Aussenpolitische Strategie 2016-2019 - Bericht des Bundesrates über die Schwerpunkte der Legislatur - Eidgenössisches ...

 
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Aussenpolitische Strategie 2016-2019 - Bericht des Bundesrates über die Schwerpunkte der Legislatur - Eidgenössisches ...
Aussenpolitische
Strategie 2016–2019
Bericht des Bundesrates über die
Schwerpunkte der Legislatur
Aussenpolitische Strategie 2016-2019 - Bericht des Bundesrates über die Schwerpunkte der Legislatur - Eidgenössisches ...
Der Bundesrat beauftragte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)
am 11. Mai 2011, zu Beginn jeder Legislatur eine Strategie vorzulegen, welche die Schwerpunkte der
Schweizer Aussenpolitik definiert. Der vorliegende Bericht, die zweite solche Legislaturstrategie, erfüllt
diesen Auftrag. Er trägt zudem einer vom Parlament überwiesenen Motion Rechnung (10.3212, «Klare
strategische Ausrichtung der Aussenpolitik»).
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Vorwort
«Der Bund setzt sich ein für die Wahrung         Die Schweiz will ein geregeltes, partner-
der Unabhängigkeit der Schweiz und für           schaftliches und ausbaufähiges Verhältnis
ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei          zur EU sichern, zum Nutzen beider Seiten.
zur Linderung von Not und Armut in der           Wir wollen uns zudem noch stärker für Frie-
Welt, zur Achtung der Menschenrechte             den und Sicherheit in der Welt einsetzen,
und zur Förderung der Demokratie, zu             den Dialog fördern und als Brückenbauer
einem friedlichen Zusammenleben der              in Konflikten auftreten. Dank ihrer Eigen-
Völker sowie zur Erhaltung der natürli-          ständigkeit, ihrer Glaubwürdigkeit und ihrer
chen Lebensgrundlagen.»                          humanitären Tradition kann die Schweiz hier
                                                 eine besondere Rolle spielen.
So verlangt es die Bundesverfassung und
diese Ziele verfolgt die Schweiz in ihrer Aus-   Hohe Bedeutung messen wir der Prävention
senpolitik. Kaum ein anderer Staat ist wirt-     von gewalttätigem Extremismus bei. Mög-
schaftlich, sozial und politisch mit der Welt    lichst viele Menschen sollen heute und in
so eng verflochten wie die Schweiz. Um ihre      Zukunft in Würde und in Frieden leben kön-
Sicherheit, ihren Wohlstand und ihre Unab-       nen. Mit ihrer internationalen Zusammen-
hängigkeit zu wahren, ist sie auf ein stabiles   arbeit – zum Beispiel im Bereich der Berufs-
Umfeld und eine regelbasierte und gerechte       bildung – leistet die Schweiz einen Beitrag
internationale Ordnung angewiesen. Die           dazu, dass insbesondere Jugendliche in ihrer
Schweiz ist bereit, konkrete Beiträge zur Be-    Heimat Zukunftsperspektiven haben.
wältigung der aktuellen Herausforderungen
zu leisten und ihre Verantwortung wahrzu-        Es ist eine Stärke der Schweiz, dass ihre
nehmen.                                          Aussenpolitik innenpolitisch gut verankert
                                                 ist. Der Bundesrat zählt darauf, dass Sie die
Die Aussenpolitische Strategie 2016–2019         Aussenpolitik unseres Landes auch in den
legt hierfür den Rahmen fest. Sie definiert      kommenden vier Jahren mitgestalten und
die Schwerpunkte für die nächsten vier Jahre     mittragen werden.
und ermöglicht es dem Bundesrat, die bis-
herige Aussenpolitik weiterzuführen und
gleichzeitig flexibel auf Veränderungen in
der Welt zu reagieren.
                                                 Didier Burkhalter
                                                 Bundesrat

                                                                                            3
Aussenpolitische Strategie 2016-2019 - Bericht des Bundesrates über die Schwerpunkte der Legislatur - Eidgenössisches ...
Inhalt
Vorwort                                                           3

Einleitung                                                        5
Kontinuität und Wandel                                            5
Das internationale Umfeld                                         6
Verfassungsmässige Ziele der Schweizer Aussenpolitik             10
Prinzipien der Umsetzung                                         11

Strategische Schwerpunkte der Aussenpolitik                      14
Beziehungen zur Europäischen Union und zu den EU-/EFTA-Staaten   15
Beziehungen zu globalen Partnern                                 18
Frieden und Sicherheit                                           21
Nachhaltige Entwicklung und Wohlstand                            27

Bürgernahe Dienstleistungen                                      31

Landeskommunikation                                              33

Ressourcen, Aussennetz und Personal                              35

Schlusswort                                                      37

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Einleitung
Nach einer Beschreibung der Ausgangslage         ziehungen zur Europäischen Union und zu
(«Kontinuität und Wandel») und einer Ana-        den EU-/ EFTA-Staaten, die Beziehungen zu
lyse des internationalen Umfelds legt der        globalen Partnern, das Engagement für Frie-
Bericht die verfassungsmässigen Ziele der        den und Sicherheit sowie das Engagement
Schweizer Aussenpolitik und die Prinzipien       für nachhaltige Entwicklung und Wohlstand.
der Umsetzung dar. Im Hauptteil werden die       Danach folgen separate Kapitel zu den Be-
vier strategischen Schwerpunkte der schwei-      reichen Bürgernahe Dienstleistungen, Lan-
zerischen Aussenpolitik für die Legislaturpe-    deskommunikation sowie Ressourcen, Aus-
riode bis 2019 vorgestellt, nämlich die Be-      sennetz und Personal.

Kontinuität und Wandel
Die erste Aussenpolitische Legislaturstrategie   weil auch die Kontinuität bei den überge-
(2012–2015) bewährte sich als handlungsre-       ordneten Zielen, Interessen und Werten der
levanter Kompass für die Schweizer Aussen-       Schweiz gegeben ist. Die Grundlage dafür ist
politik. Sie trug bei zu einer kohärenten und    die Bundesverfassung (vgl. Kapitel 1.3.). Auch
glaubwürdigen Aussenpolitik, die sich mit        die Ausgangslage der Schweiz ist im interna-
einer weltpolitisch turbulenten Situation mit    tionalen Vergleich weiterhin gut. Die Schweiz
vielen und zunehmend intensiven Krisen kon-      ist ein weltweit führender Wissenschafts- und
frontiert sah. Die bisherige Strategie setzte    Forschungsstandort und gehört global zu den
einen breiten Rahmen, liess aber gleichzeitig    Spitzenreitern in Sachen Wirtschaftskraft, In-
Raum, um Opportunitäten zu erkennen und          novations- und Wettbewerbsfähigkeit, Infra-
aktiv zu nutzen und auf neue Entwicklungen       struktur, Rechtssicherheit, politische Stabilität,
rasch und lösungsorientiert zu reagieren.        Lebensstandard, internationale Vernetzung
Im Rahmen der jährlichen aussenpolitischen       und Offenheit sowie Image. Die «Soft Power»
Berichte legte der Bundesrat über die Umset-     der Schweiz ist beachtlich. Damit gehen auch
zung der Strategie Rechenschaft ab.              die Erwartungen der internationalen Ge-
                                                 meinschaft einher, dass sich die Schweiz als
Die Aussenpolitische Strategie 2016–2019         mittelgrosses europäisches Land aktiv und
orientiert sich an der Vorgängerstrategie.       lösungsorientiert einbringt. Der OSZE-Vorsitz
Kontinuität in der Strategie ist naheliegend,    2014 ist ein Beispiel dafür, dass die Schweiz

