FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs

Die Seite wird erstellt Christopher Schilling
 
WEITER LESEN
FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
FAIR WOHNEN
                                                                                                                                                                       MÄRZ 2021

                                                                                                                     DAS MAGAZIN DER MIETERVEREINIGUNG ÖSTERREICHS
Österreichische Post AG - MZ 02Z033986 M - Mietervereinigung Österreichs, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien

                                                                                                           Druck der Mietervereinigung wirkt:

                                                                                                           Mieterhöhung
                                                                                                           gestoppt!                               Corona: Was jetzt
                                                                                                                                                   für Mieter gilt
                                                                                                                                                   Alles über die Stundungen

                                                                                                                                                   Lärm!
                                                                                                                                                   Was tun?
                                                                                                                                                   So können sich Mieter wehren

                                                                                                                                                   Altbau in Neubau
                                                                                                                                                   MVÖ-Erfolg vor OGH
                                                                                                                                                   Voller Einsatz für Mieterrechte
FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
Es gibt viele gute Gründe,
jetzt Mitglied zu werden.

                           Rechtsberatung in Miet- und Wohnrechtsfragen
                           Rückforderung von überhöhten Miet- und
                           Betriebskosten, illegalen Ablösen und Kautionen
                           Beistellung von JuristInnen bei
                           Mietrechtsstreitigkeiten
                           Beratung und Hilfe bei Mietzinserhöhungen
                           Überprüfung von Maklerprovisionen
                           Mietvertragsberatung
www.mietervereinigung.at   Hilfreiche Online-Services
FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
FAIR WOHNEN      INHALT
                                                                                                                                                                           OGH

                                                     »Aktuell zahlen die
                                                     Vielen für die Krise«
                                                     Barbara Blaha, Gründerin des
                                                     Momentum Instituts, im Inter-
                                                     view mit MVÖ-Präsident Georg
                                                     Niedermühlbichler.
                                                     Seite 4

Coverstory
Mieterhöhung gestoppt! Der
Einsatz der MVÖ macht sich für
mehr als 1 Million Haushalte in
Österreich bezahlt.                                                                                                                   Liebe Leserin, lieber Leser,
Seite 12
                                                                                                                                      die Mietervereinigung hat sich in den letzten
                                                                                                                                      Wochen auf allen Ebenen vehement dafür ein-
                                                                                                                                      gesetzt, dass die im April dieses Jahres bevor-
                                                     Corona: Was jetzt                                                                stehende Erhöhung der Richtwertmieten aus-
                                                     für Mieter gilt                                                                  gesetzt wird. Zusammen mit der Arbeiterkam-
                                                     Die aktuelle Rechtslage bei                                                      mer haben wir die gemeinsame Forderung
                                                     Mietstundungen, Mietzins-                                                        nach einem Stopp der Mieterhöhung in die öf-
                                                     und Räumungsklagen sowie bei                                                     fentliche Debatte getragen. Die Bundesregie-
                                                     Kündigungen.                                                                     rung ist unserer Forderung gefolgt hat sowohl
                                                     Seite 16                                                                         die Erhöhung der Richtwert-, wie auch der Ka-
                                                                                                                                      tegoriemieten für heuer ausgesetzt.

Altbau in Neubau: MVÖ-Erfolg vor OGH                                                                                              8   Der gemeinsame Erfolg der Interessenvertre-
Aktueller Fall: Voller Einsatz für Mieterrechte                                                                                       tungen bewahrt mehr als eine Million Haus-
Ein Vierteljahrhundert für den Mieterschutz                                                                                      10   halte in Österreich vor höheren Mieten und/
Bericht aus der Steiermark: Danke, Monika Zwanzger                                                                                    oder Betriebskosten (siehe Titelgeschichte ab
EU-Parlament fordert mehr leistbaren Wohnraum                                                                                    18   Seite 12).
Trendwende in der europäischen Wohnungspolitik
Hilfe! Wanzen im Bett!                                                                                                           21   Nun muss die Regierung rasch weitere Schrit-
Bericht aus Oberösterreich                                                                                                            te setzen, denn viele Mieter haben durch die
Lärm! Was tun?                                                                                                                   22   Pandemie mit Einkommensverlusten und
Ratgeber für Mieter, die sich von Lärm belästigt fühlen                                                                               Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen. Es
Das Team am Schalter                                                                                                             26   drohen Mietzinsklagen, Kündigungen und
Neue Serie: Blick hinter die Kulissen der MVÖ                                                                                         Delogierungen.
Höhenflug für den Freilufttourismus                                                                                              28
Hannes Heide berichtet aus dem EU-Parlament                                                                                           Höchste Zeit also, den von uns wiederholt ge-
Die Pandemie im eigenen Zuhause                                                                                                  30   forderten Sicher-Wohnen-Fonds für Mieter in
Evelyn Regner berichtet aus dem EU-Parlament                                                                                          Not endlich einzurichten und ausreichend zu
                                                                                                                                      dotieren. Mit Wegschauen und Zuwarten lässt
AGB ... 32, MVÖ intern ... 34                                                                                                         sich die Krise nicht meistern – soviel steht
Servicestellen ... 36, Wie ist das eigentlich? ... 38                                                                                 nach einem Jahr fest.
MVÖ historisch ... 39
                                                                                                                                      Herzlichst, Ihr
IMPRESSUM
Herausgeber, Medieninhaber, Redaktion:               Druckauflage: 38.250 Exemplare                                ÖAK
                                                                                           Österreichische

