. Da- Macht bleiben werden. Staaten im Süden mit gemeint sind die Zivilgesellschaft – wie und Osten treten auf der internationalen beispielsweise der «Arabische Frühling» in Bühne selbstbewusster und offensiver auf Nordafrika und die «Euromaidan»-Bewe- und streben eine dominante regionale oder gung in der Ukraine gezeigt haben – und gar globale Rolle an. Somit weist der Trend internationale Wirtschafts- und Finanzkon- in Richtung einer zunehmend multipolaren zerne, jedoch auch Terrororganisationen und fragmentierten Welt mit verschiede- oder die organisierte Kriminalität. Der Trend nen, stärker regional ausgerichteten Zen- der breiteren Machtverteilung kann posi- tren. Dieser Trend ist jedoch keineswegs tiv sein, weil er zivilgesellschaftlichen, de- linear, wie die aktuellen wirtschaftlichen mokratischen Akteuren eine Stimme gibt. Probleme einiger BRICS-Staaten (Brasilien, Er kann aber auch destabilisierend wirken, Russland, Indien, China, Südafrika) zeigen. weil Terror- und kriminelle Netzwerke zum Auch die weitere unberechenbare Entwick- Teil bereits geschwächte staatliche Struktu- lung des Ölpreises wird Rückwirkungen auf ren unterwandern oder gar vollständig zer- das internationale Machtgefüge haben. Ein stören können. Die Machtverlagerung wird anhaltend niedriger Preis könnte die innere beschleunigt durch die Digitalisierung – vor Stabilität und das aussenpolitische Verhalten allem die rasante globale Verbreitung des mancher Produzentenstaaten beeinflussen. Internets im Allgemeinen und von sozialen Zudem ist es den «neuen», aufstrebenden Medien im Besonderen. Mächten bisher nur in Ansätzen gelungen, ein attraktives alternatives Gesellschafts- Eine weitere zentrale weltpolitische Entwick- und Wirtschaftsmodell zu entwickeln, nach- lungslinie ist die Anhäufung von Krisen und haltig «Soft Power» zu akkumulieren und Konflikten. Sie sind keine «zufälligen», iso- andere Staaten mit dauerhaften Allianzen lierten Ereignisse, sondern Ausdruck einer an sich zu binden. Der Trend hin zu einem Transitionsphase. Insbesondere in der Nach- stärker multipolaren internationalen System barschaft Europas haben Instabilität und be- erhöht die Volatilität und kann dazu führen, waffnete Gewalt zugenommen. Im Osten ist dass geopolitische Rivalitäten und Konflikte mit der Ukrainekrise der Krieg nach Europa zunehmen. Eine verstärkte Koordination zurückgekehrt. Im Zuge der Polarisierung zwischen den Grossmächten ist vor diesem zwischen Russland und dem Westen hat Hintergrund unabdingbar, hat aber ambiva- auch die pan-europäische Sicherheit abge- lente Rückwirkungen auf das multilaterale nommen. In der südlichen Nachbarschaft System. Europas hat die Gemengelage von langjährig ungelösten Konflikten wie dem israelisch-pa- Ebenfalls zu beobachten ist eine Multiplizie- lästinensischen Konflikt, jüngeren Konflikten rung der Akteure im internationalen System, wie in Syrien, im Jemen und in Libyen, er- die Macht ausüben: Staaten bleiben zwar starkenden dschihadistischen Terrorgruppen, 7
geopolitischen und konfessionellen Span- nicht wahrnehmen. Fragile Staaten sind ein nungen sowie schlechter Regierungsführung idealer Nährboden für terroristische und kri- und schwacher Staatlichkeit die Region in minelle Gruppierungen. eine tiefe Krise gestürzt. Die Folgen dieser Negativentwicklungen manifestieren sich Die weltwirtschaftlichen Perspektiven sind zunehmend auch in der Schweiz und ihrem unsicher. Die Weltwirtschaft erholt sich nur regionalen Umfeld. So ist Europa verstärkt zur langsam von den Folgen der Finanz-, Wirt- Zielscheibe des dschihadistischen Terrorismus schafts- und Schuldenkrise und ist noch geworden. Zudem hat sich wegen der anhal- nicht auf einen nachhaltigen Wachstums- tenden Gewalt, der grossen humanitären Not kurs eingeschwenkt. Ausserdem zeigen und der Perspektivlosigkeit eine Flüchtlings- auch aufstrebende Volkswirtschaften deut- und Migrationskrise entwickelt, die auch Eu- liche Wachstumsschwächen. Dazu leidet die ropa vor enorme Herausforderungen stellt. Schweiz unter der Aufwertung des Schweizer Frankens und der Schwächung der traditio- Globale Herausforderungen wie die Migra- nellen Absatzmärkte, insbesondere in der EU. tion, der Klimawandel und andere Beein- Obwohl sich das multilaterale Handelssystem trächtigungen der Umwelt, der Kampf um im Rahmen der WTO nur in kleinen Schritten Ressourcen, Cyberattacken, der Weltraum weiterentwickelt hat, wurden gewisse Erfol- als «New Frontier», Terrorismus, Gewalt ge bei der Liberalisierung des Welthandels er- kriminalität, Pandemien oder Antibiotika- zielt (z.B. Handelserleichterungsabkommen, resistenzen werden sich in Zukunft noch Informationstechnologieabkommen). Insge- akzentuieren. Gerade im Cyberbereich und samt hat sich das Umfeld für eine mittlere of- angesichts der technologischen Verletz- fene Volkswirtschaft wie die schweizerische lichkeit moderner Gesellschaften bestehen verschlechtert und verlangt nach besonderen hohe Risiken. Umweltprobleme, namentlich Anstrengungen. Es entstehen gleichzeitig in den Bereichen Klima und Biodiversität, neue überregionale Normenräume (z.B. Tran- haben längst globale politische, ökonomi- spazifische Partnerschaft TPP), die weit über sche und soziale Dimensionen angenom- klassische Freihandelsabkommen hinausge- men. hen und weitreichende Konsequenzen für die Weltwirtschaft und auch für die Schweiz Problematisch bleibt die hohe Anzahl von haben dürften. Ländern mit schwachen und instabilen staatlichen Institutionen, aber oft auch mit Die anhaltende Umbruchsphase weist in einer wenig entwickelten Zivilgesellschaft. Richtung einer zunehmenden Fragmentie- Die Bevölkerung in solchen fragilen Staaten rung des internationalen Systems. Sie ist leidet meist unter extremer Armut, Gewalt, durch Unsicherheit, Volatilität und Instabili- Korruption und politischer Willkür. Die Re- tät, durch ein globales Führungsdefizit und gierungen dieser Länder können oder wol- neue Akteure sowie teilweise durch neu- len grundlegende staatliche Funktionen altes Denken in machtpolitischen Kategori- 8
