PRAXISHILFEN FRANCHISING IN DER CORONA-KRISE - Wie Franchisegeber in herausfordernden Zeiten richtig agieren

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PRAXISHILFEN
FRANCHISING IN DER CORONA-KRISE
Wie Franchisegeber in herausfordernden Zeiten richtig agieren
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

LEITFADEN
FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE

Stand 23. Februar 2021

INHALT

I.    EINFÜHRUNG                                       3

II. ÜBERBLICK ÜBER DIE
    GESETZESENTWICKLUNG                                4

III. WELCHE RECHTSGEBIETE DES
     FRANCHISINGS SIND BETROFFEN?
     HIER FINDEN SIE FRAGEN UND
     ANTWORTEN:                                        4

1.     Franchisegebühr                                 4

2.     Miete / Pacht                                   7

3.     Lieferantenbeziehungen                          9

4.     Arbeitsrecht                                   12

5.     Insolvenzrecht                                 15

6.     Gesellschaftsrecht (bspw. vereinfachtes
       Verfahren für Gesellschafterbeschlüsse)         17

7.     Darlehensverträge                              18

8.     Steuerliche Erleichterungen                    19

9.     Betriebsschließungsversicherung                20

10.    Staatliche Entschädigungszahlung nach
       Infektionsschutzgesetz                         21

11.    Kooperationen (und Kartellrecht)               22

12.    Fördermöglichkeiten                            23

13.    Verweis auf die Informationskanäle
       des Franchiseverbandes                         24

                                                 LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.   2
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

I. EINFÜHRUNG                                                 lich zu überstehen. Wahrscheinlich war selten ein besse-
                                                              rer Zeitpunkt, Partnerschaft zu leben. Die Befürchtung, die
Seit der ersten Auflage dieses Leitfadens im Mai 2020 sind    immense wirtschaftliche und persönliche Anspannung auf
über 10 Monate vergangen, seit den ersten Schließungsan-      beiden Seiten könnten zu einer Welle gerichtlicher Ausei-
ordnungen sogar knapp ein Jahr. Der zweite landesweite        nandersetzungen führen, hat sich bislang nicht bestätigt.
Lockdown dauert zum Erscheinungsdatum dieser 3. Aufla-        Partnerschaften im Franchising scheinen, jedenfalls der-
ge des Leitfadens noch an. Klarheit über den weiteren Ver-    zeit, stärker und flexibler gelebt zu werden als andere kauf-
lauf der Pandemie selbst sowie der staatlichen Reaktionen     männische Dauerschuldverhältnisse. So wurde im Bereich
hierauf im Jahr 2021 fehlt.                                   des gewerblichen Mietrechts mit dem ersten Lockdown ein
                                                              regelrechter Startschuss für juristische Auseinanderset-
So wird die Entwicklung etlicher Branchen in der deut-        zungen zwischen Mieter und Vermieter geliefert. Ähnliches
schen und globalen Franchisewirtschaft weiterhin von der      ist im Versicherungswesen zu beobachten. Der Leitfaden
COVID-19-Pandemie bestimmt. Weiterhin ist es nicht nur die    wird hierzu einen Überblick über die aktuelle Entwicklung
Ausbreitung des Virus und neuerdings seiner Mutanten          der Rechtsprechung geben.
selbst, die Unternehmen zu schnellen und konsequenten
internen Maßnahmen zwingen. Weltweit haben Staaten            Für nahezu alle Franchisezentralen, deren Franchiseneh-
spätestens zum Winteranfang 2020 wieder Lockdowns             mer und sonstigen Systempartner, stellen sich in diesem
verhangen, die Produktion, Einkauf, Handel und Vertrieb       Zusammenhang weiterhin zahlreiche rechtliche, steuer-
in vielen Industrien und Branchen seither und weiterhin       rechtliche und finanzielle Fragen, die im Folgenden in Form
nachhaltig stören und teilweise sogar zum Erliegen ge-        eines Q&A dargestellt werden sollen. Hierzu geht der Leitfa-
bracht haben, um eine Ausbreitung der Pandemie zu ver-        den sowohl auf Pandemie-bezogene Themenfelder sowie
langsamen und die zwischenzeitlich besser vorbereiteten       hiermit verbundene konkrete Einzelfragen ein, die in der
Gesundheitssysteme aufrecht zu erhalten.                      Franchisewirtschaft aktuell und weiterhin diskutiert wer-
                                                              den. Alle Kapitel wurden zudem einem Update seit der 2.
Die große Mehrheit der im Franchising vertretenen Branchen    Auflage vom 17. November 2020 unterzogen und auf den
spürt die Auswirkungen zunehmend. Einige Marktsegmen-         aktuellen Gesetzes- und Kenntnisstand angepasst.
te, wie z.B. die Systemgastronomie oder Fitnesssysteme
und weite Teile des stationären Einzelhandels werden seit     Der folgende Leitfaden ist auch genau als solcher zu ver-
fast einem Jahr mit besonderer Wucht von wiederholten         stehen. Er stellt keine Rechtsberatung dar, noch soll er die-
behördlichen Schließungsanordnungen und einer mit der         se im Einzelfall ersetzen. Er kann vielleicht die Diskussion
Pandemie einhergehendem Kundenzurückhaltung getrof-           und strategische Abstimmung in konkreten Situationen
fen.                                                          zwischen Ihnen und Ihren Rechtsanwälten leiten, oder zu-
                                                              mindest anregen. Inzwischen spiegelt er auch die Entwick-
Viele Regierungen bemühen sich weiterhin, diese Situation     lung der juristischen Betrachtung der Pandemie seit dem
wirtschaftlich abzumildern. So hat Deutschland auch den       ersten Lockdown im März 2020. Spannend ist und bleibt,
zweiten, zum Zeitpunkt der Erstellung dieser 3. Auflage       wie sich Rechtsprechung und sonstige juristische Diskus-
noch andauernden Lockdowns mit der Zusage weiterer fi-        sionen im vergangenen Jahr entwickelt haben. So ist die
nanzieller Direkthilfen sowie weiteren Unterstützungs- und    für viele überraschende Erstmaligkeit und Einmaligkeit der
Förderangeboten verbunden. Oft gestaltet sich die Umset-      COVID-19-Pandemie im März 2020 zwischenzeitlich verflo-
zung der Hilfsmechanismen, z.B. die Auszahlung staatli-       gen und einer weitaus nüchterneren Betrachtungsweise
cher Hilfen als schwierig. Im Rahmen der entsprechenden       gewichen, was sich auch in der Rechtsprechung, z.B. im
gesetzgeberischen Aktivitäten setzt sich der Deutsche         Bereich der Eilverfahren gegen Schließungsanordnungen
Franchiseverband intensiv für die Belange der Franchise-      zeigt. Daher bleibt es schwierig, den konkreten Eintritt der
wirtschaft und der einzelnen Systeme und ihrer Mitglieder     hier vertretenen Rechtsansichten voraus zu sagen. Es ist
ein.                                                          in Einzelfällen vielmehr wahrscheinlich, dass die in Zukunft
                                                              mit diesen und vergleichbaren Fragen beschäftigten Ge-
In vielen Franchisesystemen ist seit dem ersten Lockdown      richte zu anderen Ergebnissen kommen werden, als denen,
im März 2020 zu beobachten, dass Franchisegeber und           die hier in Aussicht gestellt werden.
Franchisenehmer enger und partnerschaftlicher zusam-
menarbeiten denn je und gemeinsam nach tragfähigen
Lösungen suchen, um die Situation gemeinsam bestmög-

                                                LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.   3
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

