Praxisprojekte - Dokumentation - Flucht - Migration - Männlichkeiten 2020 - LAG Jungenarbeit
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INhalt Impressum Herausgeber tion – Flucht – Migra Landesarbeitsgemeinschaft en Jungenarbeit in NRW e. V. Männlichkeit Huckarder Straße 12 44147 Dortmund * Tel.: 0231/53 42 174 Vorwort Fax: 0231/53 42 175 Malte Jacobi (Bildungsreferent, Das (Gender-)Sternchen (Asterisk*) wird von uns www.lagjungenarbeit.de LAG Jungenarbeit NRW) S. 4 verwendet, um ein Wort geschlechtlich zu öff- info@lagjungenarbeit.de nen und zu verdeutlichen, dass Personene jeden Was ist „Irgendwie hier!“? Geschlechts, biologisch wie sozial, angesprochen Gestaltung Das Projekt S. 5 sind. pünktchen Text- und Grafikatelier Sandra Rodenkirchen, Haltern am See Praxisprojekte Projektporträt ehrenMANN, Dormagen Nur 68 Minuten für die Frage: Hinsichtlich Jungen* und Männern* möchten wir die geschlechtliche Vielfalt von Männlichkeiten Text Bin ich ein ‚Ehrenmann‘? S. 7 benennen, die darauf hinweisen, dass wir eine Hal- Mareike Graepel, Haltern am See tung der geschlechtlichen Selbstbestimmung von Projektporträt L‘HomMan, Dortmund Personen vertreten. Fotos Mehr als ein Druck, der Eindruck macht S. 11 Titelseite: M.Graepel S. 4, 15, 16, 18, 19, 20, 27, 29, 30, 33, 34, 37 (oben): Projektporträt Live und ohne Grenzen, Köln M. Graepel Grenzenlos on air – für alle*: Online und sicher S. 7, 8, 10, 24: ehrenMann/Prinz/Dirscherl Fernsehen machen S. 15 S. 11, 12, 14: VKII Ruhrbezirk e.V. S. 35, 36, 37 (unten), 38: BorderlessTV Vor Ort in Dormagen, ehrenMANN Von Gefühls-Activity, Empathie-Training und... Fast Food S. 19 Vor Ort in Dortmund, L‘HomMan Für Jungen* und Männer* of Colour existentiell wichtig: Empowerment, Schutz und Sicherheit S. 27 Vor Ort in Köln, Live und ohne Grenzen! Überall sein können, nicht überall sein dürfen: Junge Männer* reden S. 33 Ausblick S. 39 2 3
Vorwort, Malte Jacobi Herzlich willkommen... Flucht – Migra Männlichkeit en tion – ... zu der Jahresbroschüre 2020 der Praxisprojekte „Irgendwie Hier! Flucht-Migration-Männlichkeiten“ und damit zum Abschluss einer weiteren Projektphase. Über vier Jahre sind wir mit unserer Arbeit in verschiede- Was ist „Irgendwie hier!“? nen Feldern der Kinder- und Jugendarbeit und darüber hinaus unterwegs, indem wir pädagogische Settings um Ein unbestimmtes Adverb eines Zustand und ein sehr Zentrale Aufgaben der LAG Jungenarbeit sind es, im flucht- und migrationssensible Geschlechterreflexion präzises Adverb eines Ortes, nämlich dieses Ortes, Rahmen des Projektes „Irgendwie Hier! Flucht – Migra- erweitern. dieses Platzes, dieses Raums, an, auf und in dem sich tion – Männlichkeiten“ exemplarische Praxisprojekte Menschen befinden – der Titel des Projektes, das 2016 der geschlechtsspezifischen, inter- und transkulturellen Wer mit unserer Arbeit noch nicht vertraut ist, wird sich als „Beratungs-, Qualifizierungs-, Vernetzungs- und Jugendarbeit zu initiieren, zu entwickeln und zu be- fragen: Was bedeutet exemplarische Praxis der Jungen- Praxisentwicklungsoffensive“ ins Leben gerufen wurde, gleiten und Praxisseminare als Weiterbildung für die arbeit im Kontext Flucht? verrät mit nur zwei Worten, welche Fragen sich junge Jungenarbeit im Kontext von Fluchterfahrungen und Mi- Menschen in unserer Welt stellen: Wie bin ich, und wo? grationsbiografien zu organisieren und durchzuführen. Die Landesarbeitsgemeinschaft Jungenarbeit NRW Als exemplarische Jungenarbeit stellen wir die Praxis- Wer bin ich, wer werde ich sein? Und wie verändere ich begleitet mit dem Projekt „Irgendwie Hier!“ die aus- projekte in dieser Broschüre vor, um Ihnen und Euch mich, wenn ich hier lebe? Und auch: Was verändert sich Die LAG Jungenarbeit NRW hat im Jahr 2020 drei Träger gewählten Projekte sehr intensiv. In 2020 wurden 3 Bilder, Ideen, Anregungen zu liefern. Niemals um zu um mich, habe ich einen Einfluss auf die Welt, gibt es bei der Konzeption, Durchführung und Evaluation von Projektkooperationen ausgeschrieben. Träger der päd- sagen „So sollte es gemacht werden“, sondern immer als auf mich eine Resonanz? Praxisprojekten begleitet. Alle drei Projekte bewegten agogischen Arbeit aus ganz NRW haben sich darauf ge- Beispiel dafür, wie solche Arbeit aussehen könnte. sich im Feld der geschlechterreflektierten Pädagogik meldet und ihr Interesse an einer gemeinsamen inhalt- „Irgendwie Hier! Flucht – Migration – Männlichkeiten“ mit Jungen* und jungen Männern* im Blick auf Fluchtge- lichen Arbeit geäußert. Besonders wichtig war uns eben, Viel Spaß beim Lesen! der LAG Jungenarbeit NRW wird vom MKFFI NRW geför- schichten und im Kontext von Migrationsgesellschaft: dass es nicht um eine reine Förderung geht, sondern dert und war von Anfang an als ein bedarfsorientiertes darum, ein Kooperationsprojekt auf die Beine zu stellen. Malte Jacobi Angebot für Kolleg*innen und Träger der Kinder- und - „L‘HomMan“ des VKII Ruhrbezirk e.V. Dortmund (Bildungsreferent, LAG Jungenarbeit NRW) Jugendhilfe (insbesondere in den Handlungsfeldern des Der übergeordnete thematische Zugang ist in allen SGB VIII, §§ 11-14) gedacht. - „Live und ohne Grenzen!“ von BorderlessTV / CAT Projekten obligatorisch: Wie können wir Geschlechter- Cologne themen im Kontext Flucht reflektieren, welche inter- Intention des Projektes war die Unterstützung von sektionalen Perspektiven ergeben sich aus Migrations- Trägerstrukturen und Fachkräften, um exemplarische - „ehrenMANN“ des IB West in Dormagen zuschreibungen und Geschlechtersozialisation, wie Praxis mit jungen männlichen* Geflüchteten entwickeln können die Brille der Jungenarbeit und die Reflexion zu können, Fortbildungsmöglichkeiten und fachlichen Es galt, auch im Projektjahr 2020 relevante Themen von Fluchtzusammenhängen hilfreich für die pädagogi- Austausch zu bieten und gelingende Ansätze und Pra- der Jungenarbeit mit flucht- und migrationserfahrenen sche Arbeit sein? xen multiplikatorisch landesweit zugänglich zu machen. jungen Männern* zu identifizieren, in pädagogische 4 5