en und exklusiven Einflusssphären gekenn- handen ist. Bei allem Trennenden können zeichnet. Etablierte Ordnungen und Normen sich in der internationalen Gemeinschaft werden infrage gestellt. Demokratie, Men- doch immer wieder auch das Gemeinsame schenrechte und Freiheit geraten vielerorts und das Konstruktive durchsetzen. Beispiele unter Druck, das Völkerrecht und die inter- dafür sind das Nuklearabkommen mit Iran, nationale Kooperation werden zunehmend die Agenda 2030 für nachhaltige Entwick- unterminiert. lung, das Klimaabkommen von Paris oder die Annäherung zwischen den USA und Allerdings ist dieser Befund in zweierlei Hin- Kuba. Oft übersehen werden auch positi- sicht zu relativieren. Erstens ist das unmittel- ve Entwicklungen wie die folgenden: Die bare Umfeld der Schweiz nach wie vor von Zahl der Menschen, die in extremer Armut relativer Stabilität geprägt. Zwar ist auch die leben, hat sich in den letzten ungefähr 20 EU mit grossen Herausforderungen konfron- Jahren rund halbiert. Die Kindersterblichkeit tiert. Die Schulden- und Eurokrise harrt einer hat stark abgenommen. In vielen Entwick- nachhaltigen Lösung. Mit der Flüchtlingskri- lungsländern sind die Einkommen deutlich se hat sich die politische Fragmentierung in angestiegen, und es ist ein Mittelstand ent- Europa verstärkt. Das Ringen um die innere standen. Immer mehr Kinder haben Zugang Verfasstheit der EU hält an. Die EU hat aber zu Bildung. im Laufe der europäischen Einigung eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen Kri- sen entwickelt. Auch wenn ihre zukünftige Gestalt heute kaum vorhersehbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass sich die EU weiterentwickelt und die zentrale Ge- staltungsmacht in Europa bleibt. Trotz aller Schwierigkeiten ist die EU ein sehr wichtiger Anker von Stabilität und Wohlstand in Euro- pa. Die Schweiz hat ein Interesse daran, dass die EU aus der Krise findet und handlungsfä- hig bleibt. Eine destabilisierte oder gar aus- einanderbrechende EU hätte negative politi- sche und wirtschaftliche Auswirkungen auf die Schweiz. Zweitens haben die letzten Jahre gezeigt, dass in einer zunehmend multipolaren Welt Kooperation und gemeinsame Lösungen nicht nur dringend nötig, sondern auch möglich sind, wenn der politische Wille vor- 9
Verfassungsmässige Ziele der Schweizer Aussenpolitik Die verfassungsmässigen Ziele der Schweizer ist geprägt durch ihre kulturelle Vielfalt, ihre Aussenpolitik sind die Wahrung und Förde- politischen Institutionen – insbesondere die rung der Interessen und Werte, wie sie in der demokratische Mitbestimmungsmöglich- Bundesverfassung definiert sind. Diese Inter- keiten der Bevölkerung, den Föderalismus essen und Werte sind auf Dauer angelegt und und die Machtteilung (Konsens und Kon- bieten einen breiten und stabilen Bezugsrah- kordanz) – und Rechtssicherheit. Der innere men für die schweizerische Aussenpolitik. Zusammenhalt sowie das Zusammenleben verschiedener Kulturen und gesellschaftli- Die Eidgenossenschaft schützt «die Freiheit cher Gruppen sind ebenso eine Stärke der und die Rechte des Volkes und wahrt die Schweiz wie das inklusive politische System Unabhängigkeit und die Sicherheit des Lan- mit seinen einzigartigen Institutionen. Die- des», «fördert die gemeinsame Wohlfahrt, sem System und seiner politischen Kultur ist die nachhaltige Entwicklung, den inneren Sorge zu tragen. Denn politische und gesell- Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des schaftliche Stabilität ist angesichts der vielen Landes», «sorgt für eine möglichst grosse innerstaatlichen Konflikte in der Welt keine Chancengleichheit unter den Bürgerinnen Selbstverständlichkeit. und Bürgern» und «setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Le- Innen- und Aussenpolitik sind in der Schweiz bensgrundlagen und für eine friedliche und eng verschränkt. Die inneren Stärken der gerechte internationale Ordnung» (Artikel Schweiz sind auch Leitthemen ihrer Aus- 2 der Bundesverfassung). In Bezug auf die senpolitik. Die Schweiz setzt sich ein für De- auswärtigen Angelegenheiten hält die Bun- mokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Dialog desverfassung fest (Artikel 54 Abs. 2): «Der und Kompromisskultur, für Einbindung und Bund setzt sich ein für die Wahrung der Un- Machtteilung sowie für die Menschenrechte abhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohl- und die humanitären Grundsätze. fahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung Aufgrund der Globalisierung können auch der Menschenrechte und zur Förderung der entfernte Krisen und Konflikte Auswirkungen Demokratie, zu einem friedlichen Zusammen- auf die Schweiz haben. Sie können sich ne- leben der Völker sowie zur Erhaltung der na- gativ auf die Schweizer Wirtschaft auswirken türlichen Lebensgrundlagen». und Investitionen oder Exporte gefährden. Sie können Schweizerinnen und Schweizer In diesen aussenpolitischen Zielen spiegeln in Mitleidenschaft ziehen, die in diesen Kon- sich die schweizerischen Werte. Die Schweiz flikt- oder Krisenzonen leben oder reisen, 10