II. ÜBERBLICK ÜBER DIE GESETZESENTWICKLUNG                     III. WELCHE RECHTSGEBIETE DES FRANCHISINGS
                                                                    SIND BETROFFEN?
Am 01. April 2020 trat das Gesetz zur Abmilderung der               HIER FINDEN SIE FRAGEN UND ANTWORTEN:
Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und
Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (Corona-Abmil-          1.   FRANCHISEGEBÜHR
derungsgesetz) in Kraft. Es war eine der ersten konkreten
Pandemie-bezogene Gesetzesinitiativen auf Bundesebe-           a) Sind Franchisegebühren vom Gesetz zur Abmilderung
ne, und zugleich eine umfassende, die den Zweck verfolg-          der Folgen der COVID-19-Pandemie betroffen?
te, Folgen der Pandemie für Wirtschaft und Gesellschaft
lindern und in verschiedenen Bereichen zu regeln. Das               Das Gesetz vom 27. März 2020 beschäftigt sich in
Gesetz trat seinerzeit flankierend neben bereits von Bund           Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen
und Ländern anderweitig beschlossene Maßnahmen,                     Gesetzbuch (EGBGB) mit vertragsrechtlichen Rege­
insbesondere im Finanzierungsbereich, Arbeitsrecht und              lungen, so insbesondere für Verbraucher, aber auch
Steuerrecht. Das Corona-Abmilderungsgesetz ist in Teilen            für Kleinst­unternehmen. Zu diesem Kreis dürften in der
weiterhin in Kraft und geltendes Recht und bestimmte ab             Regel auch Franchisenehmer gehören.
April 2020 die rechtliche Einordnung mehrerer Kernthemen,
insbesondere Konsequenzen von Zahlungsrückständen im                Obwohl Franchiseverträge ausdrücklich nicht genannt
Mietrecht, Darlehen sowie sonstigen Dauerschuldverhält-             sind, diese andererseits aber auch als Dauerschuld­
nissen, die Pflicht zur Antragstellung im Insolvenzfalle bis        verhältnisse anzusehen sind, könnte man davon
hin zu Formalitäten bei Gesellschafterversammlungen.                ausgehen, dass auch Franchiseverträge bzw.
                                                                    Franchise­n ehmern ein temporäres Leistungsverwei­
Einen umfassenden Überblick zum Corona-Abmilderungs-                gerungsrecht eingeräumt wird, wenn diese Unterneh-
gesetz findet sich in der ersten Auflage des Leitfadens             men die Leistung nicht erbringen können oder dem
(Stand 3. Mai 2020), der weiterhin zum Download unter               Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefähr-
www.franchiseverband.com bereit steht.                              dung der wirtschaftlichen Grund­lagen seines Erwerbs­
                                                                    betriebs nicht möglich ist (sog. Moratorium). Auch hier
Zwischenzeitlich wurde eine dreistellige Zahl von Gesetzen          hat die Bundesregierung von der Option zur Verlänge-
und Verordnungen, sowie Bekanntmachungen und Ver-                   rung keinen Gebrauch gemacht und sah für eine Ver-
fügungen auf Bundes- sowie Landesebene veröffentlicht               längerung keinen Bedarf. „Für eine Verlängerung des
bzw. erlassen. Selbst eine Eingrenzung auf solche, die für          tiefgreifenden Eingriffs in das BGB und bestehende Ver-
die Franchisewirtschaft von Relevanz sind, würde den Rah-           träge gibt es keine Rechtfertigung mehr“ (Zitat Luczak
men dieses Leitfadens sprengen.                                     rechtspolitischer Sprecher der CDU-Bundestags­
                                                                    fraktion). Die nachfolgenden Ausführungen sind da-
Nur beispielhaft werden an dieser Stelle hervorgehoben              her weitestgehend „Geschichte“ und können allenfalls
das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaß-              noch einmal im Zusammenhang mit dem neuerlichen
nahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Coro-              Lookdown ab November 2020 diskutiert werden.
na-Steuerhilfegesetz) vom 29. Juni 2020 (BGBl. I S. 1512)
sowie das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaß-               Leistungsverweigerung hieß in diesem Kontext, dass
nahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuer-             die Leistung als Entgeltforderung, sprich die Zah-
hilfegesetz) vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1385), das Gesetz        lung in einem Dauerschuldverhältnis, nicht erbracht
zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgeset-                werden muss, bzw. so lange bzw. längstens bis zum
zes vom 25. September 2020 (BGBl. I S. 2016) und nicht              30. Juni 2020 zurückbehalten werden kann, bis sich
zuletzt das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei            die Verhältnisse wieder ändern.
einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18.
November 2020 (BGBl. I S. 2397).                                    Mit diesen Regelungen sollte allerdings in erster Linie
                                                                    Verbrauchern, aber auch Kleinstunternehmen ein Leis-
Weitere relevante behördliche Initiativen und deren Bedeu-          tungsverweigerungsrecht eingeräumt werden, und
tung für Franchisesysteme finden Sie in den nachfolgen-             zwar in Bezug auf wesentliche Dauerschuldverhält­
den Kapiteln.                                                       nisse.

                                                 LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.   4
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

   Wesentlich für Kleinstunternehmen sind solche Dauer-           Also mit kurzen Worten ein äußeres schadens­verur­
   schuldverhältnisse, die „zur Eindeckung mit Leistungen         sachendes Ereignis, das eine Vertrags­partei ohne ihr
   zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebes              Verschulden an der Vertragserfüllung hindert.
   erforderlich sind“.
                                                                  Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man zu dem
   Allerdings lässt sich der Begründung des Geset-                Ergebnis kommen, dass die jetzige Situation als eine
   zes entnehmen, dass hierunter verstanden werden:               solche der höheren Gewalt anzusehen wäre.
   Pflicht­versicherungen, Verträge über die Lieferung von
   Strom und Gas oder Telekommunikationsdienste sowie             Hierzu wird es sicherlich nach Beendigung der jetzigen
   Wasserver- und -entsorgung, soweit diese Verträge              Situation zu umfangreicher Rechtsprechung kommen,
   zivil­rechtlich ausgestaltet sind.                             die hinsichtlich Art, Inhalt und Umfang zurzeit über-
                                                                  haupt nicht absehbar ist.
   Danach sind Entgeltansprüche, insbesondere laufende
   Franchisegebühren aus einem Franchisevertrag direkt            Im deutschen Recht gibt es zwei Anwendungsberei-
   nicht einbezogen und unterliegen keinem sonder­                che, die unter Berücksichtigung der jetzigen Situation
   gesetzlich geregelten Leistungsverweigerungsrecht.             betrachtet werden müssen, so die Frage der Unmög-
                                                                  lichkeit gemäß § 275 BGB und diejenige der Abänderung
   Dies entspricht auch allgemeinen zivilrechtlichen              bestehender Verträge im Rahmen des § 313 BGB unter
   Grundsätzen, wonach der Franchisegeber grundsätz-              dem Gesichtspunkt der Störung bzw. des Wegfalls der
   lich seine Marken und sein Geschäftskonzept zur Ver-           Geschäftsgrundlage.
   fügung stellt, wohingegen der Franchisenehmer das
   Recht und die Pflicht hat, das Geschäftskonzept um-            Einen Fall von Unmöglichkeit wird man jedoch nicht
   zusetzen. Das Risiko der Umsetzungsmöglichkeit liegt           an­n ehmen können. Weder wird dem Franchisegeber
   nach diesem Verständnis allein beim Franchisenehmer.           die Zurverfügungstellung des Franchisekonzepts un-
                                                                  möglich, noch dem Franchisenehmer die Zahlung der
   Allerdings ist auch unter Berücksichtigung dieser              Franchise­gebühr. Unabhängig von vorhandener Liqui-
   Risiko­verteilung davon auszugehen, dass es partner-           dität gilt nach deutschem Recht der Grundsatz „Geld
   schaftliche Pflicht eines jeden Franchisesystems ist,          hat man zu haben“.
   nach Lösungen für angeschlossene Franchisenehmer
   zu suchen, die auch die Bewältigung der Krise im Be-           Ob die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrund­lage
   reich der Franchisegebühren für die Franchisenehmer            in einem Pandemiefall anwendbar sind, muss als offen
   ermög­lichen, gerade wenn man andere rechtliche Ri-            bezeichnet werden. Die Vorschrift des § 313 BGB sieht
   siken im Auge behält, die sich aus dem Gesichtspunkt           vor, dass im Falle einer schwerwiegenden Veränderung
   der Unmöglichkeit oder der Störung bzw. des Wegfalls           der Umstände, die zur Grundlage des Vertrages gewor-
   der Geschäftsgrundlage ergeben, die nach­stehend an-           den sind, die Anpassung des Vertrages verlangt wer-
   gesprochen werden.                                             den kann. Voraussetzung ist, dass der verpflichteten
                                                                  Partei das Festhalten am Vertrag, so wie er ursprüng-
b) Gibt es andere rechtliche Vorschriften, die auf                lich geschlossen wurde, nicht zugemutet werden kann.
   die jetzigen Situationen und Franchisegebühren
   anwendbar wären?                                               Anwendungsfälle, die hierzu die Rechtsprechung in der
                                                                  Vergangenheit beschäftigt haben, waren z. Bsp. außer-
   Zu denken wäre hierbei an den Begriff und das Rechts­          gewöhnlich hohe, plötzliche und starke Verknappun-
   institut der „höheren Gewalt“. In vielen, gerade inter-        gen in der Verfügbarkeit von bestimmten Roh­s toffen
   nationalen Verträgen finden sich in der Regel auch             und Produkten, wobei die Gerichte hier sehr hohe An-
   Ausführungen dazu, wann Umstände eintreten, die                forderungen gestellt haben.
   als höhere Gewalt definiert werden und welche Folgen
   daraus resultieren. Der Bundesgerichtshof definiert            In der Regel wird es darauf ankommen, wer letztend-
   höhe­re Gewalt als ein von außen kommendes, keinen             lich das Risiko von ursprünglich nicht geplanten Ent-
   betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch                  wicklungen zu tragen hat. In der Regel ist das jeder
   durch äußerste, vernünftigerweise zu erwartender               Unternehmer selbst, der das Risiko schlechter Umsatz-
   Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis.                           entwicklungen und eines Umsatzausfalls zu tragen hat.

