Schlesischer Kulturspiegel - Informationen über das schlesische Kulturleben - Ausstellungen, Tagungen, Publikationen, Wissenswertes
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Schlesischer Kulturspiegel 3 54. Jahrgang 2019 l Würzburg l 3/19 September-November 19 Śląski Prezegląd Kulturalny . Slezské Kulturní Zrcadlo Herausgegeben von der Stiftung Kulturwerk Schlesien Informationen über das schlesische Kulturleben – Ausstellungen, Tagungen, Publikationen, Wissenswertes Georg Trautmann: Die Schneegruben im Riesengebirge. Foto: Haus Schlesien. NEUES AUS DEM HAUS SCHLESIEN In Winterträumen schwelgen Das Haus Schlesien zeigt noch bis 15. März 2020 Heimatimpressionen schlesischer Künstler. Die Sommermonate über waren im Eichendorffsaal lauer Kunst- und Gewerbeschule und arbeitete später Sehnsuchtsorte schlesischer Künstler zu sehen – Ibiza u. a. als Zeichenlehrer. Neben Landschaftsbildern und und Italien, die Nordseeküste oder die Alpen mit dem Pin- Porträts illustrierte Odoy zahlreiche Bücher, darunter sel eingefangen und auf Papier oder Leinwand gebannt. Werke von Paul Keller oder Hermann Stehr. Das in der Inzwischen ist der Herbst gekommen und der Winter Ausstellung gezeigte Gemälde ist eines von drei Werken steht vor der Tür, für manch einen mag das vielleicht des Künstlers, die erst seit kurzer Zeit die Sammlung von erst recht ein Grund sein, sich in den sonnigen Süden zu Haus Schlesien bereichern. träumen. Doch für viele Künstler hatten auch die heimat- Noch eine weitaus größere Faszination als das Far- lichen Gefilde ihren Reiz. Bereits seit Mitte des 19. Jahr- benspiel des Herbstlaubes übte das schneebedeckte Rie- hunderts erfreute sich die Freilichtmalerei zunehmender sengebirge auf die Künstler aus. Einer, der diese Jahres- Beliebtheit, die auch unter den Künstlern der Breslauer zeit stets herbeisehnte, war Friedrich Iwan (1889-1967). Kunst- und Gewerbeschule bald ihre Anhänger fand. Ge- Lag genug Schnee, begab Iwan sich mit Skiern, Pinsel und rade die schlesischen Gebirge boten ihnen zu allen Jah- Farbe in die Berge. Er liebte die Darstellung des Schnees reszeiten eine Fülle von Motiven. in allen seinen Facetten. In seinen Radierungen erkennt Die Farbenpracht des Herbstes einzufangen und man sofort den blanken Gletscherschnee, den frisch ge- auf Leinwand zu verewigen, ist zum Beispiel Max Odoy fallenen Pulverschnee, das abgebrochene Schneebrett (1886-1976) auf besondere Weise gelungen. Der in Lau- ... Iwan bevorzugte die reine Naturdarstellung, die Ein- rahütte geborene Odoy studierte ab 1911 an der Bres- samkeit und Ruhe der Landschaft; nur einzelne Details Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019 33
in der Hand halten Sie eine weitere Ausgabe des Zu den freudigen Überraschungen des Jahres ge- LIE B E „Schlesischen Kulturspiegels“, dessen Herausgabe hört zweifellos die Vergabe des Nobelpreises für Lite- LESER, dankenswerterweise vom Freistaat Bayern durch das ratur an Olga Tokarczuk. Sie ist nicht nur Schlesierin, Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und sondern thematisiert auch Schlesisches, insbesondere Soziales gefördert wird. Sie soll Sie abermals über das die Gemengelage aus deutschem Erbe, polnischer Ge- lebendige schlesische Kulturleben informieren, über genwart und ostpolnischen Traditionen. Tagungen wie die 69. Wangener Gespräche, Ausstel- Der Ausblick auf Weihnachten mag versöhnlich lungen schlesischer Kultureinrichtungen, Neuerschei- stimmen, auch wenn wir dieses Jahr keine neuen nungen des Büchermarkts und vieles mehr. Weihnachtsgrußkarten auflegen. So verweisen wir auf Dazu gehören auch nicht immer erfreuliche Nach- die bekannten Motive und würden uns über Ihre Be- richten. So musste die Stiftung Kulturwerk Schlesien stellungen sehr freuen. Und nun geht es für uns gleich ihre Bibliothek nach Herrnhut verlagern, um in der weiter mit den Arbeiten für die nächste Ausgabe. anhaltenden Nullzinsphase Mietkosten einzusparen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre. und um sich zukunftsorientiert neu aufzustellen. Das Büro und die Sammlungen als Kernbestand verbleiben Mit besten Grüßen aus Würzburg in Würzburg. Wir sind nach wie vor unter der alten, bekannten Adresse zu erreichen. Anja Weismantel und Ulrich Schmilewski For tsetzung von Seite 1 weisen auf den Menschen hin, sei es Rauch aus einem Nicht zuletzt inspirierte auch Wolf Röhricht (1886- Schornstein oder eine Spur im Schnee, sonst sind seine 1953) der Schnee. Sein besonderes Interesse galt dem Bilder meist menschenleer. Aquarell. Häufig malte Röhricht bei Temperaturen unter Friedrich Iwan schloss sich Mitte der 1920er Jahre dem Gefrierpunkt, sodass die Aquarellfarbe auf dem der Schreiberhauer Künstlervereinigung St.-Lukas an, Papier gefror: die so entstandenen Farbkristalle wur- zu deren Gründungsmitgliedern die in der Ausstellung den im Atelier vorsichtig aufgetaut. Die „Frostspuren“ ebenfalls vertretenen Riesengebirgsmaler Georg Wich- stellten eine interessante und individuelle Variante seiner mann (1876 -1944) und Alfred Nickisch (1872-1948) ge- Maltechnik dar. hörten. Wichmann studierte an der Berliner Kunstakade- Neben stimmungsvollen Landschaftsbildern sind in mie, in Karlsruhe sowie an der Akademie in Königsberg. der Ausstellung auch einzelne Städteansichten zu se- Der Abschluss seiner Studien erfolgte an der Breslauer hen. Alle in der bis 15. März 2020 im Eichendorffsaal Kunstakademie, an der auch Nickisch Landschaftsmale- gezeigten Ausstellung sind aus der Sammlung von Haus rei studierte. Wichmann ließ sich bereits 1903 im Rie- Schlesien. Bei Veranstaltungen im Eichendorffsaal ist die sengebirge nieder, Nickisch siedelte sich 14 Jahre später Ausstellung zeitweise nicht oder nur eingeschränkt zu- in Schreiberhau an. gänglich. Silke Findeisen VON DER STIFTUNG KULTUR WERK SCHLESIEN 69. Wangener Gespräche im Zeichen der Erinnerung Rückschau auf Erlebtes und Verlorenes, Menschen, Orte und Landschaften Vorträge, Lesungen und literarische Gespräche, in deren lichkeiten offengelegt hatte, näherte sich Rafał Biskup Mittelpunkt die Rückbesinnung auf Menschen, Orte und aus Breslau wissenschaftlich dem Werk der Oberschle- Landschaften stand, haben die 69. Wangener Gespräche sier August Scholtis und Hans Lipinsky-Gottersdorf. vom 19. bis 22. September 2019 bestimmt. Veranstal- Monika Taubitz, die mit vielen Literaturpreisen bedachte ter der literarischen Tagung sind der Wangener Kreis Ehrenbürgerin der Stadt Meersburg, stellte ihren Roman – Gesellschaft für Literatur und Kunst „Der Osten“ e.V., ‚Jakobs Gärten‘ vor. Es ist die Geschichte ihres Vaters, die Stadt Wangen im Allgäu und die Stiftung Kulturwerk von dem die Dichterin sagt: „Obwohl er starb, als ich erst Schlesien. dreieinhalb Jahre alt war, hat mich seine Lebensgeschich- te fasziniert.“ Fantastisches Schlesien Eine große Freude bereitete der Arbeitskreis „Schle- Den Reigen des Erinnerns, in diesem Fall als „Heimatpo- sische Mundart“ den Teilnehmern. Mit vertauschten esie aus dem Schwabenland“ benannt, machte Claudia Rollen trugen vier Mitglieder unveröffentlichte Mund- Scherer aus Wangen mit einer Lesung aus ihrem Buch artgedichte der den Kreis ins Leben gerufen habenden ‚Jeder Lidschlag. Die Fiktion der Erinnerung‘. Nachdem und 1996 verstorbenen Erle Bach vor. Das Thema er- Therese Chromik ihren dichterischen Kosmos in Form weiternd, näherte sich die polnische Germanistin Izabela von Gefühlen und Erkenntnissen, Wahrheiten und Mög- Tarszczuk in ihrem Vortrag dem „fantastischen Schlesien 34 Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019