Konzepte zu übersetzen und deren Umsetzung zu unter- aussetzung. Der Grund: Alle Leiter*innen der Projekte stützen und zu evaluieren. In dieser Dokumentation haben sich unermüdlich dafür eingesetzt, die Anpassung werden die Projekte begleitet, um die Erkenntnisse und an die neue Situation und die Veränderungen ihrer Kon- Konzepte aufzunehmen, sie zu abstrahieren und dann zepte mit Engagement und Weitsicht anzunehmen. als Praxismodelle, welche exemplarisch für die pädago- ehrenMANN, Dormagen gische Arbeit mit geflüchteten und migrationserfahre- Die Pandemie war und ist eine Komplikation, ein Hin- nen Jungen* stehen können, der Praxislandschaft NRW dernis, aber kein unüberwindbares, und sie war für nie- zur Verfügung zu stellen. manden ein Grund, aufzugeben. Auch das ist ein – wenn- gleich unfreiwillig auferlegtes – pädagogisches Mittel, Nicht unerwähnt bleiben kann in der gesamten Einord- das den Jungen* und Männern* in den Projekten zeigt: nung des Projektjahres 2020 die Corona-Pandemie, die Optimismus und Aufmerksamkeit, die jede*r erfahren die Umsetzung der drei teilnehmenden Praxisprojekte möchte, gehören auch zu den eigenen empathischen in sowohl organisatorischer als auch terminlicher Form Aufgaben in einer Gemeinschaft. nachhaltig verändert, teilweise verschoben und durch- gängig beeinflusst hat. Viele Termine konnten nicht Schwierigkeiten sind oft nicht leicht zu lösen, aber Kon- als Präsenzveranstaltung stattfinden, einige wenige im takt zu vertrauten Menschen und Offenheit im Falle von Sommer hingegen schon. Während für eine der Projekt- Unsicherheiten ermöglichen auch in sonst erzwungenen Projektporträt gruppen generell keine großen Zusammenkünfte Teil unpersönlichen Situationen emotionale Nähe und Moti- des Konzeptes waren, haben sich in anderen Projekten vation zur Fortsetzung begonnener Ideen und Projekte. die Teilnehmenden nicht immer so treffen können wie ursprünglich geplant. Die anberaumten Praxisseminare („Intersektionalität in der Jungenarbeit“, „Männer und Frauen in der Arbeit Menschliche Nähe und empathischer Zugang im Mit- mit Jungen“ und „Patriarchale Ehrkonzepte“) für alle einander wären in vielen Wochen nicht schutzverord- Projektleiter*innen fanden „in echt“ statt. Die Jahres- nungskonform gewesen und konnten nur durch Neupla- fachtagung im Projekt „Irgendwie Hier! Flucht – Migra- nung und Abwandlung der Pläne gewährleistet werden. tion – Männlichkeiten“ allerdings fand in digitaler Form Pädagogische Strukturen enthalten aber immer nicht statt, bei der die einzelnen Projekte in Workshopform nur eine erzieherische, sondern natürlich auch eine vorgestellt wurden. soziale Komponente – eine, die sich nur schwerlich über Internetverbindungen und Bildschirme einer dreidimen- sionalen Wirklichkeit angleichen lässt. Dennoch soll der Corona-Situation in dieser Dokumen- tation kein allzu großer Raum gegeben werden, sie wird in den einzelnen Texten schlicht wie ein weiterer Umweltfaktor behandelt, wie beispielsweise das Wetter oder eine andere klimatische oder geografische Vor- 6 7
ehrenMANN, Dormagen Joest-Museum und intensiven Schul-Einheiten mit viel Standort in Dormagen außerdem mit der Einrichtung Nur 68 Minuten praktischem Einsatz wurde deutlich: „Die Jungen* wer- Sprung(s)chance für Jugendsozialarbeit und Jugend- den offener, erzählen mehr über sich und ihre Familien, berufshilfe vertreten. Auf die Gesamtschule gehen etwa für die Frage: Bin ich ihre Traditionen“, so Tobias Dirscherl. „Da können wir in 1.500 Schüler*innen. Beide Einrichtungen, das Dreizack Gesprächen ansetzen.“ So konnten gemeinsam eige- und die Sprung(s)chance, kooperieren eng mit der Schu- ein ‚Ehrenmann‘? ne Handlungstrategien entworfen und Hilfe auf dem le, führen dort regelmäßig Projekte durch und begleiten Weg zur emotionalem, sozialen und sexuellen Reife junge Geflüchtete in den Integrationsklassen. angeboten werden. Zwei weitere Exkursionen standen zusätzlich zu den weiteren Treffen in der Schule aus, „Besonders in den Integrationsklassen tauchen immer Dormagener Neuntklässler* auf der Suche konnten dann aber aus Pandemiegründen nicht statt- wieder die Themen Flucht, Männlichkeit und Identi- nach Antworten: Warum denke ich so und finden. Die eine hätte die „ehrenMann“-Gruppe in einen tät auf“, erklären Elmar Prinz und Tobias Dirschl, als nicht anders? Kletterwald führen sollen, die andere in einen Escape sie das Projekt „ehrenMann“ der LAG Jungenarbeit bei Room. „Die Gruppe konnte trotzdem in eine Vertrautheit der Bewerbung um die Teilnahme an „Irgendwie hier! DORMAGEN. Ist Brad Pitt männlicher als Fußball? hineinwachsen“, erklärt Elmar Prinz. „Ausflüge hätten da 2020“ vorstellten. „Wir haben an den IB-internen Fach- Denkt ihr, dass Gewalt zu Beziehungen dazu gehört? noch eine besondere Intimität und zudem dieses Wissen tagungen ‚Gendersensibles Arbeiten‘ teilgenommen und Will ich mit 30 einen Bugatti fahren? Wie sieht es vermitteln können: ‚Hier kann ich alles sagen, das ist bereits vorher Workshops am Boys‘ Day durchgeführt, mit Heiraten aus? Und woher soll man eigentlich die in Ordnung.‘ Wir wollen, dass die Jungen* die Chance die sich mit dem Thema ‚Rollenbild‘ Mann beschäftigt Antworten auf all diese Fragen wissen? Im „ehren- haben, sich Gedanken zu machen. In aller Ruhe.“ Die haben. Das hat in uns den Wunsch geweckt, den Fokus Mann“-Projekt des Internationalen Bund West gGmbH Ausflüge wurden mit besonderen, praktischen Aufgaben in einem längerfristigen Projekt auf die Jungenarbeit in suchten Elmar Prinz von der Beratungsstelle Sprung(s) während der Präsenzzeiten in den Räumlichkeiten des Dormagen zu legen – und Jungenarbeit so in Dormagen chance und Tobias Dirscherl vom Kinder- und Jugend- Dreizack in Ansätzen ersetzt, eine Kompensation auf zu etablieren.“ Ihr Plan: Durch „Irgendwie hier! 2020“ zentrum Dreizack in Dormagen zusammen mit neun bis allen Ebenen konnten diese selbstverständlich nicht einen Türöffner zu schaffen für männliche* Jugendliche, zwölf Jungen* mit Fluchterfahrung oder MIgrationsbio- bieten. damit sie sich auch längerfristig und auf anderen Ge- grafie nach Antworten auf diese Fragen. bieten Unterstützung und Hife holen können. Ziel des Projektes ist es, den Jungen* Orientierung in der Vielfalt von Milieus, Lebensstilen, Kulturen und Wahl- Unter dem Projekt-Titel „ehrenMann“ mit dem Plan, bei Große Schritte trotz wackliger Füße möglichkeiten zu geben, mit denen sie täglich konfron- der „Identitätsfindung vom Jungen* zum Mann* mit be- „Wir beginnen mit Einschätzungen – lassen die Jungen* tiert werden. „Rollenbilder, Stärken, Ängste, Zusammen- sonderer Berücksichtigung kultureller Unterschiede“ zu bei unseren Treffen zunächst aus dem Bauch heraus leben in einer Gemeinschaft, Akzeptanz der sexuellen helfen, bewarben sich die beiden Vertreter der IB-Ein- einordnen, was sie empfinden, und sprechen dann darü- Orientierung anderer Menschen – all das findet seinen richtungen um die Teilnahme an „Irgendwie hier! 2020“. ber“, so Elmar Prinz. Das Konzept „ehrenMann“ gehörte Weg in unsere Projekttreffen.