oder die natürlichen Lebensgrundlagen ge- Deshalb setzt sich die Schweiz im Rahmen fährden. Fragile Staaten sind ein fruchtbarer ihrer Möglichkeiten und im Wissen darum, Boden für terroristische Gruppierungen mit dass sie oft nur im Verbund mit anderen eine menschenverachtenden Ideologien, organi- Wirkung erzielen kann, für die Prävention sierte Kriminalität oder bewaffnete Gewalt. von Konflikten, die Armutsbekämpfung und Die Weltwirtschaft reagiert sensibel auf Be- den Umweltschutz ein. Sie engagiert sich für drohungen der Handelsströme, des Verkehrs internationale Stabilität bzw. die Gestaltung und der Energieressourcen. Auch die Schweiz der Globalisierung und internationaler Re- ist dem Migrationsdruck aus Ländern aus- geln und Normen. Dieses breit gefächerte gesetzt, die von Instabilität, Unterdrückung, Engagement wiederum hat einen positiven Menschenrechtsverletzungen, mangelnden Einfluss auf die Unabhängigkeit, Freiheit und sozioökonomischen Perspektiven oder prekä- Sicherheit der Schweiz und ihre Wohlfahrt. ren Umweltbedingungen betroffen sind. Prinzipien der Umsetzung Die Umsetzung der Aussenpolitik orientiert Gewalt zurückzugreifen, um ihre Interessen sich an gewissen Prinzipien, die über die Kon- durchzusetzen. Um dem entgegenzuwirken, junktur des Tagesgeschehens hinausgehen setzt sich die Schweiz seit Langem ein gegen und unabhängig von kurzfristigen Entwick- Gewalt und für eine friedliche Regelung von lungen im internationalen Umfeld gültig blei- Streitigkeiten. ben. Es handelt sich dabei um die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Neutralität, der Neutralität Universalität, des Dialogs, der Solidarität und Die Neutralität ist ein aussenpolitisches Inst- Verantwortung sowie der Effizienz und Kohä- rument, um die Unabhängigkeit der Schweiz renz. zu sichern. Die Schweiz hat den Status eines dauernd neutralen Staates. Sie erfüllt die Rechtsstaatlichkeit Verpflichtungen, die ihr das Neutralitäts- Die Schweiz ist ein Rechtsstaat. Es ist im In- recht auferlegt. Dies bedeutet in erster Linie, teresse der Schweiz, dass in den internatio- dass sie sich nicht an internationalen Kon- nalen Beziehungen das Primat des Rechts flikten beteiligt. Hingegen ist die Umsetzung gilt und nicht die Macht des Stärkeren. Das ihrer Neutralitätspolitik, welche die Sichtbar- Völkerrecht und seine Einhaltung sind für keit und Glaubwürdigkeit ihrer Neutralität die Schweiz daher von grosser Bedeutung. im rechtlichen Sinn gewährleisten soll, nicht Ohne Regeln kommen internationale Akteure an Rechtsnormen gebunden. Sie hängt von in Versuchung, Druck auszuüben oder auf der Analyse des aktuellen internationalen 11
Umfelds ab. Die Neutralität erfordert eine zwar kein Allheilmittel und er setzt auf allen gewisse Unparteilichkeit und Objektivität bei beteiligten Seiten ein Minimum an Dialog- Stellungnahmen, aber sie bildet kein Hinder- bereitschaft voraus. Aber ohne Dialog bzw. nis bei der Interessenwahrung. Sie ist im Ge- Dialogangebote besteht kaum eine Chan- genteil ein flexibles Instrument, das bei der ce, in einem Konflikt eine Lösung zu finden Umsetzung der Schweizer Aussenpolitik zur bzw. einen sich anbahnenden Konflikt zu Verfügung steht und den Kontakt zu unter- verhindern. Ein aktives Zuhören und das Be- schiedlichen Gesprächspartnern erleichtert. mühen, die jeweiligen Akteure zu verstehen, Insbesondere kann sie von Vorteil bei der bedeuten zudem nicht, dass die Schweiz Erbringung von «Guten Diensten» sein, die einverstanden ist mit den entsprechenden eine traditionelle Stärke der Schweizer Aus- Positionen und nicht zu ihren Interessen und senpolitik sind und die es der Schweiz erlau- Werten stehen kann. ben, sich von anderen abzuheben und eine besondere Rolle zu spielen. Solidarität und Verantwortung Heute bemessen sich der Einfluss eines Staa- Universalität tes und seine Fähigkeit, sich Spielräume zur Die Schweiz bemüht sich traditionell, so Wahrung seiner Interessen zu verschaffen, weit wie möglich gute Beziehungen zu allen nicht nur an seiner militärischen Macht, wirt- Staaten der Welt zu unterhalten. Als Land, schaftlichen Stärke oder Bevölkerungszahl, das besonders wirtschaftlich stark von sei- sondern hängen auch ab von seiner Bereit- ner Weltoffenheit abhängt und weder Mit- schaft, solidarische und verantwortungsvolle glied der EU noch anderer wichtiger Bünd- Beiträge zur Bewältigung der globalen He- nisse oder Gruppen wie der G20 ist, muss rausforderungen zu leisten. Die Verantwor- die Schweiz ein ausgedehntes Beziehungs- tung bezieht sich auch auf die künftigen netz unterhalten, um ihre Interessen wirk- Generationen. Es muss das Ziel sein, diesen sam wahren zu können. Der Grundsatz der Generationen durch eine verantwortungs- Universalität bedeutet aber nicht, dass die volle Aussenpolitik ein möglichst friedliches schweizerische Aussenpolitik keine Prioritä- und sicheres Umfeld und eine intakte Um- ten setzt. Er hindert die Schweiz auch nicht welt zu hinterlassen. daran, die besondere Bedeutung gewisser Partner anzuerkennen und länderspezifische Effizienz und Kohärenz Strategien zu entwickeln. Zentral in der schweizerischen Aussenpolitik ist die Effizienz. Die Schweizer Aussenpolitik Dialog im Allgemeinen und schweizerische aussen- Der Dialog ist ein wichtiges Element der po- politische Initiativen, Vorstösse und Aktio- litischen Kultur in der Schweiz. Auch in ihrer nen im Besonderen müssen sich immer an Aussenpolitik ist die Schweiz dem Dialog den zur Verfügung stehenden Mitteln mes- verpflichtet. Sie versucht, Brücken zu bauen sen und rationell mit knappen Ressourcen und den Dialog zu fördern. Der Dialog ist umgehen. Es ist weniger der Kraftakt, son- 12
dern die geplante, strategische Massnahme, die im Zentrum der aussenpolitischen Aktivi- tät steht. Dies äussert sich in allen Aktions- feldern, namentlich bei der konsularischen Betreuung der Auslandschweizerinnen und -schweizer und der Schweizer Reisenden im Ausland. Effizienz setzt kohärentes Handeln in der Aussenpolitik voraus; Effizienz und Kohärenz bedingen sich gegenseitig. Kohä- renz bedeutet, dass die Zusammenhänge zwischen einzelnen Politikbereichen erkannt werden und das aussenpolitische Handeln entsprechend abgestimmt wird. Die Globa- lisierung stellt erhöhte Anforderungen an die Kohärenz namentlich zwischen verschie- denen Sektorpolitiken. Transparenz und gegenseitige Information sind wichtig, um frühzeitig Inkohärenzen zu erkennen und Kohärenz zu schaffen. Allfällige Inkohären- zen und Ziel- und Mittelkonflikte, mit denen sich jede Aussenpolitik konfrontiert sieht, gilt es durch Koordinationsverfahren und die Definition sachspezifischer Kriterien zu mini- mieren. 13
