Firmen und Banken begrünen die Welt - Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore - Die Weltwoche

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Firmen und Banken begrünen die Welt - Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore - Die Weltwoche
Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore

26. August 2021 – 89. Jahrgang

Firmen und Banken
begrünen die Welt
Zur ökologischen Kraft des Unternehmertums
Firmen und Banken begrünen die Welt - Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore - Die Weltwoche
Firmen und Banken begrünen die Welt - Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore - Die Weltwoche
INTERN                                                                                                                                             INHALT
Ein Hoch                                                                                                                                            3 Intern
                                                                                                                                                    4 Alex Baur
auf die Banken                                                                                                                                     		 Kernenergie für das Klima
                                                                                                                                                    6 Trend-Marke On Running
                                                                                                                                                   		 Ein Schuh läuft im Kreis
                                                                                                                                                    8 «Allianzen schmieden»
                                                                                                                                                   		 Glencore-Manager Kunal Sinha
                                                                                                                                                   		 über die Kreislaufwirtschaft
                                                                                                                                                   11 Stefan Tscheppe
                                                                                                                                                   		 Die Kunst des ökologischen
                                                                                                                                                   		Weinbaus
                                                                                                                                                   12 Duell der Flaschen
                                                                                                                                                   		 Ist PET oder Glas umwelt-
Blockade der Grossbanken, Demonstrationen                                                                                                          		freundlicher?
und Protestkundgebungen: In letzter Zeit
wird das Epizentrum des Schweizer Finanz-                                                                                                          14 Henrique Schneider
platzes immer wieder zum Schauplatz ideo-                                                                                                          		 «Nachhaltigkeit muss sich lohnen»
logischer Auseinandersetzungen. Radikale                                                                                                           16 «Gewerbe nicht zum ­
Klimaaktivisten haben den Eindruck, die Ban-                                                                                                       		 Akku-Bus zwingen»
ken täten nicht genug gegen den Klimawandel.                                                                                                       		 Unternehmer Ramon Näf
Das Cover dieser Spezialausgabe zeigt eine an-
                                                                                                                                                   19 Importierte Belastung
dere Seite auf: Inmitten des Paradeplatzes be-
                                                                                                                                                   		 Sind Parallelimporte schädlich?
laden sich zwei Banker Atlas-gleich mit dem
Gewicht des Planeten, in diesem Fall mit dem                                                                                                       21 Jörg Gasser
ökologischen.                                                                                                                                      		 Warum Schweizer Banken auf
  Wer sich unter Schweizer Finanzspezialisten                                                                                                      		 Nachhaltigkeit setzen
umhört, kommt derzeit nicht um den Be-                                                                                                             22 Wohltäter in Nadelstreifen
griff der Nachhaltigkeit herum. Er ist in aller                                                                                                    		 Boom der nachhaltigen
Munde. Offiziell propagiert von der Bankier-                             Schauplatz ideologischer Kämpfe:                                          		 Geldanlage
vereinigung und den Behörden in Bern, um-                                Paradeplatz.
                                                                                                                                                   24 Praxis-Guide ESG-Investments
gesetzt durch zahlreiche Finanzinstitute in
                                                                                                                                                   		 Begriffe, Strategien, Produkte
ihren Strategien, Geschäftsmodellen und An-
lageprodukten. Der Bankenplatz wittert hier                         die Argumente beider Seiten zu Wort. Für In-                                   26 Bankier des reinen Gewissens
neue Wettbewerbsvorteile.                                           vestoren leuchten wir die interessante Szene                                   		 Reto Ringgers Globalance Bank
  Der Vorwurf also, die Banken gingen nicht                         der nachhaltigen Finanzprodukte aus.                                           		 im Hoch
sensibel genug mit dem Klimawandel um, zielt                                                                                                       28 Andreas Beck und Thorsten Hens
also ins Leere. Wenn schon, dann ist eher das                       Dieses Nachhaltigkeits-Spezial erscheint anläss-                               		 Der schöne Schein
Gegenteil richtig: Die Bankiers vergessen ob all                    lich des Swiss Green Economy Symposium,                                        		 des guten Geldes
der ökologischen Hypermoral ihre eigentlichen                       das nächste Woche in Winterthur stattfindet.
                                                                                                                                                   30 «Kunden begrüssen
Aufgaben. Die Vermehrung der Kundengelder,                          Es versteht sich als Plädoyer für die positive
                                                                                                                                                   		 den Wechsel»
beispielsweise. Oder die Versorgung von Unter-                      Kraft des Unternehmertums für Mensch und
nehmen mit Krediten, selbst wenn diese keine                        Umwelt. Die Weltwoche dankt den Anzeigen-                                      		 Fabio Pellizzari über die
Klima-Musterschüler sein sollten.                                   kunden und weiteren Partnern, die dies er-                                     		 nachhaltige Revolution bei
  Der interessanten Frage, ob die Banken sogar                      möglicht haben: Glencore in Baar und der Naef                                  		 Swisscanto Invest
zu viel tun in Sachen Klimawandel, gehen wir                        Group in Freienbach. Wir wünschen eine an-                                     32 Bring Your Own House
im Themenschwerpunkt «Nachhaltige Geld-                             regende Lektüre.                                                               		 Ruhe und Erholung auf dem
anlage» nach (Seite 20–31). Darin kommen                                                              Ihre Weltwoche                               		 Campingplatz

IMPRESSUM
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Nachhaltigkeit Nr. 34.21                                                                                                                                                                3
Cover: Nicolás Aznárez; Bild: Ennio Leanza / Keystone
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Kernenergie fürs Klima
Mit der Sorge um den Klimawandel
wird die weitgehend emissionsfreie Kernenergie
zur umweltfreundlichen Alternative.
Alex Baur

D
         ie Kernenergie war schon immer Teil       neuer Technologien, für die auch der amtieren-
         der Empfehlungen des Weltklimarats        de Präsident Joe Biden Sympathie bekundet.
         (IPCC) zur Reduktion von CO2-Emis-           Die Euphorie um die «neuen Erneuerbaren»
sionen. Nur hängte er das nie an die grosse        wird getragen von der Sehnsucht nach einer
Glocke. Der IPCC nimmt damit Rücksicht auf         Versöhnung mit der Natur. Dabei gingen die
die Befindlichkeit eines Teils der grünen Be-      physikalisch begründeten Nachteile vergessen,
wegungen, welcher die Kernspaltung grund-          die keine Technologie aus der Welt schaffen
sätzlich ablehnt. So sorgte 2019 Greta Thun-       kann. Auch die Produktion von Biotreibstoff,
berg mit der Forderung, die CO2-Schleudern         Solar- oder Windstrom geht auf Kosten der
durch Atomkraftwerke zu ersetzen, für helles       Natur. Der Verschleiss an Ressourcen (Acker-
Entsetzen bei den deutschen Grünen.                fläche, Rohstoffe, Aufwand für Unterhalt etc.)
  Die Ikone der Klimastreikenden relativier-       ist gigantisch, gemessen am Ertrag. Zudem lie-
te ihre Aussage darauf bis zur Unkenntlich-        fern Sonne und Wind den Strom selten dann,
keit und schweigt seither eisern zum Thema.        wenn man ihn braucht. Auch die Speicherung
Doch das ändert nichts an den Fakten: Rund ein     verschlingt, soweit sie überhaupt möglich ist,
Viertel der weltweiten CO2-Emissionen werden       gigantische Ressourcen und lässt die Preise erst
durch die Stromerzeugung verursacht – und          recht explodieren.
mit Wind, Biomasse und Sonne allein lässt sich        Weltweit hält die Mehrheit der Länder an
der Bedarf nicht decken, zumal der Anteil von      der Option Kernenergie fest. Federführend
Strom am Gesamtenergiemix noch steigen soll.       sind Russland und vor allem China. Das Reich                Weltweit hält die Mehrheit der Länder an
Die emissionsfreie Kernenergie drängt sich als     der Mitte hat seine nukleare Stromproduktion
Alternative geradewegs auf.                        in den letzten zehn Jahren verfünffacht, von 7
                                                   auf 35 Terawattstunden. Damit sind zwar erst         den Bau der Reaktoren zu verschleppen und
Spitzenplatz für AKW                               rund fünf Prozent des Strombedarfs gedeckt.          zu verteuern. Dass dies nicht so sein muss, hat
Unter Berücksichtigung der «grauen Energie»                                                             Frankreich in den 1970er Jahren demonstriert.
– also jener Energie, die aufgewendet werden       Zudem liefern Sonne und Wind                         Nach dem Ölschock stellte die Grande Nation
muss, um ein Kraftwerk zu bauen, in Betrieb                                                             innerhalb von fünfzehn Jahren drei Viertel
                                                   den Strom selten dann,
zu halten und wieder abzubauen – verursacht                                                             ihrer Stromproduktion auf Kernkraft um.
die Kernenergie pro Kilowattstunde weniger         wenn man ihn braucht.                                  Die Hindernisse der Kernenergie sind vor
CO2-Emissionen als Biomasse-, Wind- oder                                                                allem politischer und religiöser Natur. Viele
Solarkraftwerke. Nur grosse Wasserkraftwerke       Doch China will diesen Wert in den nächsten          Ängste erweisen sich bei genauem Hinschauen
sind noch eine Spur klimafreundlicher. Der         fünfzehn Jahren noch einmal vervierfachen. Mit       als unbegründet. So wurde etwa beim GAU in
Schlüssel dazu liegt in der fast unvorstellbaren   Hualong One ging im letzten Januar erstmals          den drei Kernkraftwerken von Fukushima kein
Energiedichte des Brennstoffes. Ein Kubik-         ein topmoderner Druckwasserreaktor der Ge-           einziger Mensch getötet oder auch nur ernst-
meter Uran reicht aus, um ein durchschnitt-        neration III+ ans Netz, den China in Eigenregie      haft verletzt. Die Kernschmelze in den ältesten
liches AKW wie das von Gösgen oder Leibstadt       entwickelt und hergestellt hat. Solche Anlagen       Kernkraftwerken Japans, deren Abschaltung
ein Jahr lang zu betreiben.                        werden zwar auch in Europa hergestellt. Doch         ohnehin bevorstand, führte zwar zu einem
   Die kategorische Ablehnung der Kernenergie      die Chinesen rechnen mit einem Viertel der Kos-      gigantischen Sachschaden. Doch sie wäre in
konzentriert sich allerdings vor allem auf den     ten (rund 2,5 Milliarden Dollar) bei einer viermal   einem modernen AKW gar nicht mehr möglich.
deutschsprachigen Raum. Etwa in Skandina-          schnelleren Bauzeit (zweieinhalb Jahre).               Ins Reich der falschen Mythen gehört auch
vien, Grossbritannien, Frankreich oder Ost-          China widerlegt damit die Behauptung, die          das Argument, ein Kernkraftwerk liesse sich
europa gilt Atomstrom auch unter linken und        Kernenergie sei zu teuer und die Planung der         nicht versichern. Dasselbe trifft auch für jede
grünen Kreisen als valable Alternative zu den      Anlagen sei zu langwierig. Der Grund liegt           Staumauer zu, die ein höheres Schadens-
fossilen CO2-Schleudern. Namentlich in den         vor allem in der Serienproduktion. China ex-         potenzial in sich birgt. Es hängt damit zu-
USA setzt ein ernstzunehmender Teil der Öko-       portiert seine AKW schlüsselfertig. In Euro-         sammen, dass es in Anbetracht der extrem ge-
bewegung voll auf Kernenergie. Bill Gates in-      pa ist es den Kernkraftgegnern derweil ge-           ringen Wahrscheinlichkeit eines extrem hohen
vestiert Millionenbeträge in die Entwicklung       lungen, mit Rekursen und surrealen Auflagen          Schadens schlicht am vernünftigsten ist, das

