Satellitentelemetrische und genetische Untersuchung einer Rothirschpopulation - Diplomarbeit
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Satellitentelemetrische und genetische Untersuchung einer Rothirschpopulation Diplomarbeit Am Fachbereich Biologie, Institut für Zoologie, Abt. Ökologie Johannes Gutenberg-Universität Mainz vorgelegt von Sebastian Hoffmann Mainz, im Juni 2009
I Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung................................................................................................................ 1 2. Material und Methoden ........................................................................................... 5 2.1 Untersuchte Art: Cervus elaphus ...................................................................... 5 2.2 Untersuchungsgebiet der Telemetrie-Studie..................................................... 6 2.2.1 Flächennutzung im Untersuchungsgebiet .................................................. 8 2.3 Satellitentelemetrie.......................................................................................... 10 2.3.1 Datenauswahl und Einstellung der Halsbandsender ................................ 11 2.3.2 Betäubung und Besenderung ................................................................... 11 2.3.3 Versuchstiere............................................................................................ 12 2.3.4 Auswertung der GPS-Daten ..................................................................... 13 2.3.4.1 Auswertung mit dem Geografischen Informationssystem (GIS)......... 14 2.3.4.2 Statistische Auswertung..................................................................... 16 2.4 Populationsgenetik.......................................................................................... 17 2.4.1 Untersuchte Populationen ........................................................................ 17 2.4.2 Mikrosatelliten........................................................................................... 18 2.4.3 Probenmaterial und DNA-Extraktion......................................................... 19 2.4.4 PCR.......................................................................................................... 20 2.4.4.1 Verwendete Primer ............................................................................ 20 2.4.4.2 Durchführung der PCR ...................................................................... 21 2.4.5 Fragmentanalyse...................................................................................... 23 2.4.6 Statistische Auswertung......................................................................... 24 2.4.6.1 Überprüfung der Analysen über Verwandschaftsanalysen ................ 24 2.4.6.2 Kopplungsungleichgewicht (Linkage Disequilibrium) ......................... 24 2.4.6.3 Populationsstrukturierung .................................................................. 24 2.4.6.4 Flaschenhals-Effekt (Bottleneck) ....................................................... 26 2.4.6.5 Populationsdifferenzierung zwischen den drei untersuchten Populationen .................................................................................... 27 2.4.7 Geweihproben und DNA-Extraktion.......................................................... 28 3. Ergebnisse............................................................................................................ 29 3.1 Telemetrie ....................................................................................................... 29 3.1.1 Bewegungen der Tiere ............................................................................. 29 3.1.1.1 Monatsweise Betrachtung der zurückgelegten Strecken ................... 29 3.1.1.2 Maximal zurückgelegte Strecken ....................................................... 31 3.1.1.3 Zurückgelegte Strecken im Tagesverlauf........................................... 32 3.1.2 Minimum Convex Polygon und Kernel-Homerange.................................. 33 3.1.3 Flächennutzung ........................................................................................ 35 3.1.3.1 Vergleich der Flächennutzung bei Tag und bei Nacht ....................... 36 3.1.3.2 Habitatpräferenz ................................................................................ 38 3.1.3.3 Meidungsverhalten gegenüber anthropogen genutzten Flächen ....... 40 3.1.3.4 Nutzung sonnenexponierter Flächen ................................................. 41 3.1.3.5 Nutzung sonnenexponierter Flächen bei Helligkeit und Dunkelheit ... 44 3.1.3.6 Hangneigung der genutzten Flächen ................................................. 44 3.1.3.7 Höhe der genutzten Flächen.............................................................. 46 3.1.4 Erstellung eines einfachen Habitatmodells............................................... 48 3.2 Populationsgenetik.......................................................................................... 49 3.2.1 Überprüfung der Richtigkeit der durchgeführten Analysen ....................... 49
II 3.2.2 Linkage Disequilibrium ............................................................................. 49 3.2.3 Populationsstrukturierung......................................................................... 50 3.2.3.1 Trennung in Subpopulationen ............................................................ 50 3.2.4 Genetische Variabilität und Hardy-Weinberg-Gleichgewicht .................... 50 3.2.5 Bottleneck................................................................................................. 52 3.2.6 Genetische Differenzierung der drei Populationen ................................... 52 3.3. Ergebnis des Versuchs der DNA-Extraktion aus Knochen............................. 53 4. Diskussion ............................................................................................................ 54 4.1 Telemetrie ....................................................................................................... 54 4.1.1 Bewegungen der Tiere ............................................................................. 54 4.1.2 Homerange............................................................................................... 56 4.1.3 Flächennutzung ........................................................................................ 59 4.1.4 Habitatpräferenz ....................................................................................... 61 4.1.5 Meidung anthropogen genutzter Flächen ................................................. 62 4.1.6 Nutzung sonnenexponierter Flächen........................................................ 63 4.1.7 Hangneigung ............................................................................................ 64 4.1.8 Höhenlage ................................................................................................ 65 4.1.9 Habitatmodell............................................................................................ 65 4.2 Genetik............................................................................................................ 67 4.2.1 Überprüfung der Richtigkeit der Analysen und Verwertbarkeit der Loci ... 67 4.2.2 Lebensraumzerschneidung ...................................................................... 67 4.2.3 Bottleneck, Vergeich mit anderen Populationen und Hardy-Weinberg- Gleichgewicht ........................................................................................ 68 4.2.5 Genetische Differenzierung zwischen den drei untersuchten Populationen ............................................................................................................... 70 4.3 DNA-Extraktion aus Knochen-Material............................................................ 71 5. Zusammenfassung ............................................................................................... 72 6. Ausblick ................................................................................................................ 74 7. Literaturverzeichnis .............................................................................................. 76