                                                LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.   5
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

c) Sind alle Franchisegebühren gleich zu behandeln?               plizit genannt werden, die an die Stelle des Umsatzes
                                                                  treten wie zum Beispiel Leistungen aus einer Versiche-
   Wir finden in jedem Franchisesystem unterschiedliche           rung/Betriebsdunterbrechungsversicherung.
   Gebühren mit verschiedenen Gebührenstrukturen wie
   zum Beispiel umsatzbezogene Gebühren, Mindest­                 In einen solchen Fall kann man daran denken, im Wege
   gebühren und betragsmäßig feststehende Gebühren.               der Analogie auch Leistungen aus Staatshilfen einzu-
                                                                  beziehen.
   Im Fokus der Betrachtung stehen hier natürlich in ers-
   ter Linie diejenigen Franchisegebühren, die in der Re-         Allerdings werden die systembezogenen laufenden
   gel umsatzbezogen sind und monatlich abgerechnet               Franchisegebühren häufig mit einer Mindestgebühr
   sowie gezahlt werden müssen. Diese Gebühren stel-              versehen sein, d.h. dass in der Regel ein fester monat-
   len meist die Gegenleistung für die laufende System-           licher Betrag vertraglich vereinbart ist, unabhängig da-
   nutzung dar. Wenn die Systemnutzung objektiv nicht             von, wieviel Umsatz erzielt wird.
   möglich ist, stehen allein diese umsatzbezogenen
   Gebühren im Vordergrund von etwaigen Leistungsaus­             Eine solche Mindestgebühr wird nach unserer Auffas-
   fällen. Wenn also kein Umsatz erzielt wird, schuldet der       sung weiterhin geschuldet sein, da diese ja eben nicht
   Franchisenehmer auch keine laufende Gebühr.                    auf einen zu erzielenden Umsatz Bezug nimmt, sondern
                                                                  als Pauschalgebühr ausgestaltet ist. Diese Gebühr
   Allerdings hat sich im Zuge der Gewährung von staat-           stellt sozusagen das wirtschaftliche Minimum dar, was
   lichen Corona-Hilfen, insbesondere den sog. Novem-             von jedem Franchisenehmer zur Aufrecht­erhaltung des
   ber/Dezember-Hilfen ( 75 % des im Vergleichsmonat              Systems auch im Falle der nicht oder nicht ausreichend
   vor einem Jahr erzielten Umsätze) die Frage gestellt,          erzielbaren Umsätze geschuldet wird.
   ob solche Zahlungen, die ja den Charakter einer Um-
   satz-Ersatzzahlung oder eines Umsatzsurrogates ha-             Franchisegebühren als Mindestgebühren unterliegen
   ben, der Franchisegebühren unterliegen könnten.                daher weiterhin einer Zahlungsverpflichtung.

   Man wird hier in erster Linie auf die vertraglichen Re-        Auch feststehende Gebühren wie Dienstleistungs-,
   gelungen im Franchisevertrag schauen müssen, selbst            IT- und Marketinggebühren sind weiterhin zu zahlen,
   wenn zweifelsfrei steuerlich die gewährten Hilfen als          soweit sie nicht umsatzbezogen ausgestaltet sind.
   Umsatzersatz der Einkommens- und Körperschafts-                Dies deshalb, weil diese meist, wie z.B. im IT-Bereich, zu
   steuer unterliegen (siehe unter Punkt 8).                      zahlende Lizenzgebühren an dritte Dienstleister bein-
                                                                  halten werden.
   In der Regel wird in den einschlägigen Franchiseverträ-
   gen der Praxis die zu zahlende laufende Franchisege-       d) Gibt es Handlungsempfehlungen?
   bühr auf den „Netto-Umsatz“ bezogen ( „Netto-Umsatz
   sind alle Umsätze aus und im Franchisebetrieb aus              Wenn nicht schon generell bisher praktiziert, so ist die di-
   dem Verkauf der Vertragsprodukte, sonstigen Produk-            rekte Kommunikation mit einem klaren Ziel gerade unter
   ten und Dienstleistungen“).                                    Beachtung der aufgezeigten Risiken oberste Handlungs-
                                                                  maxime. Die zurückliegenden Monate haben gezeigt,
   Ob bei einer solchen vertraglichen Regelung und Um-            dass durchgängig in den meisten Franchise­systemen
   satzdefinition im Wege der ergänzenden Vertragsaus-            an Lösungen gearbeitet und diese erfolgreich umge-
   legung auch etwaige Umsatzsurrogate heranzuziehen              setzt wurden, so dass gerichtliche Auseinandersetzun-
   sind, erscheint mehr als fraglich und im Falle einer           gen über diese Fragestellungen kaum zu verzeichnen
   gerichtlichen Auseinandersetzung sehr zweifelhaft,             waren. Dies gilt es auch jetzt mit einer offensiven Kom-
   weil die Vertragsklauseln zu Lasten des Verwenders             munikationsstrategie zu den aktuellen Maßnahmen ab
   AGB-rechtlich eher eng und am Wortlaut orientiert aus-         dem 2. November 2020 zu erreichen.
   gelegt werden. Auch hier dürfte die Analogie zum Steu-
   erecht kaum hilfreich sein.                                    Fair-Play-Franchising erfordert die Erarbeitung von
                                                                  eigenen Positionen und Hilfsmaßnahmen der System-
   Etwas anderes mag denkbar sein, wenn bei der Um-               zentralen außer­halb des national und regional entfalte-
   satzdefinition im Vertrag auch sonstige Leistungen ex-         ten Rettungsschirmes.

                                                LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.     6
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

   Der aufgezeigte rechtliche Handlungsrahmen kann kei-           möglicherweise eine Anpassung des Mietvertrages
   ne klaren und zuverlässigen Lösungen und Handlungs­            nach den Regeln von der „Störung der Geschäfts-
   anweisungen bieten, sondern nur die Risiken aufzeigen.         grundlage“ in Betracht (siehe Frage b.).