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Firmen und Banken begrünen die Welt - Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore - Die Weltwoche
der nuklearen Option fest.

Restrisiko auf alle Bürger zu verteilen, die auch   erbringen, dank einer Serienproduktion aber         blei- und Flüssigsalzreaktoren oder eine Kom-
gemeinsam von der Kernenergie profitieren.          günstiger und schnell gebaut werden könnten.        bination von beidem. Weil diese Meiler kei-
  Auch das Problem der insgesamt sehr ge-           Eine Option sind auch kleinere nukleare Heiz-       nen eigentlichen Reaktorkern mehr haben,
ringen Mengen an hochstrahlenden Abfällen           reaktoren zur Erzeugung von Fernwärme in            ist eine Kernschmelze physikalisch gar nicht
wird masslos aufgebauscht. Anders als kon-          grösseren Agglomerationen. Da die Anlagen           mehr möglich.
ventionelle Gifte, die wir in ungleich grösse-      auf einer relativ niedrigen Temperatur fah-           Varianten dieser Brütertechnologie wur-
ren Mengen entsorgen, lassen sich strahlende        ren, geht von ihnen kein grösseres Gefahren-        den in den Anlagen von Kalkar (Deutsch-
Abfälle mit einem Geigerzähler einfach orten        potenzial aus als von einer beliebigen fossil be-   land) und Creys-Malville (Frankreich) bereits
                                                    triebenen Anlage – nur dass sie den Abfall eben     erfolgreich getestet. Dass die Projekte in Euro-
Gearbeitet wird an sicheren                         in einem Containment zurückhalten, statt die-       pa aufgegeben wurden, ist einzig und allein
                                                    sen in die Atmosphäre zu pusten. Diese Kern-        politisch begründet. China hat das deutsche
Kleinreaktoren, die günstiger und
                                                    kraftwerke sind auch besser steuerbar als ältere    Know-how aufgekauft und entwickelt dieses
schneller gebaut werden können.                     Modelle, so dass die Produktion der Nachfrage       heute an eigenen Versuchsreaktoren weiter.
                                                    angepasst werden kann.                              Auch Rosatom betreibt in Belojarsk mehrere
und kontrollieren. Vor allem aber sind diese                                                            kommerzielle Brutreaktoren.
vermeintlichen Abfälle der Brennstoff für die       Neue Brutreaktoren                                    Der 820-Megawatt-Reaktor Belojarsk 4 ging
Kernkraftwerke der Zukunft.                         Das grösste Zukunftspotenzial steckt aller-         2016 ans russische Netz und liefert seither zuver-
  Anders als bei den neuen Erneuerbaren, die        dings in den sogenannten Brutreaktoren, wel-        lässig Strom. 2025 wollen die Russen mit dem
seit Urzeiten vom Menschen genutzt werden           che auch Abfälle aus konventionellen AKW            Bau eines fünften Brutreaktors beginnen, der
und deren Effizienz weitgehend ausgereizt ist       verbrennen können, den Brennstoff um ein            mit einer Leistung von 1200 Megawatt 2030 ans
und bestenfalls noch ein wenig optimiert wer-       Vielfaches besser nutzen und kaum noch lang-        Netz gehen soll. Die Brütertechnologie hat sich
den kann, steht die Kernenergie erst am Anfang      strahlende Rückstände hinterlassen. Diese Re-       in der Praxis hervorragend bewährt, ist zurzeit
ihrer Entwicklung. Gearbeitet wird zurzeit          aktoren können sogar mit den Resten von ein-        einfach noch zu teuer. Aber auch das könnte sich
an inhärent sicheren Kleinreaktoren, die zwar       gemotteten Atomwaffen betrieben werden.             schon bald ändern, falls man wirklich aus dem
nur knapp die Leistung des AKW Mühleberg            Mögliche Varianten sind zum Beispiel Flüssig-       fossilen Zeitalter aussteigen will.
Nachhaltigkeit Nr. 34.21                                                                                                                                5
Bild: Michael Rosskothen/Adobe Stock
Firmen und Banken begrünen die Welt - Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore - Die Weltwoche
Ein Schuh läuft im Kreis
Bald lanciert die Schweizer Trendmarke On eine Weltneuheit:
den Sportschuh im Abonnement, der keinen Abfall produzieren soll.
Roman Zeller

