PRAXISHILFEN FRANCHISING IN DER CORONA-KRISE - Wie Franchisegeber in herausfordernden Zeiten richtig agieren
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
PRAXISHILFEN FRANCHISING IN DER CORONA-KRISE Wie Franchisegeber in herausfordernden Zeiten richtig agieren
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE Stand 23. Februar 2021 INHALT I. EINFÜHRUNG 3 II. ÜBERBLICK ÜBER DIE GESETZESENTWICKLUNG 4 III. WELCHE RECHTSGEBIETE DES FRANCHISINGS SIND BETROFFEN? HIER FINDEN SIE FRAGEN UND ANTWORTEN: 4 1. Franchisegebühr 4 2. Miete / Pacht 7 3. Lieferantenbeziehungen 9 4. Arbeitsrecht 12 5. Insolvenzrecht 15 6. Gesellschaftsrecht (bspw. vereinfachtes Verfahren für Gesellschafterbeschlüsse) 17 7. Darlehensverträge 18 8. Steuerliche Erleichterungen 19 9. Betriebsschließungsversicherung 20 10. Staatliche Entschädigungszahlung nach Infektionsschutzgesetz 21 11. Kooperationen (und Kartellrecht) 22 12. Fördermöglichkeiten 23 13. Verweis auf die Informationskanäle des Franchiseverbandes 24 LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 2
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. I. EINFÜHRUNG lich zu überstehen. Wahrscheinlich war selten ein besse- rer Zeitpunkt, Partnerschaft zu leben. Die Befürchtung, die Seit der ersten Auflage dieses Leitfadens im Mai 2020 sind immense wirtschaftliche und persönliche Anspannung auf über 10 Monate vergangen, seit den ersten Schließungsan- beiden Seiten könnten zu einer Welle gerichtlicher Ausei- ordnungen sogar knapp ein Jahr. Der zweite landesweite nandersetzungen führen, hat sich bislang nicht bestätigt. Lockdown dauert zum Erscheinungsdatum dieser 3. Aufla- Partnerschaften im Franchising scheinen, jedenfalls der- ge des Leitfadens noch an. Klarheit über den weiteren Ver- zeit, stärker und flexibler gelebt zu werden als andere kauf- lauf der Pandemie selbst sowie der staatlichen Reaktionen männische Dauerschuldverhältnisse. So wurde im Bereich hierauf im Jahr 2021 fehlt. des gewerblichen Mietrechts mit dem ersten Lockdown ein regelrechter Startschuss für juristische Auseinanderset- So wird die Entwicklung etlicher Branchen in der deut- zungen zwischen Mieter und Vermieter geliefert. Ähnliches schen und globalen Franchisewirtschaft weiterhin von der ist im Versicherungswesen zu beobachten. Der Leitfaden COVID-19-Pandemie bestimmt. Weiterhin ist es nicht nur die wird hierzu einen Überblick über die aktuelle Entwicklung Ausbreitung des Virus und neuerdings seiner Mutanten der Rechtsprechung geben. selbst, die Unternehmen zu schnellen und konsequenten internen Maßnahmen zwingen. Weltweit haben Staaten Für nahezu alle Franchisezentralen, deren Franchiseneh- spätestens zum Winteranfang 2020 wieder Lockdowns mer und sonstigen Systempartner, stellen sich in diesem verhangen, die Produktion, Einkauf, Handel und Vertrieb Zusammenhang weiterhin zahlreiche rechtliche, steuer- in vielen Industrien und Branchen seither und weiterhin rechtliche und finanzielle Fragen, die im Folgenden in Form nachhaltig stören und teilweise sogar zum Erliegen ge- eines Q&A dargestellt werden sollen. Hierzu geht der Leitfa- bracht haben, um eine Ausbreitung der Pandemie zu ver- den sowohl auf Pandemie-bezogene Themenfelder sowie langsamen und die zwischenzeitlich besser vorbereiteten hiermit verbundene konkrete Einzelfragen ein, die in der Gesundheitssysteme aufrecht zu erhalten. Franchisewirtschaft aktuell und weiterhin diskutiert wer- den. Alle Kapitel wurden zudem einem Update seit der 2. Die große Mehrheit der im Franchising vertretenen Branchen Auflage vom 17. November 2020 unterzogen und auf den spürt die Auswirkungen zunehmend. Einige Marktsegmen- aktuellen Gesetzes- und Kenntnisstand angepasst. te, wie z.B. die Systemgastronomie oder Fitnesssysteme und weite Teile des stationären Einzelhandels werden seit Der folgende Leitfaden ist auch genau als solcher zu ver- fast einem Jahr mit besonderer Wucht von wiederholten stehen. Er stellt keine Rechtsberatung dar, noch soll er die- behördlichen Schließungsanordnungen und einer mit der se im Einzelfall ersetzen. Er kann vielleicht die Diskussion Pandemie einhergehendem Kundenzurückhaltung getrof- und strategische Abstimmung in konkreten Situationen fen. zwischen Ihnen und Ihren Rechtsanwälten leiten, oder zu- mindest anregen. Inzwischen spiegelt er auch die Entwick- Viele Regierungen bemühen sich weiterhin, diese Situation lung der juristischen Betrachtung der Pandemie seit dem wirtschaftlich abzumildern. So hat Deutschland auch den ersten Lockdown im März 2020. Spannend ist und bleibt, zweiten, zum Zeitpunkt der Erstellung dieser 3. Auflage wie sich Rechtsprechung und sonstige juristische Diskus- noch andauernden Lockdowns mit der Zusage weiterer fi- sionen im vergangenen Jahr entwickelt haben. So ist die nanzieller Direkthilfen sowie weiteren Unterstützungs- und für viele überraschende Erstmaligkeit und Einmaligkeit der Förderangeboten verbunden. Oft gestaltet sich die Umset- COVID-19-Pandemie im März 2020 zwischenzeitlich verflo- zung der Hilfsmechanismen, z.B. die Auszahlung staatli- gen und einer weitaus nüchterneren Betrachtungsweise cher Hilfen als schwierig. Im Rahmen der entsprechenden gewichen, was sich auch in der Rechtsprechung, z.B. im gesetzgeberischen Aktivitäten setzt sich der Deutsche Bereich der Eilverfahren gegen Schließungsanordnungen Franchiseverband intensiv für die Belange der Franchise- zeigt. Daher bleibt es schwierig, den konkreten Eintritt der wirtschaft und der einzelnen Systeme und ihrer Mitglieder hier vertretenen Rechtsansichten voraus zu sagen. Es ist ein. in Einzelfällen vielmehr wahrscheinlich, dass die in Zukunft mit diesen und vergleichbaren Fragen beschäftigten Ge- In vielen Franchisesystemen ist seit dem ersten Lockdown richte zu anderen Ergebnissen kommen werden, als denen, im März 2020 zu beobachten, dass Franchisegeber und die hier in Aussicht gestellt werden. Franchisenehmer enger und partnerschaftlicher zusam- menarbeiten denn je und gemeinsam nach tragfähigen Lösungen suchen, um die Situation gemeinsam bestmög- LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 3
