Positionspapier des WSR zu den Wahlen 2014
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Positionspapier des WSR zu den Wahlen 2014 1
1. Einleitung ......................................................................................................................................... 3 2. Kernforderungen der Sozialpartner ................................................................................................ 4 2.1. Finanzierung der Zuständigkeiten der DG nach der 6. Staatsreform.................................... 4 2.2. Wirtschaftliche Entwicklung der DG ...................................................................................... 5 2.3. Demografischer Wandel und Arbeitskräftebedarf ................................................................ 5 2.4. Beteiligung der Sozialpartner an der Vorbereitung der Zuständigkeitsübertragungen ...... 6 2.5. Korrekte Finanzierung der Mitarbeit der Sozialpartner ........................................................ 6 3. Positionen des WSR zur 6. Staatsreform im Allgemeinen ............................................................... 7 4. Positionen des WSR für die zukünftige Politik der DG .................................................................... 8 4.1. Grenzregion DG ....................................................................................................................... 8 4.2. Wirtschaftsregion DG ............................................................................................................. 8 4.2.1. Die Wirtschaftspolitik ..................................................................................................... 9 4.2.2. Die Beschäftigungspolitik ............................................................................................. 11 4.2.3. Die Arbeitslosenpolitik ................................................................................................. 12 4.3. Bildungsregion DG ................................................................................................................ 14 4.3.1. Die Ausbildungs- und Unterrichtspolitik ...................................................................... 14 4.3.2. Die Aus- und Weiterbildungsbeihilfenpolitik .............................................................. 15 4.4. Solidarregion DG ................................................................................................................... 16 4.4.1. Die Gesundheitspolitik ................................................................................................. 16 4.4.2. Die Familienpolitik ........................................................................................................ 17 4.4.3. Die Seniorenpolitik ....................................................................................................... 17 4.4.4. Die Sozialpolitik............................................................................................................. 17 4.4.5. Die sozio-professionelle Eingliederungspolitik ............................................................ 18 4.5. Lebensregion DG ................................................................................................................... 19 4.5.1. Die Wohnungsbaupolitik .............................................................................................. 19 4.5.2. Die Raumordnungspolitik ............................................................................................. 19 4.5.3. Die Mobilität ................................................................................................................. 20 4.5.4. Der soziale Zusammenhalt ........................................................................................... 20 4.5.5. Die Integrationspolitik .................................................................................................. 20 5. Positionen des WSR nach außen ................................................................................................... 22 5.1. Positionen des WSR gegenüber der Wallonie ..................................................................... 22 5.2. Positionen des WSR gegenüber dem Föderalstaat.............................................................. 22 5.3. Positionen des WSR gegenüber Europa ............................................................................... 23 6. Schlussbemerkungen..................................................................................................................... 24 2
1. Einleitung Das Jahr 2014 ist für die weitere Entwicklung der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) aus zwei Gründen bedeutend. Einerseits werden ab Januar 2014 die ersten Zuständigkeitsübertragungen im Rahmen der 6. Staatsreform in Kraft treten. Anderseits kündigt sich das nächste Jahr als „Superwahljahr“ an. In Belgien werden an einem einzigen Tag im Mai 2014 neben dem föderalen Parlament, die Parlamente der Gemeinschaften und der Regionen neu gewählt. Hinzu kommt noch die Wahl des europäischen Parlaments. Während der Ausgang der verschiedenen Wahlen die Zukunft der DG mindestens bis 2019 beeinflusst, werden die Zuständigkeitsübertragungen die politische Gestaltung unserer Gemeinschaft für einen langen Zeitraum mitbestimmen. Zum Ende der vergangenen beiden Legislaturperioden haben wir, die im WSR vertretenen Sozialpartner aus der DG, immer ein Positionspapier zu den Wahlen verfasst, in dem wir unsere Wünsche und Forderungen an das neugewählte Parlament und die kommende Regierung ausgedrückt haben. Für die Wahlen 2014 haben wir eine neue Vorgehensweise gewählt und möchten Ihnen – als politischem Entscheidungsträger in der DG – noch vor Erscheinen der jeweiligen Parteiprogramme unsere Empfehlungen mit auf den Weg geben. Diese dürfen Ihnen gerne als Entscheidungshilfe dienen und wir erhoffen uns, möglichst viele unserer Positionen in Ihren Parteiprogrammen und späteren politischen Entscheidungen wiederzufinden. Uns liegt sehr an einem positiven und konstruktiven Diskussionsklima zwischen Sozialpartnern und Politik und wir möchten uns auch weiterhin aktiv an der beschäftigungspolitischen Gestaltung der DG beteiligen. Deshalb wünschen wir, nach der Regierungsbildung im Sommer 2014 schnellstmöglich die mittlerweile fünfte Auflage des Gemeinschaftlichen Ausbildungs- und Beschäftigungsbündnisses (GABB) abzuschließen. Zu diesem Zweck werden wir noch vor den Wahlen ein entsprechendes Arbeitsprogramm ausarbeiten. Diese Form der Zusammenarbeit zwischen Sozialpartnern und Politik hat sich in unseren Augen bewährt. Den folgenden Seiten ist zu entnehmen, wie sich die hiesigen Sozialpartner zu den Politikbereichen der verschiedenen Entscheidungsebenen positionieren. Zu Beginn möchten wir unsere fünf Kernforderungen vorbringen. Unsere Empfehlungen zur politischen Gestaltung der DG nehmen im Anschluss daran naturgemäß den größten Raum ein. Um in der allseits bekannten Logik des Regionalen Entwicklungskonzepts (REK) zu bleiben, haben wir unsere Positionen den fünf Kapiteln des REK zugeordnet (Grenzregion DG, Wirtschaftsregion DG, Bildungsregion DG, Solidarregion DG und Lebensregion DG). Danach wenden wir uns gezielt an die übergeordneten Parlamente von Region, Föderalstaat und Europäischer Union bzw. deren politische Vertreter aus der DG. 3