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aussen­politische Beiträge leisten kann, die für   Bei aller Kontinuität nimmt die neue aussen-
sie und für die Welt von Nutzen sind.              politische Strategie aber auch Akzentver-
                                                   schiebungen vor. Sie trägt dabei Fortschritten
Die Schweiz verfolgt weiterhin das Ziel einer      in der Umsetzung der bisherigen Strategie
bürgernahen und pragmatischen Aussen-              Rechnung. So sind die Beziehungen zu den
politik, die auch Dienstleistungen für die         direkten Nachbarn der Schweiz heute wieder
Schweizerinnen und Schweizer umfasst. Die          von hoher Intensität und die Beilegung von
Schweizer Aussenpolitik wurzelt dabei in der       Meinungsverschiedenheiten in den meisten
politischen Kultur der Schweiz, ihren Institu-     Fällen weit fortgeschritten. Der Bundesrat
tionen und ihren historischen Erfahrungen.         legt grossen Wert darauf, diese engen, ver-
Innen- und aussenpolitische Werte decken           trauensvollen und lösungsorientierten Bezie-
sich. Die schweizerische Aussenpolitik ist in-     hungen zu den Nachbarstaaten fortzuführen,
nenpolitisch breit abgestützt.                     und hält dies dementsprechend im Rahmen
                                                   des Schwerpunkts Europäische Union und
Die Schweizer Aussenpolitik nutzt ihre Ge-         EU-/EFTA-Staaten fest.
staltungsfähigkeit und -spielräume. Die aus-
senpolitischen Akteure der Schweiz zeich-          Andererseits ist das internationale Umfeld
nen sich aus durch Geduld und langen Atem          der Schweiz einem beschleunigten Wandel
und sind sich bewusst, dass der Wirkung            unterworfen. Um die Schweizer Interessen
des Tuns der Schweiz als einzelne Akteurin         weiterhin effektiv wahren und die Globali-
bisweilen enge Grenzen gesetzt sind. Daher         sierung positiv mitgestalten zu können, wur-
sucht die Schweiz – wenn es möglich und in         de die Strategie angepasst.
ihrem Interesse ist – die Zusammenarbeit mit
gleichgesinnten Partnern.

Das internationale Umfeld
Seit dem Ende des Kalten Krieges befindet          stärkten sich zusehends und dürften in den
sich die Welt in einer Umbruchphase. Wäh-          nächsten Jahren die Weltpolitik weiter beein-
rend das globale System jahrzehntelang bi-         flussen.
polar ausgestaltet war, verblieben nach dem
Zusammenbruch der Sowjetunion die USA              Das internationale Machtgefüge verändert
als einzige Supermacht. Doch die unipolare         sich im Kontext der anhaltenden Globali-
Phase erwies sich als kurz. Die geopolitischen     sierung: Der Westen im Allgemeinen und
tektonischen Verschiebungen, die nach 1989         die USA im Besonderen verlieren relativ an
vorerst kaum sicht- und spürbar waren, ver-        Macht und Einfluss, obschon die USA auf

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absehbare Zeit und vor allem in Bezug auf       die wichtigsten Akteure, aber sie verlie-
ihr militärisches Potenzial stärkste globale    ren Macht an nicht-staatliche Akteure. Da-
Macht bleiben werden. Staaten im Süden          mit gemeint sind die Zivilgesellschaft – wie
und Osten treten auf der internationalen        beispielsweise der «Arabische Frühling» in
Bühne selbstbewusster und offensiver auf        Nordafrika und die «Euromaidan»-Bewe-
und streben eine dominante regionale oder       gung in der Ukraine gezeigt haben – und
gar globale Rolle an. Somit weist der Trend     internationale Wirtschafts- und Finanzkon-
in Richtung einer zunehmend multipolaren        zerne, jedoch auch Terrororganisationen
und fragmentierten Welt mit verschiede-         oder die organisierte Kriminalität. Der Trend
nen, stärker regional ausgerichteten Zen-       der breiteren Machtverteilung kann posi-
tren. Dieser Trend ist jedoch keineswegs        tiv sein, weil er zivilgesellschaftlichen, de-
linear, wie die aktuellen wirtschaftlichen      mokratischen Akteuren eine Stimme gibt.
Probleme einiger BRICS-Staaten (Brasilien,      Er kann aber auch destabilisierend wirken,
Russland, Indien, China, Südafrika) zeigen.     weil Terror- und kriminelle Netzwerke zum
Auch die weitere unberechenbare Entwick-        Teil bereits geschwächte staatliche Struktu-
lung des Ölpreises wird Rückwirkungen auf       ren unterwandern oder gar vollständig zer-
das internationale Machtgefüge haben. Ein       stören können. Die Machtverlagerung wird
anhaltend niedriger Preis könnte die innere     beschleunigt durch die Digitalisierung – vor
Stabilität und das aussenpolitische Verhalten   allem die rasante globale Verbreitung des
mancher Produzentenstaaten beeinflussen.        Internets im Allgemeinen und von sozialen
Zudem ist es den «neuen», aufstrebenden         Medien im Besonderen.
Mächten bisher nur in Ansätzen gelungen,
ein attraktives alternatives Gesellschafts-     Eine weitere zentrale weltpolitische Entwick-
und Wirtschaftsmodell zu entwickeln, nach-      lungslinie ist die Anhäufung von Krisen und
haltig «Soft Power» zu akkumulieren und         Konflikten. Sie sind keine «zufälligen», iso-
andere Staaten mit dauerhaften Allianzen        lierten Ereignisse, sondern Ausdruck einer
an sich zu binden. Der Trend hin zu einem       Transitionsphase. Insbesondere in der Nach-
stärker multipolaren internationalen System     barschaft Europas haben Instabilität und be-
erhöht die Volatilität und kann dazu führen,    waffnete Gewalt zugenommen. Im Osten ist
dass geopolitische Rivalitäten und Konflikte    mit der Ukrainekrise der Krieg nach Europa
zunehmen. Eine verstärkte Koordination          zurückgekehrt. Im Zuge der Polarisierung
zwischen den Grossmächten ist vor diesem        zwischen Russland und dem Westen hat
Hintergrund unabdingbar, hat aber ambiva-       auch die pan-europäische Sicherheit abge-
lente Rückwirkungen auf das multilaterale       nommen. In der südlichen Nachbarschaft
System.                                         Europas hat die Gemengelage von langjährig
                                                ungelösten Konflikten wie dem israelisch-pa-
Ebenfalls zu beobachten ist eine Multiplizie-   lästinensischen Konflikt, jüngeren Konflikten
rung der Akteure im internationalen System,     wie in Syrien, im Jemen und in Libyen, er-
die Macht ausüben: Staaten bleiben zwar         starkenden dschihadistischen Terrorgruppen,

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geopolitischen und konfessionellen Span-         nicht wahrnehmen. Fragile Staaten sind ein
nungen sowie schlechter Regierungsführung        idealer Nährboden für terroristische und kri-
und schwacher Staatlichkeit die Region in        minelle Gruppierungen.
eine tiefe Krise gestürzt. Die Folgen dieser
Negativentwicklungen manifestieren sich          Die weltwirtschaftlichen Perspektiven sind
zunehmend auch in der Schweiz und ihrem          unsicher. Die Weltwirtschaft erholt sich nur
regionalen Umfeld. So ist Europa verstärkt zur   langsam von den Folgen der Finanz-, Wirt-
Zielscheibe des dschihadistischen Terrorismus    schafts- und Schuldenkrise und ist noch
geworden. Zudem hat sich wegen der anhal-        nicht auf einen nachhaltigen Wachstums-
tenden Gewalt, der grossen humanitären Not       kurs eingeschwenkt. Ausserdem zeigen
und der Perspektivlosigkeit eine Flüchtlings-    auch aufstrebende Volkswirtschaften deut-
und Migrationskrise entwickelt, die auch Eu-     liche Wachstumsschwächen. Dazu leidet die
ropa vor enorme Herausforderungen stellt.        Schweiz unter der Aufwertung des Schweizer
                                                 Frankens und der Schwächung der traditio-
Globale Herausforderungen wie die Migra-         nellen Absatzmärkte, insbesondere in der EU.
tion, der Klimawandel und andere Beein-          Obwohl sich das multilaterale Handelssystem
trächtigungen der Umwelt, der Kampf um           im Rahmen der WTO nur in kleinen Schritten
Ressourcen, Cyberattacken, der Weltraum          weiterentwickelt hat, wurden gewisse Erfol-
als «New Frontier», Terrorismus, Gewalt­         ge bei der Liberalisierung des Welthandels er-
kriminalität, Pandemien oder Antibiotika-        zielt (z.B. Handelserleichterungsabkommen,
resistenzen werden sich in Zukunft noch          Informationstechnologieabkommen). Insge-
akzentuieren. Gerade im Cyberbereich und         samt hat sich das Umfeld für eine mittlere of-
angesichts der technologischen Verletz-          fene Volkswirtschaft wie die schweizerische
lichkeit moderner Gesellschaften bestehen        verschlechtert und verlangt nach besonderen
hohe Risiken. Umweltprobleme, namentlich         Anstrengungen. Es entstehen gleichzeitig
in den Bereichen Klima und Biodiversität,        neue überregionale Normenräume (z.B. Tran-
haben längst globale politische, ökonomi-        spazifische Partnerschaft TPP), die weit über
sche und soziale Dimensionen angenom-            klassische Freihandelsabkommen hinausge-
men.                                             hen und weitreichende Konsequenzen für
                                                 die Weltwirtschaft und auch für die Schweiz
Problematisch bleibt die hohe Anzahl von         haben dürften.
Ländern mit schwachen und instabilen
staatlichen Institutionen, aber oft auch mit     Die anhaltende Umbruchsphase weist in
einer wenig entwickelten Zivilgesellschaft.      Richtung einer zunehmenden Fragmentie-
Die Bevölkerung in solchen fragilen Staaten      rung des internationalen Systems. Sie ist
leidet meist unter extremer Armut, Gewalt,       durch Unsicherheit, Volatilität und Instabili-
Korruption und politischer Willkür. Die Re-      tät, durch ein globales Führungsdefizit und
gierungen dieser Länder können oder wol-         neue Akteure sowie teilweise durch neu-­
len grundlegende staatliche Funktionen           altes Denken in machtpolitischen Kategori-

