Scheinwerfer 18. Jahrgang 60 - Transparency ...

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Scheinwerfer 18. Jahrgang 60 - Transparency ...
September 2013
                                                                                                                      18. Jahrgang          60
                                   Scheinwerfer
                                   Themenschwerpunkt: Kontrolldefizite
Foto: Laura Poitras/Praxis Films

                                   Edward J. Snowden ist Preisträger des Whistleblowerpreises 2013.
                                   Er hat den Mut gehabt, als Mitarbeiter der National Security Agency (NSA) die massenhafte und verdachtsunabhängige
                                   Ausforschung und Speicherung von Kommunikationsdaten durch US- und westliche Geheimdienste öffentlich zu machen.
                                   In diesem Jahr beteiligte sich erstmalig auch Transparency International Deutschland e.V. an der Preisverleihung.
Scheinwerfer 18. Jahrgang 60 - Transparency ...
| Inhalt

               Scheinwerfer 60
                  Editorial................................................................................................................................................ 3

               Themenschwerpunkt: Kontrolldefizite                                                                                                                         4
                  Anke Martiny: Welche Vorschriften, wie viel Vertrauen und
                  wie viel Kontrolle brauchen wir wirklich?......................................................................................4
                  Rupert Strachwitz: Wer kontrolliert wen im bürgerschaftlichen Engagement?.........................5
                  Reiner Hüper: Verständigung im Strafverfahren............................................................................6
                  Michael Klepsch: Betriebsprüfer sind für die Aufdeckung
                  eines Betruges gänzlich ungeeignet.................................................................................................7
                  Lothar Spielhoff: Lücken in den Kontrollrechten der Rechnungshöfe........................................8
                  Anke Martiny: Vertraue, aber prüfe nach.......................................................................................9
                  Gisela Rüß: Antikorruptionskonzepte in der deutschen Verwaltung...........................................10

               Nachrichten und Berichte                                                                                                                                 11
                  Politik...................................................................................................................................................11
                  Aus den Ländern.................................................................................................................................11
                  Informationsfreiheit ..........................................................................................................................13
                  Verwaltung..........................................................................................................................................13
                  Gesundheit...........................................................................................................................................14
                  Medien.................................................................................................................................................14
                  Wissenschaft ......................................................................................................................................15
                  Sport ....................................................................................................................................................15
                  International........................................................................................................................................16

               Über Transparency                                                                                                                                        17
                  Wir brauchen einen Bewusstseinswandel – Interview mit dem Geschäftsführer
                  von Transparency International Litauen, Sergejus Murajovas ................................................... 17
                  20 Jahre Transparency Deutschland – Eurorettung und Mitgliederversammlung .................. 18
                  Vorstellung korporativer Mitglieder: HELIOS ............................................................................... 20
                  Junge Aktive im Porträt: Berta van Schoor .................................................................................. 21

               Bundesländer im Vergleich                                                                                                                                22
                  Berlin................................................................................................................................................... 22

               Rezensionen23
                  Impressum.......................................................................................................................................... 26

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 60
Scheinwerfer 18. Jahrgang 60 - Transparency ...
Editorial I   3

                                                                                                                     Edda Müller,
                                                                                                                     Vorsitzende Transparency
                                                                                                                     International Deutschland e.V.

                 Liebe Leserinnen und Leser,
                 in diesem Scheinwerfer geht es um           gen Atomwaffen (IALANA) haben ihm         die Forderung nach mehr Transparenz
                 Kontrolldefizite. Ein aktuelleres Schwer­   hierfür den Whistleblowerpreis 2013       und Kontrolle im internationalen Han­
                 punktthema hätte das Redaktionsteam         verliehen. Transparency International     del. Es sind Themen, die eine Reihe
                 nicht wählen können. Ein Whistleblo­        Deutschland hat sich der Verleihung       unserer Arbeitsgruppen beschäftigen.
                 wer, der Amerikaner Edward Snowden,         angeschlossen. Nicht zuletzt verleihen    Schön wäre es, wenn hier zeitlich be­
                 hat mit seinen Enthüllungen über die        wir damit unserer langjährigen Forde­     fristete Projektgruppen konkrete Miss­
                 massenhafte, verdachtsunabhängige           rung nach einem rechtlich verbindli­      stände aufgreifen könnten. Ein Beispiel
                 Ausforschung und Speicherung von            chen Whistleblowerschutz Nachdruck.       hierfür ist der Tod vieler Arbeiter in ei­
                 Kommunikationsdaten durch die ame­          Kontrolldefizite beschäftigen alle un­    ner Textilproduktionsstätte in Bangla­
                 rikanische NSA und den britischen           sere Arbeitsgruppen. Welche Folgen        desch. Ursache für den unzureichenden
                 Geheimdienst ein massives Kontrollde­       unzureichende Kontrolle für das Ver­      Brandschutz war unter anderem die
                 fizit aufgedeckt. Er hat ein politisches    trauen der Bürger in ihre Institutionen   Korruption in den für den Brandschutz
                 Erdbeben ausgelöst. Leben wir in ei­        hat, zeigte das letzte Korruptionsbaro­   zuständigen Behörden.
                 nem Überwachungsstaat? Steht unser          meter. Es bescheinigte den politischen    Meine Wünsche für die neue Wahlpe­
                 Grundrecht auf Unverletzlichkeit des        Parteien und der Wirtschaft erneut        riode lassen sich auf die kurze Formel
                 Brief-, Post- und Fernmeldegeheim­          relativ schlechte Noten. Besorgnis­       bringen: Mehr Aktion und mehr Ak­
                 nisses nur noch auf dem Papier? Wer         erregend sind auch die Bewertungen        tualität; mehr Mittun und aktives En­
                 kontrolliert unsere Geheimdienste?          der Medien und der Zivilgesellschaft.     gagement unserer Mitglieder. Ich sage
                 Wie viel Datenschutz ist im digitalen       Wir arbeiten an Instrumenten für die      herzlichen Dank all denen, die in den
                 Zeitalter überhaupt noch möglich? Wir       Schaffung von mehr Vertrauen in all       Arbeits- und Regionalgruppen wert­
                 haben auf diese Fragen derzeit keine        diesen Bereichen. Wir müssen aber         volle ehrenamtliche Arbeit leisten. Zu­
                 befriedigenden Antworten. Wir wür­          noch wirksamer in der Umsetzung un­       gleich lade ich unsere derzeit weniger
                 den diese Fragen aber gar nicht stel­       serer Forderungen werden. Ich wün­        aktiven Mitglieder zum Mitmachen
                 len, wenn nicht Edward Snowden mit          sche mir, dass wir in der neuen Wahl­     ein. Ich könnte mir vorstellen, dass wir
                 seinen Enthüllungen schwerwiegende          periode die Zusammenarbeit zwischen       dieses Engagement durch zeitlich be­
                 Nachteile für sein persönliches Leben       den thematischen Arbeitsgruppen un­       fristete Projektgruppenarbeit fördern
                 im Interesse des Allgemeinwohls in          tereinander und mit den Regionalgrup­     können. Was meinen Sie? Über Ihre
                 Kauf genommen hätte. Die Vereini­           pen intensivieren. Ein Handlungsfeld      Rückmeldung würde ich mich freuen
                 gung Deutscher Wissenschaftler (VDW)        mit großem Öffentlichkeitspotential
                 und die Deutsche Sektion der Interna­       und hoher Anschlussfähigkeit an die
                 tionalen Vereinigung von Juristen ge­       Arbeit von Koalitionspartnern bietet      Ihre Edda Müller
Foto: Danetzki

                                                                                                            Scheinwerfer 60 | Transparency Deutschland |
Scheinwerfer 18. Jahrgang 60 - Transparency ...
4 | Themenschwerpunkt: Kontrolldefizite

      Welche Vorschriften, wie viel Vertrauen und
      wie viel Kontrolle brauchen wir wirklich?
      Von Anke Martiny