   Gerade deshalb sind kreative Lösungen und Angebo-          b) Kann der Mieter die Miete mindern, wenn er wegen der
   te gefordert, einerseits im jeweiligen Franchisekonzept       Corona-Krise gar keine oder nur verminderte Umsätze
   selbst (Online-Lösungen, Home-Delivery usw.), ande-           generiert?
   rerseits im wirtschaft­lichen Bereich mit Stundungen,
   Ermäßigungen und auch – wie z.B. im Mietrecht vor der          Da die Räumlichkeiten, so wie sie vom Vermieter zur
   Krise zur Gewinnung von neuen Mietern üblich – Ge-             Verfügung gestellt werden, dem Grunde nach weiter-
   währung von mietfreien/zahlungsfreien Zeit­räumen.             hin zur Verwendung durch den Mieter geeignet sind,
                                                                  ist auch eine Mietminderung nur schwer zu begründen.
   Eine denkbare Vorgehensweise wäre, wenn die                    Anders kann es sein, wenn man hier von einer Störung
   Franchise­g eber die geschuldeten Franchisegebühren            der Geschäftsgrundlage ausgeht. Dieses Rechtsinstitut
   für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2020 stunden und             wird von den Gerichten nur unter besonders strengen
   danach mit den Franchisenehmern jeweils individuelle           Voraussetzungen angewandt. Dann, wenn derart un-
   Zahlungspläne vereinbaren. Gleiche Überlegungen                vorhersehbare Umstände eintreten, die, hätten sie beide
   müssen natürlich auch jetzt angestellt werden, wenn            Vertragspartner vor Vertragsunterzeichnung bereits be-
   Franchisebetriebe wiederum von aktuellen Schlie-               dacht, zu einer entsprechenden Regelung im Mietvertrag
   ßungsverfügungen betroffen sein sollten.                       geführt hätten, kann ein Vertrags­partner vom anderen
                                                                  eine sachgerechte Anpassung des Mietvertrages ver-
2. MIETE / PACHT                                                  langen. Unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Risi-
                                                                  kozuweisung für von außen hinzutretende Umstände an
a) Bleibt die Pflicht zur Mietzahlung grundsätzlich               den Mieter dürfte dies allerdings höchstens zu einem Teil-
   bestehen, wenn das Ladenlokal oder Restaurant                  wegfall der Miet­zahlungspflicht führen. Dabei ist auch zu
   aufgrund der Corona-Krise nicht geöffnet sein darf?            berücksichtigen, ob die Räumlich­keiten wirklich gar nicht
                                                                  mehr genutzt werden können, oder ob beispiels­weise
   Im Mietrecht geht es grundsätzlich nach der Verteilung         trotz Schließung eines Ladenlokals für den Kunden­
   von Risikobereichen. Wenn der Vermieter in der Lage            verkehr dort weiterhin ein Delivery-Service oder ein On-
   bleibt, die betreffenden Räumlichkeiten ganz regulär           line-Shop aufrechterhalten oder auch neu etabliert wird.
   zur Verfügung zu stellen, fällt es in den Risikobereich        Die oben genannten Urteile der Landgerichte aus Heidel-
   des Mieters, ob das darin von ihm betriebene Geschäft          berg, Frankfurt und Zweibrücken haben eine Anpassung
   auch tatsächlich erfolgreich ist oder ob es überhaupt          des Mietvertrages zwar ebenso abgelehnt wie eine Miet-
   geöffnet sein darf. Öffentlich-rechtliche Schließungs-         minderung. Gleichzeitig jedoch ließen die Richter offen,
   anordnungen oder sonstige Untersagungen führen                 ob nicht eine wegen der Corona-Krise durchaus gege-
   daher dem Grunde nach erst einmal nicht zum Wegfall            bene Änderung der Geschäftsgrundlage im Falle einer
   der Mietzahlungspflicht. Dies haben mittlerweile auch          nachgewiesenen Existenzgefährdung – und dies kommt
   einige Gerichte für Corona-bedingte Schließungen be-           vor allem auch bei kleineren Unternehmen und Soloselb-
   stätigt, so das Landgericht Heidelberg, das Landgericht        ständigen in Betracht – sehr wohl eine Unzumutbarkeit
   Zweibrücken und das Landgericht Frankfurt. Aller­dings         der vollen Mietzahlungspflicht zur Folge haben und da-
   gibt es auch Entscheidungen, die das anders sehen.             mit zu einer Mietreduzierung führen könnte. Ein weiteres
   So stellte das Landgericht München I im Falle eines            Urteil einer anderen Kammer des Landgerichts München
   Möbelgeschäftes eine Mietminderung fest, deren Höhe            I ging zwar nicht von einer Mietminderung aus, wohl
   gestaffelt sei, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die           aber von einem Mietanpassungsanspruch wegen Än-
   Räumlichkeiten überhaupt nicht mehr, nur noch zur              derung der Geschäftsgrundlage. Dieser Kammer reichte
   Lagerung von Waren, oder möglicherweise in einge-              es aus, dass das entsprechende Ladenlokal wegen der
   schränktem Maße für eine geringere Zahl von Kunden             Corona-Auflagen nicht genutzt werden konnte. Da hier
   nutzbar waren. Es ist somit überhaupt nicht abseh-             weder Vermieter noch Mieter für die Zwangsschließung
   bar, in welche Richtung sich die Rechtsprechung ent­           verantwortlich seien, sei eine Risikoverteilung 50:50 an-
   wickeln wird, zumal die Urteile größtenteils noch nicht        gemessen, so dass das Gericht hier lediglich von einer
   rechtskräftig sind. Statt einer Mietminderung kommt            50 prozentigen Mietzahlungspflicht ausging.

                                                LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.   7
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

   Mit der Absicht, die Position der Gewerberaummieter              untersagung, insbesondere ein längerer Zeitraum von
   bei Verhandlungen mit ihren Vermietern zu stärken,               mehreren Monaten, ausnahmsweise dazu führen, dass
   hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 31.12.2020                eine fristlose Kündigung des Mietvertrages durch den
   mit Art. 240 § 7 EGBGB eine neue Regelung erlassen.              Mieter durch die Gerichte anerkannt wird, obwohl das
   Danach wird zugunsten des Gewerberaummieters                     im Regelfall erforderliche Verschulden des Vermieters
   vermutet, dass eine coronabedingte teilweise oder                für die Vertragsstörung nicht gegeben ist.
   vollständige Einschränkung der Nutzbarkeit der Miet-
   sache eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß             d) Welche rechtlichen Konsequenzen für Vermieter und
   § 313 BGB darstellt. In einem Rechtsstreit muss nun            Mieter ergeben sich aus dem Abmilderungsgesetz?
   nicht mehr der Mieter beweisen, dass staatliche Maß-
   nahmen zu einer Störung der Geschäftsgrundlage ge-               Das Abmilderungsgesetz untersagt es dem Vermieter,
   führt haben, sondern der Vermieter ist beweispflichtig           wegen eines während der Monate April, Mai und Juni
   für das Gegenteil. Fraglich ist, ob den gewerblichen             2020 entstandenen und durch die Corona-Krise verur-
   Mietern damit wirklich geholfen ist, denn bei genauerer          sachten Mietrückstandes das Mietverhältnis zu kündi-
   Betrachtung der bereits ergangenen Rechtsprechung                gen. Kündigungen aus anderen Gründen bleiben jedoch
   ist festzustellen, dass die Gerichte immer eine Störung          ganz regulär weiterhin möglich. Eine Ausweitung dieser
   der Geschäftsgrundlage angenommen haben. Klar ist                Regelung, etwa für die Monate des neuerlichen Lock-
   jedenfalls, dass das neue Gesetz keinen Anspruch auf             downs im Winter 2020/21, gibt es nicht. Mietrückstände
   Reduktion der Miete gibt: Dies hängt insbesondere da-            aus diesen Monaten sind daher hinsichtlich etwaiger
   von ab, ob der Mieter im konkreten Einzelfall darlegen           Kündigungsmöglichkeiten nicht privilegiert.
   und nachweisen kann, dass es ihm unzumutbar ist, an
   dem Mietvertrag in unveränderter Form festzuhalten.         e) Bleibt die Zahlungspflicht des Mieters trotz des
   Hieran scheitern aber viele klagenden Mieter. Insoweit         Abmilderungsgesetzes bestehen?
   hat sich also nichts gegenüber der "alten" Rechtslage
   verändert. Dürfte die Neuregelung zwar voraussicht-              Das Abmilderungsgesetz sagt, anders als zu anderen
   lich vor Gericht nicht oder nur teilweise helfen, kommt          Dauerschuldverhältnissen, hinsichtlich der Miete oder
   ihr aber zumindest ein Appellcharakter zugute, der               Pacht nichts über die grundsätzliche fortbestehende
   Gewerberaummietern in ihren Verhandlungen mit den                Zahlungspflicht. Trotz der dem Vermieter vorüberge-
   Vermietern eine wertvolle Argumentationshilfe sein               hend versagten Kündigungsmöglichkeit hinsichtlich
   kann. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang da-                 Mietrückständen aus den Monaten April, Mai und Juni
   rauf, dass Art. 240 § 7 EGBGB auch rückwirkend auf               2020 blieb es für ebendiese Monate grundsätzlich bei
   alle Sachverhalte seit Beginn der Corona-Krise, also             der Mietzahlungspflicht. Theoretisch konnte der Ver-
   auch auf den ersten Lockdown, anzuwenden ist, so-                mieter also zwar nicht kündigen, wohl aber Mietrück-
   fern diese nicht durch gerichtliche Entscheidungen               stände einklagen. Und da der Mieter sich, wenn er die
   rechtskräftig abgeschlossen sind. Noch zu klären ist,            Miete zunächst nicht gezahlt hatte, auch in Verzug
   ob die Rückwirkung auch zwischen den Mietparteien                befand, liefen insoweit auch ab dem jeweiligen Fällig-
   getroffene Vereinbarungen betrifft. Aufgrund der Un-             keitszeitpunkt ganz reguläre Verzugszinsen auf (bei
   gewissheit der zukünftigen Rechtsprechung zu Co-                 gewerblichen Mietverhältnissen in der Regel 9 Prozent-
   ronafällen empfiehlt sich daher weiterhin, als Mieter            punkte über dem Basiszinssatz).
   das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen und, wenn
   möglich, die Miete zwar vollständig, aber „unter Vorbe-     f)   Wann muss der Mieter seine säumige Miete nachzahlen?
   halt“ zu zahlen.
                                                                    Da das Abmilderungsgesetz den Mieter nicht von der
c) Kann der Mieter das Mietverhältnis kündigen, wenn                Mietzahlung als solcher befreite, sondern nur dem Ver-
   die Dauer der erzwungenen Geschäftsschließung                    mieter vorübergehend das Kündigungsrecht versagte,
   längere Zeit bestehen bleibt?                                    bestand die Mietzahlungspflicht ganz regulär fort. Bis
                                                                    Ende Juni 2022 sollten alle Rückstände (aus April bis
   Auch bei der Möglichkeit einer außerordentlichen Kün-            Juni 2020) beglichen sein, weil dann der Ausschluss
   digung sind die grundsätzlich dem Mieter zugewiese-              des Kündigungsrechtes hinsichtlich dieser Rückstän-
   nen Betriebsrisiken zu berücksichtigen. Im Ex­t rem­­fall        de erlischt.
   könnte jedoch eine nicht absehbare Dauer der Betriebs­