2. Kernforderungen der Sozialpartner 2.1. Finanzierung der Zuständigkeiten der DG nach der 6. Staatsreform Im Zuge der 6. Staatsreform werden der DG bedeutende zusätzliche Mittel zugewiesen. Einerseits werden diese direkt vom Föderalstaat an die Gemeinschaften übertragen, andererseits können sie über den bilateralen Verhandlungsweg indirekt über die Wallonie an die DG gelangen. Die Zuständigkeitsübertragungen im Bereich Beschäftigung von der Wallonie an die DG werden weitere finanzielle Mittel für die DG bringen. Mit dieser bedeutenden Erhöhung der (zur Verfügung stehenden) Mittel geht allerdings auch eine ebenfalls bedeutende Erhöhung der zu finanzierenden Zuständigkeiten einher. Das spezielle föderale Finanzierungsgesetz, welches die zukünftigen Einnahmen der DG regelt, ist im Gegensatz zum Finanzierungsgesetz für die anderen Gebietskörperschaften derzeit noch nicht verabschiedet (Stand 11/2013). Dennoch möchten wir bereits jetzt einige grundsätzliche Bemerkungen zur Finanzierung der DG nach der 6. Staatsreform machen. Die Entwicklung der Basisdotation der anderen Gemeinschaften wird in Zukunft aus der demografischen Entwicklung und dem Wirtschaftswachstum (91% des Wachstums) errechnet. Wir mahnen bei allen an das Wachstum gekoppelten Finanzierungsmechanismen zur Vorsicht. Wir warnen vor den finanziellen Folgen einer Periode mit schwachem bzw. negativem Wachstum für die Gebietskörperschaften. Hinzu kommt aus Sicht der DG, dass die geringe Größe der DG es ihr nicht erlaubt, einen Einfluss auf das nationale Wachstum zu nehmen. Erfolgreiche Anstrengungen zur Förderung des Wachstums in der DG werden also nicht durch eine höhere Dotation belohnt. Auch bei Zuständigkeitsübertragungen, deren Finanzierung über die Einkommenssteuer der Privatpersonen berechnet wird, müssen wir wachsam sein. Aufgrund der hohen Pendlerzahl aus der DG ins Ausland ist die Gesamthöhe dieser Steuer für die DG verhältnismäßig zu niedrig für die entsprechende Bevölkerung. Wir müssen auch die Entwicklungen im frankophonen Landesteil genauestens im Auge behalten. Das sogenannte „Projet commun“ der vier großen Parteien sieht einen Transfer bestimmter Zuständigkeiten von der Fédération Wallonie-Bruxelles an die Wallonie und an Brüssel vor. Damit gehen auch die entsprechenden Mittel von der Gemeinschaft an die Regionen. Außerdem kann die Region in Zukunft im Gegensatz zur Gemeinschaft über die Erhebung von Zuschlaghundertsteln zusätzliche Mittel akquirieren. Dies birgt die Gefahr, dass Bürger aus der DG Steuern für die Finanzierung von ursprünglichen Zuständigkeiten der Fédération Wallonie-Bruxelles zahlen, in deren Genuss sie selber nicht kommen können. Hier muss genauestens Acht gegeben werden, dass die DG ebenfalls die entsprechenden Mittel erhält. Wir möchten zuletzt darauf hinweisen, dass zahlreiche, für die Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen verwendete Mittel aus der Sozialen Sicherheit stammen. Diese wird bekanntlich aus Beiträgen der Arbeitnehmer und -geber gespeist. Wir erachten es deshalb als selbstverständlich, dass diese Mittel auch von den Regionen bzw. der DG zu den 4
entsprechenden Zwecken verwendet werden. Um dies zu gewährleisten müssen wir auch in Zukunft an der Orientierung der Verwendung des Budgets dieser Maßnahmen bestimmend beteiligt sein. Aus diesem Grund ist auch zukünftig eine Vorab-Konzertierung zwischen Parlament/Regierung und den Sozialpartnern über die Opportunität und die Finanzierung von Maßnahmen notwendig. 2.2. Wirtschaftliche Entwicklung der DG Die vergleichende regionalökonomische Analyse der DG, welche wir durchführen ließen, kommt zu folgendem Schluss: „Zusammenfassend lassen sich für die DG zwei wichtige Ansatzpunkte für eine Verbesserung der regionalen Entwicklung ableiten. Standortpolitische Ansätze sollten sich zum einen darauf konzentrieren, die Standortattraktivität gerade für die regional hohen Anteile an primären und sekundären Wirtschaftsbereichen zu erhöhen. Zum anderen sollten Maßnahmen nicht strukturkonservierend wirken, sondern einen regionalen Strukturwandel zulassen, so dass sich ein gemischter Effekt erreichen lässt, indem mittelfristig die lokale Wirtschaft in ihren Stärken gestärkt wird und langfristig die Region nicht den Anschluss an die übergeordneten Branchentrends und -entwicklungen verliert“. Da die eher schwachen Vergleichsergebnisse der obengenannten Analyse den Autoren zufolge nicht primär der Wirtschaftsstruktur geschuldet, sondern eher den Standortfaktoren zuzuschreiben sind, hat sich der WSR intensiv mit dem Thema Standort DG befasst und schlägt zur Verbesserung einige Maßnahmen vor. Demnach müssen die Standortfaktoren in der DG z.B. bei der Infrastruktur, der Mobilität, der Unternehmenskultur und der Lebensqualität verbessert werden. In Bezug auf die Wirtschaftspolitik in der DG möchten wir nochmals auf die Bedeutung einer nachhaltigen „Reindustrialisierung“ in der DG und der dafür notwendigen Unterstützung des verarbeitenden Gewerbes hinweisen. 2.3. Demografischer Wandel und Arbeitskräftebedarf Neben Bildung ist die Beschäftigung die wichtigste Zuständigkeit, deren Ausübung der DG bisher übertragen wurde. Die Schaffung und Sicherung korrekter Arbeitsplätze und die Befriedigung der entsprechenden Arbeitskräftenachfrage müssen für die Beschäftigungspolitik prioritär sein. Auf der Angebotsseite für Arbeitsplätze sollen Konzepte entwickelt werden, um den Standort DG noch besser zu nutzen. Wir benötigen eine Konsolidierung und Verbesserung der Attraktivität der DG vor dem Hintergrund wohnortsnaher Arbeitsplätze. Die bestehenden Strukturen im nicht-kommerziellen Sektor müssen stabilisiert und ausgebaut werden (z.B. Absicherung von strukturbedingt notwendigen Positionen usw.). Der WSR untersucht derzeit in einer ESF-kofinanzierten Studie den Einfluss des Konzepts der Diversität auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft der DG. Wir gehen davon aus, dass die Einbindung von benachteiligten Zielgruppen (Ältere/Jüngere, Migranten, Frauen, Menschen mit einer Behinderung) in den Arbeitsmarkt vor dem Hintergrund des demografischen 5
