Rechts der Isar - August / September 2020 - MRI TUM
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Klinikum rechts der Isar Technische Universität München rechts der Isar August / September 2020 1 rechts der isar aktuell August / September 2020
Wissenschaftsminister B. Sibler Prof. M. Schwaiger 2 rechts der isar aktuell August / September 2020
Dr. Ch. Spinner Covid-19 am Klinikum: Erfolgreiches Krisenmanagement D ie vergangenen Monate waren Expertenteam aus unterschiedlichen Be- eine besondere Zeit – herausfor- reichen des Klinikums (u.a. aus Hygiene, dernd und kräftezehrend, aber Infektiologie und Virologie) zusammen. auch ermutigend: Die Mitarbeiter*innen Das Team traf sich zeitweise täglich, in- des Klinikums haben unter Beweis ge- zwischen finden die Treffen einmal pro stellt, wie gut sie Krisensituationen bewäl- Woche statt. Die Experten beobachten tigen. Sie haben gemeinsam angepackt, nach wie vor kontinuierlich die Lage, be- über die Disziplinen hinweg zusammen- sprechen gemeinsam mit dem Vorstand gearbeitet, haben Kompetenz, Engage- des Klinikums, was zu tun ist und bringen ment und Flexibilität gezeigt und haben entsprechende Schritte auf den Weg. Ins- mit viel Kreativität neue und manchmal besondere in den ersten Monaten muss- auch ungewöhnliche Lösungen gefunden. ten im Sinne von Mitarbeiter- und Pati- Als sich im Januar abzeichnete, dass entensicherheit zahlreiche Abläufe am die Pandemie auch uns in Deutschland Klinikum komplett umstrukturiert werden. betreffen würde, stellte das Klinikum ein rechts der isar aktuell August / September 2020 3
Über 200 Patient*innen mit Covid-19 zwischen Mitte März und Ende Juli Zwischen Mitte März und Ende Juli haben die Mitarbeiter*innen des Klinikums über 200 Patient*innen mit Covid-19 behandelt. Der Höchststand war Mitte April mit über 80 Patienten am Klinikum, 30 von ihnen auf einer In- tensivstation. 27 Patienten mit Covid-19 sind am Klinikum verstorben. In der Intensivmedizin wurden insgesamt 61 Patienten we- gen Covid-19 behandelt. 77 Prozent davon waren Männer, 23 Prozent Frauen. 80 Prozent der intensivmedizinisch behandelten Patient*innen mussten beatmet werden, 25 Vieles wurde neu geregelt Prozent benötigten eine Nierenersatztherapie (Dialyse). • Erarbeitung und Umsetzung von Empfehlungen zur dia- gnostischen Abklärung, zum Umgang mit Verdachtsfäl- len und mit erkrankten Patient*innen in Anlehnung an die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts • Einrichtung separater Covid-19-Stationen, neue Zusam- mensetzung der Mitarbeiter-Teams • Deutliche Einschränkung des elektiven Behandlungsan- gebots • Kurzfristige Einrichtung neuer Räumlichkeiten, z.B. sepa- rater Wartebereich für Verdachtsfälle, Räume für Testung von Patient*innen und Mitarbeiter*innen, Schaffung zu- sätzlicher Lagerflächen für Schutzkleidung • Zeitweise Schließung des Klinikums für Besucher*innen, Das mittlere Alter der Intensivpatienten lag bei 65 Jahren. Einrichtung von Einlasskontrollen an den Eingängen Die überwiegende Anzahl von ihnen war schwer von der • Umsetzung diverser Hygienemaßnahmen (Schutzklei- Erkrankung betroffen und musste über mehrere Wochen dung, Abstand in allen Bereichen, Umorganisation von intensivmedizinisch versorgt werden. Hierbei zeigte sich, Arbeitsplätzen, Umstellung der Kantinenversorgung, Ab- dass Covid-19 nicht nur eine schwere Lungenerkrankung sage von Veranstaltungen,…) ist, sondern das gesamte Organsystem betrifft. Neben den • Umsetzung diverser neuer Regelungen für bereits initial auftretenden neurologischen Symptomen (Ge- Mitarbeiter*innen (Home-Office, Kinderbetreuung, Urlaub, schmacksverlust) waren etliche Patienten von multiplem Or- Dienstreisen,…) ganversagen, Gerinnungs- und Blutungskomplikationen bis • Einrichtung einer zen- hin zur Hirnblutung betroffen. tralen Hotline für Prof. Gerhard Schneider, Direktor der Klinik für Anästhesi- Mitarbeiter*innen, ologie: „Dank guter logistischer Vorbereitung und der ho- kontinuierliche In- hen Anzahl von Intensivbetten in Deutschland waren wir formation der zu jedem Zeitpunkt in der Lage, die erforderlichen inten- Mitarbeiter*innen sivmedizinischen Behandlungen durchzuführen. Dies über Neuerungen dürfte wesentlich zum Erfolg der medizinischen Maßnahmen in Deutschland beigetragen haben. In Zusammenspiel mit den Infektionsschutz-Maß- nahmen wurde so unser Gesundheitssystem nicht überlastet, und jeder betroffene Patient konnte mit der medizinisch indizierten Therapie behandelt werden.“ 4 rechts der isar aktuell August / September 2020
Covid-19 – auch eine Forschung zu Covid-19 logistische Herausforderung Das Klinikum rechts der Isar und die Fakultät für Medizin sind im Nationalen Forschungsnetz- • Rund 190 Pflegekräfte waren vorübergehend auf werk an 19 Projekten beteiligt und koordinieren Projekte in einer anderen Station tätig. den Bereichen Surveillance und Testung, Telemedizin und • 70 Mitarbeiter*innen wurden im Umgang mit Beatmungs- -diagnostik, Radiologie und Pathologie. geräten und beatmeten Patienten geschult. Eines der Forschungsprojekte ist „SeCoMRI“, eine der • Rund 160 Medizinstudierende wurden befristet als Unter- deutschlandweit größten Antikörperstudien gegen SARS- stützung für den Pflegedienst eingestellt. CoV-2. Ziel dieser Studie ist die Bestimmung des spezifi- • Das Institut für Virologie machte über 10.000 PCR-Tests schen Antikörperstatus für SARS-CoV-2 und dessen Stabi- und über 6.000 Antikörpertest für Patient*innen und lität über zwei Jahre der rund 6.000 Mitarbeiter*innen des Mitarbeiter*innen. Klinikums. Zudem soll in einem Fragebogen erhoben wer- • Die Klinikhygiene schulte Mitarbeiter*Innen aller Berufs- den, welchen Infektionsrisiken die Mitarbeiter*innen des Kli- gruppen in über 70 Schulungen zu Covid-19 Maßnahmen. nikums ausgesetzt waren – sowohl auf Covid-Stationen als auch auf Normal-Stationen oder in anderen Bereichen wie Logistik oder Verwaltung. „Da wir weitere Wellen der Pandemie erwarten, werden die Untersuchungen mehrfach im Verlauf durchgeführt“, erklärt Prof. Percy Knolle, Direktor des Instituts für Molekulare Im- munologie und gemeinsam mit Prof. Paul Lingor, Oberarzt in der Klinik für Neurologie, einer der Studienleiter. Die Studienergebnisse werden wichtige Informationen zum Mitarbeiterschutz liefern und werden es ermöglichen, die umfangreichen Schutzmaßnahmen für Patient*innen und Mitarbeiter*innen in deutschen Krankenhäusern zu optimie- ren. • In den Monaten März-Juni wurden am Klinikum monatlich durchschnittlich rd. 14.000 FFP 2-Masken und rd. 200.000 Mund-Nasen-Schutz-Masken verbraucht. