Religiöse Diversität in der politischen Bildungsarbeit - Empowerment migrantischer Eigenorganisationen - Ein HESSENCAMPUS-Projekt der - KEB ...
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Dokumentation Religiöse Diversität in der politischen Bildungsarbeit Empowerment migrantischer Eigenorganisationen Ein HESSENCAMPUS-Projekt der
Impressum Herausgeber Katholische Erwachsenenbildung Hessen Landesarbeitsgemeinschaft e. V. (KEB Hessen) Domplatz 3 60 311 Frankfurt/Main Tel.: 069 80 08 71 84 63 E-Mail: info@keb-hessen.de Gefördert aus den Mitteln des www.keb-hessen.de Landes Hessen im Rahmen von Redaktion Dr. Frank van der Velden HESSENCAMPUS 2020 KEB Hessen e. V. Domplatz 3 60 311 Frankfurt/Main Satz/Layout meinhardt Verlag und Agentur Titelfoto Bild oben: © Levartravel – unsplash.com Bild links: © James Coleman – unsplash.com Bild rechts: © picture alliance – Uwe Anspach
Religiöse Diversität in der politischen Bildungsarbeit Empowerment migrantischer Eigenorganisationen Kooperationspartner:
Grußwort Liebe Leserin, lieber Leser, Mit dem HESSENCAMPUS-Projekt »Religiöse Diversität in der politischen Bildungsarbeit. Empowerment migrantischer Eigenorganisationen« hat die Katholische Erwachsenenbil- dung Hessen im Jahr 2020 die Frage nach der Art und Weise interreligiöser Kompetenzvermittlung im Bereich der Bildungs arbeit grundsätzlich thematisiert. Häufig sehen Kooperationen mit migrantischen Eigenorgani sationen im Bildungsbereich so aus, dass die üblichen For- mate von Bildungsarbeit – Vorträge, Podiumsdiskussionen, Seminare, Workshops etc. – um Referent*innen aus den migrantischen Communities erweitert werden. Häufig sitzen auch Vertreter*innen migrantischer Eigenorganisationen mit in der Planungsgruppe und sind mit eigenem Logo auf den Werbemitteln vertreten. Genauso häufig werden aber mittler weile Zweifel geäußert, ob Themen wie »Migration und Re- ligion« in den üblichen Formaten von Expertenvorträgen oder Podiumsdiskussionen – also in Diskussion und Streit gesprächen zwischen ausgewählten Expert*innen – über- haupt so dargestellt werden können, dass sich daraus ein Lernen der Menschen voneinander und eine Befähigung der Teilnehmer*innen für das gemeinsame Zusammenleben er- geben können. An dieser Stelle sucht das Hessencampus-Projekt 2020 nach einem alternativen Setting für Erwachsenenbildungsver anstaltungen im interreligiösen Kompetenzbereich. Ich freue mich, dass an diesem wichtigen und spannenden Projekt die Arbeitsgemeinschaft der Muslime Limburg als Kooperations- partnerin von Beginn an mit beteiligt ist. Dazu gehört, dass ein Team von jungen muslimischen Professionals, koordiniert vom Imam einer lokalen muslimischen Gemeinde in Limburg, in dieser Broschüre auch als Autorenkollektiv hervortritt, um die geleisteten Vorarbeiten für ein erweitertes Bildungskon- zept vorzustellen. Weiterhin bin ich dankbar, dass die Volkshochschule Limburg- Weilburg, als eine der Kerneinrichtungen des HC Limburg- Weilburg, das Projekt unterstützt und den notwendigen lokalen Bezug gewährleistet. Wir danken besonders dem hessischen Kultusministerium für die finanzielle Förderung. Johannes Oberbandscheid Vorsitzender der Katholischen Erwachsenenbildung Hessen 5
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Seite 7 Religiöse Diversität in der politischen Bildungsarbeit. Empowerment migrantischer Eigenorganisationen Frank van der Velden Kapitel 2 Seite 11 Islam als Thema der Erwachsenenbildung. Vorschläge für ein erweitertes Bildungskonzept Gülistan Bağcı, Samet Gülen, Samed Maraşlıoğlu, Esat Öztürk, Lisa Thielsch, Frank van der Velden Kapitel 3 Seite 17 Zur Bildungsarbeit im Islamischen Kulturzentrum Limburg Imam Esat Öztürk Kapitel 4 Seite 20 Zur kulturellen Teilhabe koptisch-orthodoxer Christ*innen in Deutschland Frank van der Velden Kapitel 5 Seite 23 Über die eigene Religion reden. Gespräche mit christlichen und muslimischen Migrant*innen Lisa Thielsch
Kapitel 1 Religiöse Diversität in der politischen Bildungsarbeit Autor: Frank van der Velden Das Hessencampus- Empowerment migrantischer Eigenorganisationen Projekt 2020 der Katholischen Erwachsenen bildung Hessen e. V. wurde gemeinsam mit Professor Ausgangslage treter*innen der bürgerlichen Mitte. Und auch die Dr. Harry Harun Behr, Professurinhaber für religiösen Gemeinschaften, Kirchen- und Moschee- Erziehungswissenschaft In religiösen Gemeinschaften wird die Religion ge- gemeinden selber sind vor dieser Gefahr nicht gefeit. mit Schwerpunkt meinsam mit migrierten und geflüchteten Menschen Häufig ist damit eine ablehnende Haltung verbunden, Islamische Religions pädagogik und gelebt. Dies gilt nicht nur für Muslim*innen oder orie die mit stereotypen Zuschreibungen von Gruppen Fachdidaktik des ntalische Christ*innen. Auch 15 % aller Katholik*innen identitäten agiert. Als »europäisch« behauptete christ- Islamischen Religions in Deutschland sind Migrierte ( im Rhein-Main-Gebiet liche und jüdische Lebenspraktiken werden ressourcen unterrichts an der Goethe Universität Frankfurt am sogar über 35 %). Dazu kommen die seit 2015 zu uns orientiert angesehen. Hingegen wird die Religiosität Main durchgeführt. Als geflüchteten Menschen. Dies bedeutet für alle Reli- von Menschen, die zu uns aus außereuropäischen Kooperationspartner gionsgemeinschaften eine große Diversität. Religion Krisenlandschaften geflüchtet sind, vorwiegend in waren der Hessencampus gibt es also immer nur im Plural ihrer individuellen, Bezug auf ihr Risikopotential betrachtet. Bei musli- Limburg-Weilburg und der Arbeitskreis der Muslime kulturell geprägten Lebenspraktiken. mischen Lebenspraktiken gilt dies auch für deutsche (AdM) Limburg beteiligt. und allgemein europäische Muslime. In Teilen unserer Gesellschaft wird dagegen mit einem vereinfachenden und verzerrenden, sog. essentialis- In diesem Kontext fehlt bisher in der gesellschaftspoli tischen Religionsbegriff hantiert (»Der Islam«, »Das tischen Bildung ein Konzept, um Wechselwirkungen Christentum«). Dieser findet sich explizit in den Partei solcher Narrative auf die religiösen Gemeinden wie programmen populistischer Parteien, wie der »Alter- auf die Gesamtgesellschaft einzugrenzen und diese native für Deutschland«, implizit aber auch bei Ver- Gruppen nach innen (gegen die Nationalisierung und 7