Wandels und der Diversität der heutigen Gesellschaft als Plus gewertet wird. Mehr Vielfalt führt unserer Meinung nach zu einem Wettbewerbsvorteil für die Unternehmen. Durch konsequente Anwendung von Diversität in der Personalpolitik der Betriebe eröffnen sich neue Potentiale an Arbeitskräften. Ziel dieser bis Ende 2014 laufenden Studie ist zu zeigen, wie Diversität auf dem Arbeitsmarkt der DG gefördert werden kann. 2.4. Beteiligung der Sozialpartner an der Vorbereitung der Zuständigkeitsübertragungen Wir fordern, in allen zur Vorbereitung von Zuständigkeitsübertragungen geschaffenen Arbeitsgruppen aktiv eingebunden zu werden. Die Rolle der Sozialpartner muss aber klar definiert sein. Um dieser Rolle gerecht zu werden, ist ein nahtloser und frühestmöglicher Informationsfluss zwischen Regierung, Ministerium und WSR unerlässlich. Unsere Teilnahme versteht sich als aktives Mitwirken am Entscheidungsprozess. 2.5. Korrekte Finanzierung der Mitarbeit der Sozialpartner Bedingt durch die Übertragung weiterer Zuständigkeiten an die DG steigt auch der Arbeitsaufwand der Sozialpartner. Bereits heute sind die im WSR vertretenen Organisationen der Sozialpartner in zahlreichen Arbeitsgruppen, Begleitausschüssen und anderen Gremien aktiv eingebunden. Diese wichtige sozialpartnerschaftliche Einbindung und Partizipation an den gesellschaftlichen Prozessen zu gewährleisten ist aber kaum noch möglich, da wir mit den vorhandenen Kapazitäten an unsere Grenzen stoßen. Für die Zukunft muss deshalb über eine weitere finanzielle Unterstützung dieser Organisationen zwecks weiterer „Professionalisierung“ der Arbeit der Sozialpartner in der DG diskutiert werden. 6
3. Positionen des WSR zur 6. Staatsreform im Allgemeinen Bei der Übertragung neuer Zuständigkeiten halten die Sozialpartner Kontinuität in deren Ausübung unter Berücksichtigung der Besonderheiten unserer Region für entscheidend. Voraussetzung für eine verantwortliche Ausübung jeder Kompetenz durch die DG ist das entsprechende Fachwissen, ein ausreichendes Budget und ein entsprechender Mehrwert. Gewisse Grundprinzipien sollten dabei berücksichtigt werden: Verwendung der Mittel: die Sozialpartner fordern, dass alle bisher verwendeten Mittel aus der Sozialen Sicherheit auch nach einer Übertragung der Zuständigkeit an die DG in diesen Bereichen verbleiben. Transparenz: es ist notwendig, dass die Sozialpartner zum gegebenen Zeitpunkt detailliert über die zu übertragenden Mittel auf dem Laufenden gehalten werden: wie viele Mittel fließen morgen für die einzelnen Zuständigkeiten in die Deutschsprachige Gemeinschaft (DG)? In welche Bereiche fließen die so übertragenen Mittel? Mehrwert: die Übertragung von Zuständigkeiten kann die Chance zur Entwicklung einer neuen Politik für die Gliedstaaten bedeuten, sie muss gleichzeitig die Kontinuität und die Qualität der Dienstleistungen und die juristische Sicherheit der Benutzer, d.h. sowohl der Bürger als auch der Unternehmen, gewährleisten. Dies erfordert den Einsatz konzertierter und synchronisierter Übergangsmaßnahmen. Es ist eine Notwendigkeit, dass nach der Übertragung der Zuständigkeiten keine Verschlechterung, sondern zumindest ein Status quo bzw. sogar eine Verbesserung der Situation eintritt. Dies sollte klar von der Regierung belegt werden. Wir fragen uns, welche Indikatoren ausgearbeitet werden können, um diesen Mehrwert zu ermitteln? Kooperation oder Vereinfachung der Gestaltung: die Übertragung der Zuständigkeiten sollte nicht automatisch mit einer eigenen Verwaltung dieser einhergehen. Es ist mit aller Offenheit zu prüfen, ob die Ausübung gewisser Zuständigkeiten nicht über eine Kooperation mit einem oder mehreren Gliedstaaten Belgiens erfolgen sollte. Gerade die DG kann aufgrund ihrer territorialen und bevölkerungsspezifischen Kleinheit nicht von Skaleneffekten profitieren. Wir werfen ebenfalls die Frage auf, ob bei der Neugestaltung und der Ausübung der zukünftigen Zuständigkeiten, diese integral über neu zu schaffende Dienste im öffentlichen Sektor organisiert werden müssen oder ob diese nicht auch durch privatrechtliche Organisationen (z.B. VoG), die teilweise bereits heute die entsprechenden z.Z. noch auf föderaler Ebene organisierten Zuständigkeiten mit verwalten, übernommen werden können. Steuerdruck: Zuständigkeitsverschiebungen zwischen Föderalstaat und Regionen/Gemeinschaften dürfen nicht zu einem höheren Gesamtsteuerdruck führen. Kosten: die Übertragung einer Zuständigkeit muss zwingend an eine angemessene, auf die Realität der DG zugeschnittene Gestaltung des Verwaltungsbereiches gekoppelt sein. Doppelstrukturen auf den verschiedenen gebietskörperschaftlichen Ebenen sind dabei zu 7
vermeiden. Nur so können tatsächlich Kosten eingespart werden. Insgesamt muss geklärt werden, wer bestehende Overheadkosten übernimmt. So werden zahlreiche Veröffentlichungen und damit einhergehende Übersetzungen bisher nicht zu Lasten der DG durchgeführt. Effizienz: alle Verantwortlichen müssen die zur Verfügung gestellten Ressourcen höchst effektiv und effizient einsetzen. Sie müssen die politischen Rahmenbedingungen so gestalten, dass es auf dem Arbeitsmarkt nicht zu weiteren Spannungen und einer Verschärfung der Lage kommt, sondern vielmehr ein Beitrag geleistet wird, um die Arbeitslosigkeit insgesamt zu reduzieren. 4. Positionen des WSR für die zukünftige Politik der DG 4.1. Grenzregion DG Euregio Maas-Rhein Die Verbundenheit der DG mit der Euregio Maas-Rhein (EMR) spiegelt sich nicht zuletzt in der Ansiedlung von deren Hauptsitz in der DG wider. Diese – auch räumliche – Nähe soll unserer Meinung nach genutzt werden, um intensiv nach sinnvollen Möglichkeiten der Kooperation zu suchen. Großregion Saar-Lor-Lux Der WSR wünscht eine eingehende Prüfung der Möglichkeiten, welche die Großregion Luxemburg, Lothringen, Saarland, Rheinland-Pfalz und Wallonien für die DG bietet. Die bestehenden Kooperationen sollten dabei auf ihren Nutzen hin durchleuchtet und eventuell weitere Kooperationsmöglichkeiten definiert werden. 4.2. Wirtschaftsregion DG Planungssicherheit ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den Betrieben eine Grundvoraussetzung für wirtschaftliches Handeln. Auch wenn die DG nur begrenzt Einfluss auf den Ablauf der Dinge hat, sollte sie die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten im Rahmen der ihr zur Ausübung übertragenen Zuständigkeiten nutzen, um die wirtschaftlichen Aktivitäten und die Betriebe zu unterstützen. Ein ständiger Dialog mit den anderen Regierungen, auch zu dieser Materie, ist äußerst wichtig, um auf die Besonderheiten des Standortes DG hinzuweisen. 8