      Deutschland ist mit Recht stolz auf seine Verfassung und        treterversammlung, beziehungsweise den jeweiligen Ver­
      auf die demokratisch kontrollierten Instanzen, die Gesetze      waltungsrat schriftlich über die Arbeit und die Ergebnisse
      und Verordnungen verfassen, in Kraft setzen und für einen       dieser Stellen zu unterrichten und die Berichte zeitnah auch
      regelgerechten Vollzug sorgen. Aber das Vertrauen darein,       der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde zuzuleiten.
      dass vor allem das geregelt ist, was alle besonders zwickt,
      und dass es so transparent und konsequent geregelt wird,        Man sollte meinen, damit sei vor annähernd zehn Jahren
      wie man das wünscht, lässt seit Jahren spürbar nach. Alle       endlich ein Instrument geschaffen worden, um den Fehlent­
      wissen nach vielen Korruptionsskandalen in Wirtschaft,          wicklungen im Gesundheitswesen wirkungsvoll zu begeg­
      Verwaltung, Politik, Medien, Kliniken und Banken, dass die      nen: kein Abrechnungsbetrug mehr und keine unzulässige
      Risiken, bei Fehlverhalten erwischt und bestraft zu werden,     Zusammenarbeit auf Provisionsbasis zwischen Kranken­
      gewöhnlich klein, dazu höchst ungleich verteilt sind.           häusern und Ärzten. April, April! Da der Datenaustausch
                                                                      zwischen den beteiligten Körperschaften und die Verpflich­
      Dass wir Hinweisgeber („Whistleblower“) brauchen und            tung zum Einschalten der Staatsanwaltschaften ebenso we­
      wirksam schützen wollen, die uns gefährlichen Machtmiss­        nig geregelt wurden wie die schlichte Eingrenzung des Be­
      brauch in Regierungen und Großkonzernen enthüllen, ist          griffs „Fehlverhalten“ oder die Vorschriften über den Kern
      ein deutliches Zeichen für verlorenes Vertrauen. Die Frage      des zu erstattenden Berichts, hat sich durch diese Gesetzes­
      stellt sich, wo bei den vorhandenen Kontrollinstanzen De­       vorschrift nur die Kontrollbürokratie vermehrt, aber nichts
      fizite liegen. Warum lassen sich derzeit nicht mehr mögli­      zum Besseren gewendet. Bis zum 31. Dezember 2013 müsste
      che Missetäter im Vorhinein abschrecken? Warum werden           der sechste Bericht vorliegen, aber selbst der fünfte steht
      sie später selten so wirkungsvoll bestraft, dass die Zustände   noch aus, und der vierte war so lückenhaft, dass man rein
      insgesamt besser werden? Haben wir es vielleicht mit Ver­       gar nichts mehr daraus entnehmen konnte.
      hältnissen zu tun, wie sie das Sprichwort „Eine Krähe hackt
      der anderen kein Auge aus“ beschreibt?                          Ähnlich ist es im Bereich der Pflege. Mit der Einführung der
                                                                      Pflegeversicherung wurde die Finanzierung der Pflegediens­
      Ein Beispiel aus dem Medienbereich: Transparency Deutsch­       te und Pflegeheime gesetzlich geregelt. Das Gesetz schreibt
      land hat zusammen mit anderen die freiwilligen Compli­          „leistungsgerechte Vergütung“ für die Pflegekräfte und „an­
      ance-Regelwerke von Verlagen, privaten und öffentlich-          gemessenes Entgelt“ für Unterkunft und Verpflegung vor.
      rechtlichen Rundfunkanstalten unter die Lupe genommen.          Das Geld, das die Heimbewohner dafür zu entrichten haben,
      Dabei hat sich gezeigt, dass sie oft nur appellierenden Cha­    darf demnach nicht für den Betrieb der Pflegeeinrichtung
      rakter haben, dazu wenig konkrete Vorgaben enthalten und        verwendet werden, also zum Beispiel für Erwerb oder Er­
      dass fast überall verbindliche Konsequenzen bei Verstößen       schließung von Grundstücken, Miete, Pacht, Nutzung oder
      gegen interne Kodizes oder die Richtlinien des Presserats       Mitbenutzung von Grundstücken, Gebäuden oder sonstigen
      fehlen.                                                         Anlagegütern. Wer aber kann die individuellen Heimverträ­
                                                                      ge kontrollieren? Die Genauigkeit der gesetzlichen Bestim­
      Nicht unbedingt besser sieht es aus, wenn es statt um selbst    mungen legt den Schluss nahe, dass gerade solche Verrech­
      auferlegte Regeln um Gesetze geht. Dies wird etwa im Ge­        nungen zu Lasten der Bewohner nicht unüblich sind.
      sundheitswesen deutlich: Da gibt es zum Beispiel seit dem
      Inkrafttreten des Gesundheitssystem-Modernisierungsge­          Vertrauen in die Gesetzgebung zum Schutz vor Machtmiss­
      setzes (GMG) 2004 die Verpflichtung für die Krankenkas­         brauch und Korruption erzielt man so nicht. Aber Kontrolle
      sen und ihre Spitzenverbände, organisatorische Einheiten        wird ebenso wenig ausgeübt. Nur die ärgerliche Bürokratie
      zu schaffen, die Fehlverhalten im Gesundheitswesen be­          wuchert.                                                |
      kämpfen sollen. Vergleichbare Vorschriften wurden für die
      Kassenärztlichen/ Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und        Dr. Anke Martiny ist Mitglied im Vorstand von Transparency
      ihre Bundesvereinigungen und für die Pflegekassen ge­           Deutschland. Sie hat das Schwerpunkt-Thema dieser Ausga-
      macht. Die Vorstände der jeweiligen Institutionen wurden        be betreut.
      verpflichtet, im Abstand von zwei Jahren ihre jeweilige Ver­

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Scheinwerfer 18. Jahrgang 60 - Transparency ...
Themenschwerpunkt: Kontrolldefizite I   5

                                   Wer kontrolliert wen
                                   im bürgerschaftlichen
                                   Engagement?
                                   Von Rupert Strachwitz

                                  Wann immer etwas Skandalöses geschieht, rufen Politik und      rungen oder Lob einfach durchgewinkt und den Archiven
                                  Medien laut nach mehr Kontrollen. Damit meinen sie Kon­        überantwortet.
                                  trollen durch Behörden. Darüber sind wir zu einem durch
                                  und durch kontrollierten Gemeinwesen geworden. Nicht           In einer Zeit, in der gewachsene Gemeinschaften grundsätz­
                                  einmal, wie man heißt, wird einem noch geglaubt! Jeder         lich in Frage gestellt werden und neue freiwillige Gemein­
                                  will das durch Prüfung, noch besser Überprüfung des Per­       schaften immer mehr zur wirklichen Heimat der Menschen
                                  sonalausweises kontrollieren. Der riesige Staatsapparat sel­   werden, in der die Gesellschaft vor Herausforderungen
                                  ber hingegen wird kaum kontrolliert, schon gar nicht durch     steht, die sie nur meistern kann, wenn alle Bürgerinnen und
                                  jenes Verfassungsorgan, dem wir Bürgerinnen und Bürger         Bürger sich aktiv daran beteiligen, scheinen sich deren ge­
                                  den Auftrag dazu erteilt haben: durch das Parlament. Je­       wählte – und nicht schlecht bezahlte – Vertreterinnen und
                                  denfalls sieht die Mehrheit der Abgeordneten ihre Aufgabe      Vertreter in ihrem System einzuigeln. Sie klopfen der Re­
                                  eher darin, Regierungshandeln zu ermöglichen, nicht, es zu     gierung nicht auf die Finger, fordern keine ermutigenden
                                  kontrollieren. Und das Verwaltungshandeln hat sich ohne­       Rahmenbedingungen ein. Es kümmert sie nicht, wohin sich
                                  hin längst verselbständigt.                                    das zivile Engagement verlagert, dass es immer politischer
                                                                                                 wird. Es genügt ihnen, wenn Verbände und Regierung ge­
                                  Dies ist ein schmerzlicher Verlust an gelebter Demokratie.     legentlich neue Trostpflästerchen aushandeln. Die Akteure
                                  Das lässt sich an einem besonders sensiblen Beispiel aus       der Zivilgesellschaft wissen inzwischen – und haben es vor
                                  dem Herbst 2012 illustrieren. Einmal in jeder Legislaturpe­    kurzem von den Spitzenfunktionären der Parteien erneut
                                  riode soll, so 2009 beschlossen, die Bundesregierung ermit­    bestätigt bekommen – , was sie von der Politik tatsächlich
                                  teln und dem Bundestag berichten, wie es um das prosoziale     zu erwarten haben: nichts. Dass unsere Abgeordneten das
                                  Verhalten der Bürgerinnen und Bürger, ihr bürgerschaftli­      einfach hinnehmen, ist ein Kontrolldefizit ersten Ranges.
                                  ches Engagement steht. Der Bericht wurde an eine Kommis­
                                  sion vergeben und zum Jahresende 2011 im wesentlichen          Dieses Defizit hat natürlich Folgen. Die Menschen lassen
                                  fertiggestellt. Die Bundesregierung, federführend das Bun­     sich das nicht gefallen, die Zivilgesellschaft wird selbst zum
                                  desministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend,       Kontrolleur. Sie nutzt ihre Möglichkeiten, um Fehlentwick­
                                  verfasste eine Stellungnahme und legte diese zusammen mit      lungen anzuprangern. Außerparlamentarische Oppositi­
                                  dem sehr umfangreichen Text dem Bundestag vor. Die Bun­        on ist insoweit nichts Besonderes mehr, zumal das Defizit
                                  desregierung hatte ihn sich nicht zu eigen gemacht, sondern    weithin erkannt und die Zivilgesellschaft geradezu bedrängt
                                  sah sich in einer kommentierenden Rolle, in grundsätzlicher    wird, neben ihren anderen Funktionen die des Wächters
                                  Verkennung der Verantwortlichkeit. Die Öffentlichkeit wur­     über unsere Staatsorgane wahrzunehmen. Damit wird die
                                  de im August 2012 informiert, dass es diesen Bericht gab,      Nation, zweihundert Jahre lang die entscheidende Katego­
                                  bekam ihn aber zunächst nicht zu Gesicht.                      rie von Kollektivität und Gemeinsinn, ad absurdum geführt.
                                                                                                 Vielleicht ist das auch gut so! Sie hat sich wohl überlebt.
                                  An dieser Stelle hätte das Parlament auf die Barrikaden        Aber dass die repräsentative Demokratie ihren Bedeutungs­
                                  gehen müssen. Die gewählten Abgeordneten bilden die            verlust selbst betreibt, lässt den, der mit Hochachtung vor
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