                                                 LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.   8
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

g) Was muss der Mieter tun, um sich auf das                    i)   Welche Position ergibt sich für einen Franchisegeber,
   Abmilderungs­gesetz berufen zu können?                           der als Hauptmieter die Standorte innehält, und diese
   Wie und wann muss der Mieter die Gründe für die                  als Untervermieter den Franchisenehmern vermietet?
   Nichtzahlung der Miete glaubhaft machen?
                                                                    Auch wenn für einen Franchisegeber, der Stand­orte an-
   Nach dem Gesetzeswortlaut musste der Mieter glaub-               mietet, um sie an Franchisenehmer unterzu­vermieten,
   haft machen, dass die säumigen Mietzahlungen auf                 Hauptmietvertrag und Untermietvertrag in der betriebs­
   den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhten.                 wirtschaftlichen Kalkulation zusammen­hängen, sind sie
   Was in diesem Zusammenhang „Glaubhaftmachung“                    jedoch zivilrechtlich völlig unabhängig voneinander zu
   bedeutet, ist leider unter Juristen noch nicht ganz klar,        betrachten. Alle mietrechtlichen Grundsätze, auch die
   denn der Begriff der „Glaubhaftmachung“ taucht nor-              Sonderregelung des Abmilderungs­g esetzes, müssen
   malerweise nur im deutschen Prozessrecht auf. Viel               jeweils unabhängig voneinander einerseits hinsichtlich
   spricht dafür, dass der Mieter erst in einem eventu-             des Hauptmietvertrages mit dem Eigentümer und an-
   ellen Kündigungsprozess diese Kausalität durch ent-              dererseits hinsichtlich des Unter­mietvertrages mit dem
   sprechende Beweismittel oder zumindest durch eine                Franchisenehmer betrachtet werden. Das bedeutet
   eidesstattliche Versicherung glaubhaft machen muss.              beispielsweise auch, dass sich der Franchise­g eber
   Besser jedoch ist es, wenn sich der Mieter gleich bei            gegenüber seinem Vermieter nicht ausschließlich auf
   der ersten ausbleibenden Mietzahlung gegenüber dem               die ausgebliebene Untermietzahlung berufen soll-
   Vermieter auf die Vorschrift aus dem Abmilderungsge-             te. Vielmehr sollte er jedenfalls darlegen, inwieweit
   setz beruft und dies entsprechend begründet hat, oder            er als Franchisegeber von der Corona-Krise gerade
   wenn er gar hundertprozentig „auf Nummer sicher“ ge-             auch durch Umsatzausfälle bei seinen Franchise­
   gangen ist und bereits in der Kommunikation gegenüber            nehmern wirtschaftlich insgesamt betroffen war.
   dem Vermieter eine eidesstattliche Versicherung beige-
   fügt und die Verursachung der ausbleibenden Mietzah-        j)   Praxisempfehlung
   lungen durch die Corona-Krise glaubhaft gemacht hat.
                                                                    Bei Neuabschlüssen von Miet- und Untermietverträgen
h) Unter welchen Voraussetzungen kann sich der Mieter               kann es empfehlenswert sein, vertragliche Regelungen
   auf das Abmilderungsgesetz berufen?                              mit abgewogener Risikoverteilung zu Auswirkungen der
   Darf er wirklich nicht in der Lage sein, die Miete zu            Pandemie bzw. darauf fussender Betriebsschließun-
   zahlen, oder reichen bloße Verschlechterungen der                gen auf die zu zahlenden Miete zu treffen. Hierbei sollte
   wirtschaftlichen Situation?                                      das Verwendungs- und Nutzungsrisiko des jeweiligen
                                                                    Mietobjektes einer Partei zugeordnet, zwischen den
   Auch dies ergibt sich nicht ganz klar aus dem neuen              Parteien sachgerecht verteilt oder auch begrenzt wer-
   Gesetz. Vom Wortlaut und auch von der gesamten                   den. Dies reduziert Streit- und Diskussionsbedarf zwi-
   Grundintention und Begründung des Gesetzes her                   schen den Parteien und macht bestenfalls gerichtliche
   jedoch ist es für einen Kündigungsausschluss nicht               Auseinandersetzungen entbehrlich.
   erforderlich, dass der Mieter tatsächlich nicht in der
   Lage war, die Miete zu bezahlen. Ausreichend dürfte es      3. LIEFERANTENBEZIEHUNGEN
   sein, dass sich seine gesamtwirtschaftliche Lage und
   seine laufende Liquidität in deutlich spürbarem Maße        a) Welche tatsächlichen Auswirkungen hat die
   aufgrund der Corona-Krise verschlechtert hatten,               COVID-19-Pandemie auf Systemlieferanten und
   so dass im Rahmen seiner Finanzplanung zunächst                deren Lieferfähigkeit?
   irgend­welche eigentlich fälligen Zahlungen nicht er-
   bracht werden konnten. Insbesondere dürfte vom Mie-              Grundsätzlich beeinflussen staatlichen Anordnungen
   ter nicht verlangt werden, dass er im größeren Rahmen            wie Ausgangssperren sowie betriebsinterne Maß-
   auf Rücklagen zurückgreift. Da jedoch auch insoweit              nahmen zur Verringerung oder Beschränkung von
   die Rechtslage bisher nicht eindeutig geklärt ist, emp-          Kontakten die Arbeitsabläufe in Unternehmen. System-
   fiehlt sich zur Vermeidung eines Prozesses in jedem              lieferanten, deren Mitarbeiter darüber hinaus von einer
   Falle eine Rücksprache zwischen Mieter und Vermieter             Infektion betroffen sind, müssen Schutzmaßnahmen
   oder gegebenenfalls mindestens eine Teilzahlung des              treffen, die von teilweiser Abschottung und Ausfällen
   Mietzinses.                                                      wichtiger Teile der Belegschaft bis hin zu kompletten

                                                 LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.   9
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

   Produktionsstopps oder Betriebsschließungen reichen         c) Welche Rechtsfolgen hat eine verspätete Lieferung
   können.                                                        aufgrund der COVID-19-Pandemie?

