Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...

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Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...
bvpg
                                                                     Bundesvereinigung
                                                                     Prävention und
                                                                     Gesundheitsförderung e.V.

Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort –
Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen

    kongressdokumentation
    8. gemeinsamer Präventionskongress des Bundesministeriums für Gesundheit
    und der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheits­förderung e.V. (BVPG)

20. November 2018 | Berlin
Tagungswerk Jerusalemkirche
Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...
INHALT

Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort –                         Grußwort					                                                        4
Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen                             Sabine Weiss | Parlamentarische Staatssekretärin
                                                                      im Bundesministerium für Gesundheit
8. gemeinsamer Präventionskongress des
Bundesministeriums für Gesundheit und der                             Grußwort 			                                                         5
Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V.            Ute Bertram | Präsidentin der Bundesvereinigung
                                                                      Prävention und Gesundheitsförderung e.V.
20. November 2018 | Berlin | Tagungswerk Jerusalemkirche
                                                                      Kommunale Prävention und Gesundheitsförderung:                       6
                                                                      New Public Health-Verständnis, rechtliche Grundlagen
                                                                      und Governance
                                                                      Prof. Dr. Katharina Böhm | Ruhr-Universität Bochum

                                                                      Impulsforum: Kommunen den Weg bereiten

                                                                      Präventionsstrategien für Kommunen:                                  8
                                                                      Unterstützung durch die Bundesebene
                                                                      Dr. Heidrun Thaiss | Bundeszentrale für
                                                                      gesundheitliche Aufklärung

                                                                      Unterstützung der Kommunen auf Länderebene                           9
                                                                      Ulrich Lensing | Gesundheitsministerkonferenz der Länder

                                                                      Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort:                        10
                                                                      Der Beitrag der Kommunen
                                                                      Stefan Hahn | Deutscher Städtetag

                                                                      Auf dem Weg zu einer gesunden Kommune:                               11
                                                                      Unterstützung durch die Kassen
                                                                      Gernot Kiefer | GKV-Spitzenverband

                                                                      Workshops zu ausgewählten Handlungsfeldern
                                                                      kommunaler Prävention und Gesundheitsförderung

                                                                      Workshop 1 | Netzwerkbildung vor Ort (I)                            12

                                                                      Gesund und aktiv in Dresden
                                                                      Dr. Peggy Looks | Landeshauptstadt Dresden

                                                                      Grünau bewegt sich – Strategien für einen
                                                                      gesundheitsförderlichen Stadtteil
                                                                      Ruth Gausche | Universitätsklinikum Leipzig
                                                                      Ulrike Igel | Hochschule für Technik, Wirtschaft und
                                                                      Kultur Leipzig

                                                                      Moderation: Klaus-Peter Stender |
                                                                      Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, Hamburg

                                                                      Workshop 2 | Netzwerkbildung vor Ort (II) 		                        14

                                                                      Das Saarburger Modell, ein System zur Aktivierung
                                                                      von Quartieren und Kommunen
                                                                      Bernd Gard | Bürgermeister und Dorfentwickler

2                           Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG
Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...
INHALT

Gesundheitsförderung vor Ort – Entscheidungen                             Forschungsverbund »Gesund Aufwachsen«:
in der Region treffen                                                     Qualitätsentwicklung und Evaluation in der vernetzten
Prof. Dr. Wolfgang H. Caselmann |                                         kommunalen Gesundheitsförderung für Kinder
Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege                   Regine Rehaag | Forschungsverbund »Gesund Aufwachsen«

Moderation: Dr. Ellis Huber | Berufsverband der Präventologen e.V.        Moderation: Susanne Jordan | Robert Koch-Institut

Workshop 3 | Integrierte kommunale Strategien (I)                  16
                                                                          Fazit		                                                    24
Integrierte Ansätze in Nordrhein-Westfalen
                                                                          Teilnehmende Organisationen                                 26
Manfred Dickersbach | Landeszentrum Gesundheit
Nordrhein-Westfalen
                                                                          Impressum                                                   27
Herne als »First Mover« für mehr Lebensqualität

Dr. Katrin Linthorst und Marie Meinhardt | Stadt Herne
                                                                          Gesamtmoderation: Dr. Beate Grossmann | Geschäftsführerin
                                                                          der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V.
Moderation: Eva Bruns | Gesunde Städte-Netzwerk

Workshop 4 | Integrierte kommunale Strategien (II)                 18

Präventionsketten in Niedersachsen:
Eine landesweite Umsetzung
Dr. Antje Richter-Kornweitz | Landesvereinigung für Gesundheit
und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V.

Mittendrin: Im Leben – Das Dormagener Modell
Martina Hermann-Biert | Stadt Dormagen

Moderation: Stefan Pospiech | Kooperationsverbund
Gesundheitliche Chancengleichheit

Workshop 5 | Kommunale Gesundheitsplanung –                        20
Modelle und Instrumente

Leitfaden Gesunde Stadt und Fachplan Gesundheit
Dr. Thomas Claßen | Landeszentrum Gesundheit
Nordrhein-Westfalen

Gesundheitsplanung: Strategieentwicklung im
kommunalen Kontext
Dr. Ulrike Freundlieb | Stadt Mannheim

Moderation: Dr. Ute Teichert | Akademie für Öffentliches
Gesundheitswesen

Workshop 6 | Evaluation kommunaler Aktivitäten                     22

Forschungsverbund PartKommPlus:
Qualitätsentwicklung und Evaluation kommunaler
Gesundheitsförderung. Erfahrungen aus dem Verbund
und den Teilprojekten KEG, Age4Health und ElfE
Prof. Dr. Gesine Bär und Christina Kühnemund | PartKommPlus

Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG                      3
Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...
GRUSSWORT

Sehr geehrte Damen und Herren,

ob in Kita oder Schule, beim Seniorentreff oder im Kegelverein –
Gesundheitsförderung in den Lebenswelten muss stärker werden!
Die Lebenswelt »Kommune« – also das Stadtviertel, das Dorf, der
                                                                                                      Sabine Weiss, Parlamentarische Staatssekretärin
Ort, wo die Menschen zu Hause sind und einen Großteil ihrer Zeit                                      im Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
verbringen – bietet ideale Voraussetzungen für eine wirksame
Präven­tion und Gesundheitsförderung. Dort werden die Grund­
lagen für ein gesundes Aufwachsen und Älterwerden sowie ein har-
monisches Zusammenleben gelegt.