4.2.1. Die Wirtschaftspolitik Insbesondere das verarbeitende Gewerbe muss aufgrund seiner hohen Bedeutung für den Standort DG unterstützt werden. Der Sekundärsektor bietet nicht nur viele Arbeitsplätze an, sondern ist ein äußerst wichtiger Akteur im hiesigen dualen Ausbildungssystem. Nicht zuletzt hat sich im verarbeitenden Gewerbe über die Jahrzehnte ein immenser Wissensschatz angesammelt. Es muss darauf hingewiesen werden, dass mit dem Niedergang bestimmter Branchen neben den Arbeitsplätzen auch eine Menge Fachwissen, eine ausgeprägte Arbeiterkultur und Arbeiterstolz verloren gehen. Diesem Szenario muss entschieden entgegengewirkt werden. Die besondere Unterstützung des Sekundärsektors geht dabei keinesfalls zu Lasten des Tertiärsektors. Rund um die Unternehmen des Sekundärsektors ist eine Vielzahl von Dienstleistungsunternehmen entstanden, die bestimmte Aufträge und Aufgaben für das verarbeitende Gewerbe übernehmen. Sichere Arbeitsplätze im Sekundärsektor führen außerdem dazu, dass die dort beschäftigten Arbeitnehmer in ihrem Privatleben zahlreiche Dienstleistungsangebote des Tertiärsektors für Privatpersonen in Anspruch nehmen können. Die Landwirtschaft macht heute nur noch einen kleinen Teil der Wirtschaft der DG aus, dennoch ist sie für die Landschaftspflege und den Erhalt der Agrarvielfalt von großer Bedeutung. Um diese beizubehalten sollten kleinbäuerliche Strukturen gefördert werden. Diesen wird aber im Rahmen der Natura-2000-Umsetzung das Überleben erschwert. Der Erhalt der Zuständigkeit für den Wohnungsbau bietet der DG die Chance, vor Ort im Bereich der Energieeffizienz und der Nutzung von erneuerbaren Energien einen vielversprechenden Wirtschaftsbereich zu implementieren. Das REK-Projekt „Modellregion für Energieeffizienz und erneuerbare Energien – Energieautarke DG“ muss deshalb prioritär durchgeführt werden. Eine mögliche Verbindung zwischen der Förderung von erneuerbaren Energien und den entsprechenden Arbeitsplätzen vor Ort muss überprüft werden. Den Untersektor „Energie“ in der DG zu implementieren und zu entwickeln zieht nämlich einen Bedarf an spezialisierten Berufen mit sich und kann zu neuen Arbeitsplätzen in der DG führen. Dazu müssen aber hiesige Betriebe die Marktchancen des Energiewandels erkennen und diese mit Hilfe hiesigen Personals nutzen. Aber auch die Sensibilisierung der Bevölkerung muss verstärkt werden. Denkbar ist z.B. eine Sensibilisierung der Kinder in den Schulen oder die Einführung einer Charta für Familien. Ein weiterer zukunftsträchtiger Wirtschaftsbereich ist die Seniorenwirtschaft. Dieser Markt muss auch von hiesigen Akteuren erschlossen und genutzt werden. Wie wir in unserer Studie zur Seniorenwirtschaft festgestellt haben, stehen wir heute vor der Herausforderung, eine geeignete und erfolgversprechende Seniorenwirtschaft aufzubauen, die in der Lage ist, seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten. 9
Ein weiterer wichtiger Sektor für die Wirtschaft der DG ist der nicht-kommerzielle Sektor. Da nicht-kommerzielle Organisationen per Definition keine Dividendenzahlungen anstreben, stellt sich gerade in der aktuellen Diskussion oft die Frage ihres Wertes für die Gesellschaft. Es wäre falsch, dem nicht-kommerziellen Sektor jegliche wirtschaftliche Bedeutung abzusprechen. In Studien über diesen Sektor und seine Teilbereiche haben wir dessen Bedeutung für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft in der DG hinreichend belegt. Die Akteure in der DG sollten die Chancen, die dieser Sektor bietet, nutzen und ihn gerade in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen als Jobmotor fördern, indem eine Stabilität im Sektor garantiert wird, sowohl auf finanzieller und arbeitsplatztechnischer Art. Ein Bestandteil des nicht-kommerziellen Sektors ist die Sozialökonomie. Sie ist unseres Erachtens ein wichtiger Bestandteil der gesamten Wirtschaft und soll deshalb weiterhin die entsprechende Unterstützung erhalten. Nicht vergessen werden darf auch, dass viele Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einen direkten Zusammenhang mit der Finanzierung des Sektors aufweisen. Wir fordern ferner, dass die Sozialökonomie sich in Zukunft nicht ausschließlich auf den nicht-kommerziellen Sektor beschränkt, sondern auch im kommerziellen Bereich gefördert wird. Ein weiterer besonderer Wirtschaftsbereich sind die Unternehmen, die im System der Dienstleistungsschecks arbeiten. Mit Ausnahme des Arbeitsrechts, welches in föderaler Zuständigkeit verbleibt, wird das System der DLS an die Regionen und die DG übertragen. Diese Übertragung stellt die DG vor ein Problem, welches unbedingt geklärt werden muss. Für die Organisation des DLS-Systems in der DG wird diese in Zukunft selber zuständig sein. Die steuerliche Absetzbarkeit kann die DG aber aufgrund der fehlenden Steuerautonomie nicht regulieren. Hier muss eine unternehmens- und nutzerfreundliche Lösung gefunden werden. Bei Übertragung der Zuständigkeit an die DG würde die DG in Zukunft selber festlegen dürfen, welche Berufe im DLS-System anerkannt werden. Wir warnen davor, durch eine zu breit angesetzte Anerkennungspolitik Lohndumping zu ermöglichen (z.B. im Pflegebereich oder der Kinderbetreuung) und sprechen uns für die Schaffung komplementärer Berufe zu bestehenden qualifizierten Berufen aus. In keinem Fall aber darf eine Ausweitung zu Lasten des kommerziellen Sektors genutzt werden. Unlauterer Wettbewerb zwischen DLS-Unternehmen und kommerziellen Unternehmen muss strikt verhindert werden. Generell messen wir dem DLS-Sektor in der DG einen hohen Wert bei. Das System muss sowohl für die Nutznießer bezahlbar bleiben, als auch den Unternehmen ermöglichen, rentabel zu arbeiten. In der zu schaffenden Kommission zur Anerkennung von DLS- Unternehmen in der DG muss dem WSR eine Vertretung gesichert werden. Um die Zukunft der bestehenden Betriebe in der DG zu sichern, muss die Sensibilisierung für das Thema „Betriebsübergabe“ stärker nach außen getragen und die Information verstärkt werden. Hier verweisen wir auf das kürzlich gestartete Projekt der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) zur Unternehmensnachfolge. 10