                                  entscheidende Nahtstelle zwischen den Bürgerinnen und          ihr aufgewachsen ist, verständnislos zurück.                 |
                                  Bürgern einerseits und der Staatsgewalt andererseits. Sie
                                  sind der Teil der Staatsarena, der der Zivilgesellschaft am    Dr. phil. Rupert Graf Strachwitz ist Vorstand der Maecenata
                                  nächsten steht. Ob und inwieweit es in unserem Land Ge­        Stiftung und leitet das Maecenata Institut für Philanthropie
                                  meinsinn gibt, wie sich Menschen in die Gemeinschaft ein­      und Zivilgesellschaft an der Humboldt Universität zu Berlin.
                                  bringen, müsste Abgeordnete brennend interessieren. Aber       Er gehörte sechs Jahre lang dem Beirat von Transparency
                                  nichts geschah! Der Bericht wurde ohne Kritik, Verbesse­       Deutschland an.

                                                                                                                            Scheinwerfer 60 | Transparency Deutschland |
Scheinwerfer 18. Jahrgang 60 - Transparency ...
6 | Themenschwerpunkt: Kontrolldefizite

      Verständigung im Strafverfahren
      Der „Deal“ im Lichte der Entscheidung
      des Bundesverfassungsgerichts

      Von Reiner Hüper

      Ausgangssituation                                               gigkeitsgarantie
      In Wirtschafts- und Korruptionsverfahren sind Absprachen        in Artikel 97
      häufig das Mittel der Wahl. Ausschlaggebend hierfür sind        Abs. 1 Grundge­
      Verfahrensumfang, schwierige Beweislagen sowie infolge          setz entgegen. So
      knapper personeller Ressourcen begrenzte Leistungsfähig­        ist eine Dienstauf­
      keit von Strafverfolgern und Gerichten. Demgegenüber hat        sicht im Kernbereich der
      die Verteidigung zahlreiche Möglichkeiten, durch extensive      richterlichen Tätigkeit verfassungsrechtlich unzulässig. Die
      Ausübung der Verfahrensrechte den Fortgang eines Verfah­        Dienstaufsicht greift nur im „äußeren Ordnungsbereich“ ein,
      rens zu verzögern. Zur Legalisierung und Begrenzung der         wenn die Amtsausübung offensichtlich fehlerhaft ist. Im
      bisherigen gerichtlichen Praxis trat am 4. August 2009 das      Einzelfall wäre also bei einem offensichtlich verfassungs­
      „Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfah­          widrigen „Deal“ eine Dienstaufsichtsbeschwerde denkbar,
      ren“ in Kraft, um der durch Ressourcenknappheit bedingten       in Zweifelsfällen wäre aber immer die Unabhängigkeit des
      rechtsstaatswidrigen langen Verfahrensdauer zu begegnen.        Richters zu respektieren.

      Zentrale Vorschrift des Verständigungsgesetzes ist § 257c       Kontrollpflichten der Staatsanwaltschaft
      Strafprozessordnung. Danach kann das Gericht sich mit           Wie steht es mit den Kontrollpflichten der Staatsanwalt­
      Verfahrensbeteiligten unter den dort genannten Vorausset­       schaft? Sie muss einer Verständigung zustimmen, hat dabei
      zungen über den Fortgang und das Ergebnis des Verfah­           als „Wächter des Gesetzes“ eine Prüfungspflicht. Liegen die
      rens verständigen. Jedoch dürfen weder Schuldspruch noch        gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor, ist sie verpflich­
      Rechtsmittelverzicht Gegenstand der Verständigung sein.         tet, die Zustimmung zu versagen. Das heißt, der Leiter einer
      Sie muss protokollarisch festgehalten werden.                   Staatsanwaltschaft kann sich über Verständigungen berich­
                                                                      ten lassen und gegen ihm zweifelhaft erscheinende Deals
      Die seit 2009 geltenden gesetzlichen Vorgaben wurden            Rechtsmittel einlegen. Auf diese gesetzlichen Vorkehrungen
      durch informelle Absprachen missachtet. Das als „Deal“          und auf die herausgehobene Bedeutung der Kontrolle durch
      bezeichnete Vorgehen kommt einem Aushandeln der Strafe          die Staatsanwaltschaft in Verständigungssituationen weist
      gleich. Vor allem in umfangreichen Wirtschafts- und Kor­        das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hin. Bislang hat
      ruptionsverfahren kommt es zur Anwendung. Dies schafft          diese staatsanwaltschaftliche Kontrolle aber offensichtlich
      Rechtsungleichheit und führt zu einer Besserstellung dieser     nicht in dem erforderlichen Maße stattgefunden.
      Täter.
                                                                      Parlamentarische Kontrolle
      Das Bundesverfassungsgericht hatte aufgrund von Ver­            Das Parlament muss nach der Entscheidung des Bundes­
      fassungsbeschwerden über das Verständigungsgesetz zu            verfassungsgerichts die weitere Entwicklung des Verstän­
      entscheiden. Im Urteil vom 19. März 2013 (BVerfG, 2 BvR         digungsgesetzes beobachten. Die angestrebten Ziele haben
      2628/10) hat es hervorgehoben, dass das Verständigungs­         sich bisher nicht erfüllt. Der richterlichen Praxis, mit rechts­
      gesetz die verfassungsrechtlichen Vorgaben in ausreichen­       widrigen informellen Absprachen rechtsstaatswidrigen lan­
      der Weise sicherstelle, gleichzeitig aber deutlich die in der   gen Verfahrensdauern entgegen zu wirken, hat das Bundes­
      Praxis geübte Umgehung der gesetzlichen Vorschrift be­          verfassungsgericht eine deutliche Abfuhr erteilt. Sollte sich
      anstandet. Dieser Verstoß gegen die gesetzlich verankerten      die Praxis weiterhin über das Verfassungsgebot hinwegset­
                                                                                                                                         Foto: Thorben Wengert / pixelio.de

      Transparenz- und Dokumentationspflichten komme einem            zen, muss der Gesetzgeber der Fehlentwicklung entgegen
      Handel mit der Gerechtigkeit gleich und verstoße gegen das      steuern. Ein Unterbleiben dieser Nachbesserungspflicht hät­
      in der Verfassung verankerte Schuldprinzip.                     te die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes zur Folge, das
                                                                      sich letztlich als nicht praktikabel erwiesen hat.            |
      Kontrollpflichten im Rahmen der richterlichen
      Dienstaufsicht?                                                 Reiner Hüper ist pensionierter Oberstaatsanwalt. Er leitet die
      Einer Kontrolle richterlicher Entscheidungen im Rahmen der      Arbeitsgruppe Strafrecht bei Transparency Deutschland.
      Dienstaufsicht steht grundsätzlich die richterliche Unabhän­