Die Prävention besitzt eine Schlüsselrolle für die Frage, wie sich      eingebundenen »Koordinierungsstellen Gesundheitliche Chancen­
­unsere Gesundheit in Zukunft entwickeln wird – insbesondere vor        gleichheit« ­
                                                                                    wurden im Zuge der Umsetzung des Präventions­
 dem Hintergrund des demografischen Wandels und der ­Zunahme            gesetzes personell auf­gestockt. Sie beraten Kommunen, ­bauen
 von Erkrankungen, die durch Lebensgewohnheiten begünstigt              Netzwerke auf und verbreiten auf diese Weise Beispiele guter
 werden. Ein Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen lautet
 ­                                                                      Praxis. Darüber hinaus unterstützt die BZgA das »GKV-Bündnis für
 ­daher, bis 2030 die vorzeitige Sterblichkeit weltweit aufgrund von    Gesundheit«. Unter diesem Dach wurde bei der BZgA ein Förder-
  nicht-übertragbaren Krankheiten durch Prävention und Behand-          programm entwickelt, um die soziallagenbezogene Gesundheits-
  lung um ein Drittel zu senken. Neben einer älter werdenden Bevöl-     förderung und Prävention in den Kommunen zu stärken. Kommu-
  kerung trägt vor allem der westliche Lebensstil mit Risikofaktoren    nen müssen also Prävention nicht neu erfinden! Sie können sich
  wie übermäßigem Alkoholkonsum, Rauchen, Bewegungsmangel               Anregungen, Ideen und Unterstützung holen.
  und ungesunder Ernährung zur Krankheitslast bei.
                                                                        Außerdem müssen wir noch mehr diejenigen erreichen, bei d    ­ enen
Die gute Nachricht ist, dass wir solchen Risikofaktoren nicht hilf-     – auch wegen der Lebensumstände – das Bewusstsein für den
los ausgeliefert sind. Wir müssen den eigenen Einfluss auf unsere       ­eigenen Beitrag zur Gesundheit bisher eine unzureichende ­Rolle
Gesundheit aber noch mehr vermitteln. Hier spielen Eigenwahr-            spielt. Weil diese Lebensumstände gerade für Kinder und Jugend­
nehmung und Selbsterkenntnis eine wichtige Rolle; zentral ist aber       liche fatale Auswirkungen für das ganze weitere Leben haben
auch ein gesundheitsförderliches Umfeld.                                 ­können, wollen wir beispielsweise Übergewicht bei Kindern in den
                                                                          Blick n
                                                                                ­ ehmen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat darum
Durch niedrigschwellige Angebote können »ohne erhobenen Zeige­           den Förderschwerpunkt »Prävention von Kinderübergewicht« ins
finger« gesundheitsförderliche Lebensbedingungen geschaffen              Leben gerufen. Auch bei dem gemeinsam mit dem Bundesministe­
werden, z.B. durch ein sicheres Radwegenetz oder Grünanlagen,            rium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) getragenen
die zu einer »bewegten« Pause einladen. Ich wünsche mir, dass            Aktions­plan IN FORM ist uns das gesunde Aufwachsen mit aus­
noch mehr Kommunen entdecken, dass sich durch Schaffung ge-              reichender Bewegung und gesunder Ernährung von Kindern ein
sundheitsförderlicher Strukturen die Lebensqualität ihrer Gemein-        zentrales ­Anliegen. Mitte 2019 liegt der erste Präventionsbericht
de verbessern lässt.                                                     vor – auf dieser Grundlage werden wir weitere Schritte gehen. Das
                                                                         funktioniert aber nicht alleine, sondern nur mit den Akteuren vor
Es gibt hierzulande schon seit vielen Jahren gute Strukturen             Ort. Auf diese Arbeit mit Ihnen freue ich mich!
– ­
  beispielsweise unter dem Dach des »Kooperationsverbunds
Gesundheitliche Chancengleichheit«. Dieser wurde von der
­                                                                       Vielen Dank.
Bundes­ zentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) initiiert
und existiert bereits seit dem Jahr 2003. Der kommunale Part-
                                                                        Sabine Weiss
nerprozess »Gesund­heit für alle« stellt eine zentrale Aktivität des
Kooperations­verbundes dar. Er unterstützt und begleitet Kommu-         Parlamentarische Staatssekretärin im
nen im Auf- und Ausbau von kommunalen Strategien zur Gesund-            Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
heitsförderung, den so genannten »Präventionsketten«. Die hier

4                             Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG
Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...
GRUSSWORT

       bvpg
                              Bundesvereinigung
                              Prävention und
                              Gesundheitsförderung e.V.

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum 8. Mal seit 2008 richten das Bundesministerium für Gesund-
heit und die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförde-
rung e.V. einen gemeinsamen Präventionskongress aus.
                                                                                                        Ute Bertram, Präsidentin der Bundesvereinigung
                                                                                                        Prävention und Gesundheitsförderung e.V.
Mit der Ausgestaltung dieses Kongresses trägt die BVPG dem
»Poten­zial Gesundheit 2020« Rechnung, innovative Perspektiven
von Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene zu erörtern
und einem Fachpublikum aus Forschung und Praxis sichtbar zu
machen. Zudem hat das zweite Präventionsforum der Nationalen
Präventions­konferenz aufgezeigt, dass für den Bereich »kommu-            ihrer Steuerungsrolle zu einem Gelingen von Prävention und Ge-
nale Prävention und Gesundheitsförderung« weiterhin Diskussi-             sundheitsförderung beitragen können. Die Vortragenden von
onsbedarf besteht.                                                        Bund, Ländern und Kassen zeigen auf, was bereits getan wurde
                                                                          und in Zukunft getan wird, um Kommunen bei der Prävention und
Unter dem Titel »Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort –            Gesundheits­förderung wirksam zu unterstützen. Die Themen der
Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen« steht bei diesem               sechs praxisorientierten Workshops tragen der hohen Varianz der
8. gemeinsamen Präventionskongress die große Bedeutung der                Umsetzung im Feld der kommunalen Prävention und Gesundheits-
Kommune im Mittelpunkt. Vor Ort, in der Kommune, werden die               förderung Rechnung und bieten Einblicke in die Handlungsfelder
Grundlagen für ein gesundes Aufwachsen, ein harmonisches Zu-              »Netzwerkbildung vor Ort«, »Integrierte kommunale Strategien«,
sammenleben und ein selbstbestimmtes Altern gelegt. Übergrei-             »Kommunale ­Gesundheitsplanung« und »Evaluation kommunaler
fend über alle Settings hinweg werden die Menschen dort erreicht          Aktivitäten«.
und Präventionsketten können systematisch strategisch aufge-
baut und verankert werden.                                                Ein weiteres wichtiges Ziel des Präventionskongresses ist es, Inte-
                                                                          ressierten aus Forschung und Praxis die Gelegenheit zu geben, sich
Der 8. gemeinsame Präventionskongress greift dieses Potenzial             auszutauschen, miteinander zu diskutieren und sich zu vernetzen.
auf und stellt folgende Leitfragen in den Fokus:                          Die hohe Zahl der Teilnehmenden spricht für das große Interesse
                                                                          der Fachöffentlichkeit, kommunale Prävention und Gesundheits-
•    Welche Unterstützungsangebote stehen Städten und Gemein-             förderung gemeinsam voranzubringen.
     den durch die Bundes- und Landesebene und durch die Kassen
     zur Umsetzung nachhaltiger kommunaler Prävention und Ge-             Ich freue mich, wenn der 8. gemeinsame Präventionskongress
     sundheitsförderung zur Verfügung?                                    dazu beiträgt, dass noch mehr Kommunen ihrer Steuerungsrolle
                                                                          nachkommen und mit Hilfe von Unterstützungsangeboten Präven-
•    Welche konkreten evidenzbasierten Beispiele und Erfahrun-
                                                                          tion und Gesundheitsförderung in den Lebenswelten ihrer Bewoh-
     gen gibt es, die als Anregungen dienen können? Was sind för-
                                                                          nerinnen und Bewohner verankern.
     derliche und hemmende Faktoren kommunaler Prävention und
     Gesundheitsförderung?

•    Wie können kommunale Prävention und Gesundheitsförderung             Ute Bertram
     nachhaltig sichergestellt und ausgebaut werden? Wie können
                                                                          Präsidentin der Bundesvereinigung
     die Erkenntnisse in die Breite getragen werden? Wie lassen
                                                                          Prävention und Gesundheitsförderung e.V.
     sich Akteurinnen und Akteure zur Mitwirkung an Vorhaben
     kommunaler Prävention und Gesundheitsförderung gewinnen?

Der Kongress gibt einen Überblick über die Rahmenbedingungen,
Möglichkeiten und Gestaltungsspielräume kommunaler ­Prävention
und Gesundheitsförderung und darüber, was die Kommunen in

Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG                                    5
Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...
VORTRAG

      Kommunale Prävention und
      Gesundheitsförderung:
      New Public Health-Verständnis,
      rechtliche G
                 ­ rundlagen und Governance

    »Ebene.
      Die Kommune ist der zentrale Steuerungsakteur auf der lokalen
            Einige Kommunen haben diese Steuerungsrolle mit hohem
      Engagement bereits angenommen und nutzen die vielfältigen Unter­
      stützungsangebote und den Rückenwind durch das Präventions­
      gesetz. Jedoch nicht alle Kommunen kommen bislang ihrer Steue­
                                                          «
                                                                                                                                                                  Prof. Dr. Katharina Böhm

      rungsrolle nach.

