Raumplanung aktuell Die Zeitschrift für die Salzburger Raumentwicklung Heft 9 - eduACADEMY
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Raumplanung aktuell Impressum: Medieninhaber: Land Salzburg Herausgeber: Abteilung 7: Raumplanung, vertreten durch HR Ing. Dr. Friedrich Mair Koordination, Grafiken und Abbildungen: Mag. Michael Bogensberger Gestaltung und Satz: Grafik Land Salzburg Anschrift: Michael-Pacher-Straße 36, 5020 Salzburg Druck: Druckerei Roser, 5300 Hallwang September 2013 2
Raumplanung aktuell Inhaltsverzeichnis Vorwort Landeshauptmann-Stellvertreterin Dr. Astrid Rössler ............................................................................................ 5 Rohstoffabbau und Rohstoffsicherung – ein raumplanungsrelevantes Thema mit hohem Konfliktpotenzial Peter Weissenböck............................................................................................................................................... 6 Regionales Entwicklungskonzept „Wolfgangsee“ Gerlinde Born......................................................................................................................................................... 8 ÖREK-Partnerschaft „Regionale Handlungsebene stärken“ Arbeitsbericht mit aktuellen Empfehlungen zur „Regional Governance“ in Österreich Christoph Braumann............................................................................................................................................. 9 Digitale Flächenwidmungspläne im Land Salzburg Michaela Rinnerberger.......................................................................................................................................... 11 Schutzgut „Landschaft“ – wie unterscheidet man die „Wahre Landschaft“ von der „Ware Landschaft“ Franz Dollinger..................................................................................................................................................... 13 Alpenraumprojekt DEMOCHANGE abgeschlossen. Nutzbarmachung der Ergebnisse für das Land Salzburg Franz Dollinger, Andreas Koch, Madeleine Koch, Heidrun Wankiewicz ................................................................ 30 Landwirtschaftliche Betriebseinstellungen – Leerstand – Umnutzung Erhebung in 4 Salzburger Beispielsgemeinden Alois Fröschl ........................................................................................................................................................ 41 Baulandsicherungsmodelle im Wandel der Zeit Christine Itzlinger.................................................................................................................................................. 44 „Juni-Hochwasser 2013“ – Schutzwasserwirtschaftliche Erstbeurteilung und erste Konsequenzen Robert Loizl, Thomas Prodinger............................................................................................................................ 47 3
Raumplanung aktuell Das Hochwasserereignis Juni 2013 – Schon wieder ein Jahrhunderthochwasser? Hans Wiesenegger ............................................................................................................................................... 58 GIP Salzburg – der digitale, flächendeckende, routingfähige Straßengraph des Landes Victoria Achatz .................................................................................................................................................... 66 Neue Wohnbaulandpreis-Auswertung des SIR Walter Riedler ...................................................................................................................................................... 69 Maßnahmen gegen die illegalen Zweitwohnsitze Johannes Flachberger .......................................................................................................................................... 72 Autorenverzeichnis .............................................................................................................................................. 74 4
Raumplanung aktuell Vorwort A ls neue politische Ressortver- und Mobilitätsformen sind in diesem keit verpflichtet. „Eine zukunftsfähige antwortliche für die Raum- Zusammenhang zu nennen. Politik ist bestrebt, die Rahmenbedin- planung im Land Salzburg gungen für eine zukunftsfähige Welt sehe ich es als meine Hauptaufgabe Raumplanung aktuell bietet der/dem zu gestalten (Fair Future).“ möglichst rasch die richtigen Weichen interessierten LeserIn einen Einblick für eine zukunftsfähige Entwicklung in den vielfältigen Aufgabenbereich Gerade die Querschnittsmaterie des Landes Salzburg zu stellen. Die der Raumplanung. Die Schwerpunkte Raumplanung verfügt über ein durch- Raumplanung kann mit dem ihr zur dieser Ausgabe befassen sich mit einer aus hohes Steuerungspotenzial um Verfügung stehenden Instrumenta- Erstbeurteilung des Juni-Hochwassers, die erforderlichen Maßnahmen für rium der örtlichen und überörtlichen dem Schutzgut Landschaft, dem Alpen- die zukünftige Raumentwicklung im Raumordnung eine nachhaltige Ent- raumprojekt „DEMOCHANGE“, der Sinne einer nachhaltigen Gestaltung wicklung der Lebensräume unter- Stärkung der regionalen Handlungs- unseres Lebensraumes zu setzen. stützen. Vordringlich sind dabei die ebene sowie der „Graphenintegrations- Baulandmobilisierung an geeigneten plattform (GIP)“, wobei es sich dabei Mit der Unterstützung der motivier- Standorten und das Hintanhalten um einen einheitlichen intermodalen ten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer weiteren Zersiedelung sowie Verkehrsgraphen für Österreich mit der Abteilung 7 – Raumplanung wird der Schutz der Freiräume und die einer Vielzahl an innovativen Anwen- es uns gemeinsam gelingen, die Zurverfügungstellung entsprechend dungen, wie z. B. eine gemeinsame weitere Entwicklung im Land Salz- optimierter Flächen für die wirtschaft- Verkehrsauskunft für ganz Österreich, burg verantwortungsbewusst und liche Weiterentwicklung. Auch die handelt. Die neue Salzburger Landes zukunftsfähig zu gestalten, damit Stärkung der Regionalplanung sowie regierung hat sich im Arbeitsüberein- die Lebensqualität für alle Menschen die Förderung alternativer Energie- kommen dem Prinzip der Nachhaltig- langfristig gesichert werden kann. Dr.in Astrid Rössler Landeshauptmann-Stellvertreterin 5