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Scheinwerfer 18. Jahrgang 60 - Transparency ...
Themenschwerpunkt: Kontrolldefizite I   7

                                Betriebsprüfer sind für die Aufdeckung
                                eines Betruges gänzlich
                                ungeeignet
                                Von Michael Klepsch

                                Es war der bis dato größte Fall von Wirtschaftskriminalität
                                in der deutschen Nachkriegsgeschichte: der Verkauf von über
                                3.000 nicht existierenden Horizontalbohrsystemen im Sale-
                                and-Lease-Back-Prinzip durch die badische Firmengruppe
                                Flow Tex. Bei der Aufarbeitung des Falls geriet auch die ba­
                                den-württembergische Finanzverwaltung in den Blick der ge­
                                prellten Gläubiger. Auf ihre Klage hin hatten sich nämlich die   In diesen Fällen lässt sich der Anfangsverdacht der Be­
                                2. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe und nachgehend         stechung nach § 299 Strafgesetzbuch nicht allein darauf
                                der Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe mit einer        stützen, dass ein Steuerpflichtiger bestimmte Ausgaben an
                                höchst interessanten Frage auseinanderzusetzen: Bestehen         ungenannte Zahlungsempfänger nicht als Betriebsausgaben
                                sogenannte Amtshaftungsansprüche, wenn Finanzbeamte              geltend gemacht und den Zahlungszweck nicht dargelegt
                                bei Betriebsprüfungen ein Betrugssystem erkennen, aber den­      hat. So hatte jedenfalls das Bundesverfassungsgericht be­
                                noch schweigen, so dass über Jahre hinweg weitere Personen       schlossen. In dieser Rechtssache trug der Beschwerdeführer
                                geschädigt werden? Beide Urteile sind äußerst lesenswert. Sie    sogar vor, die Buchungspraxis habe auf einer Empfehlung
                                geben einen einprägsamen Eindruck vom Verhalten von Fi­          des Betriebsprüfers des Finanzamts beruht, weil die Bera­
                                nanzbeamten: Diese wissen viel – und schweigen, ohne dass        tungsaufwendungen ohnehin nicht als Betriebsausgaben
                                sie sich einer Amtspflichtverletzung schuldig machen.            hätten berücksichtigt werden können.

                                Die Verschwiegenheit bei Bestechungsdelikten zu lockern          Inzwischen hat der Bundesfinanzhof klargestellt: Das Fi­
                                und das Wissen der Finanzbehörde für die Tataufklärung           nanzamt ist bei zureichenden Anhaltspunkten für rechts­
                                zugänglich zu machen, ist das Ziel der ab dem Jahr 1999          widrige Zuwendungen von Vorteilen regelmäßig von einer
                                wirksamen Änderung im § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 des Ein­          Vorprüfung entbunden, ob die zu übermittelnden Infor­
                                kommensteuergesetzes. Seither handelt es sich um eine            mationen für ein von der Staatsanwaltschaft zu führenden
                                Sondervorschrift zur Korruptionsbekämpfung. Spätestens           Verfahren erforderlich sind. Angemahnt wurde eine zügige
                                aber durch den Vortrag von Rechtsanwalt Dr. Rainer Spat­         Weitergabe der Informationen. Dem wurden die Weisungen
                                scheck auf der Tagung von Transparency Deutschland und           des Bundesministeriums für Finanzen indes nicht angepasst.
                                der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin im Dezember 2006 zu       Sollte dem Gesetzgeber ernsthaft daran gelegen sein, rechts­
                                dieser Thematik waren die Strafverfolger ernüchtert. Ihnen       widrige Zuwendungen mit Hilfe von Informationen aus der
                                wurde bewusst, dass das hehre Ziel daran gescheitert zu sein     Finanzverwaltung aufzudecken, muss er die Vorschrift in
                                schien, dass die Vorschrift in einem materiellen Steuergesetz    die Abgabenordnung aufnehmen – analog der Mitteilungs­
                                fortgeschrieben worden war, anstatt sie in das Steuerverfah­     pflicht zur Bekämpfung von Geldwäsche.
                                rensrecht zu übertragen. Die Folge: Die Vorschrift steht da­
                                durch in einem Spannungsverhältnis zum Steuergeheimnis,          Ohne eine solche Weiterentwicklung des Rechts bleibt es –
                                das in § 30 der Abgabenordnung geregelt ist.                     so wie in Betrugsfällen auch in Korruptionsfällen – vor­
                                                                                                 aussichtlich dabei, dass Betriebsprüfer sagen werden: „Die
                                Die Mitteilungsverpflichtung ist gesetzessystematisch weit       Betriebsprüfer sind für die Aufdeckung eines Betruges
                                unten in eine Vorschrift zum Betriebsausgabenabzug einge­        gänzlich ungeeignet, weil wir hier durch Steuergeheimnis
                                baut: In enger Auslegung hat das Bundesministerium für Fi­       und sonstige Sachen beschränkt sind. Wir sind im Rahmen
                                nanzen die Finanzämter angewiesen, dass der Informations­        unserer Tätigkeit nach der Abgabenordnung mit außersteu­
                                weitergabe nur solche Zuwendungen unterliegen sollen, die        erlichen Dingen nicht befasst.“ So jedenfalls ist es im er­
Foto: Jorma Bork / pixelio.de

                                aus Sicht des Gebers Betriebsausgaben sind, hingegen nicht       wähnten Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe dokumen­
                                der Verzicht auf Einnahmen, wie unentgeltliche Dienstleis­       tiert (15.10.2007, Aktenzeichen 12 U 208/05).            |
                                tungen, zinslose Darlehen oder die Gewährung von Rabat­
                                ten. Eine Mitteilung ist auch dann nicht vorgesehen, wenn        Michael Klepsch ist Finanzbeamter im Land Sachsen-Anhalt.
                                Betriebsausgaben deshalb nicht abgezogen werden, weil der        Er arbeitet in der Arbeitsgruppe Strafrecht von Transparency
                                Zuwendungsgeber die Auskunft zum Empfänger verweigert.           Deutschland mit.

                                                                                                                           Scheinwerfer 60 | Transparency Deutschland |
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8 | Themenschwerpunkt: Kontrolldefizite