Ö
         ko-Sneakers spriessen gerade nur so aus                                                     Die Frage lautete: Wie kann ein Laufschuh her-
         dem Boden. Mittlerweile läuft prak-                                                         gestellt werden, der in einem vollständigen
         tisch alles, was für den gedämpften                                                         Kreislauf zirkuliert – von On, als Herstel-
Gang über den Asphalt erworben werden kann,                                                          ler, zum Konsumenten und wieder zurück.
unter dem Gütesiegel der Nachhaltigkeit.                                                             Dafür seien verschiedene Szenarien in Frage
   Wie zum Beispiel Veja, die schlichten Turn-                                                       gekommen, wie Stimac sagt. Von einer Busse,
schuhe in Weiss, mit dem charakteristischen V                                                        wenn jemand den ausgelatschten Treter nicht
auf der Seite. Der Brand schmückt sich mit dem                                                       zurückbringt, wollte man absehen. Das Glei-
Schlagwort «vegan». Das heisst, wer Veja trägt,                                                      che gelte für eine Art Depot. «Wir wollten mit
weiss, dass nur biologisch angebaute Baum-                                                           dem Konsumenten zusammenarbeiten und ihn
wolle verwendet wurde, dazu ökologischer                                                             nicht erziehen.»
Naturkautschuk – aus dem Amazonasgebiet,                                                               Daher liess sich On inspirieren von abonnier-
wo die Arbeitsbedingungen «fair» gewesen                                                             ten Onlinediensten wie Netflix oder Spotify.
seien und das fertige Produkt in Recycling-                                                          Diese «Abo-Idee», wie Vesna Stimac es nennt,
kartons verschifft wurde.                                                                            habe On umsetzen wollen.
   Nicht nur in den urbanen Zentren sind die                                                           Mit Cyclon, so heisst der Laufschuh, kommt
Öko-Sneakers Kult. Sogar Herzogin Meghan                                                             nächstes Jahr eine Art Abo-Schuh auf den
liess sich damit ablichten, als erste Royal in                                                       Markt. Stimac spricht bei der Idee von einer
Turnschuhen überhaupt.                                                                               neuen Form der Kreislaufwirtschaft, an die sich
                                                                                                     noch kein Hersteller aus der Laufschuhbranche
Zehn Vollzeitstellen                                                                                 herangetraut habe.
Ist diese Nachhaltigkeit an den Füssen alles nur
PR? Ein Werbegag? Das Schweizer Start-up, das                                                        Aus der Rizinusbohne
sich seit 2010 unter tatkräftiger Mithilfe von        5000 Abos: Investor Federer.                   Aus der Rizinusbohne, die beim Anbau wenig
Co-Investor Roger Federer zu einem ernstzu-                                                          Wasser braucht und sich nicht zum Verzehr eig-
nehmenden Konkurrenten der beiden Sport-                                                             net, soll Öl fürs Material gewonnen werden,
giganten Nike und Adidas entwickelt hat, ge-       ren Sneaker-Brands auf den Zug aufsprangen.       woraus der Laufschuh schliesslich entsteht.
hört zwar auch zu den Werbemeistern seines           Vor einigen Jahren begann die Firma dann,         Sobald der Konsument den Schuh nicht mehr
Fachs. Der Nachhaltigkeit hat es sich aber be-     die Nachhaltigkeit professionell und ganz-        gebraucht, kann er an On abgegeben werden.
reits zum Gründungszeitpunkt verschrieben.         heitlich anzugehen. Dem Vernehmen nach            Der Hersteller schreddert ihn, produziert aus
                                                   sind dem Thema heute zehn Vollzeitstellen         dem eingestampften Material neue Produkte
«Wir wollten mit dem                               gewidmet. Die zentrale Frage dabei: Wie re-       und schickt dem Kunden nahtlos sein Ersatz-
                                                   sultiert ein grösstmöglicher Impact fürs Klima?   paar zu. So schliesst sich der Kreislauf.
Konsumenten zusammenarbeiten
                                                     Schnell sei klargeworden, so Stimac: Der          Weil Erfahrungswerte fehlen, vergleicht Sti-
und ihn nicht erziehen.»                           Fokus muss auf dem Material liegen. Rund          mac das Konzept mit einem «Sprung ins kalte
                                                   80 Prozent der Gesamtemissionen gehen auf         Wasser». Trotzdem ist sie von der Idee über-
Die Grundzüge des Businessplans legten die         die verwendeten Materialien zurück.               zeugt: In Amerika seien bereits die nötigen
drei Gründer nämlich auf einer Wanderung im          Zwar verwendete On schon immer nur Ma-          5000 Cyclon-Reservationen eingegangen. So
Engadin fest, unter dem Eindruck der zurück-       terialien, die beim Endprodukt eine Funktion      viel brauche es pro Region, um das Projekt loh-
gehenden Gletscher. Zwei der drei Gründer          erfüllen. Reine Verzierung ist ein No-Go, eine    nend zu realisieren. In Europa sei man auf bes-
leben noch immer in abgelegenen, naturnahen        Verschwendung. Nun, resümiert Stimac, man         tem Weg.
Gebieten – Caspar Coppetti etwa ist heimisch       könne zwar einen rezyklierbaren Schuh aus           Wie sich das Ganze entwickelt, sei ungewiss.
im Wenige-hundert Seelen-Dorf La Punt Cha-         natürlichen und biologischen Materialien her-     Sollte das Projekt funktionieren und der Kunde
mues-ch zwischen St. Moritz und Zernez.            stellen, er lande irgendwann aber trotz allem     freiwillig sein altes gegen ein neues Paar tau-
  Das Ziel von On, erklärt Sprecherin Vesna        im Abfall. Das heisst: «Wir wollten einen zero    schen, würde erstmals ein zero waste-Schuh im
Stimac, sei immer die nachhaltige Schuh-           waste shoe, um Abfall möglichst ganz zu ver-      wahrsten Sinne des Wortes in den Umlauf kom-
produktion gewesen – noch bevor die ande-          meiden.»                                          men. Es wäre ein richtiger Öko-Schuh.

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                                                                                                                                                Bild: zVg
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Firmen und Banken begrünen die Welt - Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore - Die Weltwoche
«Wir müssen Allianzen schmieden»
Glencore ist ein Pionier in der Wiederverwertung von Kupfer, Kobalt, Blei und Zink.
Die nächste grosse Chance liege in der Kreislaufwirtschaft, sagt Recycling-Manager Kunal Sinha.
Florian Schwab

Ineinanderfliessende Konzepte: Nickel-Schmelzhütte von Glencore in Sudbury, Kanada.

S
      eit mehr als zehn Jahren arbeitet er für   Weltwoche: Herr Sinha, beginnen wir mit dem      grossartig, unsere Fähigkeiten im Rohstoff-
      Glencore: Von den USA aus leitet Kunal     Persönlichen: Sie haben vor über zehn Jahren     handel für etwas wie das Recyclinggeschäft
      Sinha weltweit die kommerzielle Seite      bei Glencore als Rohstoffhändler angefangen.     einzusetzen.
von Glencores Recycling-Business im Kupfer-      Heute widmen Sie sich ganz dem Recycling.          Weltwoche: Ihre Karriere begann als Händler
und Elektronikbereich. Ursprünglich war er       Eine ziemliche Entwicklung!                      für Zink- und Kupferkonzentrate. Wie kamen
Rohstoffhändler, mittlerweile ist er einer der      Kunal Sinha: Die ökologischen, sozialen       Sie von dort zum Nachhaltigkeitsthema?
wichtigsten Nachhaltigkeitsmanager des Roh-      und Governance-Aspekte (ESG) der Geschäfts-        Sinha: Als Glencore mit Xstrata fusionier-
stoffunternehmens. Sein Team rezykliert jedes    welt haben mich immer interessiert. Im Kern      te, brauchte es Leute, die die verschiedenen
Jahr etwa 27 000 bis 30 000 Tonnen Kupfer aus    liebe ich den Rohstoffhandel, aber viele Leute   Bestandteile zusammenführen konnten. Ich
Quellen wie beispielsweise Elektroschrott.       fragen einen: «Nun gut, aber in der heutigen     wurde für die Aufgabe ausgewählt, mich um
Die Weltwoche führte mit Kunal Sinha ein aus-    Welt – was bedeutet einem der Rohstoffhandel,    die Integration der früheren Xstrata-Tochter
gedehntes Video-Telefonat.                       welchen Lebenszweck vermittelt er?» Da ist es    Norfalco in Kanada zu kümmern. Diese kana-

