Pflege bei Demenz Dossier - Ausgewählte Fachartikel und Interviews aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 inklusive Literaturangaben zur ...

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Pflege bei Demenz Dossier - Ausgewählte Fachartikel und Interviews aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 inklusive Literaturangaben zur ...
Dossier

Foto: © bilderstoeckchen/Fotolia.com   Pflege bei Demenz

                                                                                           Foto: www.martinglauser.ch
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                                                  Ausgewählte Fachartikel und Interviews
                                            aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 inklusive
                                        Literaturangaben zur weiterführenden Recherche.
Pflege bei Demenz Dossier - Ausgewählte Fachartikel und Interviews aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 inklusive Literaturangaben zur ...
Inhaltsverzeichnis

1   Psychosoziale Interventionen: Neue Leitlinie: Was bei Demenz hilfreich ist
    Gedächtnistraining, Aktivierung, Snoezelen - welche Maßnahmen helfen Menschen mit
    Demenz wirklich? Aussagen hierzu macht die neue S3-Leitlinie „Demenzen“. Der Artikel fasst
    die wichtigsten Inhalte zusammen.
    Von Claudia Keller (06/2016)

2   Herausforderndes Verhalten bei Demenz: „Es gibt keine pauschale Empfehlung“
    Der Umgang mit schwierigen Verhaltensweisen ist für Pflegende nicht immer leicht.
    Hinzu kommt, dass keine Maßnahmen per se richtig oder falsch sind. Ein Interview mit
    Pflegewissenschaftlerin Dr. Margareta Halek.
    Dr. Margareta Halek (06/2016)

3   Demenz im Krankenhaus: Auf dem Weg zur demenzsensiblen Uniklinik
    Wenn Menschen mit Demenz stationär aufgenommen werden, kommt es oft zu Problemen.
    Die Medizinische Hochschule Hannover hat Empfehlungen erarbeitet, um die Versorgung
    von Menschen mit Demenz im Krankenhaus zu verbessern.
    Von Dr. Monika Büchler (06/2016)

4   Basale Stimulation bei Demenz: Die Suche nach Individualität
    Wenn Menschen über Worte und Gesten nur noch schwer zu erreichen sind, gewinnt die
    Kommunikation über Berührung immer mehr an Bedeutung. Bei der Basalen Stimulation
    wird Berührung bewusst eingesetzt, um diese Menschen zu erreichen.
    Von Thomas Buchholz (03/2015)

5   Literaturarbeit: Demenz: Pflegende Angehörige unterstützen
    Menschen mit Demenz werden oft zu Hause versorgt. Das kann für Angehörige sinnstiftend,
    aber auch belastend sein. Ambulant Pflegende sollten deshalb Überlastungen bei Angehörigen erkennen und
    darauf reagieren.
    Von Prof. Dr. Jürgen Osterbrink et al. (02/2017)

6   Studie Demenz-Monitor: Kommen Empfehlungen in der Praxis an?
    Für den Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz werden
    unterschiedliche Maßnahmen empfohlen. Werden diese in der stationären Altenhilfe umgesetzt? Die Ergeb-
    nisse der Studie DemenzMonitor geben Aufschluss.
    Von Dr. Bernhard Holle (01/2017)

7   Projekt Warte-Insel für Menschen mit Demenz: Wohlfühlort in der Notaufnahme
    Lärm, Hektik, unbekannte Gesichter – Patienten mit Demenz sind in Notaufnahmen häufig über-
    fordert. Das Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe hat deshalb das Projekt „Warte-Insel“ gestar-
    tet: Sie soll Stress und Anspannung vorbeugen.
    Von Axel Küppers (06/2017)

8   Mimikresonanz für Menschen mit Demenz: Was die Mimik verrät
    Der Gesichtsausdruck und die Körperhaltung sagen viel darüber aus, was ein Mensch mit Demenz
    gerade fühlt. In der Pflege bietet das die Chance, Emotionen richtig zu deuten und wertschätzend
    darauf zu reagieren.
    Von Margarete Stöcker (01/2016)

9   Erstes deutsches Demenzdorf: „Mittendrin und keineswegs abgeschottet“
    In Deutschland werden Demenzdörfer oft kritisch betrachtet. Das Demenzdorf in Niedersachsen
    zeigt die Vorteile einer solchen Wohnform auf: Die Bewohner sollen dort einen möglichst norma-
    len Alltag erleben.
    Von Ingrid Hilgers (11/2015)
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         Die S3-Leitlinie
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         „Demenzen“ ist als
         „
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         erhältlich: http://www.dgn.
         org/images/red_leitlinien/
         LL_2015/PDFs_Download/
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         Demenz/REV_S3-leiltlinie-
         demenzen.pdf

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Top-Thema

Neue Leitlinie:
Was bei Demenz hilfreich ist
Psychosoziale Interventionen. Gedächtnistraining, Aktivierung, Snoezelen –
viele Maßnahmen versprechen Erfolg bei Menschen mit Demenz. Doch sind sie
wirkungsvoll? Aussagen hierzu macht die neue S3-Leitlinie „Demenzen“,
an der 23 Organisationen fünf Jahre lang gearbeitet haben. Die wichtigsten
Inhalte im Überblick.

Von Claudia Keller

K       ognitive Funktionen und Alltagskompetenzen,
        die immer mehr verloren gehen – das sind die
zentralen Merkmale einer Demenz. Im Laufe der
Erkrankung nehmen die zeitlich-örtliche Orientierung,
                                                           Demenz bei Alzheimer-Krankheit: Diese ist eine das
                                                           Gehirn betreffende, fortschreitende Erkrankung, deren
                                                           Ursachen nicht eindeutig geklärt sind. Sie tritt meist im
                                                           höheren Lebensalter auf und ist durch Gedächtnis-
die Kommunikationsfähigkeit, die autobiografische          störungen als Hauptmerkmal gekennzeichnet.
Identität und die Persönlichkeitsmerkmale immer weiter
ab. Im fortgeschrittenen Stadium einer Demenz sind         Vaskuläre Demenz: Hiermit ist eine mit den Blutgefäßen
die Betroffenen oft vollständig auf fremde Hilfe ange-     zusammenhängende Form der Demenz gemeint. Sie tritt
wiesen.                                                    meist im höheren Lebensalter auf und kommt in der
    Demenz ist eine schwere Erkrankung. Sie geht mit       Regel über Gedächtnisstörungen zum Vorschein. Weite-
einer erhöhten Sterblichkeit einher und erhöht das Risi-   re typische Merkmale sind eine reduzierte Orientierung,
ko für zusätzliche Beeinträchtigungen. Die persönlichen    Aufmerksamkeit und Sprache. Anders als bei anderen
und körperlichen Veränderungen der Betroffenen führen      Demenzen kann es bei der vaskulären Demenz zu Pha-
oft zu hohen psychischen und körperlichen Belastungen      sen leichter Besserung und zu langen Phasen ohne weite-
bei den Angehörigen. Auch medizinisches, pflegerisches     res Fortschreiten der Erkrankung kommen.
und therapeutisches Personal ist häufig unsicher in
Fragen zum Umgang mit den demenziell veränderten           Gemischte Demenz: Mit diesem Begriff ist die Kombi-
Menschen.                                                  nation aus Alzheimer-Krankheit und weiterer patholo-
                                                           gischer Veränderungen gemeint, die gemeinsam eine
                  Keine Heilung möglich                    Demenz ergeben. Meist bezieht sich der Begriff auf das
                                                           gemeinsame Vorhandensein einer Alzheimer-Krankheit
In Deutschland sind rund 1,2 Millionen Menschen an         und vaskulären Demenz. Es ist davon auszugehen, dass
Demenz erkrankt. Frauen sind häufiger betroffen als        die Mehrheit der älteren Demenzerkrankten von dieser
Männer. Alle neurodegenerativen Demenzerkrankungen         Form betroffen ist.
haben einen fortschreitenden Verlauf, der mehrere Jahre
andauert. Bisher existieren keine Möglichkeiten, um das    Frontotemporale Demenz: Diese tritt meist im mittleren
Fortschreiten zu stoppen und die Erkrankung zu heilen.     Lebensalter auf und ist durch eine frühe, langsam fort-
Demenzerkrankungen gehen somit fast immer mit ei-          schreitende Persönlichkeitsveränderung und dem Verlust
nem zunehmenden Pflegebedarf und einer verkürzten          sozialer Fähigkeiten charakterisiert. Es treten Beein-
Lebenszeit einher. Die neue S3-Leitlinie „Demenzen“        trächtigungen von Intellekt, Gedächtnis und Sprach-
hat vor diesem Hintergrund zum Ziel, die Versorgung        funktionen auf.
und Lebensqualität der erkrankten Personen zu verbes-
sern. Sie bezieht sich auf die häufigen primären Formen    Demenz bei Morbus Parkinson: Diese entwickelt sich
der Demenz. Zu diesen zählen:                              im Verlauf einer Parkinson-Erkrankung. Neuen Er-

Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 6|16                                                                              13
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Kompetenz in Demenz
Die Malteser – Beratung, Unterstützung und Schulungen

                          Dem Augenb
                                             lick Leben
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                                                                                          Rücken
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                                                                                                        Bauchlage
                                                                                                                              oder Tisch
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                                                                                                                                          gebeugt) oder                             Hände im untere
                                                                                                                                                                                    bereich rechts
                                                                                                                                                                                                     n Rücken-             4
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                                       nkten wie dem                tut es beide      ● Die Berüh                       rt.                                                     über den Rücke unten nach oben
                                                                                 n
                                                                                                                                                                                                                                Silviahemm
                                                        Gebenden.                                  rung nicht                                                                                    n streichen.
                                                                                                               unterbrech                                                      Schulterbere                   Im
                                                                                                                            en – eine Hand                                                  ich die Herzen

                                                                                                                                                                                                                                           et
                                                                                        am Rücken!                                                                             „malen“, dass                  so groß
                                                                                                                                            immer                                              die gesamte

                                                                                                                                                                                                                                Touch
                                                                                                                                                                               partie berühr                Schulter-
                                                                                                                                                                                             t wird.

                                                                                                               Spirale
                                                                                                                                                           1
                                                                                                                                                                              Slalom
                                                                                                                                                                                                                               Leben mit Dem
                                                                                                               Beide Hände
                                                                                                               links und rechts
                                                                                                                               in Rückenmitte                                 Hände rechts
                                                                                                                                                                             Wirbelsäule
                                                                                                                                                                                             und links der             5       entspannen
                                                                                                                                                                                                                                             enz –
                                                                                                               platzieren.
                                                                                                                                  der Wirbel
                                                                                                                                             säule                                         im Schulterbere                                und wohlfüh
                                                                                                              parallel in
                                                                                                                           Dann mit den
                                                                                                                                          Händen
                                                                                                                                                                             platzieren.
                                                                                                                                                                             den paralle
                                                                                                                                                                                         Nun mit den
                                                                                                                                                                                                       Hän-
                                                                                                                                                                                                             ich
                                                                                                                                                                                                                                                      len
                                                                                                                          immer größer                                                   l bis zur Lende
                                                                                                              den Kreise                  werden-                           wirbelsäule                  n-
                                                                                                                          n im Uhrze                                                      „Slalom fahren
                                                                                                              den Rücken              igersinn über
                                                                                                                           streichen bis                                    Der eigene                    “.
                                                                                                             Rücken erreich              der ganze                                      Körper folgt
                                                                                                                                                                            Bewegung!                 der
                                                                                                                              t wurde. (Persö
                                                                                                             che Bereich
                                                                                                                         e wie z. B. Achsel nli-
                                                                                                             meiden.)                       höhlen

                                                                                                           Uhr
                                                                                                                                                       2
                                                                                                                                                                       Form des Rück
                                                                                                          Beide Hände
                                                                                                          dem Rücke
                                                                                                                         liegen mittig
                                                                                                                      n. Von dort
                                                                                                                                        auf
                                                                                                                                                                      Eine Hand
                                                                                                                                                                                   im Nacken
                                                                                                                                                                      ren, die andere
                                                                                                                                                                                              ens
                                                                                                                                                                                                platzie-           6
                     Wenn Sie weite                                                                       nend streich             begin-
                                                                                                                                                                      Lendenwirbe
                                                                                                                                                                                        im Bereich
                                                                                                                                                                                                     der
                                   re Informatione                                                                     t eine Hand
                                                                                                                                     nach außen                                      lsäule. Die
                                                    n haben möch                                         z.B. Richtu                               ,                 zieht mittig                 erste Hand
                                                                                                                     ng 6.00 Uhr,
                                dann wend                        ten,                                    Hand folgt,               die zweite                                      zur zweiten
                                           en Sie sich                                                                dann startet                                   Danach streich              nach unten.
                                                       an:                                               Hand von                   die erste                                         t die erste Hand
                                                                                                                    der Mitte aus                                    wieder aus
                                                                                                        7.00 Uhr, die               Richtung                                     der Grundstellun
                                                                                                                      zweite Hand                                   linken Seite                      g an der
                                                                                                        im Uhrzeigersin               folgt usw.                                  den Rücken
                                                                                                                                                                    unten, dann                 entlang nach
                                                                                                                          n bis die Uhr                                           an der rechten
                                                                                                        Eine Hand                        voll ist.                  Rücken entlan                   Seite den
                             Malteser Fachs                                                                        bleibt immer                                                     g zur zweite
                                                                                                                                   am Rücken.
                                             telle Deme                                                                                                            Eine Hand                      n Hand.
                                Kalker Haup               nz                                                                                                                    immer am
                                                                                                                                                                                             Rücken. Es
                                                                                                                                                                   ein Gefühl                             soll
                                              tstr. 22-24                                                                                                                      für die
                                                                                                                                                                   Rückens entsteh Dimension des
                                      51103 Köln                                                        Schwimme                                                                     en.
                                 Tel.: 0221 98225
                                                    92
                                                                                                        Hände im untere
                                                                                                                        n
                                                                                                                           n Rücken-
                                                                                                                                                3
                              E-Mail: fsd@m                                                             bereich rechts
                                                                                                                        und links der
                                             alteser.org                                                Lendenwirbe
                                                                                                                      lsäule platzie                              Spirale
                                                                                                                                     ren, mit
                                                                                                                                                                                                          7
                                                                                                       beiden Hände
                                                                                                                       n in herzfö                                wie bei
                                                                                                       Bewegungen                  rmigen                                      1
                                                                                                                      von
                                                                                                       über den Rücke unten nach oben
                                                                                                                        n streichen.
                                                                                                      Schulterbere                   Im
                     www.malteser-                                                                                 ich die Herzen
                                   deme     nzkompetenz.d                                             „malen“, dass
                                                                                                                      die gesamte
                                                                                                                                     so groß
                                                                                                                                                                 Ausklinge
                                                               e
                                                                                                                                                                                                        8
                                                                                                      partie berühr                 Schulter-                                      n lassen
                                                                                                                    t wird.                                      Hände auf
                                                                                                                                                                            den Schult
                                                                                                                                                                hen lassen.            ern ru-
                                                                                                                                                                            Den Erkran
                                                                                                                                                                schauen und             kten an-
                                                                                                                                                                             ein Getränk
                                                                                                                                                                                          anbieten.

Die Malteser beraten:                                                                                                                                          Die Malteser schulen:
→ Angehörige und Menschen mit Demenz                                                                                                                           → Multiplikatoren
→ via E-Mail, telefonisch oder persönlich                                                                                                                      → Praxisanwender aus der ambulanten Pflege,
→ mit verschiedenen Broschüren und einem                                                                                                                         dem Krankenhaus, der Altenhilfe und anderen
   komprimierten Ratgeber                                                                                                                                        Einrichtungen für Menschen mit Demenz
                                                                                                                                                               → Alltagsbegleiter (Betreuungsassistent nach § 53c)
Die Malteser unterstützen:                                                                                                                                     → ehrenamtliche Demenzbegleiter
→ bedarfsgerecht                                                                                                                                               → zentral, individuell und inhouse auf Anfrage
→ Ressourcen fördernd
→ ehrenamtlich und professionell