“ „Jungen* müssen sich heute in einer Vielfalt von Milieus, in die Reihe der Praxisprojekte von „Irgendwie Hier! Lebensstilen, Kulturen und Wahlmöglichkeiten zurecht- Flucht – Migration – Männlichkeiten“, es fand in dafür Gendersensibel an Rollenbildern arbeiten finden. Mit den gesellschaftlichen Veränderungen bereitgestellten Unterrichtseinheiten von je 68 Minuten Zum Verständnis der räumlichen Verortung muss er- wandeln sich auch die Einstellungen und Verhaltenswei- in der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule statt. „Wegen klärt werden: Das Kinder- und Jugendzentrum Dreizack sen. Sie sind heute kritischer gegenüber vorgegebenen der Schulschließung stand unsere Planung eingangs auf gehört zum Internationalen Bund IB West gGmbH für Normen, Regeln und starren Abläufen. Autoritäten, Hie- wackligen Füßen, aber dann sind wir schnell mittendrin Bildung und soziale Dienste und ist angegliedert an rarchien und Traditionen werden kritisch hinterfragt“, gewesen und konnten sehr spannende Entwicklungen das Schulgelände der Bertha-von-Suttner-Gesamtschu- so Elmar Prinz. Zu Recht verlangten die Jungen* „nach erleben.“ Bei einem ersten Ausflug ins Rautenstrauch- le (BvS) in Dormagen. Der IB West gGmbH ist an dem Argumenten und Bergündungen“. Prinz: „Sie wollen sich 8 9
ihre eigenes Urteil bilden, ihren eigenen Stil entwickeln. Drei Schwerpunkte im Projekt Lebensrelevanz und Authenzitität sind wichtig. In dem Projekt „ehrenMann“ ging es um drei inhaltliche Schwerpunkte: Wegen dieser Vielzahl und Unübersichtlichkeit der Wahlmöglichkeiten sind Jungen auch heute noch auf Rollenbild des Mannes (auch in anderen Ländern) der Suche nach Antworten auf Sinnfragen und Orientie- - Was ist männlich? L‘HomMan, Dortmund rung für ihr Leben.“ - Was macht einen Mann aus? (Ehrenmann/Respekt) - Wie stelle ich mir mein Leben mit 30 vor? Inhaltliche Schwerpunkte Es sei angemerkt, dass die Wichtigkeit der Wertethema- Stärken und Ängste tik auch mit Blick auf Zeit und Respekt für sich selbst - Wie mutig muss man(n) sein? und füreinander in der Planung des Projekts eine große - Kann ein Mann Schwäche zulassen? Rolle gespielt hat. Tobias Dirscherl dazu: „Jungenzeit - „Faires Kämpfen“: ist Lebenszeit. Sie läuft wie jede andere, ist gleich viel - Umgang mit Wut wert und braucht Unterstützung. Um diese besondere - Verständnis und Einhalten von Regeln Zeit sinnvoll zu erleben, braucht es Menschen, die sich mit ihnen in eine wacklige Position begeben, gut ge- Team & Kooperation PROJEKTPORTRÄT sichert sind und im besten Falle Antworten auf wichtige - Teamregeln Lebensfragen finden oder bei der Suche nach Antworten - verschiedene Stärken und wie sie sich ergänzen behilflich sein können.“ - Auseinandersetzung mit dem Thema Mann durch das Bespielen eines selbst erstellten Escape Rooms zum Thema Mann Geplant waren, mit Ausnahme der Wochen, in denen die Schulen in NRW wegen der Pandemie geschlossen blieben, wöchentliche Gruppenarbeit in einer festen Konstellation durchzuführen. Von den Exkursionen konnten zwei der drei im Projekt-Portfolio angegebe- nen umgesetzt werden. Durch das Projekt sollten die Jungen* die vielfältigen Schritt Hindernisse, auch im Hinblick auf ihre Fluchterfahrung, auf dem Weg vom Jungen* zum Mann* bewusst wahr- nehmen lernen. Sie sollten eigene Handlungsstrategien entwickeln. Die feste Gruppe sollte dabei als Hilfe- Weise stellung bei der emotionalen, sozialen und sexuellen Entwicklung und Reife dienen. Das Ziel innerhalb der Gemeinschaft sollte sein, soziale Kompetenz zu erwer- ben und männliche Identität in der Gruppe zu entfalten. 10 11
L‘HomMan, Dortmund stattgefunden – draußen unter freiem Himmel, und mit Das Ziel des Projektes im Jahr 2020: Sich durch Zuge- Mehr als ein Druck, großem Erfolg. „Eva Busch, eine weiße Künstler*in aus hörigkeit selbst zu ermächtigen, durch Gruppengesprä- dem Kollektiv atelier automatique in Bochum hat Siebe che eigene Erfahrungen als kollektive wahrzunehmen, der Eindruck macht mit dem Logo des Projekts ‚L’HomMan‘ und dem Logo Gefühle und eigene Betroffenheit sprachlich formu- des VKII Ruhrbezirk vorbereitet.“ Die teilnehmenden lieren zu können. Die Gruppe sollte über die kreative Männer* konnten bei Picknick-Atmosphäre und Musik und sportliche Betätigung in den Austausch kommen T-Shirts bedrucken. Megha Kono-Patel: „Sehr gut kam und erfahren, dass sie nicht nur auf die Flucht- und / Empowerment für Männer* of Color das Logo an, das Patu Patu, eine Illustrator*in aus Berlin, oder Migrationsgeschichte reduziert adressiert werden. wird bei „L’HomMan“ auf allen Ebenen entworfen hatte, da sich die Charaktere an Fotos der Außerdem sollten auf dieser Basis Männlichkeitskon- gefördert Männergruppe orientieren.“ zepte reflektiert werden und Referent*innen of Color/ Schwarze Referent*innen als Repräsentant*innen und DORTMUND. „Rassismus muss immer mitgedacht Verschiedene Aspekte flossen bei Einheiten wie dieser Vorbilder kennengelernt werden. werden, immer“, sagt Megha Kono-Patel vom Verein in die Projektarbeit mit ein. Auf allen Ebenen wird Em Kamerunischer Ingenieur*innen und Informatiker*in- powerment gefördert. Megha Kono-Patel: „Zum Beispiel, Im Juli gab es für die Teilnehmenden pandemiebedingt nen (VKII) Ruhrbezirk e.V., der eins der Praxisprojekte indem wir die Frage nach der Heterogenität zu beant- einen Online-Vortrag von Dr. Vanessa Eileen Thomp im Rahmen von „Irgendwie Hier! Flucht – Migration – worten suchen, und niemanden auf seinen Körper oder son, die an der Goethe Universität Frankfurt und nun Männlichkeiten“ durchführte. Daher, so die Leiterin des Stereotypen reduzieren. Unter anderem steht in einem in Bern forscht. Sie hat den Begriff des Polizierens zum Projekts „L’HomMan“, sei es das Ziel, Rassismus deutlich Workshop das Thema ‚Gefühle und die Diskrepanz der Thema gemacht. „Der Vortrag war selbstermächtigend zu benennen und darüber hinaus auch Männlichkeit Rollenbilder von schwarzen und weißen Männern‘ im für rassifizierte Teilnehmende, da die Gewalt, die sie im und Repräsentanz zu thematisieren. Vordergrund. Wir wissen, dass Männer* of Color mehr Alltag durch das Zurechtweisen von weißen Menschen, Sicherheiten benötigen und wollen die erkennen und weißen Institutionen und weißen Räumen erfuhren, Gefühle und Diskrepanz der Rollenbilder erarbeiten.