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                                                                                                                                    Bild: zVg Glencore
Firmen und Banken begrünen die Welt - Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore - Die Weltwoche
dische Gesellschaft hatte ein Geschäftsmodell,      Gewinn abwirft, dann hat es etwas sich selbst       Weltwoche: Heute sprechen alle von der Kreis-
das sich stark von jenem unterschied, das wir       Bewahrheitendes. Man hängt nicht von frem-          laufwirtschaft. Inwiefern unterscheidet sich
traditionellerweise bei Glencore kannten. Es        den Geldgebern ab, um es aufrechtzuerhalten.        diese von einfachem Recycling?
handelt sich um ein Unternehmen, das Neben-         Das ist eine perfekte Verbindung.                      Sinha: Es ist ein relativ neuer Begriff, aber ein
produkte aus dem Bergbau und aus der Metall-          Weltwoche: Was ist also neu am heutigen           sehr eingängiger. Ich mag ihn. Je mehr Leute
gewinnung verwaltet.                                Recyclingtrend?                                     ihn benutzen, desto mehr Sinn ergibt er. Das
  Weltwoche: Wie ging es dann weiter in               Sinha: Die Akteure und Rohstoffe ändern           Gegenteil von kreisförmig ist linear. Lineares
Ihrem Werdegang?                                    sich dauernd: Wer betreibt das Recycling? Was       Wirtschaften bedeutet: Am Ende seines Ge-
  Sinha: Ich suchte nach einer neuen Heraus-        wird überhaupt recycelt? Heute beobachten wir       brauchs wird ein Produkt einfach entsorgt.
forderung und fragte meine Mentoren: «Gibt          ein zunehmendes Bewusstsein, dass eine Firma,       Kein Mensch interessiert sich mehr dafür. Re-
es sonst noch etwas, was ich tun kann?» So          die ein Gut auf den Markt bringt, auch für das      cycling ist, wenn es jemand aufliest und sagt:
kam ich zu meiner heutigen Aufgabe, dem Re­         Einsammeln beziehungsweise die Wiederver-           «Darin hat es etwas, das ist für mich wie Gold!»
cycling.                                            wertung verantwortlich ist. In der Vergangen-       Aber das bleibt ziemlich linear. Im Gegensatz
  Weltwoche: Sprechen wir über die all-             heit gab es das zwar auch, aber es war eher vom     dazu heisst Kreislaufwirtschaft, dass wir uns
gemeinen Aspekte des Recyclings und Up­             Gesetzgeber angetrieben. Mittlerweile be-           aktiv für Mechanismen einsetzen, die auf die
cyclings, bevor wir auf die Tätigkeiten von         obachte ich eine deutliche Weiterentwicklung        möglichst vollständige Wiederverwertung
Glencore zu sprechen kommen. Für Wirtschafts-                                                           abzielen: Wenn das Produkt sein Lebensende
betriebe besteht ein natürlicher Anreiz, Roh-       «Wenn ein Geschäft Gewinn                           erreicht hat, nehme ich es zurück, baue es
stoffe wiederzuverwerten oder aufzuwerten.                                                              komplett auseinander und schaue, welchen Be-
                                                    ­abwirft, dann hat es etwas
  Sinha: In der Tat, es ist eine alte Handels-                                                          standteilen wir ein zweites, drittes oder viertes
technik, eine alte Kunst. Und sie wurde stets        sich selbst Bewahrheitendes.»                      Leben ermöglichen können. Ich versuche also,
vorangetrieben von Leuten, die in ihrem Be-                                                             mit möglichst vielen Rohstoffen wieder dort
reich sehr gut waren. Leute, die sich sagten: «Es   dieses Bewusstseins. Man macht es nicht nur,        anzudocken, wo die ursprünglichen Hersteller
gibt hier Abfall, und keiner erkennt seinen Wert.   weil es Teil der gesetzlichen Pflichten ist, son-   ihre Ausgangsprodukte beziehen.
Ich schon.» Das ist natürlich in vieler Hinsicht    dern auch, weil es wirklich sinnvoll ist.              Weltwoche: Vom Prinzip her tönt das einfach.
positiv: Es ist gut für die Umwelt, es hilft dem      Weltwoche: Warum sagen viele Unter-                  Sinha: Es ist nicht einfach. Es bedeutet
Angebot und der Nachfrage. Im Kern ist es sehr      nehmer: Jawohl, das ist sinnvoll?                   harte Arbeit. Nehmen wir ein handelsübliches
marktwirtschaftlich. Persönlich bin ich der Mei-      Sinha: Weil es die Konsumenten verlangen,         Smartphone aus Glas, Metallen und anderen
nung, dass unter allen Geschäftsmodellen mit        und weil es ein gutes Geschäft ist – sowohl in      Materialien. Ich kann jemanden darum bitten,
positiven Auswirkungen auf Umwelt und Sozia-        Sachen Profitabilität als auch bei der Reduktion    es zu rezyklieren. Aber das wird ein Albtraum.
les jene am erfolgreichsten sind – gerade auch in   des ökologischen Fussabdrucks eines Unter-          Viele Produkte wurden nicht mit Blick auf
ihren ökologischen und sozialen Verdiensten –,      nehmens. Von Letzterem erwarten auch die In-        eine einfache Wiederverwertung entwickelt
die profitabel sind. Wenn ein Geschäft nämlich      vestoren, dass man ihn verbessere.                  und hergestellt. Daran entscheidet sich die
                                                                                                        Zukunft der Kreislaufwirtschaft. Sie kann
                                                                                                        nur funktionieren, wenn Leute weit oben in
                                                                                                        der Wertschöpfungskette sagen: «Wir zielen
                                                                                                        schon bei der Produktentwicklung auf die
                                                                                                        Nutzung dieser Kreisläufe ab.» Das kann zum
                                                                                                        Beispiel mit Farbcodes sein, so dass jeder, der
                                                                                                        ein Gerät auseinandernimmt, weiss: Blau ist
                                                                                                        Kunststoff, Grün ist Metall . . .
                                                                                                           Weltwoche: Wo sehen Sie hier die Rolle von
                                                                                                        Glencore?
                                                                                                           Sinha: Glencore bereitet seit den 1980er-Jah-
                                                                                                        ren Metalle aus Elektroschrott auf. Wir gehen
                                                                                                        dabei sehr verantwortungsvoll vor. Bis heute
                                                                                                        haben wir mehr als eine Million Tonnen an
                                                                                                        elektrischer Komponenten und Leiterplatten
                                                                                                        aus ausgemusterten Geräten verarbeitet und
                                                                                                        daraus wichtige Metalle gewonnen. Aber Glen-
                                                                                                        core alleine kann das Problem des Elektro-Ab-
                                                                                                        falls nicht lösen. Wir müssen mit allen in die-
                                                                                                        sem Bereich zusammenarbeiten. Es ist nicht
                                                                                                        die Aufgabe einer einzelnen Firma, das globa-
                                                                                                        le Abfallproblem oder das Problem des Klima-
                                                                                                        wandels zu lösen. Und es liegt auch nicht
                                                                                                        innerhalb ihrer Möglichkeiten. Wir müssen
                                                                                                        Allianzen schmieden, in der Forschung und
                                                                                                        Entwicklung zusammenarbeiten. Kein Unter-
                                                                                                        nehmen kann das alleine bewältigen.
                                                                                                           Weltwoche: Was bedeutet das konkret?
                                                                                                           Sinha: Nehmen wir als Beispiel Kupfer, Ko-
«Wir müssen Allianzen schmieden»: Glencore-Mann Sinha.                                                  balt oder Nickel. Diese Metalle werden für
Nachhaltigkeit Nr. 34.21                                                                                                                                  9
Bild: zVg Glencore
Firmen und Banken begrünen die Welt - Nachhaltige Geldanlage, On Running, Recycling mit Glencore - Die Weltwoche
Elektroautos, Solarzellen oder Stromnetze
benötigt. Sie sind für den Übergang zu einer
Welt mit Netto-null Emissionen zentral. Glen-
core ist ein wichtiger Hersteller und Händler
dieser Rohstoffe, und wir recyceln sie auch.
Wir versuchen, alle Akteure entlang der Wert-
schöpfungskette an einen Tisch zu bringen.
Wir wollen sie davon überzeugen, dass es sinn-
voll ist, die in den Produkten verwendeten Roh-
stoffe zu identifizieren und sie wieder in den
Markt einzuspeisen.
  Weltwoche: Gibt es noch andere Mass-
nahmen, mit denen Sie das Bewusstsein für
Rohstoffkreisläufe stärken möchten?
  Sinha: Durch unser eigenes Bekenntnis. Wir
sind eines der ersten bedeutenden Bergbau-
unternehmen, die für das Jahr 2050 ein Netto-
Null-Versprechen in Bezug auf die Gesamt-
emissionen (Scope 1, 2 und 3) abgegeben haben.
Bis 2026 wollen wir unsere Emissionen um 15          Wie Gold: Elektroschrott für die Metallgewinnung.
Prozent, bis 2035 um 50 Prozent reduzieren.
Und wir haben sieben konkrete Massnahmen
aufgezeigt, wie wir dorthin gelangen wollen.      Zeitraum etwa 4600 Tonnen Nickel und 2000           Rohstoffe entlang beiden Dimensionen der
Eine davon ist Technologie, was in unserem Fall   Kobalt rezykliert.                                  Wertschöpfungskette zu verfolgen. Im Rah-
vor allem Recyclingtechniken bedeutet.               Weltwoche: Ist das viel, anteilsmässig?          men dieser Initiativen arbeiten wir sehr eng
  Weltwoche: Schon heute ist Glencore beim           Sinha: Was die prozentuale Verwertungsrate       mit den Kunden aus der nachgelagerten
Kupfer einer der grössten Recycler weltweit.      anbelangt, sind wir recht gut. Wir können bei-      Wertschöpfungskette zusammen und mit
  Sinha: Wir haben mehr als siebzig Jahre         nahe jedes bisschen Metall aus dem Elektro-         denjenigen, die die Produkte am Ende des
Erfahrung im Recyclinggeschäft. Anfangs           schrott zurückgewinnen, den wir erhalten.           Lebensyklus einsammeln. Über das gesamte
war dieses ziemlich kupferlastig: Kupfer             Weltwoche: Manche Leute befürchten Eng-          Rohstoffspektrum, einschliesslich Kobalt, wer-
aus Schrott und aus Abfall. Vor vier Jahrzen-     pässe bei der Versorgung mit seltenen Erden         den wir weiterhin an Lösungen mitwirken, um
                                                  und Kobalt für Batterien. Wie sieht es da bei       das Einsammeln und das Recycling zu fördern.
«Viele Produkte wurden nicht                      der Rückgewinnung aus?                                Weltwoche: Zum Schluss: Welche Ent-
                                                     Sinha: Das Recycling von Batterien ist ein       wicklung erwarten Sie in den nächsten zehn
mit Blick auf eine einfache
                                                  grosses Thema. Seltene Erden sind kompliziert.      Jahren beim Recycling und in der Kreislauf-
­Wiederverwertung entwickelt.»                    Nicht, weil man sie grundsätzlich nicht recyceln    wirtschaft?
                                                  könnte. Aber in einem Durchschnittsprodukt            Sinha: Niemand kann in die Zukunft sehen.
ten leisteten wir Pionierarbeit bei der Rück-     wie einer Antriebsbatterie oder einem Smart-        Stand heute, scheint aber einiges ziemlich klar.
gewinnung von Metallen aus Elektroschrott.        phone misst man ihren Gehalt in Millionsteln.       Erstens, viele Erstausrüster werden sich dazu
Zeitweise waren wir die weltweit grösste          Das ist sehr wenig. Man weiss: Irgendwo sind die    bekennen, vermehrt rezyklierte Rohstoffe in
Schmelzhütte in diesem Bereich. Und wir ge-       Moleküle. Aber kann man sie herausnehmen?           ihren Geräten und Produkten zu verwenden.
hören nach wie vor zu den grössten. Heute         Theoretisch geht das, aber wirtschaftlich be-       Zweitens, die Konsumenten werden vermehrt
rezyklieren wir vor allem Elektroschrott,         trachtet ist es eine Herausforderung.               wissen wollen, welcher Anteil der in einem Pro-
beispielsweise Handys und Computer. Kein             Weltwoche: Und Kobalt, bei dem Glencore          dukt enthaltenen Materialien aus rezyklierten
Abfallstrom schwillt so rasch an wie jener        zu den bedeutendsten Produzenten gehört?            Rohstoffen besteht und wie der CO2-Abdruck
von elektronischen Abfällen. Es gibt Millio-         Sinha: Bei Kobalt ist die Ausgangslage besser.   aussieht. Und ich denke, es wird vermehrt Ge-
nen Tonnen an E-Schrott, der gar nicht ein-       Es ist sehr gut rezyklierbar. Schon heute sind      spräche über Rohstoff- und Produktkreisläufe
gesammelt wird. Auch hier: kein Problem, das      wir einer der grössten Wiederverwerter von          geben. In zehn Jahren wird es viele Produkte
wir alleine lösen können. Und dann gibt es ja     Lithium-Ionen-Batterien in unserer Schmelz-         geben, die explizit dafür gestaltet wurden.
auch noch die Nickel-Abteilung bei Glencore.      hütte im kanadischen Sudbury und in unserer           Weltwoche: Was bedeutet das in Zukunft für
Sie gehört zu den weltweit bedeutendsten Re-      Raffinerie in Nikkelverk, Norwegen. Letztes         den Konsumenten?
cyclern im Nickel- und Kobalt-Bereich: Schrott    Jahr haben wir etwa 2000 Tonnen Kobalt re-            Sinha: Ich hoffe, dass es nicht zu einem
aus Superlegierungen, Batterie-Materialien,       zykliert, das für etwa 200 000 Elektroautos ge-     Widerspruch zwischen dem Nutzwert und
Beschichtungsresten und verbrauchten Kata-        nügt. Die Herausforderung beim Kobalt ist die,      der Kreislauffähigkeit der Produkte kom-
lysatoren.                                        welche ich vorher erwähnt habe: Wie finden die      men wird, dass – im Gegenteil – diese Konzep-
  Weltwoche: Wie umfangreich sind die             Batterien am Ende ihres Betriebs zurück an          te ineinanderfliessen. Es wird faszinierende,
Recyclingaktivitäten von Glencore?                einen Ort, wo sie fachmännisch auseinander-         sehr nützliche und attraktive Konsumgüter
  Sinha: Letztes Jahr haben wir aus Elektro-      genommen und die einzelnen Bestandteile re-         geben, denn die Technologiefirmen werden
und anderem Schrott ungefähr 27 000 Ton-          zykliert werden können?                             Wege finden, um diese mit dem Kreislauf-
nen Kupfer wiedergewonnen, gegen 37 000              Weltwoche: Wie liesse sich das lösen?            gedanken zu vereinen. Wenn das ohne Opfer
Kilogramm Silber und 3700 Kilogramm Gold             Sinha: Wir beteiligen uns an mehreren In-        bei Funktionalität und Design gelingt, wäre
sowie je etwa 140 Kilogramm Platin und Pal-       itiativen, einschliesslich Blockchain-Lösun-        das eine grosse Errungenschaft. Ich denke, das
ladium. Die Nickel-Abteilung hat im selben        gen. Deren Ziel ist es, die Verfolgbarkeit der      ist möglich.