      Prof. Dr. Katharina Böhm | Ruhr-Universität Bochum

1 | Kommunale Gesundheitsförderung und Prävention –                                                     2 | Zuständigkeiten und rechtlicher Rahmen
		 New Public Health-Verständnis
                                                                                                        Als kleinste politisch-geographische Verwaltungseinheit entschei-
Aus einer New Public Health-Perspektive umfasst die kommunale                                           den Kommunen über viele gesundheitsrelevante Lebensbedingun­
Gesundheitsförderung und Prävention sowohl strukturelle als auch                                        gen wie Freizeitmöglichkeiten, Wohnumfeld, soziale und wirt-
verhaltensbezogene Maßnahmen, ist partizipativ ausgerichtet und                                         schaftliche Infrastruktur.
zielt darauf, die gesundheitliche Chancengleichheit zu verbessern.
                                                                                                        Zudem sind sie in vielfältiger Weise mit Aufgaben betraut, die d
                                                                                                                                                                       ­ irekt
Dieses Verständnis ist historisch kontingent und entspricht zurzeit                                     oder indirekt einen Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung
eher einem normativen Leitideal als der realen Praxis kommunaler                                        ­haben (z.B. Kinder- und Jugendhilfe, Sozialhilfe) und können des-
Gesundheitsförderung und Prävention (GFP).                                                               halb GFP als Querschnittspolitik umsetzen. Da sie für viele Settings
                                                                                                         (mit-)verantwortlich sind, können sie zudem die Übergänge zwi-
Mit dieser Definition versteht sich die kommunale GFP als Quer-                                          schen den Einzelsettings moderieren.
schnittsaufgabe aller Verantwortlichen (öffentliche, gesellschaft-
liche und private Akteure) auf kommunaler Ebene und erfordert
deshalb eine intersektorale Zusammenarbeit.
                                                                                                            2. Zuständigkeiten und rechtlicher Rahmen

    1. Kommunale Gesundheitsförderung und                                                                                                           • Zuständig für „Maßnahmen gegen gemein-
                                                                                                                                                      gefährliche und übertragbare Krankheiten“ (Art.
       Prävention                                                                                                     Bund                            74 Abs. 1 Nr. 19 GG)
    New Public Health-Verständnis                                                                                                                   • Zuständig für Sozialversicherungen: GFP als
                                                                                                                                                      Leistung der GKV, GUV, GRV, SPV*
    Kommunale Gesundheitsförderung und Prävention …
    • basiert auf einem mehrdimensionalen und positiven
      Gesundheitsverständnis                                                                                       Länder                           • Gesetzgebungskompetenz für GFP
    • berücksichtigt gesellschaftliche Einflussfaktoren auf Gesundheit
    • umfasst verhaltens- und verhältnisbezogene Maßnahmen
    • ist im Gesundheitsdezernat und in allen anderen Dezernaten verankert                                                                          • Übertragung von Aufgaben durch das Land
      (Healthy Public Policy)                                                                                Kommunen
                                                                                                                                                    • Freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe
    • bindet alle für GFP relevanten Akteure (öffentl., gesell., privat) ein
    • zielt auf gesundheitliche Chancengleichheit
    • verwirklicht Partizipation als Querschnittsprinzip                                                    Böhm | Präventionskongress 2018| Berlin, 20.11.2018                                         2

                                                                                                1
                                                                                                        * gesetzliche Krankenversicherung (GKV), gesetzliche Unfallversicherung (GUV),
    Böhm | Präventionskongress 2018| Berlin, 20.11.2018
                                                                                                          gesetzliche Rentenversicherung (GRV), soziale Pflegeversicherung (SPV)

6                                                             Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG
Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...
VORTRAG

3 | Governance                                                                                            Unterstützungsstrukturen
                                                                                                          •   Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit
Die kommunale GFP ist durch eine große Akteursvielfalt gekenn-                                            •   Gesunde Städte-Netzwerk
zeichnet. Um die vielfältigen Angebote ziel- und bedarfsorientiert                                        •   Nationales Zentrum Frühe Hilfen
aufeinander abzustimmen, bedarf es der Koordination. Diese stellt                                         •   Unterstützung auf Landesebene (Unterstützung durch die
die Kommunen vor Herausforderungen.                                                                           Landesministerien, Landesvereinigungen für Gesundheit,
                                                                                                              Koordinierungsstellen Gesundheitliche Chancengleichheit)
Die Koordinierung der GFP-Akteure erfolgt meist über das Gesund-                                          •   Aus-,Fort-und Weiterbildungseinrichtungen des
heitsamt, manchmal auch durch andere Dezernate wie beispiels-                                                 Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD)
weise das Jugendamt.                                                                                      •   Hochschulen vor Ort

Ergebnisse des Forschungsprojektes »Krankenkassen als Partner
der kommunalen Gesundheitsförderung und Prävention« in Nord-
rhein-Westfalen (NRW) zeigen, dass bislang nur wenig Koordinie-
                                                                                                            4. Förderliche Faktoren: Einblick in die Praxis
rung der Angebote besteht; außerdem existiert eine große Varianz
                                                                                                             Ergebnisse des Forschungsprojekts „Krankenkassen als Partner der
zwischen den Kommunen. Die verwaltungsinterne, sektorüber­
                                                                                                             kommunalen Gesundheitsförderung und Prävention“ in NRW
greifende Zusammenarbeit gestaltet sich oft aufwendig. Bei den
                                                                                                                                                                   n = 32 (entspricht 60,4%)
Kreisen besteht das Problem der unterschiedlichen Zuständig­                                                 Interesse/Unterstützung
keiten.                                                                                                                                                                kein        grundsätzliche    wichtiger
                                                                                                             seitens des/der Landrats/
                                                                                                                                                                    Interesse:     Unterstützung:    Partner:
                                                                                                             Landrätin bzw.
                                                                                                                                                                       12%              43%            37%
                                                                                                             Bürgermeister_in
                                                                                                             Anerkennung des Themas
                                                                                                             innerhalb des öffentlichen
   3. Governance: Einblick in die Praxis                                                                     Gesundheitsdienstes/
                                                                                                                                                                    wenig: 31%      mittel: 25%     Stark: 40%
                                                                                                             Dezernats
   Ergebnisse des Forschungsprojekts „Krankenkassen als Partner der
   kommunalen Gesundheitsförderung und Prävention“ in NRW                                                    Gesundheitsziele definiert                                  Ja: 16%               Nein: 84%

   GFP auf kommunaler                                     n = 32 (entspricht 60,4%)
   Ebene                                                                                                     Böhm | Präventionskongress 2018| Berlin, 20.11.2018                                                 4

   Bedeutung der GFP in der
                                                                        Gleichauf mit
   kommunalen                                             Gering:                          zentral:
                                                                      anderen Themen:
   Gesundheitskonferenz                                    23%                               35%
                                                                             42%
   (KGK) (n = 31)
   Überblick über                                            Ja:      Einzelne Settings:    Nein:
   Maßnahmen                                                 3%              44%            53%             Prof. Dr. Katharina Böhm | Seit 2015 Juniorprofessorin für
   Koordinierung von                                         Ja:      Versuch/ Ansatz:      Nein:           Gesundheitspolitik an der Fakultät für Sozialwissenschaft
   Maßnahmen                                                16%              28%            56%             der Ruhr-­  Universität Bochum. Forschungsschwerpunkte:
                                                                                                            kommu­nale Gesundheitspolitik, Prävention und Gesundheits-
    Böhm | Präventionskongress 2018| Berlin, 20.11.2018                                               3     förderung, Priori­sierung und Rationierung von Gesundheits-
                                                                                                            leistungen s­ owie Gesundheitssystemvergleich.

