Reportage Bio - Land Schweiz - Demoneterbo

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Reportage Bio - Land Schweiz - Demoneterbo
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oliv -∫ Land
Bio          SchweizRubrik
                      ∫ Reportage

                                       Züchterin Agata Leska
                                        engagiert sich für die
                                    Zukunft der Eiweisserbse.

24 oliv 5/2020
Reportage Bio - Land Schweiz - Demoneterbo
Erbse – die vergessene
Proteinquelle Europas
     Sieh, das Gute liegt so nah: Die einheimischen Eiweisserbsen
  stehen Soja, Kichererbsen und Linsen kulinarisch in nichts nach –
      und doch kennen sie nur Wenige. Das will Erbsenzüchterin
                    Agata Leska ändern. Ursina Steiner

A
          uf dem Tisch steht ein Hummus, liebe-         wundert insofern, als dass in der Schweiz die Ei-
          voll dekoriert. Für den Interviewtermin       weisserbse fast ausschliesslich für Tierfutter an-
          hatte Agata Leska Nachtschicht eingelegt      gebaut wird. Gerade im Biolandbau, wo die Dün-
und extra verschiedene Erbsenspeisen zubereitet.        gergaben eingeschränkt sind, ist die Erbse eine
«Für die Erbse mache ich fast alles», lacht sie, doch   willkommene Kultur: Über ihre Knöllchenbakte-
am energetischen Ton ist zu erkennen: Das ist           rien versorgt sie den Boden mit wertvollem Stick-
kein Witz. Dass die Eiweisserbse unter den Hül-         stoff. Angebaut wird die Erbse meist zusammen
senfrüchten ein Schattendasein fristet, kann die        mit einer stützenden Kultur wie Gerste, an der sie
studierte Agrarwissenschaftlerin nicht verstehen.       sich hochranken kann. Beide Kulturen werden zu-
«Erbsen sind einfach zuzubereiten, geschmackvoll        sammen geerntet, in der Futtermühle mechanisch
und nahrhaft. Sie stehen den Linsen oder Kicher-        getrennt und anschliessend im gewünschten Ver-
erbsen in nichts nach und sind gleichzeitig als Kul-    hältnis wieder den Futtermischungen beigegeben.
turpflanze viel besser an unser Klima angepasst.»
Die gebürtige Polin ist Feuer und Flamme für die
Leguminose, die über Jahrtausende den Speiseplan

                                                                                                                           Foto: Alle GZPK
in Europa bestimmt hat. Heute kennen wir haupt-
sächlich die moderneren süssen Zuchtformen der
Eiweisserbse, die noch grün als Zuckererbse oder
Kefen verwendet werden. Seit acht Jahren betreut
Agata Leska bei der Getreidezüchtung Peter Kunz
das Erbsenzuchtprogramm. «Bei uns in Polen wird
viel Forschung zur Eiweisserbse betrieben. In der
Schweiz hingegen wird diese interessante Kultur
sehr stiefmütterlich behandelt», erklärt sie. Gera-
de mal fünf Sorten stünden den Landwirten zur
Auswahl und auch diese würden derzeit noch
ohne Schweizer Sortenprüfung aus dem Ausland
übernommen. «Dabei gibt es in Europa über 200
verschiedene Sorten von Eiweisserbsen – und jede
schmeckt anders.»                                          Schweizer Bio-Züchtung
                                                           Die Getreidezüchtung Peter
HEUTE HAUPTSÄCHLICH VIEHFUTTER
                                                           Kunz entwickelt seit 35 Jahren
                                                           nach den Grundsätzen der biodynami-
Agata Leska testet auch die kulinarischen Eigen-
                                                           schen Pflanzenzüchtung robuste Sorten für den
schaften der Sorten, die sie kreuzt. Einige Sorten
                                                           Bioackerbau. Im Fokus stehen nachbaubare Sorten mit
würden beim Einweichen viel mehr Wasser auf-               besonderen Qualitäten für die menschliche Ernährung
nehmen, andere wiederum würden beim Kochen                 und den Anbau unter extensiven Bedingungen.
weniger schnell zerfallen. Auch geschmacklich sei          Der gemeinnützige Verein wird über Spenden von
die Bandbreite sehr gross. Dass sich die Pflanzen-         Privatpersonen und Stiftungen finanziert.
züchterin für solche Eigenschaften interessiert,           www.gzpk.ch

                                                                                              www.oliv-zeitschrift.ch 25
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                                                                              VON DER GELBEN ZUR GRÜNEN ERBSE

