Respekt Mit allem SOMMER 2020 2020 - Friesenkapelle ...
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SOMMER 2020 S O M MER 2 020 Mit alle m Respek t Das FSJ-Duo // Am Moment wachsen Ein ganz „normaler“ Sonntag // Die Gottesdienst-Reportage Mehr Nähe durch neue Medien JOURNAL DER KIRCHENGEMEINDE NORDDÖRFER // Die virtuelle Gemeinde
Unsere Themen Weisheit des MOMENTS 3 EDITORIAL Unser sponta n 5 NACHRICHTEN ist immer da es Tun s Beste 6 Ralph W IM GESPRÄCH: Mit den „Krisen-Zivis“ aldo Emerso n 9 DAS INTERVIEW: Wie geht‘s Ihnen, Herr Doktor? 13 DAS THEMA: Neue Formate für besondere Zeiten Impressum 19 IM PORTRÄT: Kirchenmusiker Oliver Strempler Herausgeber: Kirchengemeinderat Norddörfer // Bi Kiar 3 25996 Wenningstedt-Braderup 22 EIN KESSEL BUNTES: Nachrichten www.friesenkapelle.de norddoerfer-kirchenbuero{at}t-online.de 26 DER CLUB: Kreative Planung Redaktion: Imke Wein // imke{at}fofftein.net 28 MEINE MEINUNG: Ein Beitrag von Anna Goldbach Tel. 0162 1000925 Anna Goldbach 30 DIE REPORTAGE: Ein ganz „normaler“ Sonntag Layout & Produktion: Anja Buchholz // anja{at}fofftein.net 34 IMMER WIEDER Ansprechpartner: Rainer Chinnow Tel. 04651 889 25 00 // 0170 207 52 27 Kathrin Wenzel Tel. 04651 836 29 64 // Fax 04651 889 25 22 Fotos: Anna Goldbach // Maike Hüls-Graening // Roman Matejov // Tini Schluck // Wolfgang Schmidt shutterstock.com // Oliver Strempler // Imke Wein // Katrin Wenzel-Lück Druck & Verarbeitung: Eurodruck, Hamburg, www.eurodruck.org Norddörfer Kirchengemeinde: Stiftung „Üüs Serk“ Spendenkonten IBAN DE79 2179 1805 0000 2209 30 IBAN DE90 2179 1805 0000 0009 30 BIC GENODEF1SYL BIC GENODEF1SYL Bi Serk – das Journal der Norddörfer Kirchengemeinde erscheint im Frühjahr und im Winter mit einer Auflage von 3.000 Stück, im Sommer umfasst die Auflage 4.000 Exemplare. Bi Serk wird zudem als E-Jour- nal elektronisch versandt und steht zum Download auf der Webseite www.friesenkapelle.de bereit.
Liebe Freunde der Norddörfer Kirchengemeinde! MIT RESPEKT UND WÜRDE „Panama Jack“ steht vor meiner Haus- nach oben. Meine Hand natürlich auch. tür. Hat seinen typischen Hut auf. Das ist Dann lässt der Pastor den Schein auf den das Einzige, was bei ihm sauber ist. Er ist Boden fallen. ,Was macht der denn jetzt?’ unrasiert und riecht, als hätte er wochen- Hab’ ich gedacht? Dann springt er wie ein lang weder Wasser noch Seife gesehen. Verrückter auf den Schein, bespuckt ihn, Hoffentlich ist er mit zwei Euro zufrieden zerknüllt ihn und hält eine unansehnliche und ist gleich wieder weg. Triumphierend Kugel in die Höhe: Wer will den jetzt noch hält er mir einen völlig verdreckten 50 haben? Da waren es nur noch zwei Hän- Euro Schein entgegen. „Hat mir der Pas- de und meine. tor Stefansen im Gottesdienst gegeben“, meint er trocken. Der Pastor Stefansen steigt von der Kan- zel herunter, geht an den beiden anderen Ich sehe ihn fragend an: „Ja, kannst‘e mir vorbei und bleibt vor mir stehen. ,Hier „Panama Jack“ sieht mir in die Augen, glauben. Er hat was von Respekt erzählt. Panama Jack! Nimm den 50 Euro Schein. blickt in meine offene Hand, in der ich Und dass wir jeden Menschen mit Got- Und wenn du ihn ansiehst, denke da- die zwei Euro bereit halte, damit ich ihn tes Augen ansehen sollen. Sowas eben.“ ran: ,So wie dieser Schein noch immer schnell loswerde. Er hebt stolz seinen „Und dann hat er dir einfach diesen seinen Wert hat, so ist es auch mit uns Kopf, dreht sich um und geht. Ich sehe Schein in die Hand gedrückt“, sage ich Menschen, wenn wir sie mit Gottes Au- ihm nach. Dann schließe ich die Tür. Im und schüttele lächelnd den Kopf und will gen anschauen: Auch wenn du am Boden Flur sehe ich mein Gesicht im Spiegel. Es mich abwenden. „Panama Jack“ hat mir liegst. Wenn man dich tritt, anspuckt und ist rot vor Scham, als hätte mich jemand schon viele spannende und abenteuerli- verhöhnt. Ja, auch wenn die Menschen ertappt. che Geschichten erzählt. Die meisten zu die Nase rümpfen, weil du seit Wochen spannend und abenteuerlich, um wahr das Wasser meidest: Du bleibst Gottes Respekt fängt damit an, dass ich nicht zu sein. Geschöpf. Ganz gleich was geschieht. alles bewerte, und in Schubladen ver- frachte. Doch er lässt sich heute nicht beirren. Dann drückt er mir die 50 Euro in die „50 Euro – wer will die haben?“ hat Hand und sagt: Respekt fängt damit an, In diesen Zeiten auf der Insel fängt Re- Pastor Stefansen gerufen? „Und was dass sich keiner über den anderen erhebt, spekt damit an, dass ich aufhöre, von glaubst´e: Zweihundert Hände gehen weil er meint, er sei etwas Besseres.’“ ,dem Gast’ und ,dem Sylter’ zu reden, als
4 EDITORIAL wären es zwei unterschiedliche und un- Respekt sich in die höchste christliche vereinbare Welten. Respekt fängt damit Tugend wandelt: Liebe. Sich selbst ver- an, dass ich den Aufkleber „Sylter dürfen schenken – ohne Berechnung. das!“ von meinem Fahrzeug entferne. MUT Respekt fängt damit an, dass ich mich Liebe heißt Vertrauen aller Angst zum auf der Insel nicht so benehme, als wäre Trotz. Liebe heißt, im Nächsten zu er- Sylt mein Eigentum und Corona eine Er- kennen: Es begegnet uns ein Gottes- findung von Bill Gates. Und das gilt für Geschöpf, von Gott gewollt, mit Würde jeden. ausgestattet. Ein Mensch, nicht perfekt, steht am Respekt bedeutet zu erkennen, dass sondern mit Fehlern behaftet. Wenn wir uns aber geliebt wissen, lässt uns dies ANFANG alle Menschen Gottes Geschöpfe sind, auch uns selbst mit allen dunklen Seiten DES HANDELNS, GLÜCK miteinander verbunden – und wer noch und Mängeln ertragen. Sinne hat, die etwas wahrnehmen kön- nen, der erkennt auf der Insel gerade in Ich bin sicher, diese Erkenntnis hat das diesen Tagen und Wochen, wie sehr alles Potential, die Welt so zu verändern, dass miteinander verbunden ist – die Insel mit sie ein besserer Ort wird. Ein Ort, an dem am Ende. dem Festland, das Festland mit Europa, für alle „Panama Jacks“ spürbar ist, dass – DEMOKRIT Europa mit der Welt. von Menschen wie mir respektvoll ihre Würde geachtet wird. Respekt bedeutet, mit dem Verstand zu erkennen und mit dem Herzen zu fühlen, Nutzen wir diese besondere Zeit dass das Leben auf unserem kleinen Pla- und jeden Moment in unserem Le- neten weit bunter ist als meine kleine ben, um die Welt zu einem besseren Welt auf dieser Insel, auf dem Festland Ort zu machen und jede Begegnung und in diesem reichen Land. zu einem Geschenk. Respekt heißt, dass ich nicht nur mit dem Auf ein baldiges Wiedersehen freut sich Verstand begreife, sondern fühle, dass besonders jetzt jede Kreatur ein Gottesgeschöpf ist – nicht nur ich. Wenn dies vom Kopf ins Herz gelangt ist, dann kann es geschehen, dass der Pastor Rainer Chinnow
5 NACHRICHTEN NIEMEND LIEBT, OHNE DIE PERSON ZU RESPEKTIEREN uND IHR MIT GANZEM Taufen HERZEN zu vertrauen. – unbekannt Jonte Schmuck, Flensburg Luise Horstmann, Bielefeld Ehejubiläen Tilda Ellen Regenbogen, Hamburg Milan Schleichert, Ennepetal Silberne Hochzeit Ulrike Schroeder und Michael Ristovich, Lünen Todesfälle Heinz Neumeyer, 81 Jahre, Kampen Gerhard Schier, 69 Jahre Wenningstedt Margret Hansen, 90 Jahre, Westerland Horst Allmendinger, 78 Jahre, Wenningstedt Klaus-Peter Jessen, 67 Jahre, Wenningstedt Jürgen Hirschberger, 65 Jahre, Tinnum Jochen Strempler, 56 Jahre, Kiel Thies-Peter Havenstein, 32 Jahre, Hude