Strategische Schwerpunkte der Aussenpolitik Eine aktive, vorausschauende Aussenpolitik lassen, um auch kurzfristig Handlungsspiel- bedarf strategischer Prioritäten. Gerade vor räume und Handlungschancen identifizieren dem Hintergrund vielfältiger aussenpoliti- und aktiv nutzen und auf neue Entwicklun- scher Tätigkeiten und Akteure ist es wichtig, gen lösungsorientiert reagieren zu können. Prioritäten zu setzen. Die aussenpolitische Die vier strategischen Schwerpunkte sind Strategie steckt einen Rahmen ab und defi- keine isolierten Bereiche. Sie stehen vielmehr niert die grossen Linien des internationalen in einer engen Wechselwirkung und überlap- Engagements für die Legislaturperiode bis pen sich. Die entsprechenden Synergien gilt 2019. Sie soll Raum und genügend Flexibilität es konstruktiv zu nutzen. EU UND NACHHALTIGE GLOBALE FRIEDEN UND EU-/EFTA- ENTWICKLUNG PARTNER SICHERHEIT STAATEN UND WOHLSTAND Foto: Parlamentsdienste, 3003 Bern; Grafik: EDA 14
Beziehungen zur Europäischen Union und zu den EU-/EFTA-Staaten KERNZIEL plätze, kulturelle Diversität, Umwelt, Ge- Die Schweiz stellt auf der Basis einer sundheit). Die Schweiz arbeitet in vielfältiger Konsolidierung und Erneuerung des Weise im multi- und bilateralen Rahmen mit bilateralen Wegs ein geregeltes, part- ihren Partnern in Europa zusammen – auch nerschaftliches und ausbaufähiges in der OSZE, im Europarat, im Rahmen der Verhältnis zur EU sicher und fördert NATO-Partnerschaft für den Frieden, mit enge Beziehungen zu den EU-/EFTA- den EFTA-Staaten und mit subregionalen Staaten, unter besonderer Berück- Kooperationsgruppen. Der EU kommt dabei sichtigung der Nachbarstaaten. eine herausragende Bedeutung zu. Das Kernziel der nächsten vier Jahre ist es, Die Schweiz liegt in der Mitte Europas. Sie ein geregeltes, partnerschaftliches und aus- teilt die demokratischen Grundwerte ihrer baufähiges Verhältnis zur EU sicherzustel- europäischen Partner und ist politisch, wirt- len. Gute Beziehungen mit der EU sind eine schaftlich und kulturell eng mit diesen und Voraussetzung für eine pragmatische, von vor allem mit ihren Nachbarstaaten verknüpft, Interessen und Werten geleitete Zusammen- die mit Ausnahme Liechtensteins allesamt arbeit mit den Staaten Europas in einer Viel- EU-Mitglieder sind. Sie zeigt sich solidarisch zahl von Politikfeldern. Diese Zusammen- im Engagement für Stabilität und Entwick- arbeit trägt zur Förderung von Wohlstand lung auf dem europäischen Kontinent. und Sicherheit bei. Die Schweiz und die EU haben ein gemeinsames Interesse an sta- Vor dem Hintergrund der globalen Macht- bilen bilateralen Beziehungen. Als gewich- verschiebungen und grenzüberschreiten- tiger wirtschaftlicher Partner und in ihrer der Herausforderungen und Bedrohungen Nord-Süd-Brückenfunktion ist die Schweiz braucht es stabile Partnerschaften – vor enger verflochten mit der EU als mancher allem mit gleichgesinnten Staaten – und Mitgliedstaat. gemeinsame Lösungen. Dies trifft insbeson- dere zu auf den globalen Wettbewerb (For- Die derzeitigen Herausforderungen – wie schung, Handel, Innovation), die innere und zum Beispiel die Bewältigung der Flücht- äussere Sicherheit (u.a. Terrorismus- und Kri- lingskrise –, die den ganzen Kontinent be- minalitätsbekämpfung), die internationale treffen, verdeutlichen die Bedeutung einer Zusammenarbeit und die humanitäre Hilfe intensiven und guten Zusammenarbeit mit sowie die Lebensqualität der Bürgerinnen der EU als wichtigster Partnerin. Die Schweiz und Bürger (Mobilität, Chancen, Arbeits- setzt sich im Rahmen ihrer Schengen- und 15
Bundesrat Didier Burkhalter (rechts) begrüsst den deutschen Bundesaussenminister Frank-Walter Steinmeier zu einem Arbeitsbesuch in Bern im August 2015. KEYSTONE/Peter Schneider Dublin-Assoziierung für wirksame europäi- gänger, Grenzregionen). Ein Drittel des sche Lösungen – in Ergänzung zu nationa- Aussenhandels der Schweiz insgesamt und len Massnahmen – ein und positioniert sich knapp zwei Drittel des Aussenhandels mit als autonome, aber gleichzeitig solidarische, der EU betreffen die Nachbarstaaten. Die kooperative Partnerin und wahrt dabei ihre Schweiz figuriert ihrerseits bei allen Nach- aussenpolitischen Interessen. Dies gilt eben- barstaaten unter den zehn wichtigsten Han- falls im Rahmen der Terrorismus- und Krimi- delspartnern. Eng ist auch die soziale Vernet- nalitätsbekämpfung, für welche die Schen- zung: Über 750‘000 Staatsangehörige aus gen-Assoziierung wertvolle Instrumente wie den Nachbarstaaten leben in der Schweiz, beispielsweise das Schengener Informations- weitere 290‘000 arbeiten in der Schweiz system oder gemeinsame Kontrollstandards als Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Es bei Aussengrenzübertritten bietet. Darüber leben aber auch über 300‘000 Schweizerin- hinaus arbeitet die Schweiz u.a. im Bereich nen und Schweizer in den Nachbarstaaten. «Foreign Terrorist Fighters» eng mit Europol zusammen. Die Schweiz und die EU organisieren und gestalten ihre Beziehungen mit einer Reihe Die wirtschaftliche Verflechtung ist beson- von bilateralen Verträgen, die eine Vielzahl ders hoch mit den Nachbarstaaten (Grenz- von sektoriellen Zusammenarbeitsfeldern 16