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. II. ÜBERBLICK ÜBER DIE GESETZESENTWICKLUNG III. WELCHE RECHTSGEBIETE DES FRANCHISINGS SIND BETROFFEN? Am 01. April 2020 trat das Gesetz zur Abmilderung der HIER FINDEN SIE FRAGEN UND ANTWORTEN: Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (Corona-Abmil- 1. FRANCHISEGEBÜHR derungsgesetz) in Kraft. Es war eine der ersten konkreten Pandemie-bezogene Gesetzesinitiativen auf Bundesebe- a) Sind Franchisegebühren vom Gesetz zur Abmilderung ne, und zugleich eine umfassende, die den Zweck verfolg- der Folgen der COVID-19-Pandemie betroffen? te, Folgen der Pandemie für Wirtschaft und Gesellschaft lindern und in verschiedenen Bereichen zu regeln. Das Das Gesetz vom 27. März 2020 beschäftigt sich in Gesetz trat seinerzeit flankierend neben bereits von Bund Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen und Ländern anderweitig beschlossene Maßnahmen, Gesetzbuch (EGBGB) mit vertragsrechtlichen Rege insbesondere im Finanzierungsbereich, Arbeitsrecht und lungen, so insbesondere für Verbraucher, aber auch Steuerrecht. Das Corona-Abmilderungsgesetz ist in Teilen für Kleinstunternehmen. Zu diesem Kreis dürften in der weiterhin in Kraft und geltendes Recht und bestimmte ab Regel auch Franchisenehmer gehören. April 2020 die rechtliche Einordnung mehrerer Kernthemen, insbesondere Konsequenzen von Zahlungsrückständen im Obwohl Franchiseverträge ausdrücklich nicht genannt Mietrecht, Darlehen sowie sonstigen Dauerschuldverhält- sind, diese andererseits aber auch als Dauerschuld nissen, die Pflicht zur Antragstellung im Insolvenzfalle bis verhältnisse anzusehen sind, könnte man davon hin zu Formalitäten bei Gesellschafterversammlungen. ausgehen, dass auch Franchiseverträge bzw. Franchisen ehmern ein temporäres Leistungsverwei Einen umfassenden Überblick zum Corona-Abmilderungs- gerungsrecht eingeräumt wird, wenn diese Unterneh- gesetz findet sich in der ersten Auflage des Leitfadens men die Leistung nicht erbringen können oder dem (Stand 3. Mai 2020), der weiterhin zum Download unter Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefähr- www.franchiseverband.com bereit steht. dung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbs betriebs nicht möglich ist (sog. Moratorium). Auch hier Zwischenzeitlich wurde eine dreistellige Zahl von Gesetzen hat die Bundesregierung von der Option zur Verlänge- und Verordnungen, sowie Bekanntmachungen und Ver- rung keinen Gebrauch gemacht und sah für eine Ver- fügungen auf Bundes- sowie Landesebene veröffentlicht längerung keinen Bedarf. „Für eine Verlängerung des bzw. erlassen. Selbst eine Eingrenzung auf solche, die für tiefgreifenden Eingriffs in das BGB und bestehende Ver- die Franchisewirtschaft von Relevanz sind, würde den Rah- träge gibt es keine Rechtfertigung mehr“ (Zitat Luczak men dieses Leitfadens sprengen. rechtspolitischer Sprecher der CDU-Bundestags fraktion). Die nachfolgenden Ausführungen sind da- Nur beispielhaft werden an dieser Stelle hervorgehoben her weitestgehend „Geschichte“ und können allenfalls das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaß- noch einmal im Zusammenhang mit dem neuerlichen nahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Coro- Lookdown ab November 2020 diskutiert werden. na-Steuerhilfegesetz) vom 29. Juni 2020 (BGBl. I S. 1512) sowie das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaß- Leistungsverweigerung hieß in diesem Kontext, dass nahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuer- die Leistung als Entgeltforderung, sprich die Zah- hilfegesetz) vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1385), das Gesetz lung in einem Dauerschuldverhältnis, nicht erbracht zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgeset- werden muss, bzw. so lange bzw. längstens bis zum zes vom 25. September 2020 (BGBl. I S. 2016) und nicht 30. Juni 2020 zurückbehalten werden kann, bis sich zuletzt das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei die Verhältnisse wieder ändern. einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397). Mit diesen Regelungen sollte allerdings in erster Linie Verbrauchern, aber auch Kleinstunternehmen ein Leis- Weitere relevante behördliche Initiativen und deren Bedeu- tungsverweigerungsrecht eingeräumt werden, und tung für Franchisesysteme finden Sie in den nachfolgen- zwar in Bezug auf wesentliche Dauerschuldverhält den Kapiteln. nisse. LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 4
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. Wesentlich für Kleinstunternehmen sind solche Dauer- Also mit kurzen Worten ein äußeres schadensverur schuldverhältnisse, die „zur Eindeckung mit Leistungen sachendes Ereignis, das eine Vertragspartei ohne ihr zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebes Verschulden an der Vertragserfüllung hindert. erforderlich sind“. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man zu dem Allerdings lässt sich der Begründung des Geset- Ergebnis kommen, dass die jetzige Situation als eine zes entnehmen, dass hierunter verstanden werden: solche der höheren Gewalt anzusehen wäre. Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder Telekommunikationsdienste sowie Hierzu wird es sicherlich nach Beendigung der jetzigen Wasserver- und -entsorgung, soweit diese Verträge Situation zu umfangreicher Rechtsprechung kommen, zivilrechtlich ausgestaltet sind. die hinsichtlich Art, Inhalt und Umfang zurzeit über- haupt nicht absehbar ist. Danach sind Entgeltansprüche, insbesondere laufende Franchisegebühren aus einem Franchisevertrag direkt Im deutschen Recht gibt es zwei Anwendungsberei- nicht einbezogen und unterliegen keinem sonder che, die unter Berücksichtigung der jetzigen Situation gesetzlich geregelten Leistungsverweigerungsrecht. betrachtet werden müssen, so die Frage der Unmög- lichkeit gemäß § 275 BGB und diejenige der Abänderung Dies entspricht auch allgemeinen zivilrechtlichen bestehender Verträge im Rahmen des § 313 BGB unter Grundsätzen, wonach der Franchisegeber grundsätz- dem Gesichtspunkt der Störung bzw. des Wegfalls der lich seine Marken und sein Geschäftskonzept zur Ver- Geschäftsgrundlage. fügung stellt, wohingegen der Franchisenehmer das Recht und die Pflicht hat, das Geschäftskonzept um- Einen Fall von Unmöglichkeit wird man jedoch nicht zusetzen. Das Risiko der Umsetzungsmöglichkeit liegt ann ehmen können. Weder wird dem Franchisegeber nach diesem Verständnis allein beim Franchisenehmer. die Zurverfügungstellung des Franchisekonzepts un- möglich, noch dem Franchisenehmer die Zahlung der Allerdings ist auch unter Berücksichtigung dieser Franchisegebühr. Unabhängig von vorhandener Liqui- Risikoverteilung davon auszugehen, dass es partner- dität gilt nach deutschem Recht der Grundsatz „Geld schaftliche Pflicht eines jeden Franchisesystems ist, hat man zu haben“. nach Lösungen für angeschlossene Franchisenehmer zu suchen, die auch die Bewältigung der Krise im Be- Ob die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage reich der Franchisegebühren für die Franchisenehmer in einem Pandemiefall anwendbar sind, muss als offen ermöglichen, gerade wenn man andere rechtliche Ri- bezeichnet werden. Die Vorschrift des § 313 BGB sieht siken im