Die zentrale Anlaufstelle bei allen Fragen rund um das Thema Demenz:
Malteser Fachstelle Demenz | Erna-Scheffler-Str. 2 | 51103 Köln
fsd@malteser.org | www.malteser-demenzkompetenz.de
Pflege bei Demenz Dossier - Ausgewählte Fachartikel und Interviews aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 inklusive Literaturangaben zur ...
kenntnissen zufolge zeigen Betroffene klinische Merk-
                                                         male wie Aufmerksamkeitsstörungen, beeinträchtigte
„Hohes fachliches Niveau                                 intellektuelle Fähigkeiten, eingeschränkte visuell-räum-
 hat mich beeindruckt“                                   liche Funktionen sowie Beeinträchtigungen der Sprache
                                                         und des Gedächtnisses. Verhaltensmerkmale wie Apathie,
 Diplom-Pflegewirtin (FH) Claudia Keller aus Freising    Persönlichkeitsveränderungen und Stimmungsverände-
 hat als Repräsentantin der Bundesarbeitsgemein-         rungen inklusive depressiver Symptome und Angst sind
 schaft „Stationäre Pflegeeinrichtungen“ des             möglich. Halluzinationen, Wahn und verstärkte Tages-
 Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK)        müdigkeit können ebenfalls auftreten.
 an der Erstellung der S3-Leitlinie „Demenzen“
 mitgewirkt. Den Entstehungsprozess erlebte sie          Lewy-Körperchen-Demenz: Diese macht sich meist über
 als offen und konstruktiv.                              Funktionseinschränkungen im Alltag bemerkbar, wobei
                                                         die Gedächtnisfunktion – anders als bei vielen anderen
 2016 ist die vollständig überarbeitete Version der      Demenzen – relativ gut erhalten bleibt. Kernmerkmale
 S3-Leitlinie „Demenzen“ veröffentlicht worden. Sie      der Lewy-Körperchen-Demenz sind Schwankungen von
 wurde federführend von der Deutschen Gesell-            Wachheit und Aufmerksamkeit, visuelle Halluzinationen
 schaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psycho-      sowie Parkinson-Symptome.
 somatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie von
 der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
 in Zusammenarbeit mit der Deutschen Alzheimer
                                                                     Frühe Diagnose ist wichtig
 Gesellschaft erstellt. Mehr als 20 weitere Fachge-
                                                         Die Diagnose dient dazu, die Erkrankten und Angehö-
 sellschaften, Berufsverbände und Organisationen
 aus Medizinern, Therapeuten, professionell Pflegen-
                                                         rigen über die Ätiologie, die Symptomatik, die Prognose,
 den und Patientenvertretungen waren daran beteiligt.    die Therapie und präventive Maßnahmen aufzuklären.
 Die Profession der beruflich Pflegenden war über        Eine frühe Feststellung der Krankheit ist wichtig, weil
 den Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe            gerade im Frühstadium einer Demenz Belastung und
 (DBfK) und über die Bundesfachvereinigung Leiten-       Pflegebedürftigkeit verzögert werden können. Die Diagno-
 der Krankenpflegepersonen in der Psychiatrie            se basiert im Wesentlichen auf einer Anamnese sowie einer
 (BFLK) vertreten.                                       körperlichen und psychopathischen Untersuchung.
     Ich habe als Mitglied der Bundesarbeitsgruppe           Kognitive Kurztests zur orientierenden Einschätzung
 „Stationäre Pflegeeinrichtungen“ als DBfK-Reprä-        kognitiver Störungen können die Diagnostik ergänzen.
 sentantin an der Erstellung der Leitlinie mitgewirkt.   Tests wie der Mini-Mental-Status-Test (MMST), der
 Als Diplom-Pflegewirtin (FH), Krankenschwester,         DemTest, der Test zur Früherkennung von Demenzen
 Auditorin und Dementia-Care-Mapping-Anwenderin
                                                         mit Depressionsabgrenzung (TFDD) und der Montreal
 (Basic User) verfüge ich über langjährige Erfahrung
                                                         Cognitive Assessment Test (MoCA) können von geschul-
 im Umgang mit demenzkranken Personen und habe
                                                         tem, medizinisch-psychologischem Personal ausgeführt
 im Zeitraum der Erstellung meine Expertise gut
 einbringen können. Ich hatte schon an der ersten        werden, um das Vorhandensein und den ungefähren
 Fassung von 2009 mitgearbeitet; der Aktualisierungs-    Schweregrad einer Demenz zu bestimmen.
 prozess begann im Jahr 2014.                                 Ein Demenz-Screening, also die systematische
     Den Prozess der Leitlinienerstellung habe ich       Anwendung eines Tests bei beschwerdefreien Personen,
 über den gesamten Zeitraum hinweg als offen,            wird nicht empfohlen, weil es zu einer hohen Zahl an
 transparent und konstruktiv erlebt. Jedes Arbeits-      Falschdiagnosen kommen würde.
 gruppenmitglied konnte sein Wissen, seine Erfah-            Um geeignete Maßnahmen auszuwählen sowie um
 rungen und Meinungen einbringen, egal welcher           Betroffene und Angehörige adäquat informieren und
 Organisation oder Berufsgruppe es angehörte.            beraten zu können, ist die Feststellung eines Demenz-
 Zudem war es jederzeit möglich, Fragen zu stellen       schweregrads wichtig. Hierfür ist die subjektive Einschät-
 oder Kritik zu üben. Ein guter Informationsfluss war    zung der kognitiven Leistung durch den Patienten selbst,
 per E-Mail hervorragend gewährleistet. In vier
                                                         die Angehörigen oder den Arzt allein jedoch nicht
 Treffen wurden die Empfehlungen und die Empfeh-
                                                         ausreichend. Bei der Alzheimer-Demenz ist der MMST
 lungsgrade diskutiert und konzertiert. Der Fließtext
 zur Verabschiedung der Leitlinie wurde von den
                                                         ein geeignetes Instrument, um einen Schweregrad zu
 Repräsentanten der insgesamt 23 Organisationen          bestimmen. Wichtig ist jedoch, dass die Grenzen zwi-
 in einem schriftlichen Verfahren konsertiert.           schen den einzelnen Stufen im individuellen Fall nur als
     Im Rückblick hat mich das hohe Niveau, auf          Orientierungshilfe dienen und auch eine Zuordnung
 der die Literaturrecherche und Leitlinienerstellung     eines Patienten zu einem Schwergrad möglich ist, der
 erfolgte, ungeheuer beeindruckt. Die sogenannte         außerhalb der hier genannten Grenzen liegt:
 S3-Leitlinie stellt die qualitativ höchste Stufe dar.   n MMST 20 bis 26 Punkte: leichte Alzheimer-Erkrankung,
 Aufgrund der hohen Zahl der beteiligten Orga-           n MMST 10 bis 19 Punkte: moderate/mittelschwere
 nisationen ist der breite nationale Konsens, auf der    Alzheimer-Erkrankung,
 die Leitlinie beruht, deutlich hervorzuheben.           n MMST weniger als 10 Punkte: schwere Alzheimer-
                                                         Erkrankung.

 14                                                                               Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 6|16
Pflege bei Demenz Dossier - Ausgewählte Fachartikel und Interviews aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 inklusive Literaturangaben zur ...
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                      Die Therapie von Demenzerkrankungen setzt sich zu-               Psychosoziale Interventionen sind zentraler und notwen-
                      sammen aus einer medikamentösen Behandlung und                   diger Bestandteil der Betreuung und Begleitung von De-
                      psychosozialen Interventionen, die individuell auf den           menzerkrankten. Sie haben im Alltagsgeschehen zum Teil
                      Betroffenen angepasst sein müssen.                               einen größeren Stellenwert als die Medikamentengabe
                           Die pharmakologische Therapie ist ärztliche Aufgabe         und die zahlreichen Möglichkeiten lassen sich personen-
                      und soll an dieser Stelle nur am Rande erwähnt werden.           bezogen anwenden. Gleichzeitig ist die Qualität der Studi-
                      Bei der Alzheimer-Demenz werden grundsätzlich die                en zu den einzelnen Verfahren aus methodischen Gründen
                      Kernsymptomatik der Demenz wie kognitive Störungen               oft geringer als bei pharmakologischen Prüfungen. Die
                      und Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten sowie psy-           Wirksamkeit nicht-pharmakologischer Interventionen ist
                      chische und Verhaltenssymptome wie Depression und                somit aus wissenschaftlichen Gesichtspunkten schwieriger
                      Wahn medikamentös behandelt. Die aktuell zur Behand-             bewertbar. Die Maßnahmen im Einzelnen:
                      lung von Demenz-Kernsymptomen zugelassenen und
                      nachweislich wirksamen Medikamente sind Acetylcho-               Kognitive Verfahren: Diese sollen die sogenannten
                      linesterase-Hemmer – die sogenannten Antidementiva –             kognitiven Funktionen, also das Gedächtnis, die Auf-
                      und der nichtkompetitive NMDA-Antagonist Meman-                  merksamkeit und die Sprachfähigkeit, aktivieren. Die
                      tin.                                                             Interventionen lassen sich unter anderem einteilen in:
                           Die Leitlinie rät davon ab, Demenzerkrankten Anti-          n kognitives Training – Durchführung von Übungen
                      psychotika wie Haloperidol zu verabreichen, da die Gabe          kognitiver Funktionen,
                      wahrscheinlich mit einem erhöhten Risiko für Mortalität          n kognitive Stimulation – Anregung kognitiver Tätig-
                      assoziiert ist. Benzodiazepine sollen bei Patienten mit          keit, zum Beispiel über Aktivierung von Altgedächtnis-
                      Demenz nur bei speziellen Indikationen und nur kurz-             inhalten oder Einbindung in Konversation,
                      fristig eingesetzt werden. Vorsicht geboten ist auch bei         n Realitätsorientierung – Förderung der Orientierung
                      der Verabreichung von Antidepressiva, da Demenz-                 in Zeit und Raum durch Hinweise und Hilfen,
                      erkrankte häufig sehr sensibel auf diese Medikamente             n autobiografische Arbeit – Aktivierung von autobio-
                      reagieren.                                                       grafischen, insbesondere emotional positiv besetzten
                                                                                       Altgedächtnisinhalten.