abdecken. Diese Verträge bilden zusammen klausel, beruht. Eine solche einvernehmliche den «Bilateralen Weg». Diese Form der Zu- Lösung mit der EU würde es erlauben, das sammenarbeit ermöglicht den Ausbau und Protokoll III zur Ausdehnung des Freizügig- die Vertiefung der Beziehungen zwischen keitsabkommens auf Kroatien zu ratifizieren. der Schweiz und der EU und ist in beider Bei einer Ratifizierung des entsprechenden seitigem Interesse. Protokolls bis am 9. Februar 2017 kann sich die Schweizer Forschung erneut vollasso- Der «Bilaterale Weg» braucht aber einen ziiert und gleichberechtigt an den euro- institutionellen Rahmen, der es erlaubt, die päischen Forschungsrahmenprogrammen bestehenden Verträge à jour zu halten. Dies (Horizon 2020-Paket) beteiligen. garantiert den Zugang zum Binnenmarkt, erhöht die Rechtssicherheit und verhindert Ferner ist der institutionelle Rahmen der Be- eine Erosion der Grundlagen der bilateralen ziehungen mit der EU zu regeln. Ein solches Verträge. Die Annahme der Volksinitiative institutionelles Abkommen ist die Grundlage «Gegen Masseneinwanderung» am 9. Feb- für zukünftige sektorielle Abkommen über ruar 2014 durch Volk und Stände hat neue den Zugang zum EU-Binnenmarkt – bei- Unsicherheiten in Bezug auf die Zukunft spielsweise im Elektrizitätsbereich oder im des «Bilateralen Wegs» geschaffen. Insbe- Bereich der Finanzdienstleistungen. Der Ab- sondere die Unvereinbarkeit des neuen Ar- schluss neuer Abkommen der Zusammen- tikels 121a der Bundesverfassung mit dem arbeit und die Verbreiterung der bisherigen Abkommen über die Personenfreizügigkeit Kooperationsfelder werden dazu beitragen, gefährdet die sogenannten Bilateralen I und den «Bilateralen Weg» weiterzuentwickeln hat negative Auswirkungen auf andere Ko- – beispielsweise in den Bereichen Sicherheit, operationsfelder zwischen der Schweiz und Umwelt oder Gesundheit. Im Bereich For- der EU, namentlich die Bereiche Bildung, schung ist es das Ziel, das Niveau der Zusam- Forschung und Innovation. menarbeit vor dem 9. Februar 2014 im Jahr 2017 wieder zu erreichen. In diesem Kontext Der Bundesrat setzt sich daher das Ziel, den wird der Bundesrat in der laufenden Legisla- «Bilateralen Weg» zu erneuern, um ihn da- tur auch über die Erneuerung des Erweite- mit zu erhalten und seine Weiterentwick- rungsbeitrags zur Reduzierung der sozialen lung sicherzustellen. Er will eine Lösung mit und ökonomischen Unterschiede in der er- der EU finden, die es erlaubt, die Zuwan- weiterten EU entscheiden. derung aus EU-Staaten besser zu steuern und das Abkommen über die Personen- Die strategischen Partnerschaften mit freizügigkeit zu erhalten. Zu diesem Zweck Deutschland, Frankreich, Italien und Öster strebt er eine einvernehmliche Lösung mit reich, denen im Beziehungsgefüge der der EU an, die auf einer gemeinsamen In- Schweiz in Europa eine zentrale Rolle zu- terpretation der Anwendungsmodalitäten kommt, sollen konsolidiert und punktuell des Abkommens, insbesondere der Schutz- ausgebaut werden. Die Beziehungen haben 17
sich in der Legislatur 2011–2015 positiv Rolle als EU-Mitglieder zu pflegen. Fünftens entwickelt. Sie sind aber noch immer aus- gilt den Grenzregionen ein besonderes Au- baufähig und bedürfen einer konstanten genmerk. Für gemeinsame Herausforderun- Pflege. Erstens soll die Besuchsdiplomatie gen soll weiterhin grenzüberschreitend nach intensiv bleiben, um die Kommunikations- Lösungen gesucht werden. kanäle offen zu halten, die ganze Breite der bilateralen Zusammenarbeit regelmässig zu Auch mit Liechtenstein pflegt die Schweiz würdigen und allenfalls neue Zusammenar- sehr enge und vertrauensvolle Beziehun- beitsfelder zu identifizieren. Zweitens sollen gen. Über ihre Nachbarstaaten hinaus will konkrete bilaterale Fragen rasch themati- die Schweiz mit allen EU-und EFTA-Staaten siert und einer Lösung zugeführt werden. enge Kontakte weiterführen und eine aktive Drittens sollen die Koordination und Ko- Besuchsdiplomatie pflegen. Dabei strebt sie operation mit den Nachbarstaaten im Hin- auch den Aufbau bzw. die Weiterführung blick auf die multilaterale Zusammenarbeit und Intensivierung themenspezifischer Ko- – beispielsweise in der UNO oder der OSZE operationen an, auch im multilateralen Rah- – weiter vertieft werden. Viertens sind die men. Mit der jeweiligen EU-Ratspräsident- Beziehungen der Schweiz mit den Nachbar- schaft sucht die Schweiz einen intensiven staaten gerade im Hinblick auf ihre zentrale Austausch. Beziehungen zu globalen Partnern KERNZIEL als bilateral bezeichneten Beziehungen blei- Die Schweiz vertieft das Bezie- ben zentral. Angesichts der globalen Macht- hungsnetz mit globalen Partnern, verschiebungen und aufgrund der Tatsache, um ihre Interessen zu wahren und dass die Schweiz weder EU-, NATO- noch konkrete Probleme zu lösen. G20-Mitglied ist, ist es wichtig, dass sie ihre Beziehungen zu Staaten, Regionen und internationalen Organisationen jenseits des Die Schweizer Aussenpolitik ist dem Grund- EU-/EFTA-Raums stärkt. satz der Universalität verpflichtet: Demnach pflegt die Schweiz Beziehungen nicht nur Bilaterale Themen und Probleme, aber auch zu Gross- und Regionalmächten, sondern Kooperationsmöglichkeiten verschwinden auch zu mittleren und kleineren Staaten, in einer zunehmend globalen und interde Regionalorganisationen und – angesichts pendenten Welt keineswegs. Zudem überlap- der Machtverlagerung zunehmend wichtig – pen sich bi- und multilaterale Themenfelder nicht-staatlichen Akteuren. Diese gemeinhin häufig. Daher nehmen multilaterale Aspekte 18