Ethnisierung der eigenen Religionen) und nach außen Die wichtige Position der Projektkoordination wurde (gegen gruppenbezogene Religionsfeindlichkeit) zu an zwei Personen anteilmäßig vergeben. Dadurch stärken. konnte diese sowohl gendergerecht als auch kulturell divers besetzt werden. Lisa Thielsch (M.Ed. kath. Theo- Insbesondere kommen bisher die migrierten und ge- logie u. a., JGU Mainz) und Esat Öztürk (MA Islam flüchteten Menschen selbst kaum zu Wort, um ihre wissenschaften, Uni Marburg) nahmen diesen Auf- eigenen religiösen und kulturellen Kompetenzen zu gabenbereich wahr. Die Projektleitung lag bei Dr. dokumentieren und als integrative Ressource zu nutzen. Frank van der Velden (Studienleiter Interreligiöses Gegen die gewöhnliche Wahrnehmung sind diese in der KEB im Bistum Limburg und Islambeauftragter). den Herkunftsländern häufig die Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens unterschiedlicher gesell schaftlicher Gruppen. Und auch in Deutschland kann Projektziele dadurch ein wichtiger Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden geleistet werden, um mit den diversen religi- 1. Das erste Ziel des Projekts war die Entwicklung ösen Identitäten im Land kompetent umzugehen. eines Bildungskonzepts zum Thema Religiöse Diversität, das die Bildungsarbeit migrantischer Eigenorganisationen in den Bereich kommunaler Projektpartnerschaft und Teilhabe Bildungsträger öffnet. Dieses Konzept und seine Bildungsziele sollten von der KEB Hessen e. V. Als Kooperationspartner wurde zum ersten Mal eine gemeinsam mit migrantischen Eigenorganisationen migrantische Eigenorganisation als zivilgesellschaft- erarbeitet (Kooperationspartner AdM Limburg) liche Repräsentanz der Limburger Muslim*innen und von kommunalen Bildungsträgern in Limburg eingebunden. Der Arbeitskreis der Muslime Limburg durch ein Peer-Review begleitet werden (Hessen- (AdM) entstand im Jahr 2017 auf Initiative des Lim- campus Limburg-Weilburg). Das Konzept wird in burger Stadtverordneten Hüseyin Kaya (CDU) als ein der Projektdokumentation dokumentiert. Zusammenschluss aus vier islamischen Vereinen und Gemeinden in Limburg. Der AdM Limburg hat sich 2. Aus dem Konzept sollten innovative Veranstal- zum Ziel gesetzt, in vielfältiger Weise die Zusammen- tungsformate gemeinsam entwickelt und geplant arbeit der Gemeinden zu fördern und gleichzeitig die werden (zweisprachige Tandemvorträge). Dazu gemeinsamen Ziele der in Limburg lebenden Musli- sollten mindestens 4 migrantische Referent*innen me gegenüber verschiedener Gremien, Institutionen in 2 Tandemteams geschult werden. In diesen und öffentlichen Einrichtungen zu vertreten. Der AdM Teams arbeiten migrierte und geflüchtete Men- Limburg ist weiterhin Ansprechpartner für den inter- schen unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten religiösen Dialog. zusammen. Diese sollen die Veranstaltungen noch 8
im Projektzeitraum erproben und auch dazu ein die Anschaffung einer digitalen Flipchart und durch Feedback von kommunalen Bildungsträgern er- drei digitale Ersatzveranstaltungen konnten aber halten. Nach dem Projektzeitraum stehen die wesentliche Teile der Projektziele gesichert werden. entwickelten Formate und die Referent*innen sowohl den migrantischen Eigenorganisationen selber als auch den kommunalen Bildungsträgern Der Ablauf der einzelnen Steps für Bildungsveranstaltungen zur Verfügung. Auch diese Veranstaltungsformate sollten dokumentiert 1. Zwei Werkstattgespräche zur Entwicklung eines werden. Bildungskonzeptes zum Thema Religiöse Diversi- tät wurden planmäßig durchgeführt. Für den länd- 3. Ein wesentliches Ziel der zu planenden Bildungs- lichen Raum geschah dies im Landkreis Limburg- formate ist nicht die Information über Religion, Weilburg unter Einbindung des Arbeitskreises der sondern der kompetente Umgang mit diversen Muslime (AdM) in Limburg am 02. 07. 2020 mit 6 religiösen Lebenspraktiken in unserer Gesellschaft. Teilnehmer*innen. Für die Landeshauptstadt Wies- Dazu sollten religiöse Lebenspraktiken migrierter baden geschah dies am 01. 07. 2020 mit 7 Teilneh- und geflüchteter Menschen dokumentiert und in mer*innen aus sechs unterschiedlichen christlich- geeigneter Form in den Tandemvorträgen thema- orientalischen Ortsgemeinden. tisiert werden. An diesem Punkt waren wir zur Sicherstellung der Qualität unseres Projektes auf 2. Ein Fragebogen für qualitative Interviews wurde ein Feedback aus den Fachwissenschaften ange- erstellt und in die Herkunftssprachen (arabisch, wiesen. Eine Fachtagung sollte daher den Ertrag türkisch, eritreisch) übersetzt. 4 migrantische Inter des Projektes im Bereich der pädagogischen Wis- viewer*innen wurden ausgewählt. Der Frauenanteil senschaften reflektieren. Das Ergebnis war in der lag bei 75 %. Projektdokumentation zu veröffentlichen. 3. Mit dem aktualisierten Fragebogen fand am 21. 08. 2020 ein Workshop unter der Leitung von Planungen in Zeiten der Pandemie Gundula Grebner (Hofheim a.Ts.) zur Qualifizierung der 4 migrantischen Interviewer*innen im Roncalli- Die ursprüngliche Planung sah einen gestuften Ab- Haus Wiesbaden als Präsenzveranstaltung statt. lauf des Projekts vor (s. u. Step 1 bis 7), dessen ur- Im Anschluss begann die Interviewphase, in der sprüngliche Terminierung im Meilensteinplan in der bis zum 01. 10. 2020 acht leitfadengestützte Inter- Fassung vom 13. 02. 2020 vorlag. Durch den ersten Lock views geführt werden sollten. Parallel dazu wurden down im Frühjahr 2020 wurde eine Änderung dieser die Anleitungen und Übungen zur Transkription Terminierung notwendig. Dadurch verschoben sich der Interviews durchgeführt. Dies geschah auf- die geplanten Meilensteine um mehrere Monate nach grund der Hygienevorschriften nicht mehr als hinten. Die neue Terminierung wurde im Meilenstein- Präsenzveranstaltung, sondern durch Zoom- plan in der Fassung vom 31. 03. 2020 noch vor Geneh- Konferenzen und durch einen zusätzlich angebo- migung des Projekts bekannt gegeben. Auf dieser tenen digitalen Workshop am 11. 09. 2020. Die Grundlage erging der Zulassungsbescheid. In dieser Durchführung der Interviews konnte jedoch nur Form konnten alle bis zum 01. 11. 2020 terminierten in Präsenz geschehen. Meilensteine (Step 1 bis 4) wie geplant durchgeführt werden. 4. In weiteren Werkstattgesprächen – am 08. 09. und 27. 10. 2020 in Limburg mit jeweils 6 Teilnehmer Im Oktober 2020 mussten wir aufgrund der ver- *innen, am 16. 09. 2020 in Wiesbaden mit vier Teil- schärften Hygienemaßnahmen im Landkreis Limburg- nehmer*innen – sichteten die am Projekt betei- Weilburg sowie im Rhein-Main-Gebiet von reinen ligten migrantischen Partner*innen die Ergebnisse Präsenzveranstaltungen Abstand nehmen und ent- aus Step 1 bis 3 und wählten Inhalte für die ge- wickelten für die ausstehenden Meilensteine daher planten Tandemvorträge aus. ein neues, kleineres Setting im hybriden Format. So wurde für Step 5 das Peer-Review in Limburg als 5. Aufgrund des Lockdown ab November 2020 konn- Hybrid-Veranstaltung mit nur 8 Teilnehmer*innen te die bis zum 01. 12. 2020 geplante Qualifizierung durchgeführt, und für Step 6 wurde statt der Fach von 2 interreligiösen Tandemteams für Vorträge tagung eine Hybrid-Veranstaltung in Form einer nicht vorgenommen werden – diese Maßnahme Fachexkursion mit max. 10 Teilnehmer*innen ge- kann nur in Präsenz erfolgen. Die bereits ausge- plant. wählten Referent*innen werden nach Projektende qualifiziert, je nach den Hygienevorschriften im Durch den erneuten Lockdown ab November 2020 Jahr 2021. wurde die weitere Durchführung auch dieser Hybrid- Formate unmöglich gemacht. Größere Teile der Meilen Da die Themenauswahl zur Erarbeitung der Tan- steine von Step 5 bis 7 konnten in dieser Form bis zum demvorträge aber bereits geschehen war, konnte Jahresende 2020 nicht mehr erreicht werden. Durch entsprechend den Zielvorgaben (Step 1-4) zwei 9