                                                                                                            Weitere Informationen: www.sowi.rub.de/gespol/
4 | Förderliche Faktoren

Förderliche Faktoren*
•   Unterstützung durch die politische Ebene
•   Unterstützung durch die Verwaltung
    (Dezernats- und Amtsleitung)
•   Institutionalisierte Strukturen wie Steuerungsgruppe,
    Koordinierungsstelle
•   Definition von Zielen
•   Gesundheits-/ Sozialplanung
•   Ausreichend Personalressourcen
•   Langfristige Finanzierung
•   Transparente Kommunikation und klare Abgrenzung
    der Verantwortlichkeiten

* Quellen: Bogumil/Seuberlich 2015; Böhm/Klinnert/ Weidtmann 2018;
  Böhme/Reimann 2018

Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG                                                                                                    7
Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...
IMPULSFORUM           Kommunen den Weg bereiten

     Präventionsstrategien für Kommunen:
     Unterstützung durch die Bundesebene

    »Kommunen
      Die Achse trägt: Gemeinsam können Bund, Länder und
                die Präventionsstrategien und Strukturen in den
     Lebenswelten ­stärken und qualitätsgesichert weiterentwickeln.                           «
     Dr. Heidrun M. Thaiss |
     Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

                                                                                                          Dr. Heidrun M. Thaiss

Gesellschaftlicher und sozialer Wandel, demographische Entwick­          Schulen, private Anbieter und weitere Fachkräfte in Kooperation
lung und der Wechsel der Morbiditäten, welche Gesundheits­               mit der Bundesebene. Auf Plattformen wie inforo oder in Webina-
förderung und Prävention beeinflussen, bilden den Kontext für die        ren, in Schulungen vor Ort unterstützt die BZgA die Multiplikatoren,
Insti­tutionen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, die            genauso wie bei der Identifikation von Good Practice-Beispielen.
sich mit Konzeption, Etablierung, Qualitätssicherung und Evalu­
ation präven­   tiver Maßnahmen und Programmen beschäftigen.             Konkrete weitere Hilfen sind in Form von Anschubfinanzierungen
Hierzu zählt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung           zur Strukturförderung denkbar, durch Materialien (Schulungs­
(BZgA), Behörde im Geschäftsbereich zweier Ministerien (BMG und          videos, Webcontent, Printmaterial) oder durch anteilige finanzielle
­BMFSFJ*) und im Rahmen des Präventionsgesetzes U ­ nterstützerin        Unterstützung regionaler Präventionsbeauftragter für kommunal
 der gesetz­ lichen Krankenkassen bei der Etablierung qualitäts­         gesteuerte Umsetzungsstrategien.
 gesicherter und nachhaltiger gesundheitsförderlicher Strukturen
 in kommunalen Lebenswelten.                                             Fachliche Expertise zur Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit kann
                                                                         die Bundesebene selbst bereitstellen (Förderprogramm ­Soziale
Wie aber kann die Bundesebene Aktivitäten entfalten, die auf             Stadt des Bundes­­innenministeriums, Good Practice Kriterien wie
­kommunaler Ebene wirken? Nach Artikel 28 Grundgesetz kommt              im Integrierten kommunalen Handlungskonzept, im kommunalen
 den Gemeinden zunächst das Recht der Selbstverwaltung zu,               Partner­prozess »Gesundheit für alle«, Eckpunkte Gesundheits­
 nach dem sie alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in         förderung bei Arbeits­losen der Bundesagentur für Arbeit oder durch
 ­eigener Verantwortung regeln. Dies betrifft Fragen des kommu­na­       Vermittlung von zusätzlicher wissenschaftlicher oder praktischer
  len Gesund­heitsschutzes, aber auch die Präventions- und Gesund­       Kompe­tenz). Zusätzlich begleitet die Bundesebene die G
                                                                                                                               ­ remien der
  heitsnetzwerke, die regionalen Gesundheitskonferenzen oder die         Gesundheits- und der Kultusministerkonferenz sowie der Arbeits­
  Präventionsbeauftragten, mit denen zahlreiche »Gesunde Kommu-          gemeinschaft der Obersten ­Landesgesundheitsbehörden als wich-
  nen« bereits effektive Strukturen zur Gesundheitsförderung etab-       tige Partner in gemeinsamen Statuskonferenzen und unterstützt
  liert haben. Einige Kommunen beginnen, ihre singulären Angebote        die Umsetzung der Nationalen Gesundheitsziele oder weiterer
  zu systematisieren, andere haben dafür bislang weder finanzielle       Bundes­programme, mit denen die Brücke in die Kommunen und
  noch personelle Ressourcen.                                            deren Lebenswelten geschlagen wird.

  Hier kann die Bundesebene wirksam unterstützen: Bei der
  Struktur­bildung geschieht dies bereits flächendeckend, z.B. in den       Dr. med. Heidrun Thaiss | Seit 2015 Leiterin der Bundes­
  »­Frühen Hilfen«, deren verbindliche Netzwerke und q
                                                     ­ ualifizierende       zentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln; zuvor
­Maß­nahmen seit 2007 finanziell (51 Mill. Euro p.a.) und fachlich          Leiterin der Leitstelle Prävention und Gesundheits­förderung
 unter­ stützt werden. Die Koordinierungsstellen Gesundheitliche            im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und
 Chancen­  leichheit, gestärkt durch das Präventionsgesetz, oder            Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein; klinische und
 das ­Gesunde Städte-Netzwerk bieten koordinative und fachliche             wissenschaftliche Tätigkeit an der Universitäts-Kinderklinik
 ­Hilfen. »Gut Drauf« fördert seit 25 Jahren kommunale Akteure.             Freiburg; Stationen im Öffentlichen Gesundheitsdienst mehre-
                                                                            rer Bundesländer; Kinder- und Jugendärztin, ­Sozialpädiaterin.
In Regionalkonferenzen, in Fachveranstaltungen für Partner-
kommunen oder bei kommunalen Wettbewerben sind regionale
Akteure wie Landesvereinigungen für Gesundheit, kommunale                * Bundesministerium für Gesundheit
Verwaltungen, Mediziner, Krankenkassen, Fachberatungsstellen,              Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

8                              Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG
Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...
IMPULSFORUM             Kommunen den Weg bereiten

    Unterstützung der Kommunen
    auf Länderebene

  »engagierte
    Gelingende Gesundheitsförderung und Prävention braucht
              Menschen in kommunalen Settings, die auf die
    Unterstützung der Länder und aller Sozial­versicherungs­träger
    bauen können.       «
    Ulrich Lensing |
    Gesundheitsministerkonferenz der Länder

                                                                                                        Ulrich Lensing

Zu einem besseren Gelingen der Gesundheitsförderung und                   Das pädagogische Fachpersonal in Kitas und Schulen trägt zu
­Prävention vor Ort muss der kommunale Sachverstand in ­Sachen            ­einem guten Heranwachsen in Sachen Bildung und Gesundheit bei.
 Prävention weiter unterstützt werden. Programme statt der Not-
 wendigkeit, einzelne Projektanträge entwickeln zu müssen, er-            Oftmals haben Gesundheitskompetenz und Gesundheitsförderung
 leichtern den Kommunen den Einstieg in die Gesundheitsförderung          in ihrer Ausbildung nur eine geringe Rolle gespielt. Hier können
 und Prävention. Gleichzeitig sollte der präventive Blick von vorhan­     vorhandene pädagogische Blicke erweitert werden. Eine große
 denem pädagogischem Personal weiter geschärft und geschult               Krankenversiche­rung in NRW hat sich die gesundheits­förderliche
 werden und damit ein gesundes Aufwachsen verbessert werden.              Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern auf die Fahne
                                                                          geschrieben und so in mittlerweile 20jähriger Arbeit m
                                                                          ­                                                        ­ ehrere
Das Wissen über Gesundheitsförderung und Prävention in den                tausende Kitas im Bereich der Gesundheitskompetenz fortge-
                                                                          ­
Kommunen ist vielfältig. Hier treffen die Blicke der ­
­                                                              Kinder-    bildet. Eine gesunde Kindheit und ein gesundes Aufwachsen und
und ­    Jugendhilfe auf den öffentlichen Gesundheitsdienst, die          Leben enden nicht im Kindergarten. Das Präventionsgesetz bietet
Sozial­   ämter mit ihrem Blick auf die Armutsbekämpfung und              gute Grundlagen dafür, mehr solcher Ansätze zu entwickeln, um die
­Seniorenhilfe. Gleichzeitig sind viele Stadtplaner um ein attraktives    Gesundheitskompetenz von vorhandenem Personal in kommu­nalen
 Stadtbild, Wohn- und Lebensumfeld mit Bewegungsmöglichkeiten             Settings zu stärken. So könnten früh verstärkt gesundheitsförder-
 ­bemüht und die Wirtschaftsförderer haben ein großes Interesse an        liche Handlungsbedarfe bei ­Kindern erkannt und entsprechende
  ­gesunden florie­renden Unternehmen. Diese teilpräventiven Blicke       Maßnahmen angegangen ­werden, um spätere lebensstilbedingte
   gilt es stärker zu vernetzen, um daraus weitreichende Präventions­     Erkrankungen zu vermeiden.
   projekte in kommunalen Settings zu entwickeln.