      Lücken in den Kontrollrechten der Rechnungshöfe
      Von Lothar Spielhoff

      Immer wieder bemängeln die deutschen Rechnungshöfe bei          diskutieren, ob solche Hinweise direkt an die Strafverfol­
      der Vorstellung ihrer Arbeit Kontrolldefizite bei der Haus­     gungsbehörden weiterzuleiten sind. Eine solche Verpflich­
      halts- und Wirtschaftführung der öffentlichen Hand, deren       tung gibt es für den nordrhein-westfälischen Rechnungshof.
      Arbeit sie zu kontrollieren haben. Wie sieht es damit und bei   Das dortige Korruptionsbekämpfungsgesetz verpflichtet das
      den Rechnungshöfen selbst aus?                                  jeweils zuständige Mitglied des Rechnungshofs, entspre­
                                                                      chende Feststellungen im Vergabewesen dem Landeskrimi­
      Im Jahr 2012 hat Transparency Deutschland einen Nationa­        nalamt anzuzeigen, das dann Ermittlungen einzuleiten hat.
      len Integritätsbericht für Deutschland vorgestellt. Die Rech­
      nungshöfe schnitten in der Bewertung vergleichsweise recht      Für die Kontrolle der Rechnungshöfe selbst, also für die
      gut ab. Es gab nur wenige Vorschläge, wie ihre Arbeit weiter    Prüfung der Prüfer, sind auf der Bundesebene der Bundestag
      verbessert werden könnte. Der Bericht weist allerdings auf      und auf der Länderebene die Länderparlamente zuständig.
      Kontrolldefizite bei den Prüfungsrechten privatrechtlicher      Ihre Prüfung beschränkt sich regelmäßig auf eine sachli­
      Unternehmen hin, die im Besitz der öffentlichen Hand sind,      che, rechnerische und förmliche Prüfung der Rechnung. Ob
      ebenso bei solchen, an denen der Bund oder ein Land be­         die Rechnungshöfe aber auch wirtschaftlich arbeiten, also
      teiligt ist. Prüfen kann der Rechnungshof nur die Aufsicht      organisatorisch gut funktionieren, entzieht sich der Un­
      über die Unternehmen in den dafür zuständigen Ressorts.         tersuchungsbefugnis der Parlamente. Um dem abzuhelfen,
      Diese sogenannte Betätigungsprüfung ermöglicht zwar ei­         bietet sich die freiwillige vergleichende Prüfung („Peer Re­
      nen Einblick, soweit sich Unterlagen in den Akten finden.       view“) eines Rechnungshofs durch einen anderen an. Sie
      Detaillierte Prüfungen können aber nur in den Unterneh­         kann auch dem prüfenden Rechnungshof dabei helfen, für
      men selbst Aufschlüsse erbringen. So lange die Rechnungs­       seine eigene Arbeit Verbesserungsmöglichkeiten zu entde­
      höfe keine unmittelbaren Prüfungsrechte qua Satzung bei         cken. Beispielsweise hat sich der sächsische Rechnungshof
      Beteiligungsunternehmen haben, gibt es prüfungsfreie Räu­       vom Bundesrechnungshof prüfen lassen, um seinem von
      me, die für die öffentliche Hand von Nachteil sein können.      der Verfassung vorgegebenen Prüfauftrag bestmöglich ge­
      Die Rechnungshöfe sollten auf Betreiben der Parlamente          recht werden zu können. Das war gut. Weitere Peer Reviews
      Änderungen in den Satzungen veranlassen können.                 könnten das hohe Ansehen, das die deutschen Rechnungs­
                                                                      höfe haben, nur steigern.                                 |
      Angesichts des großen Prüfungsstoffs können die Rech­
      nungshöfe nicht jedes Jahr die gesamte Haushalts- und           Lothar Spielhoff war Präsident des Bremischen Landes-
      Wirtschaftführung des Bundes und der Länder prüfen. Sie         rechnungshofs. Er gehört den Transparency-Arbeitsgruppen
      müssen sich beschränken, dabei dürfen aber qualitativ keine     Strafrecht, Vergabe und Bundes- und Landesverwaltung an.
      Kontrolldefizite entstehen. Angesichts der grundgesetzlich
      verankerten Schuldenbremse könnten diese aber entstehen,
      wenn die Rechnungshöfe in gleicher Weise wie die Ver­
      waltungen an Sparbeschlüssen beteiligt würden, um diese
      Vorgabe bis 2016 im Bund und 2020 in den Ländern zu
      erfüllen. Bislang haben die Haushaltsgesetzgeber die Mittel
      der Rechnungshöfe weniger stark gekürzt als die der übri­
      gen Haushalte. Wenn sie den Rechnungshöfen jetzt zeitlich
      beschränkt zusätzliche Mittel für verstärkte Kontrollen be­
      willigten, um dadurch gute, praktikable Vorschläge für Ein­
                                                                                                                                     Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de

      sparungen und Mehreinnahmen machen zu können, könnte
      dieses antizyklische Verhalten helfen, das Verfassungsziel
      auch wirklich zu erreichen: Grundsätzlich keine Kredite
      zum Haushaltsausgleich.

      Erfahren die Rechnungshöfe Tatsachen, die auf Verfehlun­
      gen zum Beispiel für illegale Absprachen bei Ausschrei­
      bungen, Bestechung und Bestechlichkeit hindeuten, ist zu

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Scheinwerfer 18. Jahrgang 60 - Transparency ...
Themenschwerpunkt: Kontrolldefizite I   9

                              Vertraue, aber prüfe nach
                              Von Anke Martiny

                              „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“, dieser Satz wird
                              Wladimir Iljitsch Lenin zugeschrieben. Gewöhnlich bringt
                              man ihn mit der alles freie Wirtschaften überlagernden
                              Kontrollwut der kommunistischen Ideologie in Verbindung.
                              Aus den nachgelassenen Schriften Lenins ist aber überlie­
                              fert, dass er gesagt haben soll: „Vertraue, aber prüfe nach“.
                              Das klingt deutlich anders. Der Satz würde auch in unser
                              demokratisches System passen, das im Prinzip vom Vertrau­
                              en der Bürgerinnen und Bürger in das staatliche Handeln
                              getragen wird. Allerdings ist dieses Vertrauen neuerdings       fen, die die Überprüfung einer Vergabe schon im Anfangs­
                              wegen des grassierenden Lobbyismus schwer erschüttert. In       stadium möglich macht. Warum werden Ausschreibungs­
                              allen Feldern und von der Kommune bis nach Brüssel haben        unterlagen und die Grundlagen einer Vergabeentscheidung
                              meist die Wirtschaftsinteressen der Anbieter den Vorrang        nicht kostenlos und für jedermann einsehbar ins Internet
                              vor den Interessen aller sonstigen Betroffenen.                 gestellt? Warum bestellt man keine externe Kontrolle schon
                                                                                              bei den ersten Schritten eines Verfahrens, sondern belässt
                              Nehmen wir das wichtige Gebiet der Vergabe von öffent­          es bei der Abrechnungskontrolle durch den Rechnungsprü­
                              lichen Aufgaben: Schulen, Krankenkassen, Straßen, Klär­         fungsausschuss der Kommune oder den Prüfungsverband
                              anlagen, aber auch Konzerthallen (Hamburg), Bahnhöfe            Öffentlicher Kassen oder ähnlicher Einrichtungen? Warum
                              (Stuttgart) und Flughäfen (Berlin). Überall wird geplant,       werden die Ergebnisse der Prüfung nicht automatisch vor
                              gebaut, beschafft, geleistet. Auch hier ist die Grundlage zu­   den Steuerzahlern offengelegt, die doch all diese Geschäfte
                              nächst ein Vertrauen – nämlich der Bürgerschaft zu ihren        finanzieren?
                              gewählten Frauen und Männern vom Gemeinderat bis zum
                              Europaparlament. Demokratie funktioniert so, dass diesen        Nur einer besonders verhängnisvollen Entwicklung sei hier
                              Verantwortlichen ver- und zugetraut wird, die Bedürfnisse       nachgegangen. Wer sind die Aufsichtsräte von zur Gänze
                              der Wahlbevölkerung zu erkennen und nach bestem Wissen          oder zum Teil privatisierten kommunalen Gesellschaften?
                              zu befriedigen. Bürgermeister, Landräte, Ministerinnen und      Das sind in aller Regel brave ehrenamtlich wirkende Kom­
                              Minister im Land und im Bund leisten dazu einen Amtseid,        munalpolitiker, ausgewählt nach dem Parteiproporz. Wenn
                              und auch Gemeinderäte werden vereidigt. Welche Möglich­         die Gesellschaften, sei es im Wohnungsbau, sei es bei der
                              keiten hat das Wahlvolk, bei der Vergabe von Aufträgen für      Ver- oder Entsorgung von Wasser, Energie oder Müll or­
                              öffentliche Güter aus öffentlichen Mitteln das Amtshandeln      dentlich Geld verdienen, sind solche Posten recht begehrt.
                              der Gewählten zu kontrollieren? „Prüfe nach“, aber wie?         Garantiert das auch eine sachgerechte Kontrolle? Wer über­
                                                                                              prüft, ob die betrauten Kommunalpolitiker den nötigen
                              Wer je in einem Kommunalparlament saß, weiß, dass heikle        Sachverstand besitzen?
                              Geschäfte besonders gründlich vorbereitet werden, ehe Bür­
                              germeister/in oder Landrat sie – gewöhnlich in nichtöffent­     Transparency Deutschland erhebt schon seit Jahren die For­
                              licher Sitzung – dem zuständigen Gremium präsentieren.          derung nach einem bundesweiten Korruptionsregister. Ein
                              Wer aber beschwert sich womöglich über die Nicht-Öffent­        Vorschlag hierzu durch einen Gesetzentwurf der Grünen ist
                              lichkeit einer Sitzung? Das kann nur die kritische Zivilge­     jüngst erneut an der derzeitigen Parlamentsmehrheit ge­
                              sellschaft tun, und sie braucht dazu Transparenzgesetze.        scheitert. Das ist sicher wichtig, aber das häufig vorkom­
                              Denn bereits bei der Ausschreibung passieren die großen         mende kommunale Unvermögen, die Schlamperei oder par­
                              Fehler, Begünstigungen oder wissentlichen Ungenauigkei­         teipolitische Kungelei sind sicher genauso sehr ins Kalkül
                              ten, die in der Abwicklung eines Vergabeverfahrens dann         zu ziehen. Ganz abgesehen von der Komplexität großer
Foto: H.D.Volz / pixelio.de

                              Korruption ermöglichen oder so riesige Probleme verursa­        Vergabeverfahren, die nur durch moderne Controlling-Me­
                              chen können, wie sie Hamburg, Stuttgart und Berlin – man        thoden beherrschbar sind. Da muss die Transparenz in allen
                              könnte die Folgen des Archiveinsturzes in Köln durchaus im      Schritten Priorität haben. Heutzutage geschieht das „Prüfe
                              selben Atem nennen – derzeit meistern müssen.                   nach“ durch Computer. Das Grundvertrauen können diese
                                                                                              allerdings nicht herstellen. Daran muss die Politik arbeiten.
                              Hier ist Abhilfe nur durch allergrößte Transparenz zu schaf­    Und wie!                                                   |

                                                                                                                        Scheinwerfer 60 | Transparency Deutschland |
Scheinwerfer 18. Jahrgang 60 - Transparency ...
10 | Themenschwerpunkt: Kontrolldefizite

      Antikorruptionskonzepte
      in der deutschen Verwaltung
      Welche Rolle spielen Kontrolldefizite?