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                                                                                                                                         Bild: zVg Glencore
ESSAY/STEFAN TSCHEPPE

Kunst des ökologischen Weinbaus
Biologische Weine sind eine Herausforderung. Wer den Aufwand nicht scheut,
wird durch spannende Erzeugnisse mit ausgeprägtem Jahrgangsprofil belohnt.

U    m kleinere Weinbaubetriebe im Segment
     des fine wine positionieren zu können, be-
darf es der Präzision und Perfektion von Her-
                                                                                                        tive Behandlungsmöglichkeiten als im kon-
                                                                                                        ventionellen Weinbau zur Verfügung. Für
                                                                                                        die Qualität des Endprodukts ist dann ent-
kunftscharakter, Struktur und Ausdruck des                                                              scheidend, inwieweit minderwertiges Trauben-
Weines. Um all dies zu erreichen, beschäftigt                                                           gut ausgeschieden oder verarbeitet wird.
man sich unweigerlich mit der nachhaltigen,                                                               Die Rebsorten Chardonnay und Pinot noir
schonenden und naturnahen Bewirtschaftung                                                               beispielsweise sind anfällig für die bei einigen
der Rebberge. Aus unserer Sicht ist dies das                                                            grossen Süssweinen und Rieslingen begehrte
beste Rezept für höchstmögliche Qualität und                                                            Botrytis cinerea (Edelfäule). Durch den Wegfall
Charakter – also für spannende Weine, die nicht                                                         der systemischen Behandlungen wie im kon-
nur im Glas überzeugen, sondern auch eine                                                               ventionellen Weinbau gibt es kaum Schutz-
Philosophie vermitteln.                                                                                 möglichkeiten. Entscheidend ist hier die Wahl
  Die heute so grosse Auswahl an chemisch-                                                              des richtigen Erntezeitpunktes sowie die ex-
synthetischen Pflanzenschutzmitteln und                                                                 akte Selektionierung der Trauben durch Weg-
Düngern erhöhen zwar die Effizienz und                                                                  schneiden der edelfaulen Teile im Rebberg.
Qualitätssicherheit im Weinbau deutlich. Ihr                                                            Denn zu hohe Botrytis-Anteile würden die Aro-
Einsatz wird aber im Sinne der Nachhaltigkeit                                                           matik und den Geschmack gerade dieser beiden
kontrovers diskutiert wird.                                                                             Rebsorten negativ beeinflussen.
                                                       Mehr Arbeit: Vaduzer Herawingert.
Höhere Infektionsgefahr                                                                                 Ein Merkmal von vielen
Biologischer Weinbau ist heute nicht nur als eine                                                       Wesentlich scheint es, die biologische und natur-
Abkehr vom Drang nach Effizienz hin zum Ein-        Ökologischer Weinbau bedarf also zusätzlicher       nahe Bewirtschaftung nicht als Hauptargument
klang mit der Natur zu verstehen. Im Idealfall,     Arbeitskräfte, da er sich auf die Stärkung der      beim Kauf zu propagieren. Sie sollte eher eines
abhängig vom Einsatz und der sensiblen Ein-         Pflanzen konzentriert sowie auf Prävention          von vielen Qualitätsmerkmalen sein. Die Quali-
schätzung der Winzer, ist er auch ein Beitrag zu-   statt der Behandlung von Rebkrankheiten wie         tät grosser Weine hängt von vielen Faktoren
gunsten des Ausdrucks und der Qualität des wer-     beispielsweise des Echten und Falschen Mehl-        wie Boden, Klima, Jahrgang, Rebalter, Winzer,
denden Weins. Im ungünstigeren Fall können          taus. Dies erfordert zusätzliche Arbeitsschritte    Ausbaustil, Betriebsphilosophie ab. Es ist aller-
biologische Methoden aber die Erntemengen           vom Rebschnitt bis zur wesentlich intensiveren      dings durchaus logisch, Wein auch weiterhin als
und vor allem das Geschmacksbild durch etwai-       Laubausdünnung zur besseren Durchlüftung            Naturprodukt zu positionieren.
ges Auftreten von unerwünschten Infektionen         der Pflanzen sowie zur Selektion des reifen,          In der Hofkellerei des Fürsten von Liechten-
an Rebe und Traube beeinträchtigen. Gibt es also    zu erntenden Traubenguts. Da biologische            stein arbeiten wir motiviert an der biologischen
Zielkonflikte zwischen der Qualität des Weins       Pflanzenschutzmittel nur oberflächlich und          Produktion im Herawingert, mitten im Zen­
und der Ökologie in der Produktion?                 nicht wie konventionelle systemisch wirken,         trum von Mitteldorf in Vaduz. Über die Richt-
  Zunächst kommt es darauf an, welches Quali-       erfolgt ihr Einsatz eben öfter und zu exakten       linien der biologischen Zertifizierung hinaus
tätsbild man vor Augen hat. Verfolgt man eine       Zeitpunkten, abhängig von der Wetterlage.           verwenden wir Einsaaten mit fünfzehn ver-
individuelle Stilistik, die durchaus jahrgangs-        Engagierte Arbeitskräfte in der Landwirt-        schiedenen Pflanzenarten zur Aktivierung
spezifische Ausprägungen im Geschmack zu-           schaft auf Teilzeitbasis zu finden, ist mitunter    der Böden und richten uns in vielen Arbeiten
lässt, fallen Jahrgangsschwankungen im öko-         schwierig. Durch eine interessante Gestaltung       erfolgreich nach den Mondphasen. In Zeiten
logischen Weinbau deutlicher aus. Das kann          der Arbeit und einen gewissen Erlebnisfaktor ver-   von Klimaveränderungen ist die nachhaltige
die Weine aber durchaus spannender machen.          suchen wir, dem entgegenzuwirken. In Zukunft        Bewirtschaftung von Ressourcen aus unserer
  Die grösste Herausforderung ökologischer          wird man die meditative Arbeit im Rebberg viel-     Sicht wichtig. Am Ende vertrauen wir aber auf
Produktion liegt unserer Erfahrung nach             leicht als Sabbatical für einige Tage ansehen.      die daraus resultierenden, überzeugenden
in der zeitgerechten und korrekten Durch-              Werden Massnahmen übersehen oder ver-            Argumente auf dem Gaumen.
führung aller qualitätsfördernden Arbeiten          spätet getroffen, kommt es zu Pilzinfektionen,
am Rebberg. Gelingt dies nicht, entsteht in         die die Traubenqualität negativ beeinflussen.
                                                                                                        Stefan Tscheppe leitet seit 2018 die Hofkellerei des
der ökologischen Landwirtschaft ein höheres         Das kommt in den besten biologischen Be-            Fürsten von Vaduz, zu der Weingüter im Fürstentum
Risiko fehlerhafter Trauben.                        trieben vor, und es stehen weit weniger effek-      Liechtenstein und in Österreich gehören.