Formate von Bildungsveranstaltungen konzipiert f ür muslimische Teilnehmer*innen solcher Bil- werden. Es handelt sich um die folgenden drei dungsveranstaltungen Veranstaltungen: für nicht-muslimische Teilnehmer*innen solcher Bildungsveranstaltungen wei digitale Formate zweisprachiger Vorträge Z für säkulare / konfessionsfreie Teilnehmer*innen für Tandemreferent*innen: solcher Bildungsveranstaltungen ተዋህዶ ቤተ ክርስትያን ኤርትራ (Die Eritreisch- c. einem Vorschlag für ein alternatives Setting sol- Orthodoxe Kirchel) »Hüter des Verlorenen Schat- cher Bildungsveranstaltungen zes«: zweisprachiger Vortrag (tigrinya / deutsch) zur Inszenierung alternativer Diskurse اليوم معنا في أوروبا- المسيحية في الشرق األوسط zur Implementierung und Didaktisierung alter- (Christen des Orients – gestern dort und heute bei nativer Bildungsformate zum Thema Religion uns): zweisprachiger Vortrag (arabisch / deutsch) zur Nutzung alternativer Bildungsorte zum The- »Was uns eint, und was uns trennt. Muslime und ma Religion Nicht-Muslime im Gespräch« – Eine Präsenzver- d. zwei Niveaukonkretisierungen im Hinblick auf die anstaltung zum nachbarschaftlichen Zusam- geplanten Tandemvorträge: menleben von Muslim*innen und Nicht-Mus- eine Präsenzveranstaltung zum nachbarschaft- lim*innen in Limburg (bei Bedarf zweisprachig: lichen Zusammenleben von Muslim*innen und türkisch / deutsch). Nicht-Muslim*innen in Limburg (»Was uns eint, und was uns trennt. Muslime und Nicht-Muslime Diese letztgenannte Veranstaltung ist als Begeg- im Gespräch«) nungslernen von Nachbar*innen / Mitbürger*in- zwei digitalen zweisprachigen Veranstaltungen nen konzipiert und wartet aufgrund des Lockdown zu kulturellen und religiösen Lebenspraktiken noch auf Hygienebedingungen, welche erste orientalischer Christ*innen in Deutschland und Durchführungen erlauben. in ihren Herkunftsländern. Ebenfalls digital wurden wie geplant die Grund- Diese Grundlagen eines Bildungskonzepts wurden lagen eines Bildungskonzepts erarbeitet und von auf dem Peer-Review am 19. 11. 2020 in Limburg kol- der Limburger Gruppe auf einer Hybrid-Veranstal- legial beraten. Die Schriftfassung (s. u.) wurde von tung am 19. 11. 2020 mit 8 Teilnehmer*innen vor- allen Teilnehmer*innen des Limburger Gesprächs- gestellt. Diese Grundlagen wurden durch ein kreises auf einem Miro-Pad als Autorengemeinschaft Peer-Review kommentiert. Als Peers trugen der erarbeitet und wird im folgenden Artikel dieser Bro- Direktor der VHS Limburg-Weilburg (Michael schüre vorgestellt. Schneider) und die WIR-Koordinatorin des Land- kreis Limburg-Weilburg (Marie Ostermann) ihr Ziel (2) konnte in der Pandemie in Bezug auf die Quali Feedback bei, das in den Grundlagen des Bildungs- fizierung von Tandemteams nicht im Projektzeitraum konzepts dokumentiert ist (s. u.). erreicht werden (Begründung s. o.). Sehr wohl erreicht wurde die Aufstellung von Bildungsveranstaltungen, 6. Die geplante Fachtagung konnte aufgrund des die zukünftig von den Tandemteams realisiert werden Lockdown ab November 2020 nicht als Präsenz- sollen. Die Veranstaltung »Was uns eint, und was uns veranstaltung stattfinden. Auch die für den trennt. Muslime und Nicht-Muslime im Gespräch« ist 14. 11. 2020 angesetzte Ersatzveranstaltung in hy- als Präsenz-Veranstaltung (Begegnungslernen) kon- brider Form (Fachexkursion »Narrative religiöser zipiert und wartet auf die erste Möglichkeit zur Durch- Diversität des christlichen Orients« in Kloster Arn- führung in Limburg, sobald die Hygienevorschriften stein) musste aufgrund der Hygienevorschriften es zulassen. Die beiden zweisprachigen digitalen kurzfristig zweimal abgesagt werden. Formate (tigrinya/dt. und arabisch/dt.) wurden von den Projektverantwortlichen in einem Probedurch- 7. Das komplette Ergebnis des Projektes wird mit lauf vorgestellt und warten nun auf ihre Tandemteams. er vorliegenden Broschüre (print- und online- d Versionen) dokumentiert. Ziel (3) wurde insofern erreicht, als dass die individu- ellen religiösen Lebenspraktiken und Formen des Umgangs mit ihnen in sieben leitfadengestützten Ergebnisdarstellung Interviews dokumentiert und für die Aufstellung der beiden o.g. Bildungsformate ausgewertet werden Die Ergebnisdarstellung erfolgt anhand der Zielvor- konnten. Ziel (3) wurde insofern nicht erreicht, als die gaben (Kap. Ziele). Das erste Ziel wurde vollständig Veranstaltung einer Fachkonferenz während des erreicht. Die gemeinsam erarbeiteten Grundlagen Lockdown im November 2020 nicht möglich war. für ein Bildungskonzept bestehen aus: a. einer kompetenzorientierten Diskussion von Bil- dungszielen zum Thema Religion b. einer zielgruppenspezifisch differenzierten Prob- lemanalyse 10