Raumplanung aktuell Rohstoffabbau und Rohstoffsicherung – ein raumplanungsrelevantes Thema mit hohem Konfliktpotenzial Peter Weissenböck E inleitend darf angemerkt wer- Bei den Baurohstoffen – es handelt in Relation zu ihrem Gewicht bzw. den, dass die Rolle der Roh- sich dabei laut Mineralrohstoff Volumen einen geringen Preis, da- stoffversorgung in unserer Ge- gesetz überwiegend um sogenannte her ist der Transportradius mit rund sellschaft nicht den Stellenwert „grundeigene mineralische Roh 30 Kilometern limitiert. Um eine besitzt, der ihr auf Grund der wirt- stoffe“ – kam es, bedingt auch durch regionale Versorgung sicherstellen schaftlichen Bedeutung zukommen den Bauboom der letzten Jahrzehnte, zu können, ist es daher notwendig, sollte. Rohstoffversorgung, und hier zu einem erhöhten Materialbedarf. einerseits eine entsprechende An- vor allem der Rohstoffabbau von Diese „Massenrohstoffe“ haben zahl an Abbauflächen zu betreiben, mineralischen Rohstoffen, die auch unter dem Begriff „Baurohstoffe“ bekannt sind, ist sehr oft konflikt- beladen. Die unmittelbar betroffenen Anrainer können mit nachteiligen Auswirkungen eines Abbaus kon- frontiert sein. Es ist aber zu wenig im öffentlichen Bewusstsein veran- kert, dass eine nachhaltig funktionie- rende Volkswirtschaft eine entspre- chende Versorgung mit Rohstoffen braucht. Jedes Produkt besteht oft aus einer Vielzahl von Rohstoffen, dabei spie- len auch die mineralischen Rohstoffe eine bedeutende Rolle. In vielen all- täglichen Dingen „verstecken“ sich mineralische Rohstoffe. Neben den klassischen „Baurohstoffen“ (Sand, Kies, Schotter) bzw. „Bauprodukten“ (z. B. Beton, Ziegel, Pflastersteine, Asphalt, Fliesen) sind mineralische Rohstoffe auch in Medikamenten, Kosmetika, Zahnpasten, Glas, Kera- mik usw. enthalten. In Österreich werden jährlich rund 100 Millionen Tonnen an minera- lischen Rohstoffen benötigt, das entspricht einem Bedarf von durch- schnittlich 12 Tonnen pro Öster- reicher und Österreicherin. So sind beispielsweise für ein unterkellertes Einfamilienhaus rund 450 Tonnen mineralische Rohstoffe zu veran- schlagen, eine 80 m² Wohnung besteht aus ca. 100 Tonnen minera- lischen Rohstoffen. Rohstoffabbau im Gasteiner Tal, Bild: Peter Weissenböck. 6
Raumplanung aktuell andererseits aber auch auf eine gute auch hier anzuwenden. Großflächige der Wiederverwertungsgedanke auch Verteilung der einzelnen Standorte Abbauareale sind zu vermeiden, die am Beispiel des Metalls Kupfer. Jeder zu achten. Renaturierung bereits abgebauter Österreicher bzw. jede Österreicherin Flächen ist parallel zum Abbau durch- besitzt statistisch betrachtet rund Kernaufgabe der Raumplanung ist zuführen. 250 kg Kupfer. Die derzeit bekann- die Standortoptimierung unterschied ten Weltreserven würden – weltweit licher Nutzungsabsichten unter Be- Neben der Sicherung von Rohstoff betrachtet – im Durchschnitt rund rücksichtigung der bereits bestehen lagerstätten sollte aber auch die der- 80 kg pro Person ergeben. Es liegt den Nutzungen. In Salzburg beschränkt zeitige Ressourcennutzung überdacht also auf der Hand, dass jenes Kupfer, sich der für diese Zwecke nutzbare werden. Es erscheint vordringlich, dass das wir bereits besitzen, immer wieder Raum vor allem in den Gebirgsregio der Rohstoffverbrauch pro Person in einen Kreislauf der Wiederverwer- nen auf oft relativ kleine Flächen, die zukünftig deutlich minimiert wird. tung zurückgeführt werden sollte. unter dem Begriff „Dauersiedlungs- Dazu können der effizientere Einsatz Dies setzt aber das Wissen voraus, in raum“ subsumiert werden können. der Rohstoffe einerseits, aber auch welchen Produkten dieser Rohstoff Hier entstehen aber häufig Nutzungs neue Technologien einen Beitrag vorhanden ist und auf welche Weise konflikte, ausgelöst durch unterschied leisten. Zudem gewinnt auch das dieser recycelt werden kann. liche Nutzungsinteressen, die nicht sogenannte „Urban Mining“ an immer kompatibel sind. Neben dem Bedeutung. Mit diesem Begriff wird Zudem sollten zukünftig auch die eingeschränkten Dauersiedlungsraum eine Sichtweise umschrieben, in der jeweiligen Arbeitsbedingungen in den hat aber auch die Siedlungsstruktur, jede größere Stadt in einem industria- „Rohstoffabbauländern“ genauer die in Salzburg sehr oft eine disperse lisierten Land als riesige Rohstoffmine geprüft werden. Faire Arbeitsbedin- Ausprägung besitzt, Einfluss auf die verstanden wird. Im Laufe der Zeit gungen für die im Bergbau tätigen grundsätzliche Verfügbarkeit der haben die in den Städten lebenden Personen sollten dabei der Gradmes- Flächen für bestimmte Vorhaben. Aus Menschen „Rohstofflager“ ange- ser sein. Sicht der Raumplanung erscheint es in legt, die, wenn erschließbar, durch diesem Zusammenhang sinnvoll, die Recycling zurückgewonnen werden Die Raumplanung im Land Salzburg bereits bestehenden Abbaustandorte können. In einigen Bereichen wird wird sich in Zukunft verstärkt der bestmöglich zu nutzen. Die vorhan- dies schon länger angewendet. So Thematik der Rohstoffsicherung denen Rohstoffe sollten – soweit aus werden Abbruchmaterialien (Bau- widmen. Ziel ist die Gewährleistung technischer und wirtschaftlicher Sicht restmassen, Straßenbeläge etc.) einer entsprechenden Flächenvorsor- vertretbar und mit den ökologischen sauber getrennt und teilweise einer ge potenzieller Rohstofflagerstätten Bedingungen vereinbar – zur Gänze Wiederverwertung zugeführt. Auch auf Basis der Datengrundlage des abgebaut werden. Der Raumord- bei Alteisen – jedem bekannt unter Österreichischen Rohstoffplans so- nungsgrundsatz „sparsamer Umgang dem Begriff Schrotthändler – hat dies wie in weiterer Folge ein möglichst mit Grund und Boden“ ist jedenfalls schon lange Tradition. Interessant ist verträglicher Rohstoffabbau. Regionales Entwicklungskonzept „Wolfgangsee“ Gerlinde Born D ie Salzburger Gemeinden lang kein Regionalprogramm erstellt Dazu hat die WTG in Abstimmung St. Gilgen und Strobl haben wurde. mit den drei Wolfgangseegemeinden, gemeinsam mit der oberöster- dem Land Salzburg (Abteilung 7) reichischen Gemeinde St. Wolfgang Umso erfreulicher ist es aus Sicht der und dem Land Oberösterreich eine sowie der Wolfgangsee Tourismus Abteilung 7, dass nunmehr mit der Ausschreibungsunterlage erstellt. Gesellschaft (WTG) im Jahr 2012 Erstellung eines regionalen Entwick- Insgesamt wurden vier Büros, die mit eine intensive Diskussion über die lungskonzeptes gemäß § 11 Absatz der Thematik Tourismus und Raum- Winter-Entwicklungspotenziale am 5 ROG 2009 zumindest Teile der planung vertraut sind, zur Abgabe Wolfgangsee gestartet. Die beiden Region Osterhorngruppe ein länder- eines Angebots eingeladen. Letztlich Gemeinden St. Gilgen und Strobl übergreifendes Konzept zum Thema erfolgte – nach Anbotlegung durch gehören dem Planungsverband 14 „Ganzjahresdestination Wolfgangsee“ zwei der vier Büros – am 4. Juli 2012 – Osterhorngruppe an, für den bis- zur Bearbeitung beauftragt haben. die Vergabe des Auftrages an das 7