im Werk von Erle Bach“ und zog das Fazit: „Erle Bach Sicherlich noch lange wird man sich an die am Sonn- bedient sich einer subtilen Sprache, um dann ihre Prota- tag stattgefundene Verleihung des Eichendorff-Literatur- gonisten hinein in eine Fauna- und Florawelt zu führen.“ preises an Christa Ludwig erinnern. Sowohl die Laudatio Monika Taubitz, Bodo Heimann und Johannes Rasim von Anne Overlack als auch die Worte der Preisträgerin waren es schließlich, die Breslauer Erinnerungen teilten. berührten die Zuhörer auf eine ganz besondere Art und Unter der Überschrift „Eine Stadt gab mir ihr Wort“ Weise. Wie sagte es Stefanie Kemper, die Vorsitzende wurde ebenso der hier nach dem Krieg geschlossenen der Jury, doch im Nachgang so schön? „Diese Feier- Freundschaften zwischen ehemaligen Bewohnern und stunde am Sonntagnachmittag im Kornhaus zählt zu den der heutigen Stadt gedacht. Am Abend zuvor hatte Anne Sternstunden des Wangener Kreises.“ Wachter den Maler, Graphiker und Schriftsteller Walter Die nächstjährigen 70. Wangener Gespräche finden Eberhard Loch anlässlich der Ausstellung „Im Rausch der vom 22. bis 25. Oktober 2020 im Rahmen der baden- Bewegung“ in Wangen vorgestellt. württembergischen Literaturtage statt. Vera Stiller Historische Umstände in poetische Sprache umgesetzt Christa Ludwig ist mit dem Eichendorff-Literaturpreis 2019 ausgezeichnet worden. Höhepunkt jeder „Wangener Gespräche“ ist die Verlei- ihrem gleichnamigen Roman an. Mit ihm, so war sie si- hung des mit 5.000 Euro dotierten Eichendorff-Litera- cher, sei der Schriftstellerin nicht nur die Einfühlung in turpreises. In diesem Jahr wurde die Auszeichnung mit Werte und Lebenswelt der Dichterin gelungen, sondern Christa Ludwig einer Autorin überreicht, der die Jury „die auch der ganz eigene „Lasker-Schüler-Ton“. genaue innere Nachzeichnung ihrer Figuren“ und die „in- Über zwei Jahrzehnte hinweg habe sich Christa nere Anteilnahme an Mensch und Natur“ bescheinigte. Ludwig mit ihrem Stoff beschäftigt, sagte Overlack und Zudem war man davon überzeugt, dass es die Autorin resümierte: „Zunächst sollte es eine populärwissen- vermag, „historische Umstände in poetische Sprache zu schaftliche Biografie werden. Aber schnell wurde klar, setzen“. dass Ludwig keine Sachbuchautorin ist.“ Zudem hätte die Damit gemeint war und ist Christa Ludwigs erster Frage im Raum gestanden, ob die Autorin „diese exal- Roman für Erwachsene „Ein Bündel Wegerich“, in dem sie tierte und überspannte Frau überhaupt aushalten kann“. die letzten Lebensjahre von Else Lasker-Schüler in Jeru- Und noch etwas. In ihrer Nachbemerkung zum Buch habe salem beschreibt. Anne Overlack, die die Laudatio hielt, es Christa Ludwig so formuliert: „Wir sind einander we- wollte einmal das „reiche Gesamtwerk“, das die Preisträ- sensfremd und werden es bleiben. Vielleicht verstehen gerin insbesondere jungen und jüngsten Lesern gewid- wir uns darum so gut!“ met hat, zum anderen aber die Annäherung an die 1869 Die Darstellung des Zeit-Kolorits und der Probleme, geborene jüdische Dichterin als Begründung für die Aus- die es in Palästina damals gab, seien wichtige Handlungs- zeichnung sehen. Und die auf der Bodenseehalbinsel Höri stränge, informierte Anne Overlack. Mit doppelter Stim- lebende Journalistin schwärmte: „Das Buch hat mich in me erzähle Ludwig die letzten Lebensjahre der Dichterin ganz besonderem Ausmaß fasziniert und beeindruckt.“ in Jerusalem nach. An keiner Stelle würde der Anspruch So war es keine Überraschung, dass sich Anne Over- erhoben, „so sei es gewesen“. Aber immer scheine die lack in weiten Teilen ihrer Ausführungen dieser jüdischen Gewissheit durch, „so könnte es gewesen sein“. Frau zuwandte, die Anfang des 20sten Jahrhunderts Noch einmal ließ die Rednerin Else Lasker-Schüler der Star der Berliner Bohème war und von ihr so cha- zu Wort kommen und zitierte: „Was nennt sich Dichter? rakterisiert wurde: „Sie wurde begafft und war bekannt, Alles! Verse kann jeder schließlich machen, aber ohne begehrt - und bitterarm.“ Overlack zeichnete den Weg Kitsch auf die Felsen fliegen - und zwar auf keine aus der „revolutionären Lyrikerin“ von Deutschland über die Papiermaché – suchen Sie so einen Dichter.“ Und Anne Schweiz bis Palästina nach und ließ diese sagen: „Ich bin Overlack war gewiss: „Wir haben diesen Dichter, diese nicht Hebräerin der Hebräer, aber Gottes willen!“ Dichterin, für heute gefunden!“ In einem weiteren Schritt stellte die Laudatorin Ge- Nachdem eine überglückliche Christa Ludwig den Li- meinsamkeiten zwischen Else Lasker-Schüler und Joseph teraturpreis aus den Händen von Dietrich Meyer, Vor- von Eichendorff her. Wenngleich die Gefühle von Sehn- standsvorsitzender der Stiftung Kulturwerk Schlesien, sucht, Heimweh und Liebe ihre radikal modernen Ge- entgegengenommen hatte, gestand sie: „Vor 20 Jahren dichte grundierten, so ständen sie doch „im engen Bezug stand ich schon einmal in Wangen und habe die Anfänge zu demjenigen, in dessen Namen heute gepriesen wird“. des Buches dem Literarischen Forum vorgestellt.“ Wie Wie Overlack vor Augen hielt: „Auch ein Abendlied haben sie sich freute, nach einiger Zeit der Abstinenz „endlich beide gedichtet, in dem Gott jeweils eine zentrale Rolle wieder zu Joseph von Eichendorff, seinem Taugenichts zukommt“, um sogleich einzulenken: „Selbst wenn beide und seinen Gedichten zurückgefunden zu haben“. Und wie Texte elegisch sind, die Melancholie der Dichterin ist grö- zuvor schon Anne Overlack, so stellte auch die Preis- ßer.“ trägerin die Gemeinsamkeiten und Gegensätze von Ei- Mit dem im Exil entstandenen Gedicht „Die Ver- chendorff und Lasker-Schüler gegenüber. Das Lyrische scheuchte“, in dem von einem „Bündel Wegerich“ die betreffend rief Christa Ludwig aus: „Beide haben es ge- Rede ist, gelangte Anne Overlack bei Christa Ludwig und troffen: das Zauberwort!“ Vera Stiller Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019 35