6 IM GESPRÄCH JARA PRAGER & FREYA HEINEN SIND... Durch und durch krisenfest Ob die Zwei durch das besondere Erleben des vergangenen Jahres wohl so eng miteinander verwoben sind, dass sie ein Leben lang in Verbindung bleiben? „Wenn sich jetzt im Sommer unsere Wege trennen, dann ha- ben wir erst bestimmt noch Kontakt. Aber dann – so auf lange Sicht, werden wir wohl nie so richtig eng mit- einander befreundet sein“, meint Freya (19) und ihre WG- und Arbeitskollegin stimmt ihr zu. „Das sehe ich auch so. Dafür sind wir einfach zu verschieden.“ Sie führen das weiter aus: Sie hätten sich super miteinander verstanden, auch in der gemeinsamen Wohnung über dem Pastorat. Gerade durch die Verschiedenheit hätten sie sich bei der Arbeit prächtig ergänzt. Viele unvergessliche Erfahrungen, aber eben keine Freundschaft fürs Leben. Um mit unter 20 zu einer solchen Quintessenz zu gelangen, bedarf es Menschenkenntnis, Reflektion und einer ungewöhnlichen Reife.
7 D ie beiden FSJlerinnen sind in allem, was sie tun und sagen verblüffend weit und durch und durch einkaufen gehen konnten und ihnen auf Distanz begegnen durften, waren wir natürlich mega streng mit den menbedingungen zu leisten und mit all den Auflagen umzugehen, aber auch mit immer neuen kreativen Ideen so zu authentisch. Bestimmt haben auch die Kontaktbeschränkungen – auch privat, gestalten und aus der Not eine Tugend besonderen Umstände ihres Freiwilli- versteht sich. Ich merke jetzt erst, was zu machen, hat beiden ganz viel Freu- gendienstes erheblich dazu beigetra- es für eine Belastung war, die ständige de bereitet „Wir sind im Improvisieren gen. Für ihren Einsatz in besonderen Angst davor, unsere Senioren anzuste- jetzt die Weltmeisterinnen“, versichert Zeiten haben sie jedenfalls eine Krone cken“, schildert Freya eindrücklich die auch Jara mit strahlendem Gesicht. (lat. „Corona“) verdient. zurückliegende Zeit. Unlängst hatte sie ein FSJ-Seminar und konnte den Druck Zusammen mit den Kolleginnen im Die beiden Abiturientinnen hatten sich dieser Verantwortung dort sehr gut ar- Pastorat und natürlich mit dem Pastor super „eingegroovt“ in ihren bunten tikulieren. „Zum Glück ist nichts pas- wurden neue Konzepte entwickelt für Bilderbogen an Aufgaben in der Kir- siert. Man merkt jetzt erst, was das mit Telefonaktionen, mit denen man alle äl- chenmgemeinde, als der Insel-Erlass einem gemacht hat. Umso wichtiger, teren Gemeindemitglieder kontaktiert Mitte März kam. „Plötzlich war nichts darüber zu sprechen“, weiß die junge hat, für Gottesdienste unter Einhaltung mehr so, wie es war. Und man konnte Frau. Die Herausforderung, Gemeinde- der Abstandsregeln, für eine neue Form noch nicht einmal die Leere der Insel so arbeit unter ständig wechselnden Rah- der Mittwochs-Kaffeetafel. richtig aus vollen Zügen genießen, weil man immer den Wunsch hatte, noch ab unter die dusche: mehr zu tun“, meint Jara, die nach freya und jara „in“ einer skulptur von christel lechner Ende ihrer Zeit in der Kirchengemein- de auf Sylt bleiben möchte, um eine Ausbildung in einem der großen Ho- tels zu machen. Da die beiden – neben vielen anderen Aufgaben – vor allem auch die hilfsbedürftigen Senioren aus Wenningstedt-Braderup und Kampen betreuen, durften sie in den letzten Monaten wenig von dem tun, was ihr eigentlicher Auftrag ist. „Denn Nähe, auch körperliche, ist natürlich eigent- lich ganz wichtig in unserer Arbeit. Da- mit wir für einige Senioren überhaupt
8 IM GESPRÄCH „WIR HABEN GELERNT, AUF BESONDERE LEBENS- MOMENTE ADÄQUAT ZU REAGIEREN.“ neben vielen anderen erfahrungehn haben jara und freya auch selbstständigkeit geübt „Die Routine kam vielleicht zu kurz, milie im Pastorat: „Tini, Kathrin und Frauen, die zupacken können, natür- aber wir haben bestimmt gelernt, auf Katrin haben sich soooo gut um uns ge- lich“, sagten die tapfereren FSJ-Frauen besondere Lebensmomente adäquat zu kümmert…“, sagen sie mit Nachdruck. vom Dorfteich, die sich und der Welt reagieren“, meint Freya. Die junge Frau unter allen möglichen Aspekten gezeigt aus einer Kleinstadt bei Bremen freut FSJ in Coronazeiten – das ist ein prä- haben, was alles geht. sich jetzt aber auch, Sylt zu verlassen. gender Aspekt ihrer Zeit auf Sylt. Ganz „Mir ist es jetzt einfach auch zu voll“, bestimmt aber auch, dass sie die bei- meint sie mit Augenzwinkern. Sie wird den ersten Frauen sind, die diesen Job sich für das Wintersemester auf einen in der Norddörfer Kirchengemeinde Studienplatz in Sonderpädagogik be- zusammen – „ohne Kerle gerissen ha- werben. „Das ist genau mein Ding. Ich ben.“ „Unsere Senioren waren manch- liebe den anderen Blick auf die Welt, mal verblüfft, dass wir sogar das große den Menschen mit Behinderung so oft Auto ohne Sorge über die Inselpisten haben“, sagt die junge Frau. kutschiert haben“, erzählt Freya. „Das Verständnis von Gleichberechtigung ist Privater Spaß kam für die beiden in in der Generation vielleicht noch ein letzter Zeit wegen der beschränkten klein wenig anders gelagert“, meinen Möglichkeiten deutlich zu kurz. „Aber die beiden lachend. Egal, ob es das das ist wirklich kein Stück schlimm. Ich Schleppen von Möbeln oder das Ein- glaube, wir haben das angesichts der laden von Rollstühlen ist, die beiden Umstände ganz gut gemeistert“, meint sind da ganz überzeugt: „Das FSJ in der Jara bescheiden. Dankbar sind sie beide Kirchengemeinde können ganz locker für die Fürsorge ihrer kleinen Ersatzfa- zwei Frauen zusammen stemmen. Zwei
DAS INTERVIEW 9 IM GESPRÄCH MIT ALEX CEGLA Wie geht‘s Ihnen, Herr Doktor? Ab 13 Uhr an Wochentagen kann Dr. Alex Cegla immer ganz gut ein halbes Stündchen plaudern. Dann legt er in seinem roten Holzhaus in Braderup eine Verschnaufpause ein – zwischen Praxis-Präsenz, Verwaltungsarbeit, Hausbesuchen und viel Sport. Ist der Betrieb in Ihrer Praxis schon Und wenn Menschen mit Corona- wieder so wie vor Corona? Symptomen kommen, wie geht es Alex Cegla: Nein, es normalisiert dann? sich zwar Vieles, aber wir haben ganz Alex Cegla: Anders als zu Beginn gewiss noch 20 Prozent weniger Patien- der Pandemie können wir inzwischen ten in der Praxis als vor der Pandemie. auch bei dem leisesten Verdacht testen. Wir sind allerbestens mit Tests ausge- Erleben Sie die Menschen als sehr stattet. Mein Team und ich machen die vorsichtig oder sind sie einfach we- Tests so, dass die anderen Patienten niger krank? nicht mit dem potentiellen Verdachts- Alex Cegla: Nein, wir regeln tatsäch- fall in Kontakt kommen, z.B. fahren lich seit dem Shutdown auch sehr, sehr die möglicherweise Infizierten mit dem viel über intensive telefonische Gesprä- Auto vor auf den Parkplatz und wir ma- che, denn viele Patienten haben doch chen den Abstrich. in den letzten Monaten den Besuch in der Praxis gescheut. Glücklicherweise Ist der Hausbesuch noch Teil Ihres konnten wir uns auch in der Praxis alles Portfolios als „der Doktor im Dorf“? so einrichten, dass wir alle Abstands- Alex Cegla: Aber natürlich. Das ist und Hygienemaßnahmen super um- ein essentieller Bestandteil meines Be- setzen können – allein schon, dass wir rufsverständnisses – und gerade bei über einen separaten Ein- und Ausgang meinen alten Patienten und in dieser verfügen, ist ideal. Zeit besonders wichtig. Leider werden