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 lag der Verbrauch bei rd. 2.000 bzw. rd. 70.000 Masken monatlich. Insbesondere im April waren Masken zudem so gut wie nicht lieferbar – eine Heraus- forderung, die die Wirtschaftsabteilung mit viel Engage- ment bewältigte. • Die Unternehmenskommunikation verschickte zunächst tägliche, später wöchentliche E-Mail-Updates für alle Mitarbeiter*innen und stellte zahlreiche weitere Informa- tionen u.a. über Intranet und Mitarbeiter-Plattform bereit. Die spezifische Immunität gegen SARS-CoV2 nach einer überstandenen Infektion wird eine Abschätzung ermögli- chen, wie lange die Antikörper gegen eine erneute Infektion schützen können – zum jetzigen Zeitpunkt ist die Datenlage hierzu weltweit noch sehr gering. Ein dickes Dankeschön! Wir sind froh, dass das Klinikum rechts der Isar die Corona-Pandemie bisher vergleichsweise gut bewältigt hat. Dazu haben zahlreiche Menschen einen Beitrag geleistet. Wir danken: • Unseren Patient*innen, die die Hygieneauflagen umgesetzt haben und Verständnis für eingeschränkte Besuchsregelungen und das zeitweise reduzierte Leistungsspektrum hatten • Unseren Mitarbeiter*innen, die in den vergangenen Monaten über sich hinausgewachsen sind • Unseren Kooperationspartnern und Lieferanten, die uns nach Kräften unterstützt haben • Den Privatpersonen und Firmen, die unsere Mitarbeiter*innen mit Zuspruch und Spenden bedacht haben rechts der isar aktuell August / September 2020 5
„Die Behandlung von Covid-19 ist besser beherrschbar“ Infektiologe und Oberarzt PD Dr. D. Chris- toph Spinner ist ein gefragter Interviewpart- ner während der Corona-Pandemie. Unter seiner Leitung laufen am Klinikum mehre- re klinische Studien zu Arzneimitteln im Kampf gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2. Wirksame Medikamente sind – neben einem Impfstoff – das wichtigste In- strument gegen Covid-19. Darüber hinaus beschäftigt Mediziner*innen auf der ganzen Welt vor allem die Behandlung der Sympto- me von schwer erkrankten Patient*innen. Ein Überblick über die Behandlung am Klinikum rechts der Isar nach einigen Monaten Erfah- rung mit Covid-19. 6 rechts der isar aktuell August / September 2020
Covid-19-Patienten zündungsreaktionen hervorrufen und ist nur schwer in den Griff zu bekommen. „Ganz wichtig bleibt darum, dass der „Wir haben inzwischen einen routinierten Umgang mit der Körper und das Immunsystem wieder lernen, ihre Funktio- Covid-19-Erkrankung und dem Erreger“, sagt Dr. Christoph nen selbst zu übernehmen.“ Ob mit Spätfolgen einer Sars- Spinner. Neue Erkenntnisse machen die Erkrankung je- CoV-2-Infektion zu rechnen sei? „In der Mehrheit der Fälle den Tag etwas besser beherrschbar. „Trotzdem wissen wir scheint die Infektion folgenlos auszuheilen“, sagt Spinner. noch sehr wenig darüber, warum manche Menschen nahe- Die Patient*innen mit komplizierten Verläufen müssten nach zu symptomfrei bleiben, während andere, selbst junge Pa- ihrer Genesung engmaschig untersucht werden. Erst im tienten, auf der Intensivstation behandelt werden müssen Rückblick nach einiger Zeit könne man genau sagen, ob und manche sterben.“ Sorge bereite außerdem, dass Co- wirklich keine Folgeschäden zurückbleiben. vid-19-Patient*innen meist spät ins Krankenhaus kommen. „Im April – zum bisherigen Höhepunkt der Pandemie in Mün- Medikamente chen – hatten wir an einem einzigen Tag fünf Fälle in unse- Das Klinikum rechts der Isar ist beteiligt an internationalen rer Notaufnahme, die wenige Stunden später alle intubiert, Arzneimittelstudien gegen Covid-19, u.a. mit dem Medika- kritisch krank in Bauchlage, auf der Intensivstation versorgt ment Remdesivir. Es ist ein direkt antiviral wirksames Mit- werden mussten.“ Patient*innen mit akutem Lungenversa- tel, das die Vermehrung des Virus hemmt. „Es ähnelt der gen (ARDS) werden in Bauchlage gelagert, um die Sauer- RNA der Viren, deshalb baut der Erreger den Wirkstoff als stoffversorgung zu verbessern. Von den über 200 Covid- ‚falschen Baustein’ ein und die Viren können sich nicht mehr 19-Patient*innen, die am MRI stationär behandelt vermehren“, erklärt Spinner. Ursprünglich für die wurden, konnte der überwiegende Teil wieder Ebola-Behandlung geprüft, aber nicht da- geheilt entlassen werden. für zugelassen, erwies sich Remdesivir Das Sars-CoV-2-Virus in Labortests bereits als wirksam ge- gen SARS-CoV-2. Am MRI wurden „Sars-CoV-2 kann fast jede Patient*innen mit moderater bis menschliche Zelle im Körper be- schwerer Covid-19-Erkrankung treffen“, erklärt Spinner. „Es ist nach ihrer Einwilligung unter keine isolierte Erkrankung der anderem im Rahmen der inter- Lunge, sondern eine virale Sys- nationalen SIMPLE-Studie mit temerkrankung.“ Das erklärt Remdesivir behandelt. „Die Er- auch die möglichen Komplikati- krankungsdauer konnte durch onen. „Von der Lungenentzün- Remdesivir in einer ande- dung bis zur Entzündung des ren Studie um rund 30 Prozent Herzmuskels oder des Gehirns von 15 auf elf Tage verkürzt wer- beobachten wir sehr unterschied- den. Die Verträglichkeit war gut“, liche Krankheitsbilder.“ Zunehmen- sagt Spinner. „Remdesivir hat einen des Alter und Vorerkrankungen u.a. günstigen Einfluss auf den Krankheits- der Lunge oder des Herz-Kreislaufsys- verlauf und es gibt Hinweise auf eine ge- tems sind Risikofaktoren. Eines der Ziele sei ringere Sterblichkeit.“ Zwischenzeitlich zeigte es, die Patient*innen mit erhöhter Wahrscheinlich- sich auch für Dexamethason bei schwer kranken Co- keit für eine schwere Erkrankung schneller zu identifizie- vid-19 Patienten eine geringere Sterblichkeit. ren. Dabei könne z.B. die Studie von Prof. Georg Schmidt helfen. Mit Hightech-Sensoren im Ohr werden rund um die Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat eine beding- Uhr die Vitalparameter von Covid-19 Erkrankten in häusli- te Zulassung für Remdesivir ausgesprochen und das Arz- cher Isolation gemessen. Neben der Körpertemperatur wer- neimittel ist am Klinikum rechts der Isar zum Einsatz bereit. den die Sauerstoffsättigung des Blutes, Atemfrequenz und Puls überwacht und geprüft, wie gut der Körper die Auswir- Es gibt darüber hinaus einige hundert Arzneimittel, die der- kungen der Erkrankung kompensieren kann. zeit im Kontext von Covid-19 untersucht werden. Auch am MRI laufen zwei weitere Studien mit APN01 und Selinex- Intensivmedizin or. Ergebnisse stehen noch aus. APN01 ahmt das huma- ne Enzym ACE2 nach, das Sars-CoV-2 zum Eindringen in „Moderne Intensivmedizin bedeutet, lebensnotwendige Kör- Zellen benötigt. Wenn das Virus an das Medikament bindet per- oder Organfunktionen für einen begrenzten Zeitraum anstatt an das menschliche Enzym der Zellen, kann es die zu ersetzen“, erklärt Dr. Spinner das Prinzip der Best Sup- Zellen nicht mehr infizieren. Gleichzeitig reduziert APN01 portive Care-Therapie. Mit künstlicher Beatmung bei Lun- Entzündungsreaktionen in der Lunge. „Vielversprechend ist genversagen z.B., oder mittels einer Blutwäsche (Dialyse). auch Selinexor, weil es antiviral und anti-entzündlich wirkt.“ Auch Nierenversagen kann zu den Covid-19 Komplikationen Christoph Spinner ist optimistisch: „Ich bin beeindruckt, wie gehören, genauso wie eine überschießende Reaktion des schnell die Forschung auf der ganzen Welt vorangeht.“ Immunsystems auf SARS-CoV-2. Diese kann starke Ent- rechts der isar aktuell August / September 2020 7