Auge behält, die sich aus dem Gesichtspunkt vor, dass im Falle einer schwerwiegenden Veränderung der Unmöglichkeit oder der Störung bzw. des Wegfalls der Umstände, die zur Grundlage des Vertrages gewor- der Geschäftsgrundlage ergeben, die nachstehend an- den sind, die Anpassung des Vertrages verlangt wer- gesprochen werden. den kann. Voraussetzung ist, dass der verpflichteten Partei das Festhalten am Vertrag, so wie er ursprüng- b) Gibt es andere rechtliche Vorschriften, die auf lich geschlossen wurde, nicht zugemutet werden kann. die jetzigen Situationen und Franchisegebühren anwendbar wären? Anwendungsfälle, die hierzu die Rechtsprechung in der Vergangenheit beschäftigt haben, waren z. Bsp. außer- Zu denken wäre hierbei an den Begriff und das Rechts gewöhnlich hohe, plötzliche und starke Verknappun- institut der „höheren Gewalt“. In vielen, gerade inter- gen in der Verfügbarkeit von bestimmten Rohs toffen nationalen Verträgen finden sich in der Regel auch und Produkten, wobei die Gerichte hier sehr hohe An- Ausführungen dazu, wann Umstände eintreten, die forderungen gestellt haben. als höhere Gewalt definiert werden und welche Folgen daraus resultieren. Der Bundesgerichtshof definiert In der Regel wird es darauf ankommen, wer letztend- höhere Gewalt als ein von außen kommendes, keinen lich das Risiko von ursprünglich nicht geplanten Ent- betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch wicklungen zu tragen hat. In der Regel ist das jeder durch äußerste, vernünftigerweise zu erwartender Unternehmer selbst, der das Risiko schlechter Umsatz- Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis. entwicklungen und eines Umsatzausfalls zu tragen hat. LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 5
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. c) Sind alle Franchisegebühren gleich zu behandeln? plizit genannt werden, die an die Stelle des Umsatzes treten wie zum Beispiel Leistungen aus einer Versiche- Wir finden in jedem Franchisesystem unterschiedliche rung/Betriebsdunterbrechungsversicherung. Gebühren mit verschiedenen Gebührenstrukturen wie zum Beispiel umsatzbezogene Gebühren, Mindest In einen solchen Fall kann man daran denken, im Wege gebühren und betragsmäßig feststehende Gebühren. der Analogie auch Leistungen aus Staatshilfen einzu- beziehen. Im Fokus der Betrachtung stehen hier natürlich in ers- ter Linie diejenigen Franchisegebühren, die in der Re- Allerdings werden die systembezogenen laufenden gel umsatzbezogen sind und monatlich abgerechnet Franchisegebühren häufig mit einer Mindestgebühr sowie gezahlt werden müssen. Diese Gebühren stel- versehen sein, d.h. dass in der Regel ein fester monat- len meist die Gegenleistung für die laufende System- licher Betrag vertraglich vereinbart ist, unabhängig da- nutzung dar. Wenn die Systemnutzung objektiv nicht von, wieviel Umsatz erzielt wird. möglich ist, stehen allein diese umsatzbezogenen Gebühren im Vordergrund von etwaigen Leistungsaus Eine solche Mindestgebühr wird nach unserer Auffas- fällen. Wenn also kein Umsatz erzielt wird, schuldet der sung weiterhin geschuldet sein, da diese ja eben nicht Franchisenehmer auch keine laufende Gebühr. auf einen zu erzielenden Umsatz Bezug nimmt, sondern als Pauschalgebühr ausgestaltet ist. Diese Gebühr Allerdings hat sich im Zuge der Gewährung von staat- stellt sozusagen das wirtschaftliche Minimum dar, was lichen Corona-Hilfen, insbesondere den sog. Novem- von jedem Franchisenehmer zur Aufrechterhaltung des ber/Dezember-Hilfen ( 75 % des im Vergleichsmonat Systems auch im Falle der nicht oder nicht ausreichend vor einem Jahr erzielten Umsätze) die Frage gestellt, erzielbaren Umsätze geschuldet wird. ob solche Zahlungen, die ja den Charakter einer Um- satz-Ersatzzahlung oder eines Umsatzsurrogates ha- Franchisegebühren als Mindestgebühren unterliegen ben, der Franchisegebühren unterliegen könnten. daher weiterhin einer Zahlungsverpflichtung. Man wird hier in erster Linie auf die vertraglichen Re- Auch feststehende Gebühren wie Dienstleistungs-, gelungen im Franchisevertrag schauen müssen, selbst IT- und Marketinggebühren sind weiterhin zu zahlen, wenn zweifelsfrei steuerlich die gewährten Hilfen als soweit sie nicht umsatzbezogen ausgestaltet sind. Umsatzersatz der Einkommens- und Körperschafts- Dies deshalb, weil diese meist, wie z.B. im IT-Bereich, zu steuer unterliegen (siehe unter Punkt 8). zahlende Lizenzgebühren an dritte Dienstleister bein- halten werden. In der Regel wird in den einschlägigen Franchiseverträ- gen der Praxis die zu zahlende laufende Franchisege- d) Gibt es Handlungsempfehlungen? bühr auf den „Netto-Umsatz“ bezogen ( „Netto-Umsatz sind alle Umsätze aus und im Franchisebetrieb aus Wenn nicht schon generell bisher praktiziert, so ist die di- dem Verkauf der Vertragsprodukte, sonstigen Produk- rekte Kommunikation mit einem klaren Ziel gerade unter ten und Dienstleistungen“). Beachtung der aufgezeigten Risiken oberste Handlungs- maxime. Die zurückliegenden Monate haben gezeigt, Ob bei einer solchen vertraglichen Regelung und Um- dass durchgängig in den meisten Franchisesystemen satzdefinition im Wege der ergänzenden Vertragsaus- an Lösungen gearbeitet und diese erfolgreich umge- legung auch etwaige Umsatzsurrogate heranzuziehen setzt wurden, so dass gerichtliche Auseinandersetzun- sind, erscheint mehr als fraglich und im Falle einer gen über diese Fragestellungen kaum zu verzeichnen gerichtlichen Auseinandersetzung sehr zweifelhaft, waren. Dies gilt es auch jetzt mit einer offensiven Kom- weil die Vertragsklauseln zu Lasten des Verwenders munikationsstrategie zu den aktuellen Maßnahmen ab AGB-rechtlich eher eng und am Wortlaut orientiert aus- dem 2. November 2020 zu erreichen. gelegt werden. Auch hier dürfte die Analogie zum Steu- erecht kaum hilfreich sein. Fair-Play-Franchising erfordert die Erarbeitung von eigenen Positionen und Hilfsmaßnahmen der System- Etwas anderes mag denkbar sein, wenn bei der Um- zentralen außerhalb des national und regional entfalte- satzdefinition im Vertrag auch sonstige Leistungen ex- ten Rettungsschirmes. LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 6