   Selbst wenn der Systemlieferant nicht selbst betroffen          Verspätet sich der Systemlieferant mit seiner Anliefe-
   ist, steigt die Wahrscheinlichkeit täglich, dass dies bei       rung über den zugesagten Liefertermin hinaus, so be-
   einem seiner Vorlieferanten im In- oder Ausland der Fall        findet er sich grundsätzlich in Verzug. Soweit er den
   ist und so ein Mangel an Vorprodukten oder Zuliefer­            Verzug zu vertreten hat, muss er dem Besteller Scha-
   teilen entsteht. Gleiches bewirken Grenzschließungen            densersatz (z.B. Kosten für eine teurere Ersatzbeschaf-
   und sonstige Behinderungen des globalen Personen-               fung) leisten. Soweit der Verzug aber auf einer Folge
   und Warenverkehrs in der internationalen Beschaffung.           der COVID-19-Pandemie beruhte, die er nicht beeinflus-
   So wirkt sich der Mangel an auslän­d ischen Arbeits-            sen konnte (z.B. aufgrund einer behördlichen Maßnah-
   kräften (z.B. Saisonarbeiter in der Ernte, Grenzgänger)         me wie eine Betriebs- oder Grenzschließung), trifft ihn
   auf Liefertreue und Preise aus, denen die Einreise nach         aber gerade kein Verschulden, wie es gesetzlich vor-
   Deutschland oder Nachbarländer derzeit erschwert                ausgesetzt wird, sodass er keinen Schadensersatz für
   oder ganz verwehrt wird.                                        die verspätete Lieferung leisten muss. Es wird daher im
                                                                   Einzelfall zu prüfen sein, ob er die Verspätung vertreten
   Systemlieferanten sind daher zunehmend gezwungen,               musste. Im Gegensatz zum ersten Lockdown, der häufig
   Lieferzeiten zu verschieben, Preise aufgrund gestiege-          das Argument des Überraschungseffektes transpor-
   ner Personal-, Beschaffungs- oder Transportkosten               tierte („hiermit konnte doch niemand nicht rechnen“),
   nachzuverhandeln, Lieferengpässe anzukündigen,                  gilt dieses zwischenzeitlich sicher nicht mehr. Dadurch
   ihre Produktion zurückzufahren bis hin zu deren Ein-            erhöhen sich die Anforderungen an weitsichtige Pla-
   stellung. Die Folge ist, dass die Franchise- und Eigen­         nung auf Einkaufs- wie auf Lieferantenseite.
   betriebe der Systeme nicht rechtzeitig oder überhaupt
   nicht mehr beliefert werden.                                d) Sind die Folgen der COVID-19-Pandemie „höhere Gewalt“?

   Umgekehrt benötigen viele Systembetriebe gerade                 Viele Lieferanten berufen sich auf höhere Gewalt (oder
   während des nunmehr noch längeren zweiten Lock-                 „Force Majeure“), wenn sie nicht oder nicht rechtzeitig
   downs seit Ende 2020 ohnehin weniger Produkte oder              liefern können. Rahmenverträge mit System­lieferanten,
   Waren mangels Absatzmöglichkeiten oder Nachfrage.               insbesondere auch Liefer-AGB, enthalten regelmäßig
   Während sich im ersten Lockdown die Frage stellte, ob           spezielle Klauseln zur höheren Gewalt, die sodann vor-
   und wie weit bereits bestellte Waren oder Produkte ab-          rangig zu betrachten sind.
   genommen und bezahlt werden müssen, haben sich
   zwischenzeitlich viele Lieferketten national wie inter-         Als höhere Gewalt definierten Lieferantenverträge
   national auf die staatlichen Interventionen eingestellt.        typischer Weise betriebsfremde Ereignisse, die die
   Der Überraschungseffekt des ersten globalen Lockd-              Lieferung verhindern und im Einflussbereich des Lie-
   wowns ist jedenfalls verpufft.                                  feranten liegen. Oft zählen solche Klauseln Beispiele
                                                                   auf wie Naturkatastrophen, Streiks, Importverbote,
b) Welche rechtlichen Themen muss die Systemzentrale               Terroranschläge, aber auch Seuchen oder Pandemi-
   bei Lieferproblemen aktuell beleuchten?                         en. Zwischenzeitlich werden die Beispiellisten um die
                                                                   Erfahrungswerte aus 2020 in vielen Allgemeinen Ge-
   Sowohl vertraglich als auch gesetzlich müssen ver-              schäftsbedingungen erweitert.
   schiedene Themen rund um Lieferprobleme rechtlich
   bewertet werden. Hierzu gehören rechtliche Be­g riffe           Rechtsfolge eines Force Majeure-Ereignisses ist im Re-
   wie Lieferverzug, Unmöglichkeit (höhere Gewalt), Stö-           gelfall die zumindest vorübergehende Suspendierung
   rung der Geschäftsgrundlage, Informationspflichten,             der Leistungspflicht der vom jeweiligen Extrem­ereignis
   Schadensminderungspflichten, der Ersatz von Auf-                betroffenen Partei. Zugleich werden Schadensersatz­
   wendungen und Schäden sowie die Versicherungsde-                ansprüche ausgeschlossen. Spiegelbildlich entfällt
   ckung. Seit Ende des ersten Lockdowns hat sich der              auch die Zahlungspflicht des Bestellers. Diese Betrach-
   gestalterischen Aufwand in Einkaufs- und Lieferbedin-           tungsweise hat sich über letzten Monate auch in vielen
   gungen drastisch erhöht. Einkaufsabteilungen inten-             anderen Rechtsordnungen weltweit bestätigt.
   sivieren Ihre Kontigentplanungen mit Ihren Zulieferern.

                                                 LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.   10
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