„Wir waren der Entwicklung zum Glück immer einen Schritt voraus“, sagt PD Dr. Fabian Geisler. Als Leitender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin II hat er viele Covid-19-Patient*innen behandelt – insgesamt zählte das Klinikum zwischen Anfang März und Ende Juli über 200 stationäre Patient*innen, die schwer an Covid-19 erkrankt waren. Fabian Geislers Blick auf die Coronavirus-Pandemie, auf medizinische Herausforderungen, helle und dunkle Momente an vorderster Front – und Erkenntnisse aus der Krise. Herr Dr. Geisler, ein Rückblick – wie hat das Klinikum tionen vorübergehend geschlossen werden, wir brauchten rechts der Isar die Coronavirus-Pandemie aus Ihrer Arzt- und Pflegepersonal aus anderen Bereichen für die Co- Sicht bislang bewältigt? vid-19-Patient*innen. Die Solidarität der gesamten Klinik war Dr. Fabian Geisler: Als ab Mitte März immer mehr Covid- sehr gut. Alle haben uns grenzenlos unterstützt. 19-Patient*innen zu uns kamen, hat es sehr gut funktioniert. Das haben wir der guten Strukturierung und Vorbereitung Hat sich der Stufenplan bewährt, der für die Pandemie des Expertenteams im Vorfeld zu verdanken. Es hat sich ge- entwickelt wurde? zeigt: Wir sind eine große Klinik, aber wir sind sehr schnell Dr. Fabian Geisler: Absolut. Wir waren der Entwicklung da- handlungsfähig, wenn es darauf ankommt. durch eigentlich immer einen Schritt voraus und haben uns Bett für Bett an die Patientenzahl angepasst. Außerdem Was hat Sie besonders beeindruckt? haben wir sehr schnell Behandlungsstandards und Hygie- Dr. Fabian Geisler: Wir hatten zu Hochzeiten über 80 Co- nestandards etabliert und z.B. vor den offiziellen Empfeh- vid-19-Patient*innen stationär zu versorgen und haben da- lungen des Gesundheitsamtes im ganzen Haus eine Mund- für drei Normal- und zwei Intensivstationen freigemacht und schutzpflicht eingeführt. Ich bin überzeugt, dass uns diese die Notaufnahme zweigeteilt. Dafür mussten anderen Sta- Maßnahmen vor größeren klinikinternen Clustern verschont 8 rechts der isar aktuell August / September 2020
Stark durch die Krise haben. Die Hygiene- und Schutzmaßnahmen waren wir- Aber dann entspannte sich die Lage merklich – Auswir- kungsvoll. kungen des Lockdowns? Dr. Fabian Geisler: Ich bin überzeugt, dass der Lockdown ef- Es gab aber sicher auch dunkle Momente? fektiv war. Zwei Wochen nach den Beschränkungen ist die Dr. Fabian Geisler: An einem Wochenende Anfang April ha- Kurve merklich abgeflacht. Die frühen Hochrechnungen im be ich gedacht: Wir packen es nicht. Die Patienten kamen im März haben sich zum Glück nicht bestätigt. Sie besagten, 30-Minuten-Takt aus der Notaufnahme auf die Covid-Statio- dass wir im schlimmsten Fall zwischen 1.000 und 20.000 In- nen. Viele davon schwer krank. tensivbetten in München benötigen würden. Das hätten die Münchner Krankenhäuser nicht leisten können. Wie haben Ihre Mitarbeiter*innen die Herausforderung gemeistert? Dr. Fabian Geisler: Wir haben gerade in der II. Medizinischen Klinik sehr viele junge Kolleg*innen. Sie haben die Arbeit toll gemeistert, jeder hat sehr schnell Verantwortung übernom- men und seinen Platz an vorderster Front gefunden. Wir mussten alle erst einmal lernen, uns vor Dienstbeginn minu- tenlang korrekt zu „verkleiden“, also die Schutzausrüstung anzulegen. Gerade zu Beginn der Erkrankungswelle hatten alle anfangs schon ein mulmiges Gefühl. Es ging phasenweise sicherlich hoch her hinter den ge- schlossenen Türen der Covid-Stationen..? Dr. Fabian Geisler: Natürlich, wir befanden uns in einer Aus- nahmesituation. Dass es nach außen für die Bevölkerung nicht so dramatisch aussah, spricht für uns. rechts der isar aktuell August / September 2020 9
So funktioniert Beatmung Covid-19-Patient*innen leiden häufig an Atem- per mit Kalorien. „Eine künstliche Beatmung not und Lungenentzündung. Bei der nicht-inva- ist bei Menschen mit Lungenversagen zwin- siven Beatmung über eine Mund-Nasen-Maske gend notwendig, aber sie kann nicht immer erhalten die Patient*innen mit reinem Sauer- dauerhaft lungenschonend durchgeführt wer- stoff angereicherte Umgebungsluft bei leich- den, auch wenn Sauerstoffkonzentration und tem Überdruck von etwa 30 Millibar. Normale Druck optimal eingestellt sind“, sagt Dr. Geis- Luft enthält 21 Prozent Sauerstoff, dieser Anteil ler. Patient*innen mit akutem Lungenversagen wird auf 30 bis 40 Prozent erhöht. (ARDS) werden 16 Stunden am Tag in Bauch- Bei der invasiven oder künstlichen Beatmung lage gedreht, weil das die Sauerstoffversor- muss der Patient in ein künstliches Koma ver- gung und die Druckverhältnisse in der Lunge setzt und intubiert werden. verbessert. Ein Schlauch, der Tu- Lungenersatzverfahren ECMO: Wenn die Lun- bus, wird über den ge so schwer geschädigt ist, dass auch die in- Mund in die Luft- vasive Beatmung nicht mehr hilft, kommt die röhre bis unter Extrakorporale Membranoxygenierung, kurz den Kehlkopf ECMO, als letzter Versuch zur Lebensrettung geführt. Eine in Betracht. Das Blut wird durch die Maschine Magenson- geleitet und mit Sauerstoff angereichert. ECMO de versorgt bedeutet eine Ruhepause für die Lunge, in der den Kör- Hoffnung, dass sie sich erholt. Was hat sie besonders erschreckt? unterschiedlich sein. Manchen Patient*innen geht es nach Dr. Fabian Geisler: Unter den schwer Erkrankten waren zehn Tagen auf der Intensivstation schon deutlich besser. auch Menschen unter 40 Jahren ohne Vorerkrankungen. Ei- Andere liegen zwei Monate und länger auf Intensiv und sind nige dieser jungen Patienten sind gestorben. Wir konnten immer noch schwer krank. sie trotz Hochleistungsmedizin nicht retten. Was nehmen Sie Positives mit aus der Coronakrise? Was ist bei der Behandlung für Patienten mit schweren Dr. Fabian Geisler: Ich war positiv überrascht, wie schlag- Verläufen besonders wichtig? kräftig unsere Klinik sein kann. Wendig trifft es am besten. In Dr. Fabian Geisler: Gute und moderne Intensivmedizin ist si- wenigen Stunden wurden ganze Stationen freigemacht für cher mitentscheidend, vor allem, solange wir noch kein gut Covid-19-Patient*innen. Die Arbeit in den interdisziplinären wirksames Medikament gegen Covid-19 haben. Das be- Teams war und ist hochkompetent – von den Ärztinnen, Ärz- deutet: die Organe unterstützen, die zu versagen drohen. ten und Pflegenden über die Hygiene-Experten bis zur Wirt- Die rechtzeitige und richtige Beatmung ist wahnsinnig wich- schaftsabteilung. tig. Aber z.B. auch Nierenersatzverfahren, also die Dialyse. Die Komplikationen und Verläufe bei Covid-19 können ganz 10 rechts der isar aktuell August / September 2020