Zur Unterstützung und Beratung der Kommunen hat das Land                     Ulrich Lensing | Seit 2018 Referatsleiter für Prävention im
Nordrhein-Westfalen (NRW) die drei von der Bundeszentrale                    Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes
für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) finanzierten Stellen der               Nordrhein-Westfalen. Zuvor dort Referatsleiter für Betrieb­
Koordi­nierungsstelle für Gesundheitliche Chancengleichheit beim             liche Gesundheitsförderung; bis 2011 Leitung eines Fraktions­
Landes­zentrum für Gesundheit in NRW paritätisch mit Personal                vorsitzendenbüros im Landtag von Nordrhein-Westfalen;
aus Landesmitteln aufgestockt. Auftrag neben der Gewinnung                   bis 2010 Leitung der Gruppe Ministerbüros für die Referate
­neuer Kommunen durch Veranstaltungen ist insbesondere die Be-               ­»Presse«, »Ministerbüro« und »Öffentlichkeitsarbeit«.
 gleitung und Beratung, damit die Zahl der förderfähigen Anträge
 weiter erhöht werden kann.

Modulare Programme statt mühsam konzipierte ­       Einzelprojekte
können einen wertvollen Beitrag leisten, um mehr Kommunen auf
den Weg der Gesundheitsförderung und Prävention zu leiten und
zu begleiten. Denn dann müssen interessierte Kommunen nicht
­einen Großteil der konzeptionellen Arbeit leisten, sondern ledig-
 lich die Rahmenbedingungen einer Programmlinie auf die örtlichen
 Gegeben­heiten anpassen.

Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG                            9
Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort - Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen - Bundesvereinigung Prävention und ...
IMPULSFORUM              Kommunen den Weg bereiten

     Prävention und Gesundheitsförderung
     vor Ort: Der Beitrag der Kommunen

  »verantwortlichen
    Die finanzielle Förderung der Etablierung von Präventions-
                     vor Ort durch Mittel des Präventionsgesetzes
     ist ein wichtiger Baustein für das Gelingen von Prävention und
     Gesundheitsförderung in den Kommunen.                  «
     Stefan Hahn |
     Deutscher Städtetag

                                                                                                      Stefan Hahn

Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, durch die Umsetzung des               Für die gelingende örtliche Präventionsarbeit im Rahmen des
­Präventionsgesetzes die Lebenssituation der Menschen vor Ort           Präven­tionsgesetzes ist zudem die gute Zusammenarbeit mit den
 zu verbessern. Wie groß sind hier die Fortschritte der vergange-       Krankenkassen wichtig. Die kommunalen Verantwortlichen benöti-
 nen ­Jahre? Die Erfolgsbilanz der letzten Jahre ist eher ernüch-       gen Klarheit über die Ansprechpartner der Krankenkassen vor Ort.
 ternd. Derzeit ist vor allem zu beobachten, dass Konzepte, Vorga-      Auch im ländlichen Raum bedarf es mindestens eines Kassenver­
 ben, gute Ideen, Strukturen auf Bundes-, Landes- und jedenfalls        treters pro Kommune. Im Ballungsraum benötigt man möglicher-
 überört­licher Ebene in einer ganz besonderen Vielzahl erstellt und    weise einen Koordinator für die Vielzahl von Kassen, die vor Ort
 verbreitet ­werden. Dabei entsteht häufig der Eindruck, dass jetzt     präsent sind.
 hier reflektiert, erklärt und möglichst auch geregelt werden soll,
 wie, was und für wen auf kommunaler Ebene nun passiert. Von            Die vorgenannten Maßnahmen können als Beispiele dafür gesehen
 der Intention her gut gemeint und oft auch vom Inhalt her beach-       werden, wie auch bei einem nicht perfekten Präventionsgesetz die
 tenswert, ist mittlerweile jedoch ein Zustand erreicht, in dem ein     potentielle Rolle der lebensweltnächsten Institution, nämlich der
 Weniger an Konzepten einen Mehrwert hätte. Wo Bedarfe liegen,          Kommune, stärker und besser zum Tragen kommt. Für die Sozial­
 was getan werden könnte und auch was derzeit schon getan wird          versicherungsträger wird so eine effiziente Mittelverwendung
 und was besser unterstützt werden sollte, ist vor Ort am besten und    gefördert. Für die Kommunen würden die durch das Präventions-
 hinreichend bekannt.                                                   gesetz zur Verfügung gestellten Mittel auf breiter Basis nutzbar
                                                                        gemacht.
Der größte Bedarf besteht nicht an neuen Konzepten. Nach
­Ansicht der Kommunen sind für das Gelingen von Prävention und          Auch wenn noch vieles getan werden muss, lässt sich sagen: Wir
 Gesundheitsförderung vor Ort der Aufbau und die Etablierung            sind auf einem guten Weg.
 von Präventions­verantwortlichen in den Rathäusern der n   ­ ächste
 wichtige und notwendige Schritt. Sie haben die Aufgabe, die
 ­
 Gesund­heitsakteure vor Ort mit den Akteuren der Jugendhilfe, der         Stefan Hahn | Beigeordneter des Dezernats Arbeit, Jugend,
 Altenhilfe und der Quartiersarbeit usw. zusammen zu bringen. Nur          Gesundheit und Soziales beim Deutschen Städtetag; zuvor
 hierdurch werden die zahlreichen Angebote und Konzepte zu den             Beigeordneter der Stadt Neuss und der Gemeinde Wachtberg;
 Menschen kommen. Leider sind gerade die Kommunen mit dem                  Dozent für Staats- und Verfassungsrecht beim Kommunalen
 größten Anteil an vulnerablen Zielgruppen diejenigen, die nicht aus       Studieninstitut in Aachen und für Staatsrecht an der Fach-
 eigener Kraft dazu in der Lage sind, Präventionsverantwortliche zu        hochschule für öffentliche Verwaltung in Köln; Rechts­anwalt.
 finanzieren.

Es ist daher dringend notwendig, mit Hilfe der P
                                               ­ räventionsmillionen
die kommunalen Präventionsverantwortlichen zu finanzieren und
damit den Aufbau der kommunalen Präventionsstrukturen zu initi­
ieren. Hierdurch könnte das Zusammenbringen verschiedenster
Bemühungen und Maßnahmen unterschiedlicher ­           Akteure und
Fachbereiche unterstützt werden. Wichtig wäre in dem Zusammen­
hang auch, dass nicht nur hierfür, sondern auch für konkrete Maß-
nahmen vor Ort entsprechende Ressourcen aus dem Präventions-
gesetz zur Verfügung stehen.

10                            Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG
IMPULSFORUM             Kommunen den Weg bereiten

    Auf dem Weg zu einer gesunden
    ­Kommune: Unterstützung durch
     die Kassen

  »denAbFokus:
        2019 nehmen wir gezielt benachteiligte Kommunen in
               Ein kommunales Förderprogramm soll die soziallagen­
   bezogene Gesundheitsförderung und Prävention stärken.«

    Gernot Kiefer |
    GKV-Spitzenverband

                                                                                                        Gernot Kiefer

Die Krankenkassen haben ihr Engagement in der Gesundheitsförde­           ­ rävention in Kommunen zu stärken. Ein erstes Förderangebot un-
                                                                          P
rung und Prävention in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet.           terstützt benachteiligte Kommunen, die auf Basis des »German In-
Die Ausgaben für die Gesundheitsförderung in Lebenswelten nach            dex of ­Socioeconomic Deprivation« des Robert Koch-Instituts aus-
§ 20a SGB V wurden 2017 um 30% gegenüber dem Vorjahr erhöht               gewählt wurden, u. a. mit einer Förderung von Personalkapazitäten
und betrugen 2,12 € je Versicherten.                                      beim Aufbau von Steuerungsstrukturen für Gesundheitsförderung.