1 1. Einleitung Der Rothirsch ist die einzige in Deutschland und Österreich heimische Großsäugerart (Wotschikowsky, 2004). Während sie von der Späteiszeit an bis in die Neuzeit hinein über ganz Mitteleuropa verbreitet war, unterlag ihre Verbreitung in der jüngeren Zeit extremen Schwankungen, insbesondere aufgrund anthropogener Einflüsse (Bützler, 2001; Raesfeld und Reulecke, 1988). Ihren Tiefststand erreichten die Populationen nach der Revolution im Jahre 1848, der den Rothirsch an den Rand der Ausrottung drängte (Herzog, 1995). Obwohl sich die Bestände in der Folgezeit aufgrund von vielfältigen Hegemaßnahmen und Wiederansiedlungen vielerorts deutlich steigerten, wurde die Rückkehr der Tiere in landwirtschaftliche Gebiete aber auch in viele Waldgebiete nicht mehr zugelassen (Wotschikowsky, 2004). Derzeit werden in Europa nur noch etwa neun Prozent seines ehemaligen Verbreitungsareals durch den Rothirsch besiedelt (Gill, 1990). Verstärkt durch die Gesetzgebung, die den Abschuss aller Rothirsche außerhalb festgelegter Gebiete vorschreibt und auch durch zunehmende Zerschneidung der Lebensräume, wird die Migration und damit verbunden der Austausch zwischen Populationen verringert. Dies trägt zu einer zunehmenden Verinselung bei. Genetische Unterschiede in durch den Menschen isolierten Populationen (Hartl, 1990; Schreiber, 1994) bis hin zu Inzuchterscheinungen (Zachos, 2007) wurden bereits festgestellt. Dennoch wird die Rückkehr des Rothirsches und die damit einhergehende Zunahme der Größe und Anzahl von Populationen in viele für ihn bestens geeignete Habitate aufgrund seines großen Schadenspotentials abgelehnt. Durch sein Nahrungsspektrum ist er unter den Wiederkäuern dem Intermediärtyp zuzuordnen (Hofmann, 1976). Er vermag dabei sowohl Nahrung mit hochresorbierbaren Zellinhaltsstoffen (Tixier et al. 1997), als auch, bei geringer Verfügbarkeit leichtverdaulicher Nahrung, Cellulosehaltige Pflanzen aufzunehmen (Äsen) (Hofmann 1989). Wegen des hohen täglichen Nahrungsbedarfs von bis zu 20 kg Pflanzenmaterial pro Individuum (Raesfeld, 2003) kann der Einfluss der Rothirsche in Abhängigkeit der Populationsgröße auf die Artzusammensetzung und Häufigkeitsverteilungen der im Biotop beheimateten Flora enorm hoch sein, besonders aufgrund der Tatsache, dass bestimmte Arten als Futterpflanzen präferiert werden (Borowski und Kossak, 1975). So kann der selektive Verbiss von Laubbaumarten zu einer Entmischung in der Waldverjüngung beitragen
2 („Verfichtung“). Durch das Fressen von Rinde (Schälen) und die daraus oftmals resultierende völlige Entwertung von Nutzhölzern können enorme forstwirtschaftliche Schäden entstehen. An der daraus entstandenen Diskussion über den Rothirsch sind allerdings nicht nur die Forstbehörden beteiligt, sondern auch andere Interessengruppen wie die Jagdbehörden, Grundeigentümer und Gemeinden sowie die Jäger. Während insbesondere die Forstbehörden ihre Forderung nach massiver Reduktion der Bestände artikulieren, um waldbauliche Ziele zu realisieren und ebenso, in Gebirgsregionen, den Erhalt und die Neubildung von Lawinenschutzwäldern zu gewährleisten, sind die verpachteten und meist von Berufsjägern betreuten Reviere aufgrund hoher Pachtpreise eine wichtige Einnahmequelle für Gemeinden und Grundeigentümer. Die Ziele der genannten Interessengruppen stehen teilweise in deutlichem Widerspruch, denn die jagdliche Attraktivität steigt mit dem Wildbestand, was für eine waldbauliche Zielerreichung gefährdend werden kann. Ein Management der Populationen wird unter diesen Gesichtspunkten zu einem notwendigen Instrument, um landschaftsökologische wie wirtschaftliche Aspekte gleichermaßen zu bedienen. Bedingt kommt in einigen Überlegungen auch der Tourismus fördernde Faktor zum Tragen. Die Beobachtbarkeit von Wildtieren in der freien Landschaft wird von vielen Wanderern und anderen Erholungssuchenden geschätzt. Unter anderem aus diesen gegensätzlichen Interessenlagen heraus wurde die im Folgenden vorliegende Studie über eine Rothirschpopulation im Lechtal (Österreich, Tirol) durchgeführt. Das etwa 5000 ha große Untersuchungsgebiet beherbergt momentan einen anhand von Zählungen an den Winterfütterungen bestimmten Winterbestand von etwa 300 Individuen. Dieser hohe derzeitige Bestand ist in den letzten 40 Jahren aus einer relativ kleinen Gründerpopulation heraus entstanden. Die Winterzählungen werden, soweit es die Witterung zulässt, jährlich im Januar und Februar durchgeführt, wobei stets ein behördlich vereidigter Waldaufseher anwesend ist. In den letzten beiden Jahren hat sich die Diskussion um die Bestände des Rothirsches zusätzlich durch das Auftreten von Rinder-Tuberkulose in der Region verschärft. Nach Keulung mehrerer Rinderbestände (n = 127) wurde bei neun Tieren die Erkrankung bestätigt. Hinzu kommt die Problematik für betroffene Landwirte, dass bei Verdachtfällen und Kontaktbetrieben Stallanlagen acht Wochen gesperrt werden, wodurch es zu wirtschaftlichen Engpässen in den landwirtschaftlichen
3 Betrieben kommen kann. Um das Infektionspotenzial von Rindern und Wildwiederkäuern zu analysieren, wurde im Untersuchungsgebiet ein erstes Screening von erlegten Rothirschen durchgeführt (n = 133), wonach insbesondere im Untersuchungsgebiet von einer hohen Prävalenz auszugehen ist. Um diese Ergebnisse abzusichern, wird eine deutliche Erhöhung der Stichprobe erforderlich. Die bovine Tuberkulose (bTB) wird von dem Mikroorganismus Mycobacterium bovis verursacht und stellt als Zoonose eine direkte Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar (Pollock, 2005). Da die Rinderzucht einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt und der Rothirsch von vielen aufgrund der parallelen Nutzung bestimmter Flächen als ein direkter Vektor der Krankheit angesehen wird, hat die Aufklärung des Raum-Zeitverhaltens der Rothirsche einen noch höheren Stellenwert erlangt. Neben diesen überwiegend ökonomischen Gesichtspunkten mit spezifischen wirtschaftlichen Partikularinteressen, sollen auch ökologische Fragestellungen geklärt werden, da die Datengrundlage über das Raum-Zeitverhalten von Rothirschen in den Alpen gering ist (Luccarini, 2006). Um die Population im Lechtal in Bezug auf das Raum-Zeit-Verhalten und die genetische Diversität zu analysieren habe ich zwei verschiedene methodische Ansätze eingesetzt. Zum einen konnte ich in Kooperation mit dem Büro für Naturschutz und Landschaftsökologie Petry und Hoffmann eine Satellitentelemetrie mit vier weiblichen Individuen durchführen, um die Individualbewegungen sowie das Raum-Zeitverhalten der Tiere aufzudecken. Zum anderen habe ich eine genetische Analyse unter Verwendung von Mikrosatelliten durchgeführt, mit der der Zustand des Rothirsch-Bestandes auf Populationsebene in Erfahrung gebracht werden sollte. Dabei habe ich im Rahmen dieser Arbeit versucht, im Speziellen folgende Fragen zu beantworten: Mit Hilfe der Telemetrie: • Gibt es ein Präferenzverhalten der weiblichen Tiere gegenüber bestimmten Flächen und wenn ja gegenüber welchen? • Gibt es Unterschiede in der Habitatnutzung im tageszeitlichen und jahreszeitlichen Verlauf? • Gibt es ein Meidungsverhalten bezüglich anthropogen genutzter Flächen?
4 • Kann das Risiko der Tuberkulose-Infektion von Rothirschen auf Rinder, zum Beispiel durch das Erkennen der Parallelnutzung von Flächen geklärt werden? Mit Hilfe der genetischen Analyse: • Gibt es Barrieren in der Region, die einen Austausch zwischen den einzelnen Rothirschpopulationen verhindern? • Lässt der genetische Zustand auf einen freien Austausch schließen, oder gibt es Anzeichen einer Verarmung oder Inzuchterscheinungen? • Ist eine Trennung in Subpopulationen möglich? Zusätzlich wurde von mir versucht, eine methodische Neuerung für die genetische Charakterisierung von Individuen zu etablieren. Es handelte sich hierbei um den Versuch der DNA-Extraktion zur späteren Mikrosatelliten-Untersuchung aus Geweihmaterial. Der Hintergrund dieses Bemühens ist die Tatsache, dass beim Rothirsch das männliche Tier eine Stirnwaffe (Geweih) ausbildet, welche im jährlichen Turnus abgestoßen und neugebildet wird. Diese sogenannten Abwurfstangen, aber auch die Geweihe, die von Jägern als Trophäen präpariert werden, würden einen riesigen, bestens dokumentierten Fundus an Probenmaterial liefern. Dadurch wäre es möglich, retrospektiv die genetischen Auswirkungen natürlicher wie anthropogener Einflüsse, möglicherweise über Jahrhunderte hinweg, zu erfassen und den zeitlichen Verlauf der genetischen Populationsstruktur kausal zu erklären.