Nachhaltigkeit Nr. 34.21                                                                                                                                       11
Bild: zVg
Duell der Flaschen
Die Glasflasche gilt als Inbegriff der ökologischen Verpackung. Dabei erweist sich
bei genauem Hinsehen die PET-Flasche in Sachen Umweltfreundlichkeit als überlegen.
Florian Schwab

W
            er besonders umweltfreundlich da-
            stehen will, verpackt Getränke in
            Glasflaschen. So wird in Bio-Super-
märkten die Milch gerne in weissem Glas ver-
kauft, dessen äussere Formgebung aus Ur-
grossmutters Zeiten stammen könnte. Und in
trendigen Hipster-Locations kann man Frucht-
säfte vom Take-away mitnehmen, ebenfalls
häufig in kleinen Glasflaschen.
  Es scheint also eine ausgemachte Sache zu
sein. Glasflaschen können x-mal wiederver-
wendet werden, bevor sie entweder ästhetisch
aus dem Rahmen fallen oder in die Brüche
gehen. Zudem ist Glas hervorragend recycel-
bar. Alte Flaschen können eingeschmolzen und
neu in Form gegossen werden.

PET: Schlechtes Image
Der grösste kommerzielle Konkurrent der
Glasflasche ist die Flasche aus Polyethylen-
terephthalat (PET), einer Untergattung der
Polyester-Kunststoffe. Da viele Kunststoffe,
darunter auch PET, aus fossilen Ursprungs-
materialien hergestellt werden, haftet der
PET-Flasche nicht selten das Image an, weni-
ger umweltfreundlich zu sein als eine Mehr-
wegflasche aus Glas.
   Aber stimmt das? Alle zehn Jahre analysiert
das Bundesamt für Umwelt (Bafu) in einer gross
angelegten Studie die ökologische Bilanz ver-
schiedener Verpackungsarten für Getränke. Die
letzte Studie stammt aus dem Jahr 2014. Hierfür
wurde für sechs Getränkearten (Mineralwasser,
Eistee, andere Erfrischungsgetränke, Milch,
Wein und Bier) eine sogenannte Lebenszyklus-
Analyse in Abhängigkeit von den in der Schweiz
realisierten Recyclingquoten angefertigt. Diese
Art von Analyse berücksichtigt den ganzen
Lebenszyklus des Materials, von der Herstellung
(einschliesslich Extraktion der Rohstoffe) bis hin
zur endgültigen Entsorgung.
   Für jede Phase des Lebenszyklus werden
verschiedene Umweltwirkungen betrachtet:
auf die natürlichen Ökosysteme, das Klima,
die Ressourcen und die menschliche Gesund-
heit. Die entsprechend gewichteten Werte
werden zu Umweltbelastungspunkten zu-
sammengezählt.
   Die PET-Flasche geht mit drei kleinen Start-
nachteilen gegenüber der Glasflasche in die Ana-
lyse: Erstens besteht sie, wie bereits erwähnt, aus
fossilen Rohstoffen. Zweitens ist die Recycling-
quote – wir kommen darauf zurück – etwas tie-         Lebenszyklus: In der Schweiz werden über 80 Prozent der PET-Flaschen rezykliert.

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                                                                                                                       Bild: Tibo Exe für Caroline Seidler
KW 34/21
                                                                               TATEN STATT WORTE NR. 111
                           fer. Laut Bafu-Studie werden 80 Prozent aller
                           PET-Flaschen rezykliert, hingegen 96 Prozent
                           aller Glasflaschen. Und beim PET wird ein ge-
                                                                               TATENDRANG
                           ringerer Anteil des Materials erneut zu Flaschen    MACHT BIO LOGISCH.
                           verarbeitet: 30 Prozent im Vergleich zu 80 Pro-
                           zent bei Glasflaschen. Das heisst, ein hoher An-
                           teil von PET-Flaschen wird in anderweitige
                           Sekundärmaterialien umgewandelt.
                             Die Resultate überraschen: In fast allen Ge-
                           tränkekategorien, bei denen sowohl PET- als
                           auch Glasflaschen verwendet werden, schnei-
                           den Erstere deutlich besser ab. Beispiel Frucht-

                           Laut den Autoren erweist sich
                           «das hohe Gewicht» der Glasflasche
                           als «deutlicher Nachteil».

                           säfte in der Einwegverpackung für unterwegs:
                           Die PET-Flasche erreicht unter 100 Umwelt-
                           belastungspunkte, während es bei der Einweg-
                           glasflasche über 300 sind. Interessanterweise ist
                           bereits die Herstellung der Glasflasche deutlich
                           umweltschädlicher. Laut den Autoren liege dies
                           unter anderem daran, dass sich «das hohe Ge-
                           wicht» als «deutlicher Nachteil» erweise, da
                           «die Glasherstellung trotz hohem Rezyklat-
                           anteil relativ energieintensiv ist».
                             Auch bei den beiden Klassikern Mineral-
                           wasser und Süssgetränke sowie beim Bier
                           (wer trinkt Bier aus einer PET-Flasche?) fällt
                           die Ökobilanz der PET-Flasche besser aus als
                           jene der Glasflasche.

                           Unentschieden bei der Milch
                           Die einzige Ausnahme, wo Glas leicht besser da-
                           steht als PET, ist bei der Milch. Der Unterschied
                           ist aber relativ klein. Die Mehrwegglasflasche
                           sammelt etwa 65 Umweltbelastungspunkte,
                           die PET-Flasche deren 70. Auch hier wieder ver-
                           hindert das hohe Gewicht der Glasflasche ein
                           besseres Ergebnis: Die «Distribution sowie der
                           Rücktransport zum Waschen, zusammen mit
                           dem Waschprozess» trügen «wesentlich zur
                           Umweltbelastung» bei.
                              Mit ihren Ergebnissen stehen die vom Bafu
                           beauftragten Forscher nicht alleine da. Ihre
                           Auswertungen kommen zu ähnlichen Schlüs-
                           sen wie andere wissenschaftliche Unter-
                           suchungen im In- und Ausland.
                              Die Öko-Nadel würde noch weiter in Rich-
                           tung PET-Flasche ausschlagen, wenn sie einen
                           höheren Recyclinganteil erreichen würde. Die
                           Schweiz steht hier mit 80 Prozent offiziell etwas
                                                                               Wir sind Bio-Pionierin und weltweite
                           weniger gut da als andere europäische Länder.       Bio-Spitzenreiterin mit 4’100 Bio-Produkten,
                           Eine Studie der Hochschule für Technik Rap-         davon 2’700 von Naturaplan.
                           perswil hat aber letztes Jahr gezeigt, dass dies
                           teilweise an unterschiedlichen Messmethoden         TATEN-STATT-WORTE.CH
                           liegt. Für die Erhöhung des Recyclinganteils
                           empfehlen die Forscher beispielsweise das Nach-
                           sortieren von Abfällen aus öffentlichen Abfall-
                           eimern und die Förderung der «intrinsischen
                           Motivation» der Konsumenten.
Nachhaltigkeit Nr. 34.21
ESSAY/HENRIQUE SCHNEIDER

Warum Subventionen in die Irre führen
Unternehmer schaffen Mehrwert aus der kreativen Verbindung von sozialen,
ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten. Das sollte man dem Markt überlassen.