Leere Regale und Umzugskartons. Umzug der Bibliothek des Kulturwerks Neuer Aufstellungsort ist Herrnhut bei Görlitz. In Zusammenhang mit der Neukonzeption der Stiftung Stiftung in die Büroräume verbracht, wo sie nach wie vor Kulturwerk Schlesien und aus Erfordernissen der Kosten- zugänglich sind. einsparung hat das Kulturwerk im Oktober 2019 seine Die Bibliothek befindet sich nun in einem ehemaligen Bibliothek nach Herrnhut verlagern müssen. Die Biblio- Bibliotheksraum der Brüderunität in Herrnhut. Das Aus- theksräume in Würzburg wurden gekündigt, das Büro packen und Einstellen der Bücher wird noch einige Zeit der Stiftung in Würzburg unter der alten Adresse bleibt in Anspruch nehmen, so lange wird die Bibliothek nicht weiterhin bestehen. Den Umzug der rund 30.000 Bände zugänglich sein. Geplant ist die Zusammenfassung meh- und der Regale erfolgte durch die Firma „Grüne Radler“, rerer schlesischer Bibliotheken in Görlitz zu einer zukünf- eine sehr kompetente und empfehlenswerte Würzburger tigen Schwerpunktbibliothek Schlesien. Mit der Verlage- Umzugsfirma, die bereits 1904 gegründet wurde, und rung seiner Bibliothek hat das Kulturwerk einen ersten zwar tatsächlich – daher der Name – als grün unifor- Schritt in diese Richtung getan. Das Umzugsprojekt mierter Fahrradexpressdienst. wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, 695 Umzugskartons waren zu packen, Regale im Arbeit und Soziales ausgewählt und durch den Freistaat Umfang von 455 laufenden Metern ab- und in Herrnhut Bayern aus Haushaltsmitteln des Bayerischen Staats- wieder aufzubauen – eine Arbeit, die zwei Wochen in ministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert, Anspruch nahm. Zugleich wurden die Sammlungen der wofür die Stiftung sehr dankbar ist. 2020: Exkursion ins literarische Schlesien Orte, Autoren, Lesungen – zum Genießen und Mitmachen Nach den beiden überaus erfolgreichen Exkursionen der „Eichendorff-Weg“. Auf Schloss Wernersdorf ist eine öf- Vorjahre bieten die Freunde und Förderer der Stiftung fentliche Lesung mit Autoren der Erlebnisgeneration, die Kulturwerk Schlesien e.V. im kommenden Jahr wieder an der Reise teilnehmen werden, vorgesehen sowie im eine von Viola Plump organisierte Exkursion an. Unter Riesengebirge eine Naturlesung am Erle Bach-Gedenk- der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Christian stein. Natürlich gibt es auch Zeit zur freien Verfügung. Andree geht es um „Das literarische Schlesien im Spie- Übernachtungen sind vorgesehen in Breslau und gel der Zeiten. Barock – Romantik – Neuzeit“. Besucht Neisse sowie auf den Schlössern Plawniowitz in Ober- werden u.a. Breslau, Schloß Lubowitz, Neisse, Bad Salz- schlesien und Wernersdorf bei Hirschberg. Zustiegs- brunn und Agnetendorf (Haus Wiesenstein) – Orte, die möglichkeiten für die Busexkursion vom 21.-28. Juni mit bedeutenden schlesischen Dichtern und Schriftstel- 2020 bestehen in Würzburg und Dresden-Neustadt. An- lern verbunden sind, nicht nur mit Eichendorff, den Ge- meldeschluss ist der 15. Dezember 2019. Bitte beach- brüdern Hauptmann und Karl von Holtei. Besucht werden ten Sie, dass nur noch wenige Plätze frei sind! Weitere in Breslau das Germanistische Institut der Universität, Informationen zum Programm und den Preisen erhalten auf Schloss Plawniowitz ist ein Rezitationsabend geplant Interessenten über die Stiftung Kulturwerk Schlesien – Teilnehmer tragen aus den Werken ihrer schlesischen (Tel. 0931/5 36 96) oder direkt von Viola Plump (Tel. Lieblingsautoren vor – und in Neisse spaziert man den 0172/29 47 100). 36 Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019
Bitte unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung Kulturwerk Schlesien mit Ihrer Spende. Unser Spendenkonto: IBAN: DE34 7907 0016 0023 6000 00 BIC: DEUTDEMM790 Die Stiftung Kulturwerk Schlesien ist als gemeinnützig anerkannt. Selbstverständlich erhalten Sie auf Wunsch eine Spendenbescheinigung. Wir danken Ihnen. Erste Vorstandswahl in Breslau Freunde und Förderer der Stiftung Kulturwerk Schlesien e.V. wählen neuen Vorstand und blicken in die Zukunft. Erstmals in ihrer Geschichte kamen die Freunde und För- mensetzt aus Dr. Christian Fuchs (Berlin) als erstem derer der Stiftung Kulturwerk Schlesien e.V. zu einer Mit- Vorsitzenden, Dr. Brigitte-Ulrike Hainlein (Würzburg) gliederversammlung in Breslau zusammen. Sie fand am als zweiter Vorsitzender und Viola Plump (Bad Schwal- 22. Juni 2019 im Anschluss an die von diesem Verein or- bach) als geschäftsführendem Vorstandsmitglied. Der ganisierte Exkursion zur Industriekultur in Schlesien und Mindestmitgliedsbeitrag in Höhe von 60 Euro pro Jahr im Rahmen der Jahrestagung der Stiftung Kulturwerk wurde beibehalten. Neue Mitglieder sind herzlich willkom- Schlesien statt. Der Vorstand berichtete von seinen Tä- men. tigkeiten wie der abermals von Viola Plump organisierten 2020 wird ein entscheidendes Jahr für die Zukunft Exkursion, der finanziellen und ideellen Unterstützung der Stiftung Kulturwerk Schlesien sein, und die Freunde der Stiftung Kulturwerk Schlesien sowie von mehreren und Förderer werden die Stiftung tatkräftig unterstüt- Beitritten neuer Mitglieder. Nach dem Finanzbericht und zen. Zudem ist für nächstes Jahr wieder eine Exkursion jenem der Revisoren wurde der Vorstand entlastet. Es geplant, und zwar vom 21.-28. Juni 2020 zum Thema folgte die Neuwahl des Vorstands, der sich nun zusam- „Das literarische Schlesien im Spiegel der Zeiten“. Weihnachtsgrußkarten sind wieder bestellbar Stiftung Kulturwerk Schlesien bietet wieder ihre beliebten und inzwischen bekannten Weihnachtsgrußkarten an. Die Faltkarten bestehen aus einem Bild mit Schlesienbe- l Winterlandschaft im Riesengebirge von Paul Weimann zug und erläuterndem Rückentext und kosten jeweils mit (Motiv 11) einem gefütterten Briefumschlag 1,60 Euro zzgl. Porto. l Schloss Johannesberg von August Carl Haun (M.12) Erfreuen Sie Ihre Verwandten und Bekannten mit einem l Christkindelmarkt in Breslau von Bodo Zimmermann „schlesischen Weihnachtsgruß“. Bestellungen bitte an (Motiv 13) die Stiftung Kulturwerk Schlesien (Kardinal-Döpfner- Platz 1, 97070 Würzburg; Tel. 0931/5 36 96; info@ Weihnachtliche Traditionen kulturwerk-schlesien.de). l Backrezept „Liegnitzer Bombe“ (Motiv 14) Das Herauspo- Es werden folgende Motive angeboten, die auf der l Lied „Uff’m berge, da geht der Wind“ (Motiv 15) saunen der frohen Homepage der Stiftung unter „Unsere Veröffentli- l Gedicht „Markt und Straßen stehn verlassen“ von Botschaft (Gruß- chungen“, „Weihnachtsgrußkarten“ abgebildet sind: Joseph von Eichendorff (Motiv 16) kartenmotiv 5). Weihnachtskrippen l Waldenburg: Gesamtansicht der Krippe (Motiv 1) l Waldenburg: Das Jesuskindlein mit Maria und Josef (Motiv 2) l Waldenburg: Der Diener König Caspars mit dem Dro- medar (Motiv 3) l Bad Landeck: Ankunft der Hirten (Motiv 4) l Bad Landeck: Das Herausposaunen der frohen Bot- schaft (Motiv 5) l Bad Landeck: Anbetung der Heiligen Drei Könige (M. 6) Winterlandschaften schlesischer Künstler l Winterlandschaft bei Harrachsdorf von Paul Aust (Motiv 7) l Agnetendorf von Georg Lehmann-Fahrwasser (M.8) l Weihnachtsnacht von Karl Gottwald (Motiv 9) l Kirche Wang von M. Teichmann (Motiv 10) Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019 37