„Covid 19 wird nie reine Routine sein.“ Frau Ruiz Carot, was war die größte Veränderung durch die Corona-Pandemie? Mich traf das alles aus heiterem Himmel: aus dem Urlaub, rein in die Pandemie. Selbst für mich als Intensivpflegerin war das eine Umstellung. Allein die Schutzkleidung: Kittel, Doppelhandschuhe, FFB2-Maske, Brille, Kopfbedeckung – das erfordert Übung beim Anziehen. Außerdem fühlte sich die Situation so fremd an, täglich kamen neue Informatio- nen. Das macht nervös, man will ja alles richtig machen. Mittlerweile fühle ich mich sicher, reine Routine wird es aber wohl nie. Welchen Moment möchten Sie nicht noch einmal erle- ben? Den ersten Dienst im Covid-Bereich. Ich war bei einer sehr jungen Patientin, die intubiert werden musste. Sie war noch wach und hatte Angst. Auch mir war nicht wohl in meiner Haut: Die Schutzbrille drückte und ich schwitzte wahnsin- Africa Ruiz Carot ist nig unter der Schutzkleidung. Doch ich wollte, dass sie sich Intensivpflegerin am Klinikum aufgehoben fühlt. Ich sprach ihr gut zu und hoffte, alles rich- tig zu machen. rechts der Isar. Vom neuartigen Gab es auch schöne Momente? Coronavirus wurde die gebürtige Viele sogar. Jedes Mal, wenn wir einen ECMO-Patienten de- Spanierin kalt erwischt: Aus dem kanülieren konnten. Manche waren dann schon ansprech- bar und freuten sich. Als es der jungen Covid-Patientin bes- Urlaub zurück, landet sie am ser ging, meinte sie, dass sie mein Gesicht nicht erkenne, Beginn einer Pandemie. Und alles aber meine Stimme sei ihr vertraut. Wir sprechen ja immer mit den Patienten, auch wenn sie bewusstlos sind. Das war fühlt sich plötzlich neu an. ein echter Glücksmoment! Wie ging es Ihnen beim Anblick der Bilder aus den Kran- kenhäusern in Madrid? Ich war in großer Sorge. Vor allem seit ich wusste, dass sich mein Bruder – er ist ebenfalls Intensivpfleger – freiwillig als Helfer in Madrid gemeldet hatte. Zum Glück war es in Mur- cia, wo meine Familie lebt, eher ruhig. Keiner meiner Ange- hörigen und Freunde ist erkrankt. Wie leben Sie privat mit dem neuen Coronavirus? Ich bin voller Respekt. Ich erlebe ja, dass das Virus jeden treffen kann: junge Menschen genauso wie alte, Menschen mit Vorer- krankung, aber auch sehr gesunde. Der Alltag ist jetzt etwas mühseliger, weil viele Dinge nicht spontan möglich sind. Das vermisse ich. rechts der isar aktuell August / September 2020 11
„Der Zusammenhalt im Team ist sehr, sehr gut.“ 12 rechts der isar aktuell August / September 2020
Ihr Job ist immer wichtig – aber während der Corona-Pandemie ist er es ganz besonders: Den Pflegekräften und Ärzt*innen in Krankenhäusern und Pflegeheimen fliegen gerade die Herzen nur so zu. Wie es ist, auf einer Covid-Station zu arbeiten, erzählt Carolin von Ritter-Zahony (34) Mitte April 2020, zum Höhepunkt der Coronavirus-Pandemie in Deutschland. Sie ist Fachpflegekraft für Intensivpflege und Anästhesie und Stationsleiterin der Covid-Intensivstation R3a. Frau von Ritter, wie geht es Ihnen und Ihren Kolleg*innen rus-Pandemie vor. Fühlen Sie sich von Ihrem Arbeitge- auf einer von zwei Covid-Intensivstationen am Klinikum ber gut unterstützt? rechts der Isar? Carolin von Ritter: Ja, absolut. Ich muss wirklich sagen, dass Carolin von Ritter: Wir haben 14 Patient*innen und sind da- es bei uns sehr gut läuft. Wir fühlen uns umsorgt und ge- mit voll belegt. Die meisten liegen im künstlichen Koma und schützt. Die Vorbereitungen auf allen Ebenen sind durch- werden beatmet. Es ist für uns alle eine sehr herausfordern- dacht. Wir haben viele Hilfsangebote für Mitarbeiter*innen, de Situation mit dieser neuen Krankheit, über die man noch ein tolles Catering für die Covid-Stationen und stehen im gu- nicht viel weiß. ten Dialog mit unseren Pflegedienstleitungen. Welche Schwierigkeiten gibt es denn zum Beispiel? Die Arbeit ist ja nicht ohne Risiko, Sie könnten sich trotz Schutzausrüstung mit dem Coronavirus anstecken. Ha- Carolin von Ritter: Weil wegen der Infektionsgefahr bei- ben Sie Angst? de Türen zu den Patientenzimmern – auf Intensivstationen nennt man das Boxen – geschlossen sein müssen, hören Carolin von Ritter: Angst habe ich keine. Aber großen Respekt wir die Signaltöne der Geräte nicht, wenn wir mal kurz nicht – obwohl ich es gewohnt bin, mit infektiösen Patienten zu ar- im Zimmer sind. Eine Kollegin hatte jetzt die super Idee, Ba- beiten. Wir alle halten uns wirklich akkurat an die Hygienevor- byphone in die Boxen zu stellen. Problem gelöst! Natürlich schriften. Ich kann verstehen, dass sich Kolleg*innen, die mit ist es nicht immer so einfach. Kindern oder Risikopersonen im selben Haushalt leben, mehr Sorgen machen als ich. Ich bin sehr vorsichtig, falls ich mich Ein interdisziplinäres Expertenteam bereitet das Klini- anstecken sollte und es nicht gleich bemerke. Ich arbeite und kum rechts der Isar seit Ende Januar auf die Coronavi- gehe ab und zu einkaufen. Ansonsten bleibe ich zu Hause. rechts der isar aktuell August / September 2020 13