5 2. Material und Methoden 2.1 Untersuchte Art: Cervus elaphus Der Rothirsch (Cervus elaphus) ist die am weitesten verbreitete Hirschart der Erde (Tillmann et al., 2004). Nach ihrer Entstehung in den Kältesteppen Mittelasiens hat sich die Art in über 20 Unterarten über weite Teile der Holarktis ausgebreitet (Bützler, 2001). Die Tiere erreichen, je nach Gebiet, bei einer Rumpflänge von bis zu 2,5 m ein Gewicht von bis zu 250 kg, wobei die männlichen Tiere das Gewicht der Weibchen um 110 bis 115 % überschreiten (Bützler, 2001). So wie alle zur Familie der Cerviden gehörenden Arten bildet auch beim Rothirsch das männliche Tier einen Kopfschmuck (Geweih) aus, welcher in einem jährlichen Turnus abgestoßen und neugebildet wird. Die Geweihe nehmen in der Regel mit steigendem Alter an Größe und Masse zu und dienen neben der Reviermarkierung, durch schlagen an Bäumen und Sträuchern, der Abschreckung anderer Individuen des gleichen Geschlechts, sowie dem Imponieren weiblicher Tiere. Außerhalb der Paarungszeit, die sich von Mitte September bis Mitte Oktober erstreckt, leben die Tiere sozial in nach Geschlechtern getrennten Verbänden (Rudeln). Dabei bildet der Dreierverband bestehend aus Mutter, diesjährigem und vorjährigem Kalb die Grundeinheit der Familienverbände (Beninde, 1937; Bützler, 2001; Wagenknecht, 2000). Die weiblichen Jungtiere siedeln sich in der Regel in unmittelbarer Umgebung der Streifgebiete der Mütter an, wodurch große Verbände entstehen können, in denen die erwachsenen weiblichen Tiere direkt miteinander verwandt sind (Clutton-Brock, 1982; Georgii, 1995; Mahnke, 1997). Die männlichen Tiere verlassen das mütterliche Streifgebiet in der Regel im Alter von zwei bis drei Jahren und schließen sich zu sogenannten „Hirschrudeln“ zusammen (Drechsler, 1991; Bützler, 2001). Kurz vor Brunftbeginn trennen sich besonders ältere Hirsche von ihren Rudeln und versuchen ein möglichst großes Rudel weiblicher Tiere um sich zu scharen, das durch akustische Signale (Röhren) und auch durch Kämpfe mit Rivalen behauptet wird. Die weiblichen Tiere bringen, nach einer erfolgreichen Paarung, im darauffolgenden Jahr (Mai/ Juni) in der Regel ein Jungtier (Kalb) zur Welt. Die Tragzeit dauert etwa 230 Tage. Nahrungsökologisch gilt der Rothirsch als Mischäser mit Tendenz zum Grasfresser (Hofmann, 1976).
6 2.2 Untersuchungsgebiet der Telemetrie-Studie Mein Hauptuntersuchungsgebiet, mit den mit Sendern ausgestatteten Tieren, lag im Lechtal und wird im Süden von den Lechtaler Alpen und im Norden von den Allgäuer Alpen begrenzt (Abb.2.1). Es ist ein ca. 5000 ha großes Areal in der Gemeinde Steeg, im Bezirk Reutte. Die Gebiet liegt zwischen 1100 und 2800m ü.N.N., der durchschnittliche jährliche Niederschlag beträgt 1376mm und die Durchschnittsjahrestemperatur 4,1 °C. Das Tiroler Lechtal ist in den Tallagen durch eine Reihe dörfischer Siedlungen geprägt. Aufgrund der zunehmenden touristischen Erschließung, in erster Linie durch Skifahrer und Wanderer, hat der Grad der Bebauung sowie das Verkehrsaufkommen im letzten Jahrzehnt stark zugenommen. Die steileren Hanglagen des Tals werden zur Milchviehwirtschaft im Almbetrieb, sowie forstwirtschaftlich genutzt. Da die Bewegungs- und Wanderfähigkeit des Rothirsches durch die Verbauung der Tallagen stark eingeschränkt ist und die ehemaligen Winteräsungsgebiete oft für die Tiere nicht mehr zugänglich sind, befinden sich im Gebiet drei genehmigte Winterfütterungen. Dort wird den Rothirschen in der Notzeit, je nach Witterungslage von November bis Anfang Mai, Heu und Kraftfutter angeboten (Abb. 2.1).
7 Abb. 2.1: Lage des Untersuchungsgebietes Lechtal und Lage der Winterfütterungen (rote Punkte) der Rothirsche (www.viamichelin.de).
8 2.2.1 Flächennutzung im Untersuchungsgebiet Das von mir verwendete geographische Kartenmaterial wurde aufgrund des öffentlichen Interesses an dieser Studie von „Tiris“, dem Tiroler Rauminformationssystem, sowie vom österreichischen Bundesmeldeamt zur Verfügung gestellt. Da der Flächennutzung zur Aufdeckung des Raum- und Zeitverhaltens eine besondere Bedeutung zukommt, wurde auf eine flächendeckende und möglichst hochdifferenzierte Information durchgängig besonderes Augenmerk gelegt. So stellt die digitale Flächennutzungskarte eine Vereinigung mehrerer Karten dar, wobei fehlende Flächen von mir anhand von Satellitenbildern und Beobachtungen im Untersuchungsgebiet manuell nachdigitalisiert wurden. Die so entstandene digitale Karte trennt die Region in 6295 Einzelflächen mit 27 verschiedenen Nutzungsformen (Abb. 2.2). Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit sind nur Flächen dargestellt, die mehr als ein Prozent an der Gesamtfläche einnehmen. Abb. 2.2: Flächennutzungstypen im Untersuchungsgebiet. Einige Nutzungsformen sind für das Hochgebirge spezifisch. So zum Beispiel die „Alpen“, die mit 3066 ha und 44% (Tab. 2.1) an der Gesamtfläche die häufigste Nutzungsform sind. Hierbei werden mit dem Begriff „Alpen“ felsige Flächen mit
9 spärlicher Vegetation bezeichnet. Als „Bergmahd“ werden die in regelmäßigen Abständen gemähten Flächen bezeichnet, die zur Beweidung zu steil sind und der Heugewinnung dienen. „Hutweiden“ bedeutet minderwertige Grünlandflächen ohne die Möglichkeit landwirtschaftlicher Nutzung und das „Ödland“ sind Flächen aus Fels und Geröll (Quelle: Umweltbundesamt Wien, 1996). Tab. 2.1: Name und Gesamtgröße der Flächennutzungstypen im Untersuchungsgebiet in Hektar [ha] und ihr prozentualer Anteil an der Gesamtfläche [%]. Anteil an der Nutzungstyp Größe [ha] Gesamtfläche [%] Alpen 3066,31 44% Baufläche befestigt 0,50 0% Baufläche begrünt 10,26 0% Bergmahd 48,87 1% Brachland 25,91 0% Erholungsfläche 0,60 0% Fichten-Föhrenwald 262,45 4% Fichten-Tannenwald 114,64 2% Fichtenwald 563,90 8% Fliessgewaesser 45,14 1% Gebäude 7,48 0% Gewässer/ Sumpf 0,03 0% Grünerlengebüsch/ -wald 64,60 1% Hartholz-Aue 12,89 0% Hutweide 116,34 2% Krummholzbestand / Latsche 455,17 6% Lagerplatz 0,27 0% Landwirtschaft 0,47 0% Ödland 1304,49 19% Sonstige (SB) 0,95 0% Strassenanlage 39,44 1% Streuwiese 1,46 0% Wald 383,37 5% Weichholzaue / Grauerlen 2,01 0% Weide 8,78 0% Werksgelände 1,38 0% Wiese 260,15 4%