CHRONIK Mit „Deutschem Nationalpreis“ ausgezeichnet Die Preisträgerin Anita Lasker-Wallfisch ist in Breslau geboren. Am 3. September 2019 wurde die am 17. Juli 1925 Mitglied des Mädchenorchesters wurde. Ihre Schwe- in der schlesischen Hauptstadt Breslau geborene Ani- ster Renate traf erst 1944 in Auschwitz ein. Das Lager ta Lasker-Wallfisch von Bundespräsident Frank Walter wurde im November 1944, als sich die Rote Armee den Steinmeier in Berlin mit dem „Deutschen Nationalpreis“ Reichsgrenzen näherte, aufgelöst, die Häftlinge wurden ausgezeichnet. Der Preis wird seit 1997 vergeben und ins Konzentrationslager Bergen-Belsen verbracht. Am ist mit 30.000 Euro dotiert. 15. April 1945 wurden sie von britischen Truppen be- Anita Lasker war die jüngste von drei Töchtern des freit, ein Jahr später wanderten beide Schwestern nach Breslauer Rechtsanwalts Alfons Lasker und seiner Ehe- England aus. frau Edith, einer Violinistin. Die jüdische Familie war as- Anita Lasker heiratete später in London den jü- similiert, bildungsbürgerlich orientiert und unreligiös. Es dischen Pianisten Peter Wallfisch (1924-1993), der auch gelang den Eltern 1939, noch vor Kriegsbeginn am 1. aus Breslau stammte; Renate Lasker arbeitete als Jour- September, die älteste Tochter Marianne als Begleiterin nalistin, heiratete den deutschen Journalisten und Buch- jüdischer Kinder nach England in Sicherheit zu bringen. autor Klaus Harpprecht (1927-2016) und lebt heute in Die beiden jüngeren Töchter Renate und Anita blieben Frankreich. Über ihre Erlebnisse hat sie 1972 den Ro- in Breslau, auch nachdem ihre Eltern deportiert wor- man ‚Familienspiele‘ veröffentlicht, während ihre Schwe- den waren, und mussten in einer Papierfabrik arbeiten. ster Anita ihre Erinnerungen unter dem Titel ‚Ihr sollt die Nachdem ein Fluchtversuch der beiden Schwestern mit Wahrheit erben. Die Cellistin von Auschwitz‘ (1997) nie- gefälschten Pässen nach Frankreich misslungen war, dergeschrieben hat. Am 31. Januar 2018, dem Jahres- wurden sie verhaftet und wegen Urkundenfälschung am tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz 5. Juli 1943 verurteilt. durch die Rote Armee, durfte sie im Deutschen Bundes- Anita Lasker wurde im Dezember 1943 ins Konzen- tag eine Rede zum Thema „Antisemitismus“ halten. trationslager Auschwitz deportiert, wo sie als Cellistin Jörg Bernhard Bilke Stand und Perspektiven der Heimatpresse Möglichkeiten der Vernetzung, Umstrukturierung und Einsatz neuer Medien Im Rahmen eines von der Beauftragten der Bundesregie- zeitig minimaler personeller Ausstattung eine Zusam- rung für Kultur und Medien (BKM) geförderten Projekts menarbeit zunehmend erforderlich sei. Dies gelte insbe- führt die Bonner Kulturstiftung der deutschen Vertrie- sondere auch für die auszubauenden Internetpräsenzen. benen derzeit eine Reihe von Workshops zum Thema der Im Hinblick auf die redaktionelle Nachwuchsgewinnung eigenständigen Kulturarbeit der deutschen Heimatver- wurde dafür plädiert, „altes Denken“ zu überwinden und triebenen durch. Es geht darum, Möglichkeiten auszu- „inklusive Ansätze“ zu verfolgen. So dürfe die Mitarbeit loten, wie diese Kulturarbeit gestärkt bzw. zukunftsfähig eines an der Thematik der historischen deutschen Ost- gestaltet werden kann, und auch, in welcher Weise die und Siedlungsgebiete interessierten Redakteurs nicht Kulturstiftung in diesem Sinne unterstützend tätig wer- von dessen „familiären Wurzeln“ abhängig gemacht wer- den kann. den. Zudem solle versucht werden, auch interessierte Nach Veranstaltungen zur Kooperation und Ver- Studenten aus den Fachbereichen der Geschichts- und netzung der Kultureinrichtungen untereinander und mit Kulturwissenschaften sowie der Osteuropastudien für denen der deutschen Minderheiten im östlichen Europa, eine redaktionelle Mitarbeit zu gewinnen. Anreiz sei, ih- zur Verbindung der Einrichtungen mit der universitären nen die Möglichkeit zu geben, wissenschaftliche Artikel zu Forschung, dies nicht zuletzt unter dem Aspekt der wis- veröffentlichen, was während des Studiums in anderen senschaftlichen Nachwuchsgewinnung, und generell zur Publikationsorganen in der Regel nicht möglich ist. Auch Ansprache der Jugend bzw. der landsmannschaftlichen an einer Redaktionsarbeit interessiere Schüler könnten Jugendorganisationen fand nun am 3. und 4. Juli 2019 für eine langfristige Mitarbeit gewonnen und deren Medi- im Haus Schlesien in Königswinter ein weiterer Work- enkompetenz auf Schulungen, wie sie heute beispielswei- shop statt, bei dem Stand und Perspektiven der Publika- se von der Jugendorganisation der Landsmannschaft der tionsorgane der Kultureinrichtungen und der landsmann- Deutschen aus Russland angeboten werden, gestärkt schaftlichen Organisationen im Mittelpunkt standen. werden. Bei den Teilnehmern aus dem Kreis der Redakteure, Ein eigener Themenblock des Workshops beschäf- Journalisten sowie mit den Publikationsorganen be- tigte sich mit den Heimatbriefen und Heimatblättern, die fassten Institutionen bestand Einigkeit darüber, dass ge- es aufgrund der bedenklichen Altersstruktur der Mitar- rade vor dem Hintergrund der immensen Kosten für die beiter nachhaltig zu unterstützen gelte, wolle man deren Herausgabe von Zeitschriften und Zeitungen bei gleich- Erhalt für die Zukunft überhaupt gewährleisten. Im Ein- 38 Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019
