Firmen und Banken begrünen die Welt - Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore - Die Weltwoche
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Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore 26. August 2021 – 89. Jahrgang Firmen und Banken begrünen die Welt Zur ökologischen Kraft des Unternehmertums
INTERN INHALT Ein Hoch 3 Intern 4 Alex Baur auf die Banken Kernenergie für das Klima 6 Trend-Marke On Running Ein Schuh läuft im Kreis 8 «Allianzen schmieden» Glencore-Manager Kunal Sinha über die Kreislaufwirtschaft 11 Stefan Tscheppe Die Kunst des ökologischen Weinbaus 12 Duell der Flaschen Ist PET oder Glas umwelt- Blockade der Grossbanken, Demonstrationen freundlicher? und Protestkundgebungen: In letzter Zeit wird das Epizentrum des Schweizer Finanz- 14 Henrique Schneider platzes immer wieder zum Schauplatz ideo- «Nachhaltigkeit muss sich lohnen» logischer Auseinandersetzungen. Radikale 16 «Gewerbe nicht zum Klimaaktivisten haben den Eindruck, die Ban- Akku-Bus zwingen» ken täten nicht genug gegen den Klimawandel. Unternehmer Ramon Näf Das Cover dieser Spezialausgabe zeigt eine an- 19 Importierte Belastung dere Seite auf: Inmitten des Paradeplatzes be- Sind Parallelimporte schädlich? laden sich zwei Banker Atlas-gleich mit dem Gewicht des Planeten, in diesem Fall mit dem 21 Jörg Gasser ökologischen. Warum Schweizer Banken auf Wer sich unter Schweizer Finanzspezialisten Nachhaltigkeit setzen umhört, kommt derzeit nicht um den Be- 22 Wohltäter in Nadelstreifen griff der Nachhaltigkeit herum. Er ist in aller Boom der nachhaltigen Munde. Offiziell propagiert von der Bankier- Schauplatz ideologischer Kämpfe: Geldanlage vereinigung und den Behörden in Bern, um- Paradeplatz. 24 Praxis-Guide ESG-Investments gesetzt durch zahlreiche Finanzinstitute in Begriffe, Strategien, Produkte ihren Strategien, Geschäftsmodellen und An- lageprodukten. Der Bankenplatz wittert hier die Argumente beider Seiten zu Wort. Für In- 26 Bankier des reinen Gewissens neue Wettbewerbsvorteile. vestoren leuchten wir die interessante Szene Reto Ringgers Globalance Bank Der Vorwurf also, die Banken gingen nicht der nachhaltigen Finanzprodukte aus. im Hoch sensibel genug mit dem Klimawandel um, zielt 28 Andreas Beck und Thorsten Hens also ins Leere. Wenn schon, dann ist eher das Dieses Nachhaltigkeits-Spezial erscheint anläss- Der schöne Schein Gegenteil richtig: Die Bankiers vergessen ob all lich des Swiss Green Economy Symposium, des guten Geldes der ökologischen Hypermoral ihre eigentlichen das nächste Woche in Winterthur stattfindet. 30 «Kunden begrüssen Aufgaben. Die Vermehrung der Kundengelder, Es versteht sich als Plädoyer für die positive den Wechsel» beispielsweise. Oder die Versorgung von Unter- Kraft des Unternehmertums für Mensch und nehmen mit Krediten, selbst wenn diese keine Umwelt. Die Weltwoche dankt den Anzeigen- Fabio Pellizzari über die Klima-Musterschüler sein sollten. kunden und weiteren Partnern, die dies er- nachhaltige Revolution bei Der interessanten Frage, ob die Banken sogar möglicht haben: Glencore in Baar und der Naef Swisscanto Invest zu viel tun in Sachen Klimawandel, gehen wir Group in Freienbach. Wir wünschen eine an- 32 Bring Your Own House im Themenschwerpunkt «Nachhaltige Geld- regende Lektüre. Ruhe und Erholung auf dem anlage» nach (Seite 20–31). Darin kommen Ihre Weltwoche Campingplatz IMPRESSUM Herausgeberin: Weltwoche Verlags AG, Förrlibuckstrasse 70, Postfach, 8021 Zürich. Die Weltwoche erscheint donnerstags. Redaktion und Verlag: Telefon 043 444 57 00, Fax 043 444 56 69, www.weltwoche.ch, E-Mail-Adressen: vorname.name@weltwoche.ch, verlag@weltwoche.ch, leserbriefe@weltwoche.ch. Abo-Service: Tel. 043 444 57 01, Fax 043 444 50 91, E-Mail: kundenservice@weltwoche.ch. Jahresabonnement Inland Fr. 346.– (inkl. MwSt.). Schnupperabonnement Inland Fr. 38.— (inkl. MwSt.). Weitere Angebote für In- und Ausland unter www.weltwoche.ch/abo Chefredaktor: Roger Köppel. Verlagsleitung: Sandro Gianini. Betriebsleitung: Samuel Hofmann. Corporate Publishing: Florian Schwab. Anzeigenverkauf: Tel. 043 444 57 02, Fax 043 444 56 07, E-Mail: anzeigenid@weltwoche.ch. Online-Vermarktung: GLA United. E-Mail: weltwoche@gla-united.com Druck: Print Media Corporation, PMC, Oetwil am See. Die Weltwoche wird gedruckt in der Schweiz auf schweizerischem Papier, das auf der Basis von hochwertigem Durchforstungsholz, Altpapier und Zellulose hergestellt wurde. Es schont Ressourcen, Energie und somit die Umwelt. Die Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion gestattet. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Nachhaltigkeit Nr. 34.21 3 Cover: Nicolás Aznárez; Bild: Ennio Leanza / Keystone
Kernenergie fürs Klima Mit der Sorge um den Klimawandel wird die weitgehend emissionsfreie Kernenergie zur umweltfreundlichen Alternative. Alex Baur D ie Kernenergie war schon immer Teil neuer Technologien, für die auch der amtieren- der Empfehlungen des Weltklimarats de Präsident Joe Biden Sympathie bekundet. (IPCC) zur Reduktion von CO2-Emis- Die Euphorie um die «neuen Erneuerbaren» sionen. Nur hängte er das nie an die grosse wird getragen von der Sehnsucht nach einer Glocke. Der IPCC nimmt damit Rücksicht auf Versöhnung mit der Natur. Dabei gingen die die Befindlichkeit eines Teils der grünen Be- physikalisch begründeten Nachteile vergessen, wegungen, welcher die Kernspaltung grund- die keine Technologie aus der Welt schaffen sätzlich ablehnt. So sorgte 2019 Greta Thun- kann. Auch die Produktion von Biotreibstoff, berg mit der Forderung, die CO2-Schleudern Solar- oder Windstrom geht auf Kosten der durch Atomkraftwerke zu ersetzen, für helles Natur. Der Verschleiss an Ressourcen (Acker- Entsetzen bei den deutschen Grünen. fläche, Rohstoffe, Aufwand für Unterhalt etc.) Die Ikone der Klimastreikenden relativier- ist gigantisch, gemessen am Ertrag. Zudem lie- te ihre Aussage darauf bis zur Unkenntlich- fern Sonne und Wind den Strom selten dann, keit und schweigt seither eisern zum Thema. wenn man ihn braucht. Auch die Speicherung Doch das ändert nichts an den Fakten: Rund ein verschlingt, soweit sie überhaupt möglich ist, Viertel der weltweiten CO2-Emissionen werden gigantische Ressourcen und lässt die Preise erst durch die Stromerzeugung verursacht – und recht explodieren. mit Wind, Biomasse und Sonne allein lässt sich Weltweit hält die Mehrheit der Länder an der Bedarf nicht decken, zumal der Anteil von der Option Kernenergie fest. Federführend Strom am Gesamtenergiemix noch steigen soll. sind Russland und vor allem China. Das Reich Weltweit hält die Mehrheit der Länder an Die emissionsfreie Kernenergie drängt sich als der Mitte hat seine nukleare Stromproduktion Alternative geradewegs auf. in den letzten zehn Jahren verfünffacht, von 7 auf 35 Terawattstunden. Damit sind zwar erst den Bau der Reaktoren zu verschleppen und Spitzenplatz für AKW rund fünf Prozent des Strombedarfs gedeckt. zu verteuern. Dass