10 DAS INTERVIEW Hausbesuche nicht entsprechend ver- Die Situation auf Sylt. Es gab in all der Maßnahmen zu diskutieren. gütet, wie sie sollten bei dem Aufwand. Wenningstedt eine Corona infizierte Wozu diente Ihrer Meinung nach alte Dame, die ist komplikationslos der radikale Shutdown? Jetzt ist Mitte Juni und in Nordfries- wieder genesen. In der Klinik muss- Alex Cegla: Um Schlimmeres ab- land gibt es schon seit Tagen keine te die ganze Zeit über kein Patient zuwenden, eine hohe Mortalität zu Meldung mehr von Neuinfektionen. beatmet werden. Wie beurteilen Sie verhindern und damit sich das Gesund- Halten Sie den von Bund und Län- eigentlich die Kapazitäten in der heitssystem auf diese Pandemie ein- dern beschrittenen Weg im Umgang hiesigen Asklepios Klinik? stellen konnte, sich vorbereiten konnte mit dem Virus für richtig? Alex Cegla: Wir haben 80 Akut- und – mit Intensivkapazitäten, mit Tests etc. Alex Cegla: Angesichts der Umstän- fünf Intensivbetten. Das Krankenhaus Und das hat vortrefflich geklappt. de und der Beschaffenheit des Virus – ist darauf ausgerichtet, dass sich auf er ist ,neu’ und daher nur sehr bedingt der Insel in Saisonzeiten bis zu 100.000 Die Aspekte Schaden für die Wirt- einschätzbar – finde ich die Maßnah- Menschen befinden. Wir sind vorbild- schaft, aufgeschobene Therapien für men unterm Strich vollkommen ge- lich versorgt auf Sylt. Erkrankungen, medizinische Spät- rechtfertigt. Es galt, in der Politik und folgen von aufgeschobenen Artz- damit dann auf allen anderen Ebenen Das Virus ist ja trotz der mutma- besuchen, häusliche Gewalt, Sui- jeden Tag elementare Entscheidungen chenden Statistiken nicht weg und zide, Verhaltensauffälligkeiten bei zu treffen und in Handlungsmaxime einen wirklichen Schutz wird es erst Kindern – wie stehen Sie zu all den umzuwandeln, um das Schlimmste ab- geben, wenn ein patentes Impfmit- Entwicklungen, die sich aus dem zuwenden, ohne den Erreger und die tel auf dem Markt ist. Sind Sie ein Umgang mit Corona und Covid-19 Erkrankung schon im Detail zu kennen. Freund des konsequenten Impfens? ergeben? Natürlich waren dabei nicht alle Regeln Alex Cegla: Auf jeden Fall, aber es Alex Cegla: Ich finde die Frage nach und Bestimmungen und Maßnahmen darf natürlich keinen Impfzwang ge- der Verhältnismäßigkeit der Maßnah- vollkommen ausgereift, aber das wäre ben. Bei der Influenza hat sich gezeigt, men immer wichtig. Nur weil ich ge- ja auch eine Perfektion, die unmensch- dass auch der Impfstoff in einem stän- nerell das Vorgehen in Deutschland für lich gewesen wäre. Vor allem hat sich digen Wandel ist, weil sich auch das richtig halte, darf ich ja nicht kritiklos bei uns in Deutschland erwiesen, dass Virus verändert. Da gibt es inzwischen werden. Jeder sollte das in seinem wir über ein großartiges Gesundheits- eben auch Mehrfach-Impfungen, um Kreis immer wieder diskutieren, um zu system verfügen. Was allerdings ganz das ganze Spektrum abzudecken. Das seiner Haltung zu kommen. Es muss klar wurde und jawohl auch den Ver- wird bei Corona ähnlich sein. unbedingt immer abgewogen wer- antwortlichen: Unsere Pflegeberufe den, ob die entsprechende Maßnah- brauchen unbedingt eine bessere Lob- Es ist ja wichtig in einer Demokra- me sich rechtfertigt. Viele Folgen des by und eine bessere Vergütung. tie, auch über den Sinn und Zweck Shutdowns wird man sicher auch erst
11 „Jeder Mensch ist ein faszi- nierendes Universum für sich und es ist schön, helfen zu können.“ DIE PRAXIS AN DER HAUPTSTRAße: hier der eingang. einen ausgang gibt es zur wahrung der distanzregeln aber auch. in den nächsten Monaten und Jahren Seele und Geist ist ja einer Ihrer tremes leisten, werden erst dann krank, überschauen können. Hier für meine Grundsätze in der Betrachtung von wenn sie Raum und Zeit dazu haben. Arbeit auf Sylt gilt: Ich glaube, keiner Patienten. Diesbezüglich fasziniert Menschen sterben oft erst dann, wenn meiner Patienten mit einem akuten An- mich eine Frage: Hat ein Mensch es sie das erlebt haben, worauf sie warte- liegen ist wegen Corona nicht an mich eigentlich in der Hand, ob er krank ten. Den Besuch eines Verwandten, das herangetreten. Aber wir hatten hier ja wird oder nicht? Kann es sein, dass Weihnachtsfest… ohnehin eine wirklich nahezu paradie- viele Patienten in der akuten Coro- sische Situation. Allein die Einsamkeit na-Zeit quasi „die Luft angehalten“ Wird es wohl jetzt, wo sich die Lage vieler alter Menschen war und ist in haben und gesagt haben: „Ich wer- zu entspannen scheint, einen Run meinen Augen ein Problem. Ansonsten de jetzt nicht krank oder sogar: Ich auf therapeutische Einrichtungen sind wir hier auf der Insel mit dem Ver- sterbe jetzt nicht!“ Denn es ist z.B. geben? lauf dieser Ausnahmesituation absolut total auffällig, dass in der Gemeinde Alex Cegla: Schwer zu sagen, bei nicht repräsentativ. Das Lebensgefühl in den Wochen des Shutdowns kaum uns konstatiere ich das jedenfalls nicht. in den Städten und da in sozialen Bal- ein Gemeindemitglied verstorben ist Das Thema wird uns unter den unter- lungszentren ist sicher ganz anders. – im Vergleich zu anderen Jahren. schiedlichsten Aspekten aber gewiss noch sehr lange beschäftigen! Den Menschen als Einheit zu sehen, Alex Cegla: Aber ja, das gibt es. Ein- nicht zu trennen zwischen Körper, faches Beispiel: Viele Menschen, die Ex-
12 DAS INTERVIEW Ein Badearzt auf Sylt – Zur Person Eigentlich wollte Dr. Alexander Cegla nach seiner Zeit bei der Lister Marine zurück nach Bayern. Doch statt Bergen blieb es beim Meer. Seit 40 Jahren praktiziert der gebürtige Gel- senkirchener mit ungebrochener Freude als Badearzt in Wenningstedt. Lebenslanges Ler- nen ist – neben vielen anderen körperlichen Aspekten – für ihn ein Schlüssel für ein ge- sundes und erfülltes Leben. Wie das funktio- niert, dafür liefert der 68-Jährige Vater selbst das beste Beispiel: In seiner Profession als begeisterter Mediziner bildet er sich ständig fort. Gerade die Einbeziehung natürlicher Verfahren und seelischer Aspekte – also eine ganzheitliche Betrachtung seiner Patienten – Was nehmen Sie mit aus dieser Zeit? liegt ihm am Herzen. Außerdem hat er sich in Alex Cegla: Dass das Leben nur sehr bedingt planbar Palliativ-Medizin weitergebildet, um seine Pa- ist und dass es immer wieder voller Überraschungen und tienten auch im letzten Abschnitt des Lebens Abenteuer steckt. Oder hätte einer vor einem Jahr diese Entwicklung vorhersagen können? Außerdem habe ich kompetent begleiten zu können. An irgend- die Sylter Natur so wunderbar und intensiv erlebt wie eine Art von Unruhestand denkt Dr. Cegla im noch nie. Was sehr schön wäre, wenn wir alle dieses Augenblick noch gar nicht. Für eine mögliche Lebensgefühl, diese Ruhe und Entschleunigung, diese Nachfolgerin hat er allerdings bereits gesorgt. Nähe hier im Dorf trotz der Distanz, mit in die Zukunft Seine überzeugende Arbeitshaltung: „Ich nehmen könnten. Das ist auch großartig für die Gesund- habe den besten Beruf von allen. Denn jeder heit… Denn Angst und zu viel Tempo – das sind keine Mensch ist ein faszinierendes Universum für guten Begleiter. sich und es ist schön, helfen zu können.