Wie geht Ihr Team mit dem Risiko um? Verletzte zu sorgen, gehört zum Anforde- rungsprofil unseres Berufes. Carolin von Ritter: Der Zusammenhalt im Team ist wirklich sehr, sehr gut. Alle sind Ihre Botschaft aus einer Covid-Intensiv- hilfsbereit und voll motiviert. Ich habe mei- station in die Welt? nen Leuten angeboten, dass sie sich ver- setzen lassen können, wenn jemanden Carolin von Ritter: Haltet Euch an die das Risiko zu hoch ist, auf einer Covid-In- Regeln und nehmt die Corona-Pande- tensivstation zu arbeiten. Aber das wollte mie ernst. 95 Prozent der Infizierten ha- niemand. Alle helfen mit. ben einen milden Verlauf. Aber fünf Pro- zent erkranken schwer. Und darunter sind Deutschlandweit werden Pflegekräf- nicht nur Risikopersonen. Wir haben auch te zurzeit als Helden gefeiert und be- 30-Jährige ohne Vorerkrankungen auf In- klatscht. Wie finden Sie das? tensiv. Das Gerede um die Risikogruppen finde ich ohnehin entsetzlich. Auch Men- Carolin von Ritter: Ich finde es schön, dass schen mit Vorerkrankungen wollen nicht wir so viel Wertschätzung erfahren. Die- an Covid sterben! Ich würde das Durch- se Wertschätzung sollten wir weiterge- schnittsalter auf unserer Intensivstation auf ben an andere. Jeder Mensch ist von 60 Jahre schätzen. Das ist kein Alter heut- der Coronakrise betroffen. Wir al- zutage. le sind systemrelevant. Sehr vie- le Menschen in Deutschland leis- Was belastet Sie persönlich im Moment ten gerade hervorragende Arbeit. am meisten? Wir tun alle unseren Job – auch wir Pflegekräfte. Pflege ist natür- Carolin von Ritter: Das Besuchsverbot fin- lich wichtig für eine Gesellschaft, de ich wirklich traurig, obwohl es nötig ist. aber das war sie schon immer. Ich Ehepartner und Kinder, die nicht zu ihren empfinde uns Pflegende nicht als schwer kranken oder sterbenden Liebsten Helden. Auch nicht als Opfer. Wir können. Meine Kolleg*innen und ich ver- brauchen kein Mitleid. suchen das ein bisschen aufzufangen, in dem wir engen Kontakt zu den Angehöri- Wie sehen Sie sich selbst? gen halten und alles für unsere Patienten tun – fachlich, pflegerisch und menschlich. Carolin von Ritter: Ich kann wirklich nur für Das hat mir meine Oma schon als junge mich sprechen. Natürlich hätte ich zu Be- Krankenschwester gesagt: „Carolin, ver- ginn meiner Berufstätigkeit nicht im Traum giss nicht mit den Leuten zu reden.“ Ich daran gedacht, mal eine Intensivstation mit kann nicht die Liebe eines nahen Verwand- Covid-Patienten zu leiten. Aber eine Tätig- ten ersetzen, aber ich kann Zuwendung keit in der Pflege war schon immer mit viel geben und menschliche Wärme in einer Verantwortung verbunden. Das weiß ich, schweren Zeit. wenn ich mich für diesen Beruf entschei- de. In einer Krisensituation für Kranke oder 14 rechts der isar aktuell August / September 2020
„Uns erlebt man wenigstens live!“ Bertram Linsenmeyer Thomas Kammerer S echs hauptamtliche Seelsorger*innen arbeiten Linsenmeyer: Das stimmt. Uns erlebt man wenigstens live! am Klinikum rechts der Isar. Für Corona-Patien- Selbst Patienten, die gut mit digitalen Medien umgehen kön- ten gehörten sie zu den wenigen persönlichen nen, vermissten die direkte menschliche Zuwendung. Auch Ansprechpartnern. Ein Gespräch mit Pfarrer Thomas wenn die Schutzkleidung eine gewisse Distanz schafft, der Kammerer, dem seelsorgerischen Leiter (rk), und Bert- Qualität der Gespräche tut das keinen Abbruch. ram Linsenmeyer, Theologe (ev.), über eine besondere Wie steht es um die Angehörigen? Situation. Kammerer: Die litten unter dem Kontaktverbot vielleicht noch stärker als die Patienten. Der geliebte Mensch war aus dem Herr Linsenmeyer, Sie haben in den vergangenen Wo- Blickfeld verschwunden, sie konnten nichts für ihn tun. Das chen zahlreiche Covid-19-Erkrankte betreut. Haben die erzeugt Verunsicherung, Ohnmacht. Es war deshalb unser besondere Bedürfnisse? Angebot, dass wir mit den Angehörigen von Intensivpatien- Bertram Linsenmeyer: Corona-Patienten litten hauptsäch- ten, die nicht selbst telefonieren konnten, Kontakt hielten. lich darunter, dass sie Angehörige und Freunde wegen des Für diese war es beruhigend zu wissen, dass es uns gibt Kontaktverbots nicht sehen durften. Ansonsten haben sie und sie jederzeit auf uns zugehen können. die gleichen Fragen wie andere Patienten: Wie lange muss Was ist für ein Krankenhaus in einer so schwierigen ich im Krankenhaus bleiben? Komme ich wieder zu Kräften Phase wichtig? etc. Und vor allem wollen sie als Person wahrgenommen Kammerer: Gute Vorbereitung, und die hatten wir. Un- und nicht in die Schublade Corona einsortiert werden. sere bestehenden Gremien und Strukturen für Krisenfäl- Herr Kammerer, wie leisten Sie und Ihr Team seelsorge- le sind rasch ins Laufen gekommen. Die Mitarbeiter haben rische Hilfe? sich schnell zusammengefunden und Dinge hochgezogen, Thomas Kammerer: „Raum haben, Hoffnung schöpfen, We- wie man das vorher nicht für möglich gehalten hätte. Unser ge geben“ – so haben wir das für uns formuliert. Wir hel- Haus hat mit Bedacht und Vernunft gehandelt. Kritisch war fen, indem wir zuhören, der Patient gibt die Richtung vor. Im nur die Frage, ob für alle genug Schutzkleidung vorhanden Verlauf des Erzählens merkt er von allein, was ihm am Her- ist. Der gesamte Apparat gibt sein Bestes – inklusive der zen liegt. zahlreichen Putzkräfte, Logistiker und Laboranten, die lei- Wegen des Kontaktverbots waren Sie als Ansprechpart- der nicht so viel öffentliche Anerkennung erfahren! Ihnen al- ner bei Patienten vermutlich recht gefragt … len gilt auch unser Dank. rechts der isar aktuell August / September 2020 15
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C O R O N A K R I S E Wann kommt die Impfung? Mit globaler Kraft gegen die Coronavirus-Pandemie: Forschende auf der ganzen Welt designen Impfstoffe, testen vorhandene und entwickeln neue Medikamente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und die Krankheit Covid-19. „Trotzdem werden wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben und rational damit umzugehen“, sagt Prof. Ulrike Protzer. rechts der isar aktuell August / September 2020 17
„Ein wirksames Medikament wird schneller verfügbar sein als ein Impfstoff“, prognostiziert die Virologin. „Bis große Teile der Weltbevölkerung gegen SARS- CoV-2 geimpft sind und damit eine Herdenimmunität erreicht ist, wird es selbst unter idealen Bedingungen noch einige Zeit dauern.“ Die Direktorin der Institute für Virologie der TUM und des Helmholtz Zentrum München gibt einen Überblick über die Impfstoffentwicklung und die Zukunftsaussichten der Coronakrise. Mehr als 160 Impfstoffprojekte die Herstellung wurde mit Hochdruck vorangetrieben. Bis vor wenigen Jahren dauerte die Entwicklung einer neuen in der Entwicklung Vakzine 15 bis 20 Jahre. Einige wenige der Impfstoffkandidaten haben sogar schon Die WHO zählte Ende Juli 2020 mehr als 160 Impfstoffpro- die letzte der insgesamt drei Phasen der klinischen Studi- jekte gegen SARS-CoV-2. Auch das Institut für Virologie am en erreicht und werden gesunden Freiwilligen verabreicht, Klinikum rechts der Isar arbeitet an verschiedenen Impfstra- um ihre Wirksamkeit zu testen. Diese Phase dauert mehrere tegien mit. „Wir charakterisieren derzeit die Virus-Wirt-Inter- Monate und erfordert, dass einige der Probanden dann auch aktion. Wie sah die Immunantwort von Patient*innen und tatsächlich dem Virus ausgesetzt sind. Ausgeheilten aus, die das Virus ausschalten konnte? Das muss man genau verstehen, um wirksame und sichere Impf- stoffe zu entwickeln“, erklärt Prof. Protzer. „Der Schwerpunkt unserer Forschung liegt auf der Entwicklung von Immunthe- Im Idealfall mehrere rapien wie therapeutische Impfungen, T-Zell-Therapien oder unterschiedliche Impfstoffe antikörperbasierte Therapien für Infektionserkrankungen. Für das neuartige Coronavirus sind wir gerade in der De- „2021 können mehrere unterschiedliche Impfstoffe in die signphase eines proteinbasierten Totimpfstoffes.