10 2.3 Satellitentelemetrie Bei der Satellitentelemetrie werden Tiere mit einem Empfänger ausgestattet, der die aktuelle Position des Tieres mit Hilfe des von GPS- (global positioning system) Satelliten abgestrahlten Signals ermittelt. Die errechneten Positionsdaten werden auf einer Speicherkarte im Empfänger gespeichert und können entweder manuell ausgelesen, oder wie in diesem Projekt, über eine SIM-Karte per Handynetz an eine Basisstation übermittelt werden. Diese Technik ist in Halsbändern untergebracht, die den Tieren angelegt werden. Der Turnus der Positionsbestimmung durch den GPS-Empfänger ist jederzeit von der Basisstation aus frei wählbar. Die in dieser Studie verwendeten Halsbandsender stammen von der Firma Vectronic Aerospace in Berlin. Sie bestehen aus einem GPS-GSM Modul und einem Batteriepack. Über die in dem GPS-GSM Modul befindliche SIM-Karte werden die durch das GPS-Modul ermittelten Positionen an die Basisstation übermittelt. Das Gewicht der eingesetzten Halsbandsender beträgt ca. 1000g. Dies entspricht etwa 0,5 – 1,6 % des Körpergewichtes der Tiere. Dadurch wird eine Beeinflussung der Tiere durch die Halsbandsender ausgeschlossen, da negative Folgen für das Untersuchungstier erst ab einem Überschreiten von ca. 5% des eigenen Körpergewichtes zu beobachten sind (Kenward, 2001). Neben den GPS-Punkten werden folgende Daten standardmäßig zu jeder Position per SMS an die Basisstation übermittelt: 1. UTC = („Universal Time Coordinated“) Universalzeit und Datum 2. LMT = („Local Mean Time“) Lokalzeit = UTC plus ein bzw. zwei Stunden (entweder Winter- oder Sommerzeit) 3. ECEF = („Earth Centred Earth Fixed Coordinate System”) Koordinaten im Weltkoordinatensystem 4. Height (Altitude) = Höhe über dem Meeresspiegel in [m] 5. DOP = („Dilution of Precision“) Wert, der den möglichen Fehler einer GPS- Messung angibt. Je mehr sich der Wert der 1 annähert, desto genauer ist die Messung (Bei Werten zwischen 1 und 2 ist mit einer Genauigkeit von +/- 5 m zu rechnen). Temp. = Außentemperatur
11 Val = Eine Messung wird als „validated“, d.h. als brauchbar ausgewiesen, wenn zumindest 4 Satelliten zur Verfügung standen. Sats used = Anzahl der Satelliten, die zur Verfügung standen (z.B. 2D, 3D, ...). Jeder Halsbandsender sendet zusätzlich VHF (Very High Frequency)- Signale aus, um ein Auffinden des Tieres und/oder des Senders selbst bei fehlendem Handy- Netz, beziehungsweise bei beschädigtem GPS-GSM-Modul mittels Radiotelemetrie zu ermöglichen. 2.3.1 Datenauswahl und Einstellung der Halsbandsender Für die Auswertung wurden von mir ausschließlich Ortungspunkte berücksichtigt, die auf der Basis von mindestens vier verfügbaren Satelliten ermittelt wurden. Diese Entscheidung beruht auf einer diesem Projekt vorausgegangenen Studie, in der die Genauigkeit der übermittelten GPS Punkte überprüft wurde (Becker, 2008). Sie ergab, dass ab dem Vorhandensein von mindestens vier Satelliten die Abweichung von Fixpunkt zu GPS-Positionierung bei Berechnung des arithmetischen Mittels 7,88m und bei der Berechnung des Medians 5,89m betrug. Dies bedeutet, dass der Fehler der meisten Ortungspunkte kleiner als 7,88m ist, da das arithmetische Mittel durch Ausreißerwerte stärker beeinflusst wird als der Median (Becker, 2008) Der Turnus der Positionsberechnung wurde von mir auf einen Drei-Stunden-Takt festgelegt (Beginn 00:00 Uhr), was 8 GPS-Punkten pro Tag entspricht. Dadurch wurde eine ausreichende Datenmenge erzeugt und auch eine lang andauernde Akku-Laufzeit (ca. 2 Jahre) gewährleistet. 2.3.2 Betäubung und Besenderung Zum Anbringen der Halsbandsender wurden die Tiere an den im Revier angelegten Winterfütterungen (Abb. 2.2) mittels eines Narkosegewehres betäubt. Bei dem verwendeten Gewehr handelt es sich um ein CO2-betriebenes Betäubungsgewehr der Firma Dan-Inject. Als Betäubungsmittel kam „Hellabrunner-Mischung“ (Zusammensetzung: 100mg/ml Ketamin und 125 mg/ml Xylazin) zum Einsatz, wobei
12 sich die verwendete Menge und Dosis nach dem geschätzten Körpergewicht des zu betäubenden Tieres richtete. Da das Anästhetikum seine beste Wirkung, neben der intravenösen Injektion, bei Applikation in gut durchblutetes Muskelgewebe entfaltet, wurden die Narkosepfeile in die Oberschenkelmuskulatur der Tiere geschossen. Diese große Muskelgruppe wurde ausgewählt, da sie eine große Zielfläche, bei gleichzeitig geringster Verletzungsgefahr lebensnotwendiger Organe bietet. Die Wartezeit nach dem Schuss betrug mindestens zwanzig Minuten, um zu gewährleisten, dass eine ausreichende Wirkung des Narkotikums bereits eingetreten ist, um so Stress und Sturzgefahr für die betäubten Tiere zu minimieren. Nach Anlegen des Halsbandes wurde ein Gegenmittel injiziert, um die Aufwachzeit nach der Narkose zu verkürzen. Durch die rasche Wiedererlangung der vollen physischen Koordinationsfähigkeit sollte die Verletzungsgefahr in dem teilweise sehr unwegsamen Gelände entscheidend herabgesetzt werden. 2.3.3 Versuchstiere Insgesamt wurden vier weibliche Tiere betäubt und mit Halsbandsendern versehen. Es wurden gezielt nur weibliche Tiere für die Telemetrie ausgewählt, da insbesondere über deren Wanderbewegungen kaum Kenntnisse vorliegen. Bei den männlichen Tieren ist das Nachvollziehen der Wanderungen, aufgrund der guten Individualerkennung am Geweih, teilweise auch ohne Telemetrie-Einsatz über Freilandbeobachtungen möglich. Um eine bessere Zuordnung und Wiedererkennung der Tiere zu gewährleisten, wurden die besenderten Tiere in alphabetischer Reihenfolge mit den Namen Alma, Berta, Cilly und Daisy benannt. In die Datensammlung gingen weitere zeitliche und technische Parameter, wie der Tag der Betäubung, das Ende der Datensammlung und die Anzahl der von mehr als vier Satelliten übermittelten Positionen (N) mit ein (Tab. 2.1; Abb. 2.3).