                                                                              Erbsen gehören zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Be-
                                                                              reits 7000 vor Christus wurden sie im Vorderen Orient angebaut
                                                                              und verbreiteten sich in der Jungsteinzeit nach Mitteleuropa. Dort
                                                                              gehörten sie über lange Zeit neben Einkorn, Emmer und Linsen zu
                                                                              den wichtigsten Ackerkulturen und dienten den Bauernfamilien in
                                                                              getrockneter Form und als Mus zubereitet als Nahrung, die ihnen
                                                                              half durch die harten Winter zu kommen. Erst im 17. Jahrhundert
                                                                              wurden für die königlichen Hofgesellschaften süsse Erbsensor-
                                                                              ten gezüchtet, die grün gegessen wurden. Vom Speisezettel ver-
                                                                              schwand die Trockenerbse aber erst im 20. Jahrhundert, als sich
                                                                              einerseits breitere Bevölkerungsschichten mit tierischem Eiweiss
                                                                              versorgen konnten und andererseits die Konservenfabriken und
                                                                              Tiefkühler das Konservieren der Zuckererbsen möglich machten.
                                                                              Noch heute ist die Unterart der Eiweisserbsen, die Zuckererbsen
                                                                              oder Kefen (Pisum sativum medullare), ein beliebtes Gemüse in Kü-
                                                                              che und Garten. In getrockneter Form enttäuscht diese allerdings,
                                                                              da sie beim Kochen nicht weich wird.

Im Sommer werden die ersten Erbsensorten aus eigener Züchtung fertig sein.

                            ZÜCHTUNG DAUERT VIELE JAHRE
                            «Meine Erbsensorten sollen nicht nur als Tierfutter,      Leska. Die Schweizer Biobauern können allerdings
                             sondern auch für die menschliche Ernährung ver-          von diesem Trend in der Industrie aber noch nicht
                            wendet werden können», erklärt Agata Leska. Nach          profitieren: Das Verfahren entspricht derzeit nicht
                             sieben Jahren Kreuzen, Vermehren und Selektio-           den Richtlinien von Bio Suisse. Diese besagt, dass
                            nieren werden diesen Sommer die ersten eigenen            Knospe-Produkte schonend hergestellt werden
                             Sorten der Getreidezüchtung Peter Kunz fertig sein.      sollen und auf unnötige Verarbeitungsschritte zu
                            «Bis wir genügend Saatgut für die Sortenprüfung           verzichten sei. Ob für die Gewinnung von Erbsen-
                            haben, dauert es aber noch weitere zwei bis drei          proteinen eine Richtlinienänderung vorgenommen
                            Jahre. Erst dann können wir unsere Sorten auch            werden sollte, ist der Dachverband der Schweizer
Eiweisserbsen –
auch Gelberbsen oder         auf dem Markt etablieren.» Als Erbsenzüchterin           Bioproduzenten aktuell am Diskutieren.
Körnererbsen ge-             braucht man nicht nur feine Finger zum Kastrie-
nannt – sind protein-       ren der Blüten – ein wichtiger Vorgang beim Züch-         HUMMUS, FALAFEL UND DAHL …
reich und einfach           ten –, sondern auch einen langen Atem und viel            Fragt sich, ob diese Verarbeitungsschritte bei der
zuzubereiten.               Zielstrebigkeit. Agata Leska hat beides. Ihr innerer      Erbse wirklich nötig sind? «Nicht unbedingt», sagt
                            Antrieb ist die Überzeugung, dass der Eiweisserbse        Agata Leska und sticht mit einem verschmitzten
                             die Zukunft gehört. «In der Nahrungsmittelindust-        Lächeln den Löffel in das hausgemachte Erbsen-
                            rie ist die Erbse bereits eine beliebte Basis für viele   hummus. «Das sind geschälte Erbsen, in Wasser
                            verarbeitete Produkte», weiss sie. Denn dank me-          eingeweicht und gekocht – das kann jeder ganz
                             chanischen und chemischen Extraktionsverfahren           einfach bei sich zu Hause machen.» Tatsächlich:
                            könne die Erbse quasi in ihre einzelnen Nährstoffe        Das traditionelle Gericht aus dem Orient schmeckt
                            zerlegt werden.                                           mit der einheimischen Erbse einzigartig cremig
                                                                                      und mild. «Im Gegensatz zu Soja oder Lupine sind
                            FLEISCHERSATZ AUS ERBSENPROTEINEN                         die Erbsen direkt vom Acker geniessbar», erklärt
                            Die Eiweisserbse besteht aus ca. 53% Stärke, 24%          die Agronomin. Nur in der Schale seien Bitterstoffe
                            Eiweiss, 18% Ballaststoffen, 3% Mineralien und 2%         enthalten, aber diese liessen sich nach dem Ein-
                            Fett. «Aus den Proteinen werden Sportlernahrung           weichen einfach entfernen. Und die im Handel er-
                             oder Fleischersatzprodukte hergestellt, aus der          hältlichen Erbsen, die sogenannten «Gelberbsen»,
                             Stärke zum Beispiel Nudeln und sogar die Roh-            seien bereits geschält. Ein Tipp von der Expertin:
                            fasern werden weiter verwertet», berichtet Agata          Nach etwa 20 Minuten Kochzeit die Erbsen noch