Generalversammlung der Afrikanischen Union in Addis Abeba. einen wichtigen Teil der bilateralen Beziehun- Zusammenarbeit unterscheiden. Dialoge un- gen ein. Die Schweiz will bilaterale Kontakte terschiedlicher Intensität führt die Schweiz systematisch nutzen, um Anliegen (z.B. grundsätzlich mit allen Staaten, die ihrer- diplomatische Initiativen und Kandidaturen) seits Interesse an einem solchen Austausch und Interessen – insbesondere in den drei haben. Partnerschaften pflegt die Schweiz anderen strategischen Schwerpunkten dieser mit ausgewählten Staaten, mit denen sie Strategie – Gehör zu verschaffen, gleichge- sich auf Minister- und auch technischer sinnte Staaten zu identifizieren bzw. zu pfle- Ebene regelmässig austauscht. Strategische gen und die bi- und multilaterale Kooperation Partnerschaften basieren unter anderem in unterschiedlichsten Themenfeldern von ge- auf entsprechenden Absichtserklärungen meinsamem Interesse zu stärken. In einer sys- der beiden Seiten (z.B. «Memorandum of tematischeren Zusammenarbeit mit Staaten Understanding» oder «Joint Statement»), vergleichbarer Grösse und ähnlichen aussen- diversen Koordinationsmechanismen auf und wirtschaftspolitischen Positionen liegt Schweizer Seite (z.B. Länderstrategien, beträchtliches Potenzial. «Roadmaps», intra- und interdepartementa- le Koordinationssitzungen), jährlichen politi- Grundsätzlich lassen sich drei Ebenen des schen Konsultationen, regelmässigen sekto bilateralen Austauschs bzw. der bilateralen riellen Konsultationen und Dialogen und 19
regelmässigen Kontakten auf Aussen- und Die regionale Präsenz und Vernetzung der Fachministerebene. Schweiz soll unter anderem in Südost- und Osteuropa, in Zentralasien, im asiatisch- Das Konzept der strategischen Partnerschaf- pazifischen Raum, auf dem amerikanischen ten geht auf einen Entscheid des Bundesrats Doppelkontinent, in Afrika und im Nahen von 2005 zurück, die Beziehungen mit den und Mittleren Osten konsolidiert werden. USA, Japan, den BRICS-Staaten (Brasilien, In diesen Regionen hat die Schweiz unter- Russland, Indien, China, Südafrika) und der schiedlich gelagerte politische, sicherheits- Türkei zu vertiefen. Die Intensivierung und politische, wirtschaftliche, umwelt- und Diversifizierung der strategischen Partner- migrationspolitische Interessen. Die Inst- schaften der Schweiz mit diesen Ländern rumente der bilateralen Zusammenarbeit bleibt ein Ziel der Legislaturperiode bis 2019. werden situativ und zielführend eingesetzt. Insbesondere sollen die Koordination und Kohärenz der strategischen Partnerschaf- Ein zunehmendes politisches, oft aber auch ten gestärkt werden, um eine zweckmässi- ökonomisches Gewicht haben Regionalor- ge Wahrung von Schweizer Interessen und ganisationen. Die Schweiz hat daher ein Werten sicherzustellen. Themen und Zu- Interesse daran, ihre Präsenz in diesen Orga- sammenarbeitsfelder, bei denen die Schweiz nisationen durch eine Kooperation dort zu einen Mehrwert zu bieten hat oder schaffen stärken, wo beiderseitiges Interesse besteht. kann und ihrerseits vermag, von der Koope- Die Schweiz ist bereits als Beobachterin akkre- ration zu profitieren und ihren Einfluss gel- ditiert bzw. als Partnerin aktiv u.a. bei der Pa- tend zu machen, sollen weiter bearbeitet zifikallianz, der Organisation Amerikanischer oder neu definiert werden. Staaten (OAS), der Organisation für Islami- sche Zusammenarbeit (OIC), der Arabischen In den vergangenen Jahren sind mit weite- Liga, der Westafrikanischen Wirtschaftsge- ren G20-Ländern Partnerschaften aufge- meinschaft (ECOWAS), der Intergovernmen- baut worden, die quasi die Qualität von stra- tal Authority on Development (IGAD) und tegischen Partnerschaften aufweisen (z.B. der Afrikanischen Union. Angestrebt wird Mexiko, Südkorea, Indonesien, Australien). der Status eines sektoriellen Dialogpartners Die Konsolidierung dieser Partnerschaften («Sectorial Dialogue Partner») bei der Vereini ist eine Priorität. Zudem ist bis zur Mitte der gung südostasiatischer Staaten (Association aktuellen Legislatur zu prüfen, ob sich strate- of Southeast Asian Nations, ASEAN). Auch gische Partnerschaften mit weiteren Staaten Verbünde kleiner und Kleinststaaten, zum Bei- rechtfertigen – sofern diese Partner eben- spiel in der Karibik (CARICOM) oder im Pazifik falls ein Interesse daran haben und das EDA (PIF), können interessante Partner sein. Vor über die entsprechenden Ressourcen (auch diesem Hintergrund gilt es, die Aktivitäten der vor Ort) verfügt, um den «Follow-up» und Schweiz als Beobachterin in bzw. Partnerin die Koordination sicherzustellen. von Regionalorganisationen in der aktuellen Legislaturperiode zu systematisieren. 20
Für die Stärkung und Vertiefung des Bezie- und Netzwerken, der Koordination, der hungsnetzes mit Partnern und Regionen Besuchsvorbereitung, -begleitung und dem ausserhalb des EU-/EFTA-Raums ist ein «Follow-up» sowie bei der Analyse und Be- breites Aussennetz zentral. Die Präsenz vor richterstattung. Das Aussennetz erbringt Ort schafft einen erheblichen Mehrwert, auch erhebliche Dienstleistungen für die beispielsweise in der Umsetzung der Aus- Schweizer Wirtschaft, gerade auch für KMU. senpolitik, bei der Pflege von Kontakten Frieden und Sicherheit KERNZIEL sie mit ihrer eigenständigen und mitgestal- Die Schweiz baut ihr Engagement für tenden Aussenpolitik nützliche Beiträge an Frieden und Sicherheit aus und gibt die Förderung von Frieden und Sicherheit wesentliche Impulse für eine tragfähige leisten kann. In der heutigen multipolaren und gerechte internationale Ordnung. Welt gehört die Schweiz zu keinem der Machtzentren. Sie ist ein europäisches Land, das europäische Werte vertritt. Doch ihr En- Die Bedeutung des Engagements für Frieden gagement für Frieden und Sicherheit ist ei- und Sicherheit hat in den letzten Jahren zu- genständig. Die Schweiz kann Brücken bau- genommen. Dies ist einerseits auf die kri- en, wo andere blockiert sind, mit vielfältigen senhaften internationalen Entwicklungen Partnern zusammenarbeiten und eigene zurückzuführen, die auch auf die Schweiz Initiativen entwickeln. negative Rückwirkungen haben. Als stark globalisiertes Land mit einer exportorientier- In den letzten fünfzehn Jahren hat die ten Wirtschaft ist die Schweiz für ihre Sicher- Schweiz zudem ein breites und innovatives heit und ihren Wohlstand auf ein stabiles Instrumentarium zur Förderung von Frieden Umfeld und eine tragfähige und gerechte und Sicherheit entwickelt, das auf die heu- internationale Ordnung angewiesen. Gera- tigen Herausforderungen zugeschnitten ist. de in Zeiten der Unsicherheit und Krisen ist Mit ihrem der Universalität verpflichteten es wichtig und im Sinne der Interessen und Aussennetz und ihrem teilweise jahrzehn- Werte der Schweiz, dass sie mit einem um- telangen Engagement im Rahmen der inter- fassenden und kreativen Engagement ihr nationalen Zusammenarbeit verfügt sie in Umfeld mitgestaltet. vielen Kontexten über gute Voraussetzun- gen, um eine sinnvolle Rolle spielen zu kön- Andererseits vermochte die Schweiz in den nen. Dabei engagiert sich die Schweiz vor letzten Jahren immer wieder zu zeigen, dass allem dort, wo sie Mehrwert schaffen kann 21