Das Airbag-Dekret, eine Fördermaßnahme für Selbständige, muss auch in der DG eingeführt werden. Die Wallonie fördert mit diesem Dekret nebenberuflich Selbständige, die den Wechsel in die hauptberufliche Selbständigkeit wagen wollen, mit bis zu 12.500 €. Diese Fördermaßnahme gilt aber nur für den frankophonen Teil der Wallonie und nicht für den deutschsprachigen Teil. Wir wünschen uns für die Zukunft auch eine bessere und effektivere Gestaltung der Regionalvermarktung der Marke „Made in Ostbelgien“. Da bei der Vergabe des Labels auch soziale Kriterien in Frage kommen, wäre eine Vertretung im Auswahlkomitee, welches über die Vergabe des Labels entscheidet, wünschenswert. Zuletzt muss die Einhaltung der belgischen Steuer- und Sozialgesetzgebung besser kontrolliert werden, um hiesige Unternehmen vor unlauterer Konkurrenz von außen zu schützen. Die eingetragenen Selbständigen sollen besser geschützt werden. Es ist nicht sinnvoll, nur die angemeldeten Personen zu kontrollieren und ihnen das Leben mit ständig neuen administrativen Hürden zu erschweren. Die Verwaltung sollte sich mehr auf die Bekämpfung von Sozialbetrug konzentrieren. 4.2.2. Die Beschäftigungspolitik Im Zuge der 6. Staatsreform sollte die DG die Gelegenheit nutzen, alle bestehenden und neuen arbeitsmarktpolitischen Werkzeuge und Beihilfen zu bewerten und ggf. zu konsolidieren bzw. zu erweitern. Die Region Flandern hat eine Reihe neuer beschäftigungspolitischer Instrumente zum Thema „Matching“ entwickelt. Diese sollen vor dem Hintergrund einer eventuellen Übernahme analysiert werden. Bereits heute ist die DG für die Ausstellung einer Reihe von Arbeitsgenehmigungen zuständig. Neu hinzu kommt nun im Zuge der 6. Staatsreform die Zuständigkeit für die Ausstellung von Berufskarten zugunsten von Drittstaatsangehörigen (Nicht-EU Bürger), die sich selbständig machen möchten. Auch die Zuständigkeit für die Ausstellung der „Carte d’études“ für Angehörige von Drittstaaten geht an die Gemeinschaften über. Wir empfehlen für die Ausstellung beider oben genannter Karten eine Angleichung der Bedingungen für Einwanderer aus Drittstaaten an die geltenden Bedingungen für EU- Ausländer. Bei der Ausstellung der „Carte d’études“ stellt sich die Frage des gesetzlichen Rahmens. Darf die DG eine solche Karte mit Gültigkeit für alle Gemeinschaften ausstellen oder ist diese Karte nur für die DG gültig und berechtigt damit nur zum Studium der wenigen vor Ort vorhandenen Studienrichtungen? Um Letzteres zu verhindern fordern wir die Schaffung eines gemeinsamen rechtlichen Rahmens zur Erteilung der „Carte d’études“ für alle Gemeinschaften Belgiens. Das Thema „angepasste Schulungsangebote für Arbeitsuchende und Erwerbstätige“ sollte prioritär behandelt werden. Es muss auch weiterhin bei den älteren Arbeitnehmern für die Notwendigkeit der Weiterbildung („Lebenslanges Lernen“) sensibilisiert werden. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels liegt uns das 11
Thema „Wissenstransfer im Betrieb und Umgang mit alternden Belegschaften“ ganz besonders am Herzen. Das in der Wallonie angewandte System der Beihilfen für Wissenstransfer (von älteren zu jüngeren Arbeitnehmern) sollte überprüft und gegebenenfalls für die DG übernommen werden. Die Laufbahnunterbrechung im öffentlichen Sektor gestaltet sich von organisatorischer Seite höchst kompliziert. Wir befürworten eine Angleichung des Systems der Laufbahnunterbrechung (öffentlicher Sektor) an das System des Zeitkredits (privater Sektor). Für weitere tiefergehende Diskussionen zu diesem Thema verweisen wir auf die entsprechenden Verhandlungs- und Konzertierungsausschüsse des öffentlichen Sektors. Die Leiharbeit im öffentlichen Dienst ist nicht, wie oft angenommen, explizit verboten. Die entsprechenden Bestimmungen wurden jedoch bis heute nicht festgelegt. Die Arbeitnehmervertreter im WSR sehen auch in Zukunft keinen Handlungsbedarf zur Festlegung dieser Bestimmungen bzw. für eine Einführung von Leiharbeit im öffentlichen Sektor generell. Sie sind der Meinung, dass diese Thematik im dafür zuständigen Verhandlungs- und Konzertierungsausschuss des öffentlichen Dienstes angesprochen werden kann. Die Arbeitgebervertreter im WSR sind von dieser Thematik nicht betroffen und enthalten sich daher in diesem Punkt der Stimme. 4.2.3. Die Arbeitslosenpolitik Das Arbeitsamt der DG (ADG) muss sich mehr denn je auf seine originären Aufgaben konzentrieren, d.h. Arbeitsuchende für den Arbeitsmarkt fit zu machen und schnellstmöglich in Arbeit zu bringen. Der Haushalt des ADG besteht zu 70% aus Personalkosten. Eine klare transparente Darstellung der über 100 000 Arbeitsstunden ist unabdingbar und Grundvoraussetzung für diesen Prozess. Eine gezielte interne Aus- und Weiterbildungspolitik für die Mitarbeiter ist zu gewährleisten. Der proaktive Unternehmensservice bringt eine stärkere Bindung zwischen dem ADG und den Betrieben mit sich. Dieser Service muss nachhaltig gewährleistet werden. Da dies eine größere Nutzung der Beihilfen nach sich ziehen wird, müssen dafür ausreichend Mittel vorgesehen werden. Die Gesetzgebungsbefugnis für die Überprüfung der aktiven und passiven Verfügbarkeit von Arbeitsuchenden und die Auferlegung von Sanktionen bleibt weiterhin beim Föderalstaat, muss aber in Zukunft durch eine neu zu schaffende Kontrollstelle in der DG umgesetzt werden. Unter den verschiedenen Möglichkeiten zur Ansiedlung dieser Kontrollstelle bevorzugen wir die Schaffung einer eigenen Abteilung innerhalb des Arbeitsamtes der DG. Diese sollte eigenständig und nach Möglichkeit physisch von den anderen Abteilungen getrennt aufgestellt werden. Durch die räumliche Trennung soll der Informationsfluss zwischen den mit der Begleitung der Arbeitslosen beauftragten Stellen und der Kontrollstelle auf das strikt benötigte Minimum begrenzt werden. Dies dient auch dem zwingend notwendigen Schutz des Privatlebens der Arbeitsuchenden. Wichtige Arbeitskriterien für das korrekte Funktionieren dieser Abteilung sind Neutralität, Objektivität und der Respekt hoher – 12