e) Welche Ansprüche hat der Besteller bei Lieferstopps            System­lieferant alle Informations-, Anzeige-, Nach-
   infolge höherer Gewalt?                                        weis- und Abmilderungspflichten eingehalten und um-
                                                                  gesetzt? Hat der Systemlieferant an anderer Stelle eine
   Selbst wenn sich der Lieferant zulässigerweise auf             selbstständige Garantie abgegeben?
   eine Force Majeure-Klausel im Rahmenliefervertrag
   oder seinen Liefer-AGB berufen kann, treffen ihn Pflich-   g) Was gilt, wenn der Liefervertrag keine oder keine
   ten, die er gegenüber dem Besteller stets einhalten           wirksame Force Majeure-Klausel enthält?
   muss. In formaler Hinsicht sind für den Eintritt eines
   Force Majeure-Ereignisses regelmäßig Melde- bzw.               Fehlt es an einer vertraglichen Regelung, bleibt ein
   Mitteilungspflichten des Lieferanten gegenüber dem             Blick ins Gesetz. Der Begriff der Force Majeure ist
   Besteller vorgeschrieben. Weiter muss der Lieferant            im deutschen Recht nicht ausdrücklich genannt.
   typischerweise alles Zumutbare unternehmen, um den             Gemäß § 275 BGB wird ein Lieferant aber von seiner
   Eintritt des Force Majeure-Umstandes zu verhindern             Lieferpflicht frei, wenn sie ihm unmöglich wird. Dies
   und die Folgen abzumildern. Auch hier ist zu beachten,         gilt insbesondere dann, wenn die Lieferung aufgrund
   dass die Erfahrungswerte seit dem ersten Lockdown              tatsächlicher oder rechtlicher Umstände, die der Lie-
   die Nebenpflichten des Lieferanten erhöhen könnten.            ferant nicht beeinflussen kann, beruht. Des Weiteren
                                                                  kann er die Leistung verweigern, soweit der Aufwand in
   Eine Verletzung einer dieser Pflichten kann sehr wohl          grobem Missverhältnis zum Interesse des Lieferanten
   Schadensersatzansprüche des Bestellers auslösen.               steht. Es ist davon auszugehen, dass in zukünftigen
                                                                  Gerichts­e ntscheidungen einige der direkten Auswir-
   Hat der Systemlieferant vertraglich eine besondere Ga-         kungen der COVID-19-Pandemie, die außerhalb des Ein-
   rantie zugesichert, schließt das Force Majeure-Ereignis        flussbereichs des Lieferanten oder Produzenten lagen,
   auch in diesem Fall nicht automatisch Schadensersatz­          als objektive Unmöglichkeit eingestuft werden.
   ansprüche des Bestellers aus. Es ist vielmehr im Ein-
   zelfall konkret zu prüfen, ob der garantierte Umstand          Neben der Unmöglichkeit kennt das BGB die sogenann-
   objektiv unmöglich geworden ist.                               te Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage
                                                                  (§ 313 BGB). In eng begrenzten Ausnahmesituationen
f) Was sollte in Lieferverträgen geprüft werden, wenn             erlaubt § 313 BGB die Anpassung des Rahmenliefer­
   sich der Lieferant auf „höhere Gewalt“ beruft?                 vertrages und, sollte dies nicht möglich sein, seine
                                                                  Aufhebung. Voraus­setzung ist, dass sich im Laufe des
   Alle Lieferverträge sollten aus dem Blickwinkel des all-       Rahmenliefervertrages etwas so elementar ändert,
   gemein anerkannten Pandemiecharakters von COVID-19             dass der Vertrag in der einmal geschlossenen Form
   auf folgende Umstände im Einzelfall geprüft werden:            keinen Sinn mehr ergibt. Ob die COVID-19-Pandemie
                                                                  die Geschäftsgrundlage wegfallen lässt, kann derzeit
   Enthält der betroffene Rahmenliefervertrag mit dem             nicht pauschal bejaht werden und wird vom Einzel-
   Systemlieferanten überhaupt eine Force Majeure-                fall des betroffenen Vertrages abhängen. Die Recht­
   Klausel? Oder kann sich der Systemlieferant, mangels           sprechung stellt seit jeher sehr hohe Anforderungen
   Rahmen­vertrag, auf eine Force Majeure-Klausel in sei-         an die tatsächlichen Voraus­setzungen. Umgekehrt ist
   nen Liefer-AGB berufen? Ist seine Klausel AGB-rechtlich        nicht auszuschließen, dass die in Zukunft mit dieser
   angreifbar? Entfällt die Liefer-AGB aufgrund Kollision         Frage betreuten Gerichte dieser Pandemie im Einzelfall
   mit den Einkaufsbedingungen des Bestellers? Erfasst            einen besonderen Ausnahmecharakter zusprechen.
   die Klausel ausdrücklich Pandemien und/oder hiermit            Jedenfalls könnte es mit zunehmender Wiederholung,
   verbundene staatliche Betriebs- oder Grenzschließun-           um nicht zu sagen Normalität, von Pandemie-beding-
   gen? Ist das Leistungshindernis auch unmittelbar auf           ten Lockdowns immer schwieriger werden, mit einem
   die Pandemie zurückzuführen (z.B. Produktionsstopp             Wegfall der Geschäftsgrundlage zu argumentieren.
   aufgrund behördlicher Schließungsanordnung) oder               Denn spätestens seit dem ersten Lockdown kann ent-
   nur eine mittelbare Folge (z.B. der bevorzugte Vorliefe-       gegengehalten werden, dass zwischenzeitlich wohl
   rant des Systemlieferanten hat Schwierigkeiten, wäh-           jeder Unternehmer hiermit rechnen muss.
   rend Dritte das Vorprodukt liefern könnten)? Hat der

                                                LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.   11
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

h) Welche Folgen hat die Betriebsschließung auf                         verlangen, wenn sie sich insbesondere auf eine Stö-
   Einzelbestellungen des Franchisebetriebs?                            rung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB beruft.
                                                                        Allerdings knüpft die Rechtsprechung sehr hohe Hürden
     Soweit die Schließung des Shops auf einem nicht vom                an den Wegfall der Geschäftsgrundlage, die sich mit je-
     Franchisenehmer zu verantwortenden Ereignis beruht                 der Wiederholung eines Lockdows erhöhen könnten. Es
     und eine Weiterführung des Betriebs unmöglich wird                 bleibt abzuwarten, wie Gerichte in den nächsten Jahren
     (z.B. aufgrund behördlicher Schließungsanordnung),                 rund um die COVID-19-Pandemie entscheiden werden.
     könnte er von seiner Abnahmeverpflichtung sowie
     Pflicht zur Zahlung noch am ehesten frei werden, wenn         j)   Welche Lehren haben Einkaufsabteilungen der Fran-
     der Rahmenvertrag oder die Einkaufs-AGB hierzu et-                 chisegeber sowie bei Lieferanten bei der rechtlichen
     was vorsehen. Das Gesetz sieht dagegen das Absatz-                 Gestaltung aus dem ersten Lockdown gezogen?
     und Verwertungsrisiko typischerweise beim Besteller.
     Schließt der Franchisenehmer seinen Betrieb dagegen                In Folge des ersten Lockdowns ist ein Trend in der Ver-
     nur vorsorglich oder mangels Rentabilität, liegt dies in           tragsgestaltung zu erkennen, wonach Regelungen
     seinem eigenen Verantwortungsbereich. Ein vorher                   zum Lieferstop und zur Abkündigung von Bestellungen
     wirksam geschlossener Liefervertrag wird hierdurch                 präzisiert werden. Dies gilt sowohl für die Einkaufsbe-
     nicht automatisch hinfällig. Sowohl die Pflicht zur Ab-            dingungen der Franchisegeberzentralen als auch für
     nahme als auch zur Kaufpreiszahlung bleiben grund-                 Lieferbedingungen der Hersteller und Lieferanten in vie-
     sätzlich bestehen, soweit er sich nicht anderweitig mit            len Branchen, aber auch für die Lieferbedingungen der
     dem Lieferanten einigt. Eine direkte Ansprache des Lie-            Franchisegeber gegenüber ihren Franchisenehmern.
     feranten ist daher unumgänglich.                                   Zum einen werden, wo nötig, Pandemie und Lockdown
                                                                        als Tatbestände der höheren Gewalt erstmals ausge-
i)   Welche Folgen hat das Nichterreichen von                           führt. Zum anderen werden konkrete Spielregeln im
     Mindest­umsätzen oder Mindestmengen aufgrund                       Umgang mit bestehenden Aufträgen, Bestellungen,
     der Corona-Pandemie?                                               Produktion oder Vorbeschaffungen während einer
                                                                        Pandemie bzw. einem hieraus resultierenden Lockdown
     Nicht selten verlangen Produzenten Mindestbestell- oder            beschrieben. Besonderes Augenmerk hierauf emp-
     Mindestabnahmemengen im Gegenzug für systemspe-                    fiehlt sich für solche Franchisekonzepte in Branchen,
     zifische Produktionen, besonders günstige Einkaufs-                deren Absatzchancen aufgrund ihrer stationären Filial-
     konditionen oder Werbekostenzuschüsse. Werden diese                struktur besonders hart von Schließungsverfügungen
     nunmehr aufgrund der Schließung der Systemstandorte                getroffen werden und zugleich ein Ausweichen auf on-
     nicht erreicht, knüpfen Rahmen­lieferverträge Sankti-              line-Vertrieb nicht möglich ist.
     onen wie Vertragsstrafen, Aufwandspauschalen oder
     den Wegfall von Rück­vergütungen bis hin zur Kündi-           4. ARBEITSRECHT
     gung des Liefervertrages hieran.
                                                                   a) Darf ich meine Mitarbeiter ins Homeoffice schicken,
     Soweit das Nichterreichen auf die Pandemie zurück­               um einer Ansteckungsgefahr vorzubeugen?
     zuführen und vom Besteller nicht zu vertreten ist, z.B.
     aufgrund behördlicher Schließung aller Franchise­                  Grundsätzlich dürfen Sie Homeoffice nur anordnen,
     betriebe, sollte sich der Franchisegeber auf höhere Ge-            wenn dies im Arbeitsvertrag mit dem betreffenden Mitar-
     walt berufen, um so von seiner Abnahmepflicht frei zu              beiter geregelt ist. Ist dies nicht der Fall, bedarf es einer
     werden. Soweit der Franchisegeber Einkaufsverträge                 Verständigung. Entsprechend gibt es umgekehrt auch
     verhandelt hat, ist davon auszugehen, dass entspre-                keinen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Homeoffice.
     chende Anpassungs- und Ausgleichsregelungen für                    Aus Ihrer Fürsorgepflicht als Arbeit­geber resultiert je-
     solche Fälle bereits vertraglich definiert sind. Allerdings        doch die Verpflichtung, einen sicheren Arbeitsplatz zur
     kann er nicht ohne weiteres diese Argumentation auf                Verfügung zu stellen. Im Hinblick auf die fortlaufende
     andere Vertriebskanäle übertragen (z.B. Online-Shop).              Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie wird daher zu-
     Des Weiteren sollte zumindest die Kündigung des                    nehmend die Auffassung vertreten, dass Arbeitgeber
     Rahmen­liefervertrages durch den Lieferanten derzeit               nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sind, ihre Mit-
     gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Zugleich             arbeiter, sofern die Voraussetzung dafür vorliegen oder
     könnte die Systemzentrale eine Anpassung der Mengen                in zumutbarer Weise geschaffen werden können, ins