dies nicht so sein muss, hat Unter Berücksichtigung der «grauen Energie» Frankreich in den 1970er Jahren demonstriert. – also jener Energie, die aufgewendet werden Zudem liefern Sonne und Wind Nach dem Ölschock stellte die Grande Nation muss, um ein Kraftwerk zu bauen, in Betrieb innerhalb von fünfzehn Jahren drei Viertel den Strom selten dann, zu halten und wieder abzubauen – verursacht ihrer Stromproduktion auf Kernkraft um. die Kernenergie pro Kilowattstunde weniger wenn man ihn braucht. Die Hindernisse der Kernenergie sind vor CO2-Emissionen als Biomasse-, Wind- oder allem politischer und religiöser Natur. Viele Solarkraftwerke. Nur grosse Wasserkraftwerke Doch China will diesen Wert in den nächsten Ängste erweisen sich bei genauem Hinschauen sind noch eine Spur klimafreundlicher. Der fünfzehn Jahren noch einmal vervierfachen. Mit als unbegründet. So wurde etwa beim GAU in Schlüssel dazu liegt in der fast unvorstellbaren Hualong One ging im letzten Januar erstmals den drei Kernkraftwerken von Fukushima kein Energiedichte des Brennstoffes. Ein Kubik- ein topmoderner Druckwasserreaktor der Ge- einziger Mensch getötet oder auch nur ernst- meter Uran reicht aus, um ein durchschnitt- neration III+ ans Netz, den China in Eigenregie haft verletzt. Die Kernschmelze in den ältesten liches AKW wie das von Gösgen oder Leibstadt entwickelt und hergestellt hat. Solche Anlagen Kernkraftwerken Japans, deren Abschaltung ein Jahr lang zu betreiben. werden zwar auch in Europa hergestellt. Doch ohnehin bevorstand, führte zwar zu einem Die kategorische Ablehnung der Kernenergie die Chinesen rechnen mit einem Viertel der Kos- gigantischen Sachschaden. Doch sie wäre in konzentriert sich allerdings vor allem auf den ten (rund 2,5 Milliarden Dollar) bei einer viermal einem modernen AKW gar nicht mehr möglich. deutschsprachigen Raum. Etwa in Skandina- schnelleren Bauzeit (zweieinhalb Jahre). Ins Reich der falschen Mythen gehört auch vien, Grossbritannien, Frankreich oder Ost- China widerlegt damit die Behauptung, die das Argument, ein Kernkraftwerk liesse sich europa gilt Atomstrom auch unter linken und Kernenergie sei zu teuer und die Planung der nicht versichern. Dasselbe trifft auch für jede grünen Kreisen als valable Alternative zu den Anlagen sei zu langwierig. Der Grund liegt Staumauer zu, die ein höheres Schadens- fossilen CO2-Schleudern. Namentlich in den vor allem in der Serienproduktion. China ex- potenzial in sich birgt. Es hängt damit zu- USA setzt ein ernstzunehmender Teil der Öko- portiert seine AKW schlüsselfertig. In Euro- sammen, dass es in Anbetracht der extrem ge- bewegung voll auf Kernenergie. Bill Gates in- pa ist es den Kernkraftgegnern derweil ge- ringen Wahrscheinlichkeit eines extrem hohen vestiert Millionenbeträge in die Entwicklung lungen, mit Rekursen und surrealen Auflagen Schadens schlicht am vernünftigsten ist, das 4 Nachhaltigkeit Nr. 34.21
der nuklearen Option fest. Restrisiko auf alle Bürger zu verteilen, die auch erbringen, dank einer Serienproduktion aber blei- und Flüssigsalzreaktoren oder eine Kom- gemeinsam von der Kernenergie profitieren. günstiger und schnell gebaut werden könnten. bination von beidem. Weil diese Meiler kei- Auch das Problem der insgesamt sehr ge- Eine Option sind auch kleinere nukleare Heiz- nen eigentlichen Reaktorkern mehr haben, ringen Mengen an hochstrahlenden Abfällen reaktoren zur Erzeugung von Fernwärme in ist eine Kernschmelze physikalisch gar nicht wird masslos aufgebauscht. Anders als kon- grösseren Agglomerationen. Da die Anlagen mehr möglich. ventionelle Gifte, die wir in ungleich grösse- auf einer relativ niedrigen Temperatur fah- Varianten dieser Brütertechnologie wur- ren Mengen entsorgen, lassen sich strahlende ren, geht von ihnen kein grösseres Gefahren- den in den Anlagen von Kalkar (Deutsch- Abfälle mit einem Geigerzähler einfach orten potenzial aus als von einer beliebigen fossil be- land) und Creys-Malville (Frankreich) bereits triebenen Anlage – nur dass sie den Abfall eben erfolgreich getestet. Dass die Projekte in Euro- Gearbeitet wird an sicheren in einem Containment zurückhalten, statt die- pa aufgegeben wurden, ist einzig und allein sen in die Atmosphäre zu pusten. Diese Kern- politisch begründet. China hat das deutsche Kleinreaktoren, die günstiger und kraftwerke sind auch besser steuerbar als ältere Know-how aufgekauft und entwickelt dieses schneller gebaut werden können. Modelle, so dass die Produktion der Nachfrage heute an eigenen Versuchsreaktoren weiter. angepasst werden kann. Auch Rosatom betreibt in Belojarsk mehrere und kontrollieren. Vor allem aber sind diese kommerzielle Brutreaktoren. vermeintlichen Abfälle der Brennstoff für die Neue Brutreaktoren Der 820-Megawatt-Reaktor Belojarsk 4 ging Kernkraftwerke der Zukunft. Das grösste Zukunftspotenzial steckt aller- 2016 ans russische Netz und liefert seither zuver- Anders als bei den neuen Erneuerbaren, die dings in den sogenannten Brutreaktoren, wel- lässig Strom. 2025 wollen die Russen mit dem seit Urzeiten vom Menschen genutzt werden che auch Abfälle aus konventionellen AKW Bau eines fünften Brutreaktors beginnen, der und deren Effizienz weitgehend ausgereizt ist verbrennen können, den Brennstoff um ein mit einer Leistung von 1200 Megawatt 2030 ans und bestenfalls noch ein wenig optimiert wer- Vielfaches besser nutzen und kaum noch lang- Netz gehen soll. Die Brütertechnologie hat sich den kann, steht die Kernenergie erst am Anfang strahlende Rückstände hinterlassen. Diese Re- in der Praxis hervorragend bewährt, ist zurzeit ihrer Entwicklung. Gearbeitet wird zurzeit aktoren können sogar mit den Resten von ein- einfach noch zu teuer. Aber auch das könnte sich an inhärent sicheren Kleinreaktoren, die zwar gemotteten Atomwaffen betrieben werden. schon bald ändern, falls man wirklich aus dem nur knapp die Leistung des AKW Mühleberg Mögliche Varianten sind zum Beispiel Flüssig- fossilen Zeitalter aussteigen will. Nachhaltigkeit Nr. 34.21 5 Bild: Michael Rosskothen/Adobe Stock