“ einen Begriff bekam und dadurch eine strukturelle „Wenn wir ein Treffen im Park anberaumen, erleben Ebene dessen sichtbar gemacht wurde“, erklärt Megha wir immer wieder, wie sehr ‚racial profiling‘ in unserem Pädgogische Perspektive Kono-Patel. „Der Beitrag diskutierte Racial Profiling aus Alltag präsent ist. Offene Anfeindungen und polizeiliche Der Verein Kamerunischer Ingenieur*innen und Infor- einer postkolonial-feministischen Perspektive und mit Kontrollen sind an der Tagesordnung.“ Deswegen sei es matiker*innen Ruhrbezirk ist ein lokaler Akteur für die Bezug auf gegenwärtige Kämpfe gegen Racial Profiling wichtig, sichere Orte zu schaffen, an denen ein Umgang afrikanische Diaspora. Idee des Projektes in Zusammen- in Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Inspiriert mit dem Verhalten der Gesellschaft und ein Stärken ei- arbeit mit der LAG Jungenarbeit NRW ist es für Schwarze durch einen postkolonialen Blick(-wechsel) wurden ner eigenen Selbstsicherheit erarbeitet werden können. Männer*/Männer* of Color einen Empowerment-Raum zu Widerstände gegen rassistisches Polizieren sowie trans- Ob das in der Öffentlichkeit oder in einem virtuellen schaffen, der ohne gesellschaftliche Zuschreibungen auf- formative Alternativen diskutiert.“ Raum aufgrund von Pandemie-Maßnahmen geschehe, grund ihrer Körper gestaltet wird. So galt es aus pädago- sei dabei irrelevant. Immer gelte: „Der Redebedarf ist gischer Perspektive, in diesem Jahr Konzepte von Männ- Druck groß, und die Notwendigkeit, die eigene Betroffenheit lichkeit, Rassismus und Repräsentanz als Querschnitt in und Männlichkeitskonzepte zu reflektieren, ebenso.“ Angeboten sowohl zu thematisieren, aber vor allem in der Gestaltung der Angebote mitzudenken. Zielgruppe des Projekts sind junge Männer* of Color. frisch „Zu dem Projekt gehören Praxiseinheiten wie zum Bei- Schon im Vorjahr konnte der Verein Kamerunischer In- spiel eine Filmwerkstatt, Fußballtraining und eine Sieb- genieur*innen und Informatiker*innen Ruhrbezirk erste druckwerkstatt.“ Die hat unter Pandemie-Bedingungen Angebote im Rahmen von „Irgendwie hier!“ schaffen. 12 13
Performative Männlichkeit „Dieser Safer Space hat eigene Schutzmöglichkeiten für Im August fand im Rahmen von „Irgendwie hier! 2020“ Betroffene fokussiert, sowie durch den Pass national der Empowerment-Workshop für Betroffene von Racial Zugehörige BIPoC angeregt, dieses Privileg im Kontext Profiling mit dem Titel „Erfahrung, Wirkung, Widerstand” Racial Profiling zu nutzen.“ Live und ohne Grenzen!, Köln statt. Mohamed Wa Baile, einer der Referent*innen, hat ein Buch mit diesem Titel veroffentlicht, er ist Biblio- Ab September waren Präsenztermine zum Fussballspie- thekar an der Universität Bern und Aktivist* im Kontext len geplant. Polizeiliche Gewalt. Er hielt den Workshop zusammen mit Mira Koch. Sie ist ebenfalls Aktivist*in aus Bern und Im November standen an zwei aufeinanderfolgenden hat bereits mehrere Veranstaltungen/Workshops in Tagen die Filmwerkstatt und der Workshop mit dem diesem Kontext organisiert/durchgeführt. Titel „Performative Männlichkeit II“, der vom VKII ent- Megha Kono-Patel erklärt: „Wir haben bei diesem wickelt wurde, um Männlichkeit rassismuskritisch zu Workshop keine Bilder gemacht, auf denen Menschen reflektieren, auf dem Programm des Projekt-Portfolios. erkennbar sind, weil über rassistische Vorfälle gespro- „Bei dem Workshop wurden queere Perspektiven chen, Emotionen geteilt und Erfahrungen ausgetauscht miteinbezogen und mediengestützt organisiert“, so wurden.“ Außerdem, so die Leiterin, haben auch illegali- Megha Kono-Patel. sierte Menschen am Workshop teilgenommen. PROJEKTPORTRÄT 14 15
Live und ohne Grenzen!, Köln line-Schulungen, in denen er den Rezipient*innen Tipps mit einem breiteren Publikum zu teilen. Dabei hat sich Grenzenlos on air – für bei der Umsetzung von Social-Media-Ideen gibt. der medienpädagogische Ansatz als zentral herausge- stellt. Die 15 Sendungstermine sind sowohl live als auch alle*: Online und sicher Zum anderen auf der menschlichen, sozialen Seite. „Die im Archiv in den sozialen Medien von BorderlessTV zu Themenauswahl unserer Studiogäste ist breit gefächert, sehen und regen durch die Kommentarfunktion der So- Fernsehen machen weil wir niemanden begrenzen.“ Ob es um Ausbildung, zialen Medien zum Austausch mit Freunden und Alters- Sport, Männlichkeit oder Flucht geht – der Gast* ist genossen an. völlig frei und darf sich in der Atmosphäre des kleinen, aber professionellen Studios sicher und unbefangen Im Workshop, der im Rahmen der Projektreihe „Irgend- Von der Kulturszene in die Jungenarbeit fühlen. Bashir beispielsweise spricht über seinen syri- wie hier! 20202“ stattfand, stellten die Leiter*innen Julia und in die Medienlandschaft: Borderless TV schen Ausweis, der irgendwann zwischen dem Moment, Haarmann und Alaa Nassif Makki konkrete Beispiele präsentiert Leben und Lehren live als er Damaskus verlassen musste, und der Ankunft in aus dem Projekt vor (teilweise namentlich, teilweise Köln einen Riss bekam. „Wie meine Identität“, sagt er. anonym) und erklärten, welche Themen bearbeitet KÖLN. Haider ist Journalist, er kommt aus dem Irak. Die habe auch einen Riss bekommen. „Was hat mich zu wurden, welche Herausforderungen sich ergaben und Yasser studiert und hat einen YouTube-Kanal. Amer hat dem gemacht, der ich bin? Was bringt mir meine Ent- welche Fragen und Aussagen einzelner Teilnehmender Träume für die Zukunft. Bashir ist aus Syrien und sein scheidung, her (nach Deutschland) zu kommen?“ wichtig waren. Ausweis hat einen Riss. Ganz unterschiedliche Men- schen, die offen über sich und ihr Leben sprechen – in Die Livestreams sind Sendungen, die berühren. Sendun- „Wir haben das Projekt an junge Erwachsene im Alter einem Online-Livestream. Mit ihnen und zahlreichen gen, die gut recherchiert sind, unterhalten und fach- von 17 bis 27 Jahren gerichtet, die sich mit und ohne weiteren jungen Männern* hat Borderless TV in Köln lich moderiert werden. „Live und ohne Grenzen!“ gibt Fluchterfahrung und Zuwanderungsgeschichte melden (CAT Cologne) eine Projektreihe mit dem Titel „Live und individuelle Einblicke in die Erfahrungen und Lebens- konnten“, erklärt Alaa. „Der Zugang erfolgt in der Regel ohne Grenzen!“ begonnen, die ein Praxisprojekt von wirklichkeiten junger Geflüchteter* und schafft einen über Vertrauenspersonen, Multiplikatoren, Lehrer*innen „Irgendwie Hier! Flucht – Migration – Männlichkeiten“ transkulturellen wie mehrsprachigen Erlebnis- und Be- und persönliche Kontakte unserer Mitarbeiter*innen geworden ist. gegnungsraum. Teilhabe und Wissensvermittlung ohne und Workshopleiter*innen.