Raumplanung aktuell Büro con.os tourismus consulting der Steuerungsgruppe, die sich ergeben. Dabei spielen die drei gmbh. Die Abteilung 7 förderte die aus Vertretern der Gemeinden, des Berge „Postalm, Zwölferhorn sowie Erarbeitung des Konzeptes gemäß Landes sowie der WKO Oberöster- Schafberg“ in der Region neben dem den Förderrichtlinien für die Regio- reich zusammensetzte, erfolgte der Wolfgangsee eine wesentliche Rolle. nalplanung mit 40%. eigentliche Start des Prozesses offi- ziell mit dem „Regionalen Kick-Off“ Im Fokus des vorliegenden Master- Ziel des regionalen Entwicklungs- in der Gemeinde St. Wolfgang im plans stehen nicht nur touristische konzeptes war es, künftige Winter-, Rahmen einer vom Auftragnehmer Entwicklungsansätze im engeren aber auch Sommer-Angebotsfelder, moderierten gut besuchten Veran- Sinne, sondern vielmehr eine ganz- vor allem im Bereich „Infrastruktur“, staltung am 8. Oktober 2012. heitliche Sichtweise auf notwendige zu definieren und deren Machbarkeit Rahmenbedingungen bzw. „Ka- auch im Gefüge mit den Entwicklun- In den folgenden Monaten – trotz talysatoren“ für eine erfolgreiche gen der Nachbarregionen Fuschlsee parallel stattfindendem Wolfgang- touristische Standortsicherung und und Bad Ischl zu sehen. Im Sinne see-Advent, der viele Akteure zeitlich -weiterentwicklung. einer regionalen Gesamtstrategie ziemlich forderte – fanden insgesamt Wolfgangsee sollte das Konzept zwei ganztägige Strategie-Work- Seitens der drei Gemeinden besteht Vorschläge zu konkreten Plänen shops sowie zwei ganztägige Zu- in diesem Zusammenhang sowohl und Aktivitäten entwickeln, welche kunftswerkstätten statt. ein inhaltliches als auch – im Rah- die Entwicklung der Destination men eines Gemeinderatsbeschlusses Wolfgangsee richtungsweisend vo- Als Ergebnis dieser Workshops noch herzustellendes – formales ranbringen sowie die Wettbewerbs- hat sich sehr bald der Arbeitstitel Bekenntnis, die Schaffung der im fähigkeit gegenüber den Mitbewer- „Touristischer Masterplan Ganzjah- Detail definierten Rahmenbedin- bern stärken. resdestination Wolfgangsee“ (2013 gungen in den nachfolgenden drei – 2016) zu den drei Hauptthemen Bereichen Mobilität, Raumordnung Nach einem organisatorischen Kick- „Bergvergnügen“, „Seevergnügen“ und Suprastruktur sowie Naturschutz Off im September 2012 im Rahmen sowie „Romantik und Genuss“ bestmöglich zu unterstützen. Zur Abb. 1: Auszug aus „Ganzjahrestouristischer Masterplan“, con.os 8
Raumplanung aktuell Abb. 2: Auszug aus „Ganzjahrestouristischer Masterplan“, con.os konkreten Umsetzung der jeweiligen Motto „Erfolg buchstabiert man Aktivität im Regionalverband Oster- Maßnahmen wurde für jede einzelne T-U-N“ endete auch die öffentliche horngruppe bleibt zu hoffen, dass Projektidee ein Zeit- und auch ein Abschlusspräsentation des Master- dieses Regionale Entwicklungskonzept grober Kostenplan entwickelt. plans, die wie die Auftaktveranstaltung für die übrigen Verbandsgemeinden im Michael-Pacher-Haus stattfand- einen Ansporn darstellt, die Agenden Der Start der Umsetzung soll noch und mindestens genauso gut besucht der Regionalplanung in der Osterhorn- in diesem Jahr erfolgen. Unter dem war. Im Sinne einer ersten regionalen gruppe aktiv anzugehen. ÖREK-Partnerschaft „Regionale Handlungsebene stärken“ Arbeitsbericht mit aktuellen Empfehlungen zur „Regional Governance“ in Österreich Christoph Braumann D ie „regionale Handlungsebene“ Strukturen sind aber auch über die turen hinterfragt, was in verschiede- hat in Österreich seit Jahr- Rolle in EU-Programmen hinaus zu nen österreichischen Bundesländern zehnten einen eigenen Stel- etablierten Umsetzungspartnern der zu intensiven Diskussionen über lenwert und die Kooperation von Landes- und Bundespolitik gewor- die Neuausrichtung von regionalen Gebietskörperschaften im Bereich den. Allerdings wird das Feld der Strukturen und Entwicklungsprozes- der Regionalentwicklung und Rau- Regionalentwicklung in Österreich sen geführt hat. mentwicklung ist heute mehr denn von einer Vielzahl von Akteuren mit je ein vielfach gepredigtes politisches zum Teil einander überschneidenden, Vor diesem Hintergrund wurde im Credo. Besonders durch die Förder- zum Teil völlig unterschiedlichen Österreichischen Raumentwick- programme der Strukturfonds der inhaltlichen und räumlichen Wir- lungskonzept (ÖREK) 2011 ein Europäischen Union hat die regio- kungsfeldern charakterisiert. Unter eigenes Kapitel unter dem Titel „Re- nale Handlungsebene beträchtlich dem Eindruck knapper Budgetmittel gionale Handlungsebene stärken“ an Bedeutung gewonnen. Regionale werden heute manche dieser Struk- formuliert. Die Konkretisierung und 9
Raumplanung aktuell Umsetzung der darin getroffenen lungsstrategien einbezogen werden. die regionale Abgrenzung erleich- Vorgaben und Empfehlungen er- Durch die Nutzung regionaler Res- tert ein konkretes Verständnis von folgt nun im Rahmen einer eigenen sourcen zur Entwicklung innovativer Problemen und Entwicklungspo- „ÖREK-Partnerschaft“. In der – auf Projekte, durch eine strategische tentialen Initiative des Landes Steiermark Bündelung und Abstimmung der Ak- unterschiedliche Politikfelder kön- – dafür gebildeten Arbeitsgruppe tivitäten der regionalen Akteure und nen in ihren Wechselwirkungen sind VertreterInnen von Bund und durch die Vernetzung mit anderen integrierend erfasst werden Ländern sowie des österreichischen Ebenen kann die Entwicklung der die vergleichsweise überschauba- Städtebundes tätig (der Verfasser einzelnen Regionen unterstützt und re Zahl an Akteuren ermöglicht konnte als Vertreter des Landes der konkrete Nutzen von regional- ihre aktivierende Einbindung in Salzburg in der Arbeitsgruppe mit- politischen Maßnahmen verbessert Entwicklungs- und Entscheidungs- wirken). Betreut wird diese ÖREK- werden. prozesse Partnerschaft von Seiten der ÖROK- Geschäftsstelle. Zur Dokumentation (im Anhang des Allerdings werden im Arbeitspapier Arbeitspapiers) wird die „regionale aufgrund der Analyse auch mehrere Zielsetzung der ÖREK-Partnerschaft Akteurslandschaft“ aus sieben öster zentrale Herausforderungen für die ist zum einen die Analyse und Auf- reichischen Bundesländern in ein- regionale Handlungsebene in Öster- arbeitung des gesamten Gefüges heitlicher Strukturierung dargestellt. reich identifiziert. Dies ist zum einen der Regionalentwicklung in Öster- Erstmals werden in dieser Form die das Problem der Fragmentierung reich, zum anderen bildet die sich Strukturen der „Regional Gover- durch die Vielzahl und Vielfalt von abzeichnende Neuausrichtung der nance“ in den österreichischen Bun- Akteuren auf lokaler, regionaler, Lan- europäischen Strukturfonds in der desländern miteinander vergleichbar des- und Bundesebene. Diese stehen Periode 2014 – 2020 einen konkre- gemacht. Wichtige