Kapitel 2 © picture alliance – Flashpic | Jens Krick Islam als Thema der Erwachsenenbildung Autoren: Gülistan Bağcı, Vorschläge für ein erweitertes Bildungskonzept Samet Gülen, Samed Maraşlıoğlu, Esat Öztürk, Lisa Thielsch, Frank van Bilder von Bildung der Gruppe auch in den Arbeitskreis der Muslime der Velden Limburg (AdM) hineinwirkt. Innerhalb der lokalen Mit den Büchern »Das Integrationsparadox« von Alad- migrantischen Eigenorganisationen tritt so eine jün- din el-Mafaalani und »Klartext zur Integration« von gere Generation hervor, für deren Selbstverständnis Ahmed Mansour wurden im Jahr 2018 zwei sehr un- »Integration« kein Begriff mehr ist. Für die Fallstudie terschiedliche Sichtweisen auf das Thema »gesell- bedeutet dies – im Sinne von Aladdin el-Mafaalani – schaftliche Teilhabe« vorgestellt. Aladdin el-Mafaa- eine Teilhabe auf Augenhöhe am gemeinsamen Tisch lani hat dabei das Bild eines ›Aushandlungsprozess konsequent anzustreben. am gemeinsamen Tisch‹ im Kopf, Ahmed Mansour hingegen das Bild der ›Schulklasse mit gemeinsam Gleichzeitig wird durch die Zusammensetzung der eingehaltenen Regeln‹. Wenn diese Bilder auf »Islam Gruppe eine gewisse Grenze des Vorhabens deutlich: als Thema der gesellschaftlichen Erwachsenenbildung« In ihr sind die Stimmen der sozial Verletzlichen, der übertragen werden, so stellen sich folgende Fragen: formal weniger Gebildeten, der Menschen mit eige- Wo werden die Konzepte und Settings solcher Bil- ner Flucht- oder Migrationserfahrung, sowie die Stim- dungsveranstaltungen unter Beteiligung der musli- men der älteren Generation nicht repräsentiert. mischen Community ausgehandelt? Oder werden sie gar nicht ausgehandelt, sondern durch die Regeln, Bildungsvorstellungen und medialen Diskurse der Werkstattgespräche Mehrheitsgesellschaft vorgegeben? Zwischen Juli und Oktober 2020 traf sich die Gruppe zu drei Werkstattgesprächen, in denen einzelne The- Die Gruppe der Verfasser*innen menblöcke behandelt wurden: Bedarfsanalyse (kom- petenzorientierte Frage nach möglichen Bildungs- Was würde passieren, wenn Mitglieder der lokalen zielen), zielgruppenspezifische Problemanalyse (wel- muslimischen Communities selbst die Konzepte und che Schwierigkeiten haben die einzelnen Zielgruppen das Setting solcher Bildungsveranstaltungen zum mit den bisherigen bekannten Formaten und Settings Thema Islam entwickeln? Dieser Beitrag liefert dazu von Veranstaltungen?), Vorschläge für ein alternatives eine Fallstudie. Seine Autor*innen sind überwiegend Setting von Bildungsveranstaltungen (Wie können Young Muslim Professionals – junge Akademiker bereits existierende Veranstaltungsformate beraten *innen mit einem lokalen Bezug zum Landkreis und optimiert werden?). Das erste Werkstattgespräch Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani im Podiumsgespraech zum Limburg-Weilburg (Frauenanteil der Gruppe 40 %). im alten Rathaus Limburg wurde von Ursula Hötter- Thema Einwanderung Koordinator der Gruppe ist Imam Esat Öztürk (Bil- ges (LEA – Limburger Ehrenamtsagentur) über ein beim Kirchentag 2019 in dungs- und Kulturverein Limburg), über den die Arbeit fachliches Feedback begleitet. Dortmund 11
Die Ergebnisse wurden protokolliert und zum Entwurf Frommer Wunsch – oder relevantes eines Bildungskonzepts zusammengefasst. Um für Bildungsziel? die endgültige Schriftfassung eine möglichst gleich- berechtigte Autorenschaft zu ermöglichen, wurden Im Peer-Review wurde deutlich, dass sich diese Bil- alle Protokolle und Dokumente auf einem Miro-Pad dungsziele mit den Bedarfen anderer Bildungsträger abgelegt. Alle Autor*innen trugen hier ihre persön- im Landkreis Limburg-Weilburg durchaus treffen. So lichen Priorisierungen von Aussagen und Zielen des betonte Michael Schneider die Bedeutung der Begeg- Konzepts ein, korrigierten und ergänzten die Doku- nung von und mit Menschen aus diversen familiären, mente zu eigenen Rechten. Das dadurch entstandene ethnischen und religiösen Hintergründen in den Kur- Textgewebe bildet also den Prozess eines gemeinsa- sen der VHS. Neben der Vermittlung formaler Kennt- men Schreibens ab. nisse, z. B. der deutschen Sprache, nutze man die Ge- legenheit, um die Teilnehmenden über ihre Wertevor- stellungen, und damit auch über ihre Feiertage und Zur Rolle des Peer-Review Feste in den jeweiligen Kulturen/Religionen und deren Hintergründe berichten zu lassen. Auch Erfahrungen Für den Abschluss der Werkstattgespräche wurde ein von geflüchteten Menschen, ihr Leben vor dem Krieg, fachliches Feedback von Limburger Bildungsträgern das Leiden und der Fluchtweg werden thematisiert. erbeten. Anhand des Konzeptentwurfes wurde dabei Marie Ostermann regte hingegen eine größere Sicht- die Frage beraten, ob die Gruppe ihre selbst gesteck- barmachung der ehrenamtlichen Bildungs- und Sozial ten Ziele konsequent verfolgt hat. Zudem sollte die arbeit migrantischer Eigenorganisationen an. Von Relevanz der Gruppenergebnisse für die Veranstal- außen sei die intensive Jugendarbeit, Frauenarbeit tungsformate anderer Bildungsträger gespiegelt und Erwachsenenbildung z. B. der Moscheegemeinden werden. Dies geschah am 19. 11. 2020 in Form eines kaum erkennbar. Daher würden diese in der Außen- (digitalen) Peer-Review, für das sich Marie Ostermann wahrnehmung meist auf die Vermittlung von Glau- (Koordinatorin des WIR-Projekts im Landkreis Limburg- benslehren und -praktiken beschränkt. Weilburg) und Michael Schneider (Direktor der VHS im Landkreis Limburg-Weilburg) zur Verfügung stell- Bildungsveranstaltungen zum Thema Islam sollten ten. also die Wahrnehmungskompetenz stärken, um die Vielfalt der muslimischen Lebenspraktiken und Ge- meinschaften und ihren positiven Beitrag zur Gesamt- Bildungsziele und Kompetenzen gesellschaft in den Blick nehmen zu können. Sie soll- ten weiterhin die kommunikativen Kompetenzen Das Thema Religion, insbesondere der Islam, erscheint stärken, um ein empathisches Interesse zwischen in vielen Bildungsangeboten und in ihrer medialen allen Teilnehmer*innen zu ermöglichen, das einen Aufbereitung als Risikofaktor und wird aus einem kritischen Diskurs durchaus einschließt. Blickwinkel der Gefährdung individueller oder gesell- schaftlicher Freiheiten in Augenschein genommen. Die Autor*innen vermissen dabei den ressourcenori- Eine zielgruppenspezifisch differenzierte entierten Blick auf das Thema: Wir sollten (auch) über Problemanalyse den Nutzen reden, den die Gesellschaft und der Ein- zelne durch die Religion, also auch durch den Islam Nicht-muslimische Teilnehmer*innen solcher haben. Bildungsveranstaltungen Die Problemanalyse beschäftigt sich in einem ersten Im Kontext solcher Bildungsveranstaltungen sollten Schritt mit der Frage, was auf Seiten der Nichtmusli- muslimische Teilnehmer*innen primär als Menschen me eine gelungene Kommunikation zwischen den und Mitbürger*innen wahrgenommen werden, die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Mi- eine Religion haben. Häufig werden sie anders herum lieus zum Thema Religion behindert. Es herrscht oft als Vertreter*innen einer Religion wahrgenommen – wenig eigenes Wissen zum Thema Islam. Die mediale und der Mensch verschwindet dahinter. Dabei geht Behandlung der Thematik und dadurch angeeignetes es in solchen Bildungsveranstaltungen nicht darum, Wissen ist nicht ausreichend und eher ungünstig für islamische Lehrsätze zu verteidigen oder bestimmte einen fundierten Wissenserwerb. Oft wird dort auf- individuelle Glaubenspraktiken gegenüber der Mehr- grund der politischen Aufladung des Themas Islam heitsgesellschaft einzufordern. Es soll vielmehr Inte- sowie der negativen Konnotation einiger Begriffe resse am anderen und seiner Religiosität geweckt (z. B. ‚Kopftuch‘), in erster Linie der Austausch von werden, die in ihrer individuellen Vielfalt erfahrbar vorgefassten Meinungen gesucht. Fraglich ist, wie ist. Neugier ist eine gute Voraussetzung für ein sol- viele Menschen die nächstgelegene Moschee in ih- ches Gespräch – und auch Kritik an der Religiosität rem Umfeld kennen oder wissen, was dort gemacht des anderen ist legitim, solange sie mit Empathie wird? Es kann sicherlich niemandem vorgeschrieben verbunden ist. Dafür aber braucht es Übung im Dis- werden, in eine Moschee zu gehen. Wenn Menschen kurs, damit solche Kritik nicht verletzend wirkt, son- aber durch die Medien mit einem Thema konfrontiert dern angenommen werden kann. sind und sich darüber Gedanken machen, wäre es 12