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en und exklusiven Einflusssphären gekenn-          handen ist. Bei allem Trennenden können
zeichnet. Etablierte Ordnungen und Normen          sich in der internationalen Gemeinschaft
werden infrage gestellt. Demokratie, Men-          doch immer wieder auch das Gemeinsame
schenrechte und Freiheit geraten vielerorts        und das Konstruktive durchsetzen. Beispiele
unter Druck, das Völkerrecht und die inter-        dafür sind das Nuklearabkommen mit Iran,
nationale Kooperation werden zunehmend             die Agenda 2030 für nachhaltige Entwick-
unterminiert.                                      lung, das Klimaabkommen von Paris oder
                                                   die Annäherung zwischen den USA und
Allerdings ist dieser Befund in zweierlei Hin-     Kuba. Oft übersehen werden auch positi-
sicht zu relativieren. Erstens ist das unmittel-   ve Entwicklungen wie die folgenden: Die
bare Umfeld der Schweiz nach wie vor von           Zahl der Menschen, die in extremer Armut
relativer Stabilität geprägt. Zwar ist auch die    leben, hat sich in den letzten ungefähr 20
EU mit grossen Herausforderungen konfron-          Jahren rund halbiert. Die Kindersterblichkeit
tiert. Die Schulden- und Eurokrise harrt einer     hat stark abgenommen. In vielen Entwick-
nachhaltigen Lösung. Mit der Flüchtlingskri-       lungsländern sind die Einkommen deutlich
se hat sich die politische Fragmentierung in       angestiegen, und es ist ein Mittelstand ent-
Europa verstärkt. Das Ringen um die innere         standen. Immer mehr Kinder haben Zugang
Verfasstheit der EU hält an. Die EU hat aber       zu Bildung.
im Laufe der europäischen Einigung eine
gewisse Widerstandsfähigkeit gegen Kri-
sen entwickelt. Auch wenn ihre zukünftige
Gestalt heute kaum vorhersehbar ist, kann
davon ausgegangen werden, dass sich die
EU weiterentwickelt und die zentrale Ge-
staltungsmacht in Europa bleibt. Trotz aller
Schwierigkeiten ist die EU ein sehr wichtiger
Anker von Stabilität und Wohlstand in Euro-
pa. Die Schweiz hat ein Interesse daran, dass
die EU aus der Krise findet und handlungsfä-
hig bleibt. Eine destabilisierte oder gar aus-
einanderbrechende EU hätte negative politi-
sche und wirtschaftliche Auswirkungen auf
die Schweiz.

Zweitens haben die letzten Jahre gezeigt,
dass in einer zunehmend multipolaren Welt
Kooperation und gemeinsame Lösungen
nicht nur dringend nötig, sondern auch
möglich sind, wenn der politische Wille vor-

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Verfassungsmässige Ziele der
Schweizer Aussenpolitik
Die verfassungsmässigen Ziele der Schweizer     ist geprägt durch ihre kulturelle Vielfalt, ihre
Aussenpolitik sind die Wahrung und Förde-       politischen Institutionen – insbesondere die
rung der Interessen und Werte, wie sie in der   demokratische       Mitbestimmungsmöglich-
Bundesverfassung definiert sind. Diese Inter-   keiten der Bevölkerung, den Föderalismus
essen und Werte sind auf Dauer angelegt und     und die Machtteilung (Konsens und Kon-
bieten einen breiten und stabilen Bezugsrah-    kordanz) – und Rechtssicherheit. Der innere
men für die schweizerische Aussenpolitik.       Zusammenhalt sowie das Zusammenleben
                                                verschiedener Kulturen und gesellschaftli-
Die Eidgenossenschaft schützt «die Freiheit     cher Gruppen sind ebenso eine Stärke der
und die Rechte des Volkes und wahrt die         Schweiz wie das inklusive politische System
Unabhängigkeit und die Sicherheit des Lan-      mit seinen einzigartigen Institutionen. Die-
des», «fördert die gemeinsame Wohlfahrt,        sem System und seiner politischen Kultur ist
die nachhaltige Entwicklung, den inneren        Sorge zu tragen. Denn politische und gesell-
Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des    schaftliche Stabilität ist angesichts der vielen
Landes», «sorgt für eine möglichst grosse       innerstaatlichen Konflikte in der Welt keine
Chancengleichheit unter den Bürgerinnen         Selbstverständlichkeit.
und Bürgern» und «setzt sich ein für die
dauerhafte Erhaltung der natürlichen Le-        Innen- und Aussenpolitik sind in der Schweiz
bensgrundlagen und für eine friedliche und      eng verschränkt. Die inneren Stärken der
gerechte internationale Ordnung» (Artikel       Schweiz sind auch Leitthemen ihrer Aus-
2 der Bundesverfassung). In Bezug auf die       senpolitik. Die Schweiz setzt sich ein für De-
auswärtigen Angelegenheiten hält die Bun-       mokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Dialog
desverfassung fest (Artikel 54 Abs. 2): «Der    und Kompromisskultur, für Einbindung und
Bund setzt sich ein für die Wahrung der Un-     Machtteilung sowie für die Menschenrechte
abhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohl-     und die humanitären Grundsätze.
fahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung
von Not und Armut in der Welt, zur Achtung      Aufgrund der Globalisierung können auch
der Menschenrechte und zur Förderung der        entfernte Krisen und Konflikte Auswirkungen
Demokratie, zu einem friedlichen Zusammen-      auf die Schweiz haben. Sie können sich ne-
leben der Völker sowie zur Erhaltung der na-    gativ auf die Schweizer Wirtschaft auswirken
türlichen Lebensgrundlagen».                    und Investitionen oder Exporte gefährden.
                                                Sie können Schweizerinnen und Schweizer
In diesen aussenpolitischen Zielen spiegeln     in Mitleidenschaft ziehen, die in diesen Kon-
sich die schweizerischen Werte. Die Schweiz     flikt- oder Krisenzonen leben oder reisen,

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oder die natürlichen Lebensgrundlagen ge-         Deshalb setzt sich die Schweiz im Rahmen
fährden. Fragile Staaten sind ein fruchtbarer     ihrer Möglichkeiten und im Wissen darum,
Boden für terroristische Gruppierungen mit        dass sie oft nur im Verbund mit anderen eine
menschenverachtenden Ideologien, organi-          Wirkung erzielen kann, für die Prävention
sierte Kriminalität oder bewaffnete Gewalt.       von Konflikten, die Armutsbekämpfung und
Die Weltwirtschaft reagiert sensibel auf Be-      den Umweltschutz ein. Sie engagiert sich für
drohungen der Handelsströme, des Verkehrs         internationale Stabilität bzw. die Gestaltung
und der Energieressourcen. Auch die Schweiz       der Globalisierung und internationaler Re-
ist dem Migrationsdruck aus Ländern aus-          geln und Normen. Dieses breit gefächerte
gesetzt, die von Instabilität, Unterdrückung,     Engagement wiederum hat einen positiven
Menschenrechtsverletzungen, mangelnden            Einfluss auf die Unabhängigkeit, Freiheit und
sozioökonomischen Perspektiven oder prekä-        Sicherheit der Schweiz und ihre Wohlfahrt.
ren Umweltbedingungen betroffen sind.