Elemente dieser zum Teil im Wettbewerb um die ten Hintergrund für Überlegungen Strukturen sind in allen Bundes- Aufmerksamkeit der Politik und um zur Verbesserung und Stärkung der ländern „Regionalmanagements“, eine nachhaltige Finanzierung. Die regionalen Handlungsebene. In der wenn auch in räumlich und organi- Fragmentierung unterstreicht den ersten Projektphase wurde unter die- satorisch sehr unterschiedlicher Aus- Bedarf an einer „Regional Gover- sen Zielsetzungen – mit inhaltlicher prägung. Ein weiteres wesentliches nance“, die dem Zusammenspiel Begleitung durch die ÖAR Regional- Strukturelement stellen die (insge- aller Akteure gilt. Die in den letzten beratung GmbH – vorerst ein Über- samt 86) „LEADER-Regionen“ dar; Jahrzehnten gegründeten zahlrei- blick über das Gesamtgefüge der in einer Reihe von Bundesländern chen Organisationen der regionalen „Akteurslandschaft“ auf regionaler bestehen zudem „Kleinregionen“ Handlungsebene befinden sich zu- Ebene in Österreich erarbeitet. Eine als Instrument der interkommunalen dem in unterschiedlichen Phasen der wesentliche Grundlage dafür bildete Kooperation. Ein spezielles Salzbur- Organisationsentwicklung. Eine er- die systematische Erhebung und ger Element – wie dieser Bundeslän- reichte „Professionalität“ im Hinblick Gegenüberstellung der regionalen dervergleich aufzeigt – sind dabei auf Strukturen und Zielorientierung Strukturen der einzelnen Bundeslän- die Regionalverbände nach dem kann beispielsweise auf Kosten der der. Davon ausgehend wurden Eck- Salzburger Raumordnungsgesetz. Innovationskraft gehen. Daher ist pfeiler einer zukünftigen Gestaltung Diese nehmen neben den Agenden auch die Entwicklung der Organisa- der regionalen Handlungsebene ent- der überörtlichen Raumplanung auch tionskultur als eine (laufende) Her- wickelt und konkrete Empfehlungen eine Reihe von weiteren Aufgaben ausforderung anzusehen. Außerdem für die Weiterentwicklung des Sys- wahr, sei es als „Regionalmanage- besteht im Zug der Entwicklung von tems der „Regional Governance“ auf ment“ zur Umsetzung der euro- „Regional Governance“-Strukturen Bundes-, Landes- und Regionsebene päischen Strukturfonds, als lokale ein potentieller Zielkonflikt zwischen ausgearbeitet. Die Ergebnisse dieser LEADER-Arbeitsgruppe (LAG) im dem „bottom up“-Prinzip (Stärkung ersten Projektphase wurden vor kur- Rahmen des Programms zur Entwick- der eigenen Innovations- und Ko- zem in einem ÖROK-Arbeitspapier lung des ländlichen Raums (ELER) operationspotentiale, Förderung der veröffentlicht, dessen wichtigste oder als ÖPNV-Verband. Dynamik) und dem „top down“- Aussagen hier kurz zusammenge- Prinzip (Vorgaben für den effizienten fasst werden sollen: Aufbauend auf der Analyse dieser Einsatz von Steuergeldern, klare Bundesländerübersicht werden im Verantwortlichkeiten). Das Finden Einleitend wird in dem von der ÖREK- Arbeitspapier Stärken der regionalen einer Balance zwischen diesen bei- Partnerschaft verfassten Arbeits Handlungsebene formuliert: den Handlungspolen bildet damit papier der Mehrwert regionaler Die regionale Handlungsebene eine weitere Herausforderung für Strukturen beleuchtet. Dieser ent- erlaubt die Entwicklung von fle- regionale Strukturen. steht vor allem durch die Art und xiblen Strukturen und Prozessen Weise, wie Menschen in die Planung entsprechend der jeweiligen Pro- Im abschließenden Kapitel des Ar- und Umsetzung regionaler Entwick- blemstellung beitspapieres werden die Erkennt- 10
Raumplanung aktuell nisse aus der ersten Arbeitsphase sionalisiert werden. Empfohlen wird der regionalen Handlungsebene der ÖREK-Partnerschaft in Form von unter anderem auch die Entwicklung sicherzustellen. Zugleich sollte je- Empfehlungen zusammengefasst. einheitlicher Beurteilungskriterien für doch bei der Steuerung regionaler Sie beziehen sich auf zwei Ebenen, die Qualität der Gebietsstrategien Entwicklung ein klarer Fokus auf die und zwar: und der lokalen Aktionsgruppen Wirkungsorientierung und auf stra- auf die konkrete Ausgestaltung sowie für die räumliche Abgrenzung tegisches Handeln gelegt werden. der Strukturfondsförderungen von CLLD-Regionen. Schließlich (STRAT.at 2020), insbesondere im sollte eine programmübergreifende Nicht zuletzt wird im Arbeitspapier Hinblick auf das Instrument des Steuerungsgruppe in der ÖROK das auch ein verstärkter österreichweiter „community led local develop- Zusammenspiel der Fonds bzw. Pro- Austausch zwischen den Akteuren ment“ (CLLD) gramme optimieren helfen. der regionalen Handlungsebene auf die generelle Weiterentwick- angeregt. Ein zentraler Baustein für lung der „Regional Governance“- Für die generelle Weiterentwicklung gute „Regional Governance“ ist aber Systeme auf Bundes-, Landes- und der „Regional Governance“ in Ös- ebenso die strukturierte und kon- Regionsebene terreich wird ebenso eine verstärkte tinuierliche Abstimmung innerhalb Professionalisierung der Strukturen der Landesebene. Daher wird die „Community led local development“ empfohlen, wobei der Kompetenz- Etablierung geeigneter Formate zur (CLLD) wird als ein wichtiges neues aufbau hohe Priorität haben sollte. regelmäßigen Abstimmung und Ko- Instrument einer raumbezogenen Qualitätsanforderungen sollten auf ordination zwischen den beteiligten integrierten regionalen Entwick- Basis des vorliegenden Arbeitspapiers Landesstellen empfohlen. lungspolitik hervorgehoben. Über konkret definiert und mit den Akteu- CLLD (bzw. LEADER) wird eine ren der regionalen Handlungsebene Das vorliegende Arbeitspapier der eigene regionale Handlungsebene formell vereinbart werden. Allerdings ÖREK-Partnerschaft „Regionale mit charakteristischen Strukturen wird auch darauf hingewiesen, dass Handlungsebene stärken“ soll allen und Qualitäten geschaffen. Aus rein EU-finanzierte Strukturen und im Bereich der Regionalentwicklung Sicht der ÖREK-Partnerschaft sollte Förderprogramme nicht dem An- tätigen Akteuren und Institutionen, CLLD so eingesetzt werden, dass spruch nachhaltiger Organisations- darüber hinaus aber auch allen sons- Wirkungsorientierung und Koopera- strukturen gerecht werden. Es wird tigen Interessierten als Anregung zur tionsqualität gesteigert und zugleich daher den Ländern und Gemeinden zukünftigen Gestaltung der Zusam- die Organisationsstrukturen der empfohlen, unabhängig von EU- menarbeit auf regionaler Ebene in regionalen Handlungsebene profes- Programmen eine Basisfinanzierung Österreich dienen. Digitale Flächenwidmungspläne im Land Salzburg Michaela Rinnerberger B ereits 1994 erstellte das Salz- Darstellungsverordnung für Flächen- „ROGServe“ des Landes Salzburg zu burger Institut für Raumpla- widmungspläne und Bebauungspläne erfolgen. Dabei ist der