“ letzte Phase der klinische Prüfung gehen“, sagt Protzer. „Idealerweise würde man das in vergleichenden Studien tun Impfstoffdesign: um schnell herauszufinden, welcher Impfstoff der beste ist.“ Das würde auch helfen, Produktionsstätten rund um den wirksam und sicher muss es Globus bestmöglich zu nutzen. Parallel zur milliardenfachen sein Herstellung von Impfdosen müsse die nötige Infrastruktur für eine weltweite Impfkampagne geschaffen werden. Nieder- Wichtig ist das „targeted design“, so nennt man die zielge- gelassene Ärzte in Deutschland und der Welt werden diese richtete Entwicklung eines Impfstoffs. Dieser muss zuver- Mammutaufgabe nicht alleine stemmen können. lässig eine Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern, also die „Im besten Fall stehen Mitte / Ende 2021 die ersten Impfun- richtige – jedoch nicht krank machende – Immunantwort her- gen zur Verfügung. Entweder als Injektion oder als Nasen- vorrufen. Die ersten 30 Impfstoffprojekte sind bereits in der spray“, wagt die Virologin den Blick in die Zukunft. Zuerst frühen klinischen Prüfung der Phase I oder II, in denen die werde wohl medizinisches Personal und danach systemkri- Sicherheit überprüft und die Dosis bestimmt wird. Das Impf- tische Berufsgruppen wie Polizisten geimpft. Auf freiwilliger stoffdesign hat häufig nur zwei Monate gedauert – das ist Basis, versteht sich. „Ich gehe davon aus, dass wir frühes- rasend schnell und dank neuer genetischer Methoden und tens 2022 soweit sind, dass sich alle Menschen, die das wol- des Wissens aus vorherigen Impfstoffprojekten zu älteren len, auch impfen lassen können.“ SARS- und MERS-Coronaviren heute möglich. Und auch 18 rechts der isar aktuell August / September 2020 rechts der isar aktuell August / September 2020 18
Impfstoffe Totimpfstoffe: Diese Art der Impfung kennt man schon lange, z.B. von Polio oder Phasen der Impfstoffentwicklung Hepatitis A. In den Impfstoffen • Analyse des Virus: Was ruft Immunreaktionen ist das ganze, inaktivierte Virus hervor? enthalten. Problem: die Herstellung • Design des Impfstoffes: Was muss enthalten sein? sehr großer Mengen von SARS- • Erprobung mit Tieren CoV-2-Viren in kurzer Zeit könnte • Erprobung mit Freiwilligen schwierig werden, da umfangreiche • Phase I: 10 bis 30 Menschen: Verträglich- Sicherheitsvorkehrungen dafür nötig keit, Sicherheit sind. • Phase II: 50 – 500 Menschen: Verträglich- keit, Dosierung, Immunantwort • Phase III: > 1000 Menschen: Zuverlässigkeit Rekombinante Impfstoffe mit des Schutzes Virusproteinen: • Zulassungsverfahren: Für die EU bei der EMA Viele, sehr sichere Impfstoffe nutzen (Europäische Arzneimittel Agentur) • Impfkampagnen weltweit dieses Prinzip, z.B. gegen Tetanus oder Hepatitis-B. Ausgewählte Virusproteine werden mit Hilfe von Coli-Bakterien oder der Bäckerhefe in großen Mengen synthetisiert und nach Aufreinigung, Immunität gegen SARS-CoV-2 versehen mit einem Wirkstoffverstärker Wie lange eine Impfung wirksam sein wird, lasse (Adjuvans), verabreicht. sich noch nicht abschätzen. „Die Immunität gegen die normalen zirkulierenden Coronaviren, die Erkäl- tungskrankheiten auslösen, hält ein bis zwei Jahre. Lebendimpfstoffe mit Vektorviren: Die Immunität gegen das erste SARS-Coronavirus Vektorviren sind harmlose Viren oder war länger anhaltend, mindestens drei Jahre“, sagt so verändert, dass sie selbst nicht Prof. Ulrike Protzer. In Experimenten mit Rhesusaf- fen konnte man keinen einzigen Affen nach überstan- krank machen. Diese Vektorviren kann dener Infektion mit SARS-CoV-2 erneut mit dem neu- man mit biotechnischen Mitteln als artigen Coronavirus infizieren. „Deswegen glauben Coronavirus „verkleiden“, indem man wir als Wissenschaftler*innen, dass eine schützen- Oberflächenproteine von SARS-CoV-2 de Immunität entsteht – sowohl durch Antikörper als einsetzt. Sie sind bisher im Menschen auch durch Immunzellen.“ nur gegen das Ebolavirus im Einsatz. Genbasierte Impfstoffe: Die Impfstoffe enthalten ausgewählte Gene des Virus in Form von mRNA oder DNA. Diese sollen im Körper Virusproteine kodieren, die dann wie bei einem konventionellen Impfstoff einen Immunschutz bewirken. Die Methode ist neu. Derzeit gibt es noch keinen für den Menschen zugelassenen, genbasierten Impfstoff. rechts der isar aktuell August / September 2020 19
E P Y L O G E 20 rechts der isar aktuell August / September 2020
Palliativversorgung bei fortgeschrittener Demenz: Ergebnisse der EPYLOGE-Studie „Mein Mann ist nicht palliativ, das lehne In der Summe gute Lebensqualität ich entschieden ab“. Pflegende Angehö- und „Comfort of dying“ rige von Menschen mit Demenz reduzie- ren Palliativmedizin häufig auf Sterbehil- Ein etwas überraschendes, jedoch beruhigendes Studien- fe. Dieser Irrglaube (der nicht selten auch ergebnis: Auch bei fortgeschrittener Demenz scheint die Le- bei Professionellen vorherrscht) führt zur bensqualität überwiegend gut bis sehr gut zu sein. „Der Pa- Ablehnung einer Palliativversorgung bei tient war die meiste Zeit des Tages ruhig und zufrieden“, so Demenz, zumal Palliativmedizin nach wie die Einschätzung von über zwei Drittel der pflegenden An- vor eher bei Tumorerkrankungen verortet gehörigen. Auch das Sterben scheint meistens wenig leid- voll zu sein. Dennoch gibt es einige Betroffene, denen es wird: „Palliativ, das wäre ein Thema, wenn am Lebensende und beim Sterben nicht gut geht. Die Ana- er Krebs hätte“. lysen aus EPYLOGE weisen darauf hin, dass bei diesen Patient*innen quälende Symptome zum Teil nicht als solche identifiziert werden. Außerdem scheint die medikamentöse wie auch nicht-medikamentöse Therapie somatischer (z.B. Prof. Janine Diehl-Schmid, Leiterin des Zentrums für Ko- Atemnot) und psychischer Symptome (z.B. Angst) bei die- gnitive Störungen, und ihr wissenschaftliches Team ha- sen Patient*innen häufig nicht ausreichend. ben sich dieses Themas angenommen und eine vom Es gilt, genauer hinzusehen: Diejenigen Patient*innen, BMBF geförderte Studie zur Palliativversorgung von die am Lebensende leiden, müssen sicher