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. Der aufgezeigte rechtliche Handlungsrahmen kann kei- möglicherweise eine Anpassung des Mietvertrages ne klaren und zuverlässigen Lösungen und Handlungs nach den Regeln von der „Störung der Geschäfts- anweisungen bieten, sondern nur die Risiken aufzeigen. grundlage“ in Betracht (siehe Frage b.). Gerade deshalb sind kreative Lösungen und Angebo- b) Kann der Mieter die Miete mindern, wenn er wegen der te gefordert, einerseits im jeweiligen Franchisekonzept Corona-Krise gar keine oder nur verminderte Umsätze selbst (Online-Lösungen, Home-Delivery usw.), ande- generiert? rerseits im wirtschaftlichen Bereich mit Stundungen, Ermäßigungen und auch – wie z.B. im Mietrecht vor der Da die Räumlichkeiten, so wie sie vom Vermieter zur Krise zur Gewinnung von neuen Mietern üblich – Ge- Verfügung gestellt werden, dem Grunde nach weiter- währung von mietfreien/zahlungsfreien Zeiträumen. hin zur Verwendung durch den Mieter geeignet sind, ist auch eine Mietminderung nur schwer zu begründen. Eine denkbare Vorgehensweise wäre, wenn die Anders kann es sein, wenn man hier von einer Störung Franchiseg eber die geschuldeten Franchisegebühren der Geschäftsgrundlage ausgeht. Dieses Rechtsinstitut für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2020 stunden und wird von den Gerichten nur unter besonders strengen danach mit den Franchisenehmern jeweils individuelle Voraussetzungen angewandt. Dann, wenn derart un- Zahlungspläne vereinbaren. Gleiche Überlegungen vorhersehbare Umstände eintreten, die, hätten sie beide müssen natürlich auch jetzt angestellt werden, wenn Vertragspartner vor Vertragsunterzeichnung bereits be- Franchisebetriebe wiederum von aktuellen Schlie- dacht, zu einer entsprechenden Regelung im Mietvertrag ßungsverfügungen betroffen sein sollten. geführt hätten, kann ein Vertragspartner vom anderen eine sachgerechte Anpassung des Mietvertrages ver- 2. MIETE / PACHT langen. Unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Risi- kozuweisung für von außen hinzutretende Umstände an a) Bleibt die Pflicht zur Mietzahlung grundsätzlich den Mieter dürfte dies allerdings höchstens zu einem Teil- bestehen, wenn das Ladenlokal oder Restaurant wegfall der Mietzahlungspflicht führen. Dabei ist auch zu aufgrund der Corona-Krise nicht geöffnet sein darf? berücksichtigen, ob die Räumlichkeiten wirklich gar nicht mehr genutzt werden können, oder ob beispielsweise Im Mietrecht geht es grundsätzlich nach der Verteilung trotz Schließung eines Ladenlokals für den Kunden von Risikobereichen. Wenn der Vermieter in der Lage verkehr dort weiterhin ein Delivery-Service oder ein On- bleibt, die betreffenden Räumlichkeiten ganz regulär line-Shop aufrechterhalten oder auch neu etabliert wird. zur Verfügung zu stellen, fällt es in den Risikobereich Die oben genannten Urteile der Landgerichte aus Heidel- des Mieters, ob das darin von ihm betriebene Geschäft berg, Frankfurt und Zweibrücken haben eine Anpassung auch tatsächlich erfolgreich ist oder ob es überhaupt des Mietvertrages zwar ebenso abgelehnt wie eine Miet- geöffnet sein darf. Öffentlich-rechtliche Schließungs- minderung. Gleichzeitig jedoch ließen die Richter offen, anordnungen oder sonstige Untersagungen führen ob nicht eine wegen der Corona-Krise durchaus gege- daher dem Grunde nach erst einmal nicht zum Wegfall bene Änderung der Geschäftsgrundlage im Falle einer der Mietzahlungspflicht. Dies haben mittlerweile auch nachgewiesenen Existenzgefährdung – und dies kommt einige Gerichte für Corona-bedingte Schließungen be- vor allem auch bei kleineren Unternehmen und Soloselb- stätigt, so das Landgericht Heidelberg, das Landgericht ständigen in Betracht – sehr wohl eine Unzumutbarkeit Zweibrücken und das Landgericht Frankfurt. Allerdings der vollen Mietzahlungspflicht zur Folge haben und da- gibt es auch Entscheidungen, die das anders sehen. mit zu einer Mietreduzierung führen könnte. Ein weiteres So stellte das Landgericht München I im Falle eines Urteil einer anderen Kammer des Landgerichts München Möbelgeschäftes eine Mietminderung fest, deren Höhe I ging zwar nicht von einer Mietminderung aus, wohl gestaffelt sei, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die aber von einem Mietanpassungsanspruch wegen Än- Räumlichkeiten überhaupt nicht mehr, nur noch zur derung der Geschäftsgrundlage. Dieser Kammer reichte Lagerung von Waren, oder möglicherweise in einge- es aus, dass das entsprechende Ladenlokal wegen der schränktem Maße für eine geringere Zahl von Kunden Corona-Auflagen nicht genutzt werden konnte. Da hier nutzbar waren. Es ist somit überhaupt nicht abseh- weder Vermieter noch Mieter für die Zwangsschließung bar, in welche Richtung sich die Rechtsprechung ent verantwortlich seien, sei eine Risikoverteilung 50:50 an- wickeln wird, zumal die Urteile größtenteils noch nicht gemessen, so dass das Gericht hier lediglich von einer rechtskräftig sind. Statt einer Mietminderung kommt 50 prozentigen Mietzahlungspflicht ausging. LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 7
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. Mit der Absicht, die Position der Gewerberaummieter untersagung, insbesondere ein längerer Zeitraum von bei Verhandlungen mit ihren Vermietern zu stärken, mehreren Monaten, ausnahmsweise dazu führen, dass hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 31.12.2020 eine fristlose Kündigung des Mietvertrages durch den mit Art. 240 § 7 EGBGB eine neue Regelung erlassen. Mieter durch die Gerichte anerkannt wird, obwohl das Danach wird zugunsten des Gewerberaummieters im Regelfall erforderliche Verschulden des Vermieters vermutet, dass eine coronabedingte teilweise oder für die Vertragsstörung nicht gegeben ist. vollständige Einschränkung der Nutzbarkeit der Miet- sache eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß d) Welche rechtlichen Konsequenzen für Vermieter und § 313 BGB darstellt. In einem Rechtsstreit muss nun Mieter ergeben sich aus dem Abmilderungsgesetz? nicht mehr der Mieter beweisen, dass staatliche Maß- nahmen zu einer Störung der Geschäftsgrundlage ge- Das Abmilderungsgesetz untersagt es dem Vermieter, führt haben, sondern der Vermieter ist beweispflichtig wegen eines während der Monate April, Mai und Juni für das Gegenteil. Fraglich ist, ob den gewerblichen 2020 entstandenen und durch die Corona-Krise verur- Mietern damit wirklich geholfen ist, denn bei genauerer sachten Mietrückstandes das Mietverhältnis zu kündi- Betrachtung der bereits ergangenen Rechtsprechung gen. Kündigungen aus anderen Gründen bleiben jedoch ist festzustellen, dass die Gerichte immer eine Störung ganz regulär weiterhin möglich. Eine Ausweitung dieser der Geschäftsgrundlage angenommen haben. Klar ist Regelung, etwa für die Monate des neuerlichen Lock- jedenfalls, dass das neue Gesetz keinen Anspruch auf downs im Winter 2020/21, gibt es nicht. Mietrückstände Reduktion der Miete gibt: Dies hängt insbesondere da- aus diesen Monaten sind daher hinsichtlich etwaiger von ab, ob der Mieter im konkreten Einzelfall darlegen Kündigungsmöglichkeiten nicht privilegiert. und nachweisen kann, dass es ihm unzumutbar ist, an dem Mietvertrag in unveränderter Form festzuhalten. e) Bleibt die Zahlungspflicht des Mieters trotz des Hieran scheitern aber viele klagenden Mieter. Insoweit Abmilderungsgesetzes bestehen? hat sich also nichts gegenüber der "alten" Rechtslage verändert. Dürfte die Neuregelung zwar voraussicht- Das Abmilderungsgesetz sagt, anders als zu anderen lich vor Gericht nicht oder nur teilweise helfen, kommt Dauerschuldverhältnissen, hinsichtlich der Miete oder ihr aber zumindest ein Appellcharakter zugute, der Pacht nichts über die grundsätzliche fortbestehende Gewerberaummietern in ihren Verhandlungen mit den Zahlungspflicht. Trotz der dem Vermieter vorüberge- Vermietern eine wertvolle Argumentationshilfe sein hend versagten Kündigungsmöglichkeit hinsichtlich kann. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang da- Mietrückständen aus den Monaten April, Mai und Juni rauf, dass Art. 240 § 7 EGBGB auch rückwirkend auf 2020 blieb es für ebendiese Monate grundsätzlich bei alle Sachverhalte seit Beginn der Corona-Krise, also der Mietzahlungspflicht. Theoretisch konnte der Ver- auch auf den ersten Lockdown, anzuwenden ist, so- mieter also zwar nicht kündigen, wohl aber Mietrück- fern diese nicht durch gerichtliche Entscheidungen stände einklagen. Und da der Mieter sich, wenn er die rechtskräftig abgeschlossen sind. Noch zu klären ist, Miete zunächst nicht gezahlt hatte, auch in Verzug ob die Rückwirkung auch zwischen den Mietparteien befand, liefen insoweit auch ab dem jeweiligen Fällig- getroffene Vereinbarungen betrifft. Aufgrund der Un- keitszeitpunkt ganz reguläre Verzugszinsen auf (bei gewissheit der zukünftigen Rechtsprechung zu Co- gewerblichen Mietverhältnissen in der Regel 9 Prozent- ronafällen empfiehlt sich daher weiterhin, als Mieter punkte über dem Basiszinssatz). das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen und, wenn möglich, die Miete zwar vollständig, aber „unter Vorbe- f) Wann muss der Mieter seine säumige Miete nachzahlen? halt“ zu zahlen. Da das Abmilderungsgesetz den Mieter nicht von der c) Kann der Mieter das Mietverhältnis kündigen, wenn Mietzahlung als solcher befreite, sondern nur dem Ver- die Dauer der erzwungenen Geschäftsschließung mieter vorübergehend das Kündigungsrecht versagte, längere Zeit bestehen bleibt? bestand die Mietzahlungspflicht ganz regulär fort. Bis Ende Juni 2022 sollten alle Rückstände (aus April bis Auch bei der Möglichkeit einer außerordentlichen Kün- Juni 2020) beglichen sein, weil dann der Ausschluss digung sind die grundsätzlich dem Mieter zugewiese- des Kündigungsrechtes hinsichtlich dieser Rückstän- nen Betriebsrisiken zu berücksichtigen. Im Ext remfall de erlischt. könnte jedoch eine nicht absehbare Dauer der Betriebs LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 8
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. g) Was muss der Mieter tun, um sich auf das i) Welche Position ergibt sich für einen Franchisegeber, Abmilderungsgesetz berufen zu können? der als Hauptmieter die Standorte innehält, und diese Wie und wann muss der Mieter die Gründe für die als Untervermieter den Franchisenehmern vermietet? Nichtzahlung der Miete glaubhaft machen? Auch wenn für einen Franchisegeber, der Standorte an- Nach dem Gesetzeswortlaut musste der Mieter glaub- mietet, um sie an Franchisenehmer unterzuvermieten, haft machen, dass die säumigen Mietzahlungen auf Hauptmietvertrag und Untermietvertrag in der betriebs den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhten. wirtschaftlichen Kalkulation zusammenhängen, sind sie Was in diesem Zusammenhang „Glaubhaftmachung“ jedoch zivilrechtlich völlig unabhängig voneinander zu bedeutet, ist leider unter Juristen noch nicht ganz klar, betrachten. Alle mietrechtlichen Grundsätze, auch die denn der Begriff der „Glaubhaftmachung“ taucht nor- Sonderregelung des Abmilderungsg esetzes, müssen malerweise nur im deutschen Prozessrecht auf. Viel jeweils unabhängig voneinander einerseits hinsichtlich spricht dafür, dass der Mieter erst in einem eventu- des Hauptmietvertrages mit dem Eigentümer und an- ellen Kündigungsprozess diese Kausalität durch ent- dererseits hinsichtlich des Untermietvertrages mit dem sprechende Beweismittel oder zumindest durch eine Franchisenehmer betrachtet werden. Das bedeutet eidesstattliche Versicherung glaubhaft machen muss. beispielsweise auch, dass sich der Franchiseg eber Besser jedoch ist es, wenn sich der Mieter gleich bei gegenüber seinem Vermieter nicht ausschließlich auf der ersten ausbleibenden Mietzahlung gegenüber dem die ausgebliebene Untermietzahlung berufen soll- Vermieter auf die Vorschrift aus dem Abmilderungsge- te. Vielmehr sollte er jedenfalls darlegen, inwieweit setz beruft und dies entsprechend begründet hat, oder er als Franchisegeber von der Corona-Krise gerade wenn er gar hundertprozentig „auf Nummer sicher“ ge- auch durch Umsatzausfälle bei seinen Franchise gangen ist und bereits in der Kommunikation gegenüber nehmern wirtschaftlich insgesamt betroffen war. dem Vermieter eine eidesstattliche Versicherung beige- fügt und die Verursachung der ausbleibenden Mietzah- j) Praxisempfehlung lungen durch die Corona-Krise glaubhaft gemacht hat. Bei Neuabschlüssen von Miet- und Untermietverträgen h) Unter welchen Voraussetzungen kann sich der Mieter kann es empfehlenswert sein, vertragliche Regelungen auf das Abmilderungsgesetz berufen? mit abgewogener Risikoverteilung zu Auswirkungen der Darf er wirklich nicht in der Lage sein, die Miete zu Pandemie bzw. darauf fussender Betriebsschließun- zahlen, oder reichen bloße Verschlechterungen der gen auf die zu zahlenden Miete zu treffen. Hierbei sollte wirtschaftlichen Situation? das Verwendungs- und Nutzungsrisiko des jeweiligen Mietobjektes einer Partei zugeordnet, zwischen den Auch dies ergibt sich nicht ganz klar aus dem neuen Parteien sachgerecht verteilt oder auch begrenzt wer- Gesetz. Vom Wortlaut und auch von der gesamten den. Dies reduziert Streit- und Diskussionsbedarf zwi- Grundintention und Begründung des Gesetzes her schen den Parteien und macht bestenfalls gerichtliche jedoch ist es für einen Kündigungsausschluss nicht Auseinandersetzungen entbehrlich. erforderlich, dass der Mieter tatsächlich nicht in der Lage war, die Miete zu bezahlen. Ausreichend dürfte es 3. LIEFERANTENBEZIEHUNGEN sein, dass sich seine gesamtwirtschaftliche Lage und seine laufende Liquidität in deutlich spürbarem Maße a) Welche tatsächlichen Auswirkungen hat die aufgrund der Corona-Krise verschlechtert hatten, COVID-19-Pandemie auf Systemlieferanten und so dass im Rahmen seiner Finanzplanung zunächst deren Lieferfähigkeit? irgendwelche eigentlich fälligen Zahlungen nicht er- bracht werden konnten. Insbesondere dürfte vom Mie- Grundsätzlich beeinflussen staatlichen Anordnungen ter nicht verlangt werden, dass er im größeren Rahmen wie Ausgangssperren sowie betriebsinterne Maß- auf Rücklagen zurückgreift. Da jedoch auch insoweit nahmen zur Verringerung oder Beschränkung von die Rechtslage bisher nicht eindeutig geklärt ist, emp- Kontakten die Arbeitsabläufe in Unternehmen. System- fiehlt sich zur Vermeidung eines Prozesses in jedem lieferanten, deren Mitarbeiter darüber hinaus von einer Falle eine Rücksprache zwischen Mieter und Vermieter Infektion betroffen sind, müssen Schutzmaßnahmen oder gegebenenfalls mindestens eine Teilzahlung des treffen, die von teilweiser Abschottung und Ausfällen Mietzinses. wichtiger Teile der Belegschaft bis hin zu kompletten LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 9