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Reportage Bio - Land Schweiz - Demoneterbo
Erbsen sind sehr gut an das Schweizer Klima angepasst.

etwas stehen lassen, bevor man sie püriert. Dann
würden sie das Restwasser noch aufsaugen und
der Hummus würde extra cremig. Auf diese Art er-
setzt Agata Leska auch die Kichererbsen im Falafel
und die Linsen im Dahl. Und natürlich kommen bei         REZEPT: AGATA LESKAS ERBSEN-HUMMUS
der der Pflanzenzüchterin zu Hause auch polni-
sche Nationalgerichte auf den Tisch: «grochowka»,        Zutaten: für ca. 10 – 15 Portionen
                                                                                              Vorbereitung:
ein Sauerkraut mit Erbsenmus oder «kapusta z gro-        150 g   gelbe Erbsen ohne Schale
                                                                                              Die Erbsen in heissem Wasser über Nacht
chem», mit Erbsen gefüllte Teigtaschen.                  2–3     Esslöffel Tahin
                                                                                              einweichen. Das heisse Wasser hilft,
                                                         1–2     Knoblauchzehen
                                                                                              die Oligosaccharide, welche Blähungen
… MISO UND TEMPEH MIT SCHWEIZER ERBSEN                   2       kleine Zwiebeln
                                                                                              verursachen können, abzubauen.
Für ihre Kochexperimente bedient sich Agata Leska        3       Esslöffel Zitronensaft
aus dem Zuchtgarten der Getreidezüchtung Peter           1       Esslöffel Olivenöl
                                                                                              Zubereitung:
Kunz. «Wir züchten nur mit den absolut besten Erb-       ½       Teelöffel Salz und Pfeffer
                                                                                              1 Das Wasser abgiessen und die Erbsen
sen weiter, das sind etwa 1% – die restlichen 99%        ½       oder mehr Teelöffel
                                                                                                mehrmals spülen. Danach die Erbsen
landen bei uns auf dem Teller», schmunzelt sie. Bei              Kreuzkümmelpulver
                                                                                                in frischem Wasser kochen bis sie
der Verwertung erhält sie Unterstützung von pro-
                                                                                                weich, aber noch nicht zerfallen sind
minenter Seite: So stellt der Fermentationskünstler      zum Bestreuen:
                                                                                                (ca. 20 Minuten). Nach Belieben
Patrik Marxer in seiner Manufaktur DasPure nach          1    Esslöffel Olivenöl,
                                                                                                2 bis 3 Lorbeerblätter mitkochen.
japanischer Fermentationskunst aus den Erbsen                 Petersilie fein gehackt,
                                                                                              2 Die Zwiebel goldgelb anbraten.
der Zuchtgärten Miso und Tempeh her, die traditio-            Paprika, süss
                                                                                                Mit den abgekühlten Erbsen und allen
nell auf Sojabasis produziert werden. Die Resultate
                                                                                                weiteren Zutaten gut pürieren.
seien verblüffend, berichtet Agata Leska. Die Erbse
                                                                                                Falls die Paste etwas fest ist, etwas
sei eine Alleskönnerin. Und so hofft die Pflanzen-
                                                                                                Wasser beigeben.
züchterin, dass ihre eigenen Sorten dereinst nicht
                                                                                              3 Mit Olivenöl, etwas Paprika und
nur fürs Vieh angebaut würden – sondern auch für
                                                                                                Petersilie anrichten. Am besten
all die Menschen da draussen, die sich ausgewogen
                                                                                                schmeckt das Erbsen-Hummus
pflanzlich ernähren und dabei auf Geschmack und
                                                                                                am nächsten Tag.
Regionalität nicht verzichten wollen.

                                                                                                          www.oliv-zeitschrift.ch 27
Reportage Bio - Land Schweiz - Demoneterbo Reportage Bio - Land Schweiz - Demoneterbo
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