13 Tab. 2.1: Namen der Tiere, Datum ihrer Betäubung, Anzahl der übermittelten und validierten Positionen (N) und Ende der Datensammlung. Anzahl der Positionen Tier Datum der Betäubung Ende der (N) Datensammlung Alma 29.04.2008 1084 31.12.2008 Berta 13.04.2008 1210 31.12.2008 Cilly 29.04.2008 1227 31.12.2008 Daisy 08.05.2008 1357 31.12.2008 Abb. 2.3: Positionen der übermittelten, validierten Punkte aller Tiere (N= 4842). 2.3.4 Auswertung der GPS-Daten Definitionen: Flächennutzung: Beschreibt die Nutzung einer bestimmten Flächeneinheit, zum Beispiel: Wald, Wiese, Gewässer usw. Habitatnutzung: Beschreibt die Nutzung der verschiedenen Flächennutzungen durch die Rothirsche, unabhängig von der Größe oder Häufigkeit der einzelnen Flächennutzungstypen.
14 Habitatpräferenz: Beschreibt die Nutzung der verschiedenen Flächennutzungen durch die Rothirsche, in Abhängigkeit vom Anteil des Flächennutzungstyps an der Gesamtfläche. 2.3.4.1 Auswertung mit dem Geografischen Informationssystem (GIS) Aus Kartenmaterial entnommene Daten, wie Wander- und Mountainbikewege, bebaute Flächen und Strassen, wurden von mir mit dem Programm ArcView GIS 3.2 (ESRI) digitalisiert. Die Berechnung der von den Tieren zurückgelegten Wegstrecken sowie die Bestimmung der Aktionsräume (Homeranges), mit Hilfe der MCP (Minimum Convex Polygon) (Mohr, 1947) und auch der Kernel-Methode (Hemson, 2005) erfolgte mit der „Animal Movement Extension“ (Hooge und Eichenlaub, 1997) für ArcView. Die zurückgelegten Wegstrecken beschreiben dabei stets die Länge der Strecke zwischen zwei Ortungspunkten innerhalb eines Drei-Stunden-Intervalls. Diese wurden von mir sowohl für die Individuen, als auch im Mittel für alle Tiere betrachtet. Neben der monatsweisen Betrachtung sollte die tageszeitliche Betrachtung Aufschlüsse über eventuelle täglich wiederkehrende Bewegungsmuster geben. Bei der Minimum Convex Polygon-Methode (Mohr, 1947) wird mit Hilfe der äußersten Telemetriepunkte ein Polygon erstellt, das somit auf 100% der Lokalisationen beruht. Die Kernel-Methode als parametrische Analyse basiert auf einer geschätzten Dichteverteilung der Lokalisationen, auf deren Grundlage an Schnittpunkten eines Rasters Wahrscheinlichkeitssektoren berechnet und als Isoplethen dargestellt werden (Hemson, 2005). In dieser Studie wurden von mir sowohl die 95% als auch die 50% Kernel-Räume bestimmt. Die 95% Räume stellen die Homeranges der Tiere exklusive Ausreißer- und Extremwerte dar, während die 50% Kernel von mir als Haupteinstandsgebiete angesehen wurden. Die Errechnung des für die Kernel-Räume erforderlichen Glättungsfaktors h („smoothing factor“) erfolgte durch die „Least Squares Cross Validation“-Methode (LSCV) (Worton, 1989). Zur Zusammenlegung und Vereinfachung von digital vorliegenden Karten und Daten habe ich die „Geo Processing Wizzard Extension“, ebenfalls für ArcView, verwendet. Zur Flächengrößenberechnung und Koordinatenermittlung von Polygonen und Punkten wurde die „Demo Tools Extension“ (ESRI) benutzt. Mein digital aus Höhenlinien erstelltes Geländemodell des Untersuchungsgebietes ermöglichte die Bestimmung der Höhe über dem Meeresspiegel. Aufgrund der hohen Datenmenge
15 und der hohen benötigten Rechenkapazität wurden von mir die zur Auswertung notwendigen Abfragen für Punkte in Polygonen, an Computern der geografischen Abteilung der Christian Albrechts-Universität zu Kiel mit dem Programm MapInfo Professional 9.3 ausgeführt. Um heraus zu finden, ob es Unterschiede im Verhalten der Tiere bei bestimmten Parametern in Abhängigkeit von der Helligkeit gibt, wurden in manchen Analysen die Lokalisationen in „Tag“ und „Nacht“ unterteilt. Diese Unterteilung in Helligkeit und Dunkelheit sollte Aussagen darüber erlauben, ob bestimmte Flächen, zum Beispiel aufgrund anthropogener Nutzung, bei Helligkeit gemieden werden. Um den im Jahresverlauf wechselnden Sonnenauf- und Untergangszeiten Rechnung zu tragen, wurden als „Tag“ ausschließlich die Uhrzeiten zwischen 09:00 und 15:00 gewertet, als „Nacht“ wurde die Zeit zwischen 00:00 und 03:00 festgelegt. Zur Auswertung der Habitatnutzung war die Einteilung der Flächen in „offene“ und „geschlossene“ Landschaften zweckmäßig. Wie für diese Nomenklatur üblich, wurden als „geschlossene“ Landschaften sämtliche von Wald bewachsenen Flächen bezeichnet, die übrigen als „offen“. Um sowohl Auskunft über die Habitatnutzung, als auch über die tatsächliche Habitat-Präferenz der Tiere zu erhalten, wurde diese nach Lille (1996) mit folgender Formel berechnet: Habitatpräferenz = log(r/√p), wobei r für den prozentualen Anteil von Revieren in einem bestimmten Habitattyp steht und p den prozentualen Anteil dieses Typs an der Gesamtfläche bedeutet. Werte über eins bedeuten, dass die Fläche im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtfläche überdurchschnittlich genutzt wurde, während Werte unter eins eine unterdurchschnittliche Nutzung bedeuten, man also von einem Meidungsverhalten ausgehen kann. Um herauszufinden, ob es ein Meidungsverhalten der Rothirsche gegenüber anthropogen genutzten Flächen gab, wurden diese, mit Hilfe der „DemoTools Extension“ (ESRI) mit einem im Durchmesser 100m großen Puffer umgeben, um der eventuell gemiedenen Fläche, eine, unter Berücksichtigung der Sichtbarkeit und der Fluchtdistanz der Tiere, realistische Größe zu geben. Zur Kontrolle eines generellen Meidungsverhaltens der Tiere gegenüber den vom Puffer umgebenen Flächen wurde wiederum die Habitatpräferenz für die Pufferflächen im Vergleich zur Gesamtfläche mit der Habitatpräferenz nach Lille (1996) berechnet. Als Gesamtfläche wurden von mir die Minimum Convex Polygone aller Tiere, exklusive der Pufferflächen, verwendet. Zur Erstellung des Habitatmodells wurden die Faktoren Flächennutzung, Hangneigung und Höhe über dem Meeresspiegel mit einbezogen.