                      Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 6|16                                                                                     15
Pflege bei Demenz Dossier - Ausgewählte Fachartikel und Interviews aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 inklusive Literaturangaben zur ...
Kognitive Verfahren sind häufig untersucht worden,      perliche Berührung als Kommunikationsmittel eingesetzt
     wobei viele dieser Studien von fragwürdiger Qualität        werden und eine beruhigende Wirkung haben können.
     sind. Insgesamt ergeben die Studienergebnisse ein geteil-
     tes Bild: Teilweise zeigen die Untersuchungen keine         Lichttherapie: Der Einsatz von hellem Licht soll bei
     Effekte auf die Kognition der Betroffenen. In anderen       Menschen mit Demenz positive Effekte auf den Schlaf-
     Studien werden hingegen entweder geringe, kurz an-          Wach-Rhythmus sowie auf psychische und Verhaltens-
     dauernde oder positive Auswirkungen konstatiert.            symptome bewirken. In einer Metaanalyse des Cochra-
         In der jüngeren Zeit ist deutlich geworden, dass ko-    ne-Instituts zur Lichttherapie konnte eine Wirksamkeit
     gnitive Stimulation positive Effekte auf Kognition zeigt,   von Lichttherapie zur Behandlung der häufig auftreten-
     wobei dies nicht für kognitives Training zutrifft. Insge-   den Schlafstörungen und Verhaltenssymptome wie Agi-
     samt sind die Effekte von kognitiven Verfahren jedoch       tation und Depression nicht gezeigt werden. In einer
     als gering zu bewerten. Bei leichter bis moderater          weiteren Übersichtsarbeit wird hingegen festgestellt, dass
     Demenz ist kognitive Stimulation zu empfehlen.              sich Lichttherapie günstig auf den Schlaf-Wach-Rhyth-
                                                                 mus auswirkt. In einer aktuellen Cochrane-Metaanalyse
     Körperliche Aktivität: Diese kann sich positiv auf kogni-   zur Lichttherapie bei Demenz zeigten sich keine Effekte
     tive Funktionen, Alltagsfunktionen, psychische Sympto-      auf kognitive Funktionen, Schlaf, Psyche und Verhaltens-
     me, Verhaltenssymptome, Beweglichkeit und Balance           symptome. Insgesamt betrachtet ist der therapeutische
     auswirken. Sie ist daher zu empfehlen.                      Nutzen von Licht also nicht belegt.

     Ergotherapie: Ergotherapeutische, individuell angepasste    Angehörigentraining: Studien zeigen, dass Schulungen
     Maßnahmen tragen bei Patienten mit leichter bis mittel-     und Trainings von Angehörigen zum fachgerechten Um-
     schwerer Demenz zum Erhalt der Alltagsfunktionen bei.       gang mit Demenzsymptomen zu einer Verbesserung der
     Sie sollten betroffenen Personen unter Einbeziehung der     Situation des Erkrankten führen können.
     Bezugspersonen angeboten werden.
                                                                        Was tun bei Demenz-Symptomen?
     Künstlerische Therapien: Auch diese sind vielverspre-
     chend. Es gibt Hinweise, dass aktive Musiktherapie          In der Leitlinie werden des Weiteren Maßnahmen be-
     günstige Effekte auf die Psyche und das Verhalten von       wertet, die bei bestimmten problematischen Verhaltens-
     Menschen mit Demenz hat, insbesondere auf das Symp-         symptomen in Betracht kommen.
     tom Angst. Persönlich bevorzugte Musik kann ebenfalls       Depression: Der Einsatz supervidierter ehrenamtlicher
     positive Wirkungen entfalten, besonders bei Personen        Kontakte, kognitive Gruppentherapie und Freizeitaktivi-
     mit agitiertem und aggressivem Verhalten. Verbesserun-      täten können sich positiv auf depressive Verstimmungen
     gen der Stimmung, der Gesamtbefindlichkeit im               von Demenzkranken auswirken. Das zeigte eine Über-
     Lebensalltag und der kognitiven Leistungen wurden teil-     sichtsarbeit bei Pflegeheimbewohnern mit Demenz. In
     weise bei der Kunsttherapie beschrieben. Tanztherapie       einer weiteren Übersichtsarbeit stellte sich heraus, dass
     kann bei Demenzerkrankten mit ausgeprägten Störun-          Schulungsprogramme und Unterstützung von Pflegen-
     gen der Kommunikation hilfreich sein.                       den wirksam sind. Andere Studien zeigten eine Wirk-
                                                                 samkeit von Verhaltenstherapie, insbesondere die Erhö-
     Aromatherapie: Bei der Aromatherapie werden Ge-             hung angenehmer Tätigkeiten. Zudem sind Wirkungen
     ruchsstoffe eingesetzt, um demenzspezifisches Verhalten     von körperlichen Übungen auf Depressionssymptome
     zu beeinflussen. Untersuchungen zeigen, dass die An-        beschrieben.
     wendung von Aromastoffen geringe Effekte auf agitiertes
     Verhalten und allgemeine Verhaltenssymptome bei Pa-         Agitiertes Verhalten: Personenzentrierte Pflege, beson-
     tienten mit mittel- bis schwergradiger Demenz haben         dere Kommunikationstechniken, Dementia Care Map-
     kann. Die Leitlinie empfiehlt daher die Aromatherapie.      ping (DCM) und Musiktherapie können sich positiv auf
                                                                 agitiertes Verhalten auswirken. Das zeigte eine große
     Snoezelen: Unter Snoezelen wird die multisensorische        Übersichtsarbeit.
     Anwendung beruhigender Stimuli verstanden. Ziel ist
     die beruhigende und entspannende Wirkung auf die an         Erhöhter Bewegungsdrang: Viele Demenzerkrankte ha-
     Demenz erkrankte Person. Untersuchungen zeigen, dass        ben einen hohen Bewegungsdrang. Dieses Phänomen
     Snoezelen mit individualisierten, biografiebezogenen        wird in Fachkreisen auch Wandering genannt. Da die
     Stimuli im 24-Stunden-Ansatz geringe Effekte auf Freu-      Betroffenen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit als
     de und Aktivität bei Patienten mit moderater bis schwe-     belastend erleben, sollte grundsätzlich eine Umgebung
     rer Demenz haben. Snoezelen ist daher zu empfehlen.         geschaffen werden, die freie Bewegung ohne Gefährdung
                                                                 ermöglicht. Ist es nicht möglich, eine solche Umgebung
     Massagen und Berührung: Es gibt nur sehr wenige, me-        zu schaffen, oder sollte ein sehr großer Bewegungsdrang
     thodisch hochwertige Studien, die die Wirkung von Be-       zu einer Gefährdung des Erkrankten führen, können In-
     rührung auf Demenzkranke untersucht haben. Insgesamt        terventionen zur Reduktion der Bewegung erforderlich
     sind jedoch Hinweise erkennbar, dass Massagen und kör-      sein. Eine systematische Übersichtsarbeit kommt zu dem