Ein Schuh läuft im Kreis Bald lanciert die Schweizer Trendmarke On eine Weltneuheit: den Sportschuh im Abonnement, der keinen Abfall produzieren soll. Roman Zeller Ö ko-Sneakers spriessen gerade nur so aus Die Frage lautete: Wie kann ein Laufschuh her- dem Boden. Mittlerweile läuft prak- gestellt werden, der in einem vollständigen tisch alles, was für den gedämpften Kreislauf zirkuliert – von On, als Herstel- Gang über den Asphalt erworben werden kann, ler, zum Konsumenten und wieder zurück. unter dem Gütesiegel der Nachhaltigkeit. Dafür seien verschiedene Szenarien in Frage Wie zum Beispiel Veja, die schlichten Turn- gekommen, wie Stimac sagt. Von einer Busse, schuhe in Weiss, mit dem charakteristischen V wenn jemand den ausgelatschten Treter nicht auf der Seite. Der Brand schmückt sich mit dem zurückbringt, wollte man absehen. Das Glei- Schlagwort «vegan». Das heisst, wer Veja trägt, che gelte für eine Art Depot. «Wir wollten mit weiss, dass nur biologisch angebaute Baum- dem Konsumenten zusammenarbeiten und ihn wolle verwendet wurde, dazu ökologischer nicht erziehen.» Naturkautschuk – aus dem Amazonasgebiet, Daher liess sich On inspirieren von abonnier- wo die Arbeitsbedingungen «fair» gewesen ten Onlinediensten wie Netflix oder Spotify. seien und das fertige Produkt in Recycling- Diese «Abo-Idee», wie Vesna Stimac es nennt, kartons verschifft wurde. habe On umsetzen wollen. Nicht nur in den urbanen Zentren sind die Mit Cyclon, so heisst der Laufschuh, kommt Öko-Sneakers Kult. Sogar Herzogin Meghan nächstes Jahr eine Art Abo-Schuh auf den liess sich damit ablichten, als erste Royal in Markt. Stimac spricht bei der Idee von einer Turnschuhen überhaupt. neuen Form der Kreislaufwirtschaft, an die sich noch kein Hersteller aus der Laufschuhbranche Zehn Vollzeitstellen herangetraut habe. Ist diese Nachhaltigkeit an den Füssen alles nur PR? Ein Werbegag? Das Schweizer Start-up, das Aus der Rizinusbohne sich seit 2010 unter tatkräftiger Mithilfe von 5000 Abos: Investor Federer. Aus der Rizinusbohne, die beim Anbau wenig Co-Investor Roger Federer zu einem ernstzu- Wasser braucht und sich nicht zum Verzehr eig- nehmenden Konkurrenten der beiden Sport- net, soll Öl fürs Material gewonnen werden, giganten Nike und Adidas entwickelt hat, ge- ren Sneaker-Brands auf den Zug aufsprangen. woraus der Laufschuh schliesslich entsteht. hört zwar auch zu den Werbemeistern seines Vor einigen Jahren begann die Firma dann, Sobald der Konsument den Schuh nicht mehr Fachs. Der Nachhaltigkeit hat es sich aber be- die Nachhaltigkeit professionell und ganz- gebraucht, kann er an On abgegeben werden. reits zum Gründungszeitpunkt verschrieben. heitlich anzugehen. Dem Vernehmen nach Der Hersteller schreddert ihn, produziert aus sind dem Thema heute zehn Vollzeitstellen dem eingestampften Material neue Produkte «Wir wollten mit dem gewidmet. Die zentrale Frage dabei: Wie re- und schickt dem Kunden nahtlos sein Ersatz- sultiert ein grösstmöglicher Impact fürs Klima? paar zu. So schliesst sich der Kreislauf. Konsumenten zusammenarbeiten Schnell sei klargeworden, so Stimac: Der Weil Erfahrungswerte fehlen, vergleicht Sti- und ihn nicht erziehen.» Fokus muss auf dem Material liegen. Rund mac das Konzept mit einem «Sprung ins kalte 80 Prozent der Gesamtemissionen gehen auf Wasser». Trotzdem ist sie von der Idee über- Die Grundzüge des Businessplans legten die die verwendeten Materialien zurück. zeugt: In Amerika seien bereits die nötigen drei Gründer nämlich auf einer Wanderung im Zwar verwendete On schon immer nur Ma- 5000 Cyclon-Reservationen eingegangen. So Engadin fest, unter dem Eindruck der zurück- terialien, die beim Endprodukt eine Funktion viel brauche es pro Region, um das Projekt loh- gehenden Gletscher. Zwei der drei Gründer erfüllen. Reine Verzierung ist ein No-Go, eine nend zu realisieren. In Europa sei man auf bes- leben noch immer in abgelegenen, naturnahen Verschwendung. Nun, resümiert Stimac, man tem Weg. Gebieten – Caspar Coppetti etwa ist heimisch könne zwar einen rezyklierbaren Schuh aus Wie sich das Ganze entwickelt, sei ungewiss. im Wenige-hundert Seelen-Dorf La Punt Cha- natürlichen und biologischen Materialien her- Sollte das Projekt funktionieren und der Kunde mues-ch zwischen St. Moritz und Zernez. stellen, er lande irgendwann aber trotz allem freiwillig sein altes gegen ein neues Paar tau- Das Ziel von On, erklärt Sprecherin Vesna im Abfall. Das heisst: «Wir wollten einen zero schen, würde erstmals ein zero waste-Schuh im Stimac, sei immer die nachhaltige Schuh- waste shoe, um Abfall möglichst ganz zu ver- wahrsten Sinne des Wortes in den Umlauf kom- produktion gewesen – noch bevor die ande- meiden.» men. Es wäre ein richtiger Öko-Schuh. 6 Nachhaltigkeit Nr. 34.21 Bild: zVg
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«Wir müssen Allianzen schmieden» Glencore ist ein Pionier in der Wiederverwertung von Kupfer, Kobalt, Blei und Zink. Die nächste grosse Chance liege in der Kreislaufwirtschaft, sagt Recycling-Manager Kunal Sinha. Florian Schwab Ineinanderfliessende Konzepte: Nickel-Schmelzhütte von Glencore in Sudbury, Kanada. S eit mehr als zehn Jahren arbeitet er für Weltwoche: Herr Sinha, beginnen wir mit dem grossartig, unsere Fähigkeiten im Rohstoff- Glencore: Von den USA aus leitet Kunal Persönlichen: Sie haben vor über zehn Jahren handel für etwas wie das Recyclinggeschäft Sinha weltweit die kommerzielle Seite bei Glencore als Rohstoffhändler angefangen. einzusetzen. von Glencores Recycling-Business im Kupfer- Heute widmen Sie sich ganz dem Recycling. Weltwoche: Ihre Karriere begann als Händler und Elektronikbereich. Ursprünglich war er Eine ziemliche Entwicklung! für Zink- und Kupferkonzentrate. Wie kamen Rohstoffhändler, mittlerweile ist er einer der Kunal Sinha: Die ökologischen, sozialen Sie von dort zum Nachhaltigkeitsthema? wichtigsten Nachhaltigkeitsmanager des Roh- und Governance-Aspekte (ESG) der Geschäfts- Sinha: Als Glencore mit Xstrata fusionier- stoffunternehmens. Sein Team rezykliert jedes welt haben mich immer interessiert. Im Kern te, brauchte es Leute, die die verschiedenen Jahr etwa 27 000 bis 30 000 Tonnen Kupfer aus liebe ich den Rohstoffhandel, aber viele Leute Bestandteile zusammenführen konnten. Ich Quellen wie beispielsweise Elektroschrott. fragen einen: «Nun gut, aber in der heutigen wurde für die Aufgabe ausgewählt, mich um Die Weltwoche führte mit Kunal Sinha ein aus- Welt – was bedeutet einem der Rohstoffhandel, die Integration der früheren Xstrata-Tochter gedehntes Video-Telefonat. welchen Lebenszweck vermittelt er?» Da ist es Norfalco in Kanada zu kümmern. Diese kana- 8 Nachhaltigkeit Nr. 34.21 Bild: zVg Glencore
dische Gesellschaft hatte ein Geschäftsmodell, Gewinn abwirft, dann hat es etwas sich selbst Weltwoche: Heute sprechen alle von der Kreis- das sich stark von jenem unterschied, das wir Bewahrheitendes. Man hängt nicht von frem- laufwirtschaft. Inwiefern unterscheidet sich traditionellerweise bei Glencore kannten. Es den Geldgebern ab, um es aufrechtzuerhalten. diese von einfachem Recycling? handelt sich um ein Unternehmen, das Neben- Das ist eine perfekte Verbindung. Sinha: Es ist ein relativ neuer Begriff, aber ein produkte aus dem Bergbau und aus der Metall- Weltwoche: Was ist also neu am heutigen sehr eingängiger. Ich mag ihn. Je mehr Leute gewinnung verwaltet. Recyclingtrend? ihn benutzen, desto mehr Sinn ergibt er. Das Weltwoche: Wie ging es dann weiter in Sinha: Die Akteure und Rohstoffe ändern Gegenteil von kreisförmig ist linear. Lineares Ihrem Werdegang? sich dauernd: Wer betreibt das Recycling? Was Wirtschaften bedeutet: Am Ende seines Ge- Sinha: Ich suchte nach einer neuen Heraus- wird überhaupt recycelt? Heute beobachten wir brauchs wird ein Produkt einfach entsorgt. forderung und fragte meine Mentoren: «Gibt ein zunehmendes Bewusstsein, dass eine Firma, Kein