zelfall müsse auch eruiert werden, ob das Blatt in Form „Online-Handbuch Heimatpresse“ vor. In dem wissen- einer Beilage in überregionale Zeitungen der einzelnen schaftlichen Nachschlagewerk finden sich bereits jetzt Vertriebenengruppen eingegliedert werden könnte. Allein umfassende Informationen zur Publizistik der Deutschen die Zahl von geschätzt etlichen hundert Titeln solcher in und aus dem östlichen Europa nach 1945. Publikationen veranschaulicht, vor welche Herausfor- Die Teilnehmer des Workshops verfolgten mit groß- derungen Wissenschaftler gestellt sind, wenn sie sich em Interesse die Ausführungen zu dem von der BKM einen Überblick über dieses Teilsegment der deutsch- geförderten Projekt, das es letztlich ermöglichen soll, sprachigen Presselandschaft verschaffen möchten. Der die Bestände in digitalisierter Form als wichtige Quelle stellvertretende Leiter des Instituts für Volkskunde der zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Kultur und Ge- Deutschen des östlichen Europa, Dr. Hans-Werner Ret- schichte der Heimatvertriebenen zu nutzen. terath, stellte in diesem Zusammenhang das Projekt Thomas Konhäuser Verleihung des 43. Kulturpreises Schlesien Ein Hauptpreis wurde an den Breslauer Künstler und Glasdesigner Professor Zbigniew Horbowy verliehen. Der Niedersächsische Kultusminister, Grant Hendrik Weltkrieg verlassen musste, kehrte Helmut Goebel im Tonne, hat am 28. September 2019 im Lessingtheater in Laufe seines Lebens bis heute weit über einhundert Mal Wolfenbüttel den 43. Kulturpreis Schlesien des Landes in sein Heimatdorf zurück und widmete sich vor allem mit Niedersachsen verliehen. In seiner Rede beim Festakt im großer Leidenschaft dem Erhalt der Denkmäler. Durch Lessingtheater in Wolfenbüttel hob Tonne die Bedeutung sein Engagement hat er nicht nur in Deutschland, son- Schlesiens im vereinten Europa hervor. Er vertrat den dern auch in Polen viel Anerkennung erfahren: Ihm wurde Niedersächsischen Minister für Inneres und Sport, Boris bereits 1986 das Bundesverdienstkreuz und 2013 der Pistorius. Verdienstorden der Klasse Fünf der Republik Polen ver- Ein Hauptpreis wurde an den Breslauer Künstler und liehen. Glasdesigner Professor Zbigniew Horbowy verliehen. Der Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kul- Horbowy wurde 1935 in Lantschyn bei Kolomyia gebo- tur e. V., vertreten durch den Vorsitzenden Christopher ren und widmete sein ganzes Leben dem Glasdesign. Er Schmidt-Münzberg, erhielt den diesjährigen Sonderpreis. gründete eine eigene Designerschule und war weit über Gegründet im Jahr 1993, hat der Verein heute seinen ju- Schlesien hinaus bekannt. Außerdem war er Gewinner ristischen Sitz in Görlitz. Ausgangspunkt vieler kultureller zahlreicher Auszeichnungen, unter anderem der höch- Aktivitäten ist das Schloss Lomnitz bei Hirschberg. Mit sten kulturellen Auszeichnung in Polen, der Gloria-Artis- zahlreichen Restaurierungen, Ausstellungen und weite- Medaille für kulturelle Verdienste in Silber und Gold. Hor- ren Aktivitäten erfüllen die mehr als 300 Mitglieder des bowy starb am 17. Juni dieses Jahres, weshalb ihm die Vereins sein satzungsmäßiges Ziel, nämlich die Förde- Auszeichnung posthum verliehen wurde. rung, Pflege und Erhaltung schlesischer Kulturwerte. Einen weiteren Hauptpreis erhielt der ehrenamtliche Im nächsten Jahr wird die Preisverleihung turnus- Denkmalpfleger Helmut Goebel, geboren 1925 in Nie- mäßig in der Woiwodschaft Niederschlesien stattfinden. derschwedeldorf in der Grafschaft Glatz. Nachdem er Der Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen mit seiner Familie den elterlichen Hof nach dem Zweiten wird seit 1977 verliehen. PERSONEN „Nicht nur reden oder fordern, sondern vielmehr handeln“ Maxi-Monika Thürl erhält das Bundesverdienstkreuz für ihr vielfältiges ehrenamtliches Engagement. Für ihr vielfältiges ehrenamtliches Engagement wurde re für den Naturschutz, den Lokale-Agenda-21-Prozess Maxi-Monika Thürl am 11. Oktober 2019 in ihrer Hei- und die Gründung eines Fahrdienstes für ältere Mitbürger matgemeinde Seckach im Neckar-Odenwald-Kreis mit in ihrer Gemeinde sowie in der Flüchtlingshilfe und -be- dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der treuung engagiert. „Nicht nur reden oder fordern, son- Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Während dern vielmehr handeln“ – dies kennzeichne Maxi-Monika des Festakts würdigten Peter Hauk, baden-württem- Thürls Wirken, so Landrat Dr. Brötel in seiner Laudatio. bergischer Minister für Ländlichen Raum und Verbrau- Maxi-Monika Thürl engagiert sich aber als gebürtige cherschutz, Landrat Dr. Achim Brötel, Bürgermeister Liegnitzerin auch in der Stiftung Kulturwerk Schlesien. Thomas Ludwig sowie Viola Plump die Verdienste der Ge- Hier ist sie einen Tag in der Woche ehrenamtlich aktiv, ehrten; musikalisch umrahmt wurde die Verleihung durch hat etwa den Nachlass der Schriftstellerin Dagmar von die Sopranistin Erna Diel, begleitet am Klavier von Erika Mutius verzeichnet. Auf die schlesischen Aspekte ihres Schneider, und durch die Jazzband „Grünspan“. Lebens ging Viola Plump, geschäftsführendes Vorstands- Maxi-Monika Thürl, die 37 Jahre lang als Schulleiterin mitglied der Freunde und Förderer der Stiftung Kultur- im Ortsteil Großeicholzheim wirkte, hat sich insbesonde- werk Schlesien e.V., deren Mitglied Maxi-Monika Thürl Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019 39
ist, in ihrer Laudatio ein. So begründe die Erfahrung der Monika Thürl launig ihr Leben unter anderem mit Versen im Februar 1945 erfolgten Flucht der Dreijährigen aus aus ihrem Poesiealbum Revue passieren. Liegnitz deren tatkräftiges Engagement für geflüchtete Der festliche Abend endete mit Glückwünschen, Mitmenschen. Mit der Verleihung eines Ordens gehe es Blumen und Präsenten für die Geehrte und mit ihrem um die Sichtbarmachung von Verdiensten in Form gesell- Eintrag in das Goldene Buch der Gemeinde. Und zum fol- schaftlicher Anerkennung. In ihrer Dankesrede ließ Maxi- genden Umtrunk spielte die Jazzband so richtig auf! NEUES AUS DEM HAUS SCHLESIEN Auf Beethovens Spuren in Böhmen, Mähren und Schlesien Eindrücke einer zehntägigen Studienreise Anlässlich des 250. Geburtstags des großen Kompo- Die Fahrt führte zunächst in Richtung Eger nach Fran- nisten Ludwig van Beethoven (1770-1827) begaben sich zensbad. Hier begeisterte das Kurviertel durch die ruhige 40 interessierte Teilnehmer unter der Leitung von Dr. Lage und seine „kaisergelben” Prachtbauten. Bei einem Inge Steinsträßer, Bonn, Nicola Remig und Bernadett Abendspaziergang entdeckte die Gruppe auch die in Fischer vom Haus Schlesien sowie Dr. Solveig Palm, deutscher Sprache verfasste Gedenktafel an Beethovens Vorsitzende des Netzwerks Ludwig van B., vom 29. Mai Aufenthalt im Sommer 1812. Hier trat auch erstmals bis 7. Juni 2019 auf eine höchst anregende Reise in die die kleine goldene Plastik „Unser Ludwig” in Aktion, die historischen Regionen Böhmen, Mähren und Schlesien. durch die großzügige Spende eines Mäzens fortan zum Am Anfang stand ein musikalisch-kulturhistorischer viel bewunderten Maskottchen unserer Reise wurde. In Einführungsabend im Eichendorffsaal von Haus Schlesien, Karlsbad besuchten wir das weltweit größte Beethoven- gestaltet von Dr. Inge Steinsträßer und Dr. Solveig Palm, denkmal, geschaffen 1929 