Flächenwid- nung (SIR) in Zusammenarbeit (DarstVO) vom 12. Jänner 2011 mungsplan einschließlich Deckblatt, mit dem Land Salzburg den Entwurf (LGBl. Nr 10/2011) wurde eine Neu- Übersichtsblatt und Legende blatt- einer Datenschnittstelle für Flächen- fassung der Schnittstelle erforderlich. weise (ohne die Randleiste gemäß widmungspläne auf Basis des ROG der Anlage 1) zu übermitteln: 1992. Auf Grundlage der Darstel- Der § 5 Abs 2 dieser Verordnung 1. als „JPG“-Datensatz mit einer Auf- lungsverordnung vom 28. Juni 1998 behandelt die Ausfertigung und lösung von 300 dpi mit den Koordi- wurde im Jahr 2001 erstmals eine digitale Einbringung der Flächenwid- natenangaben im Landeskoordina- Publikation mit einer vom Land mungspläne: tensystem oder Bundesmeldenetz Salzburg definierten verbindlichen als „World-File“ und Datenschnittstelle herausgegeben. „Die Einbringung der digitalen Flä- 2. als Datensatz gemäß einer von Durch das Raumordnungsgesetz chenwidmungspläne hat unter Ver- der Landesregierung zu definie- 2009 und die darauf beruhende neue wendung der Internetapplikation renden Datenschnittstelle.“ 11
Raumplanung aktuell Abb. 1: Ausschnitt FWP (jpg) Gemeinde Anif Der system (SAGIS). Neben der Über- der Widmungskategorien, sondern Flächenwidmungsplan mittlung der analogen Pläne werden es sind auch Kenntlichmachungen als JPG-Datensatz von den Gemeinden die Blätter auch etc. ersichtlich. Dies stellt einen im jpg-Format an das Land gesendet. weiteren Schritt in Richtung GISon- Informationen zur Flächenwidmung So ist eine Visualisierung im GISon- line als Bürgerservice dar, da in den eines Grundstückes gehören zu den line möglich. Im Unterschied zur meisten Fällen eine Einsichtnahme nachgefragtesten Daten im Salzbur- bisherigen Darstellung, handelt es in den analogen Flächenwidmungs- ger Geographischen Informations- sich nicht nur um die Abgrenzung plan entfallen kann. Es sei in diesem Abb. 2: Nutzeroberfläche www.geochecker.at 12
Raumplanung aktuell Zusammenhang allerdings darauf als Grundlage zur Vereinheitlichung für den Benutzer einsehbar. Sind hingewiesen, dass der analoge für Ortsplaner, Software-Anbieter, die Daten mangelhaft, wird dem Plan immer noch der rechtsgültige kommunale Informationssysteme Anwender mittels Prüfprotokoll und Datenbestand ist. Mit Stand Juni und SAGIS dient. Für das Land ist Fehlerzeichnung eine Unterstützung 2013 liegen von rund der Hälfte der es ein großer Aufwand, die Einhal- zur Fehlersuche und anschließender Salzburger Gemeinden die Pläne im tung dieser strukturellen Vorgaben Behebung geliefert. Verläuft die jpg-Format vor. zu prüfen. Oft erscheinen Daten P rüfung erfolgreich, können die auf den ersten Blick als „korrekt“, Daten mit dem automatisch gene- bei der Weiterverarbeitung bzw. rierten Prüfprotokoll via ROGserve Der Einbindung in die Geodatenbank an das Land Salzburg übermittelt Flächenwidmungsplan können Mängel in Lage, Geometrie werden. als digitaler und Attributinformationen zutage Vektordatensatz treten. Aus diesem Grund hat sich Die Verwendung des sogenannten das SAGIS entschlossen eine auto „Geocheckers“ (weitere Informa- In vielen Fällen reicht eine reine matische Prüfroutine bei der Fa. tionen unter www.geochecker.at) Visualisierung von Informationen axmann geoinformation gmbh für befindet sich aktuell noch im Test- mittels Rasterdatensatz nicht aus. diese Geodaten zu beauftragen. stadium. Es zeichnen sich allerdings Für Analysen etc. sind Vektordaten Die digitalen Pläne werden vom bereits die vielen Pluspunkte ab, vor notwendig. Im Wege der bereits jeweiligen Planungsbüro über einen allem bleiben zeitintensive, manuelle erwähnten Schnittstelle wurde eine Web-Browser hochgeladen. Dann Kontrollen erspart und die Weiterver- Datenstruktur für die digitalen Flä- kann sofort die Prüfung gestartet arbeitung der Daten innerhalb des chenwidmungspläne definiert, die werden, und die Ergebnisse sind SAGIS ist sofort möglich. Schutzgut „Landschaft“ – wie unterscheidet man die „Wahre Landschaft“ von der „Ware Landschaft“? Franz Dollinger „Wahre Landschaft“ und „Ware Landschaft“ „L andschaft“ ist im allgemei- nen Sprachgebrauch ein Teil der Erdoberfläche, der visuell erfassbar und abgrenzbar ist und als „schöne Landschaft“ oder „verschandelte Landschaft“ mit viel- fältigen Emotionen verbunden sein kann. Als wissenschaftlicher Begriff gilt das Wort „Landschaft“ wegen seiner unpräzisen Semantik als um- stritten, obwohl es wissenschaftliche und technische Disziplinen gibt, die diesen Begriff sogar im Namen füh- ren, wie z. B. die Naturwissenschaft „Landschaftsökologie“ oder auch die technische Wissenschaft „Land- schaftsplanung.“ Abb. 1: Landschaftsbild Seewaldsee, Gemeinde Sankt Koloman, Tennengau. Bei der „Landschaft“ handelt es sich – Eine naturnahe Kulturlandschaft mit vielfältigem Bestand an natürlichen eigentlich um ein Konstrukt in den und künstlichen Landschaftselementen, Foto: F. Dollinger Oktober 2012. 13
Raumplanung aktuell Landschaft“ ist. Die breite Öffent- lichkeit versteht seitdem unter Land- schaft meist eine schöne, naturnahe, meist klein strukturierte ländliche Kulturlandschaft mit einem reichen Bestand an natürlichen Landschafts elementen (vgl. Abb. 3). Aus dieser „konservativen Landschaftsidee“ entwickelte sich die Landschafts ästhetik, welche schließlich die Wur- zel für die Entstehung des Natur- und Heimatschutzes im 19. Jahrhundert bildete. Dieser verstand seine Haupt- aufgabe im Schutz der „schönen Landschaften“ vor der Zerstörung durch die Industrialisierung. Werner Bätzing (2000, S. 197) erklärt dies am Beispiel der Alpen durch die Aus- differenzierung der Gesellschaft in der beginnenden Industrialisierung: Wenn schon der Alltag nur mehr fragmentiert erlebt werden kann, dann soll die Welt „zumindest am Sonntag, in der Freizeit, in Form der ,schönen Landschaft‘ noch einmal ganzheitlich erlebbar werden“, der ästhetische Genuss als Gegenteil von Arbeit. Er sieht darin die Ursache, dass die Einheimischen die Alpenbe- geisterung des urbanen Bürgertums nicht verstehen können, da sie „ihre“ Alpen aus der Sicht der Arbeit, der Bearbeitung der Natur zum Zwecke Abb. 2: Ferdinand Georg Waldmüller: Dachstein mit Gosausee, 1834, Samm- der Produktion von Lebensmitteln lung Leopold Wien. sehen. Daher sind für sie nur solche Köpfen der Menschen, das meist auf dem Idealbild einer durch die traditionelle Land- und Forstwirt- schaft geprägten und vielfältigen harmonischen Umgebung beruht (vgl. Abb. 1), in welchem technische Landschaftselemente als Störfaktor identifiziert werden. Dieses Kon strukt – von Ludwig Trepl (2012) als „Idee der Landschaft“ bezeichnet – kann auf die Außenwelt gestaltend oder entstellend zurückwirken (vgl. Burckhardt 2007, S. 19). Mit dem Aufkommen der roman- tischen Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert (vgl. Abb. 2) wurde die Landschaft ein zentraler Begriff in der Kunst und diese Gemälde beeinfluss- ten damit auch die Vorstellungen in Abb. 3: Josef Stoitzner (1884–1951): Herbstlandschaft mit brennenden der Gesellschaft was eine „schöne Lärchen, Sammlung Leopold Wien. 14
