Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen

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Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen
Psychobiologie der Resilienz
      Konsequenzen für die Prävention
trauma- und stressbedingter Störungen

                                          Ulrike Ehlert

           Psychologisches Institut, Universität Zürich
                Universitärer Forschungsschwerpunkt
                           Dynamik gesunden Alterns
        Zentrum für Neurowissenschaften UZH & ETH
Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen
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Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen
Schlaglicht

Ungerer sieht Angst als Abenteuer (ddp) .
Der Zeichner und Kinderbuchautor Tomi
Ungerer, der in Irland und Strassburg lebt,
hält Gefahren für einen wichtigen Teil des
Lebens. In Notlagen müsse der Mensch
nicht nur hoffen, sondern die Situation selbst
in die Hand nehmen, sagte Ungerer, der am
Montag 80 Jahre alt wurde. «Als ich an
Krebs erkrankt war, habe ich gesagt: Tod
mit Humor. Wissen Sie, wie langweilig das
Leben wäre ohne Unfälle, Krankheiten,
Herausforderungen und ohne Tod? Mein
Gott!» Er habe früh gelernt, vor Gefahren
nicht wegzulaufen. «Als Kind im Krieg war
ich umringt von Erwachsenen, die hatten
viel mehr Angst als ich.» Angst müsse als
Abenteuer gesehen werden.
                                                 Neue Zürcher Zeitung, 2011
                                                 ActuaLitté - La légion d'honneur à Jean Delas, 2015

!
Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen
Bonhof, 1937
Theyson, 20132
Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen
Ein Schutzfaktor vor negativen Effekten von Stress und
             Traumatisierung ist Resilienz
Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen
Resilienz ist die dynamische Fähigkeit mit Belastungen und
Traumatisierungen so umzugehen, dass die psychische Stabilität
erhalten bleibt

Merkmale von Menschen mit einer hohen Resilienz sind

•   Selbstwirksamkeit
•   Selbstkontrollfähigkeit
•   Fähigkeit soziale Unterstützung zu geben und bekommen zu
    können
•   Aus Schwierigkeiten und Fehlern zu lernen
•   An Dingen/Problemen zu arbeiten
•   Für sich selbst Mitgefühl zu zeigen
•   Gelassenheit

                                                             Bonnano et al., 2010
Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen
Situation

       Primärbewertung (Bedrohungsausmass)
          Sekundärbewertung (Ressourcen)

                     Kognitionen

Verhaltensreaktion                 Emotionale Reaktion

                 Somatische Reaktion

                     Neubewertung

                                           nach Lazarus & Folkman, 1984; Abb. aus Fischer, 2004
Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen
Akuter oder chronischer Stressor
           Situation / Stressor                       Kritisches Lebensereignis
                                                                        Trauma
    Primärbewertung (Bedrohungsausmass)
       Sekundärbewertung (Ressourcen)

                Kognitionen

Verhaltensreaktion     Emotionale Reaktion

            Somatische Reaktion
                                          Stressbewältigung (Coping)

                                          Erfolgreiches Coping
                                          bedeutet Resilienz

               Neubewertung
Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen
Trauma               Verarbeitung
                                                                      (Epi)Genetik
                                                                 Frühere Erfahrungen
                                                                Entwicklungsprozesse
                                                              Psychologische Merkmale
                                                             Körperliche Voraussetzungen

                       Körperliche Reaktionen
Posttraumatisches
Wachstum/Resilienz

Posttraumatische
Belastungsstörung
                              Verhalten

                                                         Nach Ehlert, La Marca, Abbruzzese & Kübler 2013
Psychobiologie der Resilienz Konsequenzen für die Prävention trauma- und stressbedingter Störungen
Trauma

Posttraumatisches
Wachstum/Resilienz

                              Russo et al., 2012
Stress/Trauma

                         Freisetzung von
                         Stresshormonen
                             im Gehirn     Aktivierung des
                                                 Herz-
                 Steigerung
                                           Kreislaufsystems
              Hungerhormon
                     Ghrelin

                         Freisetzung der
                         Stresshormone
 Unterdrückung           Adrenalin
Sexualhormone            Noradrenalin
    Testosteron                                      u.a. Beeinflussung des
     Östrogene           Cortisol                    Immunsystems
Die Stressantwort der Hypothalamus-Hypophysen-
        Nebennierenrinden-Achse (HHNA)

                     Hypothalamus

               -         CRH

                      Hypophyse
               -        ACTH

                     Nebennieren
                       Cor)sol(F)
                      Cor)sol
Anpassung, Fehlanpassung und Krankheit an Stress/
       Traumatisierung am Beispiel der Cortisolfreisetzung

                                Normentsprechende Reaktion,
                                Habituation, keine langfristig negativen
           Stress               Effekte von Stress
Cortisol

                                                  Baseline

                                                  Zeit
Lässt sich Stress zuverlässig auslösen?