A    lle Produkte sind gleich. Alle Preise sind
     gleich. Unternehmen machen keinen Ge-
winn. Das steht in den meisten Lehrbüchern
                                                                                                       diese Firmen erfolgreich sein. Wenn das nicht
                                                                                                       der Fall ist, dann machen sie zu. Gerade das ist
                                                                                                       das unternehmerische Risiko.
der ökonomischen Theorie. Diese Sicht ist der-
art trüb, dass man schon behaupten könnte:                                                             Gegenwette auf den Staat
Unternehmer ist, wer es trotzdem wagt.                                                                 Würde jetzt der Staat einsteigen und diesen
   Und trotzdem wagen es viele. Gerade in der                                                          Unternehmen Gelder überweisen, ihre Ge-
Schweiz ist die Anzahl der Unternehmen in                                                              schäftsmodelle garantieren oder Regulie-
den letzten zehn Jahren um fast 100 000 an-                                                            rung aufbauen, um sie zu schützen, wäre das
gestiegen. Etwa 600 000 Firmen versuchen täg-                                                          schon an sich nicht nachhaltig. Denn wenn
lich, die Fehler der Lehrbücher aufzudecken.                                                           der Staat Nachhaltigkeit forciert, ist es kein
Sie zeigen, dass sich das Unternehmertum                                                               Unternehmertum mehr. Und wenn er Geld
lohnt. Unternehmer wagen Neues, entwickeln            Mehr Gewinn: Einsatz von Lehrlingen.             gibt, muss ein anderer bezahlen, was eine
neue Produkte und sind erfolgreich dabei. Der                                                          ­Verletzung des sozialen Aspekts der Nach-
Schlüssel ist: Sie nehmen Risiken auf sich, in-                                                         haltigkeit wäre.
dem sie Wetten eingehen.                           nomische, um aus dieser Verbindung einen               Entweder sind Kunden und Partner be-
                                                   Mehrwert zu generieren. Diesen Mehrwert              reit, nachhaltige Produkte zu konsumieren
Unternehmertum als Wette                           nennt man auch Synergie. Es ist dabei am Ge-         und sie zu bezahlen, oder sie sind es nicht.
Unternehmertum ist nämlich eine kalkulierte        schäftsmodell selber, für sich zu definieren,        Wenn sie es sind, dann zahlt sich die unter-
Wette. Kalkulieren heisst bewerten. Der Unter-     was das Soziale, das Ökologische und das Öko-        nehmerische Wette auf Nachhaltigkeit aus.
nehmer finanziert heute die Produktion eines       nomische ist und wie diese Synergien generiert       Wenn sie es nicht sind, dann können Unter-
Guts, das vielleicht in Zukunft Gewinn abwirft.    werden. Wichtig ist: Es geht immer um alle drei      nehmer ­daraus lernen und sich auf andere
Ob sich das lohnt, ist eine Frage der unter-       Aspekte, und es geht immer um den Mehrwert           Chancen kon­zentrieren.
nehmerischen Bewertung der Chancen. Der            ihrer Verbindung.                                      Subventionen und Regulierungen stellen
Unternehmer versetzt sich auch in die Köpfe           Eine Firma, die auf Gewinn verzichtet, um         die Gegenwette dar. Sie gehen davon aus, dass
der Kunden und Partner. Er überlegt, was sie       Lehrlinge auszubilden, ist nicht nachhaltig.         nachhaltige Geschäftsmodelle sowieso schei-
wollen, wie viel sie davon wollen und was sie zu   Denn sie verfolgt nicht alle drei Aspekte und        tern und deshalb nicht dem Markt überlassen
zahlen bereit sind. Auch das ist eine Bewertung.   benützt einen, um einen anderen zu korri-            werden können. Wer in Sachen Nachhaltigkeit
  Diese unsicheren Bewertungen machen jedes        gieren. Hingegen: Der Unternehmer, der Ge-           auf den Staat setzt, traut den Unternehmern
Geschäftsmodell zu einer Wette. Kein Unter-        winne steigert, indem er möglichst viele Aus-        nichts zu. Je mehr der Staat Nachhaltigkeit re-
nehmer kann wissen, was Kunden und Partner         zubildende einsetzt, um die Energieeffizienz         guliert und subventioniert, desto weniger wird
wollen. Es gibt auch keine Erfolgsgarantie für     des Unternehmens zu erhöhen, ist nachhaltig.         sie zur unternehmerischen Chance.
ein Geschäftsmodell. Zwischen Ideenfindung            Es ist also gar nicht so einfach, ein nach-         Dass sich die Wette auf Nachhaltigkeit lohnt,
und Umsetzung kann sich auch alles mehrmals        haltiges Geschäftsmodell zu finden. Aber es          zeigt aber die Wirklichkeit – insbesondere in
ändern. Darauf müssen Unternehmer reagie-          gibt sie – insbesondere in der Schweiz. Beispiele    der Schweiz. Unternehmen setzten sie als Ge-
ren. Unternehmen sind also Wetten auf den Er-      dafür sind etwa ein Fintech, das Kunden die          schäftsmodell um. Der Schweizer Trumpf
folg des eigenen Geschäftsmodells.                 Gelder aus der dritten Säule in thematischen         Berufsbildung oder die geringen Treibhaus-
  Was hat das alles mit Nachhaltigkeit zu tun?     Anlagen im Bereich Soziales und Umwelt in-           gasemissionen pro Franken Wertschöpfung be-
Um «richtige» Wetten einzugehen, suchen            vestieren lässt und Gebührensenkungen                legen dies eindrücklich.
Unternehmer Chancen. Nachhaltigkeit ist eine       weitergibt. Oder etwa die Firma, die gezielt           Der Grund, warum Schweizer Unternehmen
solche Chance, wenn auch eine besonders an-        Mitarbeitende mit «Karriereknicks» rekru-            viel nachhaltiger sind als andere, ist auch ein-
spruchsvolle. Die Nachhaltigkeit in einem Ge-      tiert und aus flüchtigen Gasen in Mülldeponien       fach auszumachen: Unternehmer sind frei,
schäftsmodell umzusetzen, ist nicht einfach.       Strom macht und verkauft.                            kalkulierte Wetten im Markt einzugehen – in-
Gerade deswegen kann sie eine grosse Chance           Aus diesen und anderen Beispielen echter          klusive Wetten auf Nachhaltigkeit.
sein – eine grosse Wette.                          Nachhaltigkeit bestehen die Geschäftsmodelle
  Ein nachhaltiges Geschäftsmodell verbindet       im Markt. Wenn Kunden und Partner bereit            Henrique Schneider ist Vizedirektor
das Soziale, das Ökologische und das Öko-          sind, für den Mehrwert zu bezahlen, werden          des Schweizerischen Gewerbeverbandes.

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                                                                                                                                               Bild: Shutterstock
Nachha  l t i g  k e it
           ist mir  w    i c h t i g
                ES MACHT MICH STOLZ,
         EINEN UNTERSCHIED MACHEN ZU KÖNNEN.
      Erfolg verpflichtet, Tradition ebenfalls. Vor 50 Jahren startete die Erfolgs-
   geschichte von JTI in der Schweiz. Dank dem Einsatz modernster Technologien
      produzieren wir heute energiesparender und nachhaltiger denn je. Zudem
unterstützen wir karitative, kulturelle und ökologische Projekte in der ganzen Schweiz.
                               Seit 1971 – und in Zukunft.

                                WWW.JTI.COM
«Gewerbe nicht zum Akku-Bus zwingen»
Ramon Näf führt in zweiter Generation die Naef Group in Freienbach. Er erklärt,
warum er auf Nachhaltigkeit setzt und wie er den Fuhrpark seines Unternehmens umstellen will.
Florian Schwab

D
         ie Naef Group ist ein Schweizer KMU
         wie aus dem Bilderbuch: In den letzten
         Jahrzehnten hat Firmengründer Wer-
ner Näf verschiedene Verfahren erfunden, um
Trinkwasserleitungen und Bodenheizungen
schonend zu sanieren. An die Stelle des
herkömmlichen Herausreissens der Leitungen
traten Techniken zur Beschichtung von innen.
Um diese Technologien herum hat Näf ein
Unternehmen mit über sechzig Mitarbeitern
erschaffen. Seit über zehn Jahren leitet Werner
Näfs Sohn Ramon den Betrieb.