noch auszuarbeitender – deontologischer Kriterien. Zudem muss eine Kontrollinstanz für diese Abteilung bezeichnet werden. Das wallonische System der Zertifizierung von Kompetenzen („Certificat de compétences“) sollte geprüft und eventuelle positive Element übernommen werden. Die Arbeitsplatzbeihilfen (hier handelte es sich bisher um die „Prime d’emploi“ der Wallonie) müssen transparenter gestaltet und radikal vereinfacht werden. Ihr Volumen darf dabei nicht angetastet werden und es müssen ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Die Regionen werden in Zukunft die volle Autonomie über die Verwendung des Budgets der Zielgruppenmaßnahmen erhalten. Es muss geklärt werden, ob die Zielgruppenmaßnahmen von der Wallonie als Beschäftigungs- oder als Wirtschaftsmaßnahme gesehen werden. Davon hängt ab, ob die Zuständigkeit an die DG weitergegeben wird oder nicht. Die Globalprojekte im Rahmen der Erstbeschäftigung stellen ein wichtiges Instrument der Arbeitspolitik dar. Hiermit kann jungen Menschen der Einstieg ins Arbeitsleben erleichtert werden. Insgesamt verweisen wir darauf, dass die im Rahmen der Globalprojekte verwendeten Mittel zweckgebunden sind. Wir fordern deshalb, auch in Zukunft die gleichen Mittel zu den heute geltenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Die Maßnahme des Arbeitswiederaufnahmezuschlags bewerten wir positiv, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass der entsprechende Zuschlag direkt an die Arbeitslosen gezahlt wird. Das Outplacement wird in Bereichen, in denen es nicht durch ein Kollektivabkommen geregelt ist, an die Regionen übertragen. Auch die Rückzahlung der Outplacementkosten an die Betriebe im Rahmen einer Umstrukturierung und das Auferlegen von Sanktionen an Arbeitgeber, die kein Outplacement anbieten, geht an die Regionen. Geht diese Zuständigkeit in die Hoheit der DG über, fordern die Sozialpartner eine Neuaufstellung des ADG für den Bereich des Outplacements. Die bisherige Handhabung hat sich in unseren Augen nicht bewährt und muss grundlegend überdacht werden. Ein geeignetes Gremium für die Diskussionen könnte der Verwaltungsrat des ADG sein. Wir brauchen in der DG Anbieter, die langfristig qualitativ hochwertiges Outplacement in deutscher und auch in französischer Sprache anbieten. Es muss ferner darauf geachtet werden, dass jene Einwohner der DG, die in den übrigen Teilstaaten Belgiens arbeiten, gegenüber den anderen Einwohnern nicht benachteiligt werden. Wir geben in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die neue Gesetzgebung (Verringerung des Mindestalters) für das Outplacement die Anzahl dafür in Frage kommender Personen vergrößert. Der Berufserfahrungsfonds war bisher auf föderaler Ebene angesiedelt. Er unterstützt Arbeitgeber, welche im Sinne einer aktiven altersgerechten Personalverwaltung die Arbeitsbedingungen für über 45-Jährige direkt oder indirekt verbessern wollen. 13
Wir fordern, die bisher verwendeten Mittel auch nach einer Übertragung der Zuständigkeit an die DG für den betreffenden Bereich beizubehalten. Die zur Verfügung gestellten Mittel müssen noch gezielter und effizienter eingesetzt werden, um dem wachsenden Bedarf aufgrund der steigenden Alterung der Belegschaften gerecht zu werden. Des Weiteren sollte eine Sensibilisierungskampagne auf Ebene der DG zum Thema „Länger arbeiten“ organisiert werden, vergleichbar mit der aktuell gestarteten Kampagne „Les plus de 50+“ der zuständigen föderalen Arbeitsministerin. 4.3. Bildungsregion DG 4.3.1. Die Ausbildungs- und Unterrichtspolitik Die in der DG vorhandene hohe Qualität in Bildung und Ausbildung muss gehalten und ausgebaut werden. Insbesondere die Mehrsprachigkeit als Standortvorteil muss gepflegt, ausgebaut und gemessen werden. Neben der Kompetenz in der deutschen muss vorrangig die Kompetenz in der französischen Sprache verbessert werden. Das Projekt „Sprachbäder“ muss weitergeführt und gefördert werden. Auf der einen Seite müssen die Maßnahmen zur Bekämpfung des Schulversagens verbessert, Schul-, Lehr- und Studienabbrecher aufgefangen, und auf der anderen Seite ein Programm zur Förderung der Hochbegabten eingeführt werden. Die duale mittelständische Ausbildung ist ein wesentliches Element der beruflichen Ausbildung in der DG. Dieses Modell ist aber derzeit in Gefahr. Die Föderalregierung sieht vor, das Statut der Personen, die einer der verschiedenen alternierenden Ausbildungsformen folgen, zu harmonisieren. Sie folgt an dieser Stelle der Position des Nationalen Arbeitsrats, die aus föderaler Sicht nachvollziehbar ist und den Lehrlingen in der DG auch eine bessere soziale Absicherung gewährleistet, was die Arbeitnehmervertreter befürworten. Einer Verbesserung der sozialen Absicherung ohne einen weiteren Kostenanstieg zu Lasten der Arbeitgeber stehen die Arbeitgebervertreter im WSR dagegen ebenfalls positiv gegenüber. Die DG und ihre in Belgien einmalige Ausbildungspolitik stellt die Harmonisierung des Statuts der Auszubildenden aber aus Sicht der Arbeitgebervertreter im WSR vor große Schwierigkeiten, falls es darüber hinaus zu einem Anheben der aktuellen Ausbildungsentschädigung kommen sollte. Lehrlinge künftig wie Arbeitnehmer zu betrachten, hätte schwerwiegende Folgen für die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen und der damit direkt verbundenen Ausbildungsreife der betroffenen Jugendlichen. Mit der 6. Staatsreform wird auch die Zuständigkeit für die Industrielehre direkt an die DG übertragen. Wir möchten die Industrielehre zumindest kurzfristig in ihrer bestehenden Form beibehalten. Mittelfristig sollte aber vor dem Hintergrund der 14