Prinzipien der Umsetzung
Die Umsetzung der Aussenpolitik orientiert        Gewalt zurückzugreifen, um ihre Interessen
sich an gewissen Prinzipien, die über die Kon-    durchzusetzen. Um dem entgegenzuwirken,
junktur des Tagesgeschehens hinausgehen           setzt sich die Schweiz seit Langem ein gegen
und unabhängig von kurzfristigen Entwick-         Gewalt und für eine friedliche Regelung von
lungen im internationalen Umfeld gültig blei-     Streitigkeiten.
ben. Es handelt sich dabei um die Prinzipien
der Rechtsstaatlichkeit, der Neutralität, der     Neutralität
Universalität, des Dialogs, der Solidarität und   Die Neutralität ist ein aussenpolitisches Inst-
Verantwortung sowie der Effizienz und Kohä-       rument, um die Unabhängigkeit der Schweiz
renz.                                             zu sichern. Die Schweiz hat den Status eines
                                                  dauernd neutralen Staates. Sie erfüllt die
Rechtsstaatlichkeit                               Verpflichtungen, die ihr das Neutralitäts-
Die Schweiz ist ein Rechtsstaat. Es ist im In-    recht auferlegt. Dies bedeutet in erster Linie,
teresse der Schweiz, dass in den internatio-      dass sie sich nicht an internationalen Kon-
nalen Beziehungen das Primat des Rechts           flikten beteiligt. Hingegen ist die Umsetzung
gilt und nicht die Macht des Stärkeren. Das       ihrer Neutralitätspolitik, welche die Sichtbar-
Völkerrecht und seine Einhaltung sind für         keit und Glaubwürdigkeit ihrer Neutralität
die Schweiz daher von grosser Bedeutung.          im rechtlichen Sinn gewährleisten soll, nicht
Ohne Regeln kommen internationale Akteure         an Rechtsnormen gebunden. Sie hängt von
in Versuchung, Druck auszuüben oder auf           der Analyse des aktuellen internationalen

                                                                                              11
Umfelds ab. Die Neutralität erfordert eine       zwar kein Allheilmittel und er setzt auf allen
gewisse Unparteilichkeit und Objektivität bei    beteiligten Seiten ein Minimum an Dialog-
Stellungnahmen, aber sie bildet kein Hinder-     bereitschaft voraus. Aber ohne Dialog bzw.
nis bei der Interessenwahrung. Sie ist im Ge-    Dialogangebote besteht kaum eine Chan-
genteil ein flexibles Instrument, das bei der    ce, in einem Konflikt eine Lösung zu finden
Umsetzung der Schweizer Aussenpolitik zur        bzw. einen sich anbahnenden Konflikt zu
Verfügung steht und den Kontakt zu unter-        verhindern. Ein aktives Zuhören und das Be-
schiedlichen Gesprächspartnern erleichtert.      mühen, die jeweiligen Akteure zu verstehen,
Insbesondere kann sie von Vorteil bei der        bedeuten zudem nicht, dass die Schweiz
Erbringung von «Guten Diensten» sein, die        einverstanden ist mit den entsprechenden
eine traditionelle Stärke der Schweizer Aus-     Positionen und nicht zu ihren Interessen und
senpolitik sind und die es der Schweiz erlau-    Werten stehen kann.
ben, sich von anderen abzuheben und eine
besondere Rolle zu spielen.                      Solidarität und Verantwortung
                                                 Heute bemessen sich der Einfluss eines Staa-
Universalität                                    tes und seine Fähigkeit, sich Spielräume zur
Die Schweiz bemüht sich traditionell, so         Wahrung seiner Interessen zu verschaffen,
weit wie möglich gute Beziehungen zu allen       nicht nur an seiner militärischen Macht, wirt-
Staaten der Welt zu unterhalten. Als Land,       schaftlichen Stärke oder Bevölkerungszahl,
das besonders wirtschaftlich stark von sei-      sondern hängen auch ab von seiner Bereit-
ner Weltoffenheit abhängt und weder Mit-         schaft, solidarische und verantwortungsvolle
glied der EU noch anderer wichtiger Bünd-        Beiträge zur Bewältigung der globalen He-
nisse oder Gruppen wie der G20 ist, muss         rausforderungen zu leisten. Die Verantwor-
die Schweiz ein ausgedehntes Beziehungs-         tung bezieht sich auch auf die künftigen
netz unterhalten, um ihre Interessen wirk-       Generationen. Es muss das Ziel sein, diesen
sam wahren zu können. Der Grundsatz der          Generationen durch eine verantwortungs-
Universalität bedeutet aber nicht, dass die      volle Aussenpolitik ein möglichst friedliches
schweizerische Aussenpolitik keine Prioritä-     und sicheres Umfeld und eine intakte Um-
ten setzt. Er hindert die Schweiz auch nicht     welt zu hinterlassen.
daran, die besondere Bedeutung gewisser
Partner anzuerkennen und länderspezifische       Effizienz und Kohärenz
Strategien zu entwickeln.                        Zentral in der schweizerischen Aussenpolitik
                                                 ist die Effizienz. Die Schweizer Aussenpolitik
Dialog                                           im Allgemeinen und schweizerische aussen-
Der Dialog ist ein wichtiges Element der po-     politische Initiativen, Vorstösse und Aktio-
litischen Kultur in der Schweiz. Auch in ihrer   nen im Besonderen müssen sich immer an
Aussenpolitik ist die Schweiz dem Dialog         den zur Verfügung stehenden Mitteln mes-
verpflichtet. Sie versucht, Brücken zu bauen     sen und rationell mit knappen Ressourcen
und den Dialog zu fördern. Der Dialog ist        umgehen. Es ist weniger der Kraftakt, son-

12
dern die geplante, strategische Massnahme,
die im Zentrum der aussenpolitischen Aktivi-
tät steht. Dies äussert sich in allen Aktions-
feldern, namentlich bei der konsularischen
Betreuung der Auslandschweizerinnen und
-schweizer und der Schweizer Reisenden im
Ausland. Effizienz setzt kohärentes Handeln
in der Aussenpolitik voraus; Effizienz und
Kohärenz bedingen sich gegenseitig. Kohä-
renz bedeutet, dass die Zusammenhänge
zwischen einzelnen Politikbereichen erkannt
werden und das aussenpolitische Handeln
entsprechend abgestimmt wird. Die Globa-
lisierung stellt erhöhte Anforderungen an
die Kohärenz namentlich zwischen verschie-
denen Sektorpolitiken. Transparenz und
gegenseitige Information sind wichtig, um
frühzeitig Inkohärenzen zu erkennen und
Kohärenz zu schaffen. Allfällige Inkohären-
zen und Ziel- und Mittelkonflikte, mit denen
sich jede Aussenpolitik konfrontiert sieht,
gilt es durch Koordinationsverfahren und die
Definition sachspezifischer Kriterien zu mini-
mieren.

                                                 13
Strategische Schwerpunkte
der Aussenpolitik
Eine aktive, vorausschauende Aussenpolitik              lassen, um auch kurzfristig Handlungsspiel-
bedarf strategischer Prioritäten. Gerade vor            räume und Handlungschancen identifizieren
dem Hintergrund vielfältiger aussenpoliti-              und aktiv nutzen und auf neue Entwicklun-
scher Tätigkeiten und Akteure ist es wichtig,           gen lösungsorientiert reagieren zu können.
Prioritäten zu setzen. Die aussenpolitische             Die vier strategischen Schwerpunkte sind
Strategie steckt einen Rahmen ab und defi-              keine isolierten Bereiche. Sie stehen vielmehr
niert die grossen Linien des internationalen            in einer engen Wechselwirkung und überlap-
Engagements für die Legislaturperiode bis               pen sich. Die entsprechenden Synergien gilt
2019. Sie soll Raum und genügend Flexibilität           es konstruktiv zu nutzen.

   EU UND                                                                       NACHHALTIGE
                                              GLOBALE   FRIEDEN UND
  EU-/EFTA-                                                                     ENTWICKLUNG
                                              PARTNER    SICHERHEIT
  STAATEN                                                                      UND WOHLSTAND

Foto: Parlamentsdienste, 3003 Bern; Grafik: EDA

14
Beziehungen zur Europäischen Union
und zu den EU-/EFTA-Staaten
KERNZIEL                                         plätze, kulturelle Diversität, Umwelt, Ge-
Die Schweiz stellt auf der Basis einer           sundheit). Die Schweiz arbeitet in vielfältiger
Konsolidierung und Erneuerung des                Weise im multi- und bilateralen Rahmen mit
bilateralen Wegs ein geregeltes, part-           ihren Partnern in Europa zusammen – auch
nerschaftliches und ausbaufähiges                in der OSZE, im Europarat, im Rahmen der
Verhältnis zur EU sicher und fördert             NATO-Partnerschaft für den Frieden, mit
enge Beziehungen zu den EU-/EFTA-                den EFTA-Staaten und mit subregionalen
Staaten, unter besonderer Berück-                Kooperationsgruppen. Der EU kommt dabei
sichtigung der Nachbarstaaten.                   eine herausragende Bedeutung zu.