                       Standardisierter Stresstest
                       Trier Social Stress Test (TSST)

                       Öffentliche Rede (8 min.) und
                       Kopfrechnen (5 min.)

                               Kirschbaum, Pirke & Hellhammer, 1993; Dickerson & Kemeny, 2004; Campbell & Ehlert, 2012
Cortisolfreisetzung vor und nach dem TSST bei gesunden Männern

                                       Nater, Rohleder, Gaab, Berger, Jud, Kirschbaum & Ehlert, 2005
Kognitive Bewertung und physiologische Stressreaktion

Die kognitive Bewertung des
Stressors korreliert mit der
Cortisolfreisetzung nach
Stress (n=81, gesunde
Männer)

                                    Erlebter Stress (PASA-Fragebogen)

                                  Gaab, Nater, Rohleder & Ehlert, 2005; Campbell & Ehlert, 2012
Fehlendes Absinken des Stresshormons, u.a.
                    bei Depression,
                    Suchtmittelabhängigkeiten,
                    Esstörungen zu beobachten

           Stress
Cortisol

                                         Baseline

                                         Zeit
Im Verlauf der Stressbelastung drastisches
                           Absinken des Stresshormons, u.a.
                           funktionelle Störungen des Magen-Darmtraktes,
                           chronisches Erschöpfungssyndrom,
                           Schmerzstörungen, Posttraumatische
                           Belastungsstörung
           Stress/Trauma
Cortisol

                                                  Baseline

                                                  Zeit
Cortisolreaktivität von Polizeirekruten auf eine Videotrauma-
konfrontation in Abhängigkeit von der späteren Traumaanpassung

                                             N =127

                                                N =11
                                                        N = 38

                                                         Galatzer-Levy et al., 2014
Wie ist der Verlauf einer Fehlanpassung an ein Trauma?
                  Wie ist die Prognose?

      Circa 90% der Patienten zeigen Symptome einer
      Posttraumatischen Belastungsstörung sofort nach
      dem Trauma
      Bei circa 10% der Betroffenen findet sich ein
      verzögerter Beginn
      Bei circa einem Drittel der Patienten zeigt sich
      ein chronischer Verlauf
Ein Trauma...
...die möglichen psychischen Konsequenzen 50 Jahre später

        Erfüllte Kriterien einer Posttraumatischen Belastungsstörung

                                                          Phillipi, Heinrichs & Ehlert, unveröffentlicht
...die möglichen physiologischen Konsequenzen 50 Jahre später
(Fehl)-Anpassung an Stress/Traumata bei
                       berufsbedingten Hochrisikogruppen

Prävalenz (%) der
Posttraumatischen
Belastungsstörung

                                   18.2

                            13.5

                    10.8

             6.3
      2.7
               Bergführer                  REGA
               Feuerwehr Wales             Kantonspolizei St. Gallen
               Feuerwehr Rheinland-Pfalz

                                                           Wagner, Heinrichs & Ehlert, 1998; Sommer & Ehlert, 2004
Psychologische Merkmale beeinflussen die
 Auftretenswahrscheinlichkeit von Symptomen einer PTBS
und damit die Resilienz bei Berufsanfängern der Feuerwehr

                                              42% Varianzaufklärung
                                              für PTBS-Symptome
                                              durch Feindseligkeit
                                              und niedrige
                                              Selbstwirksamkeit

                                   Heinrichs, Wagner, Schoch, Soravia, Hellhammer & Ehlert, 2005
Psychologische Merkmale beeinflussen die
    Auftretenswahrscheinlichkeit von Symptomen einer PTBS
   und damit die Resilienz bei Berufsanfängern der Feuerwehr

42% Varianzaufklärung für PTBS-Symptome durch Feindseligkeit und
niedrige Selbstwirksamkeit
(Fehl)-Anpassung an Stress/Traumata bei
                       berufsbedingten Hochrisikogruppen

Prävalenz (%) der
Posttraumatischen
Belastungsstörung

                                          18.2

                                   13.5

                          10.8

                    6.3
            2.7
                      Bergführer                  REGA
                      Feuerwehr Wales             Kantonspolizei St. Gallen
                      Feuerwehr Rheinland-Pfalz

