Position Für eine soziale Wohnungspolitik in Berlin und Brandenburg

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Position Für eine soziale Wohnungspolitik in Berlin und Brandenburg
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Für eine soziale
Wohnungspolitik
in Berlin und Brandenburg

DGB Bezirk Berlin-Brandenburg | Juni 2021 | position
Vorwort
 Bezahlbares Wohnen ist seit Jahren eines der wichtigsten Themen in Berlin und zunehmend auch in
 Brandenburg. Das geht auch die Gewerkschaften an. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leiden
 unter steigenden Mieten, unter fehlenden Wohnungsangeboten. Das gilt für alle, ganz besonders aber
 für diejenigen mit den geringeren Einkommen, mit Mini- oder Teilzeitjobs, für Studierende, Azubis und
 auch für viele Rentnerinnen und Rentner. Und wir sehen mit Sorge die zunehmenden Verdrängungs-
 prozesse in den Städten. Wohnen ist eine zutiefst soziale Frage, die von Staat und Gesellschaft zu
 beantworten ist.

 Der DGB Bezirksvorstand hat am 18. Juni die Position „Für eine soziale Wohnungspolitik“ beschlos-
 sen. Wir beziehen entschlossen und gleichzeitig differenziert Stellung. Wir richten uns an Landes- wie
 Bundespolitik und fordern Parteien, Abgeordnete, Regierungen zu langfristig wirksamen Schritten für
 bezahlbares Wohnen auf.

 Berlin, im Juni 2021

 Christian Hoßbach

 Vorsitzender des DGB Bezirks Berlin-Brandenburg

 Impressum

 Herausgeber:
 DGB Bezirk Berlin-Brandenburg
 Kapweg 4
 13405 Berlin
 berlin-brandenburg.dgb.de

 Rückfragen:
 Stefan Meißner
 030 – 212 40 120
 stefan.meissner@dgb.de

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Für eine soziale Wohnungspolitik
      in Berlin und Brandenburg

Die Kosten des Wohnens belasten vor allem in Berlin und im berlinnahen Raum
zunehmend die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zwar konnten die Gewerk-
schaften in den letzten 10 Jahren erfolgreich ein deutliches reales Lohnplus von mehr als 15
Prozent erkämpfen. Trotzdem können viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer „mit ganz
normalem Einkommen“ sowie Facharbeiterinnen und Facharbeiter kaum noch eine Woh-
nung in der Stadt anmieten, weil die Angebotsmieten wesentlich stärker gestiegen sind und
die Lohnsteigerungen bei weitem übersteigen. Menschen in Berlin mussten den bundesweit
größten Mietanstieg schultern. Dabei nahm die Mietbelastung insbesondere in den unteren
Einkommensgruppen zu. Insgesamt liegen die Berliner Einkommen beim bundesdeutschen
Durchschnitt, die Mieten hingegen in der bundesweiten Spitzengruppe. Die Steigerungen
gehen maßgeblich darauf zurück, dass bei einem zu kleinen Wohnungsangebot Spekulation
auf Wertsteigerungen, Luxussanierungen und Umwandlung in Eigentumswohnungen zum
breit eingesetzten Geschäftsmodell geworden sind. Große private Wohnungsunternehmen
und Finanzmarktinvestoren (Private Equity) spielen auf dem Berliner Wohnungsmarkt eine
zunehmend wichtige Rolle. Insgesamt hat sich die Konzentration auf dem Wohnungsmarkt
verstärkt. Diese Entwicklung führt zu sozialer Not und zu gesellschaftlicher Spaltung. Not-
wendig sind eine bessere Regulierung der Kapitalmärkte, eine wirksamere Politik zum
Schutz der MieterInnen und langfristige Strategien für bezahlbares und gutes Wohnen.