Im Rahmen des GKV-Bündnisses für Gesundheit – einer gemein­               Durch weitere Förderangebote sollen insbesondere vulnerable
samen Initiative der gesetzlichen Krankenkassen zur Weiter-               Zielgruppen, u. a. Menschen mit Behinderungen, Alleinerziehende,
entwicklung und Umsetzung von Gesundheitsförderung und                    ­Kinder aus suchtbelasteten oder psychisch belasteten Familien,
Prävention in Lebenswelten – ist in den letzten Jahren vieles zur          stärker als bisher von gesundheitsförderlichen und primärpräven-
Unterstützung der Kommunen durch die gesetzlichen Krankenkas-              tiven Maßnahmen profitieren. Das Förderprogramm wird wissen-
sen initi­iert und umgesetzt worden: Einen wichtigen Beitrag zur           schaftlich begleitet und evaluiert.
kommu­nalen Gesundheitsförderung in den Bundesländern leisten
die Koordinierungsstellen Gesundheitliche Chancengleichheit,              Weitere Informationen zum Förderprogramm:
deren Fachpersonal auf insgesamt 32 GKV-geförderte Personal-              www.gkv-buendnis.de/foerderprogramm/foerderangebote/
stellen aufgestockt wurde. Sie unterstützen die Kommunen durch
Beratung, Netzwerkaktivitäten und Verbreitung von »Good Practi-
ce«. Die Verzahnung von Arbeits- und Gesundheitsförderung ist ein            Gernot Kiefer | Seit 2010 Vorstand GKV-Spitzenverband;
weiterer wichtiger Schwerpunkt des GKV-Bündnisses. Aktuell be-               ­zuvor BITMARCK HOLDING, Sprecher der Geschäftsführung;
steht an 129 Standorten eine Zusammenarbeit mit Jobcentern und                IKK-Bundesverband, stellvertretender Vorstandsvorsitzender.
Agenturen für Arbeit, um gemeinsam die gesundheitliche Lage von
arbeits­losen Menschen zu verbessern.

Ein zentrales Anliegen der nationalen Präventionsstrategie ist es,
Gesundheitsförderung und Prävention in den Lebenswelten zu
­stärken und das Handlungsfeld auf kommunaler Ebene flächen­
 deckend zu institutionalisieren. Es wurde ein übergreifendes
 gemein­sames Struktur- und Prozessziel in die Bundesrahmen-
 empfehlungen aufgenommen, welches den Gedanken kommunaler
 Steuerung stärkt. In den neuen Präventions- und Gesundheitsförde­
 rungszielen der GKV, die ab 2019 bis 2024 gelten, wurde dieses Ziel
 operationalisiert.

Das kommunale Förderprogramm des GKV-Bündnisses für Ge­
sund­­­heit, das wir gemeinsam mit der Bundeszentrale für gesund­
heitliche Aufklärung (BZgA) auf den Weg gebracht haben, startet
im Januar 2019 mit einer Gesamtlaufzeit von fünf Jahren. Unser
Ziel ist es, die soziallagenbezogene Gesundheitsförderung und

Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG                           11
WORKSHOP 1

     Netzwerkbildung vor Ort (I)

Eröffnet wurde der Workshop durch einen Vortrag von Ruth
­Gausche, Universitätsklinikum Leipzig, und Ulrike Igel, H
                                                         ­ ochschule
 für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Im Anschluss daran
 refe­rierte Dr. Peggy Looks, Landeshauptstadt Dresden. Die Refe-
 rentinnen stellten die »Netzwerkbildung vor Ort« an den Beispielen                    Ulrike Igel (links), Ruth Gausche (rechts)
 der Städte Grünau und Dresden vor.

                                                                         men zeitlich, ­finanziell und inhaltlich begrenzter Gesundheits­
GRÜNAU BEWEGT sich – Strategien für                                      förderungsprojekte nicht lösbar. Dazu braucht es das Interesse und
einen gesundheitsförderlichen Stadtteil                                  Mitwirken sektorenübergreifender kommunaler und gesamtgesell-
                                                                         schaftlicher Akteure.
Ruth Gausche | Universitätsklinikum Leipzig
Ulrike Igel | Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig
                                                                            Ruth Gausche | Projektkoordinatorin mit ­wissenschaftlichen
»GRÜNAU BEWEGT sich« ist ein gemeinwesenorientiertes P     ­ rojekt         Aufgaben am Universitätsklinikum Leipzig. Seit 1998 befasst
zur Gesundheitsförderung und Adipositasprävention für ­Kinder               sie sich mit Daten­erhebungen zur körperlichen Entwicklung
in einem sozial benachteiligten Gebiet. Entsprechend der Be-                von Kindern und J­ ugendlichen sowie mit der Früherkennung
darfe und Wünsche aus dem Quartier werden in Trägerschaft der               und Prävention von Störungen des Wachstums und der Ge-
Stadt Leipzig (Gesundheitsamt) gemeinsam mit lokalen Akteur/                wichtsentwicklung.
innen, Partner/innen aus Wissenschaft und dem Gesundheits-
sektor sowie in Kooperation mit verschiedenen ­Krankenkassen                Ulrike Igel | Seit 2015 im Projekt »GRÜNAU BEWEGT sich«
systematisch ­   Interventionen zur Gesundheitsförderung und                für die wissenschaftliche Begleitung zuständig. Ulrike Igel
Adipositas­prävention entwickelt und umgesetzt. Diese a
                                                      ­ dressieren          ­studierte Sozialwesen an der Hochschule für Technik, Wirt-
vornehmlich die Verhältnisse, in denen Kinder aufwachsen, wie               schaft und Kultur Leipzig und promoviert derzeit an der Medi-
­Kitas, Schulen und den öffentlichen Raum.                                  zinischen Fakultät der Universität Leipzig zu sozialen und um-
                                                                            weltbezogenen Einflussfaktoren kindlicher Adipositas.
Eine zentrale Rolle im Projekt kommt einer Sozialarbeiterin mit
dem Schwerpunkt Gemeinwesenarbeit zu. Sie fungiert als Kontakt­
person für Kindergesundheit im Quartier, eruiert und bündelt Be-
darfe, lotet Unterstützungs-, Kooperations- und Fördermöglich­
keiten aus und sensibilisiert bzw. aktiviert lokale Partner/innen für    Gesund und aktiv in Dresden
das ­Thema Gesundheitsförderung. 2015 wurde das quartiersbezo-
gene Gesund­heitsnetzwerk Grünau gegründet, in dem Vertreter/            Dr. Peggy Looks | Landeshauptstadt Dresden,
innen aus Bildungseinrichtungen, Sportvereinen, der Gesundheits­         Beauftragte WHO-Projekt »Gesunde Städte«
förderung und dem Quartiersmanagement aktuelle Bedarfe disku­
tieren, Ressourcen austauschen und Projektideen entwickeln               Die Landeshauptstadt Dresden als Mitglied im Europäischen Netz-
und um­setzen. So wurden seit 2016 u.a. der jährliche Kita- und          werk »Gesunde Städte« der Weltgesundheitsorganisation hat sich
Hort-Fußball-Pokal, Fortbildungen und verschiedene Aktionstage           die Förderung der körperlichen Aktivität in der Bevölkerung zum
durchgeführt sowie Schulwege farbig gestaltet.                           Schwerpunkt gesetzt. Grundlage der Arbeit bildet eine gesamt­
                                                                         städtische Strategie zur Bewegungsförderung, die sich in den ver-
Durch die gute Unterstützung seitens des Gesundheitsamtes                schiedenen Fachplänen wie der Sportentwicklungsplanung, dem
(Verfügungsfonds Gesundheit, Integriertes Stadtteilentwicklungs-         Aktionsplan für gesundes und aktives Altern sowie dem Integrier-
konzept) konnten zahlreiche einrichtungsbezogene Mikroprojekte           ten Stadtentwicklungskonzept niederschlägt.
mit lokalen Partner/innen umgesetzt werden. Kindergesundheit
wird von lokalen Akteur/innen zunehmend thematisiert und disku­          Zentrales Anliegen ist die Schaffung von Bedingungen, die die Mög-
tiert. Durch Formate wie das Grünauer Gesundheitsnetzwerk                lichkeit zur alltäglichen, wohnortnahen und kostenfreien Bewegung
oder Fortbildungsveranstaltungen werden der Austausch und die            bieten. Im Fokus stehen dabei vor allem Bevölkerungsgruppen, die
Koopera­tionsbeziehungen zwischen verschiedenen ­      Grünauer          sich bislang wenig bewegt haben. Vorgestellt wurde eine Auswahl
Einrichtungen intensiviert. Trotz erfolgreicher Umsetzung sind           von kommunalen Maßnahmen:
strukturelle Barrieren und psychosoziale Problemlagen im Rah-