Raumplanung aktuell Abb. 4: Landschaft als Plattform in der Produktwerbung. Stellen „schön“, die ertragreich und rer Bedeutung als die Natur- und tion erfolgreich eingesetzt. Auch in gut zu bearbeiten sind (ebd.). Die Heimatschutzbewegung, welche der Produktwerbung lässt sich ein daraus resultierende unterschiedliche „Landschaft“ pauschal als „Natur“ Landschaftsbild zur Betonung von Sicht zwischen den Einheimischen verklärt, nämlich als harmonisches Natürlichkeit gezielt einsetzen (vgl. und den Erholungssuchenden wirkte Gesamtwerk von Natur und Mensch. Abb. 4). „Natur pur“ ist der Leit- sich daher auch auf die wissenschaft- Beide sind jedoch nach Ludwig Trepl begriff der Nahrungsmittelindustrie liche Untersuchung alpiner Land- (2012, S. 140) konservative Land- geworden, der uns Natürlichkeit schaften aus. Der neu entstandene schaftsideen der Gegenaufklärung und Regionalität von Produkten Natur- und Heimatschutz musste in der zweiten Hälfte des 19. Jahr- vermitteln soll. auf dessen Grundlage aufbauen und hunderts. Das Ideal des klassischen wurde oft auch gegen die Interessen Konservatismus war nämlich eine der Einheimischen durchgesetzt. Die Gesellschaft, die eine organisch-har- Urlandschaft, bis heute bestehenden Nachwirkun- monische Gemeinschaft ist und die Naturlandschaft, gen sind das Misstrauen der alpinen dem religiösen Weltbild der Kirche Kulturlandschaft Bevölkerung gegenüber von außen entspricht (ebd., S. 213f). kommenden „Landschaftsschutz In der Landschaftsforschung aber bewegungen“ von Bildungsbürgern Die „wahre Landschaft“ ist also auch in der interdisziplinären Land- aus Ballungsräumen. immer von der subjektiven Wahrneh- schaftsökologie werden im Zusam- mung abhängig und kann als Kons- menhang mit dem Landschafts- Überdies muss festgestellt werden, trukt auch zur Nebensache anderer begriff gerne die Bezeichnungen dass dies nicht nur mit dem Be- Tätigkeiten – wie z. B. die Ausübung Urlandschaft, Naturlandschaft oder deutungswandel von „Landschaft“ von Aktivsportarten – umgedeutet Kulturlandschaft verwendet. Dabei als Ideal einer schönen Landschaft werden. Dann wird Landschaft zur verstehen wir in Anlehnung an (vgl. Abb. 3), sondern auch mit austauschbaren Ware, die in einem Hans Spreitzer (1951, S. 256) unter dem Entstehen der Landschaftsgeo- Reisekatalog oder auf einer Internet- einer Urlandschaft die nicht mehr graphie Ende des 19. Jahrhunderts seite als Kulisse zur Sportausübung existierende Landschaft vor verän- zusammenhängt. Letztere verwen- angeboten wird. Aber nicht nur im dernden Eingriffen des Menschen, det „Landschaft“ in völlig ande- Tourismus wird diese Plattformfunk- unter Naturlandschaft eine solche, 15
Raumplanung aktuell Abb. 5: „Naturlandschaft“ Hintermoos im Hollersbachtal. – Eine vorwiegend durch natürliche Elemente und Prozesse geprägte Landschaft. Das Niedermoor eines verlandeten spätglazialen Zungenbeckensees beherrscht den Talboden im Vordergrund. Eine durch fossile und aktuelle nivale und gravitative Prozesse geprägte Trogschulter und ein Trog- schluss prägen den Bildhintergrund. Die Stirn eines relikten Blockgletschers ist in der oberen Bildmitte zu erkennen, Foto: F. Dollinger August 2000. die ohne wesentliche menschliche Umgestaltung hauptsächlich durch natürliche Faktoren bestimmt wird und unter Kulturlandschaft eine vom Menschen gestaltete Landschaft. Beim Forschungsschwerpunkt Kul- turlandschaftsforschung (1995) des österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst wurde für den Kulturland- schaftsbegriff folgende Definition verwendet: „Kulturlandschaft ist ein vom Menschen als Einheit wahr- genommenes räumliches Wir- kungsgefüge von natürlichen Gegebenheiten und mensch lichen Einwirkungen. Kulturland- schaften entwickeln sich und verändern sich über die Zeit als Ergebnis des Zusammenwirkens Abbildung 6: „Kulturlandschaft“ Zeller Furche. – Eine Gebirgslandschaft sozioökonomischer, kultureller mit der Stadtgemeinde Zell am See mit ihren drei Stadteilen Zell am See, und naturräumlicher Faktoren.“ Schüttdorf und Thumersbach sowie der skitouristisch und forstwirtschaftlich genutzten Schmittenhöhe, Foto: F. Dollinger September 2004. 16
Raumplanung aktuell Wir können weiter davon ausgehen, Natur- und Kulturlandschaft im Wi- Wir definieren daher abschließend dass fast alle europäischen Land- derspruch zu einer allgemeinen De- in Anlehnung an Küster den Begriff schaften über Jahrhunderte mehr finition von Landschaft: „Denn jede „Landschaft“ vorläufig wie folgt: oder minder überformt worden Landschaft ist von Natur geprägt, sind und daher eigentlich Kultur- jede auch von kultureller Interpre- landschaften sind. Winfried Schenk tation, Ideen oder Metaphern. Es Landschaften sind individuelle (2002, S. 10) stellt daher fest, dass es gibt lediglich Landschaften, in denen Erscheinungen des Landschafts gegen die Verwendung der Begriffe die menschliche Gestaltung weniger ökosystems, die durch ein cha- „Kulturlandschaft“ und „Natur- oder stärker ausgeprägt ist oder für rakteristisches Zusammenwirken landschaft“ berechtigte Einwände den Betrachter mehr oder weniger natürlicher Faktoren und die gibt. So seien mittlerweile selbst in deutlich wird (ebd.).“ Nach Küster damit in Wechselbeziehung vom Menschen nicht besiedelten (ebd., Pos. 469) ist es stets eine stehende kulturelle Gestaltung Gebieten dessen Einflüsse spürbar, kulturelle Leistung, eine Landschaft geprägt sind. Die materiellen mithin gebe es kaum noch „Natur- zu erkennen, weshalb es aus wissen- Eigenschaften machen den Ein- landschaft“. Die Postulierung von schaftlicher Sicht nur Landschaften druck einer Landschaft aus, der Naturlandschaft komme damit einem gibt und eine Differenzierung in von ihrem Betrachter auf einem hypothetischen Landschaftszustand Natur- und Kulturlandschaften nicht Bild, einer Landkarte, einer Er- gleich. möglich ist. Allerdings sind nach Küs- zählung oder in einer wissen- ter (ebd.) diese Begriffe schon selbst schaftlichen Erörterung gedeutet zu Metaphern geworden, indem man werden kann (nach Küster 2012, Landschaft – geprägt von Naturlandschaften mit Wildnissen Pos. 4227). Natur, Kultur, Ideen und gleichsetzt und Kulturlandschaften Metaphern für etwas hält, das durch traditionelle Landnutzung geformt wurde (als Die „Idee der Landschaft“ entzieht Hansjörg Küster (2012, Pos. 461) sogenannte „historische Kulturland- sich jedoch nach Trepl (2012, S. 22) sieht alle Definitionsversuche von schaft“). einer naturwissenschaftlichen Defini- Abb. 7: Weltkulturerbe Altstadt Salzburg. – Dieses Bild verschränkt das kulturelle Welterbe der Salzburger Altstadt mit Festung Hohensalzburg, Dom, Stift Nonnberg, St. Peter und Franziskanerkirche mit Naturelementen im Vorder- grund und wird durch die geometrisch wirkende Form des Müllner Steges geteilt, Foto: F. Dollinger Mai 2012. 17