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. Produktionsstopps oder Betriebsschließungen reichen c) Welche Rechtsfolgen hat eine verspätete Lieferung können. aufgrund der COVID-19-Pandemie? Selbst wenn der Systemlieferant nicht selbst betroffen Verspätet sich der Systemlieferant mit seiner Anliefe- ist, steigt die Wahrscheinlichkeit täglich, dass dies bei rung über den zugesagten Liefertermin hinaus, so be- einem seiner Vorlieferanten im In- oder Ausland der Fall findet er sich grundsätzlich in Verzug. Soweit er den ist und so ein Mangel an Vorprodukten oder Zuliefer Verzug zu vertreten hat, muss er dem Besteller Scha- teilen entsteht. Gleiches bewirken Grenzschließungen densersatz (z.B. Kosten für eine teurere Ersatzbeschaf- und sonstige Behinderungen des globalen Personen- fung) leisten. Soweit der Verzug aber auf einer Folge und Warenverkehrs in der internationalen Beschaffung. der COVID-19-Pandemie beruhte, die er nicht beeinflus- So wirkt sich der Mangel an ausländ ischen Arbeits- sen konnte (z.B. aufgrund einer behördlichen Maßnah- kräften (z.B. Saisonarbeiter in der Ernte, Grenzgänger) me wie eine Betriebs- oder Grenzschließung), trifft ihn auf Liefertreue und Preise aus, denen die Einreise nach aber gerade kein Verschulden, wie es gesetzlich vor- Deutschland oder Nachbarländer derzeit erschwert ausgesetzt wird, sodass er keinen Schadensersatz für oder ganz verwehrt wird. die verspätete Lieferung leisten muss. Es wird daher im Einzelfall zu prüfen sein, ob er die Verspätung vertreten Systemlieferanten sind daher zunehmend gezwungen, musste. Im Gegensatz zum ersten Lockdown, der häufig Lieferzeiten zu verschieben, Preise aufgrund gestiege- das Argument des Überraschungseffektes transpor- ner Personal-, Beschaffungs- oder Transportkosten tierte („hiermit konnte doch niemand nicht rechnen“), nachzuverhandeln, Lieferengpässe anzukündigen, gilt dieses zwischenzeitlich sicher nicht mehr. Dadurch ihre Produktion zurückzufahren bis hin zu deren Ein- erhöhen sich die Anforderungen an weitsichtige Pla- stellung. Die Folge ist, dass die Franchise- und Eigen nung auf Einkaufs- wie auf Lieferantenseite. betriebe der Systeme nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht mehr beliefert werden. d) Sind die Folgen der COVID-19-Pandemie „höhere Gewalt“? Umgekehrt benötigen viele Systembetriebe gerade Viele Lieferanten berufen sich auf höhere Gewalt (oder während des nunmehr noch längeren zweiten Lock- „Force Majeure“), wenn sie nicht oder nicht rechtzeitig downs seit Ende 2020 ohnehin weniger Produkte oder liefern können. Rahmenverträge mit Systemlieferanten, Waren mangels Absatzmöglichkeiten oder Nachfrage. insbesondere auch Liefer-AGB, enthalten regelmäßig Während sich im ersten Lockdown die Frage stellte, ob spezielle Klauseln zur höheren Gewalt, die sodann vor- und wie weit bereits bestellte Waren oder Produkte ab- rangig zu betrachten sind. genommen und bezahlt werden müssen, haben sich zwischenzeitlich viele Lieferketten national wie inter- Als höhere Gewalt definierten Lieferantenverträge national auf die staatlichen Interventionen eingestellt. typischer Weise betriebsfremde Ereignisse, die die Der Überraschungseffekt des ersten globalen Lockd- Lieferung verhindern und im Einflussbereich des Lie- wowns ist jedenfalls verpufft. feranten liegen. Oft zählen solche Klauseln Beispiele auf wie Naturkatastrophen, Streiks, Importverbote, b) Welche rechtlichen Themen muss die Systemzentrale Terroranschläge, aber auch Seuchen oder Pandemi- bei Lieferproblemen aktuell beleuchten? en. Zwischenzeitlich werden die Beispiellisten um die Erfahrungswerte aus 2020 in vielen Allgemeinen Ge- Sowohl vertraglich als auch gesetzlich müssen ver- schäftsbedingungen erweitert. schiedene Themen rund um Lieferprobleme rechtlich bewertet werden. Hierzu gehören rechtliche Beg riffe Rechtsfolge eines Force Majeure-Ereignisses ist im Re- wie Lieferverzug, Unmöglichkeit (höhere Gewalt), Stö- gelfall die zumindest vorübergehende Suspendierung rung der Geschäftsgrundlage, Informationspflichten, der Leistungspflicht der vom jeweiligen Extremereignis Schadensminderungspflichten, der Ersatz von Auf- betroffenen Partei. Zugleich werden Schadensersatz wendungen und Schäden sowie die Versicherungsde- ansprüche ausgeschlossen. Spiegelbildlich entfällt ckung. Seit Ende des ersten Lockdowns hat sich der auch die Zahlungspflicht des Bestellers. Diese Betrach- gestalterischen Aufwand in Einkaufs- und Lieferbedin- tungsweise hat sich über letzten Monate auch in vielen gungen drastisch erhöht. Einkaufsabteilungen inten- anderen Rechtsordnungen weltweit bestätigt. sivieren Ihre Kontigentplanungen mit Ihren Zulieferern. LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 10
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. e) Welche Ansprüche hat der Besteller bei Lieferstopps Systemlieferant alle Informations-, Anzeige-, Nach- infolge höherer Gewalt? weis- und Abmilderungspflichten eingehalten und um- gesetzt? Hat der Systemlieferant an anderer Stelle eine Selbst wenn sich der Lieferant zulässigerweise auf selbstständige Garantie abgegeben? eine Force Majeure-Klausel im Rahmenliefervertrag oder seinen Liefer-AGB berufen kann, treffen ihn Pflich- g) Was gilt, wenn der Liefervertrag keine oder keine ten, die er gegenüber dem Besteller stets einhalten wirksame Force Majeure-Klausel enthält? muss. In formaler Hinsicht sind für den Eintritt eines Force Majeure-Ereignisses regelmäßig Melde- bzw. Fehlt es an einer vertraglichen Regelung, bleibt ein Mitteilungspflichten des Lieferanten gegenüber dem Blick ins Gesetz. Der Begriff der Force Majeure ist Besteller vorgeschrieben. Weiter muss der Lieferant im deutschen Recht nicht ausdrücklich genannt. typischerweise alles Zumutbare unternehmen, um den Gemäß § 275 BGB wird ein Lieferant aber von seiner Eintritt des