Mensch interessiert sich mehr dafür. Re- es sonst noch etwas, was ich tun kann?» So die ein Gut auf den Markt bringt, auch für das cycling ist, wenn es jemand aufliest und sagt: kam ich zu meiner heutigen Aufgabe, dem Re Einsammeln beziehungsweise die Wiederver- «Darin hat es etwas, das ist für mich wie Gold!» cycling. wertung verantwortlich ist. In der Vergangen- Aber das bleibt ziemlich linear. Im Gegensatz Weltwoche: Sprechen wir über die all- heit gab es das zwar auch, aber es war eher vom dazu heisst Kreislaufwirtschaft, dass wir uns gemeinen Aspekte des Recyclings und Up Gesetzgeber angetrieben. Mittlerweile be- aktiv für Mechanismen einsetzen, die auf die cyclings, bevor wir auf die Tätigkeiten von obachte ich eine deutliche Weiterentwicklung möglichst vollständige Wiederverwertung Glencore zu sprechen kommen. Für Wirtschafts- abzielen: Wenn das Produkt sein Lebensende betriebe besteht ein natürlicher Anreiz, Roh- «Wenn ein Geschäft Gewinn erreicht hat, nehme ich es zurück, baue es stoffe wiederzuverwerten oder aufzuwerten. komplett auseinander und schaue, welchen Be- abwirft, dann hat es etwas Sinha: In der Tat, es ist eine alte Handels- standteilen wir ein zweites, drittes oder viertes technik, eine alte Kunst. Und sie wurde stets sich selbst Bewahrheitendes.» Leben ermöglichen können. Ich versuche also, vorangetrieben von Leuten, die in ihrem Be- mit möglichst vielen Rohstoffen wieder dort reich sehr gut waren. Leute, die sich sagten: «Es dieses Bewusstseins. Man macht es nicht nur, anzudocken, wo die ursprünglichen Hersteller gibt hier Abfall, und keiner erkennt seinen Wert. weil es Teil der gesetzlichen Pflichten ist, son- ihre Ausgangsprodukte beziehen. Ich schon.» Das ist natürlich in vieler Hinsicht dern auch, weil es wirklich sinnvoll ist. Weltwoche: Vom Prinzip her tönt das einfach. positiv: Es ist gut für die Umwelt, es hilft dem Weltwoche: Warum sagen viele Unter- Sinha: Es ist nicht einfach. Es bedeutet Angebot und der Nachfrage. Im Kern ist es sehr nehmer: Jawohl, das ist sinnvoll? harte Arbeit. Nehmen wir ein handelsübliches marktwirtschaftlich. Persönlich bin ich der Mei- Sinha: Weil es die Konsumenten verlangen, Smartphone aus Glas, Metallen und anderen nung, dass unter allen Geschäftsmodellen mit und weil es ein gutes Geschäft ist – sowohl in Materialien. Ich kann jemanden darum bitten, positiven Auswirkungen auf Umwelt und Sozia- Sachen Profitabilität als auch bei der Reduktion es zu rezyklieren. Aber das wird ein Albtraum. les jene am erfolgreichsten sind – gerade auch in des ökologischen Fussabdrucks eines Unter- Viele Produkte wurden nicht mit Blick auf ihren ökologischen und sozialen Verdiensten –, nehmens. Von Letzterem erwarten auch die In- eine einfache Wiederverwertung entwickelt die profitabel sind. Wenn ein Geschäft nämlich vestoren, dass man ihn verbessere. und hergestellt. Daran entscheidet sich die Zukunft der Kreislaufwirtschaft. Sie kann nur funktionieren, wenn Leute weit oben in der Wertschöpfungskette sagen: «Wir zielen schon bei der Produktentwicklung auf die Nutzung dieser Kreisläufe ab.» Das kann zum Beispiel mit Farbcodes sein, so dass jeder, der ein Gerät auseinandernimmt, weiss: Blau ist Kunststoff, Grün ist Metall . . . Weltwoche: Wo sehen Sie hier die Rolle von Glencore? Sinha: Glencore bereitet seit den 1980er-Jah- ren Metalle aus Elektroschrott auf. Wir gehen dabei sehr verantwortungsvoll vor. Bis heute haben wir mehr als eine Million Tonnen an elektrischer Komponenten und Leiterplatten aus ausgemusterten Geräten verarbeitet und daraus wichtige Metalle gewonnen. Aber Glen- core alleine kann das Problem des Elektro-Ab- falls nicht lösen. Wir müssen mit allen in die- sem Bereich zusammenarbeiten. Es ist nicht die Aufgabe einer einzelnen Firma, das globa- le Abfallproblem oder das Problem des Klima- wandels zu lösen. Und es liegt auch nicht innerhalb ihrer Möglichkeiten. Wir müssen Allianzen schmieden, in der Forschung und Entwicklung zusammenarbeiten. Kein Unter- nehmen kann das alleine bewältigen. Weltwoche: Was bedeutet das konkret? Sinha: Nehmen wir als Beispiel Kupfer, Ko- «Wir müssen Allianzen schmieden»: Glencore-Mann Sinha. balt oder Nickel. Diese Metalle werden für Nachhaltigkeit Nr. 34.21 9 Bild: zVg Glencore
Elektroautos, Solarzellen oder Stromnetze benötigt. Sie sind für den Übergang zu einer Welt mit Netto-null Emissionen zentral. Glen- core ist ein wichtiger Hersteller und Händler dieser Rohstoffe, und wir recyceln sie auch. Wir versuchen, alle Akteure entlang der Wert- schöpfungskette an einen Tisch zu bringen. Wir wollen sie davon überzeugen, dass es sinn- voll ist, die in den Produkten verwendeten Roh- stoffe zu identifizieren und sie wieder in den Markt einzuspeisen. Weltwoche: Gibt es noch andere Mass- nahmen, mit denen Sie das Bewusstsein für Rohstoffkreisläufe stärken möchten? Sinha: Durch unser eigenes Bekenntnis. Wir sind eines der ersten bedeutenden Bergbau- unternehmen, die für das Jahr 2050 ein Netto- Null-Versprechen in Bezug auf die Gesamt- emissionen (Scope 1, 2 und 3) abgegeben haben. Bis 2026 wollen wir unsere Emissionen um 15 Wie Gold: Elektroschrott für die Metallgewinnung. Prozent, bis 2035 um 50 Prozent reduzieren. Und wir haben sieben konkrete Massnahmen aufgezeigt, wie wir dorthin gelangen wollen. Zeitraum etwa 4600 Tonnen Nickel und 2000 Rohstoffe entlang beiden Dimensionen der Eine davon ist Technologie, was in unserem Fall Kobalt rezykliert. Wertschöpfungskette zu verfolgen. Im Rah- vor allem Recyclingtechniken bedeutet. Weltwoche: Ist das viel, anteilsmässig? men dieser Initiativen arbeiten wir sehr eng Weltwoche: Schon heute ist Glencore beim Sinha: Was die prozentuale Verwertungsrate mit den Kunden aus der nachgelagerten Kupfer einer der grössten Recycler weltweit. anbelangt, sind wir recht gut. Wir können bei- Wertschöpfungskette zusammen und mit Sinha: Wir haben mehr als siebzig Jahre nahe jedes bisschen Metall aus dem Elektro- denjenigen, die die Produkte am Ende des Erfahrung im Recyclinggeschäft. Anfangs schrott zurückgewinnen, den wir erhalten. Lebensyklus einsammeln. Über das gesamte war dieses ziemlich kupferlastig: Kupfer Weltwoche: Manche Leute befürchten Eng- Rohstoffspektrum, einschliesslich Kobalt, wer- aus Schrott und aus Abfall. Vor vier Jahrzen- pässe bei der Versorgung mit seltenen Erden den wir weiterhin an Lösungen mitwirken, um und Kobalt für Batterien. Wie sieht es da bei das Einsammeln und das Recycling zu fördern. «Viele Produkte wurden nicht der Rückgewinnung aus? Weltwoche: Zum Schluss: Welche Ent- Sinha: Das Recycling von Batterien ist ein wicklung erwarten Sie in den nächsten zehn mit Blick auf eine einfache grosses Thema. Seltene Erden sind kompliziert. Jahren beim Recycling und in der Kreislauf- Wiederverwertung entwickelt.» Nicht, weil man sie grundsätzlich nicht recyceln wirtschaft? könnte. Aber in einem Durchschnittsprodukt Sinha: Niemand kann in die Zukunft sehen. ten leisteten wir