DAS THEMA 13 NEUE FORMATE FÜR BESONDERE ZEITEN Was ist eigentlich Autoseelsorge?
14 DAS THEMA Wir wissen nicht, wie es sein wird, wenn das Bi Serk Mitte Juli er- scheint. Sicher ist: Es wird schon irgendwie sein! So gut es geht und – Kathrin mit H!!!) die Erfahrung der wahrscheinlich sogar noch ein wenig besser: Die Norddörfer werden zurückliegenden Zeit auf den Punkt. auch dann eine Gemeindearbeit anbieten, die mit Respekt vor den besonderen Umständen versucht, alles zu tun, was möglich ist, um für Fast ausschließlich auf Verständnis und die Menschen da zu sein, um Rat zu geben, Hilfestellung in seelischen Dankbarkeit sind sie jedoch mit ihren wie in praktischen Dingen, Gottes Wort zu verkünden, um Hochzeiten Anstrengungen bei den Gemeindemit- und Trauerfeiern zu zelebrieren in der Form, die jetzt möglich und gliedern und allen Gästen gestoßen. würdevoll ist. „Vor ein paar Wochen gab es ein ein- ziges Mal eine potenzielle Gottes- dienstbesucherin, die ganz furchtbar D as feste Team im Pastorat, die Pastoren und die Ehrenamtler haben bewiesen, dass sie auch „Krise der Distanz nah zu sein. „Auf jeden Fall sind wir jetzt Meister der Improvisati- on und sind dabei auch manchmal an sauer war, dass sie nicht mehr mit in die Kirche konnte, weil wir dort schon die Kapazitätsgrenze von 50 Personen können“ und gaben in den letzten Wo- kleine Grenzen gekommen“, bringt Ka- erreicht hatten. Ansonsten ist das Ver- chen alles, um den Menschen in Zeiten thrin Wenzel (die Managerin des Büros ständnis groß und an den Kollekten
15 merken wir: Die Menschen möchten Alles, was die Gemeinde außer Nach Anfang Mai konnten im kleinen auch etwas zurückgeben… großartig“, den Gottesdiensten gerade auf die Rahmen – unter Einhaltung aller Re- berichtet die Küsterin, Katrin Wenzel- Beine stellt und leider auch lassen geln – auch wieder Trauerfeiern statt- Lück. Unterstützung kann die Norddör- muss, was geht und was nicht geht finden und es gab auch wieder Todes- fer Kirchengemeinde jetzt tatsächlich – hier in der Übersicht: fälle (keinen einzigen Corona bedingt!). gut gebrauchen, denn es wurde in die- Die Hochzeiten des Frühlings wurden ser Zeit Menschen auch wirtschaftlich alle auf das nächste Jahr gelegt. Ge- geholfen, die durch die Pandemie in tauft wurde auch wieder ab Anfang Schieflage geraten sind – nicht zuletzt Mai – auch am Strand. Das Gleiche galt auch den Freunden im polnischen Sor- Taufen, für die Segnung von Silbernen oder so- quitten. „Ganz so unbesorgt, wie wir Hochzeiten, gar Goldenen Hochzeitspaaren. „Einen sonst arbeiten können, geht das im Au- Trauerfeiern richtigen Run auf die Termine im nächs- genblick nicht. Wir drehen jeden Cent & Segnungen ten Jahr haben wir jetzt noch nicht um, aber das schult ja auch“, meint Als extreme Belastung erlebten es auch konstatiert, aber wir bieten in jeden Fall Kathrin vom Gemeindebüro mit einem die Mitarbeiter, dass sie zum Beispiel 2021 viele Termine an“, berichtet die Lächeln. bei Trauerfeiern die Menschen ermah- Frau mit der Kalenderübersicht. nen mussten, den Abstand von 1,50 Wie man darauf eingehen wird, wenn Meter zu halten. „Das ist schon schwer, Konfirmationen das Corona-Reglement sich noch wei- denn gerade in der Trauer stärkt doch & Familienfeste ter lockert? „Das werden wir dann körperliche Nähe sehr“, meint dazu Wenn ein großes Familienfest abgesagt sehen. Wir werden auf jeden Fall auch auch „Zivi“ Freya nach einem entspre- werden muss, ist das immer traurig für unsere Verantwortung im Bewusstsein chenden Erlebnis. Kurios finden es alle, alle Beteiligten. Das gilt für eine Kon- haben unseren oft älteren Besuchern dass während des akuten Shutdowns in firmation im besonderen Maße, denn gegenüber. Denn Corona ist ja nicht der Gemeinde keine Menschen gestor- sie ist absolut einmalig. Die neun Kon- jetzt plötzlich weg“, bringt die Küsterin ben sind. „Es war so, als wollten Ster- firmanden dieses Jahres zeigten aber die wichtigste Maßgabe auf den Punkt. bende noch warten, bis sie ihre liebsten Verständnis dafür, dass ein Fest dieser Und dass man einen guten Weg finden Menschen nochmal sehen konnten“, Art angesichts der besonderen Umstän- wird, das hat das Team in den letzten beobachtete das Team der Norddörfer de keinen Sinn machen würde. „Als es Monaten bereits sehr anschaulich unter Kirchengemeinde. sich abzeichnete, ist Tini zu allen Fami- Beweis gestellt. lien gefahren und hat den Jugendlichen
16 DAS THEMA
17 LEID kraftvoll in freude zu verwandeln, ist die rechte form von respekt und mitgefühl. – Friedrich Lienhard ein Geschenk vorbeigebracht und alles muss stimmen. Zumindest für diesen unsympathisch. Dann freut man sich erklärt“, berichten Kathrin und Katrin. Anlass“, meint die stolze Mama. auch wieder auf das nächste Jahr“, Nach einem Elternabend im Juni ent- versichert die Küsterin, die in anderen schied man, die Konfirmations-Zeremo- Jahren wochenlang mit den Vor- und nie auf Sa. 29. August zu verlegen. Das Nachbereitungen beschäftigt ist. wird bestimmt auch schön. Vor allem: werden die Konfirmanden wie die Abi- Dorfteich- turienten 2020 später ihren Kindern fest Gemeinde- berichten können von Festlichkeiten Das hat es in 41 Jahren nicht gegeben. nachmittag unter ganz besonderen Umständen. Jedenfalls kann niemand berichten, Zunächst kamen die vertrauten Gäste Auch die beiden Kat(h)rins waren vom dass das Dorfteichfest in den letzten des Gemeindenachmittags sehr verhal- besonderen Umgang mit Festlichkeiten Jahrzehnten einmal ausgefallen wäre. ten zurück zum Ort der unzähligen ge- in Corona-Zeiten persönlich betroffen. Dieses Jahr schon. Die große Sause – selligen Momente, in den großen Saal „Ich wollte meinen 50. mit der gan- immer am letzten Sonnabend des Juli des Pastorats. „Es ist natürlich blöd für zen Familie