identifiziert Menschen in Deutschland mit früh und spät beginnen- und besser behandelt werden! Dabei sind das Pflege- der fortgeschrittener Demenz in der letzten Lebenspha- personal (ambulant wie stationär) und die behandeln- se, die EPYLOGE-Studie, abgeschlossen. Zwei Neu- den Ärzt*innen in der Pflicht. Informationen für die An- rologinnen haben von 2017 bis 2019 insgesamt 192 gehörigen, bei welchen Symptomen sie ärztliche und/ Menschen mit fortgeschrittener Demenz und deren pfle- oder pflegerische Unterstützung einholen sollten, wä- gende Angehörige im Heim oder zu Hause besucht. Sie ren zudem hilfreich, um ggf. eine Therapienotwendig- haben eine umfangreiche Bestandsaufnahme der Sympto- keit rechtzeitig zu identifizieren. me der Menschen mit Demenz, der (palliativen) Versorgung und zur Beschreibung der letzten Lebensphase bzw. der To- desumstände erstellt. Zusätzlich führten sie ausführliche Interviews mit 100 Angehörigen von bereits verstorbenen Kaum Unterschiede zwischen früh und Menschen mit Demenz, nicht zuletzt um von spezifischen spät beginnender Demenz Problemen, Bedürfnissen und Wünschen der Angehörigen von Menschen mit Demenz am Lebensende zu erfahren. Bei der Planung von EPYLOGE war der Grundgedanke, dass EPYLOGE ist die erste Studie weltweit, in der Demenzbe- Menschen mit früh beginnender Demenz, die also auch am troffene mit früh und spät beginnender Demenz – also mit Lebensende noch vergleichsweise jung sind, eine deutlich Symptombeginn vor und nach dem 65. Lebensjahr – vergli- schlechtere Lebensqualität bzw. „Sterbequalität“ aufweisen, chen wurden. Außerdem wurde in EPYLOGE besonderes als Menschen mit spät beginnender Demenz. Entgegen die- Augenmerk auf Menschen mit fortgeschrittener Demenz, ser Erwartungen unterschieden sich die Lebens- und „Ster- die nicht im Heim, sondern zu Hause leben, gelegt. bequalität“, die Symptome, die Versorgung und Behandlung sowie die Todesumstände zwischen früh und spät Erkrank- ten nicht. Einziger Unterschied: in der letzten Lebenswoche scheinen spät (!) Betroffene eine etwas schlechtere Lebens- qualität zu haben als Patienten mit frühem Symptombeginn. rechts der isar aktuell August / September 2020 21
Ein wichtiges Ergebnis von EPYLOGE ist, dass es den Menschen mit früh beginnender Demenz nicht, wie befürchtet, am Lebensende sehr schlecht geht. Sie scheinen im System, das ja für alte Menschen mit Demenz zugeschnitten ist, gut versorgt zu sein. Wenig überraschend zeigte sich, dass früh Betroffene viel weniger pflegebedürftig als Patienten im Heim – versterben weniger körperliche Begleiterkrankungen haben und deut- häufiger im Krankenhaus. Vorausschauende Anweisungen lich mobiler sind – letzteres möglicherweise ein Grund da- wie z.B. die Festlegung von Therapiezielen oder „Keine Wie- für, dass sie im Heim häufiger auf beschützenden Stationen derbelebung“ finden sich seltener als bei Heimpatienten. untergebracht sind als spät Betroffene. Ein deutlicher Un- Viele Angehörige, die Menschen mit fortgeschrittener De- terschied ließ sich bei den pflegenden Angehörigen nach- menz zu Hause versorgen, erscheinen einerseits stark be- weisen: Die Angehörigen von Menschen mit frühem Erkran- lastet, andererseits schlecht informiert und unterstützt. Dies kungsbeginn waren durch die Pflege viel mehr belastet als ist wenig überraschend, da gerade Menschen mit fortge- die Angehörigen von spät Betroffenen. schrittener Demenz, die nicht oder nur mit Schwierigkeiten Ein wichtiges Ergebnis von EPYLOGE ist, dass es den zum Arzt gebracht werden können, aus dem System fallen. Menschen mit früh beginnender Demenz nicht, wie be- Hier ist eine aktiv aufsuchende Beratung und Betreuung er- fürchtet, am Lebensende sehr schlecht geht. Sie schei- forderlich, die die Bedarfe und Probleme in der Versorgung nen im System, das ja für alte Menschen mit Demenz zu- analysiert und die Angehörigen durch Information über und geschnitten ist, gut versorgt zu sein. Allerdings besteht Anpassung von Versorgungsleistungen entlastet. Verbesserungsbedarf bei der Unterstützung der pfle- genden Angehörigen von Menschen mit früh beginnen- der Demenz, die zum Teil an ihrer Belastungsgrenze zu Behandlung mit Psychopharmaka – sein scheinen. zu viel und zu wenig Pflegende Angehörige zu Hause: 40 Prozent der Menschen mit Demenz, die in die EPYLO- Zu oft alleine gelassen? GE-Studie eingeschlossen wurden, wurden mit Schlaf- und/ oder Beruhigungsmittel behandelt, hauptsächlich aus der Substanzgruppe der Antipsychotika. Hier zeigte sich, dass Es gibt diverse Unterstützungsmöglichkeiten (z.B. ambulan- offensichtlich einerseits zu großzügig über Jahre hinweg te Pflegedienste, 24h-Pflege, Tagespflege, ehrenamtliche verordnet wurde, ohne dass im Verlauf geprüft wurde, ob Helfer u.v.m.) für die häusliche Versorgung von Demenz- Beruhigungsmittel überhaupt noch nötig sind. Andererseits betroffenen. Dennoch nehmen 17 Prozent der pflegenden wurden Patienten mit quälenden psychischen Symptomen Angehörigen aus verschiedenen Gründen zu Hause keiner- (z.B. Angst und Unruhe) mit zu niedrigen Dosierungen oder lei professionelle Hilfe in Anspruch. Die pflegenden Ange- gar nicht medikamentös behandelt. Hier scheint es vor al- hörigen zu Hause – überwiegend die Ehepartner – sind im lem in der häuslichen Pflegesituation am Zugang zu ärztli- Schnitt älter als die Angehörigen von Heimpatienten. Sie ha- cher Expertise zu fehlen. ben vergleichsweise weniger Lebensqualität, sind depres- siver, belasteter und weniger in Entscheidungen eingebun- den. Die Patienten zu Hause – jünger, weniger dement und 22 rechts der isar aktuell August / September 2020