Force Majeure-Umstandes zu verhindern Lieferpflicht frei, wenn sie ihm unmöglich wird. Dies und die Folgen abzumildern. Auch hier ist zu beachten, gilt insbesondere dann, wenn die Lieferung aufgrund dass die Erfahrungswerte seit dem ersten Lockdown tatsächlicher oder rechtlicher Umstände, die der Lie- die Nebenpflichten des Lieferanten erhöhen könnten. ferant nicht beeinflussen kann, beruht. Des Weiteren kann er die Leistung verweigern, soweit der Aufwand in Eine Verletzung einer dieser Pflichten kann sehr wohl grobem Missverhältnis zum Interesse des Lieferanten Schadensersatzansprüche des Bestellers auslösen. steht. Es ist davon auszugehen, dass in zukünftigen Gerichtse ntscheidungen einige der direkten Auswir- Hat der Systemlieferant vertraglich eine besondere Ga- kungen der COVID-19-Pandemie, die außerhalb des Ein- rantie zugesichert, schließt das Force Majeure-Ereignis flussbereichs des Lieferanten oder Produzenten lagen, auch in diesem Fall nicht automatisch Schadensersatz als objektive Unmöglichkeit eingestuft werden. ansprüche des Bestellers aus. Es ist vielmehr im Ein- zelfall konkret zu prüfen, ob der garantierte Umstand Neben der Unmöglichkeit kennt das BGB die sogenann- objektiv unmöglich geworden ist. te Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). In eng begrenzten Ausnahmesituationen f) Was sollte in Lieferverträgen geprüft werden, wenn erlaubt § 313 BGB die Anpassung des Rahmenliefer sich der Lieferant auf „höhere Gewalt“ beruft? vertrages und, sollte dies nicht möglich sein, seine Aufhebung. Voraussetzung ist, dass sich im Laufe des Alle Lieferverträge sollten aus dem Blickwinkel des all- Rahmenliefervertrages etwas so elementar ändert, gemein anerkannten Pandemiecharakters von COVID-19 dass der Vertrag in der einmal geschlossenen Form auf folgende Umstände im Einzelfall geprüft werden: keinen Sinn mehr ergibt. Ob die COVID-19-Pandemie die Geschäftsgrundlage wegfallen lässt, kann derzeit Enthält der betroffene Rahmenliefervertrag mit dem nicht pauschal bejaht werden und wird vom Einzel- Systemlieferanten überhaupt eine Force Majeure- fall des betroffenen Vertrages abhängen. Die Recht Klausel? Oder kann sich der Systemlieferant, mangels sprechung stellt seit jeher sehr hohe Anforderungen Rahmenvertrag, auf eine Force Majeure-Klausel in sei- an die tatsächlichen Voraussetzungen. Umgekehrt ist nen Liefer-AGB berufen? Ist seine Klausel AGB-rechtlich nicht auszuschließen, dass die in Zukunft mit dieser angreifbar? Entfällt die Liefer-AGB aufgrund Kollision Frage betreuten Gerichte dieser Pandemie im Einzelfall mit den Einkaufsbedingungen des Bestellers? Erfasst einen besonderen Ausnahmecharakter zusprechen. die Klausel ausdrücklich Pandemien und/oder hiermit Jedenfalls könnte es mit zunehmender Wiederholung, verbundene staatliche Betriebs- oder Grenzschließun- um nicht zu sagen Normalität, von Pandemie-beding- gen? Ist das Leistungshindernis auch unmittelbar auf ten Lockdowns immer schwieriger werden, mit einem die Pandemie zurückzuführen (z.B. Produktionsstopp Wegfall der Geschäftsgrundlage zu argumentieren. aufgrund behördlicher Schließungsanordnung) oder Denn spätestens seit dem ersten Lockdown kann ent- nur eine mittelbare Folge (z.B. der bevorzugte Vorliefe- gegengehalten werden, dass zwischenzeitlich wohl rant des Systemlieferanten hat Schwierigkeiten, wäh- jeder Unternehmer hiermit rechnen muss. rend Dritte das Vorprodukt liefern könnten)? Hat der LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 11
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. h) Welche Folgen hat die Betriebsschließung auf verlangen, wenn sie sich insbesondere auf eine Stö- Einzelbestellungen des Franchisebetriebs? rung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB beruft. Allerdings knüpft die Rechtsprechung sehr hohe Hürden Soweit die Schließung des Shops auf einem nicht vom an den Wegfall der Geschäftsgrundlage, die sich mit je- Franchisenehmer zu verantwortenden Ereignis beruht der Wiederholung eines Lockdows erhöhen könnten. Es und eine Weiterführung des Betriebs unmöglich wird bleibt abzuwarten, wie Gerichte in den nächsten Jahren (z.B. aufgrund behördlicher Schließungsanordnung), rund um die COVID-19-Pandemie entscheiden werden. könnte er von seiner Abnahmeverpflichtung sowie Pflicht zur Zahlung noch am ehesten frei werden, wenn j) Welche Lehren haben Einkaufsabteilungen der Fran- der Rahmenvertrag oder die Einkaufs-AGB hierzu et- chisegeber sowie bei Lieferanten bei der rechtlichen was vorsehen. Das Gesetz sieht dagegen das Absatz- Gestaltung aus dem ersten Lockdown gezogen? und Verwertungsrisiko typischerweise beim Besteller. Schließt der Franchisenehmer seinen Betrieb dagegen In Folge des ersten Lockdowns ist ein Trend in der Ver- nur vorsorglich oder mangels Rentabilität, liegt dies in tragsgestaltung zu erkennen, wonach Regelungen seinem eigenen Verantwortungsbereich. Ein vorher zum Lieferstop und zur Abkündigung von Bestellungen wirksam geschlossener Liefervertrag wird hierdurch präzisiert werden. Dies gilt sowohl für die Einkaufsbe- nicht automatisch hinfällig. Sowohl die Pflicht zur Ab- dingungen der Franchisegeberzentralen als auch für nahme als auch zur Kaufpreiszahlung bleiben grund- Lieferbedingungen der Hersteller und Lieferanten in vie- sätzlich bestehen, soweit er sich nicht anderweitig mit len Branchen, aber auch für die Lieferbedingungen der dem Lieferanten einigt. Eine direkte Ansprache des Lie- Franchisegeber gegenüber ihren Franchisenehmern. feranten ist daher unumgänglich. Zum einen werden, wo nötig, Pandemie und Lockdown als Tatbestände der höheren Gewalt erstmals ausge- i) Welche Folgen hat das Nichterreichen von führt. Zum anderen werden konkrete Spielregeln im Mindestumsätzen oder Mindestmengen aufgrund Umgang mit bestehenden Aufträgen, Bestellungen, der Corona-Pandemie? Produktion oder Vorbeschaffungen während einer Pandemie bzw. einem hieraus resultierenden Lockdown Nicht selten verlangen Produzenten Mindestbestell- oder beschrieben. Besonderes Augenmerk hierauf emp- Mindestabnahmemengen im Gegenzug für systemspe- fiehlt sich für solche Franchisekonzepte in Branchen, zifische Produktionen, besonders günstige Einkaufs- deren Absatzchancen aufgrund ihrer stationären Filial- konditionen oder Werbekostenzuschüsse. Werden diese struktur besonders hart von Schließungsverfügungen nunmehr aufgrund der Schließung der Systemstandorte getroffen werden und zugleich ein Ausweichen auf on- nicht erreicht, knüpfen Rahmenlieferverträge Sankti- line-Vertrieb nicht möglich ist. onen wie Vertragsstrafen, Aufwandspauschalen oder den Wegfall von Rückvergütungen bis hin zur Kündi- 4. ARBEITSRECHT gung des Liefervertrages