von Hugo Uher (1882-1945), musikalisch untermalt am Gerhart Hauptmann-Flügel schlenderten über die Kurpromenade „Alte Wiese” mit von den beiden Nachwuchsmusikern Monan Jülich (32 ihren malerischen Brunnenkolonnaden, schönen Bürger- Variationen über ein eigenes Thema, c-Moll Variationen) häusern, dem Theater und der Maria Magdalenenkirche und Katharina Xie (Klaviersonate c-moll „Pathétique“). (Kilian Ignaz Dientzenhofer). Wir verweilten vor dem Wer sich vorher fragte, welchen Bezug Böhmen, Mäh- berühmten Grandhotel Pupp, wo Beethoven im August ren, Schlesien wohl haben mögen zum in Bonn geborenen 1812 im „Böhmischen Saal” ein Benefizkonzert gab, zu- Beethoven, der seine Hauptschaffens- und Lebenszeit in gunsten des zuvor abgebrannten, von ihm viel geliebten Wien zubrachte, wurde an diesem Abend vorzüglich in und besuchten Kurorts Baden bei Wien. die Thematik eingeführt. Beethoven hielt sich nämlich in Unsere nächste Station: Teplitz in Nordböhmen, im den Jahren 1806 und 1811/1812 viele Monate in den 19. Jahrhundert als „Salon Europas” bekannt, ist für die Böhmischen Bädern und auf Schloss Grätz bei Troppau Beethovenforschung von besonderer Bedeutung. Hier auf, um einerseits Besserung für seine angegriffene Ge- fand 1812 die legendäre Begegnung Beethovens mit sundheit zu erfahren, andererseits um bei seinem Freund Johann Wolfgang von Goethe statt, und hier schrieb und Gönner Fürst Carl von Lichnowsky in Grätz Erholung Beethoven den berührenden Brief an die „Unsterbliche zu suchen. Dort konnte er sich in ruhiger und beschau- Geliebte”. Die Identität der Adressatin ist bis heute im licher Landschaft ganz auf die Musik konzentrieren. Dem Verborgenen geblieben. Vermutlich steht auch Beetho- Fürsten Lichnowsky widmete er u.a. die „Pathetique” und vens Liederzyklus „An die ferne Geliebte“ aus dem Jahre die Symphonie Nr. 2, D-Dur. 1816 in Zusammenhang mit diesem nie geklärten Ge- Vor dem Beethovendenkmal in Karlsbad. 40 Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019
heimnis. In der Villa Diplomat präsentierten Studierende Freund und Schüler Erzherzog Rudolph von Österreich und Dozenten des Teplitzer Konservatoriums für uns mu- (1788-1831), waren Ziele unseres Stadtrundgangs. Und sikalische Kostproben aus Beethovens reichem Schaffen, musikalisch? Wir nahmen teil an der Generalprobe der u.a. hörten wir das selten gespielte Duo für zwei Flöten Mährischen Philharmonie für Beethovens 8. Symphonie G-Dur, die Mondscheinsonate Cis-moll, die Klaviersonate F-Dur. Neben dem Pult des jungen Dirigenten stand wie F-moll (Appassionata). Es folgte ein Besuch des weitläu- gewohnt „Unser Ludwig” und verfolgte das Geschehen figen Kurviertels und der Kapelle auf dem Gelände des mit sichtbarem Vergnügen. Ein Besuch im ehemaligen Teplitzer Gymnasiums. Prämonstratenserkloster Hradisch am Stadtrand, we- Fester Standort für die folgenden Tage war das Hotel gen der Architektur auch „Mährischer Escorial” genannt, „Koruna” in Troppau. Eine Stadtführung führte uns zur rundete den Olmütz-Besuch ab. Minoritenkirche zum Heiligen Geist, wo 1811 Beetho- Unser letzter Tag im ehemaligen Österreichisch- vens C-Dur Messe aufgeführt wurde. Die Besichtigung Schlesien war dem früheren Residenzsitz Jägerndorf von Schloss Grätz der Grafen Lichnowsky, heute Mu- gewidmet, wo wir die Synagoge besuchten und die nach seum, stimmte uns auf einen wunderbaren Abend mit 1945 prächtig wiederhergestellte Stadtanlage erkun- einem musikalischen Leckerbissen ein: Das Max Joseph- deten, u.a. auf den Spuren des Jugendstilarchitekten Trio aus München und Colorado (Guido Gärtner, Benedikt Leopold Bauer (1872-1938), eines gebürtigen Jägern- Don Strohmeier und Adam Żukiewicz) spielte das frühe dorfers. Es-Dur-Klaviertrio op. 1/1 von Ludwig van Beethoven Den Sprung über die tschechisch-polnische Grenze und das g-Moll-Klaviertrio op. 26 von Antonín Dvořák, nach Oberglogau auf der Heimfahrt hätte niemand mis- abgerundet vom langsamen Satz aus Chopins Klaviertrio sen mögen. Es erwartete uns dort ein kaum vorstellbares g-moll op.8. Gefördert wurde das Konzert vom Sudeten- Highlight: Das Schloss der Reichsgrafen von Oppersdorff, deutschen Musikinstitut Regensburg, das sich seit vie- nach 1945 dem Verfall preisgegeben, darf dank der Eu- len Jahren in besonderer Weise dem Musikschaffen des ropäischen Union und dank aufgeschlossener Stadtver- böhmisch-mährischen Kulturraums widmet. antwortlicher auf Wiederherstellung hoffen! Hier war Weitere Ziele unserer Reise waren die Altvaterre- Beethoven 1806 zu Gast gewesen; dem Grafen Franz von gion mit der Gipfelbesteigung des Altvaters (1492 m), Oppersdorff (1778-1818) hatte er seine 4. Symphonie das entzückende, ganz aus Holz errichtete kleine Bad B-dur gewidmet. Der junge Leiter des Regionalmuseums Karlsbrunn inmitten weiter Wälder, die ehemalige Be- steckte uns an mit seiner Begeisterung für die Schloss- zirkshauptmannsstadt Freiwaldau, Wirkungsort des sanierung, für den Plan einer künftigen Beethoven-Aka- Komponisten Carl Ditters von Dittersdorf (1739-1799), demie und für seine schöne oberschlesische Stadt mit sowie Schloss und Stadt Freudenthal, bis 1939 im Be- ihrer reichen Geschichte und Architektur. sitz des Deutschen Ordens. Hier begegneten wir auch Schloss Braunau bei Löwenberg, unser letzter Über- Beethovens erstem Mäzen und Förderer, Hochmeister nachtungsort, entließ uns für einen langen Heimweg. Mit Erzherzog Maximilian Franz von Österreich (1757-1801), reichen Erlebnissen und Eindrücken einer ereignisreichen der in Bonn als Kurfürst und Erzbischof von Köln den Studienreise, mit grenzüberschreitenden guten mit- jungen Musiker als Organisten in die Hofkapelle aufnahm menschlichen Begegnungen, mit neuen Kenntnissen und und ihm 1787 einen ersten Studienaufenthalt in Wien Erkenntnissen kehrten wir ins Haus Schlesien zurück. – gewährte. Die nächste Studienreise auf Beethovens Spuren findet Ein weiterer Höhepunkt unserer Reise war ein Besuch vom 27. Mai bis 5. Juni 2021 statt. Nähere Informatio- in Olmütz. Dank seiner günstigen geografischen Lage, nen erhalten Interessenten bei Frau Bernadette Fischer der alten Universität und seiner kulturellen und religiösen im Haus Schlesien (Tel. 02244/886 231). Traditionen war Olmütz jahrhundertelang das natürliche Inge Steinsträßer Zentrum Mährens. Die historische Innenstadt mit ihren schönen Brunnen am Ober- und Unterring, der Dreifal- HAUS SCHLESIEN - Dokumentations- und Informations- tigkeitssäule, dem historischen Rathaus mit der astrono- zentrum für schlesische Landeskunde mischen Uhr, der wuchtigen gotischen Stadtpfarrkirche Dollendorfer Straße 412, 53639 Königswinter St. Mauritius mit der berühmten Engler-Orgel und dem Tel: 02244/88 60; www.hausschlesien.de Dom St. Wenzel, einst Wirkungsort von Beethovens Di-Fr 10-12, 13-17 Uhr; Sa, So und Feiertag 11-18 Uhr NEUES AUS DEM OBERSCHLESISCHEN LANDESMUSEUM 40 Jahre Club RATINGER MALER Der Club vereint Mitglieder aus Deutschland und anderen europäischen Ländern, aus den USA, Kanada und Japan. Zum Abschluss ihrer Jubiläumsfeierlichkeiten präsentie- der Club Ratinger Maler fast 50 Mitglieder. Gegründet ren sich die Ratinger Maler mit einer großen Sonderaus- wurde er von Otto Bartsch, der aus Leobschütz in Ober- stellung im Oberschlesischen Landesmuseum. Mit etwa schlesien stammt. 20 Jahre leitete er die Geschicke und 20 an Malerei und Kunst Interessierten, teils befreun- wurde danach Ehrenvorsitzender. Elfi Lütcke leitet den deten und bekannten Kreativen fing alles an. Heute zählt Club nun über weitere zwanzig Jahre, unterstützt von ih- Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019 41