feiern, und die ist bei uns – fällt im Sommer 2020 aus. Die Kir- alle mit der Maske. Aber wir haben ja groß. Im April in Dänemark zu feiern, chengemeinde hat zu diesem Anlass solche angeschafft, durch die man gut das wurde nichts, dann haben wir kurz- stets groß aufgefahren: Mit Tonnen an sehen und atmen kann“, berichten die fristig umdisponiert, das wurde auch Pommes, Würstchen und Koteletts, mit „Zivis“. Mit den Wochen wurde die nichts und dann haben wir halt den kühlen Getränken, Kaffee und Kuchen, Gruppe an den „auf Lücke“ gestellten großen Tag in einem ganz kleinen Rah- Spiel und Spaß. Ein Event mit groß- Tischen im Saal immer größer und die men begangen“, berichtet die Küsterin. artigen Einnahmen für die kirchliche Freude kehrte zurück ins Haus. „Wir Kathrin Wenzel hat gerade ihren Sohn Arbeit, aber auch mit viel Aufwand für bieten den Nachmittag im Augenblick durchs Abitur begleitet, das dieses Jahr Dutzende von Helfern. „Es ist ja die nur für die Sylter Senioren an, weil wir so ganz anders war. „Für alle Fälle ha- Zeit, in der man auch mal unpopuläre das sonst platzmäßig nicht hinbekom- ben wir jedenfalls einen Anzug gekauft, Empfindungen mitteilen darf: Ich weiß men“, ergänzt Kathrin Wenzel. Kuchen denn auch wenn es jetzt nicht der nicht, ob ich damit allein bin, aber ein wird – anders als sonst – gereicht, man große, rauschende Ball wird: die Form Sommer ohne Großevents ist mir nicht bedient sich nicht selbst, und es gibt
18 DAS THEMA an alle älteren Gemeindemitglieder und in einer beispiellosen Telefonakti- on jeder Haushalt mit Menschen über 60 Jahren angerufen. „Erstaunlich, wie gut die meisten unserer älteren Mitbür- auch nur die süßen Teilchen vom Profi, Einhaltung aller Künste des Distanz- ger aufgestellt sind. Kaum jemand, der nichts aus Eigenproduktion. haltens. Man fuhr mitsamt Chorleiterin wirklich Rat und Tat brauchte“, erinnert Renate raus nach Morsum und sang Jara. Anfang Juli führte der erste Ausflug der gemeinsam in einem Kreis auf einer Senioren in den Tinnumer Tierpark. So weiten Wiese. Das klang super. „Und Im Laufe der folgenden Wochen er- ist noch nichts wieder „back to nor- war ein Erlebnis mit echten Gänsehaut- höhte sich allerdings der Bedarf nach mal“, aber langsam gewöhnen sich alle Momenten“, sagt die Küsterin, die Gesprächen und Momenten der Ge- an das neue Normal, das auch viel Fle- selbst mitgesungen hat. selligkeit. „Gerade am Telefon war das xibilität von allen Beteiligten erfordert. persönliche Gespräch sehr gefragt“, Wann wieder regelmäßig ge- berichtet Rainer Chinnow. Auch der probt wird und was sonst noch ehrenamtliche Besuchsdienst für die geht und nicht, erfahren Sie und Jubilare im Dorf stellte seinen Dienst Ihr immer tagesaktuell auf nicht ein, sondern verlegte ihn kurz- Chor- www.friesenkapelle.de fristig auf andere Medien oder legte proben das kleine Präsent einfach vor die Tür So „ganz ohne“ ist es für die Sänge- oder man schnackte mit Abstand. Eine rinnen und Sänger der „Island Voices“ Telefon- ganz besondere Form des Austausches richtig hart. Neben der gesamten pro- &Autoseelsorge kultivierte die Küsterin – nach der Idee fessionellen Kultur-, Event- und Club- Unmittelbar nach dem Inselerlass vom einer Seniorin im Dorf: „Wenn Autoki- szene sind es wahrscheinlich die Chor- 16. März setzte sich das Gemeinde- no gerade der Renner ist, warum dann gemeinschaften, die als letzte in der team zu einem Krisengespräch zusam- nicht auch Autoseelsorge?“ hieß die „Wiedereröffnungsschlange“ warten. men und beratschlagte, wie man die berechtigte Frage und seitdem gibt es Der Gospelchor machte das Allerbeste Menschen im Dorf und in der Welt am das Gespräch von Auto zu Auto – mit daraus und feierte die Kraft der Musik besten erreichen könnte, wie man hel- automatischem Distanzhalter. Not mit einem kleinen Happening – unter fen kann. So wurden Briefe geschrieben macht halt erfinderisch…
IM PORTRÄT 19 KIRCHENMUSIKER OLIVER STREMPLER Und plötzlich? Noch ein neuer Job! In den vergangenen Monaten konnte und Mitarbeitern unter der Leitung von nicht zuletzt derjenige wachsen, der Ex-Microsoft-Manager Philipp Rüdiger sich leicht vom Gestern, von alten Vor- abgehalten wurde. Die ersten Wochen stellungen und Denkweisen löst, der der Coronakrise erwiesen sich als ideal, den Mut hat, Neues zu wagen. Wie an- um Projekte spontan und schnell umzu- dere Künstler, die es zumeist gewohnt setzen. „Wir haben mit den Andachten sind, auf bürgerliche Sicherheiten zu manchmal bis zu 1.800 Klicks erzielt verzichten, hat Oliver Strempler sich – und damit natürlich viel mehr Men- von Anfang an auf die Anforderung im schen erreicht, als auf den bis zu 220 Jetzt eingestellt und das Beste daraus Plätzen in der Kirche normalerweise“, gemacht. Kleine Fehler eingeschlossen, freut sich Oliver Strempler über den Er- denn die gehören dazu, wenn man folg des digitalen Projekts. spontan reagiert. Mit der Dauer der Sylter Quarantäne „Am ersten Sonntag nach dem Sylter wurde auch das Videoformat im You- Lockdown Mitte März haben wir direkt Tube-Channel immer besser – technisch eine Videoandacht produziert“, erin- wie dramaturgisch. Seitdem Gottes- nert der multiengagierte Kirchenmusi- dienste wieder live und in real möglich ker der Kirchengemeinde Norddörfer. sind, wird zwei Tage vorher eine Kurz- version des Gottesdienstes aufgenom- Die Gottesdienste regelmäßig online men, später von Oliver geschnitten und zu stellen und damit die große Ge- aufbereitet. „Das ist Arbeit, die sich meinschaft der Friesenkapelle überall lohnt. Denn im normalen Gottesdienst auf der Welt zu erreichen, war ohnehin mitzuschneiden, ist für den Zuschauer ein Auftrag des Strategieworkshops, am Bildschirm eine Zumutung“, weiß der im Winter von Kirchengemeinderat er als Kameramann und Regisseur.