“ Hürden bilden so die Stützen des Konzepts, mit dem Der Studiogast ist völlig frei sich Borderless TV (CAT Cologne) als Praxisprojekt bei „Wir hatten schnell Ideen für partizipative Möglich- „Irgendwie hier! 2020“ beworben haben. keiten in der Corona-Krise“, erklärt Leiterin Alaa Nassif Makki. „Workshops haben wir online angeboten und Zugang über Vertrauenspersonen die Kommunikation auch über soziale Medien vorange- BorderlessTV ist seit 2018 mit eigenem Studio in der trieben.“ Mit der Folge, dass die Zuschauer*innen nicht Kölner Südstadt verankert und mit einem großen Netz- FILM nur aus Köln und NRW, sondern aus ganz Deutschland werk aktiv. Das Projekt mit der LAG Jungenarbeit NRW und sogar über die Grenzen hinaus kommen. Passend zur formiert sich als wöchentlicher Livestream, in welchem Idee, schließlich sind die Livestreams „grenzenlos on air“. die Akteur*innen sich medial öffentlich mit biografi- reif schen und gesellschaftlichen Themen rund um Migra- Das Projekt setzt auf verschiedenen Ebenen an – zum tion und Geschlecht befassen. einen auf der technischen Seite. Zein Al Salem, seit vier Jahren in Deutschland, ist nicht nur einer der Studiogäs- Es geht darum, gleichzeitig Schutzräume für Jungs* und te*, sondern bei Borderless TV auch Referent in On- junge Erwachsene zu schaffen und relevante Inhalte 16 17
Während des Förderzeitraums im Jahr 2020 waren 15 Für das technische Know-How und das Vermitteln von ehrenMann Termine geplant, bei denen jeweils eine Sendung im Fachwissen rund um Online- und Film-Medien hat Zein Livestream übertragen wurde. Im Studio haben die Al Salem gesorgt, und immer wenn das „real life“-Lehren Projektleiter*innen für jeden Teilnehmer* jeweils einen aus Pandemie-Gründen nicht möglich war, eben per Safe Space geschaffen. Jede*r wurde ermutigt, eigene Video-Anleitung. Beiträge und gegebenenfalls Interviewpartner*innen vorzuschlagen. Der Themenspielraum wurde von BorderlessTV wollte mit der Projekt-Teilnahme auch Projektbeginn an weit gefasst. Alaa Nassif Makki: „Wir fortsetzen und vertiefen, was schon vorher Teil des Kon- Vor Ort in Dormagen, haben nichts vorgegeben, die Schwerpunkte hätten zeptes war: Die Förderung junger Menschen mit Flucht- alles sein können von ‚Ausbildung und Studieren in Köln‘ und/oder Migrationshintergrund sowie ihre Integration über ‚Mein Lieblingsmusiker‘, ‚Mein Sportverein‘ bis hin in lokale Strukturen. Nach Erfahrungen in der Frauen- zu ‚Jung(e) sein‘ war alles möglich.“ Einziger inhaltlicher und Mädchenarbeit hatten sich die Projektleiter*innen Fokus in der Vorgabe: Die Themen sollten inbesondere die Vertiefung in Sachen „Männlichkeit“ gewünscht. junge Männer betreffen und interessieren – und das Thema Männlichkeit reflektieren. „Für uns war der geschlechtspädagogische Ansatz noch neu und wir haben für, mit und in dem Projekt im Rah- men von ‚Irgendwie hier! 2020“ unsere Kompetenzen in diesem Gebiet geschult und ausgebaut“, erklärt Julia Haarmann. Auch mal mehr „Männlichkeit“, bitte „Wir wollen mit dieser Reihe an Live-Sendungen junge Teilnehmer* darin unterstützen, ihren Raum und Platz in der Gesellschaft zu finden“, so stand es im Konzept-Port- folio. Wie das gelang, wird im Text ab Seite 34 deutlich. „Die Sendungen waren darauf ausgelegt, unterhaltsam, gut recherchiert und mit zusätzlichem filmischen Mate- rial angereichert zu werden“, so Alaa Nassif Makki. Die Sendungen im Projekt „Live und ohne Grenzen!“ werden teils auf Deutsch, teils auf Arabisch bei BorderlessTV ausgestrahlt. Mit dem Community Art Team (CAT) Colog- ne hat BorderlessTV einen internationalen Partner in der Zusammenarbeit. 18 19
ehrenMann, Dormagen mit der Schule möglich gemacht. Die Jungen sollten auf dem Entwurf unseres Ablaufplans.“ Von Gefühls-Activity, außerdem aus der Jahrgangsstufe 9 sein – die ursprüng- Tatsächlich sind zum allerersten der Termine nur sieben liche Planung, jüngere Schüler anzusprechen wurde im der in der entsprechenden Jahrgangsstufe angesproche- Empathie-Training Zusammenhang mit durch Schulschließung bedingten nen zwölf Jungen* gekommen. Der Grund: Das Wetter. Unterrichtsausfall geändert. Was in einem engeren Und ausnahmsweise nicht die Pandemie. „Es gab eine und... Fast Food Projektblock hätte stattfinden sollen, wurde über einen Sturmwarnung“, erklärt Elmar Prinz, „und in den Nach- längeren Zeitraum gestreckt. barstädten hatten die Schüler*innen schulfrei.“ Verunsi- Jetzt, im Dezember, sind die Jungen* miteinander und chert ob der Lage blieben einige Dormagener Jugend- mit den Projektleitern schon gut vertraut, weil der liche auch zu Hause. Los ging es trotzdem mit ganzer In Dormagen reflektieren die Teilnehmer* Raum ihnen „gehört“. Und weil sie alle eine mehr oder Kraft. des Projekts „ehrenMann“ sich und die minder aktuelle Flucht- oder Migrationsgeschichte zentrale Frage: Was ist „männlich“? mitprägt. Hier muss sich niemand (mehr) erklären. Hier Wann ist ein Mann* „ein Mann*“? kann sich jeder reflektieren. Hier muss sich aber jeder Keinem der Teilnehmenden war vorher klar, was ihn er- DORMAGEN. Die Jungen* im Sportraum des Kinder- und auch herausfordernde Fragen gefallen lassen wie diese warten würde. „Wir haben ein Poster mit den Fragestel- Jugendzentrums Dreizack im Souterrain der Bert- von Elmar Prinz: lungen des Projektes beim ersten Termin aufgehängt“, ha-von-Suttner-Gesamtschule in Dormagen sitzen auf „Was helfen Regeln denn, wenn es jeden unterschiedlich so Elmar Prinz. den Bänken, die im Rechteck des Raumes aufgestellt betrifft?“ Kurze Stille. sind. Es ist der vorletzte Termin in dieser Konstellation, Hassan, der eingangs noch etwas ironisch angekündigt Wann ist ein Mann* „ein Mann*“? Was ist männlich? bald wird das Projekt „ehrenMann“ als Teil von „Irgend- hatte, nichts sagen zu wollen, schließlich habe er in der Was macht einen Mann* aus? Wie stelle ich mir mein wie hier! 2020“ abgeschlossen sein. Vorwoche schon so viel erzählt, schaltet sich nun doch Leben mit 30 vor? Wie mutig muss man(n) sein? Kann ein: „Es kann ja auch sein, dass der eine Mensch das will, ein Mann* Schwäche zulassen? Wie gehen wir mit Wut und ein anderer das nicht.“ Das – damit ist das Spiel, und Aggressionen um? Wie können wir kooperieren, die Herausfordernde Fragen müssen sein das Kabbeln, das Aus-dem-Gleichgewicht-Bringen ge- Stärken der anderen ergänzen, ein Team werden? „Warum wir Regeln brauchen? Vielleicht, weil es sonst meint. „Genau“, lobt Elmar Prinz – wer Regeln aufstelle, wehtut?