16 Es wurden die Flächen gesucht, die aufgrund der Ergebnisse der Telemetrie als optimal für die Rothirsche geeignet erscheinen. Methodisch geschah dies über die „Merge“ und „Clip“ Funktionen der „Geo Processing Tools Extension“ für ArcView, sowie über die „Abfragen“ Funktion von MapInfo 7.8 Professional. Zur Überprüfung des Modells wurde die Anzahl der Ortungspunkte, die in den Optimumsflächen liegen angeschaut. Als Gesamtfläche wurde wie bereits bei der Frage nach der Präferenz anthropogen genutzter Flächen die Gesamt-MCP-Fläche exklusive der Modellfläche benutzt. Der Vergleich der beiden Flächen erfolgte wieder über die Habitatpräferenzberechnung nach Lille (1996). 2.3.4.2 Statistische Auswertung Zur statistischen Auswertung wurde von mir das Programm SPSS 13 benutzt. Zur grafischen Darstellung einiger Ergebnisse habe ich Box-Plot-Digramme gewählt. Der Box-Plot wird zur Veranschaulichung der Lage, Streuung und Schiefe der Werte einer Stichprobe verwendet. Er zeigt den Median, 25% und 75% Perzentile und die Extrema. Der nichtparametrische U-Test nach Mann-Whitney wurde verwendet zur Überprüfung der mittleren Wegstrecken aller Tiere nach Monaten (3.1.1.1), sowie im Tagesverlauf (3.1.1.2) und zur Überprüfung der Unterschiede der Bewegungsaktivität bei Tag und Nacht (3.1.1.3). Gleichermaßen kam dieses Testverfahren zur Betrachtung der Hangneigung (3.1.3.6) zum Einsatz. Die arithmetischen Mittelwerte der monatlichen Wegstrecken aller Individuen wurden aufgrund ihrer Normalverteilung mittels T-Test verglichen (3.1.1.1). Zur Detektion der Unterschiede in der Flächennutzung zwischen Tag und Nacht und der Unterschiede in der Nutzung offener und geschlossener Flächen (3.1.3.1) und zur Überprüfung des Meidungsverhaltens gegenüber anthropogen genutzten Flächen (3.1.3.3) wurde ein Chi-Quadrat-Homogenitätstest angewandt. Zur Errechnung des p-Wertes und der H- Werte bei den nicht normalverteilten Daten der Höhe der genutzten Flächen über dem Meeresspiegel (3.1.3.7) wurde der Kruskal-Wallis-Test eingesetzt. Die p-Werte wurden mit Hilfe eines H-Tests ermittelt. Die Zahl der Freiheitsgrade wurde in allen Fällen als „df“ bezeichnet.
17 2.4 Populationsgenetik Die Stichprobengröße in der Telemetrie Studie (n= 4 Individuen) ermöglicht zwar ein Beleuchten von Individual-Bewegungen, ist allerdings um Aussagen über den Zustand der Gesamtpopulation zu treffen, etwa im Hinblick auf Isolierung und Trennung in Subpopulationen, nicht ausreichend. Um aber auch darüber eine wissenschaftlich zuverlässige Antwort zu suchen, habe ich eine genetische Untersuchung der Population mit einer großen Stichprobe von 72 Individuen durchgeführt, die ca. 20-25 % des Gesamtbestandes der Region repräsentiert (250- 300 Individuen). Diese Untersuchung erfolgte mit einer Mikrosatellitenanalyse an neun Loci. Um eine Vergleichbarkeit mit anderen Rotwildpopulationen zu ermöglichen wurden von mir zusätzlich zur Hauptpopulation in Österreich auch Gewebeproben aus zwei Referenzpopulationen vom Niederrhein in Deutschland mit derselben Methode analysiert. Der Vergleich mit diesen Populationen sollte eventuelle Besonderheiten in der Hauptuntersuchungspopulation im Lechtal aufdecken. Mit der genetischen Analyse sollten Fragen nach der Austauschfähigkeit in der Population, eventuelle Substrukturierungen, genetische Diversität und zurückliegende Bottleneck-Effekte beantwortet werden. 2.4.1 Untersuchte Populationen Neben der Population in Österreich (N= 72 Individuen), in der die Tiere von mir telemetriert wurden, habe ich zusätzlich Gewebeproben aus den zwei Referenzpopulationen in Deutschland untersucht. Referenzpopulation 1: Ingelheimer Stadtwald (Bingen) Die erste Referenzpopulation stammt aus dem Ingelheimer Stadtwald in Bingen (Abb. 2.4). Die Stichprobengröße beträgt N= 28 Individuen. Der Ingelheimer Stadtwald, auch „Binger Wald“ genannt, ist ein weitgehend geschlossenes Waldgebiet mit einer Fläche von ca. 7000 ha Größe im Hunsrück im Bundesland Rheinland-Pfalz. Bewirtschaftungsschwerpunkt war und ist die Hochwaldwirtschaft, mit ausgedehnten Mischwaldbeständen, wobei die Eiche mit 40% die Hauptbaumart darstellt. Die maximale Höhe im Binger Wald beträgt 637 m
18 über NN, die durchschnittliche Jahrestemperatur 10,9 °C und der durchschnittliche Niederschlag 618 mm. Referenzpopulation 2: Neuwied (Koblenz) Dieses Rotwildgebiet liegt am westlichen Rand des „Naturparks Rhein Westerwald“ ebenfalls im Bundesland Rheinland-Pfalz (Abb. 2.4). Die Landschaft hat typischen Mittelrhein-Charakter, Weinberge wechseln sich mit steilen, sonnigen Felshängen ab. Etwa 45% der Flächen sind bewaldet, insbesondere die Hochflächen und Höhenrücken. Es werden 34% des Gebietes landwirtschaftlich genutzt. Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt bei 9,5 °C und der durchschnittliche Jahresniederschlag beträgt 650 mm. Abb. 2.4: Geografische Lage der Referenzpopulationen „Bingen“ und „Neuwied“ (www.falk.de). 2.4.2 Mikrosatelliten Mikrosatelliten sind hochrepetitive DNA-Sequenzen mit Repeateinheiten von 1-6 Basenpaaren. Sie sind in hoher Frequenz im nukleären Genom enthalten und besitzen meist Längen von 5-40 Wiederholungseinheiten (Selkoe und Toonen,
19 2006). Durch ihre hohen Mutationsraten (10-2 –10-4) und dem daraus resultierenden hohen Polymorphiegrad eignen sie sich in besonderem Maße zur hochauflösenden Detektierung von Populations-, als auch Individualdifferenzierungen (Freeland, 2006). Um den Mechanismus der Mutation bei Mikrosatelliten beschreib- und analysierbar zu machen, haben sich zwei verschiedene Modelle durchgesetzt. Dem „Infinite Allele Model“ (IAM) (Kimura und Crow, 1964) liegt die Annahme zu Grunde, dass jede Mutation die Entstehung eines neuen Allels nach sich zieht. Die Mutationsrate ist hierbei konstant und jede Mutation tritt mit der gleichen Wahrscheinlichkeit auf. Das zweite Mutationsmodell, das „Stepwise Mutation Model“ (SMM) (Kimura und Otha, 1978), beruht auf der Annahme, dass Mikrosatelliten jeweils um eine Repeateinheit verlängert oder verkürzt werden (Ellegren, 2004). Daraus folgt, dass der Verwandtschaftsgrad von zwei Allelen mit zunehmendem Längenunterschied abnimmt. Dieses schrittweise Modell besitzt also ein Gedächtnis für die Allelgröße (Balloux und Lugon-Moulin, 2002) während beim IAM jedes Allel, beziehungsweise jede Länge in jedes beliebige Allel beziehungsweise jede beliebige Länge durch eine Mutation übergehen kann. 2.4.3 Probenmaterial und DNA-Extraktion Die zur genetischen Untersuchung notwendige DNA wurde aus Muskelgewebe von im Zuge der Jagdausübung erlegten Tieren extrahiert. Entnommen wurde ein ca. 10g Gewebestück aus der Bauchdecken-, bzw. der Halsmuskulatur. Alle Proben wurden unverzüglich in unvergällten Alkohol (> 99,8 %) überführt und bei minus 18 °C tiefgefroren. Die DNA-Extraktion erfolgte nach vorheriger mechanischer Zerkleinerung der Muskelgewebeproben mit dem Roche Diagnostics „High Pure PCR Template Preparation Kit“, zur Isolierung von Nukleinsäuren (Roche Diagnostics). Die Durchführung erfolgte gemäß Bedienungsanleitung der Firma Roche Diagnostics, anschließend wurde die DNA von mir bei – 20 °C gelagert.