20 IM PORTRÄT die Chance, Gib’ jedem Tag der schönste Deines Lebens zu werden. – MARK TWAIN Außerdem ist Strempler Über reichlich Beifall freute sich in den Live-Gottesdiens- Strempler auch bei seinem ersten Kon- ten und in der Kirche ja zertabend nach der langen und unfrei- vor allem als Musiker ge- willigen Pause. Seit Ende Juni gibt er fragt. Und auch das noch jeden Montag zwei Kurzkonzerte von je mehr als sonst: „Inzwi- einer Stunde: eines um 18.30 Uhr und schen dürfen wir ja we- eins um 20 Uhr. Gleich bei der Premie- nigstens draußen wieder re für dieses neue Format kamen trotz singen – in der Kirche darf des herrlichen Strandwetters um die 75 bislang nur ich das. Da- Zuschauer. Da natürlich bei den Kon- durch musste ich meinem zertabenden auch alle Hygiene- und Gesang entsprechend mehr Distanzregeln eingehalten werden, Ausdruck verleihen – eher hätten maximal zweimal 50 Zuhörer in wie bei einem Konzert“, der Friesenkapelle Platz gefunden. „Es sagt Strempler über die neue war ganz wunderbar. Mit Zugaben und Herausforderung, die ihm als viel Freude. Ein echtes Konzert – nur ein Musiker natürlich viel Freude wenig anders als sonst. Musik ist halt macht. Und es kommt auch pure Erbauung, die kann man gerade viel von der Gemeinde zurück. jetzt brauchen“, meint der Musiker. Denn welcher Kirchenmusiker bekommt sonst denn schon Mit Konzerten aus seinem reichhaltigen nach jedem Song im Got- Themenprogramm möchte er den gan- tesdienst Applaus? Aber da zen Sommer über und natürlich darü- gelten in der Frisenkapelle ja ber hinaus erfreuen. Stets angepasst an ohnehin andere Regeln. das, was im Moment gerade geht.
Oliver Strempler Ob Leonhard Cohen, Johnny Cash, die hat unglaublich viel Freude bereitet“, und der gute Ton Beatles oder die Lebenslieder – das meint Oliver Strempler mit einem Au- Dieser Mann passt schwer in wird Oliver Strempler relativ spontan genzwinkern und bereitet sich noch eine Schublade. Der Kirchenmusiker entscheiden: „Solange man nicht mit- schnell auf die Begleitung der Kinderkir- der Norddörfer Kirche hat auch singen kann, ist allein mein Udo-Abend che vor – open air und alle singen mit. ein Leben als Solokünstler, ist schwer möglich. Denn das Publikum zudem Grafiker und versteht sich liebt es, bei den Lindenberg- bzw. Jür- Die Videoandachten für die Kleinen und allerbestens auf Technik. gens-Songs einzustimmen“, berichtet die Großen findet man auf www.you- Strempler, dem es in den letzten Mo- tube.de Stichwort: „Friesenkapelle“ Er… naten ganz gewiss nicht langweilig *hat das Logo der Kirchen- geworden ist. gemeinde entwickelt. Ticketverkauf: *sorgt dafür, dass die Internet- Auch wirtschaftlich kam der Musiker, präsenz der Friesenkapelle rund läuft Karten gibt es für 15 Euro und aktuell ist. der einen Teil seines Einkommens über an der Abendkasse und im Vorver- *filmt die Videoandachten und Konzerte finanziert, halbwegs gut über kauf bei den Tourismus-Services schneidet sie nachher zu einem die Runden: „Ich bin ja nicht gierig und an allen Sylter Vorverkaufs- smarten Film. und brauche nicht viel. Und die Aufga- stellen oder online: *hat ein Repertoire von über 700 be mit Leben zu füllen, hier gemeinsam www.vibus.de Liedern aus allen Genres, die er das Beste aus dem Moment zu machen, spontan zu den unterschiedlichsten Anlässen zu Gehör bringen kann. *komponiert seit Jahrzehnten auch eigene Songs. *begleitet nicht nur die Gottesdiens- te, sondern spielt auch bei privaten Festen und Feierlichkeiten auf. *sorgt z.B. auch in der „Syltklinik“ für krebskranke Kinder und deren Familien für musikalische Freuden. *hat aktuell folgende Konzertfor- mate auf Lager: Leonard Cohen // Johnny Cash // Udo vs. Udo // Die Beatles – Das weiße Album // Le- benslieder – What a wonderful world
22 EIN KESSEL BUNTES Kein Dorfteichfest, kein Spielenachmittag FREIWILLIGES SOZIALES JAHR oder Skatabend und kein geselliges Beisam- Das sind die Neuen mensein in der Begeg- nungsstätte nach dem Gottesdienst: Vieles ist noch nicht möglich in der Kirchengemeinde Norddörfer. Wir sind mit den Gottesdiens- ten und den seelsor- gerischen Aufgaben, mit Besuchsdiensten und der Betreuung Niklas Freudewald hilfsbedürftiger Ge- Seine Schwester gab den Aus- sieht er seiner neuen Aufgabe auf Sylt meindemitglieder, mit schlag: Sie hatte als Freiwillige in mit sehr viel Engagement und Erwar- den Oliver Strempler- der Jugendherberge in Hörnum gear- tung entgegen. „Mit älteren Men- beitet und ihrem kleinen Bruder von schen zu arbeiten, sie zu unterstützen Konzerten am Montag- der Möglichkeit erzählt, das Gleiche und ihnen ein Ohr zu schenken, das abend und den Senio- im Pastorat zu tun. „Ich war sofort ist ganz gewiss eine sehr erfüllende rennachmittagen im begeistert, habe mich beworben und Aufgabe“, meint der „Neue“. Niklas kleinen Kreise gerade die Stelle bekommen. Wir reisen als fängt seinen Dienst am 1. August an Familie schon immer nach Sylt. Die und hat auch keine Bedenken, dass sehr auf das Wesentli- Insel ist für mich wie ein seelisches es in der ersten Wohngemeinschaft che fokussiert. Zuhause. Ich freue mich wahnsinnig, seines Lebens nicht harmonisch Aber sobald wir die dass das mit der Stelle im Pastorat laufen könnte. „Das wird bestimmt Möglichkeit haben, geklappt hat“, meint der Fachabituri- super“, meint der optimistische und ent aus Ennepetal bei Wuppertal. Da fröhliche Abiturient. Er möchte sich dehnen wir natürlich er auch schon in seiner schulischen in seinem Jahr auf Sylt auch darüber unser Angebot wieder Laufbahn den Schwerpunkt auf Ge- klar werden, wo für ihn die berufliche aus. Ehrensache! sundheit und Soziales gelegt hat, Reise wohl hingehen wird.