“ beantwortet Alper die Frage auf dem White- gebe allen Teilnehmenden die Möglichkeit, vor einem „Alles Fragen, die die Jungen* sofort spannend fanden board vor dem Turnmatten-Wagen mit einer Gegen- Spiel oder einer Aufgabe zu wissen, ob sie sich darauf und auch erstmal salopp kommentieren mussten“, er- frage. Sieben Jungen* aus der „ehrenMann“-Gruppe einlassen möchten oder nicht. innern sich die Projektleiter. „Um erste Ansätze einer sind heute da, an anderen Terminen waren es neun Sicherheit im Miteinander zu schaffen, haben wir dann oder zehn, manchmal sogar zwölf. „Die Teilnahme Sieben Einheiten und drei Exkursionen ein bekanntes Kennenlern-Spiel, das Vier-Ecken-Spiel, war von Anfang an freiwillig, aber wir haben erwartet, Wer aus der Gruppe beim ersten „ehrenMann“-Termin gemacht, in dem die Jungen sich die Kategorien, also dass die Jungen* nicht sporadisch kommen, sondern vielleicht noch mit einem alterstypischen Hinter- Ecken, selbst ausgesucht haben.“ sich für das Projekt entscheiden“, erklärt Elmar Prinz gedanken („Alles ist besser als Schule“) in den Raum von der Sprung(s)chance (Jugendcafé und Beratungs- geschlendert kam, war nach der finalen 68. Minute Die, die aus Syrien kommen, stellen sich in die eine stelle) eine der Voraussetzungen, um bei „ehrenMann“ der Einheit gespannt auf die nächste. „Wir haben die Ecke, die mit drei Geschwistern in eine andere, wer dabei sein zu können. Die Teilnehmenden sollten alle gleiche Länge der hier an der Schule üblichen Stunden gerne Fußball spielt in wieder eine andere und so fort Schüler der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule sein, das als Vorgabe genommen, und geplant, uns alle 14 Tage – und natürlich kann und muss gewechselt werden. Der Projekt hat der Internationale Bund West gGmbH, dem mittwochs in der ersten Stunde zu treffen“, erklärt Vorteil: „Die Bewegung sorgt dafür, dass die Jungen* das Jugendcafé „Sprung(s)chance“ und das Kinder- und Tobias Dirscherl vom Kinder- und Jugendzentrum Drei- lockerer werden, sich entspannen und über die Einord- Jugendzentrum „Dreizack“ angehören, in Kooperation zack. „Sieben Einheiten und drei Exkursionen standen nung hinaus mehr von sich erzählen.“ Und die höchste 20 21
Erkenntnis ganz automatisch mitnehmen: Niemand listischen Einordnungen bezüglich Gehaltsvorstellung, kann im Gespräch weitergearbeitet werden, um Rollen- lich zu machen, dass diese den Umgang in dem Raum passt in nur eine Ecke, in nur eine Schublade – auch Berufsplanung und Persönlichkeitsentwicklung. bilder, Stereotype und Anforderungen zu reflektieren. bestimmt. nicht die Jungen*, die bis dato vielleicht von außen die- se Schublade oder Ecke aufgebürdet bekommen haben. „Pädagogisch sind solche starken Ausschläge in die ver- Das Gespräch im weiteren Verlauf der Stunde drehte Mit dem Lernen von Körperlichwahrnehmung und sen- Ein stärkendes Erlebnis schon in der ersten Stunde. schiedenen Richtungen der Rollenvorstellungen super sich um die Frage „Was, wenn dein bester Freund auf siblem Körperkontakt lag auch das Thema des letzten in einer relativ kleinen Gruppe“, erklärt Elmar Prinz. Jungs stehen würde?“ Auch hier reichten die Reaktionen Termines auf dem Tisch: „Ist es peinlich einen ande- „Wir haben uns beide Notizen gemacht – zwar können Eine von außen (und oberflächlich) homogen wirkende von stark bis entspannt – während die einen diese Situ- ren Jungen zu berühren? Wie funktioniert männliche wir uns viel merken, aber manche Familienkonstellatio- Gruppe, die in sich stark in den Ansichten variiert, biete ation als „eklig oder peinlich“ bezeichnen würden, wäre Nähe?“ nen, bestimmte Vorgeschichten und Lebensumstände sehr gute Ansätze, um die Gespräche zum Thema Männ- das für andere hingegen kein Problem. Eine Freund- würden auch für die weitere Arbeit mit den Jungen lichkeit und Flucht bzw. Migration aus verschiedenen schaft müsse, so einige der Jungen*, nicht beendet wer- Für die Sozialpädagogen ein Anlass, der Runde einen wichtig werden“, so Elmar Prinz, „das wussten wir.“ Und Blickwinkeln zu beleuchten. „In einem weiteren Punkt den, weil der Freund sich in einen verliebe – auch nicht, Raum für Gedanken und Gefühle zu eröffnen. „Es sind er schmunzelt: „Welche Hobbys wer hat, das kriege ich ging es noch um das Thema Kindererziehung und auch wenn man selbst nicht in ihn verliebt sei. Im Gespräch Ängste, die da mit reinspielen“, erklärt Elmar Prinz. auch so abgerufen.“ dort gingen die Meinungen weit auseinander – wie sehr haben die Projektleiter die verschiedenen Standpunkte „Ängste, die zum Teil in Religionen, Kulturen und Le- sollte es denn wichtig sein, dass auch ein Mann dem mit den Jungen* erörtert und eingeordnet. bensumständen verankert sind.“ Familienvater oder Lamborghini-Fahrer? Kind zeige, wie das Leben funktioniere.“ Im nächsten Schritt ging es direkt an die härteren Besprochen wurde, ob Berührung zwischen Jungen* Fragen, aber noch immer in der Spielphase der vier Brad Pitt mit nacktem Oberkörper Raum für Gedanken und Gefühle sich gut anfühlen kann, ob man das mag, ob es sinn- Ecken: „Stell dich in diese Ecke, wenn du denkst, dass In einer weiteren Einschätzungsübung bekamen die „Bei jedem neuen Termin haben wir immer auf den voll wäre überhaupt nach Geschlecht zu unterscheiden Männer* körperlich stark sein sollten. Oder stell dich in Jungen* des „ehrenMann“-Projekts eine Vielzahl von vorherigen zurückgeblickt, um das Besprochene noch oder ob man per se Schwierigkeiten damit hat, körper- diese Ecke, wenn du findest, dass Haushalt Frauensache Fotos – etwa 15 bis 20 – hingelegt, die es einzusortieren mal aufzurufen“, so Elmar Prinz. „Beim zweiten Termin, liche Nähe mit fremden Menschen zuzulassen. Eine ist. Und in diese Ecke, wenn du findest dass Pilot ein galt in zwei Kategorien: „wenig männlich“ und „sehr als alle zwölf Teilnehmer* dabei waren, mussten wir gute Gelegenheit, um die Homophobieproblematik zu Männerberuf ist. Wenn gar nichts auf dich zu trifft, bleib männlich“. allerdings auch noch organisatorische Dinge bespre- einfach in der Mitte stehen.“ Ein interessanter Moment, chen – wie beispielsweise die zu diesem Zeitpunkt wie sich schnell herausstellte – weil die Anschlussfrage lautete: „Warum ordnest du dich genau da ein, wieso Tobias Dirscherl: „Da ist etwas sehr Interessantes passiert – Bilder von, wie wir dachten, sehr männlich noch geplanten drei Ausflüge.