Pionierarbeit bei der Rück- wie einer Antriebsbatterie oder einem Smart- Stand heute, scheint aber einiges ziemlich klar. gewinnung von Metallen aus Elektroschrott. phone misst man ihren Gehalt in Millionsteln. Erstens, viele Erstausrüster werden sich dazu Zeitweise waren wir die weltweit grösste Das ist sehr wenig. Man weiss: Irgendwo sind die bekennen, vermehrt rezyklierte Rohstoffe in Schmelzhütte in diesem Bereich. Und wir ge- Moleküle. Aber kann man sie herausnehmen? ihren Geräten und Produkten zu verwenden. hören nach wie vor zu den grössten. Heute Theoretisch geht das, aber wirtschaftlich be- Zweitens, die Konsumenten werden vermehrt rezyklieren wir vor allem Elektroschrott, trachtet ist es eine Herausforderung. wissen wollen, welcher Anteil der in einem Pro- beispielsweise Handys und Computer. Kein Weltwoche: Und Kobalt, bei dem Glencore dukt enthaltenen Materialien aus rezyklierten Abfallstrom schwillt so rasch an wie jener zu den bedeutendsten Produzenten gehört? Rohstoffen besteht und wie der CO2-Abdruck von elektronischen Abfällen. Es gibt Millio- Sinha: Bei Kobalt ist die Ausgangslage besser. aussieht. Und ich denke, es wird vermehrt Ge- nen Tonnen an E-Schrott, der gar nicht ein- Es ist sehr gut rezyklierbar. Schon heute sind spräche über Rohstoff- und Produktkreisläufe gesammelt wird. Auch hier: kein Problem, das wir einer der grössten Wiederverwerter von geben. In zehn Jahren wird es viele Produkte wir alleine lösen können. Und dann gibt es ja Lithium-Ionen-Batterien in unserer Schmelz- geben, die explizit dafür gestaltet wurden. auch noch die Nickel-Abteilung bei Glencore. hütte im kanadischen Sudbury und in unserer Weltwoche: Was bedeutet das in Zukunft für Sie gehört zu den weltweit bedeutendsten Re- Raffinerie in Nikkelverk, Norwegen. Letztes den Konsumenten? cyclern im Nickel- und Kobalt-Bereich: Schrott Jahr haben wir etwa 2000 Tonnen Kobalt re- Sinha: Ich hoffe, dass es nicht zu einem aus Superlegierungen, Batterie-Materialien, zykliert, das für etwa 200 000 Elektroautos ge- Widerspruch zwischen dem Nutzwert und Beschichtungsresten und verbrauchten Kata- nügt. Die Herausforderung beim Kobalt ist die, der Kreislauffähigkeit der Produkte kom- lysatoren. welche ich vorher erwähnt habe: Wie finden die men wird, dass – im Gegenteil – diese Konzep- Weltwoche: Wie umfangreich sind die Batterien am Ende ihres Betriebs zurück an te ineinanderfliessen. Es wird faszinierende, Recyclingaktivitäten von Glencore? einen Ort, wo sie fachmännisch auseinander- sehr nützliche und attraktive Konsumgüter Sinha: Letztes Jahr haben wir aus Elektro- genommen und die einzelnen Bestandteile re- geben, denn die Technologiefirmen werden und anderem Schrott ungefähr 27 000 Ton- zykliert werden können? Wege finden, um diese mit dem Kreislauf- nen Kupfer wiedergewonnen, gegen 37 000 Weltwoche: Wie liesse sich das lösen? gedanken zu vereinen. Wenn das ohne Opfer Kilogramm Silber und 3700 Kilogramm Gold Sinha: Wir beteiligen uns an mehreren In- bei Funktionalität und Design gelingt, wäre sowie je etwa 140 Kilogramm Platin und Pal- itiativen, einschliesslich Blockchain-Lösun- das eine grosse Errungenschaft. Ich denke, das ladium. Die Nickel-Abteilung hat im selben gen. Deren Ziel ist es, die Verfolgbarkeit der ist möglich. 10 Nachhaltigkeit Nr. 34.21 Bild: zVg Glencore
ESSAY/STEFAN TSCHEPPE Kunst des ökologischen Weinbaus Biologische Weine sind eine Herausforderung. Wer den Aufwand nicht scheut, wird durch spannende Erzeugnisse mit ausgeprägtem Jahrgangsprofil belohnt. U m kleinere Weinbaubetriebe im Segment des fine wine positionieren zu können, be- darf es der Präzision und Perfektion von Her- tive Behandlungsmöglichkeiten als im kon- ventionellen Weinbau zur Verfügung. Für die Qualität des Endprodukts ist dann ent- kunftscharakter, Struktur und Ausdruck des scheidend, inwieweit minderwertiges Trauben- Weines. Um all dies zu erreichen, beschäftigt gut ausgeschieden oder verarbeitet wird. man sich unweigerlich mit der nachhaltigen, Die Rebsorten Chardonnay und Pinot noir schonenden und naturnahen Bewirtschaftung beispielsweise sind anfällig für die bei einigen der Rebberge. Aus unserer Sicht ist dies das grossen Süssweinen und Rieslingen begehrte beste Rezept für höchstmögliche Qualität und Botrytis cinerea (Edelfäule). Durch den Wegfall Charakter – also für spannende Weine, die nicht der systemischen Behandlungen wie im kon- nur im Glas überzeugen, sondern auch eine ventionellen Weinbau gibt es kaum Schutz- Philosophie vermitteln. möglichkeiten. Entscheidend ist hier die Wahl Die heute so grosse Auswahl an chemisch- des richtigen Erntezeitpunktes sowie die ex- synthetischen Pflanzenschutzmitteln und akte Selektionierung der Trauben durch Weg- Düngern erhöhen zwar die Effizienz und schneiden der edelfaulen Teile im Rebberg. Qualitätssicherheit im Weinbau deutlich. Ihr Denn zu hohe Botrytis-Anteile würden die Aro- Einsatz wird aber im Sinne der Nachhaltigkeit matik und den Geschmack gerade dieser beiden kontrovers diskutiert wird. Rebsorten negativ beeinflussen. Mehr Arbeit: Vaduzer Herawingert. Höhere Infektionsgefahr Ein Merkmal von vielen Biologischer Weinbau ist heute nicht nur als eine Wesentlich scheint es, die biologische und natur- Abkehr vom Drang nach Effizienz hin zum Ein- Ökologischer Weinbau bedarf also zusätzlicher nahe Bewirtschaftung nicht als Hauptargument klang mit der Natur zu verstehen. Im Idealfall, Arbeitskräfte, da er sich auf die Stärkung der beim Kauf zu propagieren. Sie sollte eher eines abhängig vom Einsatz und der sensiblen Ein- Pflanzen konzentriert sowie auf Prävention von vielen Qualitätsmerkmalen sein. Die Quali- schätzung der Winzer, ist er auch ein Beitrag zu- statt der Behandlung von Rebkrankheiten wie tät grosser Weine hängt von vielen Faktoren gunsten des Ausdrucks und der Qualität des wer- beispielsweise des Echten und Falschen Mehl- wie Boden, Klima, Jahrgang, Rebalter, Winzer, denden Weins. Im ungünstigeren Fall können taus. Dies erfordert zusätzliche Arbeitsschritte Ausbaustil, Betriebsphilosophie ab. Es ist aller- biologische Methoden aber die Erntemengen vom Rebschnitt bis zur wesentlich intensiveren dings durchaus logisch, Wein auch weiterhin als und vor allem das Geschmacksbild durch etwai- Laubausdünnung zur besseren Durchlüftung Naturprodukt zu positionieren. ges Auftreten von unerwünschten Infektionen der Pflanzen sowie zur Selektion des reifen, In der Hofkellerei des Fürsten von Liechten- an Rebe und Traube beeinträchtigen. Gibt es also zu erntenden Traubenguts. Da biologische stein arbeiten wir motiviert an der biologischen Zielkonflikte zwischen der Qualität des Weins Pflanzenschutzmittel nur oberflächlich und Produktion im Herawingert, mitten im Zen und der Ökologie in der Produktion? nicht wie konventionelle systemisch wirken, trum von Mitteldorf in Vaduz. Über die Richt- Zunächst kommt es darauf an, welches Quali- erfolgt ihr Einsatz eben öfter und zu exakten linien