      Von Gisela Rüß

      Seit Mitte der neunziger Jahre gibt es in Deutschland auf       Auf der kommunalen Ebene sind neben der Kernverwaltung
      der Bundes-, Landes- und Kommunalebene der Verwaltung           verselbständigte öffentliche sowie gemischtwirtschaftliche
      Regelungen, die auf dem Papier ein differenziertes Sys­         Unternehmen mit zersplitterten Kontrollkompetenzen und
      tem der Korruptionsprävention vermitteln. Sie nennen sich       kontrollfreien Zonen entstanden. Hinzu kommt, dass knap­
      sehr verschieden: Antikorruptionskonzept, Regelungen zur        pe Haushaltskassen und der damit einhergehende Personal­
      Integrität, 3- (oder 4)-Säulen-Konzept zur Korruptionsbe­       abbau nach Prioritäten verlangen. Wenn aber für notwen­
      kämpfung, Konzept zur Korruptionsvermeidung, Handbuch           dige Kontrollen das Personal reduziert wird, kann das ein
      Korruptionsprävention, Empfehlungen zur Korruptionsprä­         Korruptionsrisiko bedeuten, beispielsweise bei der Überprü­
      vention oder auch Compliance-Management. Doch genau             fung von Sondermülldeponien.
      genommen handelt sich weniger um Konzepte als um die
      Zusammenstellung von Regelungen und Richtlinien auf den         Korruptionsprävention auf dem Papier und in der Wirk­
      Ebenen Integrität – Transparenz – Kontrolle – Sanktion.         lichkeit klafft daher meist weit auseinander. Obgleich viele
                                                                      Verwaltungen bereits Erfahrungen mit Korruption machen
      Diese „Konzepte“ (ausgehend vom 1996 beschlossenen Prä­         mussten, möchten die meisten Beschäftigten an Korruption
      ventions- und Bekämpfungskonzept der Innenministerkon­          in der eignen Behörde nicht glauben. Ein Antikorruptions­
      ferenz) enthalten für den Bereich Prävention erste wichtige     konzept allein, das von oben nach unten verordnet wird,
      Hinweise unter anderem zu Rotation, Annahme von Ge­             reicht deshalb nicht aus. Das kann man in den wenigen
      schenken und sonstigen Vorteilen, Nebentätigkeiten, Mit­        Berichten über Präventionsaktivitäten der Verwaltung zwi­
      teilungsverpflichtung der Steuerbehörden, Rechnungshöfen        schen den Zeilen herauslesen. Es zeigt sich, dass nur die
      und anderen Behörden. Ergänzt wurden die Konzepte im            „gebrannten Kinder“ der Prävention die nötige Bedeutung
      Laufe der Jahre durch die Notwendigkeit von Risikoanaly­        einräumen.
      sen, durch interne Ansprechpartner für Korruptionspräven­
      tion und Hinweisgebersysteme. Bestandteil in den meisten        Anfang Juli 2013 stellte das Bundesministerium des Innern
      Behörden sind jetzt auch Sponsoring-Regelungen.                 durch seinen Initiativkreis zur Korruptionsprävention „Prak­
                                                                      tische Hilfestellungen für Antikorruptionsmaßnahmen“ vor.
      Eine funktionierende, effiziente und rechtsstaatliche Verwal­   Fünf Schritte sollen zur „Etablierung einer auf Antikorrup­
      tung basiert auf den Grundsätzen der Integrität der Mitar­      tion ausgerichteten Organisationsstruktur“ führen:
      beiter („Beamtenethos“). Die Zuständigkeiten sind eindeutig        1. Schritt: „Tone from the Top“
      geregelt und die Entscheidungsabläufe sind nachvollziehbar         2. Schritt: Haltung der obersten Führungsebene
      und transparent. Unverzichtbare Elemente sind Dienst- und             zum Thema Antikorruption
      Fachaufsicht und Innenrevision, dazu externe Rechnungs­            3. Schritt: Wie bewerte ich mein Risiko?
      prüfungsämter und Rechnungshöfe. Jedoch setzte sich in             4. Schritt: Risikominimierende/-absichernde
      den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend die Erkenntnis               Maßnahmen
      durch, dass auch Maßnahmen zur Korruptionsprävention               5. Schritt: Regelmäßige Überprüfung der
      nötig sind. Außerdem erkannte die Bundesregierung bei                 implementierten Antikorruptionsmaßnahmen
      der überarbeiteten Richtlinie zur Korruptionsprävention         Diese „Hilfestellungen“ gehen strategisch in die richtige
      von 1998 im Jahr 2004 klar: „Eine wirksame Korruptions­         Richtung. Bei den Schritten zwei und drei steht die Risiko­
      bekämpfung verlangt ein effektives Kontrollsystem, denn         bewertung (Analyse) im Mittelpunkt. Da herrscht jedoch ein
                                                                                                                                     Foto: Claudia Hautumm / pixelio.de

      Korruption ist ein Kontrolldelikt.“                             großes Manko: Es gibt in Deutschland erst sehr wenige Be­
                                                                      hörden, die über aktuelle und handhabbare Risikoanalysen
      Heute geht die Erkenntnis noch weiter, denn: „Überkomplexe      verfügen.                                                 |
      Kontrollstrukturen und -verfahren“ können zur Korruption
      führen. Die Diskussion über „Bürokratieabbau“, dazu Mo­         Dr. Gisela Rüß ist Mitglied des Vorstands von Transparency
      dernisierung der Verwaltung durch Computerisierung, aber        Deutschland. Sie leitet die Arbeitsgruppe Bundes- und Lan-
      auch die Privatisierung ehemals öffentlicher Unternehmen        desverwaltung.
      stellen neue Anforderungen an die Präventionskonzepte.

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Nachrichten und Berichte I   11

                                                                       POL I T I K

                Licht ins Dunkel: Klare Regeln für        Regelungsbedarf besteht und wie die­      Für Minister und Staatssekretäre, die
                Lobbyisten gefordert                      se Lücken konkret geschlossen werden      aus dem Amt scheiden, fordern Lobby­
                                                          können. Zentraler Punkt ist die Einfüh­   Control und Transparency eine drei­
                Jüngst sorgte der geplante Wechsel des    rung eines verpflichtenden Lobbyisten­    jährige Karenzzeit. Auf Seiten der Par­
                Staatsministers Eckart von Klaeden aus    registers auf gesetzlicher Grundlage.     lamentarier sind die Offenlegung der
                dem Bundeskanzleramt zum Automo­          Es sollte einheitlich für alle Interes­   Nebeneinkünfte und die Verschärfung
                bilkonzern Daimler für öffentliche Auf­   senvertretungen gegenüber Bundestag,      des Straftatbestandes der Abgeordne­
                merksamkeit. Die Oppositionsparteien      Bundesrat, Bundesregierung, Bundes­       tenbestechung die vordringlichsten
                forderten die sofortige Entlassung des    ministerien und allen oberen Bundes­      Probleme. Damit könnte die seit zehn
                Staatsministers wegen möglicher In­       behörden gelten. Sämtliche Ausgaben       Jahren anhängige UN-Konvention ge­
                teressenverquickung. Die Regierungs­      für Lobbyaktivitäten sind offenzulegen.   gen Korruption endlich unterzeichnet
                parteien und von Klaeden selbst sehen     Das Register muss öffentlich und ma­      werden.                           cd |
                dazu keinerlei Veranlassung. Das ist      schinenlesbar sein. Bei der Formulie­
                rein rechtlich gesehen nachvollziehbar.   rung von Gesetzentwürfen ist die soge­
                Denn es gibt für Lobbyismus und die       nannte legislative Fußspur transparent
                zunehmend ausgeklügelten Formen           zu machen. Dazu ist zu dokumentieren,
                der Einflussnahme auf den politischen     welcher externe Sachverstand und wel­
                Willensbildungsprozess keine klaren       che Interessenvertretungen beteiligt
                Regeln.                                   waren und welche nicht. Beratungsun­
                Transparency Deutschland und Lobby­       ternehmen und Großkanzleien sollen
                Control haben in einem gemeinsamen        grundsätzlich keine Gesetzentwürfe
                Positionspapier zusammengefasst, wo       komplett erstellen dürfen.