                                                 Das Kernziel der nächsten vier Jahre ist es,
Die Schweiz liegt in der Mitte Europas. Sie      ein geregeltes, partnerschaftliches und aus-
teilt die demokratischen Grundwerte ihrer        baufähiges Verhältnis zur EU sicherzustel-
europäischen Partner und ist politisch, wirt-    len. Gute Beziehungen mit der EU sind eine
schaftlich und kulturell eng mit diesen und      Voraussetzung für eine pragmatische, von
vor allem mit ihren Nachbarstaaten verknüpft,    Interessen und Werten geleitete Zusammen-
die mit Ausnahme Liechtensteins allesamt         arbeit mit den Staaten Europas in einer Viel-
EU-Mitglieder sind. Sie zeigt sich solidarisch   zahl von Politikfeldern. Diese Zusammen-
im Engagement für Stabilität und Entwick-        arbeit trägt zur Förderung von Wohlstand
lung auf dem europäischen Kontinent.             und Sicherheit bei. Die Schweiz und die EU
                                                 haben ein gemeinsames Interesse an sta-
Vor dem Hintergrund der globalen Macht-          bilen bilateralen Beziehungen. Als gewich-
verschiebungen und grenzüberschreiten-           tiger wirtschaftlicher Partner und in ihrer
der Herausforderungen und Bedrohungen            Nord-Süd-Brückenfunktion ist die Schweiz
braucht es stabile Partnerschaften – vor         enger verflochten mit der EU als mancher
allem mit gleichgesinnten Staaten – und          Mitgliedstaat.
gemeinsame Lösungen. Dies trifft insbeson-
dere zu auf den globalen Wettbewerb (For-        Die derzeitigen Herausforderungen – wie
schung, Handel, Innovation), die innere und      zum Beispiel die Bewältigung der Flücht-
äussere Sicherheit (u.a. Terrorismus- und Kri-   lingskrise –, die den ganzen Kontinent be-
minalitätsbekämpfung), die internationale        treffen, verdeutlichen die Bedeutung einer
Zusammenarbeit und die humanitäre Hilfe          intensiven und guten Zusammenarbeit mit
sowie die Lebensqualität der Bürgerinnen         der EU als wichtigster Partnerin. Die Schweiz
und Bürger (Mobilität, Chancen, Arbeits-         setzt sich im Rahmen ihrer Schengen- und

                                                                                             15
Bundesrat Didier Burkhalter (rechts) begrüsst den deutschen Bundesaussenminister
Frank-Walter Steinmeier zu einem Arbeitsbesuch in Bern im August 2015. KEYSTONE/Peter Schneider

Dublin-Assoziierung für wirksame europäi-              gänger, Grenzregionen). Ein Drittel des
sche Lösungen – in Ergänzung zu nationa-               Aussenhandels der Schweiz insgesamt und
len Massnahmen – ein und positioniert sich             knapp zwei Drittel des Aussenhandels mit
als autonome, aber gleichzeitig solidarische,          der EU betreffen die Nachbarstaaten. Die
kooperative Partnerin und wahrt dabei ihre             Schweiz figuriert ihrerseits bei allen Nach-
aussenpolitischen Interessen. Dies gilt eben-          barstaaten unter den zehn wichtigsten Han-
falls im Rahmen der Terrorismus- und Krimi-            delspartnern. Eng ist auch die soziale Vernet-
nalitätsbekämpfung, für welche die Schen-              zung: Über 750‘000 Staatsangehörige aus
gen-Assoziierung wertvolle Instrumente wie             den Nachbarstaaten leben in der Schweiz,
beispielsweise das Schengener Informations-            weitere 290‘000 arbeiten in der Schweiz
system oder gemeinsame Kontrollstandards               als Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Es
bei Aussengrenzübertritten bietet. Darüber             leben aber auch über 300‘000 Schweizerin-
hinaus arbeitet die Schweiz u.a. im Bereich            nen und Schweizer in den Nachbarstaaten.
«Foreign Terrorist Fighters» eng mit Europol
zusammen.                                              Die Schweiz und die EU organisieren und
                                                       gestalten ihre Beziehungen mit einer Reihe
Die wirtschaftliche Verflechtung ist beson-            von bilateralen Verträgen, die eine Vielzahl
ders hoch mit den Nachbarstaaten (Grenz-               von sektoriellen Zusammenarbeitsfeldern

16
abdecken. Diese Verträge bilden zusammen        klausel, beruht. Eine solche einvernehmliche
den «Bilateralen Weg». Diese Form der Zu-       Lösung mit der EU würde es erlauben, das
sammenarbeit ermöglicht den Ausbau und          Protokoll III zur Ausdehnung des Freizügig-
die Vertiefung der Beziehungen zwischen         keitsabkommens auf Kroatien zu ratifizieren.
der Schweiz und der EU und ist in beider­       Bei einer Ratifizierung des entsprechenden
seitigem Interesse.                             Protokolls bis am 9. Februar 2017 kann sich
                                                die Schweizer Forschung erneut vollasso-
Der «Bilaterale Weg» braucht aber einen         ziiert und gleichberechtigt an den euro-
institutionellen Rahmen, der es erlaubt, die    päischen Forschungsrahmen­programmen
bestehenden Verträge à jour zu halten. Dies     (Horizon 2020-Paket) beteiligen.
garantiert den Zugang zum Binnenmarkt,
erhöht die Rechtssicherheit und verhindert      Ferner ist der institutionelle Rahmen der Be-
eine Erosion der Grundlagen der bilateralen     ziehungen mit der EU zu regeln. Ein solches
Verträge. Die Annahme der Volksinitiative       institutionelles Abkommen ist die Grundlage
«Gegen Masseneinwanderung» am 9. Feb-           für zukünftige sektorielle Abkommen über
ruar 2014 durch Volk und Stände hat neue        den Zugang zum EU-Binnenmarkt – bei-
Unsicherheiten in Bezug auf die Zukunft         spielsweise im Elektrizitätsbereich oder im
des «Bilateralen Wegs» geschaffen. Insbe-       Bereich der Finanzdienstleistungen. Der Ab-
sondere die Unvereinbarkeit des neuen Ar-       schluss neuer Abkommen der Zusammen-
tikels 121a der Bundesverfassung mit dem        arbeit und die Verbreiterung der bisherigen
Abkommen über die Personenfreizügigkeit         Kooperationsfelder werden dazu beitragen,
gefährdet die sogenannten Bilateralen I und     den «Bilateralen Weg» weiterzuentwickeln
hat negative Auswirkungen auf andere Ko-        – beispielsweise in den Bereichen Sicherheit,
operationsfelder zwischen der Schweiz und       Umwelt oder Gesundheit. Im Bereich For-
der EU, namentlich die Bereiche Bildung,        schung ist es das Ziel, das Niveau der Zusam-
Forschung und Innovation.                       menarbeit vor dem 9. Februar 2014 im Jahr
                                                2017 wieder zu erreichen. In diesem Kontext
Der Bundesrat setzt sich daher das Ziel, den    wird der Bundesrat in der laufenden Legisla-
«Bilateralen Weg» zu erneuern, um ihn da-       tur auch über die Erneuerung des Erweite-
mit zu erhalten und seine Weiterentwick-        rungsbeitrags zur Reduzierung der sozialen
lung sicherzustellen. Er will eine Lösung mit   und ökonomischen Unterschiede in der er-
der EU finden, die es erlaubt, die Zuwan-       weiterten EU entscheiden.
derung aus EU-Staaten besser zu steuern
und das Abkommen über die Personen-             Die strategischen Partnerschaften mit
freizügigkeit zu erhalten. Zu diesem Zweck      Deutschland, Frankreich, Italien und Öster­
strebt er eine einvernehmliche Lösung mit       reich, denen im Beziehungsgefüge der
der EU an, die auf einer gemeinsamen In-        Schweiz in Europa eine zentrale Rolle zu-
terpretation der Anwendungsmodalitäten          kommt, sollen konsolidiert und punktuell
des Abkommens, insbesondere der Schutz-         ausgebaut werden. Die Beziehungen haben