23 es ist viel wertvoller, stets den RESPEKT als gelegentlich die bewunderung zu genießen. – Jean-Jacques Rousseau Marie Gollatz Das gab’s unter den Zivis und FSJ- uns Abiturienten. Für mich ist die Haupt- hen und dort in einem Tierheim arbeiten. lern in der Norddörfer Kirchengemeinde sache, dass ich es geschafft habe“, meint „Durch Corona wurde alles nochmal neu der letzten Jahrzehnte noch nicht: Am 1. die Sylterin, deren aktueller Wunschjob gemischt. Auch für die Abiturienten, die September tritt eine junge Frau bei der Journalistin ist. jetzt große Reisen oder einen Auslands- Norddörfer Kirchengemeinde ihren Frei- aufenthalt geplant haben. Mit dem Job in willigen Dienst an, die im Pastorat schon Doch jetzt widmet sie sich ersteinmal der Bangkok fühlte es sich sowieso nicht so die meisten Ecken wie ihre Westentasche nächsten großen Veränderung: Marie ist gut an – auch ohne Corona. Da ich eine kennt. „Ich war jahrelang bei Tini in der auf dem Katharinenhof am Kampener enge Beziehung zur Gemeinde habe, ist Jugendgruppe und kenne alle FSJler, die Leuchtturm aufgewachsen. Ihre Eltern es für mich eine großartige Alternative, in den letzten Jahren den Job gemacht gehen in diesem Sommer für immer nach jetzt hier als FSJlerin anzufangen.“ Bis haben. Ich habe mich von deren Begeis- Mallorca. Marie bleibt auf Sylt und zieht Marie loslegt hat sie noch einige Pläne terung anstecken lassen“, erzählt die in die „Zivi“-Wohnung im Pastorat. Eine – unter anderem den, ihre Eltern nach Kampenerin. Es ist jetzt Ende Juni und einschneidende Veränderung. „Nein, Mallorca zu begleiten, um sich davon zu Marie hat gerade ihr Abi in der Tasche. Mallorca – das wäre nichts für mich. Da überzeugen, dass die beiden dort auch ei- „Es war natürlich etwas absurd, dieses bin ich ganz überzeugt“, versichert Marie nen guten Platz gefunden haben. Abiturjahr. Aber es war ja für jeden von mit Nachdruck. Eigentlich wollte sie vor uns eine komische Situation, nicht nur für ihrem Studium erst nach Bangkok ge-
24 EIN KESSEL BUNTES Hier gibt‘s ein offenes Ohr, Hilfe XXX und Unterstützung! Wer sich wünscht mit jemandem zu sprechen, DIE KIRCHENWOHNUNG wer Hilfe beim Einkauf, beim Papierkram oder ande- ren Besorgungen braucht, wer durch Corona oder Urlauben und Gutes tun! andere Umstände wirtschaftlich in Not geraten ist, Unbedingt mal nachschauen, ob es eine Lücke im Belegungs- möge sich bitte nicht scheuen, sich im Pastorat zu plan gibt. Denn für zwei Personen ist ein Urlaub in Wenningstedt in melden. der Kirchenwohnung ideal. Die Wohnung der Stiftung der Norddör- Immer montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr fer liegt nahe der Kirche und verfügt auf zwei Etagen über allen Lu- Tel. 04651 / 8362964 oder per Mail: xus für schöne Sylt-Ferien. Ab Oktober gibt es wieder Kapazitäten. norddoerfer-kirchenbuero@t-online.de Das Tolle: Hier urlaubt man für den guten Zweck, denn die Mietein- nahmen finanzieren die soziale Arbeit der Kirchengemeinde mit! www.kirchenwohnung-sylt.de KRITISIERE NICHT, WAS DU NICHT VERSTEHEN kannst. – BOB DYLAN DIE NORDDÖRFER KIRCHE UNTERSTÜTZEN Kommt gut an! Damit die soziale Arbeit der Kirchengemein- de nicht „irgendwie gut“, sondern „ganz hervor- ragend“ läuft, gibt es den Förderverein. Über 150 Freunde unserer Arbeit sorgen mit ihren regelmä- ßigen Beiträgen dafür, dass wir gerade für Jugend- liche und Senioren viel anbieten können. Es wäre toll, wenn auch Sie Mitglied würden. Das Beitritts- formular befindet sich gleich auf der Rückseite die- ses Journals.
25 JETZT ANMELDEN! Der nagelneue Newsletter Für viele Zeitgenossen gab’s Was unbedingt fehlte war ein News- in den letzten Monaten eine gran- letter, um kurzfristig, schick und diose Erfahrung: Was man sich viel- schnell per elektronischer Briefpost leicht schon lange vorgenommen zu informieren. Den hat Kathrin hatte – in Corona-Times hat man Wenzel nun konzipiert und Mitte es einfach umgesetzt! Eine besse- Juni auf den Weg gebracht – frische re Gelegenheit, neue Projekte zu Nachrichten, online Gottesdienste starten, wird‘s vielleicht so schnell und spannende Projekte aus dem nicht geben. So hat das Team ne- Pastorat per Mail! Das gibt es ab ben der Video-Andacht noch ein sofort für alle diejenigen, die sich weiteres „Now-or-never-Projekt“ für diesen Service angemeldet ha- ausgearbeitet: Denn zu den Zielen ben. Denn nach den aktuellsten Da- des Strategieworkshops vom Fe- tenschutzrichtlinien muss sich der bruar gehört auch, in Zukunft die Nutzer bewusst für den Erhalt des Kirchengemeinde weltweit noch elektronischen Briefes entscheiden. mehr zu vernetzen und teilhaben Das ist ab sofort jederzeit und für je- zu lassen an all dem, was rund um den möglich. Und es geht ganz ein- die Friesenkapelle passiert und ge- fach: Auf die Webseite gehen, unter schaffen wird. Eine Webseite gibt es dem Menüpunkt „Nützliches“ oben schon, aktive Social-Media-Auftritte rechts auf der Startseite „Newslet- auch. Der YouTube-Channel mit den ter“ anklicken und: Los geht’s. Ab Videoandachten ist ein Renner. Das sofort sind Sie immer aus erster gedruckte Kirchenjournal? Ein Klas- Hand frisch versorgt mit Neuigkei- siker! ten aus Ihrer Kirchengemeinde!
26 DER CLUB Die Zeit der kreativen Planung mt Gerade, als wir die letzten Zeilen – Platz und Beschallungstechnik gibt Dieses Bild von den Konfis stam Konfirmation aus Vor- Coro na-Tagen ! für diese Ausgabe verfassten, war es ja reichlich. Tini bastelt gerade natürlich die Jugendbeauftragte der Gemein- an den Plänen, wie man das unter de, Tini Schluck, mit Eifer dabei, die Einhaltung aller Distanzregeln am Konfirmationsfeierlichkeiten völlig Klügsten lösen kann. Wenn es denn umzuplanen. „Mit schwerem Her- nämlich regnen sollte, muss eine an- zen, aber auch sehr entschieden, ha- dere Idee her: Dann wird es so sein, ben wir gleich nach dem Sylterlass, dass die Jugendlichen in drei Grup- Mitte März, den Konfirmationster- pen aufgeteilt werden, damit genug min Ende April abgesagt“, erinnert Verwandtschaft in der Kirche Platz Tini die Tage, als sich in jedem Mo- finden kann. „Diese Gruppe ist ganz ment die Corona-Nachrichtenlage wunderbar. Sie sind ein eingeschwo- verschärfte. „Die Jugendlichen und renes Team und möchten am liebsten Einmal haben es die Jugendlichen ver- Jugendgruppe die Familien reagierten alle mit un- zusammen konfirmiert werden. Hof- sucht: Gruppentreffen im Jugendraum im glaublich viel Verständnis. Das war fentlich passt das mit dem Wetter!“ Untergeschoss des Pastorats wie immer am eine großartige Erfahrung“, so Tini. wünscht sich Tini. Mittwoch – aber mit Maske! „Das war ir- gendwie nicht so, wie es sein soll“, meinten Als im frühen Sommer absehbar war, Also auch hier: Es bleibt spannend alle in der Nachbetrachtung. Man will ja dass Feste im kleinen Rahmen wie- bis zum Tag der Konfirmation. Pla- bei diesem Anlass zusammen kommen und der möglich sein werden und Gottes- nung in Corona-Times setzt Sponta- sich umarmen, zusammen sitzen…Eben all dienste ja bis zu 50 Menschen in der nität und Kreativität voraus. das, was gerade nicht geht. So haben Tini Friesenkapelle sowieso, fanden alle und ihre bis zu 20 Jugendlichen, die zum gemeinsamen einen neuen Termin: Liste der Konfirmanden 2020: Treffen kommen, entschieden, über den Sa. 29. August. Sommer lieber spontane Draußen-Aktionen Carlotta Carli, Westerland zu machen. Tini informiert über die Whats- Das wird nicht nur die erste Kon- Naya Dechant, Hörnum App-Gruppe oder – wer neu dazukommen firmation seit Menschengedenken Mats Hillje, Rantum möchte – hier ihre Telefonnummer: open air und im Sommer sein. Zudem Louis Hoppe, Westerland Tel. 0170/2116915 bleibt auch immer noch ein wenig Thies Kallenberg, Hörnum Unvorhersehbares mit im Spiel. Im Aidan Lassl, Hörnum Auch wer sich im Frühling 2022 konfirmie- vollen Einklang mit den Eltern der Deryan Koca, Tinnum ren lassen möchte, kann sich jetzt noch für neun Konfis entschied man, die Zere- Marc Sell, Hörnum die Konferstunde, die nach den Sommerferi- monie unter freiem Himmel zu feiern Franziska Syring, Tinnum en beginnt, anmelden.