20 2.4.4 PCR Bei der Polymerasenkettenreaktion (PCR) wird die Kopie eines bestimmten Nukleinsäureabschnittes in vitro ermöglicht. Hierbei wird die Fähigkeit von DNA- Polymerasen genutzt DNA-Fragmente zu duplizieren. Voraussetzung ist das Vorhandensein eines kurzen, doppelsträngigen DNA-Abschnitts, der am 3`-OH-Ende verlängerbar und komplementär zu dem zu amplifizierenden Strang ist. Diese artifiziell herstellbaren Oligonukleotide werden auch als Primer bezeichnet. Prinzipiell besteht jede PCR aus mehreren nacheinander ablaufenden Zyklen: 1. Denaturierung der doppelsträngigen DNA durch Erhitzen auf 94-96 °C. Durch Aufbrechung der Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Strängen entstehen Einzelstränge. 2. Primerhybridisierung (Annealing): Die Temperatur wird auf einen Wert reduziert, der eine spezifische Anlagerung der Primer, je nach Länge und Primerzusammensetzung, an die DNA erlaubt (zwischen 48 und 65 °C). 3. Amplifikation: Hierbei kommt es zur Anlagerung von freien Nukleotiden an das 3` OH Ende des Primers durch die DNA-Polymerase. Durch das mehrfache Wiederholen dieses Zyklus` kommt es zu einer exponentiellen Vervielfältigung des gewünschten DNA-Abschnitts. 2.4.4.1 Verwendete Primer Die zur Untersuchung von Rothirsch Populationen verwendeten Primer stammen ursprünglich aus der Rinder-Zucht, weshalb über 100 verwendbare Primer zur Verfügung stehen (Slate, 1998). Die hier eingesetzten neun Primer (Tab. 2.2) entstammen Untersuchungen von Kühn et al. (2004). Sie wurden von mir ausgewählt, da sie bereits zur Differenzierung mehrerer Rothirsch Populationen eingesetzt wurden und somit eine eventuell später folgende Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit anderen Arbeiten gewährleistet wäre. Fünf der zum Einsatz gekommenen Primer (CSSM16, MM12, Inra35, CSSM22, CSSM19) waren bereits fluoreszenzmarkiert, während die restlichen vier erst in der PCR durch Zugabe des Fluoreszenzfarbstoffs markiert wurden. Alle Primer stammen von der Firma Applied Biosystems Inc. und wurden in einer Konzentration von 10 pmol/ μl verwendet.
21 Tab. 2.2: Primersequenzen und Fluoreszenzfarbstoffe (F (engl. Forward) und R (engl. Reward) geben die Richtung der Replikation an.) Locus Sequenz der Primer (5`-3`) Farbe CSSM 16 F: agagccacttgttacaccccaaag FAM R: gatgcagtctccacttgattcaaa MM 12 F: caagacaggtgtttcaatct HEX R: atcgactctggggatgatgt Haut 14 F: ccagggaagatgaagtgacc HEX R: tgaccttcactcatgttattaa Inra 35 F: ttgtgctttatgacactatccg NED R: atcctttgcagcctccacattc CSSM 22 F: tctctctaatggagttggtttttg FAM R: atatcccactgaggataagaattc CSSM 19 F: ttgtcagcaacttcttgtatcttt HEX R: tgttttaagccacccaattatttg BM 1818 F: agtgctttcaaggtccatgc HEX R: agctgggaatataaccaaagg CSSM 14 F: aaatgacctctcaatggaagcttg FAM R: gaattctggcacttaataggattca ILSTS06 F: tgtctgtatttctgctgtgg NED R: acacggaagcgatctaaacg 2.4.4.2 Durchführung der PCR Je nach verwendetem Primertypus wurden verschiedene PCR Ansätze und Programme benutzt. Die bereits farbmarkierten Primer wurden in einem Multiplex- PCR-System verwendet, die Unmarkierten einzeln. Bei der Multiplex-PCR können aufgrund der Primerspezifität, der unterschiedlichen Fragmentlängen und den verschiedenen Fluoreszenzfarbstoffen mehrere DNA-Fragmente in einer Polymerase-Kettenreaktion amplifiziert werden. In diesem Fall wurden fünf Primer (CSSM16, MM12, Inra35, CSSM22, CSSM19), unter Einsatz des Multiplex PCR-Kits der Firma Quiagen, parallel eingesetzt. Das Pipettierschema erfolgte gemäß Protokoll der Firma Quiagen. Das Programm der Multiplex-PCR wurde dem Handbuch des Multiplex PCR-Kits der Firma Quiagen entnommen (Tab. 2.3).
22 Tab. 2.3: PCR-Programm der Multiplex-PCR Schritt Temperatur [C°] Dauer [min] 1. Denaturierung 95 °C 15 min 2. Denaturierung 94 °C 0,5 min 3. Annealing 56 °C 1,5 min 4. Extension 72 °C 2 min 5. Zyklen 30 mal Schritt 2-4 6. Kühlen 4 °C unendlich Die unmarkierten Primer wurden nach der sogenannten M 13-Methode (Schuelke et al. 2000) eingesetzt und so während der PCR-Reaktion fluoreszenzmarkiert. Hierbei werden drei Primer in der PCR eingesetzt. Ein sequenzspezifischer Vorwärtsprimer mit einer 18 Basenpaarsequenz am 5` Ende, ein sequenzspezifischer Rückwärtsprimer und ein fluoreszenzmarkierter M 13 Primer. Die Konzentration des eingesetzten Vorwärts-Primers beträgt ein Viertel des eingesetzten Rückwärts- Primers. Der Vorwärts-Primer wird in den ersten Zyklen mit seinem M 13 Schwanz in die sich akkumulierenden PCR-Produkte eingebaut. Nach Verbrauch des Vorwärts- Primers wird durch eine Temperatur-Erniedrigung die Anlagerung des fluoreszenzmarkierten M 13 Primers an das PCR Produkt gefördert, was zur Fluoreszenzmarkierung führt (Schuelke et al., 2000). Die PCR wurde mit Ready-To- Gotm PCR-Beads der Firma Amersham Pharmacia Biotech Inc. angesetzt, in denen bereits dNTP`s, KCL, MgCL2, und Tris HCL beinhaltet sind. Zur Kostenverringerung habe ich jeweils ein Bead auf drei Proben verteilt, wodurch das Volumen des PCR- Produktes von 25 μl auf 8 μl verringert wurde. Das zur Fluoreszenzmarkierung während der PCR benötigte Programm (Tab. 2.4) wurde dem Paper von Schuelke (2000) entnommen. Lediglich die Annealing-Temperaturen wurden den verwendeten Primern angepasst. Zur Ermittlung der besten Primer- Hybridisierungstemperatur wurden von mir PCR-Testläufe mit den unmarkierten Primern bei einem Temperaturgradienten von 48-64 °C unternommen. Die so ermittelten Optimumstemperaturen sind Tabelle 2.5 zu entnehmen.