                                                                                          17
sich in der Legislatur 2011–2015 positiv         Rolle als EU-­Mitglieder zu pflegen. Fünftens
entwickelt. Sie sind aber noch immer aus-        gilt den Grenzregionen ein besonderes Au-
baufähig und bedürfen einer konstanten           genmerk. Für gemeinsame Herausforderun-
Pflege. Erstens soll die Besuchsdiplomatie       gen soll weiterhin grenzüberschreitend nach
intensiv bleiben, um die Kommunikations-         Lösungen gesucht werden.
kanäle offen zu halten, die ganze Breite der
bilateralen Zusammenarbeit regelmässig zu        Auch mit Liechtenstein pflegt die Schweiz
würdigen und allenfalls neue Zusammenar-         sehr enge und vertrauensvolle Beziehun-
beitsfelder zu identifizieren. Zweitens sollen   gen. Über ihre Nachbarstaaten hinaus will
konkrete bilaterale Fragen rasch themati-        die Schweiz mit allen EU-und EFTA-Staaten
siert und einer Lösung zugeführt werden.         enge Kontakte weiterführen und eine aktive
Drittens sollen die Koordination und Ko-         Besuchsdiplomatie pflegen. Dabei strebt sie
operation mit den Nachbarstaaten im Hin-         auch den Aufbau bzw. die Weiterführung
blick auf die multilaterale Zusammenarbeit       und Intensivierung themenspezifischer Ko-
– beispielsweise in der UNO oder der OSZE        operationen an, auch im multilateralen Rah-
– weiter vertieft werden. Viertens sind die      men. Mit der jeweiligen EU-Ratspräsident-
Beziehungen der Schweiz mit den Nachbar-         schaft sucht die Schweiz einen intensiven
staaten gerade im Hinblick auf ihre zentrale     Austausch.

Beziehungen zu globalen Partnern
KERNZIEL                                         als bilateral bezeichneten Beziehungen blei-
Die Schweiz vertieft das Bezie-                  ben zentral. Angesichts der globalen Macht-
hungsnetz mit globalen Partnern,                 verschiebungen und aufgrund der Tatsache,
um ihre Interessen zu wahren und                 dass die Schweiz weder EU-, NATO- noch
konkrete Probleme zu lösen.                      G20-Mitglied ist, ist es wichtig, dass sie
                                                 ihre Beziehungen zu Staaten, Regionen und
                                                 inter­nationalen Organisationen jenseits des
Die Schweizer Aussenpolitik ist dem Grund-       EU-/EFTA-Raums stärkt.
satz der Universalität verpflichtet: Demnach
pflegt die Schweiz Beziehungen nicht nur         Bilaterale Themen und Probleme, aber auch
zu Gross- und Regionalmächten, sondern           Kooperationsmöglichkeiten      verschwinden
auch zu mittleren und kleineren Staaten,         in einer zunehmend globalen und interde­
Regionalorganisationen und – angesichts          pendenten Welt keineswegs. Zudem überlap-
der Machtverlagerung zunehmend wichtig –         pen sich bi- und multilaterale Themenfelder
nicht-staatlichen Akteuren. Diese gemeinhin      häufig. Daher nehmen multilaterale Aspekte

18
Generalversammlung der Afrikanischen Union in Addis Abeba.

einen wichtigen Teil der bilateralen Beziehun-   Zusammenarbeit unterscheiden. Dialoge un-
gen ein. Die Schweiz will bilaterale Kontakte    terschiedlicher Intensität führt die Schweiz
systematisch nutzen, um Anliegen (z.B.           grundsätzlich mit allen Staaten, die ihrer-
diplomatische Initiativen und Kandidaturen)      seits Interesse an einem solchen Austausch
und Interessen – insbesondere in den drei        haben. Partnerschaften pflegt die Schweiz
anderen strategischen Schwerpunkten dieser       mit ausgewählten Staaten, mit denen sie
Strategie – Gehör zu verschaffen, gleichge-      sich auf Minister- und auch technischer
sinnte Staaten zu identifizieren bzw. zu pfle-   Ebene regelmässig austauscht. Strategische
gen und die bi- und multilaterale Koope­ration   Partnerschaften basieren unter anderem
in unterschiedlichsten Themenfeldern von ge-     auf entsprechenden Absichtserklärungen
meinsamem Interesse zu stärken. In einer sys-    der beiden Seiten (z.B. «Memorandum of
tematischeren Zusammenarbeit mit Staaten         Understanding» oder «Joint Statement»),
vergleichbarer Grösse und ähnlichen aussen-      diversen Koordinationsmechanismen auf
und wirtschaftspolitischen Positionen liegt      Schweizer Seite (z.B. Länderstrategien,
beträchtliches Potenzial.                        «Road­maps», intra- und interdepartementa-
                                                 le Koordinationssitzungen), jährlichen politi-
Grundsätzlich lassen sich drei Ebenen des        schen Konsultationen, regelmässigen sekto­
bilateralen Austauschs bzw. der bilateralen      riellen Konsultationen und Dialogen und

                                                                                            19
regelmässigen Kontakten auf Aussen- und           Die regionale Präsenz und Vernetzung der
Fachministerebene.                                Schweiz soll unter anderem in Südost- und
                                                  Osteuropa, in Zentralasien, im asiatisch-­
Das Konzept der strategischen Partnerschaf-       pazifischen Raum, auf dem amerikanischen
ten geht auf einen Entscheid des Bundesrats       Doppelkontinent, in Afrika und im Nahen
von 2005 zurück, die Beziehungen mit den          und Mittleren Osten konsolidiert werden.
USA, Japan, den BRICS-Staaten (Brasilien,         In diesen Regionen hat die Schweiz unter-
Russland, Indien, China, Südafrika) und der       schiedlich gelagerte politische, sicherheits-
Türkei zu vertiefen. Die Intensivierung und       politische, wirtschaftliche, umwelt- und
Diversifizierung der strategischen Partner-       migrationspolitische Interessen. Die Inst-
schaften der Schweiz mit diesen Ländern           rumente der bilateralen Zusammenarbeit
bleibt ein Ziel der Legislaturperiode bis 2019.   werden situativ und zielführend eingesetzt.
Insbesondere sollen die Koordination und
Kohärenz der strategischen Partnerschaf-          Ein zunehmendes politisches, oft aber auch
ten gestärkt werden, um eine zweckmässi-          ökonomisches Gewicht haben Regionalor-
ge Wahrung von Schweizer Interessen und           ganisationen. Die Schweiz hat daher ein
Werten sicherzustellen. Themen und Zu-            Interesse daran, ihre Präsenz in diesen Orga-
sammenarbeitsfelder, bei denen die Schweiz        nisationen durch eine Kooperation dort zu
einen Mehrwert zu bieten hat oder schaffen        stärken, wo beiderseitiges Interesse besteht.
kann und ihrerseits vermag, von der Koope-        Die Schweiz ist bereits als Beobachterin akkre-
ration zu profitieren und ihren Einfluss gel-     ditiert bzw. als Partnerin aktiv u.a. bei der Pa-
tend zu machen, sollen weiter bearbeitet          zifikallianz, der Organisation Amerikanischer
oder neu definiert werden.                        Staaten (OAS), der Organisation für Islami-
                                                  sche Zusammenarbeit (OIC), der Arabischen
In den vergangenen Jahren sind mit weite-         Liga, der Westafrikanischen Wirtschaftsge-
ren G20-Ländern Partnerschaften aufge-            meinschaft (ECOWAS), der Intergovernmen-
baut worden, die quasi die Qualität von stra-     tal Authority on Development (IGAD) und
tegischen Partnerschaften aufweisen (z.B.         der Afrikanischen Union. Angestrebt wird
Mexiko, Südkorea, Indonesien, Australien).        der Status eines sektoriellen Dialogpartners
Die Konsolidierung dieser Partnerschaften         («Sectorial Dialogue Partner») bei der Vereini­
ist eine Priorität. Zudem ist bis zur Mitte der   gung südostasiatischer Staaten (Association
aktuellen Legislatur zu prüfen, ob sich strate-   of Southeast Asian Nations, ASEAN). Auch
gische Partnerschaften mit weiteren Staaten       Verbünde kleiner und Kleinststaaten, zum Bei-
rechtfertigen – sofern diese Partner eben-        spiel in der Karibik (CARICOM) oder im Pazifik
falls ein Interesse daran haben und das EDA       (PIF), können interessante Partner sein. Vor
über die entsprechenden Ressourcen (auch          diesem Hintergrund gilt es, die Aktivitäten der
vor Ort) verfügt, um den «Follow-up» und          Schweiz als Beobachterin in bzw. Partnerin
die Koordination sicherzustellen.                 von Regionalorganisationen in der aktuellen
                                                  Legislaturperiode zu systematisieren.