Raumplanung aktuell Abb. 8: Romantisierung mit Hilfe historischer Kulturlandschaftselemente. – Foto: Chris Wittwer im Rahmen des Kunstwettbewerbs „Wahre Landschaft“ 2003/2004. tionsmöglichkeit, da jede Landschaft Das Ende der die auf „Ingroup-Phänomene“ beru- eine Stimmung hat und Stimmung Wahrnehmung von hende soziale Verortung des postmo- kein naturwissenschaftlicher Begriff Landschaft dernen Menschen als Interpretation ist. Die Konsequenz daraus wäre, und Wahrnehmung der natürlichen dass es eine allgemeingültige und Matthias Stremlow (1998, S. 264f) Umwelt unter Bezug auf die Welt- allgemein anerkannte Definition des schildert in seinem Buch „Die Alpen entwürfe der jeweiligen Lebensstile Landschaftsbegriffes gar nicht geben aus der Untersicht“ die „Plattform- hin dargestellt. kann und daher auch die naturwis- funktion“ von Natur und Landschaft. senschaftliche Vorgangsweise hier In diesem Buch wird am Beispiel des Der radikale Wechsel zur fragmentier- nicht angebracht ist. Wandels von Alpenbildern seit 1700 ten Landschaftswahrnehmung hat auf Abb. 9: Die Fragmentierung der Landschaft und das Ende der Wahrnehmung. – Quelle: Internethomepage der Salz- burger Land Tourismus, Ges.m.b.H. 18
Raumplanung aktuell Abb. 10: Eine Outdoor-Halle für den Oberpinzgau? – Etwa an diesem Standort lancierte im Jahr 2008 der niederlän- dische Freizeitcenterbetreiber „Toverland“ (www.toverland.de) die Projektidee eines überregionalen Freizeitparks mit multi-funktionaler Freizeithalle und angeschlossenem Hüttendorf (mit Hütten auf Stelzen wegen der dort herr- schenden Lawinengefahr) im Außenbereich der Gemeinde Wald im Pinzgau. Dieses Vorhaben wurde mittlerweile zurückgezogen (vgl. AMT DER SALZBURGER LANDESREGIERUNG 2011, S. 228). – Quelle: Land Salzburg, Abteilung Raumplanung und Foto: F. Dollinger, August 2001. 19
Raumplanung aktuell die Tourismuswirtschaft schwerwie- Landschaft überhaupt. Ein Extrem- aggressive Wutausbrüche hervorzu- gende Auswirkungen: Die Austausch- beispiel dafür war der gescheiterte rufen? Warum ist es möglich, in der barkeit der Standorte führt dazu, Versuch des Freizeitparkbetreibers Tourismuswerbung die Landschaft dass sich die Destinationen an die Toverland, im Oberpinzgau einen zur Bühne zu reduzieren, auf der ein potentiellen jungen Gäste anzubiedern überdachten Freizeitpark für Outdoor- Erlebnistheaterstück aufgeführt wird, beginnen und sich für eine bestimmte Aktivitäten zu errichten (vgl. Abb. 10). bei dem Gäste und Einheimische Gruppe entscheiden müssen. unterschiedliche Rollen einnehmen? Um dies zu entschlüsseln müssen wir Jedoch führt es auch dazu, dass zwi- Harmonie und uns im nächsten Schritt mit dem har- schen der fragmentarischen Wahr- Disharmonie in der monischen Landschaftsbild befassen. nehmung von Landschaft und dem Landschaft Idealbild der schönen Landschaft in Der Begriff der „harmonischen Land- der Landschaftsmalerei eine gewal- Nachdem nun deutlich geworden schaft“ geht auf den Geographen tige Lücke klafft, die schließlich in ei- ist, dass in der späten Postmoderne Robert Gradmann (1865–1950) ner Romantisierung einer – oft nicht die Landschaft zur Kulisse in der zurück, der das „innere, seelische mehr vorhandenen – Ideallandschaft Werbung verkommen ist, müssen Bild einer natürlichen Landschaft“ mündet. wir in der Folge versuchen, zu klä- als „harmonisches Landschaftsbild“ ren, wieso sich eine breite Masse bezeichnete. Mit diesem inneren Die fragmentierte Landschaftswahr- der Bevölkerung durch harmonische seelischen Bild bringt Gradmann das nehmung führt in der Folge nicht nur Landschaftsbilder beeinflussen lässt. „untrennbare Ganze“ in den Zusam- zu einer beliebigen Austauschbarkeit Warum ist die „geheimnisvolle Sub- menhang, das die vielen Erscheinun- der Standorte, sondern mit dem Nicht- stanz Landschaftsbild“ in der Lage – gen einer wirklichen Landschaft zu Mehr-Erkennen der Multifunktionalität abhängig von der Perspektive – einen vereinen sucht (Gradmann 1924, zum Ende der Wahrnehmung der Betrachter entweder einzulullen oder S. 133). Im Gegensatz zu Robert Abb. 11: Heizkraftwerk, Brückenbauwerk und Felsrippe „Nockstein“. – Während der Neubau der Bahnbrücke über die Salzach weitgehend friktionsfrei vor sich ging, verursachte die Verleihung des Architekturpreises des Landes an die Architekten des Heizkraftwerks heftige Proteste in Form von Leserbriefen. Im Hintergrund zeigt sich die „Felsrippe“ des Nocksteins, der im Zusammenhang mit der 380 KV-Leitung medial präsent wurde, Foto: F. Dollinger, Mai 2012. 20
Raumplanung aktuell Abb. 12: Zerschneidung des Landschaftsbildes durch die Autobahn im Zederhaustal. – Foto: Karl MÄTZLER, Som- mer 2011, im Rahmen des Fotowettbewerbs beim Alpenraumprojekt Demochange, siehe dazu den Beitrag von F. DOLLINGER et al. in diesem Heft. Gradmann sieht sein Zeitgenosse Menschen nirgends flächenhaft die neuen Möglichkeiten der Erdbeob- Siegfried Passarge (1867–1958) die Landschaft umzugestalten vermoch- achtung (insbesondere Fernerkun- Erforschung des „harmonischen te, dass das Pflanzenkleid überwie- dung) zu einer Wiederbefassung mit Landschaftsbildes“ als methodischen gend das ursprüngliche ist und die der Kulturlandschaft als zentrales Rückschritt. Er ist der Auffassung, menschlichen Siedlungen sich darin Forschungsobjekt geführt. dass Erkenntnisfortschritte nur durch fast verbergen (ebd., S. 84). Damit die Feststellung des Disharmonischen vergleicht er eine „alte Kulturland- Eine mögliche Erklärung für die möglich sind: dann erst erkennt man schaft“ im Mittelmeergebiet, in der Wahrnehmung künstlicher Elemente die „gesunde Physiologie der Land- fremde Elemente im Pflanzenkleid in einer „harmonischen Landschaft“ schaft“ (ebd., S. 251).1 „eine zweite Heimat fanden“ (ebd.) als „unerfreuliches Bild“ ist die Tat- und die er in der Folge zu den har- sache, dass in der Natur mit wenigen Ähnlich wie Passarge sieht es Norbert monischen Landschaften zählt (ebd., Ausnahmen keine Formen der eukli Krebs. Er vergleicht in einem Festvor- S. 89). Er trennt diese harmonischen dischen Geometrie landschaftsprä- trag am 5. Mai 1923 die Entwick- Landschaften