                                                     LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.       12
QUALITÄTSSYSTEME VEREINT.

   Homeoffice zu schicken. Damit kann ein entsprechender           sichtigt. Auch die "Masernimpfflicht" für Beschäftigte in
   Anspruch des Mitarbeiters korrespondieren.                      Betreuungs-, Pflege- und medizinischen Einrichtungen
                                                                   ist allenfalls eine mittelbare Impfpflicht, das heißt, der
   Mit der seit dem 27. Januar bis vorerst zum 15. März            Arbeitnehmer unterliegt einem Tätigkeits- und Beschäfti-
   2021 geltenden Corona-Arbeitsschutzverordnung sind              gungsverbot, wenn er seine Immunität nicht nachweisen
   Arbeitgeber verpflichtet, ihren Arbeitnehmern "im Fall          kann. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob des Ar-
   von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten an-              beitgeber anordnen kann, dass seine Arbeitnehmer ihre
   zubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszu-             Tätigkeit nur ausüben dürfen, wenn sie einen Impfnach-
   führen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten                 weis erbringen. Das ist grundsätzlich denkbar, denn der
   Gründe entgegenstehen" (§ 2 Abs. 4). Mit dieser gerne           Arbeitnehmer darf im Rahmen seines Direktionsrechts
   als "Homeoffice-Pflicht Light" bezeichneten Regelung            erforderliche und geeignete Schutzmaßnahmen anord-
   sollen vermeidbare betriebliche Kontakte weiter ein-            nen. Die Anforderungen daran sind aber umso höher, je
   geschränkt werden. Arbeitnehmer sind aber nicht ver-            mehr in die (Grund-)Rechte der Arbeitnehmer eingegrif-
   pflichtet, im Homeoffice zu arbeiten; umgekehrt haben           fen wird. Die Anweisung, Abstand zu halten und Masken
   sie kein einklagbares Recht auf Homeoffice. Auch trifft         zu tragen, beeinträchtigt Arbeitnehmer nur geringfügig,
   die Verordnung zu den entgegenstehenden betriebsbe-             wohingegen eine Impfung einen Eingriff in körperliche
   dingten Gründen keine Aussage. Diese werden vorran-             Unversehrtheit bedeutet. Daher wird eine Impfung als
   gig betriebstechnischer Natur sein, wobei Umstände,             Tätigkeitsvoraussetzung nur in wenigen, eng begrenzten
   die beseitigt werden können (z.B. fehlende IT-Ausstat-          Fällen in Betracht kommen, etwa bei Medizin- und Pflege-
   tung) nicht ausreichen dürften. Zu empfehlen ist, mit der       dienstleistungen, wo die Arbeitnehmer mit hochvulner-
   zuständigen Arbeitsschutzbehörden Kontakt aufzuneh-             ablen Personengruppen in Kontakt kommen. Insgesamt
   men. Arbeitgeber sind ferner verpflichtet, medizinische         besteht hier noch wenig Klarheit – die Diskussion in Fach-
   Gesichtsmasken oder FFP2-Masken zur Verfügung zu                und Rechtskreisen nimmt gerade Fahrt auf.
   stellen, die der Arbeitnehmer auch zu tragen hat (§ 3).
                                                               d) Muss ich Mitarbeiter weiterbezahlen, die für die
   Die Arbeitsschutzbehörden der Länder sowie die Un-             Kinderbetreuung zuhause bleiben müssen,
   fallversicherungsträger sind zur Überwachung und               weil die Schule oder die KiTa aufgrund behördlicher
   Durchsetzung der Corona-Arbeitsschutzverordnung                Anordnung geschlossen ist?
   berechtigt. Der Arbeitgeber muss auf Nachfrage Un-
   terlagen übergeben und Auskünfte erteilen. Kommt der            Nach unserer Auffassung nicht. Wenn Ihr Mitarbeiter
   Arbeitgeber Anordnungen nicht nach, kann die Tätigkeit          keinen Ersatz für die Kinderbetreuung organisieren
   von Mitarbeitern im Betrieb untersagt werden. Ebenso            kann und daher „gezwungen“ ist, zuhause zu bleiben
   können Bußgelder bis zu 30.000 EUR verhängt werden.             und sich um die Kinder zu kümmern, ist ihm unzumut-
                                                                   bar, zu arbeiten (auch im Homeoffice), sodass er von
b) Darf ich den Gesundheitszustand meiner Mitarbeiter              seiner Arbeitspflicht frei wird (§ 275 Abs. 3 BGB); dies
   überprüfen?                                                     ist bei mehrwöchigen Schließungen von Schulen und
                                                                   KiTas anzunehmen. Im Gegenzug werden Sie als Arbeit­
   Wenn Sie den begründeten Verdacht haben, dass sich              geber von der Pflicht, Ihren Mitarbeiter zu bezahlen, frei.
   ein Mitarbeiter infiziert haben könnte, dürfen Sie die
   Beibringung eines (amts-)ärztlichen Attests oder eine           Erwerbstätige Eltern von betreuungsbedürftigen
   betriebs­ärztliche Untersuchung verlangen. Ohne Grund           Kindern haben nach § 56 Abs. 1a Infektionsschutz-
   dürfen Sie daher weder die Durchführung eines Coron-            gesetz (IfSG) einen Entschädigungsanspruch (sog.
   atests verlangen noch Kontrollen der Körpertemperatur           „Eltern-Entschädigung“), wenn die Betreuungs­
   verlangen oder vornehmen lassen.                                einrichtungen für ihre Kinder zur Verhinderung von
                                                                   Infektionen behördlich geschlossen wurden und sie
c) Darf ich meine Mitarbeiter verpflichten, sich impfen            deswegen einen Verdienstausfall erleiden. Sie müssen
   zu lassen, sobald genügend Impfstoff zur Verfügung              den Behörden und auf dessen Verlangen hin auch dem
   steht?                                                          Arbeitgeber jedoch darlegen, dass keine anderweitige
                                                                   zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt wer-
   Eine Impfpflicht sieht das Gesetz nicht vor und ist nach        den konnte. Die Entschädigung beträgt 67 % des Ver-
   den einhelligen Aussagen aus der Politik nicht beab-            dienstausfalles und wird für eine Dauer von maximal

                                                 LEITFADEN FRANCHISERECHT IN DER CORONA-KRISE DEUTSCHER FRANCHISEVERBAND E.V.    13
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