geringen Teilnehmerzahlen über eine Neuorganisation nachgedacht werden. Damit könnte die Attraktivität dieses Ausbildungssystems gesteigert werden. 4.3.2. Die Aus- und Weiterbildungsbeihilfenpolitik Die Beihilfen für die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer müssen ausreichend zur Verfügung stehen, um der stetig schnelleren technischen und allgemeinen Entwicklung in den Betrieben Rechnung zu tragen. Dazu müssen alle bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Die entsprechende Betriebszelle des ADG sollte dahingehend verstärkt arbeiten, um adäquate Möglichkeiten empfehlen zu können. Davon unabhängig sollte das Angebot an Weiterbildungen in deutscher Sprache (z.B. bei den Sektorenfonds) in Belgien ausgebaut werden. Ein aus unserer Sicht wichtiges Instrument zur Sicherung der Qualifikation der Arbeitnehmer und zum Erhalt von Arbeitsplätzen ist der bezahlte Bildungsurlaub. Um dieses Instrument bestmöglich nutzen zu können, fordern wir ein klares und einfaches Regelwerk zur Gewährung des Bildungsurlaubs. Das System des bezahlten Bildungsurlaubs sollte im gleichen Zuge auf alle Teilzeitbeschäftigten ausgeweitet werden. Die Übertragung der Zuständigkeit für den bezahlten Bildungsurlaub an die Regionen bietet eine gute Gelegenheit dieses zu überprüfen. Wir fordern in diesem Zusammenhang, dass die anerkannten Ausbildungen einen direkten Bezug zur Arbeitswelt haben müssen. Darunter fallen sicherlich die Gewerkschaftsschulungen, die deshalb weiter für den bezahlten Bildungsurlaub Anerkennung finden müssen. Die schon lange geforderte berufliche Weiterbildung für Arbeitnehmer im Schichtdienst muss konkret umgesetzt werden. Die per Dekret geschaffene Möglichkeit, Zeiten von Kurzarbeit zur Weiterbildung des Personals zu nutzen, sollte mit Leben gefüllt werden. Speziell für Jugendliche gibt es den Starter- und Praktikumsbonus. Wir befürworten diese aus unserer Sicht gute und korrekte Maßnahme. Die bisherige Praxis schließt allerdings die immer größer werdende Gruppe der über 18-jährigen Neueinsteiger in die Lehre aus. Deshalb schlagen wir eine Öffnung dieses Systems für Lehrlinge über 18 Jahren vor. Mittelfristig sollte das System des Starter- und Praktikumsbonus einer Überprüfung unterzogen und bei Bedarf angepasst werden. Die bestehenden Weiterbildungsangebote für Arbeitsuchende müssen ebenfalls geprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden. Eine Neuorientierung von beruflichen Aus- und Weiterbildungen muss vor dem Hintergrund der „kritischen Berufe“ stattfinden. So könnten beispielsweise die Weiterbildungen des Arbeitsamtes der DG (ADG) ausgeweitet werden. Ebenfalls sollte auf Ebene der Autonomen Hochschule der DG geprüft werden, für welche Lehrangebote ein langfristiger genügender Bedarf auf Ebene der DG besteht. Die offizielle Liste der kritischen Berufe wird derzeit noch auf nationaler Ebene erstellt. Deshalb fehlt ihr für eine gezielte Beschäftigungspolitik der DG der notwendige Bezug. Diese Liste entspricht nämlich nicht hundertprozentig der 15
vom ADG ermittelten Berufsliste, sondern der um die vom ADG ermittelten Studien ergänzten Liste der Fédération Wallonie-Bruxelles. So können dort Berufe auftauchen, die in der DG entweder gar nicht vorhanden sind oder aber über genügend Nachwuchs verfügen. Wir Sozialpartner regen deshalb an, ein neues Werkzeug zur Ermittlung der kritischen Berufe in der DG zu erarbeiten. Es sollte in den Regelungen zur Freistellung von den Verfügbarkeitsverpflichtungen auch die Möglichkeit vorgesehen werden, ein Studium oder eine Ausbildung in einem kritischen Beruf der Nachbarregionen anerkannt zu bekommen. Da wir auch für die Bewohner dieser Regionen eine solche Möglichkeit zur Anerkennung wünschen, muss eine Konzertierung zwischen den verschiedenen Teilstaaten stattfinden. Damit würde durch Ausbildung die Mobilität der Arbeitsuchenden zwischen den Regionen gefördert. Allerdings wird mit dem neuen Finanzierungsgesetz der Regionen eine finanzielle Beschränkung für die Freistellungen eingeführt. Macht die Anzahl der freigestellten Tage mehr als 12% der insgesamt entschädigten Tage der Arbeitsuchenden aus, muss die Region dem Föderalstaat einen Ausgleich zahlen. Diese Beschränkung bremst größere Bildungsinitiativen aus. Hier sehen wir bedeutenden Diskussionsbedarf. Vor dem Hintergrund der Überprüfung der aktiven und passiven Verfügbarkeit der Arbeitsuchenden sehen wir die öffentliche Hand in der Pflicht, parallel zur Überprüfung genügend korrekte und dem Bedarf angepasste Ausbildungsangebote bereit zu stellen, um den Arbeitsuchenden zu helfen, fit für den Arbeitsmarkt zu werden, statt der bisherigen oftmals festgestellten „stumpfen“ Ausschlusspolitik. 4.4. Solidarregion DG 4.4.1. Die Gesundheitspolitik Die medizinische Versorgung muss für alle Bürger in der DG gewährleistet bleiben. Dies gilt umso mehr für die Bevölkerung im ländlichen Raum. Vor diesem Hintergrund ist die im Juli 2013 beschlossene Abänderung der Regelung der Bereitschaftsdienste der Hausärzte absolut inakzeptabel. Die neue Regelung kann dazu führen, dass den Bürgern der DG ein Bereitschaftsdienst in ihrer Muttersprache verwehrt bleibt und ihnen unzumutbare Fahrstrecken zum diensttuenden Arzt auferlegt werden. Das IZOM-Abkommen, das die grenzüberschreitende fachärztliche Versorgung in der gesamten Euregio-Maas-Rhein regelt, soll unserer Meinung nach fortgeführt werden. Die Krankenhäuser in der DG sollten sich auf bestimmte, miteinander abgesprochene medizinische Schwerpunkte spezialisieren, um doppelte Anstrengungen im selben Bereich zu vermeiden. Für Behandlungen, die in den beiden Krankenhäusern der DG nicht durchgeführt werden können, müssen verstärkt Kooperationen mit auswärtigen Krankenhäusern eingegangen werden. Wir weisen darauf hin, dass beide Standorte bereits aktuell mit der Finanzierung zu kämpfen haben und in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen stehen. Es gilt auf nationaler, regionaler und gemeinschaftlicher Ebene für den Erhalt „kleiner Strukturen“ zu kämpfen. 16
Weiteren Handlungsbedarf sehen wir bei den Altenpflegeheimen. Die DG braucht mehr bezahlbare und angepasste Unterbringungsmöglichkeiten für betreuungs- oder pflegebedürftige Menschen. Zusätzlich müssen adäquate Ausbildungsmöglichkeiten z.B. für Pflegehelfer gewährleistet sein. 4.4.2. Die Familienpolitik Das gesamte Dienstleistungsangebot für Familien sowie deren Kostenstruktur muss einmal generell überprüft werden. Trotz der geleisteten Anstrengungen im Bereich der Kinderbetreuung in der DG sind wir weiterhin von einem Bedarf an zusätzlichen auch arbeitsnahen Betreuungsmöglichkeiten überzeugt (insbesondere für Kinder bis zum dritten Lebensjahr). Es fehlt zudem an Reserven für kurzfristigen Betreuungsbedarf und für Arbeitnehmer im Schichtdienst. Die Familienzulagenpolitik muss geprüft und an die DG angepasst werden. Die Vorarbeit zu Maßnahmen aus diesem Politikbereich findet derzeit unter Beteiligung der Sozialpartner in der AG Familienzulagen statt. Der Endbericht dieser AG wird Ende dieses Jahres veröffentlicht und einige Maßnahmenvorschläge und Grundsätze enthalten. 