Der von dem Oberschlesier Otto Bartsch gegrün- rer Stellvertreterin und den vielen rührigen Mitgliedern. Die Ausstellung vom 13. Oktober bis 8. Dezember 2019 dete Club Ratinger Der Club vereint in seinen Reihen Mitglieder aus Deutsch- bietet einen umfassenden Überblick der langjährigen Ar- Maler präsentiert land und anderen europäischen Ländern, aus den USA, beit mit abstrakter wie gegenständlicher Malerei, Bild- seine Werke im Kanada und Japan. Drei bis vier Ausstellungen pro Jahr hauerarbeiten und diversen Objekten. Sie verdeutlichen Oberschlesischen Landesmuseum. werden gemeinsam realisiert. So können die Ratinger die Bandbreite an Techniken, Materialien und Themen, Foto: OSLM. Maler insgesamt auf 150 Ausstellungen zurückblicken. mit der die Gruppe heute aufwarten kann. Schaukelpferd und Zinnsoldaten Ausstellung zu Kindheit und Jugend in Schlesien wurde verlängert. Wäre es nicht schön, die Welt noch einmal durch Kin- bis hin zu Zeichentrickfilmen - die Leihgaben aus zahl- deraugen zu betrachten? Das Oberschlesische Landes- reichen Museen in Deutschland und Polen sprechen alle museum verlängert seine imaginäre Reise in die Kindheit Generationen an. Den Alltag der Kinder prägten auch das bis zum 10. Mai 2020. Mit vielen beeindruckenden Ex- Zusammenleben verschiedener Religionen und Nationali- ponaten werden verschiedene Stationen im Leben eines täten, zwei Weltkriege, Heimatverlust durch Umsiedlung, Kindes visualisiert. Von der Wiege über den Schulranzen Flucht, Vertreibung oder das Leben im Kommunismus. Im Fluss der Zeit - jüdisches Leben an der Oder Deutsch-polnische Wanderausstellung widmet sich der jüdischen Geschichte. Die Landschaft an der Oder mit ihren wechselnden herr- met sich Momenten der jüdischen Geschichte beiderseits schaftlichen und nationalen Zugehörigkeiten war über der Oder. Sie will zum Nachdenken und zum Gespräch Jahrhunderte ein Begegnungsraum. Hier kreuzten sich zwischen den ehemaligen und heutigen Bewohnern der auch die deutsch-jüdische und die polnisch-jüdische Kul- Region anregen. Sie ist zugleich eine Einladung zur Neu- tur. In der Neuzeit bedrohte der Nationalismus, gepaart entdeckung des deutsch-polnisch-jüdischen Kulturerbes mit dem Antisemitismus, diese kulturelle Vielfalt an Oder, dieser Landschaft. Die Ausstellungsstation im Ober- Obra und Warthe, der Nationalsozialismus zerstörte sie. schlesischen Landesmuseum wird durch Ausstellungsta- Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden weite Abschnitte feln aus dem Haus Schlesien in Königswinter und eigene der Oder zur deutsch-polnischen Grenze und die deut- Informationen zur jüdischen Geschichte in Oberschlesien sche Bevölkerung aus den Regionen östlich des Flusses ergänzt. Zu sehen ist die Ausstellung vom 15. Dezember vertrieben. Polen fanden hier eine neue Heimat und für 2019 bis 23. Februar 2020. kurze Zeit schien es, dass in Niederschlesien und Pom- Darüber hinaus bietet das Oberschlesische Landes- mern jüdisches Leben heimisch werden könnte. Mehrere museum viele zusätzliche Veranstaltungen von Ausstel- Zehntausend polnisch-jüdische Holocaustüberlebende lungsführungen über den Aquarellkurs bis hin zum Solo- siedelten sich hier an, doch die meisten wanderten bis konzert an. Alle Termine finden sich auf der Homepage. Ende der 1960er Jahre wieder aus. Die jahrhundertelan- ge Anwesenheit von Juden an der Oder fiel dem Verges- Oberschlesisches Landesmuseum (OSLM) sen anheim, ihre Spuren wurden oft zerstört. Bahnhofstraße 62, 40883 Ratingen (Hösel) Die deutsch-polnische Wanderausstellung des Deut- Tel.: 0 21 02/96 50, www.oslm.de, Di-So 11-17 Uhr, schen Kulturforums Östliches Europa in Potsdam wid- geschlossen 23.12.2019 – 1.1.2020 42 Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019
NEUES AUS DEM SCHLESISCHEN MUSEUM ZU GÖRLITZ Fast 1500 Seiten Gryphius! Vollständige Gesamtausgabe der Werke des schlesischen Barockdichters Andreas Gryphius (1616-1664) erworben Dem Schlesischen Museum zu Görlitz gelang es kürzlich bei einer Auktion, die erste vollständige Gesamtausga- be der Werke des schlesischen Barockdichters Andreas Gryphius (1616-1664) zu erwerben. Andreas Gryphius stammte aus einer wegen ihrer evangelischen Konfes- sion verfolgten Glogauer Familie. Er war einige Jahre als Hauslehrer im schlesischen Freystadt tätig, absolvierte Studien in Leiden und bereiste Frankreich und Italien. Nach seiner Rückkehr nach Glogau vertrat er als Syndi- kus die Rechte der protestantischen Landstände gegen die Landesherrschaft. Gryphius gilt als Vater des deutschen Dramas und ist heute (neben Hans Jakob Christoffel von Grimmelshau- sen) der bekannteste Autor des deutschen Barock. Seine Dramen und seine Lyrik sind geprägt durch die Erfahrung des Dreißigjährigen Krieges. Sie beklagen die Hinfälligkeit der weltlichen Ordnung und feiern die Standhaftigkeit des Gerechten gegenüber Gewalt und Willkür. Zu Lebzeiten gab er selbst schon drei Gesamtausgaben seiner Werke heraus. 