23 Tab. 2.4: PCR Programm der während der PCR fluoreszenzmarkierten Primer. Schritt Temperatur [ °C ] Dauer [ min ] 1. Denaturierung 94 °C 5 min 2. Denaturierung 94 °C 0,5 min 3. Annealing 50-58 °C 0,75 min 4. Extension 72 °C 0,75 min 5. Zyklen 30 mal Schritt 2-4 6. Denaturierung 94 °C 0,5 min 7. Annealing 53 °C 0,75 min 8. Extension 72 °C 0,75 min 9. Zyklen 8 mal Schritt 6-8 10. finale Extension 72 °C 10 min 11. Kühlen 4 °C unendlich Tab. 2.5: Optimale Annealingtemperatur der unmarkierten Primer in der PCR Primername Optimale Annealingtemperatur Haut14 52 °C BM1818 58 °C CSSM14 50 °C ILSTS06 50 °C 2.4.5 Fragmentanalyse Die Fragmentanalysen wurden auf dem Kapillarsequenzierer 3130xl Genetic Analyser (Applied Biosystems) durchgeführt. Zur Vorbereitung wurde je 1 μl PCR- Produkt mit 11,7 μl HiDi-Formamid und 0,3 μl 500-ROX Size Standard der Firma Applied Biosystems versetzt und anschließend drei Minuten bei 94 °C denaturiert. Die Analyse der so erhaltenen Daten erfolgte mit dem Programm Gene Mapper 4.0 (Applied Biosystems).
24 2.4.6 Statistische Auswertung 2.4.6.1 Überprüfung der Analysen über Verwandschaftsanalysen Mögliche Verwandtschaften zwischen den Tieren wurden durch die Anzahl gemeinsamer Allele zwischen zwei Individuen bestimmt und so ein wahrscheinliches Verwandtschaftsverhältnis von Eltern-Kind bis zu Halbgeschwistern angezeigt (ML- RELATE, Kalinowski, 2006). Da während der Mikrosatelliten-Analysen vielfältige Fehler unterlaufen können, sowohl technischer als auch menschlicher Natur, konnte ich mit Hilfe dieses Verwandtschaftstestes die Richtigkeit der durchgeführten Analysen überprüfen, da die verwandtschaftliche Beziehung (Mutter-Kind) von einigen beprobten Tieren (N= 8) aus Freilandbeobachtungen bekannt war. Das Ergebnis aus der Mikrosatellitenanalyse sollte bei korrekter Durchführung mit den Beobachtungen aus dem Freiland übereinstimmen. 2.4.6.2 Kopplungsungleichgewicht (Linkage Disequilibrium) Bei einem Kopplungsungleichgewicht weicht die Genotypenverteilung aufgrund der Lage von Loci auf demselben Chromosom von einer Hardy-Weinberg-Verteilung ab (Griffith et al., 2003). Demgegenüber steht das Kopplungsgleichgewicht (Linkage Equilibrium), bei dem sich zwei unterschiedliche Loci gemäß den Mendel-schen Vererbungslehren vererben. Dabei steigt die Rekombinationswahrscheinlichkeit zweier Gene mit ihrem Abstand, da die Wahrscheinlichkeit eines Bruches im DNA- Abschnitt zwischen ihnen steigt. Die Entfernung wird in Centimorgan (cM) gemessen, wobei ein Abstand von einem cM eine Rekombinationswahrscheinlichkeit von einem Prozent bedeutet. Die Folge einer Kopplung wären redundante Informationen, da die beiden Loci wie einer fungieren würden. Der Test auf Linkage Disequilibrium erfolgte mit dem Programm GENEPOP 4.0 (Raymond und Rousset, 1995). 2.4.6.3 Populationsstrukturierung Um eine eventuell vorhandene Populationsstrukturierung durch eine Lebensraumzerschneidung innerhalb der Population zu detektieren, habe ich STRUCTURE (Pritchard, 2000) verwendet. Dieses Programm nutzt eine Bayes`sche Näherung mit einem Markov-Ketten-Monte Carlo Algorithmus und errechnet dadurch
25 eine Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit des einzelnen Individuums zu einer bestimmten Subpopulation (Pritchard, 2000). Da das Lechtal mit den darin liegenden Ortschaften und Strassen die einzig denkbare Barriere für die Rothirsche im Untersuchungsgebiet Lechtal darstellt, wurde die Population von mir für diesen Test in zwei potenzielle Subpopulationen auf den beiden Lechseiten getrennt. Die Zugehörigkeit zu den potenziellen Populationen ergab sich aus dem Erlegungsort, der für alle Tiere bekannt war. Um zu überprüfen, ob einzelne Individuen in der Population Lechtal deutliche Unterschiede zur Gesamtpopulation zeigten, wurden weitere Assignment Tests mit dem Programm ARLEQUIN 3.11 (Excoffier, 2007) durchgeführt. Hierbei wurde die Wahrscheinlichkeit errechnet, mit der ein bestimmter Multilocus-Genotyp einer Population angehört. Dafür wurde die Gesamtpopulation in drei imaginäre Subpopulationen getrennt, die der Jungtiere (Kälber), sowie der männlichen (Hirsche) und weiblichen (Tiere) Erwachsenen. Die genetische Diversität der Rothirsch-Populationen, im Hinblick auf Allelfrequenzen, durchschnittliche Allelanzahl pro Locus, die Abweichung vom Hardy- Weinberg-Gleichgewicht und die erwartete und beobachtete Heterozygosität, wurde mit dem Programm GENEPOP 4.0 (Raymond und Rousset, 1995) ermittelt. Mit der Allelfrequenz wird die relative Häufigkeit, mit der bestimmte Allele in einer Population vorkommen, beschrieben. Da es deutliche Unterschiede in der Stichprobengröße zwischen den Populationen gab (zwischen 18 und 72 Individuen), wurde die Allelhäufigkeit und die Zahl der privaten Allele in Abhängigkeit der Stichprobengröße (effektive Allelzahl) mit dem Programm HP-RARE (Kalinowski, 2004) berechnet, da die Alleldiversität in hohem Maße von der Stichprobengröße abhängt (Kalinowski, 2004). Der Begriff private Allele bezeichnet Allele, die nur in bestimmten Populationen auftreten. HP-RARE benutzt hierbei die statistische Methode der Verdünnung (rarefaction) und verhindert so ein Bias aufgrund unterschiedlicher Stichprobengrößen. Diese Methode nutzt die Frequenz der Verteilung von Allelen an einem Locus um die Anzahl an Allelen zu schätzen, die bei kleinerem Stichprobenumfang auftauchen würde (Leberg, 2002). Das Hardy-Weinberg- Gleichgewicht beschreibt die Tatsache, dass sich die genetische Variation in einer angenommenen, idealen Population von Generation zu Generation nicht verändert. Folgende Annahmen sind zur Erfüllung des Hardy-Weinberg-Gleichgewichts obligat (Stern, 1947):
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