12                             Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG
WORKSHOP 1

                                                                          haltigkeit von Projekten zur kommunalen Prävention und Gesund-
                                                                          heitsförderung eine eindeutige Unterstützung durch die Verant-
                                                                          wortlichen in der Stadt notwendig sei. Andernfalls hätten es selbst
                                                                          gute Projekte schwer, sich zu verstetigen. In Dresden gelinge dies
Dr. Peggy Looks                                                           durch die jahrelange Mitgliedschaft im Gesunde Städte-Netzwerk
                                                                          und die dadurch inzwischen selbstverständliche interdisziplinäre
                                                                          Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung. Des Weiteren betonte
                                                                          Frau Dr. Looks, dass eine gute Öffentlichkeitsarbeit für die Wahr-
1.     »Walking People« beinhaltet die Etablierung von Lauf- und          nehmung der erfolgreich umgesetzten Projekte von Bedeutung sei
       Bewegungsstrecken im öffentlichen Raum unter Nutzung vor-          und dass diese zugleich auch ein Imagegewinn für die Stadt bzw.
       handener Wegepotenziale.                                           die Stadtteile sein kann.

2.     »Fit im Park« hält kostenfreie Sport- und B
                                                 ­ ewegungsangebote
                                                                          Darüber hinaus widmeten sich die Teilnehmenden der Frage, wie
       auf öffentlichen Grünflächen im Sommerzeitraum für die
                                                                          sich die Durchsetzung von Projekten erhöhen lasse. Übereinstim­
       ­breite Bevölkerung inklusive für Kinder und Jugendliche sowie
                                                                          mung herrschte bei dem Punkt, dass es vor allem engagierter
        für Menschen mit Behinderung bereit.
                                                                          Persönlichkeiten bedarf, damit ein Projekt die notwendige Durch-
3.     »Bewegung im Stadtteil« ist ein Angebot speziell für ältere        schlagskraft bekommt. Dabei sei darauf zu achten, dass nicht nur
       Menschen. Partizipativ werden gemeinsam mit Senior/innen           eine Person alleine die Verantwortung trage, damit im Falle eines
       Broschüren zu Stadtteilspaziergängen erarbeitet und publi-         Ausscheidens die Arbeit professionell fortgeführt werden könne.
       ziert.                                                             Außerdem sei eine enge Zusammenarbeit mit den Einrichtun-
                                                                          gen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensumstände
4.     »Senior-Fit-Dresden«, ein neunwöchiges B ­ ewegungsangebot
                                                                          von ­Menschen haben, wichtig (z.B. Verantwortliche bei der Stadt­
       für Senior/innen, das zugleich auch Anregungen für den Alltag
                                                                          gestaltung, Bildungseinrichtungen, Jobcenter). Dr. Looks berich-
       beinhaltet.
                                                                          tete von kosten­freien Multiplikator-Schulungen beim Dresdner-­
5.     »Multimobil – Für Dich. Für Dresden« - eine Kampagne, w
                                                             ­ elche      Projekt »Bewegung im Stadtteil«. Ergänzt wurde seitens der
       die Dresdner Bevölkerung sensibilisieren soll, nicht nur das       Teilnehmenden, dass es manchmal hilfreich sei, Projekte oder
       Auto für alltägliche Wege zu nutzen, sondern auf alternative       ­Projektanteile an Vereine anzubinden, da dort häufig viele ehren-
       Fortbewegungsmöglichkeiten zu setzen.                               amtlich tätige und engagierte Akteur/innen zu finden sind.

 Die Resonanz der Bevölkerung zu den Projekten ist überwiegend            Die Referentinnen empfahlen den Teilnehmenden, Fachveranstal-
 positiv. Gerade der Mix unterschiedlicher Angebote für unter-            tungen/Foren mit dem Schwerpunkt »kommunale Prävention und
schiedliche Zielgruppen in unterschiedlichen Stadtteilen scheint          Gesundheitsförderung« zu besuchen, um Kenntnis über erfolg-
ein Erfolgsfaktor zu sein und spricht für ein gesamtstädtisches           reich etablierte Projekte zu erhalten. In Dresden wurden beispiels­
Vorgehen, welches die kooperative Umsetzung verschiedener                 weise Konzepte aus anderen Städten übernommen: »Fit im Park«
­Ämter erfordert.                                                         stammt aus Stuttgart und »Bewegung im Stadtteil« aus Köln.

     Dr. Peggy Looks | Seit 2011 WHO-Beauftragte für das Projekt          Moderation
     »Gesunde Städte« der Landeshauptstadt Dresden; ­Betreuung
     zahlreicher Qualifikationsarbeiten auf dem Gebiet der Ge­
     sundheitswissenschaften für Student/innen unterschiedlicher             Klaus-Peter Stender | Behörde für Gesundheit und Verbrau­
     Hoch­schulen; Vorträge u.a. an der TU Dresden und der Alice             cherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg, Leiter der
     Salomon Hochschule Berlin; Vorträge auf nationalen/inter­na­            Fachabteilung Prävention, Gesundheits­förderung und Öffent­
     tio­nalen Fachkongressen.                                               licher Gesundheitsdienst. Ko­ordinator des Gesunde Städte-
                                                                             Netzwerkes von 1989 bis 2004.

Diskussion

Die anschließende Diskussion wurde von dem Moderator Klaus-
Peter Stender, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz in
Hamburg, geleitet. Dr. Peggy Looks erläuterte, dass für die Nach-

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WORKSHOP 2

     Netzwerkbildung vor Ort (II)

Die Referenten des Workshops 2, Bernd Gard, Bürgermeister und
Dorfentwickler in Mannebach, und Prof. Dr. Wolfgang H. Caselmann,
Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, stellten
in ihren Vorträgen Instrumente zur »Netzwerkbildung vor Ort« dar.
                                                                                      Bernd Gard