20
Für die Stärkung und Vertiefung des Bezie-        und Netzwerken, der Koordination, der
hungsnetzes mit Partnern und Regionen             Besuchsvorbereitung, -begleitung und dem
ausserhalb des EU-/EFTA-Raums ist ein             «Follow-up» sowie bei der Analyse und Be-
breites Aussennetz zentral. Die Präsenz vor       richterstattung. Das Aussennetz erbringt
Ort schafft einen erheblichen Mehrwert,           auch erhebliche Dienstleistungen für die
beispielsweise in der Umsetzung der Aus-          Schweizer Wirtschaft, gerade auch für KMU.
senpolitik, bei der Pflege von Kontakten

Frieden und Sicherheit
KERNZIEL                                          sie mit ihrer eigenständigen und mitgestal-
Die Schweiz baut ihr Engagement für               tenden Aussenpolitik nützliche Beiträge an
Frieden und Sicherheit aus und gibt               die Förderung von Frieden und Sicherheit
wesentliche Impulse für eine tragfähige           leisten kann. In der heutigen multipolaren
und gerechte internationale Ordnung.              Welt gehört die Schweiz zu keinem der
                                                  Machtzentren. Sie ist ein europäisches Land,
                                                  das europäische Werte vertritt. Doch ihr En-
Die Bedeutung des Engagements für Frieden         gagement für Frieden und Sicherheit ist ei-
und Sicherheit hat in den letzten Jahren zu-      genständig. Die Schweiz kann Brücken bau-
genommen. Dies ist einerseits auf die kri-        en, wo andere blockiert sind, mit vielfältigen
senhaften internationalen Entwicklungen           Partnern zusammenarbeiten und eigene
zurückzuführen, die auch auf die Schweiz          Initia­tiven entwickeln.
negative Rückwirkungen haben. Als stark
globalisiertes Land mit einer exportorientier-    In den letzten fünfzehn Jahren hat die
ten Wirtschaft ist die Schweiz für ihre Sicher-   Schweiz zudem ein breites und innovatives
heit und ihren Wohlstand auf ein stabiles         Instrumentarium zur Förderung von Frieden
Umfeld und eine tragfähige und gerechte           und Sicherheit entwickelt, das auf die heu-
internationale Ordnung angewiesen. Gera-          tigen Herausforderungen zugeschnitten ist.
de in Zeiten der Unsicherheit und Krisen ist      Mit ihrem der Universalität verpflichteten
es wichtig und im Sinne der Interessen und        Aussennetz und ihrem teilweise jahrzehn-
Werte der Schweiz, dass sie mit einem um-         telangen Engagement im Rahmen der inter-
fassenden und kreativen Engagement ihr            nationalen Zusammenarbeit verfügt sie in
Umfeld mitgestaltet.                              vielen Kontexten über gute Voraussetzun-
                                                  gen, um eine sinnvolle Rolle spielen zu kön-
Andererseits vermochte die Schweiz in den         nen. Dabei engagiert sich die Schweiz vor
letzten Jahren immer wieder zu zeigen, dass       allem dort, wo sie Mehrwert schaffen kann

                                                                                             21
aufgrund ihrer Erfahrung und Netzwerke,           internen Mediationsnachwuchs fördern und
ihres Knowhows und ihres Instrumenta-             verstärkt mit Partnern, anderen Staaten und
riums. Die geografischen Schwerpunkte             Organisationen zusammenarbeiten.
umfassen den Nahen und Mittleren Osten,
Afrika sowie den OSZE-Raum.                       Über die Mediation und Krisendiplomatie
                                                  hinaus werden die Instrumente zur Förde-
Das Engagement der Schweiz für Frieden            rung von Frieden und menschlicher Sicher-
und Sicherheit lässt sich vereinfacht untertei-   heit weiterhin eine zentrale Rolle spielen.
len in Krisen- und Konfliktbearbeitung einer­     Dabei geht es insbesondere um die Stärkung
seits und die Mitgestaltung gemeinsamer           rechtsstaatlicher Institutionen, um demokra-
Antworten auf globale Herausforderungen           tische Transition und um Prozesse für einen
andererseits. Es ist wichtig, dass trotz der      nachhaltigen Frieden ohne neue Gewalt. Es
aktuell hohen Beanspruchung durch Krisen          geht auch um Vergangenheitsarbeit und
auch der längerfristig ausgerichteten Ge-         die Prävention von Gräueltaten sowie um
staltung der Globalisierung gebührend Auf-        den Schutz der Zivilbevölkerung vor Gewalt.
merksamkeit geschenkt wird.                       Daneben beteiligt sich die Schweiz an den
                                                  laufen­den Arbeiten zur Anpassung des In-
Betreffend Krisen- und Konfliktbearbei-           strumentariums von Friedensmissionen der
tung wird das EDA den Bereich Mediation           UNO und unterstützt diese mit zivilem und
weiter stärken. Mediation und Fazilitation        militärischem Personal. Ein wichtiges An-
sind Teil der «Guten Dienste» der Schweiz,        liegen der Schweiz ist der bessere Schutz
die weltweit geschätzt und nachgefragt            von Frauen in Konflikten sowie ihre stärke-
sind. Sie tragen wirksam zur Deeskalation         re Einbindung in Friedensprozesse, im Sin-
und der Lösung von Konflikten bei. Immer          ne der UNO-Resolution 1325. Aber auch
mehr Staaten möchten die «Guten Dienste»          als Schutzmacht für Staaten, die zwischen-
der Schweiz in diesem Bereich in Anspruch         zeitlich keine diplomatischen Beziehungen
nehmen. Deshalb will das EDA die Medi-            miteinander unterhalten, steht die Schweiz
ation professionalisieren, die Kapazitäten        weiterhin zur Verfügung.
erhöhen und die Ausbildung ausbauen.
In Zukunft soll die Schweiz vermehrt eige-        Die Förderung der Menschenrechte ist ein
ne Mediationen leiten und beispielsweise          grundlegender Pfeiler der schweizerischen
der UNO und der OSZE öfter eigene hoch­           Aussenpolitik. Ohne Einhaltung der Men-
rangige Mediatorinnen und Mediatoren zur          schenrechte kann es keine nachhaltige Si-
Verfügung stellen, wie sie dies bereits heute     cherheit geben. Die Schweiz engagiert sich
zum Beispiel für die Friedensbemühungen           für die weltweite Respektierung und Förde-
in der Syrien- und der Ukrainekrise tut. Sie      rung der Menschenrechte und ihre effektive
bietet zudem themenspezifische Mediation          Umsetzung. Dadurch, dass sie den Dialog
an, beispielsweise im Bereich Wasser. Mit         mit allen Parteien sucht und sich dafür enga-
Hilfe spezifischer Karrieren will das EDA den     giert, das Gemeinsame über das Trennende

22
In einer Feuerpause kann das IKRK die Bevölkerung in der Region Donezk in der Ukraine im
März 2015 mit dem Lebensnotwendigsten versorgen – in Zusammenarbeit mit der OSZE-Sonder­
beobachtermission SMM (hinten links Alexander Hug, stellvertretender SMM-Leiter). OSZE

zu stellen, kann die Schweiz mit ihrem En-      Schweiz engagiert sich mit bilateralen und
gagement Brücken bauen. Sie bleibt dabei        multilateralen Instrumenten und konkreten
ihren Werten und Interessen treu. Dieser        Projekten dort, wo sie einen spezifischen,
Ansatz ermöglicht es der Schweiz, in ihrem      glaubwürdigen und substanziellen Beitrag
Menschenrechtsengagement eine Vorrei-           zu leisten vermag (z.B. Einsatz für die Ab-
terrolle zu spielen – beispielsweise in Bezug   schaffung der Todesstrafe, Schutz von Men-
auf die Einbindung der Zivilgesellschaft, des   schenrechtsverteidigern, Privatsektor und
Privatsektors sowie anderer nicht-staatlicher   Menschenrechte).
Akteure in die Menschenrechtsthematik.
                                                Grosse Bedeutung misst die Schweiz dem
Im multilateralen Rahmen setzt sich die         Schutz und den Rechten von Migranten in
Schweiz ein für starke globale, regionale       den Herkunftsregionen bei. So unterstützt
und nationale Menschenrechtsinstitutionen       sie Erstaufnahmeländer wie die Nachbar-
im Allgemeinen und für eine Ressourcenauf-      staaten Syriens, Staaten am Horn von Afrika
stockung des Menschenrechtspfeilers der         und Staaten in Osteuropa in der Stärkung von
UNO im Besonderen. Die Überwachung der          Schutz- und Aufnahmekapazitäten. Mittels
effektiven Umsetzung der Menschenrechte         eines effizienten Asylsystems und verbes-
ist eine weitere Priorität der Schweiz. Die     serten Lebensbedingungen der Migranten