1698, 34 Jahre nach seinem Tod, erweiterte sein Sohn Christian Gryphius (1649-1706) diese Samm- Der in schmuckloses Schweinsleder gebundene, über Frontispiz und Titel- lung um einige bisher nicht publizierte Schriften, so dass 320 Jahre alte Band in Klein-Oktavformat umfasst beide blatt. Foto: SMG. erst jetzt eine echte Gesamtausgabe erschien. Ein Exem- Teile mit 959 und 509 Seiten. Gedruckt wurde das Buch plar mit nahezu 1500 Seiten befindet sich nun im Biblio- in Breslau und Leipzig bei den Fellgiebelischen Erben. Ge- theksbestand des Schlesischen Museums. genüber dem Titelblatt ist dem Werk ein von Cornelius Christian Gryphius war von 1674 bis 1686 Professor Nicolaus Schurtz gestochener allegorischer Kupferstich der klassischen Sprachen am Elisabethgymnasium und beigegeben; dem Vorwort folgen sieben Porträts (fiktiver) dann Rektor des Magdalenengymnasiums in Breslau. antiker Persönlichkeiten, die in Bezug zu den nachfolgend Selbst ein geachteter Gelehrter, Pädagoge und Dich- abgedruckten Werken von Andreas Gryphius stehen. ter, edierte er 1698 die „Um ein merckliches vermehrte Der damit vollständige Band ist eine wichtige Be- Teutsche Gedichte“ seines Vaters in zwei Teilen. Dem reicherung für die Bibliothek des Museums, die bisher zweiten Teil gab er den Titel „Andreae Gryphii Poetische nur über eine juristische Arbeit von Andreas Gryphius Wälder Anderer Band“. In seinem Vorwort zählt er die (Glogauisches Fürstenthumbs Landes Privilegia, aus dem hinzugefügten Schriften auf und verweist auch auf wei- Originalen an den tag gegeben von Andrea Gryphio. Lissa tere Manuskripte unvollendeter Werke seines Vaters. 1653) verfügte. Martin Kügler Schlesisches Glas in vielen Facetten Aktuelles zur Glasforschung und Glasherstellung im Riesengebirge Schlesien hat eine lange und glorreiche Tradition in der Der Geschichte der Glasherstellung in dieser Region Herstellung von Glas. Sie reicht von den mittelalterlichen widmete sich eine Tagung der Deutschen Glastechnischen Waldglashütten in der Grafschaft Glatz und im Riesen- Gesellschaft (DGG), die vom 19. bis 22. September 2019 gebirge bis hin zur industriellen Produktion im 19. und im Schlesischen Museum zu Görlitz stattfand. Über 50 20. Jahrhundert. Bedeutende Orte waren zum Beispiel Glasexperten aus Deutschland und Polen besuchten bei Weißbach und Winterberg (heute Ortsteile von Schrei- einer Exkursion u.a. die historischen Produktionsstätten berhau) als Produktionsstätten der Familie Preussler sowie die Glassammlung des Riesengebirgsmuseums für barockes Glas. Hermsdorf unterm Kynast und Bad in Hirschberg. Warmbrunn waren vom 17. bis zum 19. Jahrhundert Dort wurde eine Woche später am 27. September Wirkungsstätten berühmter Glasschneider, so u.a. von das „Laboratorium Szkła“ eröffnet. In einem neu errich- Friedrich Winter und Gottlieb Schneider. In der Jose- teten Anbau neben dem Museumseingang ist nun eine phinenhütte in Oberschreiberhau wurden ab 1842 kunst- vollständige Glasmacherwerkstatt mit Öfen und Geräten voll verzierte Gläser hergestellt. Ab 1866 produzierte die zu besichtigen. Sie soll Glaskünstlern als Atelier dienen, Firma Fritz Heckert in Petersdorf, heute Huta Julia. die von den Besuchern bei der Arbeit beobachtet wer- Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019 43
den können. Gleichzeitig wurde die geplante „Glasstraße in dem Kinder und Erwachsene selbst noch intensiver an der polnisch-tschechischen Grenze“ („Szlak szkła na am Herstellungsprozess teilnehmen können. In einem polsko-czeskim pograniczu“) vorgestellt. Sie verbindet die musealen Bereich wird über die Firma Heckert und die Orte Hirschberg, Petersdorf und Schreiberhau in Polen Fortführung der Produktion nach 1945 berichtet. Unter sowie Harrachsdorf, Gablonz, Reichenbach und Haida in dem Motto „Leben und wohnen mit Glas“ werden auch Tschechien, wo Museen und Glashütten besichtigt wer- historische Wohnsituationen nachgestellt. Die Eröffnung den können. ist für Frühjahr 2020 geplant. In Petersdorf bietet die Firmenleitung der „Huta Julia“ Das Schlesische Museum zu Görlitz ist ebenfalls an Besuchern bereits seit Jahren die Möglichkeit, die Glas- den Aktivitäten rund um die schlesischen Glastraditionen produktion aus der Nähe zu erleben. Derzeit entsteht beteiligt. Ab 4. April 2020 ist die Ausstellung „Glas von hier auf dem ehemaligen Gelände der Firma Heckert Heckert 1866-1923“ zu sehen – ein repräsentativer ein neues Bildungs- und Informationszentrum für Glas, Querschnitt an farbenfrohem Kunstglas. Martin Kügler Neue Sonderausstellung: Avantgarde in Breslau 1919 – 1933 Breslau war Treffunkt der internationalen Moderne und wichtiger Impulsgeber neben dem Bauhaus in Weimar. Anlässlich des „Bauhaus-Jahres“ 2019 zeigt das Schle- Die Ausstellung skizziert das vielfältige Experimen- sische Museum vom 13. September 2019 bis 23. Fe- tierfeld der Kunst- und Kulturschaffenden in Breslau: bruar 2020 eine Sonderausstellung, die Breslau als Sie zeigt den Aufbruch der jungen Generation kurz nach Treffunkt der internationalen Moderne und wichtigen dem Ersten Weltkrieg unter dem Einfluss des Expressi- Impulsgeber neben dem Bauhaus in Weimar und Dessau onismus, der vom Berliner Sturm-Galeristen Herwarth vorstellt. Vor allem die Breslauer Akademie für Kunst Walden und anderen Protagonisten wie dem bekannten und Kunstgewerbe entwickelte sich in den 1920er Jah- Otto Mueller nach Breslau vermittelt wurde. Breiten Carl Robert Pohl ren unter der Direktion des Malers Oskar Moll zu einer Raum nimmt zugleich das vielfältige Schaffen der Avant- (1891-1946): Institution mit europäischer Strahlkraft und zog für ein garde-Künstler ein, die Oskar Moll für sein auf künstle- Eichen im Gewitter. Jahrzehnt herausragende Vertreter der Klassischen rische Vielfalt angelegtes Lehrkonzept an die Breslauer 1920er Jahre. Privatbesitz. Foto: Moderne an, darunter auch Künstler des Bauhauses wie Akademie holte: Alexander Kanoldt und Carlo Mense als © R. Pech, SMG. Oskar Schlemmer und Georg Muche. wichtige Vertreter der Neuen Sachlichkeit, der geniale Zeichner Paul Holz als Reformer des Kunstunterrichts, Johannes Molzahn und die ehemaligen Bauhaus-Meister Schlemmer und Muche als Ideengeber für Wege in die Abstraktion. Ein wichtiger Aspekt der Ausstellung ist außerdem die Modernisierung der Stadt unter dem Einfluss renom- mierter Architekten des sog. Neuen Bauens – genannt seien hier nur Erich Mendelsohn, Adolf Rading und Hans Scharoun –, die eine ganze Generation von Architekten prägten. Diese Entwicklung fand 1929 ihren Höhepunkt mit der Werkbund-Ausstellung „Wohnung und Werk- raum“, die umfassend neue Formen für das moderne Le- ben und Wohnen vorstellte. Aber nicht nur bildende Künstler und Architekten zog es an die Oder. Auch Literaten wie Kurt Tucholsky, Joa- chim Ringelnatz, Klabund, Max Hermann-Neiße und Erich Kästner besuchten Breslau und kommentierten teilweise recht kritisch den Aufstieg der biederen Provinzhaupt- stadt zur glanzvollen Metropole der Moderne. Das Projekt wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und mitfinanziert durch das Sächsische Staatsministerium für Wissen- schaft und Kunst und das Sächsische Staatsministerium des Innern mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes. Johanna Brade Schlesisches Museum zu Görlitz Brüderstraße 8, 02826 Görlitz Tel. 03581 / 8 79 10; www.schlesisches-museum.de Di-Do 10-17 Uhr, Fr-So 10-18 Uhr 44 Schlesischer Kulturspiegel 54, 2019
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