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Pflege bei Demenz Dossier - Ausgewählte Fachartikel und Interviews aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 inklusive Literaturangaben zur ...
Schluss, dass eine psychosoziale Beeinflussung des Bewe-                     Wichtiger Leitfaden
gungsdrangs bei Menschen mit Demenz wissenschaft-
lich nicht belegt ist. Studien mit schwacher Evidenz zei-   Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die S3-Leitlinie
gen jedoch positive Effekte von gezielter körperlicher      „Demenzen“ einen umfassenden Überblick gibt, um
Aktivität und von Snoezelen auf.                            Menschen mit Demenz fachlich fundiert zu begleiten
                                                            und zu unterstützen. Auch wenn es sich um eine vorran-
Schluckstörungen: Im Verlauf einer Demenzerkrankung         gig medizinische Leitlinie handelt, enthält sie viele
können Schluckstörungen auftreten. Diese machen sich        Inhalte, die sowohl für professionell Pflegende, Betreu-
beispielsweise über Mangelernährung, Nahrungsverwei-        ungskräfte, ehrenamtliche Unterstützungspersonen, für
gerung, ungewollten Gewichtsverlust, Verschleimung          pflegende Angehörige, als auch für Entscheidungsträger
und vermehrtes Husten bemerkbar. Betroffene benötigen       im Gesundheitswesen wichtig und hilfreich sind – insbe-
adaptive Maßnahmen wie eine sichere Koststufenwahl          sondere die Ausführungen zu den nicht-medikamentö-
unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Ernährung,        sen Interventionen. Da durch die Maßnahmen die
die Anpassung der Konsistenz von Flüssigkeiten („Andi-      Qualität der Versorgung verbessert wird, dient die Leitli-
cken“) und den Einsatz geeigneter Hilfsmittel. Zudem ist    nie gleichzeitig der Qualitätssicherung. Es bleibt zu hof-
eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit Logo-           fen, dass das Thema Demenz in naher Zukunft auch im
päden erforderlich.                                         Rahmen eines nationalen Expertenstandards wissen-
                                                            schaftlich aufbereitet wird.
Schlafrhythmus: Viele Demenzkranke leiden unter
einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Eine aussage-
kräftige Studie hat gezeigt, dass ein tägliches ein- bis
                                                                             Claudia Keller ist Diplom-Pflegewirtin (FH),
zweistündiges Aktivierungsprogramm zu einer Verbesse-                         Auditorin, Qualitätsmanagerin, Fachbuchautorin,
rung dieser Problematik geführt hat. Eine biografie-                           Dozentin im Gesundheitswesen und Kranken-
basierte Tagesstruktur kann also zu einer Verbesserung                        schwester. Sie hatte als Repräsentantin des
                                                                              Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe
des Tag-Nacht-Schlafverhältnisses führen und sollte ge-                     (DBfK) an der S3-Leitlinie „Demenzen“ mitge-
währleistet sein.                                                         arbeitet. Mail: c.kellerfreising@googlemail.com

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Pflege bei Demenz Dossier - Ausgewählte Fachartikel und Interviews aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 inklusive Literaturangaben zur ...
„Es gibt keine pauschale
      Empfehlung“
      Herausforderndes Verhalten bei Demenz. Der Umgang mit schwierigen
      Verhaltensweisen bei an Demenz erkrankten Patienten und Bewohnern ist für
      Pflegende nicht immer einfach. Hinzu kommt, dass keine Maßnahme per se richtig
      oder falsch sei, sagt Pflegewissenschaftlerin Dr. Margareta Halek. Alles müsse
      individuell abgestimmt werden. Das erfordere viel pflegerische Fachkompetenz.

      Interview: Nadine Millich

      Frau Dr. Halek, ab wann gilt ein Verhalten von Men-                per se richtig oder falsch, alles muss individuell abge-
      schen mit Demenz als herausfordernd?                               stimmt werden. Pflegende brauchen dafür eigentlich eine
      Das ist eine sehr wichtige, aber gleichzeitig auch sehr            Art Baukasten, denn sie müssen sich in unterschiedlichen
      schwierige Frage, denn es gibt keine klare Definition dieses       Ansätzen, beispielsweise auch in der Psychologie, gut
      Begriffs. In der Praxis ist es meist so, dass jeder ein bestimm-   auskennen und diese auch anwenden können. Eine gute
      tes Verhalten unterschiedlich stark herausfordernd findet.         Hilfestellung bieten die Rahmenempfehlungen zum he-
      Tritt herausforderndes Verhalten zwangsläufig bei allen            rausfordernden Verhalten von Menschen mit Demenz.
      an Demenz erkrankten Patienten auf?                                Sie sind zwar schon 2007 entwickelt worden, stellen aus
      Ja, entsprechende Untersuchungen haben ergeben, dass               meiner Sicht aber immer noch den aktuellen Stand des
      fast jeder Betroffene solche Verhaltenssymptome im Ver-            Wissens zum Thema dar und sind für die Situation in
      lauf der Krankheit zeigt. Die häufigsten Symptome sind             deutschen Pflegeheimen entwickelt worden. Sie stellen
      dabei Agitation und Apathie.                                       die sogenannte „Verstehende Diagnostik“ in den Mittel-
      Viele Pflegende fühlen sich hilflos, wenn sie in einer             punkt. Damit ist gemeint, dass das Verstehen des Verhal-
      Situation mit herausforderndem Verhalten konfrontiert              tens vor dem Handeln kommt.
      sind. Was können sie konkret tun, wenn ein Patienten               Ein Ansatz könnte auch das etwas in die Jahre gekom-
      kontinuierlich umherläuft, weint oder schreit?                     mene Modell der Validation der US-Amerikanerin Nao-
      Wenn eine solche Situation über einen längeren Zeit-               mi Feil aus den 1990er-Jahren sein. Dieses lehrt, dass
      raum anhält, sollte sie auf jeden Fall im Team besprochen          man an Demenz Erkrankten wertschätzend begegnen
      werden. Gemeinsam analysiert man dann, ob das Verhal-              und ihre momentanen Gefühle spiegeln muss. Zurecht-
      ten vielleicht immer nur bei einer bestimmten Person               weisungen sind laut Feil immer unangebracht. Ist das
      auftritt oder ob es generell ein Problem ist und wie ande-         nicht auch eine hilfreiche Strategie?
      re mit dieser Situation umgehen. Auch sollte man ge-               Ob Validation richtig ist, kann ich nicht sagen, zumal es
      meinsam eruieren, was die Ursachen für dieses Verhalten            keine guten Effektivitätsstudien zu diesem Ansatz gibt.
      sein können und welche geeigneten Maßnahmen ange-                  Dennoch ist sicherlich der hinter dem Modell steckende
      wendet werden sollten. Grundsätzlich aber kann ich kei-            Ansatz entscheidend in der Pflege. Es ist eine Prämisse,
      ne pauschale Empfehlung aussprechen. Es wäre nicht                 Menschen wertschätzend zu begegnen und sie auch so zu
      richtig, wenn ich Validation, Snoezelen oder Musikthera-           behandeln. Ob das nun nach den Regeln von Naomi Feil
      pie empfehlen würde. Die richtige Maßnahme hängt                   oder Nicole Richards, die die integrative Validation etab-
      sehr von der betreffenden Person ab, worin ihr Verhalten           liert hat, erfolgt, ist zweitrangig. Wenn es einen positiven
      begründet liegt und auf was sie positiv reagiert.                  Effekt auf die Person hat, dann ist es gut. So simpel, wie
      Haben Sie trotzdem einen Rat für Pflegende?                        das klingt, ist es auch.
      Meine Empfehlung ist, ein solches Verhalten wirklich als           Aber was, wenn eine Pflegefachperson mit einer Situati-
      ein Signal zu verstehen und als einen Kommunikations-              on überfordert ist, beispielsweise weil ein Patient unent-
      ansatz des Patienten, um herauszufinden, was er mir mit            wegt umherläuft und das womöglich auch noch in einer
      diesem Verhalten mitteilen möchte. Keine Maßnahme ist              Situation, in der ohnehin schon Zeitdruck herrscht?