zumindest hilfreich, sich persönlich vor Ort mit dem menschlich vorgegeben ist. Um diese Hindernisse zu Thema auseinander zu setzen und sachliches Wissen überwinden oder zu minimieren, würde es aber hel- anzueignen. Diese persönliche Auseinandersetzung fen, die meist übersehene Vielfalt wahrzunehmen, die mit dem Thema fehlt zumeist. Vielmehr erwarten Individualität und Diversität in der muslimischen Com- viele Teilnehmer*innen, dass Stereotype und vor munity zu erkennen und zu respektieren. So kann man gefasste Meinungen bestätigt werden. Die Bildungs- mühelos ein viel besseres Einfühlvermögen gewinnen, arbeit soll hier mit Veranstaltungen gezielt gegen- insbesondere um die Menschen einfach persönlich steuern. zu verstehen. Es geht eigentlich um das Menschliche und zweitrangig um das Religiöse. Aber das Mensch- Der zweite Punkt ist, dass das, was ein*e Muslim*in liche wird unbewusst in den Hintergrund gestellt und sagt, automatisch »dem Islam« zugeschrieben wird. das Religiöse tritt sodann in den Vordergrund. Die Erklärungen einer ausgebildeten Islamtheologin oder eines Imams müssen hier aber eine stärkere Zudem ist die Gleichstellung der islamischen Religion Aussagekraft haben als die einer muslimischen Einzel mit einer auf den Islam bezogenen, politischen Ideo- person, die in Bezug auf den Islam kein akademisches logie ein weiteres Hindernis für eine konstruktive Studium gehabt hat. Überwiegend nehmen viele Debatte. Der Islam ist ein Glaube und keine Ideologie. Menschen den Glauben ihrer Eltern oder Vorfahren Allerdings gibt es Ideologien, die dem Islam zuge- an, und auch Muslim*innen haben dadurch einen ordnet werden oder der Islam wird als Grund für diese vorgegebenen Rahmen, in dem sie ihren Glauben Weltsicht angesehen. Demokratie und Islam werden leben. In den Stellungnahmen solcher Personen wird gegenübergestellt. Dies führt häufig zu einer sehr auch das, was vielleicht einen kulturellen oder einen destruktiven Debatte. Demokratie ist kein exklusiv traditionellen Hintergrund hat, so betrachtet, als ob »westlicher« Wert. Demokratie ist ein Wert aller und es notwendig ‚zum Islam‘ gehöre. Dies führt zu einer für alle. Die Grundannahme, Muslime seien nicht fä- Verallgemeinerung und häufig zu Stigmatisierungs- hig für die Demokratie oder demokratiefeindlich, ist erfahrungen anderer Muslim*innen. kontraproduktiv. Bis zu einem gewissen Grad sind der Austausch von Im Gegensatz zu einer ergebnisoffenen und sachli- stereotypen, vorgefassten Meinungen: »Der Muslim chen Begegnung geht es in solchen Diskussionen zu ist aber doch so …!« und die Suche nach einer Bestä- oft darum, Recht haben zu wollen. Dies gilt sowohl tigung derselben unvermeidbar, weil dieses Verhalten für Nichtmuslime als auch für Muslime. Mit dieser 13
Grundhaltung ins Gespräch zu gehen, erschwert die bringt später einige Probleme mit sich. Das Selbst- Diskussion. Es sollte in erster Linie nicht darum gehen, wertgefühl ist beeinträchtigt, weil es im frühen Kin- sich zu verteidigen, sondern vielmehr zu versuchen, desalter durch die fehlende Ausdrucksfähigkeit ge- den Anderen zu verstehen. Dafür ist es von enormer schwächt wird. Aber auch durch einige kulturelle Bedeutung, in Bildungsveranstaltungen die Situation Aspekte der deutschen Gesellschaft, die man zuhause von »Angriff und Verteidigung« zu vermeiden oder nicht mitbekommt. Dies bringt eine gewisse Angst erst gar nicht herzustellen. hervor. Weiterhin gibt es den Aspekt der Vorurteile – sowohl aus nichtmuslimischer als auch aus musli mischer Sicht. Muslimische Teilnehmer*innen solcher Bildungsveranstaltungen All dies führt zu einer Angst vor der Erfolglosigkeit des Gesprächs. Fast jede*r hat schon einmal damit In einem zweiten Schritt setzt sich die Problemanalyse schlechte Erfahrungen gemacht, manchmal auch mit der Frage auseinander, was auf Seiten der Musli- Diskriminierungserfahrungen. Es ist somit schwierig, me eine produktive Kommunikation behindert. Es ist auf Vorbehalte oder Vorurteile von Nichtmuslim*innen festzuhalten, dass nach wie vor eine mangelnde richtig zu reagieren. Zwei typische Verhaltensweisen Sprachfähigkeit bei vielen Muslimen, insbesondere von Muslim*innen, die beide problematisch erschei- zum Thema Religion vorherrscht (»Drücke ich mich nen, sind: Das sich Zurückziehen in die Opferrolle, sachlich richtig und verständlich für mein Gegenüber wenn der Islam unfair angegangen wird. Alternativ: aus?«). Die älteren Generationen sind eingewandert Wenn der Islam unfair angegangen wird, rutscht man und hatten beschränkte Möglichkeiten die deutsche oft in eine Verteidigerrolle. Für Bildungsveranstaltun- Sprache zu lernen, da sie sich um Haushalt und Fa- gen erscheint dieses Problem in Bezug auf Kompetenz milie kümmerten oder auch in türkischer Nachbar- und Auskunftsfähigkeit der muslimischen Teilnehmer schaft nicht Deutsch sprechen mussten. *innen äußerst relevant. Die bestehende Sprachbarriere auf muslimischer Seite ist somit der erste kommunikationshindernde Säkulare / konfessionsfreie Teilnehmer Punkt. Es fällt vielen Muslimen schwer, türkische oder *innen solcher Bildungsveranstaltungen arabische Wörter ins Deutsche zu übersetzen. Zudem reicht eine einfache Übersetzung für das religiöse Der dritte Teil der Zielgruppenanalyse fragt nach Fachvokabular nicht aus. Es sind Definitionen und Schwierigkeiten im Gespräch mit säkularen/konfes- semantische Begriffsfüllungen notwendig. Dies ist sionsfreien Teilnehmer*innen. Es wird unterstrichen, für den Großteil der Muslime nicht möglich, der über dass der Austausch mit christlichen und jüdischen keine fachliche formale Ausbildung verfügt, z. B. weil Mitbürger*innen leichter fällt, da dort trotz der dog- es keinen