                Weiterhin keine verbesserten Regeln       Beratungen darüber immer wieder –         CDU-Abgeordnete für eine Gesetzesän­
                gegen Abgeordnetenbestechung              zuletzt Mitte Juni – und verhinderte      derung ausgesprochen, aber der Erfolg
                                                          somit eine abschließende Debatte im       blieb weiter aus.
                Insgesamt sechs Gesetzesinitiativen       Plenum. Ergebnis: Die Verabschiedung      In der vorletzten Sitzung des Bundes­
                zur Verschärfung des Straftatbestandes    eines Gesetzentwurfes verschiebt sich     tags vor der Sommerpause am 27. Juni
                der Abgeordnetenbestechung aus allen      weiter.                                   hatten SPD und Grüne im Plenum eine
                politischen Lagern liegen vor. Dennoch    Inzwischen liegt zusätzlich ein Entwurf   namentliche Abstimmung über die
                kommt die Verschärfung des Paragra­       der Bundestagsverwaltung vor, der         Verschärfung der Abgeordnetenbeste­
                phen 108e StGB in Deutschland seit        im Auftrag von Bundestagspräsident        chung erzwungen, doch sie scheiter­
                zehn Jahren nicht voran.                  Lammert (CDU) erarbeitet wurde. Auch      ten an der ablehnende Mehrheit der
                SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grü­        Nordrhein-Westfalen hat einen eige­       Regierungskoalition. Prof. Dr. Edda
                nen hatten schon 2012 jeweils eigene      nen Entwurf erstellt. Daneben hat die     Müller, Vorsitzende von Transparen­
                Regelungsvorschläge vorgelegt. An­        deutsche Wirtschaft den Druck erhöht.     cy Deutschland, kritisiert die Hinhal­
                fang März diesen Jahres folgten dann      In einem offenen Brief hatten sich im     tetaktik. „Bei den Regeln zur Abge­
                Siegfried Kauder (CDU), Burkhard          vergangenen Herbst führende Köpfe         ordnetenbestechung geht es nicht um
                Lischka (SPD), Raju Sharma (Die Lin­      aus deutschen DAX-Unternehmen für         parteipolitische Fragen, sondern um
                ke) und Jerzy Montag (Bündnis 90/Die      eine Ratifizierung der UN-Konvention      das Selbstverständnis jedes einzelnen
                Grünen) mit einem interfraktionellen      und damit eine Verschärfung der Ab­       Abgeordneten über die Wahrnehmung
                Vorschlag. Der Rechtsausschuss des        geordnetenbestechung ausgesprochen.       seines Mandates“, appelliert sie an die
                Deutschen Bundestags vertagte seine       In der Folge hatten sich zwar einige      Politik.                          as |

                                                               AUS DEN L Ä N DER N

                Bayrische Vetternwirtschaft:              der Vetternwirtschaft stellen, da sie     war. Diese ermöglichte es den Land­
                Landtagspräsidentin muss handeln          Verwandte ersten Grades beschäftigt       tagsabgeordneten, bestehende Be­
                                                          hatten. Bisher hatten sich die Abge­      schäftigungsverhältnisse fortzuführen;
Foto: Daimler

                Insgesamt 79 Parlamentarier des bay­      ordneten darauf berufen, dass dies        gleichzeitig verbot der Landtag ent­
                rischen Landtags mussten sich in den      aufgrund einer „Übergangsregelung“        sprechende Neuverträge mit Angehö­
                vergangenen Monaten dem Vorwurf           aus dem Jahr 2000 weiterhin erlaubt       rigen ersten Grades. Im Verlauf der

                                                                                                         Scheinwerfer 60 | Transparency Deutschland |
12 | Nachrichten und Berichte

      Debatte wurde bekannt, dass diese         übernommenen Kosten für die Verträ­        Grünen und SPD geforderte Offen­
      Übergangsregelung in den 2004 und         ge mit Verwandten ersten Grades der        legungspflicht von Nebeneinkünften
      2010 verabschiedeten Fassungen des        Landtagsabgeordneten nach dem Jahr         auf Heller und Pfennig ab. Die Annah­
      Bayerischen Abgeordnetengesetzes gar      2003 zurück zu verlangen.                  me von persönlichen Spenden bleibt
      nicht mehr festgeschrieben war. Ein       Im Zuge der Aufarbeitung der Ver­          – wiederum gegen den Willen von
      Sprecher des Landtags erklärte dies mit   wandtenaffäre beschloss das Par­           SPD und Grünen – weiterhin erlaubt.
      einem „Redaktionsversehen”. Der Bay­      lament am 16. Juli 2013 auch neue                                          sst |
      erische Oberste Rechnungshof kommt        Regeln für die Ver­
      in seinem Prüfbericht zum Ergebnis,       öffentlichung von
      dass seit 2004 die Altfallregelung für    Nebeneinkünften
      die Beschäftigung naher Familienan­       und die Annah­
      gehöriger nicht mehr gegolten habe.       me von Spenden:
      Der bayerische Landtag hat im Mai         Künftig     müssen
      in Folge der Affäre das Abgeordne­        die Abgeordneten
      tengesetz verschärft: Seit Juni dürfen    nach dem Vorbild
      Angehörige bis zum vierten Verwandt­      des      Bundestags
      schaftsgrad nicht mehr beschäftigt        ihre Nebeneinkünf­
      werden. Die Arbeitsverträge werden        te in zehn Stufen
      zukünftig vom Landtagsamt verwaltet.      bis 250.000 Euro
      Transparency Deutschland hat die          angeben. Die Re­
      bisher gezogenen Konsequenzen als         gierungsfraktionen
      unzureichend kritisiert. Die Orga­        CSU und FDP sowie
      nisation fordert von der bayrischen       die Freien Wähler
      Landtagsverwaltung die unrechtmäßig       lehnten eine von

      Hessen: Neue Regeln für Abgeordnete       fen veröffentlicht werden. Es beginnt      entfällt, wenn die jeweils vereinbarten
                                                bei Stufe eins mit 1.000 Euro und endet    Einkünfte den Betrag von 1.000 Euro
      Die gute Nachricht zuerst: Der Landtag    bei Stufe zehn mit über 250.000 Euro.      im Monat oder 10.000 Euro im Jahr
      in Hessen hat sein revisionsbedürfti­     Aber hier beginnt die schlechte Nach­      nicht übersteigen. In Hessen wurde
      ges Abgeordnetengesetz, einschließlich    richt. Eins zu eins habe man die Re­       die ausfallende Anzeigepflicht um die
      der Verhaltensregeln für Abgeordnete,     geln des Bundestages umgesetzt, so der     Berufstätigkeit sowie Beratungs- und
      auf Vordermann gebracht. Die alte Re­     CDU-Abgeordnete Holger Bellino und         Vertretungstätigkeit erweitert, wenn
      gelung spaltet die Tätigkeiten neben      fügte hinzu, dass nun das Ende der         10.000 Euro desselben Leistenden im
      dem Mandat in berufliche und sonstige     Fahnenstange bei den Veröffentlichun­      Jahr nicht überschritten werden. Damit
      Nebentätigkeiten auf. Die Entgelte für    gen erreicht sei. Den Forderungen von      wird jede entgeltliche Tätigkeit unter
      berufliche Tätigkeiten wurden nicht       Linken, Grünen und SPD nach einer          10.000 Euro vom selben Auftraggeber
      veröffentlicht, wohl aber mussten die     Veröffentlichung auf Euro und Cent         im Jahr nicht mehr anzeigepflichtig.
      sonstigen Tätigkeiten auf Euro und        wolle man nicht folgen. In Wahrheit        Das kommt einer Sonderausnahme
      Cent offengelegt werden. In der Praxis    aber hat man die Regeln des Bundesta­      für Rechtsanwälte gleich, die sich in
      führte das dazu, dass so gut wie keine    ges mitnichten eins zu eins umgesetzt.     der Regel durch Einzelmandate fi­
      sonstigen Nebentätigkeiten veröffent­     Es wurden zwei leicht zu übersehende       nanzieren. Über 10.000 Euro für ein
      licht wurden.                             Ergänzungen eingefügt, die schwer­         Mandat oder einen Vortrag sind eher
      Das soll jetzt anders werden. Die ent­    wiegende Transparenzmängel nach            die Ausnahme. Einnahmen der Stufen
      geltlichen Nebentätigkeiten werden        sich ziehen. Im Bund hat man festge­       eins und zwei sowie der Stufe drei bis
      zusammengefasst. Die Entgelte sollen      legt, dass für Gutachten und für publi­    10.000 Euro bleiben auch künftig im
      wie im Bundestag künftig in zehn Stu­     zistische Tätigkeiten die Anzeigepflicht   Dunkeln.              Jochen Bäumel |
                                                                                                                                     Foto: Sven Teschke, Büdingen