der biologischen Zertifizierung hinaus tätsbild man vor Augen hat. Verfolgt man eine Zeitpunkten, abhängig von der Wetterlage. verwenden wir Einsaaten mit fünfzehn ver- individuelle Stilistik, die durchaus jahrgangs- Engagierte Arbeitskräfte in der Landwirt- schiedenen Pflanzenarten zur Aktivierung spezifische Ausprägungen im Geschmack zu- schaft auf Teilzeitbasis zu finden, ist mitunter der Böden und richten uns in vielen Arbeiten lässt, fallen Jahrgangsschwankungen im öko- schwierig. Durch eine interessante Gestaltung erfolgreich nach den Mondphasen. In Zeiten logischen Weinbau deutlicher aus. Das kann der Arbeit und einen gewissen Erlebnisfaktor ver- von Klimaveränderungen ist die nachhaltige die Weine aber durchaus spannender machen. suchen wir, dem entgegenzuwirken. In Zukunft Bewirtschaftung von Ressourcen aus unserer Die grösste Herausforderung ökologischer wird man die meditative Arbeit im Rebberg viel- Sicht wichtig. Am Ende vertrauen wir aber auf Produktion liegt unserer Erfahrung nach leicht als Sabbatical für einige Tage ansehen. die daraus resultierenden, überzeugenden in der zeitgerechten und korrekten Durch- Werden Massnahmen übersehen oder ver- Argumente auf dem Gaumen. führung aller qualitätsfördernden Arbeiten spätet getroffen, kommt es zu Pilzinfektionen, am Rebberg. Gelingt dies nicht, entsteht in die die Traubenqualität negativ beeinflussen. Stefan Tscheppe leitet seit 2018 die Hofkellerei des der ökologischen Landwirtschaft ein höheres Das kommt in den besten biologischen Be- Fürsten von Vaduz, zu der Weingüter im Fürstentum Risiko fehlerhafter Trauben. trieben vor, und es stehen weit weniger effek- Liechtenstein und in Österreich gehören. Nachhaltigkeit Nr. 34.21 11 Bild: zVg
Duell der Flaschen Die Glasflasche gilt als Inbegriff der ökologischen Verpackung. Dabei erweist sich bei genauem Hinsehen die PET-Flasche in Sachen Umweltfreundlichkeit als überlegen. Florian Schwab W er besonders umweltfreundlich da- stehen will, verpackt Getränke in Glasflaschen. So wird in Bio-Super- märkten die Milch gerne in weissem Glas ver- kauft, dessen äussere Formgebung aus Ur- grossmutters Zeiten stammen könnte. Und in trendigen Hipster-Locations kann man Frucht- säfte vom Take-away mitnehmen, ebenfalls häufig in kleinen Glasflaschen. Es scheint also eine ausgemachte Sache zu sein. Glasflaschen können x-mal wiederver- wendet werden, bevor sie entweder ästhetisch aus dem Rahmen fallen oder in die Brüche gehen. Zudem ist Glas hervorragend recycel- bar. Alte Flaschen können eingeschmolzen und neu in Form gegossen werden. PET: Schlechtes Image Der grösste kommerzielle Konkurrent der Glasflasche ist die Flasche aus Polyethylen- terephthalat (PET), einer Untergattung der Polyester-Kunststoffe. Da viele Kunststoffe, darunter auch PET, aus fossilen Ursprungs- materialien hergestellt werden, haftet der PET-Flasche nicht selten das Image an, weni- ger umweltfreundlich zu sein als eine Mehr- wegflasche aus Glas. Aber stimmt das? Alle zehn Jahre analysiert das Bundesamt für Umwelt (Bafu) in einer gross angelegten Studie die ökologische Bilanz ver- schiedener Verpackungsarten für Getränke. Die letzte Studie stammt aus dem Jahr 2014. Hierfür wurde für sechs Getränkearten (Mineralwasser, Eistee, andere Erfrischungsgetränke, Milch, Wein und Bier) eine sogenannte Lebenszyklus- Analyse in Abhängigkeit von den in der Schweiz realisierten Recyclingquoten angefertigt. Diese Art von Analyse berücksichtigt den ganzen Lebenszyklus des Materials, von der Herstellung (einschliesslich Extraktion der Rohstoffe) bis hin zur endgültigen Entsorgung. Für jede Phase des Lebenszyklus werden verschiedene Umweltwirkungen betrachtet: auf die natürlichen Ökosysteme, das Klima, die Ressourcen und die menschliche Gesund- heit. Die entsprechend gewichteten Werte werden zu Umweltbelastungspunkten zu- sammengezählt. Die PET-Flasche geht mit drei kleinen Start- nachteilen gegenüber der Glasflasche in die Ana- lyse: Erstens besteht sie, wie bereits erwähnt, aus fossilen Rohstoffen. Zweitens ist die Recycling- quote – wir kommen darauf zurück – etwas tie- Lebenszyklus: In der Schweiz werden über 80 Prozent der PET-Flaschen rezykliert. 12 Nachhaltigkeit Nr. 34.21 Bild: Tibo Exe für Caroline Seidler
KW 34/21 TATEN STATT WORTE NR. 111 fer. Laut Bafu-Studie werden 80 Prozent aller PET-Flaschen rezykliert, hingegen 96 Prozent aller Glasflaschen. Und beim PET wird ein ge- TATENDRANG ringerer Anteil des Materials erneut zu Flaschen MACHT BIO LOGISCH. verarbeitet: 30 Prozent im Vergleich zu 80 Pro- zent bei Glasflaschen. Das heisst, ein hoher An- teil von PET-Flaschen wird in anderweitige Sekundärmaterialien umgewandelt. Die Resultate überraschen: In fast allen Ge- tränkekategorien, bei denen sowohl PET- als auch Glasflaschen verwendet werden, schnei- den Erstere deutlich besser ab. Beispiel Frucht- Laut den Autoren erweist sich «das hohe Gewicht» der Glasflasche als «deutlicher Nachteil». säfte in der Einwegverpackung für unterwegs: Die PET-Flasche erreicht unter 100 Umwelt- belastungspunkte, während es bei der Einweg- glasflasche über 300 sind. Interessanterweise ist bereits die Herstellung der Glasflasche deutlich umweltschädlicher. Laut den Autoren liege dies unter anderem daran, dass sich «das hohe Ge- wicht» als «deutlicher Nachteil» erweise, da «die Glasherstellung trotz hohem Rezyklat- anteil relativ energieintensiv ist». Auch bei den beiden Klassikern Mineral- wasser und Süssgetränke sowie beim Bier (wer trinkt Bier aus einer PET-Flasche?) fällt die Ökobilanz der PET-Flasche besser aus als jene der Glasflasche. Unentschieden bei der Milch Die einzige Ausnahme, wo Glas leicht besser da- steht als PET, ist bei der Milch. Der Unterschied ist aber relativ klein. Die Mehrwegglasflasche sammelt etwa 65 Umweltbelastungspunkte, die PET-Flasche deren 70. Auch hier wieder ver- hindert das hohe Gewicht der Glasflasche ein besseres Ergebnis: Die «Distribution sowie der Rücktransport zum Waschen, zusammen mit dem Waschprozess» trügen «wesentlich zur Umweltbelastung» bei. Mit ihren Ergebnissen stehen die vom Bafu beauftragten Forscher nicht alleine da. Ihre Auswertungen kommen zu ähnlichen Schlüs- sen wie andere wissenschaftliche Unter- suchungen im In- und Ausland. Die Öko-Nadel würde noch weiter in Rich- tung PET-Flasche ausschlagen, wenn sie einen höheren Recyclinganteil erreichen würde. Die Schweiz steht hier mit 80 Prozent offiziell etwas Wir sind Bio-Pionierin und weltweite weniger gut da als andere europäische Länder. Bio-Spitzenreiterin mit 4’100 Bio-Produkten, Eine Studie der Hochschule für Technik Rap- davon 2’700 von Naturaplan. perswil hat aber letztes Jahr gezeigt, dass dies teilweise an unterschiedlichen Messmethoden TATEN-STATT-WORTE.CH liegt. Für die Erhöhung des Recyclinganteils empfehlen die Forscher beispielsweise das Nach- sortieren von Abfällen aus öffentlichen Abfall- eimern und die Förderung der «intrinsischen Motivation» der Konsumenten. Nachhaltigkeit Nr. 34.21