“ Dass es nur einen geben können würde, wollte zu diesem Zeitpunkt noch schwul oder was?! denkt ihr so und nicht anders?“ wirkenden Personen, wie beispielsweise einem Brad Pitt keiner glauben. „Außerdem mussten wir die Einver- Bei homophoben Äußerungen geht es oft um ge- mit nacktem Oberkörper, wurden neben zwei küssen- ständniserklärungen für Film- und Fotoaufnahmen sellschaftliche Heteronormativität. Die Jungs* haben Schnell wurde deutlich: Rollenvorbilder sind allen den Männern* als wenig männlich eingeordnet. Mit verteilen.“ Danach knüpfte die Stunde an die vorherige gelernt, dass da etwas anders oder komisch dran ist. Jungen* wichtig. Für die einen ist es das Bild der tra- Vorsicht und Humor als Schutzmechanismus kommuni- an, und diesmal nicht nur theoretisch – körperliche Das verunsichert sie. Auch kennen wir die Dynamik, ditionellen Aufteilung Frau (zu Hause)/Mann (Arbeit), zierten die Jungen*, dass ‚wenig männlich‘ eben schnell Nähe sollte an diesem Tag das Thema sein. „Mit ver- dass verunsicherte Männlichkeit sich über Ablehnung das vorrangig wichtig ist – aber mit der Begründung: auch als ‚schwul‘ gilt. Andere Kategorisierungen, wie schiedenen Methoden wollten wir den Jungen einen von scheinbar Nicht-männlichem stabilisiert. Die „Aus Respekt vor der Frau verlangen wir nicht, dass beispielsweise Mike Tyson bei ‚sehr männlich‘ , waren achtsamen Umgang mit dem eigenen und mit anderen Jungs* vergewissern sich selbst und gegenseitig, wie sie arbeiten geht.“ Für einen anderen der Teilnehmer wie erwartet.“ Körpern nahe legen.“ Bei Übungen zu Körperlichkeit hetero (und damit angeblich männlich) sie sind, in- war klar, dass er sich später eher als Lamborghini-Fah- und Kontakt ist es sehr wichtig, dass die Jungen keinen dem sie schwul sein ablehnen. rer sehen möchte, ohne Familienkutsche, ohne Frau. Denn genau darum geht es in der pädagogischen Arbeit: grenzüberschreitenden Situationen ausgeliefert sind. Allerdings wolle er sich auch nicht um den Haushalt Das Spektrum von Männlichkeit liegt im Auge des Be- Dafür müssen sie ihre eigenen Grenzen allerdings Das mit den Jungs* so zu besprechen ist natürlich kümmern – dazu müsse ggf. eine Putzhilfe her, das sei trachters. Wenig männlich wird von Jungen* manchmal erstmal kennen- und fühlen lernen. Eine sensible An- etwas viel verlangt. Diese „Brille“ hilft aber, um zu eher Frauensache. Im Gespräch sind die Projektleiter als weiblich, manchmal als nicht hetero und manchmal leitung seitens der Pädagogen ist hier sehr wichtig, um verstehen, wie die Jungs* auf ihre Meinung kommen. auf die einzelnen Ansichten eingegangen, auch mit rea- auch als kindlich gelesen. Mit diesen Einschätzungen eine Kultur der Achtsamkeit zu etablieren und deut- 22 23
entdramatisieren. Man war sich einig, dass es hilft die Die Fragestellung, die die Jungen* an dem Tag mit ge- Pläne reichen?“, so Tobias Dirscherl. Aus diesen Fragen ten) und das abfällige Sprechen über Ausländer unten eigenen körperlichen Grenzen zu kennen und diese zu nommen haben, war am ehesten die nach einer wich- heraus erarbeitete die Gruppe eine Angleichung an ihre (= am wenigsten stark) stand. „Auch das Thema der verbalisieren. Gegenüber allen unbekannten Menschen, tigen Grenze: Ist Berührung zwischen Jungen* für mich Realität und eine mögliche Umsetzung der „Visionen“. Stärke einer alleinerziehenden Mutter wurde mit der egal ob Mädchen oder Junge. okay, mag ich das, unterscheide ich überhaupt nach Methode besprochen.“ Geschlecht, oder möchte ich per se nicht, dass jemand „Dabei ist es wichtig, darauf zu schauen, was für die Zentral war es, mit den Jungs* genau zu klären, wor- auf meinem Schoß sitzt, mit dem ich nicht liiert oder be- Jungen* in ihrer Lebenssituation und mit allem, was sie Weiter ging es um das Thema Toleranzgrenze – und um es bei ihren Vorbehalten eigentlich geht: Meinen sonders nah bin? Oder ist mir das zu viel, und wenn ja, mitbringen an Eigenschaften, machbar ist – und was sie wann die überschritten werde? „Für einige der Jungen homofeindliche Äußerungen Mann-Mann-Sex? Sind das warum ist mir das zu viel, zu nah? für das Erreichen der ‚Pläne‘ tun können.“ Der Blick auf schien es normal, dass ein Vater seinen Sohn ohrfeigt eigentlich Fragen an Analverkehr? Oder gibt es da Angst schulische, berufliche und finanzielle Zukunftspläne ge- bei schlechten Noten, andere wiederum ordneten so vor männlicher Nähe? Geht es vielleicht gar nicht um „Bei einer Aussage mussten wir auch noch einmal tiefer höre zu der Traumvorstellung des eigenen Lebens eben etwas als Kinderrechtsverletzung ein“, so Elmar Prinz. die Körperlichkeit, sondern um die Befürchtung keine eintauchen in das Thema, was denn Homosexualität in dazu. Auch solche kontroversen Themen wurden diskutiert. emotionale Distanz zu einem Mann einzuhalten? der Familie bedeuten würde – wie Nähe zwischen Män- Auch der Selbstbezug wurde befragt: „Was hat das nern erlebt und gelebt wird, auch in den Familien.“ In Die Toleranzgrenze – und wann „Nachdem wir uns mit den Fragen der Toleranzgrenze eigentlich mit dir zu tun, ob einer schwul ist?“ „Warum der Kommunikation mit den Jugendlichen war da eine ist sie überschritten? beschäftigt haben, stand der erste der geplanten drei ändert das etwas an eurer Freundschaft, warum ändert geschützte Ebene besonders wichtig. „In einer der Gruppenstunden im September haben wir Ausflüge an – und dann waren erst einmal sieben Wo- das dein Bild von der Person?“ ‚Gefühlsactivity‘ gespielt – die darstellerische Um- chen Pause, wegen der Herbstferien, des Betriebsprakti- Ein ganz normaler Tag mit 30? setzung von Gefühlen hat allen Jungen* noch einmal kums und des Elternsprechtages.“ „Besonders hilfreich ist es immer, die Jungen* miteinan- Wie wird wohl unser Leben in Zukunft aussehen? Wie gezeigt, dass das Thema Emotionen und Stärken eng der sprechen zu lassen und als Pädagoge erstmal die stelle ich mir vor, werde ich mit 30 sein? Wie lebe, verknüpft ist“, kann Elmar Prinz im Nachgang sagen. Die Gemeinsame Erlebnisse verbinden unterschiedlichen Meinungen auszuhalten. Trotzdem liebe und arbeite ich? Zur Entwicklung einer eigenen pantomimische Darstellung der Emotionen wie Stolz, Die Exkursion in ein Museum nach Köln konnte während haben wir keine Menschenverachtung oder unsachliche Zukunftsvorstellung hatten die Projektleiter nach der Zufriedenheit, Freude oder Einsamkeit war nicht leicht. der Pandemie unter geänderten Bedingungen stattfin- Abwertung geduldet“, so einer der Projektleiter. Es hilft sehr physischen Praxisübung eine selbstreflektierende Daraus wurde dann abgeleitet und weiterbearbeitet den. Zwar gab es keine persönliche Führung zum The- immer, die Jungs* zur Begründung ihrer Meinung zu Übung vorbereitet. was Stärke bedeutet. „Wir mussten die Jungen* auch ma „Soziale Identität“ wie geplant, sondern „nur“ eine bewegen. Oft fallen ihnen dann gar keine guten Argu- fragen: Was ist denn eigentlich ‚stark‘? Was lässt sich nur per Audio-Guide, aber sowohl die Inhalte der Ausstel- mente ein oder die anderen Jungen liefern den nötigen „Wer mochte, konnte die Augen schließen, alle durften schwer ‚spielen‘, was weniger schwer?