                                                                                           23
(Schutz, Versorgung, wirtschaftliche Inte-       mismus. Die Prävention von gewalttätigem
gration) soll der Druck für eine Weiterreise     Extremismus will langfristig insbesondere in
nach Europa verringert werden. Zu den aus-       fragilen Kontexten der Radikalisierung und
senpolitischen Beiträgen an die Bewältigung      Rekrutierung Jugendlicher vorbeugen und
der Flüchtlingskrise zählen neben bilateralen    potenziell gefährdete Gruppen dagegen
und multilateralen Massnahmen im Bereich         wider­ standsfähiger machen. Die Schweiz
der Migrationsaussenpolitik ein humanitä-        will sich an der entsprechenden Politikgestal-
res Engagement zur Linderung der Not vor         tung sowie am Erarbeiten und Weiterentwi-
Ort, die Bekämpfung der Flucht­    ursachen      ckeln von erfolgreichen Modellen beteiligen
durch Friedensförderung und Entwicklungs-        («best practices»). Sie will das internationale
zusammenarbeit sowie Beiträge an die Be-         Genf als Drehscheibe für die Ursachenbe-
mühungen um eine bessere Steuerung der           kämpfung von Terrorismus fördern und ent-
Migration Richtung Europa im Sinne einer         sprechende Projekte lancieren, zum Beispiel
kooperativen europäischen Migrationsgou-         mit dem dort ansässigen Global Community
vernanz. Auf der Basis der Nansen-Initiative     Engagement and Resilience Fund (GCERF).
engagiert sich die Schweiz zudem für den         Konkretisiert wird das Schweizer Engage-
Schutz von Menschen, die nach Umwelt­            ment mit einem aussenpolitischen Aktions-
katastrophen ihre Heimat verlassen müssen.       plan des EDA für die Prävention von gewalt-
                                                 tätigem Extremismus.
Ein wichtiger Aspekt des Engagements für
Frieden und Sicherheit ist die Bekämpfung        Hinsichtlich der Erarbeitung gemeinsamer
des internationalen Terrorismus. Der Bun-        Antworten auf globale Herausforderungen
desrat hat 2015 die Strategie der Schweiz        misst die Schweiz der Handlungsfähigkeit in-
zur Terrorismusbekämpfung verab­    schiedet.    ternationaler Organisationen grosse Bedeu-
Die Bekämpfung des Terrorismus soll ge-          tung zu. Die Gestaltung der Globalisierung
mäss dieser Strategie im Rahmen der Verfas-      erfordert einen funktionierenden Multila-
sung und des Völkerrechts unter besonderer       teralismus. Eine zentrale Rolle im Engage­
Berücksichtigung der Grund- und Men-             ment der Schweiz für Frieden und Sicherheit
schenrechte erfolgen. Die Schweiz will da-       spielt die UNO. Die Schweiz prägt wichtige
bei insbesondere auch als verlässliche, dem      UNO-Reformdiskussionen und Überprü-
Völkerrecht verpflichtete und umsichtige Ak-     fungsprozesse mit. In den nächsten Jahren
teurin agieren. Die Aussenpolitik hat einen      setzt sie einen Akzent bei der Konflikt­
Bezug zu allen vier strategischen Handlungs-     prävention und der Friedenskonsolidierung.
feldern (Prävention, Repression, Schutz, Kri-    Zudem unterstützt sie Massnahmen, welche
senvorsorge) und umgekehrt.                      die Zusammenarbeit zwischen Menschen-
                                                 rechtsrat und Sicherheitsrat, aber auch an-
Eine aussenpolitische Priorität im Bereich der   deren politischen Organen der UNO verbes-
Terrorismusbekämpfung ist das Engagement         sern. Die Schweiz kandidiert für einen Sitz
der Schweiz gegen den gewalttätigen Extre-       im UNO-Sicherheitsrat 2023–2024 und will

24
auch in diesem Forum mit ihren Kompe-              gleich mit anderen Orten einmalig ist, kann
tenzen als Brückenbauerin zu Frieden und           die Schweiz aktiv dazu beitragen, Herausfor-
Sicher­heit beitragen.                             derungen zu bewältigen, die einer koordi­
                                                   nierten Reaktion bedürfen. Die Schweiz will
Auf der regionalen Ebene kommt der OSZE            dabei gezielt eine vernetzte Arbeitsweise
eine zentrale Rolle zu. Hier hat die Schweiz       fördern. Das in Genf ansässige Wissen soll
im Rahmen ihres Vorsitzes 2014 und ihrer           für den Umgang mit den zunehmend kom-
Mitgliedschaft in der Troika in den Jahren         plexen Prozessen in der globalen Gouver-
2013 bis 2015 mehrere Initiativen entwickelt,      nanz genutzt werden.
die sie weiterverfolgen will. Die Schweiz wird
sich weiterhin einsetzen für eine Lösung der       Zu den thematischen Prioritäten in der
Ukrainekrise wie auch weiterer Konflikte,          Gestaltung der Globalisierung im Bereich
beispielsweise im Südkaukasus. Auch strebt         Frieden und Sicherheit zählen eine Terror-
sie eine Erweiterung der OSZE-Fähigkeiten          bekämpfung auf der Grundlage von Rechts-
für Friedensoperationen an. Ebenso schlägt         staatlichkeit und Menschenrechten, ein
sie eine verstärkte Rolle der OSZE in der          friedlicher, sicherer und offener Cyberraum,
Förderung von wirtschaftlichem Austausch           der auf klaren Regeln und gegenseitigem
(Konnektivität) vor. Zudem setzt sich die          Vertrauen basiert, sowie die Rüstungskont-
Schweiz für einen grundlegenden politi-            rolle, Abrüstung und die Verhinderung der
schen Dialog der OSZE-Staaten zur künfti-          Proliferation von konventionellen Waffen,
gen europäischen Sicherheit ein. Eine Basis        von Massenvernichtungswaffen und Träger-
hierfür sind die zwei Berichte des Panel of        mitteln.
Eminent Persons on European Security as a
Common Project, das die Schweiz ini­      tiiert   Die Schweiz engagiert sich für das Völker-
hatte. Ein weiteres Anliegen betrifft die          recht. Eine regel- und normenbasierte Ord-
bessere Umsetzung der Verpflichtungen im           nung ist Voraussetzung für internationale Sta-
Bereich der menschlichen Dimension. Über           bilität. Die Schweiz fordert insbesondere die
die OSZE hinaus setzt sich die Schweiz für         bessere Einhaltung des humanitären Völker­
die Förderung kooperativer Sicherheit ein,         rechts. Sie fördert den entsprechenden Dia-
in anderen Formaten wie beispielsweise der         log und die Zusammenarbeit zwischen den
Partnerschaft für den Frieden der NATO,            Staaten und unterstützt konkrete Projekte zur
aber auch in anderen Regionen.                     besseren Anwendung des humanitären Völ-
                                                   kerrechts. Weiterführen will die Schweiz ihr
Das internationale Genf als wichtigen Stand-       entschiedenes Handeln im Bereich der Rück-
ort für Frieden und Sicherheit und Austra-         gabe unrechtmässig erworbener Vermögens-
gungsort von Friedensverhandlungen zu              werte von politisch expo­nierten Personen. Sie
stärken, bleibt eine weitere Priorität. Dank       wird zudem verstärkt eine Antikorruptions-
der Konzentration von Akteuren, Organisati-        perspektive in ihr Engagement für Frieden
onen und Kompetenzen in Genf, die im Ver-          und Sicherheit integrieren. Die Erfahrung hat

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