oder zu wenig islamischen Religionsunter- matischen Unterschiede die gleiche religiöse Grund- richt an den Schulen gibt. Auch in Freitagspredigten, haltung erwartet wird – im Gegensatz zum Gespräch die auf Deutsch gehalten werden, trifft man auf solche mit atheistischen und agnostischen Teilnehmer*innen, Wörter, die nicht einfach ins Deutsche zu übersetzen in deren Kreisen Religion häufig ein Tabuthema des sind. Daher steht die Frage im Raum, wie man diese säkularen Diskurses ist. Begriffe denn überhaupt vermitteln kann. Viele Mus- lime empfinden deshalb eine Konversation mit Nicht- Vernunft und Glaube werden häufig gegeneinander muslimen als eine große Hürde. ausgespielt. Religion scheint einer Sphäre der Irrati- onalität zugehörig, der die rationale Welt entgegen- An zweiter Stelle kommt das Wissen über die eigene steht. Im Gespräch mit säkularen Menschen wird oft Religion. Dementsprechend nehmen, wie bereits eine Infragestellung der Religion erfahren: »Wenn es erwähnt, viele Muslime das religiöse Wissen eher aus Gott gibt, warum gibt es dann so viel Leid auf der der Familie und dem erweiterten Haushalt als aus der Erde?« »Die Religionen waren so oft die Ursache für Schule mit. Häufig reicht das für einen gelungenen Kriege.« »Ich habe an einen Gott geglaubt, jetzt nicht Informationsaustausch nicht aus. Viele Muslime sind mehr. Wie kann man so naiv sein?« Es wird befürchtet, nicht in der Lage zu sagen, dass sie kein Wissen ha- dass manche konfessionsfreie Diskussionspartner ben, wenn sie zum Islam befragt werden. Dies ist ein *innen daraus eine Abwertung von Religion ableiten generelles Problem. Man fühlt sich gezwungen, eine (nach dem Motto: »Ich bin vom Glauben zum Wissen Antwort auf die Fragen zu geben und kann dann konvertiert«). So wie religiöse Menschen sich in dieser nicht einfach sagen, dass er oder sie dazu kein Wissen Gesprächssituation oft stigmatisiert fühlen, geht es hat, zumal wenn Personen mit ‚typischen Merkmalen‘ umgekehrt auch atheistischen und agnostischen die Rolle als Expert*in automatisch zugeschrieben Menschen, die sich in ihrer Nicht-Religiosität abgelehnt wird. fühlen. In dieser Situation fehlen häufig die gegen- seitige Sensibilität und das Verständnis. Ein weiterer wichtiger Punkt: Viele muslimische Kin- der wachsen mit zwei Sprachen auf. Im Kindergarten In der säkularen Gesellschaft gibt es Schwierigkeiten, sind sie mit einer neuen Sprache konfrontiert. Dies Spiritualität, Religiosität und Vernunft miteinander 14
in Harmonie zu bringen. Es fehlt oft an Verständnis, veranstaltung, in der Referent*innen frontal reden – was Glaube heute bedeuten kann und die Sensibili- und der Rest zuhört. Die Tandem- oder Kleingruppen sierung für Menschen, die an eine Religion glauben. gespräche werden dabei um einen vorgegebenen Welche Religion auch immer diese ist. Für einen ers- thematischen Inhalt geführt. ten Zugang zu diesem Thema sind z. B. die Angebote der vhs Limburg-Weilburg (s. o.), über religiöse Feste Nicht nur die hohe Theologie, sondern vor allem der zu sprechen, begrüßenswert. Weiterführend wäre es gelebte Islam findet in der Veranstaltung Platz. Dies wünschenswert, diese Veranstaltungen so anzupas- gibt für viele Menschen die Gelegenheit, an solchen sen, dass sie auch für ein breiteres Publikum, z. B. für Veranstaltungen aktiv teilzunehmen. Gemeinsame Jugendliche, attraktiver werden. Betroffenheit im Sinne des kollektiven Gedächtnisses zu artikulieren, kann dabei ein guter thematischer Dennoch fehlt auch hier der gewisse, tiefer gehende Ansatz auch für Gruppen sein, die noch wenig mitei- Austausch, der über Sachinformationen hinausgeht: nander vertraut sind. Zum Beispiel sind wir alle in der Es wird über die eigenen individuellen Überzeugun- Corona-Zeit gleichmäßig betroffen und in gleicher gen nur sehr oberflächlich oder gar nicht geredet. Weise herausgefordert – etwa was den Besuch von Über die eigene Religiosität mit nichtreligiösen Men- Gotteshäusern und das einsame Verbringen von Fes- schen zu reden, ist häufig aber grenzwertig. Man will ten und Feiertagen angeht. Dies kann zum Anlass weder missionieren, noch verletzt werden. Mangels eines Austauschs genommen werden: Wie bestimmt einer überzeugenden »Geschäftsordnung« für einen dies unser Leben? Wie gehen wir damit in unserer solchen Austausch ziehen sich religiöse Menschen Glaubenspraxis um? dann oft aus solchen Diskussionen zurück. Die fol- genden Vorschläge für ein alternatives Setting möch- ten eine »Geschäftsordnung« anregen, die Bildungs- Das Setting: Über Religion reden heißt veranstaltungen zum Thema Islam für alle genannten Beziehung gestalten Zielgruppen – konfessionell gebundene und konfes- sionsfreie Menschen – angenehm und sinnvoll macht. Um alternative Diskurse in Bildungsveranstaltungen zum Thema inszenieren zu können, werden abschlie- ßend Stichpunkte für ein alternatives Veranstaltungs- Vorschlag für ein alternatives Setting design zusammengetragen. Um die Relevanz der von Bildungsveranstaltungen zum einzelnen Punkte zu klären, werden die Kommenta- Thema Religion re aus dem Peer-review beigefügt. Um den genannten Schwierigkeiten der Zielgruppen zu begegnen, empfehlen die Autor*innen nicht die üblichen Fachvorträge auswärtiger Expert*innen oder die bekannten konfrontativ aufgestellten Podien. Vielmehr steht die aktive Begegnung von Nachbar *innen und Mitbürger*innen im Vordergrund des empfohlenen Veranstaltungsdesigns. Es wird versucht, menschliche Beziehungen und lokale Verortungen in den Vordergrund zu stellen. Dazu müssen persön- liche Vertrautheit und eine geschützte Atmosphäre geschaffen und vertraute Orte genutzt werden. Um Teilnehmer*innen aus der muslimischen Commu- nity zu ermutigen, werden idealerweise lokale und regionale Vertreter*innen der Glaubensgemeinschaften als Referent*innen eingeladen: Vertreter*innen, die man persönlich kennt und denen man auf der Straße begeg- nen kann. Dafür wird vorgeschlagen, dass persönliche Einladungen in der eigenen Gemeinde hilfreich seien. Es bietet sich weiterhin an, nicht auf Einzelveranstal- tungen zu setzen, sondern über eine Reihe von Veran- staltungen in der Gruppe der Teilnehmer*innen ein Wir-Gefühl herzustellen. Erst dann wird es möglich sein, sich persönlich zu öffnen und in die Tiefe zu gehen. Der persönliche Austausch – in Tandems oder Klein- gruppen wird gefördert. In einer privaten Atmosphäre ist die Interaktion viel leichter als in einer Plenums- 15