                                                         Wagner, Heinrichs & Ehlert, 1998; Sommer & Ehlert, 2004
Charakteristika der Traumaerfahrungen und die Auswirkungen

                        100

                                    Mindestens eine traumatische Erfahrung
                          90        gemäss DSM-IV Kriterien

                          80        Traumatische Erfahrung gemäss DSM-IV
                                    Kriterien und Selbstbericht von intensiver
                                    Furcht, Hilflosigkeit und Entsetzen
                          70

                                    PTBS Symptome
    Häufigkeiten in %

                          60

                                    subsyndromale PTBS
                          50

                          40

                          30

                          20

                          10

                               0

                                                                 Sommer & Ehlert, 2004
Kohärenzsinn (Sense of Coherence)

Überdauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens, dass

1.     die internale oder externale Umwelt strukturiert, vorhersagbar
       und erklärbar ist
2.     Lebensereignisse/Traumata bewältigbar sind
3.     die Anforderungen des Lebens Herausforderungen sind, die
       Investitionen und Engagement verdienen

Menschen mit einem hohen Kohärenzgefühl reagieren auf
Belastungen insofern positiv, als sie versuchen, diesen
Belastungsfaktoren einen Sinn zu geben und
Bewältigungsmechanismen zu aktivieren

                                                            Antonovsky, 1987
Fragebogenergebnisse – Kohärenzsinn und psychische
                Gesundheit (GHQ)
                 180
                               **
                 160

                                          Keine PTBS
                 140

                 120
                                          Vollbild der PTBS

                 100
   Mittelwerte

                  80

                                                   **
                  60

                  40

                  20

                   0

                       SOC Gesamtwert   GHQ Gesamtwert
Hedonistische Emotionsregulation

Die Fähigkeit einer Person zur Intensivierung oder Aufrechterhaltung
positiver Affekte und die Fähigkeit zur Stimmungsverbesserung bei
vorliegender negativer Affektivität.

                                                         Gross, 1998
Der Einfluss hedonistischer Emotionsregulation auf die
             biologische Stressverarbeitung

                                40
                                                                       HT   HER     low
                                35
                                                                       HT   HER     high
 Salivary Cortisol (nmol / l)

                                                                       NT   HER     low
                                30
                                                                       NT   HER     high
                                25

                                20

                                15

                                10

                                 5

                                 0
                                     0   20     40            60             80             100
                                          Time in minutes

                                                 Wirtz, von Känel, Mohiyeddini, Emini, Ruedisueli, Groessbauer & Ehlert, 2006
Die Bedeutung des Optimismus

Datensatz aus dem National Survey of Midlife Development in the
United States (MIDUS)

Befragung (Fragebogen und Telefoninterview von mehreren Tausend
US-Amerikanerinnen und Amerikanern) im Abstand von 10 Jahren

Analysestichprobe zu
• T1 35-45 jhr.
• T2 45-55 jhr.

                                         Dainese, Allemand, Ribeiro, Bayram, Martin & Ehlert, 2011
Variable                  1         2         3         4         5         6         7         8
1. Social support (T1)    __
2. Positive affect (T1)   .37***    __
3. Optimism (T1)          .34***    .44***    __
4. Burden score (T1)      -.27***   -.27***   -.20***   __
5. Social support (T2)    .23***    .06       .14**     -.23***   __
6. Positive affect (T2)   .33***    .46***    .28***    -.22***   .24***    __
7. Optimism (T2)          .30***    .29***    .52***    -.14**    .18***    .42***    __
8. Burden score (T2)      -.17**    -.13*     -.17**    .47***    -.41***   -.26***   -.24***   __

Potential range           1-4       1-5       1-4       0-17      1-4       1-5       1-4       0-17
M                         3.37      3.44      3.40      9.46      3.80      3.38      3.39      8.81
SD                        0.47      0.65      0.47      2.66      0.89      0.69      0.50      2.66
Note. N = 393

                       17% Varianzaufklärung der physischen Gesundheit
                       33% Varianzaufklärung der psychischen Gesundheit
Die Verarbeitung von Stress und Traumata wird beeinflusst von

§   Situationseinschätzung (Bedrohung, Bewältigungsmöglichkeiten)
§   Vorangegangenen Belastungen
§   Sozialer Unterstützung
§   Traumabewertung
§   Kohärenzgefühl
§   Selbstwirksamkeit
§   Alexithymie
§   Feindseligkeit
§   Hedonistischer Emotionsregulation
§   Optimismus

Konzentrieren wir uns auf die Stärken!
Zaba et al PNEC
2015

          Russo et al., 2012
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