Der DGB Berlin-Brandenburg unterstützt nach dem Scheitern des Berliner Mie-
tendeckels vorm Bundesverfassungsgericht die Durchsetzung eines mehrjähri-
gen Mietenstopps durch Bundesgesetz. Der DGB Berlin-Brandenburg fordert die Par-
teien auf, hierzu Entwürfe vorzulegen und einen Mietenstopp zum Kernpunkt eines
Regierungsprogrammes nach den Bundestagswahlen zu machen. Bis dahin müssen Berlin

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und Brandenburg die bereits jetzt bestehenden Möglichkeiten ausreizen, mit Landesverord-
nungen zur Mietpreisbremse, zur abgesenkten Kappungsgrenze und zur Verlängerung der
Kündigungssperrfrist so viel bezahlbaren Wohnraum wie möglich zu sichern.

Eine dauerhafte Lösung der Wohnungskrise ist jedoch nur durch ein ausreichen-
des Angebot von Wohnungen möglich. Aus diesem Grund fordert der DGB Berlin-
Brandenburg den Neubau von mindestens 20.000 Wohnungen pro Jahr in Berlin und min-
destens 10.000 in Brandenburg, der mindestens zur Hälfte im gemeinwohlorientierten Seg-
ment, also durch die landeseigenen bzw. kommunale Wohnungsbaugesellschaften und
durch Genossenschaften erfolgen muss. Ziel müssen dauerhaft bezahlbare Wohnungen sein.
Für diesen Kraftakt sind die Landes- bzw. kommunalen Wohnungsunternehmen unter ande-
rem finanziell und durch den Ausbau ihrer Bauabteilungen zu stärken. Auch in den Bauäm-
tern ist das Personal weiter aufzustocken. Um die soziale Durchmischung zu stärken, erwar-
tet der DGB, dass aus Fehlentwicklungen der Vergangenheit gelernt wird und eine
nachhaltige Stadtentwicklung mit abwechslungsreicher Architektur, unterschiedlichen Woh-
nungsgrößen und einer Bandbreite an Qualitätsangeboten verfolgt wird.

Weil auf teurem Grund keine bezahlbaren Wohnungen entstehen können,
braucht es eine langfristige, am Gemeinwohl orientierte Bodenpolitik. Von Berlin
und Brandenburg erwarten wir eine Strategie der Bodenbevorratung mit öffentlichen Bo-
denfonds. Damit neugebaute Wohnungen dauerhaft bezahlbar bleiben, sollten öffentliche
Flächen nur mit dauerhaften Nutzungsvorgaben via Erbbaurecht vergeben werden. Privaten
Bauträgern sind durch städtebauliche Verträge Vorgaben für die Errichtung von Sozialwoh-
nungen zu machen.

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Das neu verabschiedete Baulandmobilisierungsgesetz bleibt durch unvollständige Regelun-
gen, Befristungen und verkomplizierende Ausnahmen hinter den Anforderungen des DGB
zurück. Dennoch sind Berlin und Brandenburg aufgerufen, die neuen Regelungen bestmög-
lich zu nutzen, um:
        mit Baugeboten die Spekulation mit baureifen Grundstücken zu beenden,
        über sektorale Bebauungspläne auch bei Lückenschließungen den Bau
         preisgebundener Wohnungen einzufordern und
        mit Umwandlungsverboten und dem erleichterten Vorkaufsrecht
         Bestandsmieterinnen und –mieter zu schützen.

Damit neugebaute Wohnungen dauerhaft bezahlbar bleiben, setzt sich der DGB
auf Bundesebene zudem für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit ein. Das bis-
herige System der zeitlich befristeten Mietpreis- und Belegungsbindung sorgte dafür, dass
seit 2010 mehr als 57.000 Wohnungen in Berlin und 66.000 Wohnungen in Brandenburg
aus der Sozialbindung gefallen sind. Jede verloren gehende bezahlbare Wohnung bedeutet
ein konkretes soziales Problem für die jeweiligen Mietenden. Sie brauchen besondere Unter-
stützungs- und Beratungsangebote, gegebenenfalls ist der Ankauf von Belegungsrechten zu
prüfen. Die bestehende Zahl der Sozialwohnungen muss in jedem Fall dauerhaft gehalten
und langfristig wieder erhöht werden.