DI E S E ITE N FÜR J UN G E LE SE R 27 es gibt KEINE FREIHEIT ohne gegenseitiges VERSTÄNDNIS. – albert camus + + Termine + Termin e++ Noch Anfang März hätten die Ju- freuen sich die Kinder und Erwach- DI 15-17 Uhr Reisen gendlichen, die von Sylt nach Lech senen schon jetzt auf die Gäste. Und alle 14 Tage zum Skifahren reisen wollten, sich was für die Sylter Jugendlichen gilt, Vor-Konfirmanden nicht vorstellen können, dass es mit tut es für die Lecher Jugendlichen der Tour nichts wird. Alles war vor- bereitet, Corona war zwar schon ein nicht minder: Sie werden auch erst im Sommer 2021 kommen können DO 14.30-16.30 Uhr alle 14 Tage großes Thema in den Medien, aber statt wie geplant jetzt. Haupt-Konfirmanden die Hoffnung auf Ferien im österrei- chischen Partnerort Kampens war Das wird also ein reiseintensives Mittwochs ab 18 Uhr: größer. Am 11. März riefen dann die Jahr für Tini und die Jugendbetreu- Jugendgruppe im Pastorat: Freunde aus Lech an und sagten den er: Denn die legendäre Multige- Besuch auch von ihrer Seite her ab. nerations-Tour nach Sorquitten in Sobald es wieder geht Tini cancelte die gesamte Planung – die Partnergemeinde wird auch im und erhielt sogar von den Anbietern nächsten Frühjahr stattfinden – na- Über weitere Ausflüge und Ter mine des Nachtzuges Gutscheine, sodass türlich nur, wenn die Umstände es informiert Tini die Jugendlich en die ganze Tour easy um ein Jahr erlauben. über die Whats-App-Gruppe. verschoben werden konnte. In Lech
28 MEINE MEINUNG Stört es Sie, wenn ich unser Gespräch aufnehme? von Anna Goldbach, Ex-„Zivi“, heute Volontärin der Sylter Rundschau Diese Frage stelle ich meist in der An- Alle diese Informationen ermöglichen Gleichzeitig wurde alles immer schnel- fangsphase eines Termins. In den meis- mir, dem Leser einen besseren, genau- ler: Die Wochen sind nur so gerast. In- ten Fällen gestattet mein Gegenüber eren Eindruck der Situation zu vermit- formationen überholten sich ständig. die Aufnahme, noch bevor ich die Frage teln. Ich kann zwischen den Zeilen le- An manchen Tagen kamen gefühlt bei- zuende gestellt habe. Einige schauen sen, heraushören welche Frage ich als nahe minütlich Mails. Das Telefon klin- verwundert, bis ich ihnen erkläre, wa- nächstes stellen sollte. gelte ständig. Im Home Office mussten rum ich unsere Unterhaltung aufzeich- wir jede noch so winzige Kleinigkei- nen möchte. Mit Beginn der Pandemie wurde dieser ten auf diese Art kommunizieren. Ein Teil aus meinem Arbeitsalltag gelöscht. schneller Zuruf funktionierte ja nicht. Zum einen, um Missverständnisse bei „Termine“ wurden zu Anrufen. Gleichzeitig forderte die Zeit, dass wir der schriftlichen Übertragung zu ver- meiden und mich besser auf das Ge- spräch konzentrieren zu können. Zum anderen, und das ist der entschei- dende Punkt, um mich auf mein Gegen- über zu konzentrieren. Nur so kann ich dem Leser vermitteln, was nur ich in der Situation erfahre: Wie sieht es aus? Wie verhält sich mein Gesprächspartner? Lächelt derjenige bei bestimmten Erin- nerungen? Streicht er sich ein Haar aus dem Gesicht oder schaut zu Boden? Wann zittert die Stimme? Was strahlt mein Gegenüber aus? Wie ist seine Umgebung? Wie riecht es hier? Ist es warm?
29 „mir fehlte der persönliche austausch, von einem tisch zum anderen, das miteinander.“ schnell reagierten und Informationen de am meisten Freude bereitet – die rasch online stellten. Alles musste ko- Gespräche, die ich führe, die Geschich- ordiniert sein – und ja, es funktionierte ten und Erfahrungsberichte, die ich er- gut. zählt bekomme, das Vertrauen, das mir geschenkt wird, die Verbindungen, die Aber was fehlte, war das Persönliche. entstehen und die vielen interessanten Der direkte Austausch mit meinen Kol- und unterschiedlichen Begegnungen, legen, von einem Tisch zum anderen, die ich erleben durfte und darf. gerufen, gegrinst. Der kurze Schnack zwischendurch, die zufällig entstehen- den Themenideen, die kleinen Scherze, das Miteinander. Als wir wieder in die Redaktion durften war ich, so sehr ich das Homeoffice und das Arbeiten an der frischen Luft in der Sonne in meinem Garten auch genossen habe, ein bisschen froh. Froh, darüber, wieder das Gefühl zu haben „zusammen“ eine Zeitung zu machen. Mittlerweile kann ich – natürlich unter Einhaltung aller Coronaregeln – wieder persönliche Termine wahrnehmen. Und das ist schön. Denn es ist genau das, was mir an der Arbeit in der Redaktion und auch an der Arbeit während mei- nes Freiwilligendienstes in der Gemein-
30 D I E R E P O R TA G E GOTTESDIENSTE IN ZEITEN DER DISTANZ Ein „ganz normaler“ Sonntag Die Gottesdienste sind das Herzstück der Arbeit der Norddörfer Kir- chengemeinde. Vom ersten Moment der Sylter Corona-Quarantäne an hat das Team um Pastor Chinnow Formen gefunden, um die Gemeinde- mitglieder in der ganzen Welt zu erreichen – trotz und gerade wegen der anderen Lebensumstände. Die BI SERK Redaktion hat die Gottes- dienste an einen Sonntag Ende Juni begleitet, in einer Zeit, wo vieles noch nicht ging, aber auch schon eine ganze Menge von dem, was die Menschen an einem Besuch in der Friesenkapelle mögen, was vertraut ist und was gut tut. ein hohes Maß an Flexibilität, ist aber auch die Chance, bisherige Gewohn- heiten zu hinterfragen und Impulse für sich und sein Leben zu entdecken. Das Team der Kirchengemeinde hat mal für Jede zweite Reihe in der Kirche bleibt den Schaukasten neben der Kirche die frei, der Mindestabstand von 1,5 Me- „Zehn Gebote für den Gottesdienst- ter wird gewahrt. Die Masken bleiben besuch“ so, wie sie Ende Juni galten, auch während des Gottesdienstes auf formuliert, damit jeder Besucher sich (da war man bei den Norddörfern so- darauf einstellen kann, was in der Frie- gar strenger als in anderen Gemeinden, senkapelle gerade geht und was nicht… hat aber extra Mund-Nasen-Schutz mit Visier angeschafft, um einander besser Was die Coronakrise lehrt: ganz im Schlange stehen bei Sonnenschein: wahrnehmen zu können). Wenn viele Moment zu leben, die Sinne zu schär- Geduld gehört auch zu den Tugenden, Paare unter den Besuchern sind, kön- fen für das Gute und die Chance, die die der verantwortungsvolle Umgang nen Katrin Wenzel-Lück und Tini 50 immer im Neuen liegt. Beinahe täglich mit dem Virus jeden von uns gelehrt Menschen platzieren – bei vielen „So- ändern sich die Rahmenbedingungen hat. Bei Gottesdiensten in der Friesen- listen“ ungefähr 40. Wer keinen Platz für den sozialen Alltag – für den Um- kapelle gilt – Stand Ende Juni: Man findet, darf am Ostausgang unter frei- gang mit Freunden, mit der Familie und muss sich nicht anmelden, rechtzeitiges em Himmel Platz nehmen und hört den im öffentlichen Raum. Das erfordert Erscheinen sichert einen Platz. Gottesdienst über Lautsprecher.
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