Weltwoche: Herr Näf, die Ressourceneffizienz
und die Senkung von fossilen Emissionen ist in
aller Munde. Welchen Stellenwert haben diese
Aspekte bei der Naef Group?
  Ramon Näf: Das Thema mag momentan be-
sonders populär sein. Die Naef Group befasst
sich damit aber schon länger – vor Greta und
dem ganzen politischen Druck. Im Jahr 2013
haben wir uns entschieden, dass wir nicht
nur nachhaltige Sanierungen anbieten, son-
dern auch das Denken und Handeln in unse-
rem ganzen Management auf Nachhaltigkeit
ausrichten wollen. Entsprechend haben wir
2014 die ISO-Zertifizierung 50 001 angepackt
mit dem Ziel, uns CO2-neutral aufzustellen.
Das war der Startschuss.
  Weltwoche: Haben es Familienunter-
nehmen wie Ihres einfacher als Grossunter-
nehmen, sich für ökologische Verbesserungen
einzusetzen?
  Näf: Das kann man nicht so kategorisch
sagen. Es ist nicht zu unterschätzen, was die
ganzen Zertifizierungen an Aufwand bedeuten.
Was die zeitlichen Ressourcen angeht, hat es ein
Grosskonzern wohl bedeutend einfacher.
  Weltwoche: Kleine und mittlere Unter-
nehmen werden aber als glaubwürdiger wahr-
genommen.
  Näf: Das ist so. Grossunternehmen polarisie-
ren stärker. Viele Leute sagen: Das machen die
nur, um gut dazustehen.
  Weltwoche: Es steht rasch der Vorwurf
im Raum, Nachhaltigkeit sei letztlich ein
Marketinginstrument. Wie ist das bei Ihnen:        Massive Energieeinsparungen: Firmenchef Ramon Näf.

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                                                                                                                 Bild: Naef GROUP
Spielt die Nachhaltigkeit in den Kundenbe-        unterschätzen. Dieser Aspekt kommt in der           im Stau steht. (Lacht) Nein, es geht um Folgen-
ziehungen eine Rolle?                             Diskussion meistens zu kurz.                        des: In der politischen Diskussion vergisst
  Näf: Der normale Einfamilienhausbesitzer in-       Weltwoche: Womit wir beim Geschäfts-             man, dass ein sehr grosser Teil der KMU auf
teressiert sich wenig dafür, ob wir CO2-neutral   modell der Naef Group wären: Die von Ihnen          die Nutzfahrzeuge angewiesen ist. Und da
unterwegs sind oder nicht. Bei der öffentlichen   entwickelten Technologien ermöglichen güns-         sind akkubetriebene Fahrzeuge oftmals keine
Hand spielt es aber durchaus zunehmend eine       tigere und ökologischere Sanierungen.               Option. Punkt. Dazu kommt noch das Prob-
Rolle. Das war für uns aber nicht entscheidend.      Näf: Ja, das ist der Kerngedanke bei unse-       lem der Zuladung: Weil die Akkus dermassen
  Weltwoche: Was war es dann?                     ren Produkten: Die von uns entwickelte Rohr-        schwer sind, kann man 30 Prozent weniger Ge-
  Näf: Nachhaltigkeit hat viel mit Ein-           innensanierung für Bodenheizungen und               wicht transportieren. Also könnten wir nicht
sparungen zu tun, also mit wirtschaftlichem       Wasserleitungen spart sehr viele Ressourcen.        einmal mehr das ganze Material auf einmal
Denken. Wer etwas einspart, hat mehr Geld         Der Hauseigentümer muss nicht alles heraus-         mitnehmen, sondern müssten zweimal fah-
im Kässeli und kann es wieder produktiv ein-      reissen, sondern kann es von innen erneuern.        ren. Und einen Kompressor-Anhänger können
setzen. Wenn wir jährlich Energie einsparen,      Das ist viel günstiger als konventionelle Sanie-    Sie aus den genannten Gründen auch nicht an
sparen wir auch Geld. Der ökonomische Ge-         rungen. Von dem her war es für uns eigentlich       den e-Crafter andocken. Soll man den dann von
danke ist neben dem ökologischen nicht zu         logisch, den Gedanken der Nachhaltigkeit auch
                                                  auf unsere Geschäftsprozesse auszudehnen.           «Wasserstoff hat die angenehme
                                                     Weltwoche: Was bedeutet das konkret?
                                                                                                      Eigenschaft, dass es nicht eine
                                                  Womit beschäftigen Sie sich derzeit?
                                                     Näf: Zwei aktuelle Anliegen sind die Sen-        ­Stunde dauert, bis der Tank voll ist.»
                                                  kung der Emissionen unserer Nutzfahrzeug-
                                                  flotte und die ISO-14 001-Zertifizierung.           einem Transporteur bringen lassen? Aufgrund
                                                     Weltwoche: Sprechen wir über Emissionen.         dieser Einschränkungen im Arbeitsradius und
                                                  Wie sieht der Fuhrpark der Naef Group aus?          in der Funktionalität sind Akku-Busse für viele
                                                     Näf: Vermutlich ähnlich wie bei allen Fir-       KMU heute schlicht keine Option.
                                                  men, die gewerblich unterwegs sind. Wir haben         Weltwoche: Wie sieht es beim Wasserstoff aus?
                                                  Busse im Einsatz. Zusätzlich müssen wir die           Näf: Vielversprechend. Da laufen schon lange
                                                  ganze Sanierungsanlage transportieren, das          Testläufe mit Lastwagen über viele hundert-
                                                  heisst wir müssen jedes Mal einen schweren          tausend Kilometer. Coop und Migros sind da
                                                  Dieselkompressor mitnehmen für die Druck-           vorne mit dabei. Leider hört und liest man zu
                                                  luft, mit der wir die Sanierungen durchführen.      wenig darüber.
                                                  Jedes Team ist ausgerüstet mit einem Nutz-            Weltwoche: Gibt es denn schon wasserstoff-
                                                  fahrzeug, also beispielsweise einem VW-Bus,         betriebene Nutzfahrzeuge in Ihrer Gewichts-
                                                  und einem Kompressor. Wir sprechen da von 35        klasse?
                                                  Bussen und 35 Kompressoren in der Deutsch-            Näf: Nein. Derzeit ist noch kein Wasserstoff-
                                                  schweiz und in der Romandie.                        Nutzfahrzeug bestellbar.
                                                     Weltwoche: Und wie wollen Sie die Emis-            Weltwoche: Aber Sie sind zuversichtlich,
                                                  sionen senken?                                      dass das kommt?
                                                     Näf: Wir wollen weg vom fossilen Antrieb.          Näf: Sehr. Man weiss, dass die Japaner und
                                                  Daher planen wir derzeit einen Pilotversuch         Koreaner am Pushen sind. In naher Zukunft,
                                                  mit Wasserstoffantrieb.                             hoffentlich bereits nächstes Jahr, werden sol-
                                                     Weltwoche: Warum nicht mit Elektrofahr-          che Fahrzeuge auf dem Markt sein. Aus unserer
                                                  zeugen?                                             Sicht ist es eine Technologie mit viel Potenzial,
                                                     Näf: Die Politik scheint davon auszugehen,       die in Zukunft im gewerblichen Bereich Ver-
                                                  dass man die ganze Mobilität auf Akku-Betrieb       besserungen bewirken kann. Wasserstoff hat ja
                                                  umstellen kann. Das mag im privaten Verkehr         auch die angenehme Eigenschaft, dass es nicht
                                                  vielleicht stimmen, nicht aber im gewerblichen.     eine halbe oder eine ganze Stunde dauert, bis
                                                  Wir finden derzeit keinen Bus, der einen unse-      der Tank voll ist. Man kann ganz normal tan-
                                                  rer Kompressoren ziehen kann und eine ver-          ken. Und die Reichweite ist sogar noch besser
                                                  nünftige Reichweite aufweist. Nehmen Sie zum        als beim Diesel. Das sind extrem wichtige As-
                                                  Beispiel den VW e-Crafter: Der kostet dreimal       pekte für Gewerbebetriebe.
                                                  so viel wie ein normaler Diesel – wir reden da        Weltwoche: Warum gehen Sie bereits jetzt
                                                  von 96 000 Franken Bruttoinvestition. Damit         in die Offensive?
                                                  haben Sie eine Reichweite, ungeladen, von 170         Näf: Ein wichtiger Auslöser ist, dass nächstes
                                                  Kilometern. Wenn wir voll beladen unterwegs         Jahr an der Autobahnraststätte Fuchsberg – also
                                                  sind, dann schaffen wir wohl nicht annähernd        sehr nahe bei uns – eine Wasserstofftankstelle ge-
                                                  so viel. Wie sollen wir in vernünftiger Zeit beim   plant ist. Die Elektrizitätswerke Höfe, die ihren
                                                  Kunden sein, wenn wir schon unterwegs ein-          Hauptsitz wie wir in Freienbach haben, werden
                                                  mal nachladen müssen?                               nachhaltigen Wasserstoff für diese Tankstelle
                                                     Weltwoche: Von Ihrem Hauptsitz in Freien-        produzieren. Darauf haben wir gewartet.
                                                  bach SZ kämen Sie höchstens noch nach Glarus          Weltwoche: Wie sieht der Zeitablauf aus?
                                                  oder in die Stadt Zürich und zurück.                  Näf: Sobald die Fahrzeuge verfügbar sind,
                                                  Näf: Mit der Stadt Zürich würde es schon            wohl nächstes Jahr, werden wir im Rahmen
                                                  schwierig, weil man da sowieso die ganze Zeit       eines Pilotversuchs ein Team mit einem sol-
Nachhaltigkeit Nr. 34.21                                                                                                                             17
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