vom unerfreulichen gend sind. Fraktale prägen nicht nur lung der Geographie mit anderen Bild eines Kampfes zwischen Stadt Küstenformen, sondern auch die Naturwissenschaften: „Sie begann und Land an der Peripherie der Groß- Ränder von Stadtlandschaften. Aus rein beschreibend und registrierend städte (ebd., S. 90). als Systematik, ging dann weiter zur kausalen Erklärung der Erscheinun- Die beschleunigten Landnutzungs- 1 ) Bei diesen grundsätzlich anderen Lösungs- gen und deren genetischem Ver- veränderungen sowie die Auflö- ansätzen wirken sich die beiden Vorberufe ständnis (...). Aus der Physiographie sungserscheinungen an den Stadt- der beiden Geographie-Professoren prä- gend aus: Robert Gradmann war vor seiner ist eine Physiologie der Landschaft rändern werden daher nicht erst in Geographenkarriere evangelischer Pfarrer geworden“ (Krebs 1923, S.81). letzter Zeit als unharmonisch oder und Siegfried Passarge war vorher Schiffs- Dabei sieht er als Kennzeichen der sogar als chaotisch empfunden. Sie arzt und mutierte bei den Expeditionen zum Naturlandschaft, dass die Arbeit des haben aber im Zusammenhang mit Geographen. 21
Raumplanung aktuell diesem Grunde wird nach Ansicht „Blut und Boden“-Ideologie des Reich als eine Einheit mit der Vielfalt des Verfassers eine Siedlungsent- Dritten Reichs zu sehen. Dafür hat- ihrer Landschaften erlebbar machen. wicklung vom Betrachter solange te die Landschaftsgeographie der Dafür wurden auch Umwege in Kauf als harmonisch empfunden, als eu- Zwischenkriegszeit, insbesondere genommen, um besonders grandiö- klidische Formen nicht landschafts- die Landschaftskunde von Siegfried se Aus- und Einblicke zu gewähren prägend hervortreten. Vielleicht ist Passarge, z. B. durch Vergleiche (ebda.). Trepl zitiert dafür aus Seifert das der Grund dafür, wieso Zersie- zwischen Rassen und Landschaften (1938, S. 38): delungserscheinungen mit ihren und durch die Herausarbeitung von fraktalen Anordnungen vom Großteil Zusammenhängen zwischen Ras- „Es waren am Schlüsselpunkt des der Bevölkerung nicht als Probleme senlebensräumen und natürlichen Abstiegs in die Salzburger Ebene wahrgenommen werden, eine auf Landschaften im Zusammenhang dreizehn Lösungen versucht wor- den Prinzipien der euklidischen mit der Heimatverbundenheit zwei- den; ein Gefühlsgrund stürzte die Geometrie aufbauende Architektur fellos dem Naturdeterminismus und anscheinend endgültige (dass ihr eines Stadterweiterungsgebietes am schließlich sogar der militärischen Finder auf so ‚unsachlichen‘ Ein- Rande einer Altstadt jedoch schon Expansion den Boden aufbereitet wand hin sie preisgab, beweist seine (vgl. z. B. die Diskussion um neue (Passarge 1925). innere Überlegenheit) – und die nun Bauprojekte in der Stadt Salzburg). wirklich letzte macht das Unmögli- Die in der Folge stattgefundene che möglich: Die von München bis Genauso wie eine Lärmschutz- Reduktion des Kulturlandschafts- zum Chiemsee sich steigernde, an- wand entlang einer Autobahn als begriffs auf die sozial- und gesell- scheinend unüberbietbare Reihung Verunstaltung einer als harmonisch schaftswissenschaftlich orientierte landschaftlicher Schönheit noch empfundenen alpinen Kulturland- Kulturgeographie und letztendlich einmal aufzunehmen und gewis- schaft empfunden wird (vgl. Abb. die Diskussion über die Unwis- sermaßen auf einer anderen Ebene 12), wird moderne Architektur im senschaftlichkeit des Landschafts- fortzusetzen, im Blick von Gebirge Nahbereich einer barocken Altstadt begriffs am und nach dem Kieler auf die unendliche Hochfläche, den zur Provokation für breite Kreise der Geographentag 1969 führte dazu, nur ein Adalbert Stifter würdig zu Bevölkerung, die bewusst oder un- dass sich die Geographie von der schildern vermöchte.“ bewusst Anhänger bzw. Träger einer Landschaft im Allgemeinen und von konservativen Landschaftsidee sind. der Kulturlandschaft im Besonderen Wir dürfen in den nächsten Monaten Was also eine „Verschandelung der weitgehend verabschiedete. gespannt sein, ob und in welcher Landschaft“ ist, darüber lässt sich Form diese damalige Argumentation aus diesem Grunde trefflich streiten. Erst als in den Achtziger Jahren des bei der Beurteilung der Varianten des 20. Jahrhunderts mit dem Wieder- bevorstehenden Ausbaus der A8 im auftreten der Termini „Landschaft“, Raumordnungsverfahren und bei Wiederkehr als „Naturlandschaft“ und „Kulturland der Umweltverträglichkeitsprüfung „Kulturlandschaft“ schaft“ in der Raum- und Land- Berücksichtigung finden wird. schaftsplanung und im Naturschutz Die Kulturlandschaft geriet nach ein interdisziplinärer Zugang zu Meist wird aber heute die Kultur- dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen diesen Begriffen notwendig und landschaft im weiteren Sinne von eines zweiten Höhepunktes der möglich wurde, beginnt sich auch der historischen Kulturlandschaft geographischen Landschaftsfor- die Geographie unter anderen Rah- unterschieden. Auch im Fach Geo- schung wieder in den Vordergrund menbedingungen damit wieder graphie ist bezüglich der Verwen- des wissenschaftlichen Interesses auseinander zu setzen. Aktuell hat dung des Kulturlandschaftsbegriffs (vgl. z. B. Uhlig 1956). Dabei wurde sich jedoch wieder die Politik der ein ern euter Paradigmenwechsel die begriffliche Trennung zwischen Begriffsvermeidung in dieser Disziplin festzustellen. Natur- und Kulturlandschaft durch durchgesetzt. Umso verwunderlicher die Spezialisierung der Geographie ist aus Sicht des Verfassers die unkri- Als Kolonisierung der Landschaft in zwei Hauptzweige – die Physische tische Verwendung des Begriffs in (Haberl et al. 2001) wird dabei die Geographie mit der Naturlandschaft anderen Disziplinen außerhalb der Ausbreitung der Nutzfunktion gese- und die Kulturgeographie mit der Geographie (insbesondere in der hen, die nicht nur die ökologischen Kulturlandschaft als Erkenntnisob- Landschaftsplanung). Wie Ludwig Funktionen und damit die eigene jekt – begünstigt. Diese Trennung Trepl (2012, S. 211f) überzeugend Lebensgrundlage gefährdet, sondern zwischen Begriffen und Disziplinen darstellt, war nämlich zum Beispiel in zunehmendem Maße auch die in der deutschen Geographie ist der Autobahnbau in Deutschland traditionellen und historischen Kul- sicherlich auch im Zusammenhang während des Dritten Reichs durch- turlandschaften, die als Grundlage mit der Stigmatisierung einer ganz- aus mit landschaftsplanerischer Ar- für den Tourismus in vielen Gebieten heitlichen Betrachtung von Land- gumentation ideologisch motiviert. auch ein wirtschaftlicher Standort- schaft im Zusammenhang mit der Die Autobahn sollte das Deutsche faktor sind. 22
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