hieran. a) Darf ich meine Mitarbeiter ins Homeoffice schicken, Soweit das Nichterreichen auf die Pandemie zurück um einer Ansteckungsgefahr vorzubeugen? zuführen und vom Besteller nicht zu vertreten ist, z.B. aufgrund behördlicher Schließung aller Franchise Grundsätzlich dürfen Sie Homeoffice nur anordnen, betriebe, sollte sich der Franchisegeber auf höhere Ge- wenn dies im Arbeitsvertrag mit dem betreffenden Mitar- walt berufen, um so von seiner Abnahmepflicht frei zu beiter geregelt ist. Ist dies nicht der Fall, bedarf es einer werden. Soweit der Franchisegeber Einkaufsverträge Verständigung. Entsprechend gibt es umgekehrt auch verhandelt hat, ist davon auszugehen, dass entspre- keinen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Homeoffice. chende Anpassungs- und Ausgleichsregelungen für Aus Ihrer Fürsorgepflicht als Arbeitgeber resultiert je- solche Fälle bereits vertraglich definiert sind. Allerdings doch die Verpflichtung, einen sicheren Arbeitsplatz zur kann er nicht ohne weiteres diese Argumentation auf Verfügung zu stellen. Im Hinblick auf die fortlaufende andere Vertriebskanäle übertragen (z.B. Online-Shop). Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie wird daher zu- Des Weiteren sollte zumindest die Kündigung des nehmend die Auffassung vertreten, dass Arbeitgeber Rahmenliefervertrages durch den Lieferanten derzeit nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sind, ihre Mit- gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Zugleich arbeiter, sofern die Voraussetzung dafür vorliegen oder könnte die Systemzentrale eine Anpassung der Mengen in zumutbarer Weise geschaffen werden können, ins LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 12
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT. Homeoffice zu schicken. Damit kann ein entsprechender sichtigt. Auch die "Masernimpfflicht" für Beschäftigte in Anspruch des Mitarbeiters korrespondieren. Betreuungs-, Pflege- und medizinischen Einrichtungen ist allenfalls eine mittelbare Impfpflicht, das heißt, der Mit der seit dem 27. Januar bis vorerst zum 15. März Arbeitnehmer unterliegt einem Tätigkeits- und Beschäfti- 2021 geltenden Corona-Arbeitsschutzverordnung sind gungsverbot, wenn er seine Immunität nicht nachweisen Arbeitgeber verpflichtet, ihren Arbeitnehmern "im Fall kann. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob des Ar- von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten an- beitgeber anordnen kann, dass seine Arbeitnehmer ihre zubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszu- Tätigkeit nur ausüben dürfen, wenn sie einen Impfnach- führen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten weis erbringen. Das ist grundsätzlich denkbar, denn der Gründe entgegenstehen" (§ 2 Abs. 4). Mit dieser gerne Arbeitnehmer darf im Rahmen seines Direktionsrechts als "Homeoffice-Pflicht Light" bezeichneten Regelung erforderliche und geeignete Schutzmaßnahmen anord- sollen vermeidbare betriebliche Kontakte weiter ein- nen. Die Anforderungen daran sind aber umso höher, je geschränkt werden. Arbeitnehmer sind aber nicht ver- mehr in die (Grund-)Rechte der Arbeitnehmer eingegrif- pflichtet, im Homeoffice zu arbeiten; umgekehrt haben fen wird. Die Anweisung, Abstand zu halten und Masken sie kein einklagbares Recht auf Homeoffice. Auch trifft zu tragen, beeinträchtigt Arbeitnehmer nur geringfügig, die Verordnung zu den entgegenstehenden betriebsbe- wohingegen eine Impfung einen Eingriff in körperliche dingten Gründen keine Aussage. Diese werden vorran- Unversehrtheit bedeutet. Daher wird eine Impfung als gig betriebstechnischer Natur sein, wobei Umstände, Tätigkeitsvoraussetzung nur in wenigen, eng begrenzten die beseitigt werden können (z.B. fehlende IT-Ausstat- Fällen in Betracht kommen, etwa bei Medizin- und Pflege- tung) nicht ausreichen dürften. Zu empfehlen ist, mit der dienstleistungen, wo die Arbeitnehmer mit hochvulner- zuständigen Arbeitsschutzbehörden Kontakt aufzuneh- ablen Personengruppen in Kontakt kommen. Insgesamt men. Arbeitgeber sind ferner verpflichtet, medizinische besteht hier noch wenig Klarheit – die Diskussion in Fach- Gesichtsmasken oder FFP2-Masken zur Verfügung zu und Rechtskreisen nimmt gerade Fahrt auf. stellen, die der Arbeitnehmer auch zu tragen hat (§ 3). d) Muss ich Mitarbeiter weiterbezahlen, die für die Die Arbeitsschutzbehörden der Länder sowie die Un- Kinderbetreuung zuhause bleiben müssen, fallversicherungsträger sind zur Überwachung und weil die Schule oder die KiTa aufgrund behördlicher Durchsetzung der Corona-Arbeitsschutzverordnung Anordnung geschlossen ist? berechtigt. Der Arbeitgeber muss auf Nachfrage Un- terlagen übergeben und Auskünfte erteilen. Kommt der Nach unserer Auffassung nicht. Wenn Ihr Mitarbeiter Arbeitgeber Anordnungen nicht nach, kann die Tätigkeit keinen Ersatz für die Kinderbetreuung organisieren von Mitarbeitern im Betrieb untersagt werden. Ebenso kann und daher „gezwungen“ ist, zuhause zu bleiben können Bußgelder bis zu 30.000 EUR verhängt werden. und sich um die Kinder zu kümmern, ist ihm unzumut- bar, zu arbeiten (auch im Homeoffice), sodass er von b) Darf ich den Gesundheitszustand meiner Mitarbeiter seiner Arbeitspflicht frei wird (§ 275 Abs. 3 BGB); dies überprüfen? ist bei mehrwöchigen Schließungen von Schulen und KiTas anzunehmen. Im Gegenzug werden Sie als Arbeit Wenn Sie den begründeten Verdacht haben, dass sich geber von der Pflicht, Ihren Mitarbeiter zu bezahlen, frei. ein Mitarbeiter infiziert haben könnte, dürfen Sie die Beibringung eines (amts-)ärztlichen Attests oder eine Erwerbstätige Eltern von betreuungsbedürftigen betriebsärztliche Untersuchung verlangen. Ohne Grund Kindern haben nach § 56 Abs. 1a Infektionsschutz- dürfen Sie daher weder die Durchführung eines Coron- gesetz (IfSG) einen Entschädigungsanspruch (sog. atests verlangen noch Kontrollen der Körpertemperatur „Eltern-Entschädigung“), wenn die Betreuungs verlangen oder vornehmen lassen. einrichtungen für ihre Kinder zur Verhinderung von Infektionen behördlich geschlossen wurden und sie c) Darf ich meine Mitarbeiter verpflichten, sich impfen deswegen einen Verdienstausfall erleiden. Sie müssen zu lassen, sobald genügend Impfstoff zur Verfügung den Behörden und auf dessen Verlangen hin auch dem steht? Arbeitgeber jedoch darlegen, dass keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt wer- Eine Impfpflicht sieht das Gesetz nicht vor und ist nach den konnte. Die Entschädigung beträgt 67 % des Ver- den einhelligen Aussagen aus der Politik nicht beab- dienstausfalles und wird für eine Dauer von maximal LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V. 13
Sie können auch lesen