“ lung als auch das gemeinsame Erlebnis „Ausflug“ hatten Widerspruch. Und am Ende provozieren viele Jungen sich entspannt hinsetzen und jeder für sich überlegte einen starken Einfluss auf die Zusammengehörigkeit der auch, um mal zu gucken, was man so sagen kann. „Da sich die Antworten auf einige persönliche Fragen.“ Tobi- „Im längeren Teil der Stunde haben wir uns mit der zu dem Zeitpunkt neun Jungen starken Gruppe. kann ich am besten anknüpfen, indem ich sie ernst as Dirscherl bat die Jungen, sich vorzustellen, sie seien Frage beschäftigt, wer denn mehr Stärke beweise: Zum „Wer bestimmt denn über Werte und Normen, über nehme.“ 30 Jahre alt und fragte in die Runde: Beispiel der gutgelaunte Nachtpfleger am Morgen nach Mode und Marken? Über Ausdruck und Persönlichkeit? einer anstrengenden Dienstnacht. Oder ein Junge, der Wie komplex sind Systeme, deren Symbolik Schmuck Wann stehst du auf? Wohin gehst du? Wer sitzt neben sich abfällig über Ausländer äußert. Oder doch der Jun- oder Kleidung sind? Was sagen Tattoos, Kopftuch und dir? Bist du alleine? Wo und was frühstückst du? ge, dessen Vater schlechte Noten mit Ohrfeigen bestraft Co. wirklich?“ Die Fragen hinter der Ausstellung waren und der nie davon spricht. Oder der Sportler, der im für einige sehr interessant, während andere aus der „Wir haben im Anschluss die Auswertung gemeinsam ge- Gewichtheben glänzt.“ Gruppe eher „durchsausen“ wollten. „Bei einem solchen macht und darüber gesprochen, was die Jungen* emp- Ausflug hat man als Pädadgoge auch die Gelegenheit, funden haben – waren die Zukunftsvorstellungen schön In der Gruppe ordneten die Jungen diese und weitere mal in Ruhe mit denjenigen zu sprechen, die sonst eher oder nicht so schön? Und was hast du bei den ‚Visionen‘ Beschreibungen in eine Reihenfolge von oben (stark) nicht laut sind“, beschreibt Elmar Prinz den sensiblen deiner Mitschüler gedacht, fandest du die interessant, nach unten (nicht besonders stark). Diese wurden so ein- Vorgang, Zugang zu den stilleren Teilnehmern* zu be- spannend oder neu? Denkst du, dein Geld wird für diese geordnet, dass der Krankenpfleger oben (= am stärks- kommen. „Das war vor allem unser Ansatz: Eine Intimi- 24 25
tät schaffen, eine Situation, in der alle sagen konnten, ja ein anderes Verständnis von Gewalt als mit anderen, was sie auf dem Herzen haben. Dafür waren die Aus- fremden Menschen. Dennoch wurde schnell klar: Ohne L‘HomMan flüge besonders gedacht.“ Das gemeinsame Wegfahren, Regeln geht es nicht. sich außerhalb der Schulwelt als Gruppe fühlen und gemeinsam etwas erleben, was nur die Gruppe erfährt, Heiße Lava und ein Fallschirm-Teppich das habe nachhaltig Eindruck gemacht. Es gab keinen So kommt es an der vorletzten Stunde dazu, dass Alper Zeitdruck, niemand sei gestresst gewesen und das fragt: „Warum wir Regeln brauchen? Vielleicht, weil es Besondere: Alle sind zusammen essen gegangen. Ein sonst weh tut?“ Und nicht nur das, denn wenn etwas Vor Ort in Dortmund, besonderer Moment für die Gruppe. weh tut, verliert auch jeder Mensch den Spaß an dem, was er tut. Die Bedeutung von Regelungen, die helfen, Einordnung von Eifersucht und Kontrolle Aggressionen abzubauen, ohne den anderen zu verlet- Nach vielen langen Wochen gab es nach den Herbst- zen und mit Rücksicht aufeinander und die individuelle ferien und weiteren anderen Verpflichtungen endlich Definition der Grenzen, wurde von den Jungen* selbst wieder ein paar Treffen – und das direkt mit einem erarbeitet. In einem Geschicklichkeitsspiel galt es nun, besonders starken Themenschwerpunkt über zwei den Gegenspieler aus dem Gleichgewicht zu bringen Wochen hinweg. „Die Jungen sollten ihre Meinung zu – in einem weiteren darum, als Team imaginäre „heiße verschiedenen Rollenkonflikten äußern und sortieren. Lava“ zu überqueren. Das Ziel: Probleme gemeinsam zu Auch wurden die unterschiedlichen Toleranzgrenzen lösen (und die Packung Schokoriegel auf der anderen verhandelt. Tobias Dirscherl erklärt die Details: „Auf Seite des Hofes zu erreichen). einem roten Strahl sollten die Teilnehmenden verschie- dene Handlungen in Liebesbeziehungen in ‚nicht okay‘ Geschicklichkeit in der Gruppe war auch gefragt, als bis ‚okay‘ einsortieren.“ Es ging um Eifersucht, Gewalt, es um das Wenden eines gefalteten „Fallschirms“ oder Kontrolle und Eigenständigkeit. Ein privates Gespräch eines „Zauberer-Teppichs“ ging, ohne diesen zu ver- der Partnerin mit einem anderen Jungen*, waghalsige lassen. Es kostet die Jungen mehrere Versuche, aber sie Autofahrten, Freizeitaktivitäten, Haushalt und Familie erreichen ihr Ziel – ab dem Moment, als sie beginnen, waren Themen. gemeinsam zu planen, unabhänig von ihrer Vorge- schichte, ihrer Herkunft, ihren Einstellungen und ihren „Es gab in der strikten Einordnung einige deutliche Zukunftsvisionen. Unterschiede zwischen den Jungen.“ Aus diesen Kontro- versen heraus ergab sich in der nächsten Stunde wieder Projektleiter*innen & Kontakt: eine praktischere Übung, die das Thema Gewalt direkt aufgriff. „Weil aus Pandemie-Gründen die nächsten Elmar Prinz beiden Ausflüge unmöglich wurden, die Schulen aber Beratungsstelle Sprung(s)chance noch geöffnet waren, haben wir das Konzept überarbei- Internationaler Bund West gGmbH tet und das behandelt, was aus der Woche vorher noch Heesenstr. 8, 41540 Dormagen offen lag. „Wir haben psychische und physische Gewalt Tel.: 02133 3672 erläutert und uns dann gemeinsam erste Gedanken über das Aufstellen von Regeln und ihre Wichtigkeit ge- Tobias Dirscherl macht.“ Unter Freunden, fanden die Jungen*, gebe es da Kinder- und Jugendzentrum Dreizack Internationaler Bund West gGmbH Marie-Schlei-Str. 6, 41542 Dormagen Tel.: 02133 92787 26 27
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