aufgrund ihrer Erfahrung und Netzwerke, internen Mediationsnachwuchs fördern und ihres Knowhows und ihres Instrumenta- verstärkt mit Partnern, anderen Staaten und riums. Die geografischen Schwerpunkte Organisationen zusammenarbeiten. umfassen den Nahen und Mittleren Osten, Afrika sowie den OSZE-Raum. Über die Mediation und Krisendiplomatie hinaus werden die Instrumente zur Förde- Das Engagement der Schweiz für Frieden rung von Frieden und menschlicher Sicher- und Sicherheit lässt sich vereinfacht untertei- heit weiterhin eine zentrale Rolle spielen. len in Krisen- und Konfliktbearbeitung einer Dabei geht es insbesondere um die Stärkung seits und die Mitgestaltung gemeinsamer rechtsstaatlicher Institutionen, um demokra- Antworten auf globale Herausforderungen tische Transition und um Prozesse für einen andererseits. Es ist wichtig, dass trotz der nachhaltigen Frieden ohne neue Gewalt. Es aktuell hohen Beanspruchung durch Krisen geht auch um Vergangenheitsarbeit und auch der längerfristig ausgerichteten Ge- die Prävention von Gräueltaten sowie um staltung der Globalisierung gebührend Auf- den Schutz der Zivilbevölkerung vor Gewalt. merksamkeit geschenkt wird. Daneben beteiligt sich die Schweiz an den laufenden Arbeiten zur Anpassung des In- Betreffend Krisen- und Konfliktbearbei- strumentariums von Friedensmissionen der tung wird das EDA den Bereich Mediation UNO und unterstützt diese mit zivilem und weiter stärken. Mediation und Fazilitation militärischem Personal. Ein wichtiges An- sind Teil der «Guten Dienste» der Schweiz, liegen der Schweiz ist der bessere Schutz die weltweit geschätzt und nachgefragt von Frauen in Konflikten sowie ihre stärke- sind. Sie tragen wirksam zur Deeskalation re Einbindung in Friedensprozesse, im Sin- und der Lösung von Konflikten bei. Immer ne der UNO-Resolution 1325. Aber auch mehr Staaten möchten die «Guten Dienste» als Schutzmacht für Staaten, die zwischen- der Schweiz in diesem Bereich in Anspruch zeitlich keine diplomatischen Beziehungen nehmen. Deshalb will das EDA die Medi- miteinander unterhalten, steht die Schweiz ation professionalisieren, die Kapazitäten weiterhin zur Verfügung. erhöhen und die Ausbildung ausbauen. In Zukunft soll die Schweiz vermehrt eige- Die Förderung der Menschenrechte ist ein ne Mediationen leiten und beispielsweise grundlegender Pfeiler der schweizerischen der UNO und der OSZE öfter eigene hoch Aussenpolitik. Ohne Einhaltung der Men- rangige Mediatorinnen und Mediatoren zur schenrechte kann es keine nachhaltige Si- Verfügung stellen, wie sie dies bereits heute cherheit geben. Die Schweiz engagiert sich zum Beispiel für die Friedensbemühungen für die weltweite Respektierung und Förde- in der Syrien- und der Ukrainekrise tut. Sie rung der Menschenrechte und ihre effektive bietet zudem themenspezifische Mediation Umsetzung. Dadurch, dass sie den Dialog an, beispielsweise im Bereich Wasser. Mit mit allen Parteien sucht und sich dafür enga- Hilfe spezifischer Karrieren will das EDA den giert, das Gemeinsame über das Trennende 22
In einer Feuerpause kann das IKRK die Bevölkerung in der Region Donezk in der Ukraine im März 2015 mit dem Lebensnotwendigsten versorgen – in Zusammenarbeit mit der OSZE-Sonder beobachtermission SMM (hinten links Alexander Hug, stellvertretender SMM-Leiter). OSZE zu stellen, kann die Schweiz mit ihrem En- Schweiz engagiert sich mit bilateralen und gagement Brücken bauen. Sie bleibt dabei multilateralen Instrumenten und konkreten ihren Werten und Interessen treu. Dieser Projekten dort, wo sie einen spezifischen, Ansatz ermöglicht es der Schweiz, in ihrem glaubwürdigen und substanziellen Beitrag Menschenrechtsengagement eine Vorrei- zu leisten vermag (z.B. Einsatz für die Ab- terrolle zu spielen – beispielsweise in Bezug schaffung der Todesstrafe, Schutz von Men- auf die Einbindung der Zivilgesellschaft, des schenrechtsverteidigern, Privatsektor und Privatsektors sowie anderer nicht-staatlicher Menschenrechte). Akteure in die Menschenrechtsthematik. Grosse Bedeutung misst die Schweiz dem Im multilateralen Rahmen setzt sich die Schutz und den Rechten von Migranten in Schweiz ein für starke globale, regionale den Herkunftsregionen bei. So unterstützt und nationale Menschenrechtsinstitutionen sie Erstaufnahmeländer wie die Nachbar- im Allgemeinen und für eine Ressourcenauf- staaten Syriens, Staaten am Horn von Afrika stockung des Menschenrechtspfeilers der und Staaten in Osteuropa in der Stärkung von UNO im Besonderen. Die Überwachung der Schutz- und Aufnahmekapazitäten. Mittels effektiven Umsetzung der Menschenrechte eines effizienten Asylsystems und verbes- ist eine weitere Priorität der Schweiz. Die serten Lebensbedingungen der Migranten 23