      Thüringer Koalition will stufenweise      weise veröffentlicht werden, wenn sie      orientiert sich an den neuen Regeln des
      Veröffentlichung von Nebeneinkünften      1.000 Euro im Monat oder 10.000 Euro       Bundestages, die die Veröffentlichung
                                                im Jahr übersteigen. Dies sieht ein Ent­   in zehn Stufen vorschreiben. Bei Ver­
      Nach Plänen der Erfurter Regierungs­      wurf zur Änderung des Thüringer Ab­        letzung der Anzeigepflichten kann
      fraktionen sollen Nebeneinkünfte der      geordnetengesetzes vor, den CDU und        der Vorstand des Landtages nach dem
      Landtagsabgeordneten künftig stufen­      SPD Ende Juni eingebracht haben. Er        Entwurf ein Ordnungsgeld in Höhe

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 60
Nachrichten und Berichte I   13

der Hälfte der jährlichen Abgeordne­      Kritik an den Plänen zur Veröffentli­        gegenüber Wettbewerbern und lasse
tenentschädigung festsetzen. Darüber      chung der Nebeneinkünfte äußerten            zudem Rückschlüsse auf politisch nicht
hinaus sollen Geldspenden und geld­       alle Oppositionsparteien. Vertreter von      aktive Partner zu.
werte Zuwendungen an Abgeordnete          Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke          Der Gesetzentwurf wurde nach der
bekannt gemacht werden. Bei Spenden       monierten, das Stufenmodell ermög­           ersten Beratung am 11. Juli einstim­
im Wert von über 5.000 Euro im Jahr       liche Verschleierung, statt Klarheit         mig in den Justizausschuss überwie­
sollen Namen und Adresse des Spen­        zu schaffen. Darüber hinaus seien die        sen. Dort befindet sich seit Ende 2012
ders dem Landtagspräsidenten ange­        Freigrenzen zu hoch bemessen. Seitens        bereits ein Entwurf der Fraktion Die
zeigt werden. Übersteigt der Spenden­     der FDP wurde die Veröffentlichung           Linke, der eine Veröffentlichung auf
wert eines Spenders 10.000 Euro im        von Unternehmensbeteiligungen so­            Euro und Cent vorsieht. Letzteres
Jahr, ist die Veröffentlichung der Höhe   wie insbesondere der daraus erzielten        praktizieren die sechs Abgeordneten
und Herkunft im amtlichen Handbuch        Einkünfte kritisiert. Sie beschere den       der Grünen bereits freiwillig auf ihrer
sowie im Internet vorgesehen.             betroffenen Unternehmen Nachteile            Internetseite.                     rf |

                                           I N FOR M AT IONSFR EI H EI T

SPD scheitert mit Vorstoß zur Reform      den Bundestag eingebracht. Die Geset­        formationsgesetz vor. Zudem sollte eine
der Informationsfreiheit                  zesinitiative zielte auf ein Informations­   „zeitgemäße Verpflichtung zur Veröf­
                                          recht, das die Vielzahl der bestehenden      fentlichung relevanter Informationen in
Mitte Mai hatte die SPD-Fraktion ihren    Informationszugangsregelungen „auf           niedrigschwelliger und moderner Form“
„Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung      möglichst hohem Transparenzniveau“           geschaffen werden. Wie kaum anders
von Informationsfreiheit und Transpa­     in sich vereint. Unter anderem sah die       zu erwarten, wurde der Gesetzentwurf
renz unter Einschluss von Verbraucher-    Initiative eine Zusammenfassung von          in der Bundestagssitzung am 27. Juni
und Umweltinformationen - Informati­      Informationsfreiheitsgesetz, Umweltin­       mit Stimmenmehrheit der Regierungs­
onsfreiheits- und Transparenzgesetz“ in   formationsgesetz und Verbraucherin­          fraktionen CDU und FDP abgelehnt.hm |

Kein Verwaltungsöffentlichkeitsgesetz     freiheitsgesetz, das zusätzlich eine Ver­    nen, wurde hier in Anlehnung an das
für Bayern                                pflichtung der Verwaltung zur aktiven        Schweizerische „Öffentlichkeitsprinzip
                                          Veröffentlichung von Informationen           der Verwaltung“ der Begriff „Verwal­
Ende Juni hatte die Fraktion Bündnis      festschreibt – und damit um Regelun­         tungsöffentlichkeitsgesetz“ gewählt.
90/Die Grünen ihren Entwurf für ein       gen, wie sie auch im Hamburger Trans­        Name hin oder her, in einer der letzten
„Gesetz über die Öffentlichkeit und       parenzgesetz verankert sind. Nachdem         Sitzungen der Legislaturperiode wurde
Transparenz der Verwaltung“ (Verwal­      der Begriff „Transparenzgesetz“ auch         das Gesetz ohne weitere Aussprache
tungsöffentlichkeitsgesetz) in den Bay­   zum Einsatz kommt, um Regelungen             mit Stimmenmehrheit der Regierungs­
erischen Landtag eingebracht. In der      zur Offenlegung von Nebeneinkünf­            fraktionen CSU und FDP abgelehnt.
Sache ging es um ein Informations­        ten von Parlamentariern zu bezeich­                                           hm |

                                                   V ERWA LT U NG

Innenministerium legt neuen               Sponsoring in der Praxis. Im Bericht sind    Bundesverband und der städtischen
Sponsoringbericht vor                     Sponsoringleistungen im Wert von 76,9        Wohnungsbaugesellschaft degewo, lagen
                                          Millionen Euro aufgeführt, davon 51,4        die vergleichbaren Kosten für das Bür­
Anfang Juli hat das Bundesinnenminis­     Millionen Euro für Kampagnen zur Ge­         gerfest von Bundespräsident Gauck im
terium den Sponsoringbericht für die      sundheitsprävention. Gesponsert wurde        Jahr 2012 bei rund 40.000 Euro.
Jahre 2011 und 2012 veröffentlicht. Der   das Geld unter anderem für kostenlose        Während früher für die Erstellung der
Bericht gibt Auskünfte über die Höhe      Werbeflächen und Sendezeiten.                Sponsoringberichte fast ein Jahr benötigt
von Sponsoringleistungen, an welche       Auffällige Unterschiede zwischen den         wurde, waren es bei diesem fünften Spon­
Ministerien und Behörden der Bundes­      Jahren 2011 und 2012 werden im Bereich       soringbericht diesmal nur sechs Monate
verwaltung diese geflossen sind und wer   des Bundespräsidialamtes deutlich. Wäh­      – ein lobenswerter Fortschritt. Auch ei­
die Geber waren. Grundlage des Berichts   rend für das Sommerfest des Bundesprä­       nige Bundesländer veröffentlichen Spon­
ist die Verwaltungsvorschrift Sponso­     sidenten Wulff im Jahr 2011 mehr als 1,1     soringberichte, das Land Niedersachsen
ring. Sie enthält Leitlinien und Hand­    Millionen Euro allein an Geldleistungen      jährlich. Dies bleibt für den Bundesspon­
lungsanweisung für den Umgang mit         eingeworben wurde, darunter vom AOK          soringbericht zu wünschen übrig.  ch |

                                                                                            Scheinwerfer 60 | Transparency Deutschland |
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