a. Warm werden miteinander, Beziehung steht vor ( Peer-Comment): Dieses Potenzial von Bildungs- dem Reden über Religion. Es muss über das Persön- veranstaltungen zum Thema Religion sollte für liche gehen und es muss sich etwas entwickeln kön- die Gesamtgesellschaft gesichert werden. nen, die Teilnehmer*innen müssen sich Zeit lassen. f. Entwickeln einer fairen Geschäftsordnung (Peer-Comment): Bildungsveranstaltungen zum Vielfalt von Deutungsmöglichkeiten eines Ver- Thema Religion sollten die Teilnehmer*innen haltens über Mitglieder aus der Community in persönlichen Kontakt bringen, um den ein- klären zelnen Menschen hinter den Fremdzuschrei- Sensibilisierung gegenüber religiösem Mobbing bungen zu erkennen (vs. Veranstaltungen über g. Entwickeln von Routinen (was empfindet der ein- »den Islam«). zelne angenehm, was als zudringlich). b. Gemeinschaft schaffen in der Nachbarschaft, ge- h. Beziehung pflegen durch Essen-Teilen (z. B. regel- meinsames Tun, Freizeit verbringen, Sport. mäßiger Apéro nach einer Veranstaltung). (Peer-Comment): Bildungsveranstaltungen zum i. Darüber hinaus ist es wichtig, von diesen positiven Thema Religion sollten einen lokalen Impact Begegnungen zu berichten (z. B. Zeitung, Fern haben (Kristallisationskeime für die Annäherung sehen, Radio, Social Media, etc.). Denn es braucht zwischen unterschiedlichen Menschen, die in in der öffentlichen Wahrnehmung positive Vorbil- der Nachbarschaft, im Fußballverein der Kinder der, um das Ganze nachahmenswert zu machen. etc. zusammenkommen). c. Vertrautheit schafft offene Räume, Beziehungen und Möglichkeiten Nutzung alternativer Bildungsorte zum Essen verbindet, z. B. durch gemeinsames Fasten Thema Religion brechen. Sich gegenseitig zu den Festen gratulieren (Re- Neutrale oder vertraute Orte sollten den Vorzug er- spekt / Interesse am anderen) halten. d. Gegenseitiger Respekt in hybriden Konstellationen / Orte vertrauter Gruppen, z. B. in Kitas / Schulen Entwicklung von Hybrid-Kulturen (und diese Gruppen als Teilnehmer*innen der Ver- (Peer-Comment): Bildungsveranstaltungen zum anstaltung) Thema Religion sind ein Generationenthema. Hier wäre die VHS als potenzieller Veranstaltungs- Es werden andere Diskurse im Freundeskreis ort gut, da sie »vertraute Gruppen« in Limburg bedient als gegenüber Angehörigen der älteren versammelt (Teilnehmer*innen von Sprachkursen Generationen. als potenzielle Zielgruppe) Auch die Moschee als gewohnten Bildungsort nut- zen (vertrautes Umfeld macht Mut, etwas zu sagen). Vertrautheit und geschützte Atmosphäre schaffen Die Autor*innen a. Daher kleine Gruppen, mehrere Termine ( Peer-Comment): Bildungsveranstaltungen zum Gülistan Bağcı, studiert Biologie, Chemie und Latein Thema Religion in kleinen Gruppen sollten ge- auf Gymnasiallehramt an der Goethe-Universität fördert werden (vs. die bereits bestehenden Frankfurt am Main größeren Veranstaltungen mit prominenten konfrontativen Podien). Lisa Thielsch, studierte Master of Education (kath. b. Schaffen eines offenen Raumes für Gespräche. Theologie u. a.) an der Johannes-Gutenberg-Univer- (Peer-Comment): Eine Begegnung mit Glaubens- sität in Mainz und konvertierte 2018 zum Islam. For- und Wertevorstellungen anderer Menschen schungsinteresse u. a. Empowerment von muslimi- erfordert eine geschützte Atmosphäre. schen Jugendlichen. c. Sich gegenseitig zeigen, wie man mit seinen reli- giösen Traditionen umgeht Samet Gülen, studiert Rechtswissenschaft an der (Peer-Comment): Bildungsveranstaltungen zum Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Daneben Thema Religion sollten einzelne Menschen dazu ehrenamtlich tätig in der Arbeit mit Kindern im res- ermutigen, mit anderen Menschen ins Gespräch sourcen- und defizitorientierten Bereich sowie in der zu kommen. muslimischen Jugendarbeit. d. Sachwissen über Religion soll mit dabei sein, aber interaktive Vermittlung und nicht als frontaler Ex- Samed Maraşlıoğlu, studiert Wirtschaftsingenieur- pertenvortrag wesen an der Technischen Universität in Darmstadt. (Peer-Comment): Bildungsveranstaltungen zum Thema Religion sollten die Teilnehmer*innen Esat Öztürk, schloss seine Imam-Ausbildung beim aktiv miteinbeziehen. Verband der Islamischen Kulturzentren 2008 ab und e. Kollektives Gedächtnis als Gegenstand der Veran- studierte Master Islamwissenschaft an der Philipps- staltung (Bsp. Wir und unsere Nachbarn, als wir in Universität in Marburg. Er leitet die Bildungsarbeit im Deutschland ankamen) Bildungs- und Kulturverein mit Moschee in Limburg. 16
Kapitel 3 Zur Bildungsarbeit im Islamischen Kulturzentrum Limburg Autor: Imam Esat Öztürk Kurzer Rückblick Öffentlichkeitsarbeit Der Verein »Bildungs- und Kulturverein Limburg e. V.«, Regelmäßig besuchen verschiedene Schulen, Kirchen, unter dem Dach des VIKZ-Bundesverbandes und sei- Kindergärten und interessierte Personen die Räum- nes hessischen Landesverbandes dient der umfas- lichkeiten und der offene Austausch wird angeregt. senden Glaubensverwirklichung. Zu Beginn der 1980er Zusätzlich bietet der Verein jedes Jahr am 3. Oktober – Jahre kamen muslimische, überwiegend türkische dem Tag der Deutschen Einheit – Moscheeführungen, »Gastarbeiter« zusammen, mieteten ein Haus im Lim- Vorträge, Ausstellungen, Informationsmaterialien und burger Ortsteil Elz und bauten es um in ein Gebets- Begegnungsmöglichkeiten an, die von vielen Besu- haus, um dort ihren religiösen Bedürfnissen nachzu- chern wahrgenommen werden. Dieser bewusst ge- gehen. Die Angebote Gemeinde nahmen mehr Men- wählte Termin für den Tag der offenen Moschee soll schen als erwartet wahr, sodass die Gemeindearbeit das Selbstverständnis der Muslime als Teil der deut- im Laufe der Zeit den Bedürfnissen der Muslime schen Gesellschaft und ihre Verbundenheit mit der entsprechend ausgebaut wurde. Die Räumlichkeiten Gesamtbevölkerung zum Ausdruck bringen. Im Fasten für die Arbeit der Gemeinde reichten jedoch nicht monat Ramadan lädt der Verein Interessierte zum mehr aus. Der heutige Sitz der Gemeinde, das in der Fastenbrechen ein. Dabei wird zusammen gegessen, Kernstadt Limburg auf der Westerwaldstraße ansäs- aber auch über unterschiedliche Themen diskutiert. sige Haus, wurde 2000/2001 erworben. Die einstige Es geht darum, den Dialog mit den Nachbarn zu för- Lagerhalle dort wurde abgerissen und das derzeitige dern und sie über den Islam zu informieren, dabei Haus wurde neu gebaut. bestehende Vorurteile über muslimisches Leben und Kultur abzubauen, sowie die Gemeinde vorzustellen. Im Mai 2004 fand die Einweihungsfeier statt. Seitdem führt die Gemeinde ihre Arbeit fort. Neben der reli- giösen Gemeindearbeit wurde über die Jahre die Bildungsarbeit Notwendigkeit der fehlenden Bildungsarbeit gesehen. Durch die Umstrukturierung des Bundesverbandes Zweck des Vereins ist die Förderung der Religion, der für die selbstständige Gemeinde- und Bildungsarbeit Erziehung und Bildung, der Jugendfürsorge sowie wurde der Bildungs- und Kulturverein Limburg e. V. der Kultur. Soziale, kulturelle sowie religiöse Dienste Imam Esat Öztürk (links) (BKV) am 12.06.2005 gegründet und kurz darauf beim gehören zur Gemeindearbeit und die Angebote er- und Weihbischof Dr. Amtsgericht Limburg eingetragen. strecken sich auf die Bereiche der Jugendförderung, Thomas Löhr 17