4.4.3. Die Seniorenpolitik Grundsätzlich müssen betreuungs- und pflegebedürftige Personen unserer Meinung nach im vertrauten Umfeld betreut werden können. Angebote, Hilfestellungen und Fördermöglichkeiten für Menschen, die zu Hause betreut werden können, müssen ausgebaut und finanziert werden. 4.4.4. Die Sozialpolitik Der Bekämpfung der Armut, insbesondere der Kinderarmut, muss höchste Priorität eingeräumt werden. Aus einer Studie des Roten Kreuzes aus dem Jahr 2007 geht hervor, dass geschätzt jedes 8. Kind in der DG von Armut betroffen ist. Dieses Übel der Gesellschaft muss entschlossen bekämpft werden. Wir befürworten deshalb die geplante Zusammenlegung verschiedener Dienste (z.B. PMS-Zentren, Dienst für Kind und Familie,…) zu einer Struktur und erhoffen uns davon einen Qualitätssprung. Die Bekämpfung der Armut darf sich aber nicht auf die regelmäßige Veröffentlichung einer Armutsberichterstattung beschränken. Auf einer anderen Ebene produzieren bestimmte Regelungen der Arbeitslosengesetzgebung zunehmend Armut und belasten, neben den direkt Betroffenen, die Gemeinden und Sozialhilfezentren über Gebühr. Diese Regelungen müssen auf den Prüfstand gestellt werden. 17
4.4.5. Die sozio-professionelle Eingliederungspolitik Bevor ein neues, durch öffentliche Mittel finanziertes Projekt genehmigt wird, muss generell geprüft werden, ob dieses auch innovativ ist und nicht bereits seit langem in der einen oder anderen Form mit Unterstützung des ESF durchgeführt und finanziert wird. Für Projekte ab einem gewissen Umfang schlagen wir eine verpflichtende Kosten- Nutzen-Rechnung bereits im Rahmen der Projektplanung und Antragstellung vor. Zur Konsolidierung von strukturell wichtigen Projekten, z.B. von Ausbildungsmaßnahmen, muss auch über eine Finanzierung durch Eigenmittel der DG nachgedacht werden. Im Rahmen von Praktika und Anstellungen von Personen aus Risikogruppen sollten sowohl die Betriebe bei der Arbeitsmarktintegration dieser Personen, als auch die Praktikanten kompetent von Arbeitsplatzassistenten (Jobcoaches) begleitet und unterstützt werden. Wie bereits gesagt, werden die von der Föderalregierung geplanten sozio- ökonomischen Reformen wie z.B. die Begrenzung des Eingliederungseinkommens und des Arbeitslosengelds direkte Auswirkungen auf die Haushalte der ÖSHZ haben und diese stark belasten. Um den ÖSHZ die Möglichkeit zu lassen, die Eingliederungseinkommensempfänger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können, müssen die Mittel der bisherigen Begleitprogramme zumindest kurzfristig weiter zur Verfügung gestellt werden. Mittelfristig sollten diese Programme auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls optimiert werden. Nach unserer Einschätzung haben die lokalen Beschäftigungsagenturen (LBA) aufgrund ihrer Stabilisierungsfunktion und der Schaffung von Perspektiven für ihre Beschäftigten durchaus ihre Daseinsberechtigung. Perspektivisch bieten sich langfristig zwei Möglichkeiten zur Fortführung des LBA-Systems: - Die Auflösung der LBA und die Integration gewisser dieser Tätigkeiten in das DLS- System; - Eine administrative Vereinfachung der LBA durch die Zusammenlegung der LBA im Norden der DG (eine LBA im Süden, eine LBA im Norden). Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen stellen einen weiteren wichtigen Eingliederungsweg dar. Den Großteil machen die BVA-Kräfte aus. Unserer Ansicht nach ist die Problematik rund um die BVA-Stellen sehr komplex. Dennoch möchten wir hier die Wichtigkeit dieser Maßnahme unterstreichen. Eine weitere Umwandlung von BVA geförderten Kaderstellen in strukturelle Stellen ist wünschenswert. 18
4.5. Lebensregion DG 4.5.1. Die Wohnungsbaupolitik Angesichts der Spannungen auf dem hiesigen Haus- und Wohnungsmarkt müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden. Ein direktes Einwirken auf die Preise (Miet-, Kauf-, Grundstückspreis) außerhalb von Zuschusssystemen bei privatem Wohneigentum halten wir aber für schwer durchführbar, da es sich dort um privates Eigentum handelt. Die Auszahlung von Prämien muss ganz klar im Rahmen der vorhandenen Mittel geschehen. Im Vorfeld sollten Prämiensysteme im benachbarten In- und Ausland studiert werden. Es ist wichtig, attraktiven und bezahlbaren Wohnraum für junge Familien zu schaffen, mit dem dazugehörigen Dienstleistungsangebot wie z.B. Kinderbetreuung, Nachhilfe usw. Es ist uns darüber hinaus wichtig, dass alle Bürger (ungeachtet ihrer Nationalität, Herkunft, politischen und ideologischen Überzeugung, etc.) Zugang zu diesen Wohnungen haben. Der Wohnpark in der DG, insbesondere der soziale Wohnpark, muss modernisiert und an die neuesten Normen angepasst werden. Es sollte ein verbessertes Prämien- und Sozialkreditsystem geschaffen werden, um Menschen mit mittlerem Einkommen den Erwerb eines Eigenheimes zu ermöglichen. Nach Ansicht der Sozialpartner muss der Pluralismus, d.h. eine breite Zusammensetzung aus den gesellschaftlich relevanten Kräften in den Verwaltungsräten der Wohnungsbaugesellschaften erhalten bleiben. Die eigenständigen sozialen Immobilienagenturen müssen bestehen bleiben können. Weitere Anregungen finden sich im Endbericht der AG Wohnungsbau, in der auch die Sozialpartner aktiv mitgearbeitet haben. 4.5.2. Die Raumordnungspolitik Die Raumordnungspolitik in der DG muss bürger- und unternehmensfreundlich gestaltet werden. Deshalb muss sie flexibler und weniger schwerfällig gestaltet werden. In den ländlichen Räumen und innerhalb von Dörfern muss die Niederlassung von gewerblichen Aktivitäten (Handel, Handwerk, Herstellung), die nur eine begrenzte Flächennutzung benötigen sowie keine Lärm-, Umwelt- oder Geruchsbelastung darstellen, möglich bleiben. Auch der ansässigen Bevölkerung muss eine Perspektive für Leben und Arbeiten im ländlichen Raum gegeben und trotz alledem deren Lebensqualität gesichert werden. Es muss gegebenenfalls eine monetäre und/oder logistische Förderpolitik eingeführt werden, die dem Einzelhandel und den Dienstleistungsbetrieben, insbesondere den verbrauchernahen Versorgungsprodukten und -diensten, Möglichkeiten der Ansiedlung bzw. Erweiterung von Geschäftsvorhaben auch in kleineren Orten bieten, die aber in ihrer Größe und Versorgungsbestimmung in einem angemessenen Verhältnis zum Ort stehen. Positiver Nebeneffekt ist die Wahrung der Attraktivität der Dörfer als Lebensraum. Großflächige Einzelhandelseinrichtungen sind einer besonderen Betrachtungsweise zu unterziehen 19
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