Dorfaktivierung nach dem
                                                                           Bernd Gard | Seit 2009 Ortsbürgermeister und Dorfentwick-
Saarburger Modell                                                          ler in Mannebach (Landkreis Trier-Saarburg, Rheinland-Pfalz);
                                                                           Präventologe h.c. Berufsverband der Präventologen; Entwick-
Bernd Gard | Bürgermeister und Dorfentwickler Mannebach
                                                                           ler des Mannebacher Mobilitätsmodells und des Saarburger
                                                                           Modells; zuvor Berater für behinderte Menschen und 1. Fach-
Das »Saarburger Modell« ist ein strukturiertes Werkzeug zur
                                                                           kraft für Rehabilitation (Teamleiter) bei der Agentur für Arbeit;
Förde­rung der Selbstorganisation der Bürgerschaft mit dem Ziel,
                                                                           Dipl.-Verwaltungswirt.
die Kommune sozial, ökologisch und ökonomisch neu auszu­richten
und eine aktive, sorgende Gemeinschaft zu schaffen, welche die
Grundsätze der Gemeinwohlökonomie anstrebt. Das ­Saarburger
Modell beruht auf den Grundlagen: Strukturaufbau und Wissens­
vermittlung.                                                            Gesundheitsförderung vor Ort –
Zum Strukturaufbau gehört, dass insbesondere Bürgermeister/in-
                                                                        Entscheidungen in der Region treffen
nen für Prävention und Gesundheitsförderung sensibilisiert w
                                                           ­ erden
                                                                        Prof. Dr. Wolfgang H. Caselmann |
und aktiv einen Veränderungsprozess anregen, der ein »Fürein-
                                                                        Bayerisches Staatsministe­rium für Gesundheit und Pflege
ander« in der Dorfgemeinschaft fördert. So sollen professionelle
Strukturen im Ehrenamt entstehen, die einen Gesundheitsförde-
                                                                        Der unter Einbeziehung aller Ressorts und nach Diskussion mit
rungsprozess in der Dorfgemeinschaft voranbringen (»Gesund-
                                                                        den Partnern der Bürgergesellschaft erstellte Bayerische Präven­
heitsgenossenschaft«). Der Prozess zur Dorfaktivierung beginnt in
                                                                        tionsplan setzt den Rahmen für Maßnahmen der Gesundheits­
Form einer Ideenwerkstatt. Anschließend werden Projektgruppen
                                                                        förderung und Prävention in Bayern. Er bildet eine Grundlage für die
gebildet, um die gesammelten Ideen umzusetzen. Zudem ist eine
                                                                        Umsetzung des Präventionsgesetzes auf Landesebene und nutzt
Wissensvermittlung notwendig, die auch die Bürger/innen erreicht.
                                                                        vorhandene Strukturen, wie z.B. das Zentrum für Prävention und
Im Saarburger Modell ist hierfür eine Wissensinfothek vorgesehen,
                                                                        Gesundheitsförderung am Landesamt für Gesundheit und Lebens-
Expert/innen werden für Vorträge eingeladen und Filmabende zu
                                                                        mittelsicherheit, die regionalen Präventionsmanager/innen sowie
relevanten Themen organisiert.
                                                                        die Gesundheitsregionen plus.
Zur Verbesserung der individuellen Lebensqualität und zur Stär-
                                                                        Die vier zentralen Handlungsfelder des Präventionsplans sind
kung der dörflichen Gemeinschaft ist in Mannebach beispielsweise
                                                                        »Gesundes Aufwachsen in Familie, Kindertageseinrichtungen
                                                                        ­
ein Dorffitnessraum entstanden, wo generationenübergreifend zu-
                                                                        und in der Schule«, »Gesundheitskompetenz in der A     ­ rbeitswelt
sammen trainiert wird. E-Bikes stehen zum Verleih bereit und eine
                                                                        und ­betriebliche Präventionskultur«, »Gesundes Altern im selbst­
WhatsApp-Gruppe wurde für Nachbarschaftshilfe entwickelt. Die
                                                                        bestim­  mten Lebensumfeld« sowie »Gesundheitliche Chancen­
lokalen Erfolge des Saarburger Modells in Mannebach wurden kon-
                                                                        gleich­­heit« als Querschnittsthema. Diese werden mit Hilfe des
sequent in der Presse veröffentlicht und von anderen Gemeinden
                                                                        Bündnisses für Prävention umgesetzt, in dem sich bisher insge-
übernommen.
                                                                        samt 124 Präventionsakteure im Freistaat zur freiwilligen Mit­arbeit
                                                                        bekannt haben.
Auf Grundlage der flexiblen Methodik des Saarburger ­Modells ­können
sowohl die Ergebnisse des 7. Altenberichts der Bundesregie­rung
                                                                         Die regionalen Besonderheiten und Bedürfnisse für die gesund-
als auch die Vorgaben des Präventionsgesetzes beispielhaft umge-
                                                                         heitliche Prävention und Versorgung können am besten vor Ort be-
setzt werden.
                                                                         urteilt werden. 2015 wurde auf Ebene der bayerischen L
                                                                                                                              ­ andkreise
                                                                         mit dem Aufbau eines Förderinstruments G­ esundheitsregionen plus
                                                                        begonnen, das Handlungsfelder für Gesundheitsförderung und
                                                                        ­Prävention sowie für die gesundheitliche Versorgung auf Basis

14                            Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG
WORKSHOP 2

                                                                          die Bearbeitung von Versorgungs- und Präventionsthemen jedoch
                                                                          verpflichtend sei. Für die Einstellung einer Geschäftsstellenleitung
                                                                          stehen bis zu 50.000 Euro im Jahr zur Verfügung. Ob davon Voll-
                                                                          zeit- oder Teilzeitkräfte angestellt werden und welche ­Qualifikation
Prof. Dr. med. Wolfgang H. Caselmann                                      ­diese haben, werde nach dem regionalen Bedarf entschieden. Bei
                                                                           den Gesundheitsregionen plus sind die Geschäftsstellen in der R
                                                                                                                                         ­ egel
                                                                           in den Gesundheitsämtern angesiedelt.
regio­naler Bedarfsanalysen bestimmt. Eine Zuwendung zum Auf-
bau regio­naler Geschäftsstellen wird als Anteilfinanzierung in Höhe      Auf Rückfrage aus dem Plenum weist Bernd Gard auf seine
von bis zu 70 % der förderfähigen Ausgaben – höchstens in Höhe            Schulungs­seminare hin. Prof. Caselmann macht die ­Teilnehmenden
von 50.000 Euro jährlich – für 5 Jahre gewährt. Zusätzlich können         auf die Möglichkeit eines Praktikums im Bayerischen Staats­mini­s­
Mittel für Projekte und die Öffentlichkeitsarbeit beantragt werden.       terium für Gesundheit und Pflege aufmerksam.
Derzeit werden 41 Gesundheitsregionenplus gefördert, dies ent-
spricht 52 kreisfreien Städten und Landkreisen. Ziel ist es, eine
Flächen­deckung der Gesundheitsregionen plus zu erreichen.                Moderation

  Prof. Dr. med. Wolfgang H. Caselmann | Seit 2018 stellvertre-              Dr. Ellis Huber | Seit 2004 Mitglied im Vorstand des Berufs­
  tender Leiter der Abteilung Prävention und Gesundheitsschutz               verbandes Deutscher Präventologen e.V. und seit 2007 d
                                                                                                                                  ­ essen
  im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege                 Vor­sitzender; Vorstandsmitglied des Paritätischen, Lan­des­­­­
  (StMGP); beratendes Mitglied der Nationalen Präventionskon-                verband Berlin e.V.; Geschäftsführer der St. Leonhards Aka­
  ferenz und Mitglied des Verwaltungsrats des Instituts für Medi­            de­­mie gGmbH; zuvor Vorstand der SECURVITA BKK; Präsident
  zinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP); seit                   der Ärztekammer Berlin; Gesundheitsstadtrat von Berlin-­
  2003 Referatsleiter verschiedener medizinischer Fach- bzw.                 Wilmersdorf und -Kreuzberg.
  Grundsatzreferate im StMGP.

Diskussion

Die Workshopteilnehmer/innen diskutierten unter Leitung des
Mode­rators Dr. Ellis Huber, Vorsitzender des Berufverbandes der
Präventologen e.V., die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen
der beiden Ansätze.

Bernd Gard erläuterte, dass beim »Saarburger Modell« der aktiven
Bürgerbeteiligung bei der Gestaltung von Präventions- und Gesund-
heitsförderungsprozessen eine hohe Bedeutung zukomme. Das
»Saarburger Modell« arbeitet mit dem Leitsatz »Mit Menschen ge-
stalten, nicht für sie« – ein Plädoyer für einen respektvollen Dia­log.
In diesem Zusammenhang empfahl der Moderator Dr. Ellis ­Huber
den Workshop-Teilnehmer/innen die Fachliteratur: »Reinven­ting
Organizations visuell: Ein illu­strierter Leitfaden sinnstiftender For-
men der Zusammenarbeit« von Frederic Laloux (2016).

Prof. Wolfgang H. Caselmann führte aus, dass beim Bayerischen
Präventionsplan mit den Gesundheitsregionen plus der Netzwerk-
strukturaufbau zwischen der Kommunalpolitik und allen, die vor
Ort bei der gesundheitlichen Versorgung und Prävention eine ent-
scheidende Rolle spielen, im Fokus stehe. Er ergänzte, dass die
Handlungsfelder der Gesundheitsregionen plus unterschiedlich sind,

Dokumentation | Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort | 8. gemeinsamer Präventionskongress von BMG und BVPG                           15
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