Diese politischen Aufgaben müssen durchgesetzt werden, um insgesamt eine sozialere
Wohnungsversorgung zu erreichen. Gleichzeitig fordert der DGB auch die Arbeitge-
ber auf, gesellschaftliche Verantwortung zu tragen und einen Beitrag zur Lö-
sung der Wohnungsnot zu leisten. Sie verbessern damit gleichzeitig die Attrak-
tivität für Fachkräfte. Entsprechend setzt sich der DGB für eine Revitalisierung
von Werkswohnungen und für den Bau von Azubi-Wohnheimen ein. Auch dafür
ist öffentliche Unterstützung vonnöten.

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Eine Erhöhung der Wohnungsneubauzahlen ist nur mit einem Kapazitätsausbau
im Baugewerbe möglich. Voraussetzung hierfür sind verlässliche Rahmenbedingungen,
um ein höheres Maß an Planbarkeit und Beschäftigungssicherheit in der Bauwirtschaft zu
generieren. Öffentliche Investitionen müssen hierzu konsequent mit Tariftreueregelungen
verknüpft werden, um die Tarifbindung in der Bau- und Wohnungswirtschaft zu stärken.

Der DGB Berlin-Brandenburg fordert schon seit Jahren die deutliche Auswei-
tung des Wohnungsbestandes im öffentlichen Eigentum – und zwar sowohl in
Berlin als auch in Brandenburg. Ein hoher Anteil von Wohnungen im öffentli-
chen Eigentum ist bester Garant für eine insgesamt soziale und die MieterInnen
nicht überfordernde Wohnungspolitik. Der DGB hat im Jahr 2015 gemeinsam mit dem
Berliner Mieterverein und anderen Organisationen im Berliner Sozialgipfel gefordert, den
Bestand landeseigener Wohnungen bis zum Jahr 2020 von seinerzeit 285.000 auf 400.000
auszubauen. Dieses Ziel ist weitgehend erreicht. Der DGB fordert, den Ausbau des öffentli-
chen Wohnungsbestandes im erreichten Tempo fortzusetzen. Es braucht mehr öffentliche
Wohnungen, um über einen höheren Anteil am Berliner Wohnungsmarkt einen größeren
Einfluss auf die Dämpfung der restlichen Mietpreise zu erreichen.

Der DGB Berlin-Brandenburg unterstützt insofern auch das Ziel der Berliner Initiative „Deut-
sche Wohnen & Co. enteignen“, mehrere hunderttausend Wohnungen dem öffentlichen Ei-
gentum zuzuführen. Er weist Angriffe auf die Initiative zurück, die das grundgesetzlich vor-
gesehene Instrument der Vergesellschaftung grundsätzlich verteufeln. Über den durch die
Initiative vorgeschlagenen Weg der Vergesellschaftung sämtlicher Bestände von Wohnungs-
unternehmen mit mehr als 3.000 Berliner Wohnungen bestehen im DGB allerdings unter-
schiedliche Auffassungen. Der DGB wird daher in der öffentlichen Auseinandersetzung eine
differenzierte Haltung einnehmen und insgesamt für eine soziale Wohnungs- und Mietenpo-
litik werben.

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Für den zu erwartenden Fall, dass das Volksbegehren zur Abstimmung kommt und dann
ggfs. angenommen wird, müssen die im Abstimmungstext enthaltenen politischen Vorga-
ben in formale Gesetzestexte und finanzpolitische Beschlüsse übersetzt werden. Der DGB
fordert hierzu, dass bei aller Bedeutung des Ausbaus öffentlichen Wohneigentums die ggfs.
anstehenden Finanzanstrengungen für die Entschädigung von Wohnungseigentümern kei-
nesfalls wichtige öffentliche Investitionen oder Aufgaben verdrängen dürfen – so etwa den
Wohnungsneubau, aber auch den Neubau von Schulen, den Ausbau des ÖPNV-Netzes, In-
vestitionen in den Klimaschutz oder die Aufstockung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.
Die künftige Bewirtschaftung der Wohnungen muss so kalkuliert werden, dass tarifliche
Gehälter gezahlt und die Instandhaltung bestritten werden kann.

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