ESSAY/HENRIQUE SCHNEIDER Warum Subventionen in die Irre führen Unternehmer schaffen Mehrwert aus der kreativen Verbindung von sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten. Das sollte man dem Markt überlassen. A lle Produkte sind gleich. Alle Preise sind gleich. Unternehmen machen keinen Ge- winn. Das steht in den meisten Lehrbüchern diese Firmen erfolgreich sein. Wenn das nicht der Fall ist, dann machen sie zu. Gerade das ist das unternehmerische Risiko. der ökonomischen Theorie. Diese Sicht ist der- art trüb, dass man schon behaupten könnte: Gegenwette auf den Staat Unternehmer ist, wer es trotzdem wagt. Würde jetzt der Staat einsteigen und diesen Und trotzdem wagen es viele. Gerade in der Unternehmen Gelder überweisen, ihre Ge- Schweiz ist die Anzahl der Unternehmen in schäftsmodelle garantieren oder Regulie- den letzten zehn Jahren um fast 100 000 an- rung aufbauen, um sie zu schützen, wäre das gestiegen. Etwa 600 000 Firmen versuchen täg- schon an sich nicht nachhaltig. Denn wenn lich, die Fehler der Lehrbücher aufzudecken. der Staat Nachhaltigkeit forciert, ist es kein Sie zeigen, dass sich das Unternehmertum Unternehmertum mehr. Und wenn er Geld lohnt. Unternehmer wagen Neues, entwickeln Mehr Gewinn: Einsatz von Lehrlingen. gibt, muss ein anderer bezahlen, was eine neue Produkte und sind erfolgreich dabei. Der Verletzung des sozialen Aspekts der Nach- Schlüssel ist: Sie nehmen Risiken auf sich, in- haltigkeit wäre. dem sie Wetten eingehen. nomische, um aus dieser Verbindung einen Entweder sind Kunden und Partner be- Mehrwert zu generieren. Diesen Mehrwert reit, nachhaltige Produkte zu konsumieren Unternehmertum als Wette nennt man auch Synergie. Es ist dabei am Ge- und sie zu bezahlen, oder sie sind es nicht. Unternehmertum ist nämlich eine kalkulierte schäftsmodell selber, für sich zu definieren, Wenn sie es sind, dann zahlt sich die unter- Wette. Kalkulieren heisst bewerten. Der Unter- was das Soziale, das Ökologische und das Öko- nehmerische Wette auf Nachhaltigkeit aus. nehmer finanziert heute die Produktion eines nomische ist und wie diese Synergien generiert Wenn sie es nicht sind, dann können Unter- Guts, das vielleicht in Zukunft Gewinn abwirft. werden. Wichtig ist: Es geht immer um alle drei nehmer daraus lernen und sich auf andere Ob sich das lohnt, ist eine Frage der unter- Aspekte, und es geht immer um den Mehrwert Chancen konzentrieren. nehmerischen Bewertung der Chancen. Der ihrer Verbindung. Subventionen und Regulierungen stellen Unternehmer versetzt sich auch in die Köpfe Eine Firma, die auf Gewinn verzichtet, um die Gegenwette dar. Sie gehen davon aus, dass der Kunden und Partner. Er überlegt, was sie Lehrlinge auszubilden, ist nicht nachhaltig. nachhaltige Geschäftsmodelle sowieso schei- wollen, wie viel sie davon wollen und was sie zu Denn sie verfolgt nicht alle drei Aspekte und tern und deshalb nicht dem Markt überlassen zahlen bereit sind. Auch das ist eine Bewertung. benützt einen, um einen anderen zu korri- werden können. Wer in Sachen Nachhaltigkeit Diese unsicheren Bewertungen machen jedes gieren. Hingegen: Der Unternehmer, der Ge- auf den Staat setzt, traut den Unternehmern Geschäftsmodell zu einer Wette. Kein Unter- winne steigert, indem er möglichst viele Aus- nichts zu. Je mehr der Staat Nachhaltigkeit re- nehmer kann wissen, was Kunden und Partner zubildende einsetzt, um die Energieeffizienz guliert und subventioniert, desto weniger wird wollen. Es gibt auch keine Erfolgsgarantie für des Unternehmens zu erhöhen, ist nachhaltig. sie zur unternehmerischen Chance. ein Geschäftsmodell. Zwischen Ideenfindung Es ist also gar nicht so einfach, ein nach- Dass sich die Wette auf Nachhaltigkeit lohnt, und Umsetzung kann sich auch alles mehrmals haltiges Geschäftsmodell zu finden. Aber es zeigt aber die Wirklichkeit – insbesondere in ändern. Darauf müssen Unternehmer reagie- gibt sie – insbesondere in der Schweiz. Beispiele der Schweiz. Unternehmen setzten sie als Ge- ren. Unternehmen sind also Wetten auf den Er- dafür sind etwa ein Fintech, das Kunden die schäftsmodell um. Der Schweizer Trumpf folg des eigenen Geschäftsmodells. Gelder aus der dritten Säule in thematischen Berufsbildung oder die geringen Treibhaus- Was hat das alles mit Nachhaltigkeit zu tun? Anlagen im Bereich Soziales und Umwelt in- gasemissionen pro Franken Wertschöpfung be- Um «richtige» Wetten einzugehen, suchen vestieren lässt und Gebührensenkungen legen dies eindrücklich. Unternehmer Chancen. Nachhaltigkeit ist eine weitergibt. Oder etwa die Firma, die gezielt Der Grund, warum Schweizer Unternehmen solche Chance, wenn auch eine besonders an- Mitarbeitende mit «Karriereknicks» rekru- viel nachhaltiger sind als andere, ist auch ein- spruchsvolle. Die Nachhaltigkeit in einem Ge- tiert und aus flüchtigen Gasen in Mülldeponien fach auszumachen: Unternehmer sind frei, schäftsmodell umzusetzen, ist nicht einfach. Strom macht und verkauft. kalkulierte Wetten im Markt einzugehen – in- Gerade deswegen kann sie eine grosse Chance Aus diesen und anderen Beispielen echter klusive Wetten auf Nachhaltigkeit. sein – eine grosse Wette. Nachhaltigkeit bestehen die Geschäftsmodelle Ein nachhaltiges Geschäftsmodell verbindet im Markt. Wenn Kunden und Partner bereit Henrique Schneider ist Vizedirektor das Soziale, das Ökologische und das Öko- sind, für den Mehrwert zu bezahlen, werden des Schweizerischen Gewerbeverbandes. 14 Nachhaltigkeit Nr. 34.21 Bild: Shutterstock
Nachha l t i g k e it ist mir w i c h t i g ES MACHT MICH STOLZ, EINEN UNTERSCHIED MACHEN ZU KÖNNEN. Erfolg verpflichtet, Tradition ebenfalls. Vor 50 Jahren startete die Erfolgs- geschichte von JTI in der Schweiz. Dank dem Einsatz modernster Technologien produzieren wir heute energiesparender und nachhaltiger denn je. Zudem unterstützen wir karitative, kulturelle und ökologische Projekte in der ganzen Schweiz. Seit 1971 – und in Zukunft. WWW.JTI.COM