Zusammengefasst zeigte sich in EPYLOGE, dass die besser über die Voraussetzungen, den Sinn und die Be- psychopharmakologische Behandlung von Menschen deutung der Patientenverfügungen aufgeklärt werden. mit fortgeschrittener Demenz z.T. verbesserungswürdig Vertreterverfügungen könnten möglicherweise ein ge- ist. In vielen Fällen mangelt es an Ärzten, die in der Be- eignetes Instrument darstellen, um flexibel auf sich ver- handlung mit Psychopharmaka erfahren sind und Haus- ändernde Situationen reagieren zu können. und Heimbesuche mit regelmäßigen Verlaufskontrollen und Anpassung der Medikation durchführen. Die Anregungen der Angehörigen Wie sorgen Menschen mit Demenz vor? Viele der interviewten Angehörigen wiesen auf ein Defizit von Krankenhaus-Stationen, die Erfahrung im Umgang mit Im Rahmen von EPYLOGE wurden die vorliegenden Vor- dementen Patienten haben, hin. Ein einheitlicher Wunsch sorgedokumente genau analysiert. Bei gut zwei Drittel der bestand zudem nach mehr und besser ausgebildetem Pfle- lag eine Patientenverfügung vor, meist wurden die gängigen gepersonal, sowohl im Heim als auch im Krankenhaus. Der Vordrucke verwendet. Bemerkenswert ist, dass – so die Be- Wunsch nach einer besseren häuslichen Versorgung durch richte der Angehörigen – in mehreren Fällen Patientenver- Fachärzte wurde geäußert ebenso wie nach einem besse- fügungen auf Initiative der Familien erstellt wurden, als der ren Kontakt der Angehörigen zum behandelnden Arzt im Betroffene offensichtlich demenzbedingt nicht mehr einwilli- Heim. gungsfähig war. Mitunter haben Notare und Ärzte bei diesen „verspäteten“ Patientenverfügungen mitgewirkt. Aus den Angehörigen-Interviews wurde offensichtlich, dass Die Wahrnehmungen der Patientenverfügungen häufig nur vermeintliche Klarheit Studienärztinnen schaffen. Der Zeitpunkt der Anwendung – z.B. des Unter- lassens lebensverlängernder Maßnahmen – ist oft unklar. Manchmal ist das Wissen zu Inhalt und Geltung – auch bei Die beiden Neurologinnen erhielten einen außergewöhnlich Professionellen – fehlerhaft. tiefen Einblick in die Versorgung. Ihr gemeinsames Fazit ist, dass die „Sterbequalität“ von Menschen mit fortgeschritte- Neben den Patientenverfügungen fanden sich eine Vielzahl ner Demenz am höchsten ist, wenn am Lebensende eine Art anderer Dokumente, wie die Festlegung von Therapiezie- erfahrener „Koordinator“ involviert ist. Dabei ist es unerheb- len, Krisenpläne oder Anweisungen wie „Keine Reanimati- lich, zu welcher Berufsgruppe der Koordinator gehört. Stellt on“, die z.T. von Professionellen (mit-) verfasst und von den er die Weichen für die bedarfsgerechte Betreuung und Be- Angehörigen unterschrieben wurden. Die Anzahl und kreati- handlung, ist er kompetent, jederzeit erreichbar und ggf. prä- ve Vielfalt dieser Dokumente war überraschend. sent, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Mensch Die Erkenntnisse aus EPYLOGE legen nahe, dass Pa- mit Demenz ohne hohe Symptomlast verstirbt und die Ange- tienten, Familien und besonders Professionelle noch hörigen den Sterbeprozess als friedlich wahrnehmen. rechts der isar aktuell August / September 2020 23
Neu am Klinikum Neues Gerät für Hochpräzisions- Strahlentherapie Mit dem neuen Gamma Knife®-System der Klinik für Radi- oonkologie und Strahlentherapie – dem ersten seiner Art in Bayern – baut Klinikdirektorin Prof. Stephanie E. Combs das Behandlungsangebot im Rahmen des Neuroonkologischen Zentrums aus. Hier können Patient*innen mit Hirntumoren, Hirnmetastasen oder Tumoren an der Schädelbasis eine in- dividualisierte Behandlung mit größtmöglicher Präzision er- halten. Das neue Gerät ist eingebettet in das Zentrum für Stereotaxie und Personalisierte Hochpräzisionsstrahlenthe- rapie (StereotakTUM), in dem hochpräzise Strahlentherapie für Tumore und Metastasen in allen Körperregionen ange- boten wird. Die stereotaktische Radiochirurgie ist eine Bestrahlungs- methode, bei der der Tumor in einer einmaligen oder in nur wenigen Sitzungen mit hochfokussierter Strahlentherapie behandelt wird. Das umliegende, gesunde Gehirn wird ge- schont, so dass Nebenwirkungen vermieden werden kön- nen. Die Strahlung erfolgt aus verschiedenen Richtungen und ist in einem Punkt fokussiert. Durch verschie- dene Positionen der Strahlenquellen lässt sich der Fokuspunkt verändern. Dadurch kann eine optimale Dosisverteilung im Tumor bei möglichst geringer Belastung für das gesunde Gewebe erzielt werden. Die Methode kann nach einer bzw. in Kombination mit einer Operati- on, als Alternative zu einer OP, als Rezidivtherapie oder begleitend zu einer Chemo-, Strahlen- oder Im- Einige Fotos auf diesen Seiten muntherapie eingesetzt werden. wurden vor Beginn der Corona- Pandemie erstellt – manche der abgebildeten Personen tragen daher keine Schutzmasken. Anlieferung Gamma Knife®-System 24 rechts der isar aktuell August / September 2020
Prof. Combs Zusätzliches CT-Gerät für die Diagnostik Erkenntnisse über den Gesundheitszustand des Patienten, insbesondere bei Patienten mit akutem oder drohendem von Covid-19 Lungenversagen. Mit Hilfe des neuen Computertomogra- phens kann die Lunge von Covid-19-Patienten innerhalb Für die Diagnostik von Covid-19 hat das Institut für diagnos- von rund zwei Sekunden gescannt und beurteilt werden. Bei tische und interventionelle Radiologie (Direktor Prof. Marcus dem speziell für die Lungendiagnostik ausgestatteten Sys- R. Makowski) einen zusätzlichen Computertomographen tem Somatom go.Top lassen sich die Scan-Protokolle vorab (CT) installiert. Er ist eines von 25 Geräten, die das Bayeri- programmieren und die Untersuchung mit nur einem Knopf- sche Gesundheitsministerium im Kampf gegen Corona bei druck starten. Dies reduziert die Einarbeitungszeit für das der Firma Siemens Healthineers erworben hat. Personal und macht die standardisierte Untersuchung vieler Die Computertomographie spielt sowohl in der Diagnose Patienten in kurzer Zeit möglich. Die spezielle Vorfilterung als auch der Verlaufskontrolle von Patienten mit einer Co- dieses modernen CT-Gerätes unterstützt zudem eine hohe vid-19 Infektion eine große Rolle. Die CT-Aufnahmen des Bildqualität bei sehr niedrigen Dosiswerten und ist daher Brustkorbs liefern bereits im frühen Krankheitsstadium cha- auch für Verlaufskontrollen gut geeignet. rakteristische Anzeichen einer Virus-bedingten Lungenent- zündung. Im weiteren Krankheitsverlauf ermöglichen sie Prof. Schwaiger Prof. Makowski rechts der isar aktuell August / September 2020 25
Urologische Stationen frisch saniert Die Station H1a der Klinik für Urologie ist nach einer um- fassenden Generalsanierung wieder in Betrieb gegangen. In den vergangenen beiden Jahren wurde die Station komplett entkernt, die Zimmer und Bäder wurden vollständig erneuert, auch die Fenster wurden ausgetauscht. Die gesamte Tech- nik ist neu – von der Lüftung bis hin zur Elektrik – ebenso die Ausstattung der Räume, die Platz für 31 Patienten bieten. Leitmotiv für die Gestaltung ist das Thema „Gewässer“: Die Patientenzimmer heißen beispielsweise „Sternbergersee“ oder „Ammersee“ – und die passenden Fotos schmücken die Wände und erfreuen die Augen. Auch auf der zweiten urologischen Station, der H2a, wurde in den vergangenen Monaten eine Oberflächensanierung durchgeführt. Prof. Machens Einige Fotos auf diesen Seiten wurden vor Beginn der Corona- Pandemie erstellt – manche der abgebildeten Personen tragen daher keine Schutzmasken. 26 rechts der isar aktuell August / September 2020
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