(Schutz, Versorgung, wirtschaftliche Inte- mismus. Die Prävention von gewalttätigem gration) soll der Druck für eine Weiterreise Extremismus will langfristig insbesondere in nach Europa verringert werden. Zu den aus- fragilen Kontexten der Radikalisierung und senpolitischen Beiträgen an die Bewältigung Rekrutierung Jugendlicher vorbeugen und der Flüchtlingskrise zählen neben bilateralen potenziell gefährdete Gruppen dagegen und multilateralen Massnahmen im Bereich wider standsfähiger machen. Die Schweiz der Migrationsaussenpolitik ein humanitä- will sich an der entsprechenden Politikgestal- res Engagement zur Linderung der Not vor tung sowie am Erarbeiten und Weiterentwi- Ort, die Bekämpfung der Flucht ursachen ckeln von erfolgreichen Modellen beteiligen durch Friedensförderung und Entwicklungs- («best practices»). Sie will das internationale zusammenarbeit sowie Beiträge an die Be- Genf als Drehscheibe für die Ursachenbe- mühungen um eine bessere Steuerung der kämpfung von Terrorismus fördern und ent- Migration Richtung Europa im Sinne einer sprechende Projekte lancieren, zum Beispiel kooperativen europäischen Migrationsgou- mit dem dort ansässigen Global Community vernanz. Auf der Basis der Nansen-Initiative Engagement and Resilience Fund (GCERF). engagiert sich die Schweiz zudem für den Konkretisiert wird das Schweizer Engage- Schutz von Menschen, die nach Umwelt ment mit einem aussenpolitischen Aktions- katastrophen ihre Heimat verlassen müssen. plan des EDA für die Prävention von gewalt- tätigem Extremismus. Ein wichtiger Aspekt des Engagements für Frieden und Sicherheit ist die Bekämpfung Hinsichtlich der Erarbeitung gemeinsamer des internationalen Terrorismus. Der Bun- Antworten auf globale Herausforderungen desrat hat 2015 die Strategie der Schweiz misst die Schweiz der Handlungsfähigkeit in- zur Terrorismusbekämpfung verab schiedet. ternationaler Organisationen grosse Bedeu- Die Bekämpfung des Terrorismus soll ge- tung zu. Die Gestaltung der Globalisierung mäss dieser Strategie im Rahmen der Verfas- erfordert einen funktionierenden Multila- sung und des Völkerrechts unter besonderer teralismus. Eine zentrale Rolle im Engage Berücksichtigung der Grund- und Men- ment der Schweiz für Frieden und Sicherheit schenrechte erfolgen. Die Schweiz will da- spielt die UNO. Die Schweiz prägt wichtige bei insbesondere auch als verlässliche, dem UNO-Reformdiskussionen und Überprü- Völkerrecht verpflichtete und umsichtige Ak- fungsprozesse mit. In den nächsten Jahren teurin agieren. Die Aussenpolitik hat einen setzt sie einen Akzent bei der Konflikt Bezug zu allen vier strategischen Handlungs- prävention und der Friedenskonsolidierung. feldern (Prävention, Repression, Schutz, Kri- Zudem unterstützt sie Massnahmen, welche senvorsorge) und umgekehrt. die Zusammenarbeit zwischen Menschen- rechtsrat und Sicherheitsrat, aber auch an- Eine aussenpolitische Priorität im Bereich der deren politischen Organen der UNO verbes- Terrorismusbekämpfung ist das Engagement sern. Die Schweiz kandidiert für einen Sitz der Schweiz gegen den gewalttätigen Extre- im UNO-Sicherheitsrat 2023–2024 und will 24
auch in diesem Forum mit ihren Kompe- gleich mit anderen Orten einmalig ist, kann tenzen als Brückenbauerin zu Frieden und die Schweiz aktiv dazu beitragen, Herausfor- Sicherheit beitragen. derungen zu bewältigen, die einer koordi nierten Reaktion bedürfen. Die Schweiz will Auf der regionalen Ebene kommt der OSZE dabei gezielt eine vernetzte Arbeitsweise eine zentrale Rolle zu. Hier hat die Schweiz fördern. Das in Genf ansässige Wissen soll im Rahmen ihres Vorsitzes 2014 und ihrer für den Umgang mit den zunehmend kom- Mitgliedschaft in der Troika in den Jahren plexen Prozessen in der globalen Gouver- 2013 bis 2015 mehrere Initiativen entwickelt, nanz genutzt werden. die sie weiterverfolgen will. Die Schweiz wird sich weiterhin einsetzen für eine Lösung der Zu den thematischen Prioritäten in der Ukrainekrise wie auch weiterer Konflikte, Gestaltung der Globalisierung im Bereich beispielsweise im Südkaukasus. Auch strebt Frieden und Sicherheit zählen eine Terror- sie eine Erweiterung der OSZE-Fähigkeiten bekämpfung auf der Grundlage von Rechts- für Friedensoperationen an. Ebenso schlägt staatlichkeit und Menschenrechten, ein sie eine verstärkte Rolle der OSZE in der friedlicher, sicherer und offener Cyberraum, Förderung von wirtschaftlichem Austausch der auf klaren Regeln und gegenseitigem (Konnektivität) vor. Zudem setzt sich die Vertrauen basiert, sowie die Rüstungskont- Schweiz für einen grundlegenden politi- rolle, Abrüstung und die Verhinderung der schen Dialog der OSZE-Staaten zur künfti- Proliferation von konventionellen Waffen, gen europäischen Sicherheit ein. Eine Basis von Massenvernichtungswaffen und Träger- hierfür sind die zwei Berichte des Panel of mitteln. Eminent Persons on European Security as a Common Project, das die Schweiz ini tiiert Die Schweiz engagiert sich für das Völker- hatte. Ein weiteres Anliegen betrifft die recht. Eine regel- und normenbasierte Ord- bessere Umsetzung der Verpflichtungen im nung ist Voraussetzung für internationale Sta- Bereich der menschlichen Dimension. Über bilität. Die Schweiz fordert insbesondere die die OSZE hinaus setzt sich die Schweiz für bessere Einhaltung des humanitären Völker die Förderung kooperativer Sicherheit ein, rechts. Sie fördert den entsprechenden Dia- in anderen Formaten wie beispielsweise der log und die Zusammenarbeit zwischen den Partnerschaft für den Frieden der NATO, Staaten und unterstützt konkrete Projekte zur aber auch in anderen Regionen. besseren Anwendung des humanitären Völ- kerrechts. Weiterführen will die Schweiz ihr Das internationale Genf als wichtigen Stand- entschiedenes Handeln im Bereich der Rück- ort für Frieden und Sicherheit und Austra- gabe unrechtmässig erworbener Vermögens- gungsort von Friedensverhandlungen zu werte von politisch exponierten Personen. Sie stärken, bleibt eine weitere Priorität. Dank wird zudem verstärkt eine Antikorruptions- der Konzentration von Akteuren, Organisati- perspektive in ihr Engagement für Frieden onen und Kompetenzen in Genf, die im Ver- und Sicherheit integrieren. Die Erfahrung hat 25
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