der Bildung und Erziehung, sowie der Integration. Der Verein befindet sich fortwährend im engen Kon- Der Verein setzt insbesondere in den Bereichen der takt mit Eltern und Erziehungsberechtigten, um in- Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit einen Schwer- dividuelle Wünsche der Jugendlichen in der Vereins punkt. Dazu hat der BKV Limburg ein Konzept ent- arbeit zu berücksichtigen und die Erziehung in der wickelt und führt seine Bildungsarbeit fort. Familie zu fördern. Regelmäßig werden mit Kindern und Jugendlichen altersgerechte Ausflüge veranstal- Das Ziel der Jugendarbeit ist die Förderung der Sprach- tet, um ihre Umwelt besser kennenzulernen und sich und Schulbildung, die gesellschaftliche Integration in Limburg heimisch zu fühlen. Dies dient der Erwei- und die Identitätsentwicklung von Jugendlichen. Da terung ihrer sozialen Kompetenz, Entfaltung ihrer Religion ein wichtiger Bestandteil der Identität ist, ver- persönlichen Fähigkeiten und zu besseren Integration dient die Orientierungshilfe in religiösen Fragen einen in die hiesige Gesellschaft. besonderen Fokus. Darüber hinaus brauchen Jugend- liche Gleichaltrige, mit denen sie sich austauschen und Im Rahmen seiner religiösen Bildungsarbeit bietet gegenseitig unterstützen können. Mit speziellen An- der Verein für Jugendliche religiöse Unterweisung in geboten trägt der Verein dazu bei, dass die Jugendli- Form von Wochenend- und Ferienangeboten an. chen zu einem selbstverständlichen Teil der Gesellschaft Durch die Kombination von religiöser Bildungs- und werden, sich mit den von den Eltern mitgebrachten Integrationsarbeit möchte der Verein sowohl die Kulturen und religiösen Prägungen weitgehend selbst- religiöse und kulturelle Identität von muslimischen bewusst auseinandersetzen, um sich eine selbst Kindern und Jugendlichen als auch deren interkultu- bestimmte Orientierung anzueignen.Durch deutsch- relle Kompetenz stärken, um Kinder und Jugendliche sprachige qualifizierte Kräfte werden den Jugendlichen zu befähigen, als aktive Muslime in der deutschen Nachhilfeunterrichte angeboten, Seminare organisiert Gesellschaft zu leben. Die Zielgruppe für die Wochen- sowie Sportturniere veranstaltet, um ihre Integration end- und Ferienangebote bilden Kinder und Jugend- sowohl in den Arbeitsmarkt als auch in das soziale liche zwischen 10 – 18 Jahren. Die Teilnahme ist frei- Leben zu erleichtern. In diesem Zusammenhang bietet willig und setzt das Einverständnis der Eltern sowie der Verein breitflächig schulische Unterstützung für der Jugendlichen voraus. Neben dem Religions Jugendliche an (Mo.–Do.: 14.00–17.00Uhr), insbeson- unterricht stehen verschiedene Kurse wie beispiels- dere Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe, Deutsch- weise Einführung in die Koranrezitation und arabische und Computerkurse. Ziel und Zweck dieser Angebote Phonetik auf dem Stundenplan. Zur Mittags- und ist es, schulische Defizite von Kindern und Jugendlichen Abendzeit steht den Jugendlichen freie Zeit für auszugleichen, ihre Bildungsentwicklung zu unterstüt- Hobbys und Gruppenaktivitäten zur Verfügung. zen, um ihnen eine qualifizierte berufliche Ausbildung und somit eine bessere Zukunftsperspektive zu er- möglichen. Die Jugendlichen sollen somit zu gesell- Impact des HC-Projekts 2020 für Arbeit schaftlicher Mitverantwortung und sozialem Engage- der Moschee ment angeregt werden. Das Hessencampus-Projekt 2020 ermöglichte der Moschee und dem Arbeitskreis der Muslime Limburg Der Verband der Islamischen Kulturzentren e. V. ist eine bereits im Jahr 1973 (AdM) als migrantische Selbstorganisation erstmals in Köln gegründete islamische Religionsgemeinschaft und ein unabhängi- eine Zusammenarbeit auf institutioneller Ebene mit ger und überparteilicher gemeinnütziger Verein. Ziel und Zweck der Ver- der Kreisvolkshochschule als Bildungsträger und dem bandsarbeit des VIKZ ist die religiöse, soziale und kulturelle Betreuung von Bistum Limburg als Kooperationspartner. Als Vertre- Muslimen in Deutschland. Weitere Kernaufgabe ist der Einsatz für die Ak- ter der Moschee und im Namen des Arbeitskreises zeptanz des Islam und der Muslime als Teil der deutschen Gesellschaft sowie der Muslime mit dem Hessencampus für die Erarbei- der interkulturelle Austausch. Hierzu arbeitet der VIKZ als anerkannter Part- tung eines Bildungskonzeptes mit dem Fokus auf die ner mit vielen anderen religiösen, gesellschaftlichen und staatlichen Insti- religiöse Diversität auf Augenhöhe zusammen zu tutionen der Bundesrepublik Deutschland auf Kommunal-, Landes- und kommen, ist ein sehr wichtiger und großer Schritt für Bundesebene zusammen. Der VIKZ finanziert sich ausschließlich über Mit- alle Teilnehmenden. Dieser Schritt zeichnet auch den gliedsbeiträge und Spenden. Ihm sind bundesweit 9 Landesverbände und Verein als lokaler Bildungsvermittler und Gesprächs- ca. 300 selbständige Gemeinden und Bildungsvereine angeschlossen. partner aus. Als muslimische Gemeinde im Limburger Kreis mit einer über vierzigjährigen Geschichte als Der VIKZ bildet als erster und ältester Dachverband seit den 1980er Jahren Kooperationspartner für Bildungsvermittlung wahr- seine Imame und muslimische Theologinnen in Deutschland aus. Diese Ab- genommen und ins Bildungsnetzwerk aufgenommen solventen sind hier in Deutschland sozialisiert und sind der deutschen Spra- zu werden, verändert das Selbstbild selbstverständ- che mächtig. lich im konstruktiven Sinne. Nicht zuletzt ist diese Entwicklung auf den Generationenwechsel zurück- Nach einer Umfrage der Deutschen Islamkonferenz (DIK) fühlen sich 7 % zuführen. Seinen Platz als Akteur in der Bildungsland- der Muslime in Deutschland vom VIKZ, der den drittgrößten Dachverband schaft anzutreten, hat sowohl für den Verein und darstellt, vertreten. Der Anteil der Muslime in Deutschland beträgt ca. 6 %. seine zukünftige Arbeit eine enorme Bedeutung. Quelle: www.vikz.de Dieses positive Signal ruft eine neue Sicherheit hervor und ermöglicht die Entwicklung neuer Perspektiven 18
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