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Foto: iStockphoto                                               Top-Thema

                    Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 6|16               19
Auch hier kann ich keinen konkreten Tipp geben. Wenn         schon seit der Jahrtausendwende von herausforderndem
     die Situation sehr problematisch ist, dann helfen sicher-    Verhalten. Der Begriff soll auch die Individualität von
     lich Deeskalationsstrategien, die den Moment entschär-       Verhalten abbilden. Zuvor sprach man eher von Pro-
     fen und beruhigen. Dazu zählt zum Beispiel, der Person       blemverhalten, störendem Verhalten oder demenzspezifi-
     ruhig, mit Respekt und Empathie entgegenzutreten. Ver-       schem Verhalten, also sehr medizinisch oder psychi-
     bale Drohungen oder Drohgebärden wie der erhobene            atrisch geprägten Ausdrücken. Wobei der Begriff des
     Fingerzeig sollten vermieden werden. Grundsätzlich           herausfordernden Verhaltens hier in Deutschland nicht
     kommen wir aber nicht umhin, dass wir die Person ken-        unumstritten ist. Meinem Empfinden nach nutzt nur die
     nen müssen, um zu wissen, was sie in schwierigen Situa-      Minderheit in der Praxis solche Assessment-Instrumen-
     tionen beruhigt. Die unmittelbar nächsten Minuten kann       te. Sie gehören nicht zum Standard, sondern werden vor
     man damit überbrücken und gewinnt so Zeit, weiterge-         allem dann angewandt, wenn die Einschätzung von Ver-
     hende Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Ein sensibler         halten vor allem strukturelle oder finanzielle Bedeutung
     und reflektierter Umgang mit Patienten und Bewohnern         hat. Also wenn zum Beispiel Altenhilfeeinrichtungen mit
     ist in jeder Situation maßgeblich.                           spezialisierten Wohneinheiten zusätzliche Finanzie-
     Es gibt unterschiedliche Assessment-Instrumente, die         rungstöpfe generieren wollen.
     bei der Einschätzung von herausforderndem Verhalten          Woran liegt es, dass die Instrumente nicht Standard in
     helfen sollen. Sind diese lediglich als Orientierung zu      der pflegerischen Praxis sind, wenn doch die Zahl der
     verstehen?                                                   Betroffenen so hoch ist?
     Tatsächlich gibt es fast über 100 solcher Instrumente, die   Assessment-Instrumente sind generell wenig beliebt in
     so etwas wie problematisches, neuropsychiatrisches oder      der Praxis und werden eher als lästig empfunden. Verhal-
     herausforderndes Verhalten erfassen – selbst der Begriff     tenserfassung ist zudem nicht wirklich ein Thema in der
     für dieses bestimmte Phänomen von Verhalten ist nicht        Ausbildung. Darüber hinaus sind die meisten Verhaltens-
     eindeutig. Erst die bereits erwähnten Rahmenempfeh-          instrumente nicht von der oder für die Pflege entwickelt
     lungen zum Umgang mit herausforderndem Verhalten             worden, sondern es sind in der Regel medizinische For-
     von Menschen mit Demenz des Bundesgesundheits-               schungsinstrumente, zu denen es nur wenige Empfeh-
     ministeriums schafften diesbezüglich mehr Klarheit. In-      lungen gibt, wie sie für die Gestaltung des Pflegeprozes-
     ternational spricht man in Zusammenhang mit Demenz           ses genutzt werden können. Außerdem wird Verhalten in
                                                                  der Praxis nicht als Pflegephänomen wie Schmerz oder
                                                                  Inkontinenz wahrgenommen. Im Pflegealltag schaut jede
                                                                  Pflegekraft individuell, ob sie es mit herausforderndem
                                                                  Verhalten zu tun hat oder nicht. Meistens gibt es in den
                                                                  einzelnen Pflegeteams aber schon so etwas wie ein ge-
                                                                  meinsames Verständnis von herausforderndem Verhal-
        HERAUSFORDERNDES                                          ten. Dennoch offenbart sich manchmal in gemeinsamen
        VERHALTEN BESTIMMEN                                       Fallbesprechungen, dass dieses Verständnis trotzdem sehr
                                                                  unterschiedlich sein kann.
        Es gibt eine Vielzahl an Assessment-Instrumenten,
        mit denen herausforderndes Verhalten bestimmt             Inwiefern?
        werden kann. Zum Beispiel gibt es das sogenannte          Wenn beispielsweise das Team davon ausgeht, ein Patient
        neuropsychiatrische Inventar. Das ist ein Instrument,     oder Bewohner sei herausfordernd, zeigt sich in der Fall-
        mit dem Symptome wie Unruhe, Apathie oder                 besprechung plötzlich, dass die eine Pflegekraft dieses
        Aggression erfasst werden. Erst ab einem be-              Verhalten eher beim Essen wahrnimmt, die andere aber
        stimmten Punktwert spricht man in diesem Fall
                                                                  beim Anziehen. Sie sind sich zwar einig, dass diese
        von klinisch relevantem Verhalten.
             In Deutschland weit verbreitet ist das Cohen-        Person herausfordernd ist, aber was genau das Herausfor-
        Mansfield-Agitations-Inventar. Damit wird aggres-         dernde ist, dazu gibt es häufig unterschiedliche Wahr-
        sives Verhalten mit seiner Häufigkeit in einem            nehmungen. Die Bewertung liegt im Auge des Betrach-
        Beurteilungszeitraum von meist zwei Wochen do-            ters, es ist etwas sehr Subjektives. Dem gegenüber steht
        kumentiert. Insgesamt 29 Formen des Verhaltens            der wissenschaftliche Ansatz. Ein Wert auf einer Skala
        sind dort vorgegeben.
                                                                  definiert, ob das Verhalten ein herausforderndes ist. Ist
             Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, heraus-
        forderndes Verhalten einerseits über die Häufigkeit
                                                                  dem so, dann ist es damit objektiv dokumentiert.
        zu definieren. Zeigt ein Patient oder Bewohner            Welche Konsequenzen haben diese beiden unterschied-
        über einen bestimmten Zeitraum ein gewisses               lichen Ansätze?
        Verhalten, gilt es als herausfordernd. Andererseits       Beide Sichtweisen haben Vor- und Nachteile. Die For-
        gibt es den Ansatz, anhand der Stärke eines Ver-          schung hat vor allem Programme entwickelt, die Lösun-
        haltens die entsprechende Schlussfolgerung zu
                                                                  gen für eine ganze Gruppe von Menschen mit Demenz
        ziehen. Also wenn beispielsweise ein Patient hin
        und wieder schlägt, dies jedoch dann sehr gewalt-
                                                                  anbieten und die auf die Minderung von herausfordern-
        voll, findet das zwar nicht so oft statt, wie ein         dem Verhalten ausgerichtet sind. Dazu zählen zum Bei-
        unruhiges Verhalten, aber es ist sehr belastend für       spiel Musikangebote oder sensorische Stimulation. Die
        Pflegende und Angehörige.                                 Gefahr dabei ist, dass man den Menschen mit Demenz
                                                                  Unrecht tut, weil die individuelle Bedeutung des Verhal-

20                                                                                        Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 6|16
Je mehr Pflegende über Demenz wissen,
                                     desto ein größeres
                              Handlungsrepertoire haben sie

                                  Dr. Margareta Halek (MScN), 43, ist Leiterin der Forschungsgruppe Versorgungsinterventionen
                             und stellvertretende Sprecherin des Standorts Witten des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative
                                           Erkrankungen e. V. (DZNE). Außerdem ist sie Juniorprofessorin für Pflegewissenschaften
                                 mit dem Schwerpunkt Pflege von Menschen mit Demenz am Department für Pflegewissenschaft
                                                                                                 der Universität Witten/Herdecke.
                                                                                                  Mail: margareta.halek@dzne.de