«Gewerbe nicht zum Akku-Bus zwingen» Ramon Näf führt in zweiter Generation die Naef Group in Freienbach. Er erklärt, warum er auf Nachhaltigkeit setzt und wie er den Fuhrpark seines Unternehmens umstellen will. Florian Schwab D ie Naef Group ist ein Schweizer KMU wie aus dem Bilderbuch: In den letzten Jahrzehnten hat Firmengründer Wer- ner Näf verschiedene Verfahren erfunden, um Trinkwasserleitungen und Bodenheizungen schonend zu sanieren. An die Stelle des herkömmlichen Herausreissens der Leitungen traten Techniken zur Beschichtung von innen. Um diese Technologien herum hat Näf ein Unternehmen mit über sechzig Mitarbeitern erschaffen. Seit über zehn Jahren leitet Werner Näfs Sohn Ramon den Betrieb. Weltwoche: Herr Näf, die Ressourceneffizienz und die Senkung von fossilen Emissionen ist in aller Munde. Welchen Stellenwert haben diese Aspekte bei der Naef Group? Ramon Näf: Das Thema mag momentan be- sonders populär sein. Die Naef Group befasst sich damit aber schon länger – vor Greta und dem ganzen politischen Druck. Im Jahr 2013 haben wir uns entschieden, dass wir nicht nur nachhaltige Sanierungen anbieten, son- dern auch das Denken und Handeln in unse- rem ganzen Management auf Nachhaltigkeit ausrichten wollen. Entsprechend haben wir 2014 die ISO-Zertifizierung 50 001 angepackt mit dem Ziel, uns CO2-neutral aufzustellen. Das war der Startschuss. Weltwoche: Haben es Familienunter- nehmen wie Ihres einfacher als Grossunter- nehmen, sich für ökologische Verbesserungen einzusetzen? Näf: Das kann man nicht so kategorisch sagen. Es ist nicht zu unterschätzen, was die ganzen Zertifizierungen an Aufwand bedeuten. Was die zeitlichen Ressourcen angeht, hat es ein Grosskonzern wohl bedeutend einfacher. Weltwoche: Kleine und mittlere Unter- nehmen werden aber als glaubwürdiger wahr- genommen. Näf: Das ist so. Grossunternehmen polarisie- ren stärker. Viele Leute sagen: Das machen die nur, um gut dazustehen. Weltwoche: Es steht rasch der Vorwurf im Raum, Nachhaltigkeit sei letztlich ein Marketinginstrument. Wie ist das bei Ihnen: Massive Energieeinsparungen: Firmenchef Ramon Näf. 16 Nachhaltigkeit Nr. 34.21 Bild: Naef GROUP
Spielt die Nachhaltigkeit in den Kundenbe- unterschätzen. Dieser Aspekt kommt in der im Stau steht. (Lacht) Nein, es geht um Folgen- ziehungen eine Rolle? Diskussion meistens zu kurz. des: In der politischen Diskussion vergisst Näf: Der normale Einfamilienhausbesitzer in- Weltwoche: Womit wir beim Geschäfts- man, dass ein sehr grosser Teil der KMU auf teressiert sich wenig dafür, ob wir CO2-neutral modell der Naef Group wären: Die von Ihnen die Nutzfahrzeuge angewiesen ist. Und da unterwegs sind oder nicht. Bei der öffentlichen entwickelten Technologien ermöglichen güns- sind akkubetriebene Fahrzeuge oftmals keine Hand spielt es aber durchaus zunehmend eine tigere und ökologischere Sanierungen. Option. Punkt. Dazu kommt noch das Prob- Rolle. Das war für uns aber nicht entscheidend. Näf: Ja, das ist der Kerngedanke bei unse- lem der Zuladung: Weil die Akkus dermassen Weltwoche: Was war es dann? ren Produkten: Die von uns entwickelte Rohr- schwer sind, kann man 30 Prozent weniger Ge- Näf: Nachhaltigkeit hat viel mit Ein- innensanierung für Bodenheizungen und wicht transportieren. Also könnten wir nicht sparungen zu tun, also mit wirtschaftlichem Wasserleitungen spart sehr viele Ressourcen. einmal mehr das ganze Material auf einmal Denken. Wer etwas einspart, hat mehr Geld Der Hauseigentümer muss nicht alles heraus- mitnehmen, sondern müssten zweimal fah- im Kässeli und kann es wieder produktiv ein- reissen, sondern kann es von innen erneuern. ren. Und einen Kompressor-Anhänger können setzen. Wenn wir jährlich Energie einsparen, Das ist viel günstiger als konventionelle Sanie- Sie aus den genannten Gründen auch nicht an sparen wir auch Geld. Der ökonomische Ge- rungen. Von dem her war es für uns eigentlich den e-Crafter andocken. Soll man den dann von danke ist neben dem ökologischen nicht zu logisch, den Gedanken der Nachhaltigkeit auch auf unsere Geschäftsprozesse auszudehnen. «Wasserstoff hat die angenehme Weltwoche: Was bedeutet das konkret? Eigenschaft, dass es nicht eine Womit beschäftigen Sie sich derzeit? Näf: Zwei aktuelle Anliegen sind die Sen- Stunde dauert, bis der Tank voll ist.» kung der Emissionen unserer Nutzfahrzeug- flotte und die ISO-14 001-Zertifizierung. einem Transporteur bringen lassen? Aufgrund Weltwoche: Sprechen wir über Emissionen. dieser Einschränkungen im Arbeitsradius und Wie sieht der Fuhrpark der Naef Group aus? in der Funktionalität sind Akku-Busse für viele Näf: Vermutlich ähnlich wie bei allen Fir- KMU heute schlicht keine Option. men, die gewerblich unterwegs sind. Wir haben Weltwoche: Wie sieht es beim Wasserstoff aus? Busse im Einsatz. Zusätzlich müssen wir die Näf: Vielversprechend. Da laufen schon lange ganze Sanierungsanlage transportieren, das Testläufe mit Lastwagen über viele hundert- heisst wir müssen jedes Mal einen schweren tausend Kilometer. Coop und Migros sind da Dieselkompressor mitnehmen für die Druck- vorne mit dabei. Leider hört und liest man zu luft, mit der wir die Sanierungen durchführen. wenig darüber. Jedes Team ist ausgerüstet mit einem Nutz- Weltwoche: Gibt es denn schon wasserstoff- fahrzeug, also beispielsweise einem VW-Bus, betriebene Nutzfahrzeuge in Ihrer Gewichts- und einem Kompressor. Wir sprechen da von 35 klasse? Bussen und 35 Kompressoren in der Deutsch- Näf: Nein. Derzeit ist noch kein Wasserstoff- schweiz und in der Romandie. Nutzfahrzeug bestellbar. Weltwoche: Und wie wollen Sie die Emis- Weltwoche: Aber Sie sind zuversichtlich, sionen senken? dass das kommt? Näf: Wir wollen weg vom fossilen Antrieb. Näf: Sehr. Man weiss, dass die Japaner und Daher planen wir derzeit einen Pilotversuch Koreaner am Pushen sind. In naher Zukunft, mit Wasserstoffantrieb. hoffentlich bereits nächstes Jahr, werden sol- Weltwoche: Warum nicht mit Elektrofahr- che Fahrzeuge auf dem Markt sein. Aus unserer zeugen? Sicht ist es eine Technologie mit viel Potenzial, Näf: Die Politik scheint davon auszugehen, die in Zukunft im gewerblichen Bereich Ver- dass man die ganze Mobilität auf Akku-Betrieb besserungen bewirken kann. Wasserstoff hat ja umstellen kann. Das mag im privaten Verkehr auch die angenehme Eigenschaft, dass es nicht vielleicht stimmen, nicht aber im gewerblichen. eine halbe oder eine ganze Stunde dauert, bis Wir finden derzeit keinen Bus, der einen unse- der Tank voll ist. Man kann ganz normal tan- rer Kompressoren ziehen kann und eine ver- ken. Und die Reichweite ist sogar noch besser nünftige Reichweite aufweist. Nehmen Sie zum als beim Diesel. Das sind extrem wichtige As- Beispiel den VW e-Crafter: Der kostet dreimal pekte für Gewerbebetriebe. so viel wie ein normaler Diesel – wir reden da Weltwoche: Warum gehen Sie bereits jetzt von 96 000 Franken Bruttoinvestition. Damit in die Offensive? haben Sie eine Reichweite, ungeladen, von 170 Näf: Ein wichtiger Auslöser ist, dass nächstes Kilometern. Wenn wir voll beladen unterwegs Jahr an der Autobahnraststätte Fuchsberg – also sind, dann schaffen wir wohl nicht annähernd sehr nahe bei uns – eine Wasserstofftankstelle ge- so viel. Wie sollen wir in vernünftiger Zeit beim plant ist. Die Elektrizitätswerke Höfe, die ihren Kunden sein, wenn wir schon unterwegs ein- Hauptsitz wie wir in Freienbach haben, werden mal nachladen müssen? nachhaltigen Wasserstoff für diese Tankstelle Weltwoche: Von Ihrem Hauptsitz in Freien- produzieren. Darauf haben wir gewartet. bach SZ kämen Sie höchstens noch nach Glarus Weltwoche: Wie sieht der Zeitablauf aus? oder in die Stadt Zürich und zurück. Näf: Sobald die Fahrzeuge verfügbar sind, Näf: Mit der Stadt Zürich würde es schon wohl nächstes Jahr, werden wir im Rahmen schwierig, weil man da sowieso die ganze Zeit eines Pilotversuchs ein Team mit einem sol- Nachhaltigkeit Nr. 34.21 17
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