tens vernachlässigt wird. Die individuelle, sagen wir „Al-          gungen durchaus nachvollziehbar. Aber wenn dieses He-
les-liegt-im-Auge-des-Betrachters-Perspektive“ verleitet            rumlaufen eines der wenigen Funktionen ist, die diese
mitunter dazu, ernste Probleme zu übersehen, zu bagatel-            Person noch selbstständig ausführen kann, die ihn be-
lisieren, den Umgang mit dem Verhalten zu stark von                 schäftigt und beruhigt, dann ist das eine Ressource, die es
individuellen Einstellungen abhängig zu machen.                     zu erhalten gilt. Der nächste Schritt wäre zu schauen, wie
Wie können Pflegende hier einen richtigen Weg ein-                  man die Umgebung anpassen kann, damit seine Selbst-
schlagen? Gibt es einen solchen überhaupt?                          ständigkeit möglichst erhalten bleibt. Verhalten muss also
In den meisten Fällen besteht kein Widerspruch zwi-                 in Zusammenhang mit Demenz nicht zwangsläufig
schen dem, was die Pflegenden sagen und was die Aus-                negativ sein.
wertung einer Skala ergibt. Aber wenn jemand schlägt,               Dennoch kann diese Unruhe auch im Schmerz begrün-
sagen viele Pflegende oft, dass sie wissen, warum derjeni-          det sein. Forschungsergebnisse weisen auf einen engen
ge das tut. Damit ist es für sie kein herausforderndes              Zusammenhang dieser beiden Faktoren hin.
Verhalten mehr, weil es für sie eine nachvollziehbare Re-           Das will ich nicht bestreiten. In solchen Fällen muss der
aktion ist und sie wissen, wie sie solche Situationen ver-          Schmerz natürlich behandelt werden, um die Unruhe zu
meiden können. Die wissenschaftlichen Methoden kön-                 reduzieren. Die Suche nach den Ursachen ist das Ele-
nen zwar ein Verhalten wie Schlagen, Rufen oder Gehen               mentare im Umgang mit herausforderndem Verhalten.
objektiv festhalten. Die Bewertung jedoch, ob das auch              Kann eine Pflegekraft die dafür nötige Kompetenz in
etwas Problematisches, Herausforderndes ist, passiert ei-           sich allein bündeln oder ist vielmehr ein interdiszipli-
gentlich in den Köpfen der Betrachter.                              näres Team ratsam?
Also kommt es immer auch auf eine genaue Beobach-                   Es ist zweifelsohne schwer, bei Patienten mit herausfor-
tung der Patienten an? Das erfordert Fachkompetenz …                derndem Verhalten die situationsbedingt richtige Strate-
Ja, genau, je mehr Pflegende über Demenz wissen, desto              gie zu finden. Deshalb sind gemeinsame Fallbesprechun-
ein größeres Handlungsrepertoire haben sie. Verhalten ist           gen mit allen am Behandlungsprozess Beteiligten sehr
immer ein Ausdruck von Bedürfnissen, Umfeldbedin-                   sinnvoll. International spielen Psychologen dabei eine
gungen und der eigenen Persönlichkeit – auch bei gesun-             Schlüsselrolle. Hierzulande kenne ich jedoch keine Ein-
den Menschen. Dieses Verhalten sollte zunächst als eine             richtung, die einen Psychologen zur Beratung zieht be-
Art von Kommunikation wahrgenommen werden, um                       ziehungsweise ziehen kann. Genauso wichtig wie Psy-
dann die Gründe dafür herauszufinden. Wenn Pflegende                chologen sind Pharmakologen. Auch das ist in der Praxis
sehr sorgfältig den an Demenz Erkrankten betrachten,                kaum umsetzbar. Deshalb geht es eher um die Frage, wie
dann finden sie mitunter raus, dass vermeintliches oder             man trotz dieser widrigen Umstände an das Fachwissen
zunächst problematisches Verhalten auch als eine Res-               dieser Experten kommt. Und das funktioniert am besten
source verstanden werden kann.                                      über gut geknüpfte Netzwerke.
Wie meinen Sie das?                                                 Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Halek.
Menschen, die viel herumlaufen, werden immer als Pro-                                              nadine.millich@bibliomed.de
blemfall betrachtet. Das ist aufgrund der Rahmenbedin-

Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 6|16                                                                                           21
Auf dem Weg zur
        demenzsensiblen Uniklinik
        Demenz im Krankenhaus. Menschen mit Demenz haben besondere Bedürfnisse.
        Werden sie stationär im Krankenhaus aufgenommen, kommt es oft zu typischen
        Problemen wie Verwirrtheit, Widerstand, Weglauftendenzen. An der Medizinischen
        Hochschule Hannover (MHH) hat eine Arbeitsgruppe deshalb ein Bündel von
        Empfehlungen erarbeitet, die sich speziell für Universitätskliniken eignen, um die
        Versorgung von Menschen mit Demenz zu verbessern.

        Von Dr. Monika Büchler und Katja Freund

                                   Fortbildung

     Assessment

                                     Geriatrische
                                     Betreuung
                                                                                                                Illustration: designed by freepik.com

                     Einbindung
                     Angehöriger                                                     Lotsendienst

22                                                                  Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 6|16
Top-Thema

B       egleiten wir einen 82-jähri-
        gen Patienten, der mit einem
Oberschenkelhalsbruch in eine Uni-
versitätsklinik aufgenommen worden
                                                Um herauszufinden, wie viele Pa-
                                            tienten in der Medizinischen Hoch-
                                            schule Hannover (MHH) mit der
                                                                                     näre Aufnahmestation waren, gefolgt
                                                                                     von der Gastroenterologie. Ebenso
                                                                                     wurden die Stationsleitungen unter
                                            Nebendiagnose Demenz in den ein-         anderem dazu befragt, wie häufig
ist: Bereits am ersten Tag seines Auf-      zelnen Bereichen versorgt werden,        Patienten mit Demenz nach ihrer
enthalts wird deutlich, dass er sich        wurden 2013 Daten in SAP ausge-          Einschätzung auf den Stationen lie-
im hektischen Klinikalltag nicht zu-        wertet. Für den Zeitraum von 2003        gen. Fünf antworteten mit „täglich“,
recht findet, es besteht der Verdacht       bis 2012 wurde nach Patienten ge-        fünf mit „wöchentlich“ und drei mit
auf eine Demenzerkrankung. Er ist           sucht, die stationär behandelt wur-      „monatlich“. Die Zahl der Patienten
zeitlich, situativ und räumlich des-        den und mit der Nebendiagnose De-        variierte von eins bis drei. Diese
orientiert. Nach der Operation gerät        menz beziehungsweise Demenz-as-          Beobachtungen legen den Verdacht
er in ein postoperatives Delir. Da er       soziiertes Durchgangssyndrom co-         nahe, dass nicht alle Patienten, die
seine Bettruhe nicht einhält und als        diert worden waren. Ausgenommen          als dement eingestuft wurden, in
sturzgefährdet gilt, muss er von einer      waren die (Geronto-)Psychiatrie und      SAP auch erfasst wurden.
Sitzwache betreut werden. Er ver-           die Intensivstationen, weil diese Sta-
weigert das Essen und sämtliche             tionen – unter anderem durch einen                 Typische
pflegerische Interventionen. Er be-         besseren Personalschlüssel – mehr
kommt eine Lungenentzündung und
                                                                                           Herausforderungen
                                            Möglichkeiten haben, auf die Be-
wird einige Tage auf der Intensivsta-       dürfnisse dieser Patienten einzuge-      Aus der Literatur (Wingenfeld
tion behandelt. Als man ihn endlich         hen.                                     2007) sind typische Probleme be-
entlassen kann, hat sich sein kogniti-          Auf Basis dieser Auswertung          kannt, die im Rahmen der stationä-
ver Zustand derart verschlechtert,          wurden in einem zweiten Schritt 17       ren Behandlung und pflegerischen
dass er nicht mehr zu Hause versorgt        Stations- und Bereichsleitungen          Versorgung auftreten können. Diese
werden kann und in ein Pflegeheim           mithilfe eines leitfadengestützten       wurden auch von den Stationsleitun-
umziehen muss.                              Interviews befragt. Die Leitungs-        gen der MHH bestätigt:
     Der geschilderte Fall ist fiktiv.      kräfte repräsentierten insgesamt die     n Verwirrtheit/Orientierungslosig-
Fakt ist jedoch, dass älteren Patien-       19 Stationen, auf denen besonders        keit,
ten mit Demenz ein Krankenhaus-             häufig Patienten mit Demenz be-          n Hinlauftendenzen,
aufenthalt unter Umständen mehr             handelt werden, sowie die zentrale       n Widerstand oder mangelnde
schaden als nutzen kann. Kranken-           Notaufnahme. Ziel war es herauszu-       Mitarbeit bei pflegerischen Hand-
häuser sind in der Regel noch nicht         finden, wie sich die Versorgung von      lungen/Operationsvorbereitungen,
angemessen auf die Bedürfnisse              Menschen mit Demenz aus Sicht            n Probleme bei der Nahrungs- und
dieser Patientengruppe eingestellt          der Pflegenden darstellt. Die Zahl       Flüssigkeitsaufnahme,
(Hibbeler 2013). Nicht nur die Pa-          der Betten auf den Stationen beweg-      n Verständigungsprobleme,      zum
tienten erleben den Aufenthalt als          te sich zwischen 24 und 38, wobei        Beispiel Aufstehen nach Operation
Belastung (Angerhausen 2008).               die Mehrzahl der Stationen über 30       trotz angeordneter Bettruhe,
Auch die Pflegekräfte, die diese Pa-        Betten hatte.                            n Notwendigkeit der Fixierung we-
tienten nicht so gut versorgen kön-             Das Ergebnis der SAP-Recher-         gen Eigengefährdung, zum Beispiel
nen, wie sie es gerne möchten, fühlen       che in der MHH zeigte, dass im Jahr      Entfernen von venösen Zugängen,
sich belastet (Isfort et al. 2014).         2012 insgesamt 60 526 Patienten          n Sturzgefahr,
                                            stationär behandelt wurden. Davon        n Aggressivität.
  Wie groß ist das Problem?                 waren außerhalb der Gerontopsy-
                                            chiatrie und der Intensivstationen           Alle Befragten gaben einen deut-
Immer häufiger werden alte und an           730 Patienten mit der Nebendiagno-       lichen pflegerischen Mehraufwand
Demenz erkrankte Patienten in ein           se Demenz codiert, das sind 1,2 Pro-     bei Patienten mit Demenz an. Die
Krankenhaus aufgenommen. Auch               zent. Im Gegensatz dazu wurden im        Stationen, die seltener mit dieser Pa-
Universitätskliniken und Kranken-           Jahr 2003 nur 176 Patienten mit der      tientengruppe zu tun haben, können
häuser der Maximalversorgung bil-           Nebendiagnose Demenz behandelt.          den Mehraufwand besser verkraften
den hier keine Ausnahme. Bundes-            Der Anstieg dieser Patientengruppe       als die Stationen, auf denen täglich
weit gibt es jedoch keine validen           beträgt von 2003 bis 2012 immerhin       einer oder mehrere dieser Patienten
Zahlen zum Anteil der Patienten,            400 Prozent und lässt sich nicht mit     versorgt werden müssen. Dort haben
die stationär mit der Nebendiagnose         der Entwicklung der gesamten sta-        Pflegende immer häufiger das Ge-
Demenz in Krankenhäusern behan-             tionären Behandlungen in diesem          fühl, dieser Patientengruppe nicht
delt werden. Die Auswertung der             Zeitraum erklären.                       gerecht zu werden.
wenigen Studien hierzulande ergab               Deutlich wurde in der Auswer-            Häufig werden bei unruhigen
einen Anteil von 3,4 bis 43,3 Pro-          tung, dass die am meisten betroffe-      oder hinlaufgefährdeten Patienten
zent (Isfort et al. 2014, Pinkert/Hol-      nen Abteilungen die Neurologie, die      Sitzwachen eingesetzt, vor allem
le 2012).                                   Unfallchirurgie und die interdiszipli-   auch, um eine Fixierung zu vermei-

Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 6|16                                                                                     23
Assessment bei Aufnahme: Zur
    AG zum Thema Demenz in der MHH gebildet                                           Identifizierung von geriatrischen Pa-
    Die Arbeitsgruppe (AG) an der MHH setzte sich aus leitenden Ärzten                tienten mit kognitiven Einschrän-
    und Pflegekräften der am meisten betroffenen Bereiche, einer Mitar-               kungen könnte das Instrument
    beiterin der Unternehmensentwicklung sowie einem Vertreter der                    „Identification of Senior at Risk“
    Alzheimer Gesellschaft Hannover zusammen. Punktuell eingebunden
    waren weiterhin der Sozialdienst, das Entlassungsmanagement, das
                                                                                      (ISAR) (Thiem et al. 2012) im Rah-
    Controlling, ein Anästhesist sowie ein Psychologe. In acht Sitzungen              men des Aufnahmegesprächs in der
    hat sich die AG mit Konzepten näher beschäftigt, die bereits in Kranken-          zentralen Notaufnahme eingeführt
    häusern der Grund- und Regelversorgung erfolgreich umgesetzt                      werden. Bei differentialdiagnosti-
    werden und evaluiert wurden (vgl. Deutsche Alzheimer Gesellschaft                 scher Indikation könnte nach einer
    2013, Isfort 2012, Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege               erneuten Prüfung auf der Station ein
    und Alter 2012, Pinkert/Holle 2012, Bayrisches Staatsministerium für
                                                                                      geriatrisches, ein gerontopsychiatri-
    Umwelt und Gesundheit 2011, Wingenfeld/Kleina 2007). Darüber
    hinaus ist auch die Studie von Kirchen-Peters (2012) berücksichtigt               sches oder bei Bedarf ein klinisch-
    worden, in der die fördernden und hemmenden Faktoren für die                      pharmakologisches Konsil initiiert
    Umsetzung von Konzepten in Akutkrankenhäusern näher beschrie-                     werden. Um insbesondere ein post-
    ben wurden.                                                                       operatives Delir zu verhindern, sollte
         In der Diskussion innerhalb der AG wurde schnell klar, dass der              auch bei elektiven Aufnahmen eine
    Fokus nicht alleine auf die Demenz, sondern auf Patienten mit kog-
                                                                                      Risikoeinschätzung älterer Patienten
    nitiven Einschränkungen zu legen sei. Darüber hinaus wäre es sinnvoll,
    den Blickwinkel auf ältere Patienten zu erweitern, da diese Patienten-            vorgenommen werden.
    gruppe häufiger von kognitiven Einschränkungen betroffen ist und                      Ein weiterer Vorteil beim Ein-
    aufgrund des multifaktoriellen Geschehens einen potenziell kompli-                satz eines solchen Assessments ist
    zierteren stationären Verlauf haben kann.                                         die Tatsache, valide Angaben zur
                                                                                      Zahl der betroffenen Patienten zu
                                                                                      erhalten. Diese sollten mittelfristig
                                                                                      auch als Grundlage für Verhandlun-
                                                                                      gen mit Kostenträgern genutzt wer-
 den. Auf die Frage, was die Situation       schen einer Universitätsklinik, Kran-    den. Denn diese Patientengruppe
 verbessern könnte, nannten die              kenhäusern der Maximalversorgung         verursacht durch den erhöhten Be-
 Stationsleitungen Niedrigflurbetten,        sowie Krankenhäusern der Grund-          handlungsaufwand höhere Kosten,
 Hüftprotektoren, Tiefsessel, Pikto-         und Regelversorgung: Der Case-           die noch nicht ausreichend refinan-
 gramme und Beschäftigungsmateri-            Mix-Index ist deutlich höher und         ziert werden.
 al. Ebenso häufig präferierten die          somit sind die Patienten kränker.
 Befragten auch die Einrichtung              Das Gebäude ist größer und unüber-       Ehrenamtlicher Lotsendienst: Die
 einer interdisziplinären Station für        sichtlicher, es gibt mehr diagnosti-     Einführung eines ehrenamtlichen
 Patienten mit kognitiven Einschrän-         sche und therapeutische Möglich-         Lotsendienstes wäre der erste Schritt
 kungen sowie – auf besonders                keiten und damit häufig wechselnde       in Richtung eines Masterplans für
 betroffenen Stationen – die Auf-            Umgebungen. Die Stationen sind           die Versorgung von geriatrischen
 stockung der Personaldecke mit ger-         größer, und der Patient erlebt ständi-   und kognitiv eingeschränkten Men-
 iatrisch ausgebildetem Personal.            ge Veränderungen in der ärztlichen       schen. Dabei wäre es wichtig, die
     Die vorgeschlagenen Lösungsan-          und pflegerischen Betreuung.             Lotsen in die Besprechungskultur
 sätze unterscheiden sich nicht we-                                                   auf den Stationen einzubinden und
 sentlich von den in Theorie und Pra-             Besserer Umgang mit                 eine verbindliche Erreichbarkeit von
 xis diskutierten und durchgeführten                                                  Montag bis Freitag in der Zeit von
                                                  Demenz an Unikliniken
 Maßnahmen (Isfort et al. 2014).                                                      8 bis 16 Uhr zu gewährleisten. Da-
 Dennoch gibt es Unterschiede zwi-           Aufgrund dieser besonderen Fakto-        rüber hinaus wäre eine Stelle für die
                                             ren stellt sich folgende Frage: Wel-     Koordination der Einsätze, Beglei-
                                             che Konzepte eignen sich für eine        tung und Erstkontaktaufnahme der
                                              Universitätsklinik, um den Umgang       Ehrenamtlichen notwendig.
                                                 mit Menschen mit Demenz und
                                                    ihren Angehörigen zu verbes-      Geriatrische Betreuung rund um die
                                                       sern? Dieser Frage ist in      OP: Als eine vielversprechende

Kostenfreier
                                                         der MHH eine interdis-       Maßnahme schätzt die AG auch
                                                           ziplinäre Arbeitsgruppe    eine geriatrische Betreuung bei
                                                            (AG) im Auftrag der       Operationen ein. Hier gewährleisten

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