Mietervereinigung Österreichs,                       (ÖAK, Jahresschnitt 2020)                               Auflagenkontrolle

Reichsratsstraße 15, 1010 Wien,
Tel. 05 01 95, Fax Dw 92000                          Coverfoto: lisegagne/istockphoto.com                                             Georg Niedermühlbichler
E-Mail: zentrale@mvoe.at, www.mietervereinigung.at   Zur besseren Lesbarkeit werden in FAIR WOHNEN
Geschäftsführung: Georg Niedermühlbichler            personenbezogene Bezeichnungen, die sich zugleich
Chefredaktion: Georg Niedermühlbichler               auf Männer und Frauen beziehen, in der im Deutschen
Redaktion: Elke Hanel-Torsch, Martin Ucik            üblichen männlichen Form angeführt, also z. B.
Produktion: Martin Ucik                              »Mieter« statt »MieterInnen« oder »Mieterinnen und
Anzeigenleitung: Monika Jurisic                      Mieter«. Dies soll jedoch keinesfalls eine Geschlechter-
Hersteller: Walstead NP Druck GmbH                   diskriminierung oder eine Verletzung des Gleichheits-
                                                     grundsatzes zum Ausdruck bringen.
                                                                                                                                                                 FAIR WOHNEN 1/21     3
FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
FAIR WOHNEN IM GESPRÄCH

»Aktuell zahlen die
Vielen für die Krise«
Im Fair-Wohnen-Interview sprach MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler mit
Barbara Blaha, Gründerin des Thinktanks »Momentum Institut« über die Aus-
wirkungen der Corona-Krise, die Ziele einer Denkfabrik und die Denkfehler in
der öffentlichen Debatte.
                           Georg Niedermühlbichler: Du hast         Wie ist es gelungen, das Momentum
                           2019 mit dem Momentum Institut           Institut als Newcomer in diesem
                           einen Thinktank gestartet. Warum?        schwierigen Sektor in so kurzer Zeit
                           Was war dein Motiv?                      zu etablieren?
                           Barbara Blaha: Weil ich mich nicht       Tatsächlich glaube ich, dass der An-

    »Unser   Maßstab
                           mehr abfinden wollte damit, dass die     fang sehr gut geglückt ist. Vielleicht
                           herrschende Politik alternativlos ist.   gibt es da und dort auch ein wenig Er-
     sind die sozialen     Unsere Einschätzung war, es braucht
                           eine progressive Institution, die auf
                                                                    leichterung, dass es zwischen letztlich
                                                                    staatlichen Wirtschaftsforschungsins-
     und wirtschaftli-     wissenschaftlicher Basis eben die-
                           se Alternativen aufzeigt, Konzepte er-
                                                                    tituten und dezidiert markt-liberalen
                                                                    Thinktanks noch eine andere, neue
      chen Interessen      arbeitet und auch in der öffentlichen
                           Diskussion Standpunkte bezieht. Wir
                                                                    Stimme gibt. Und mit den Schwer-
                                                                    punkten Verteilungsgerechtigkeit und
    der breiten Mehr-      dürfen wir nicht nur gegen etwas sein,   Klimaschutz haben wir sicher ein ein-
    heit. Die gehen in     wir müssen auch darüber sprechen,
                           wie unser Gemeinwesen denn ausse-
                                                                    zigartiges Profil.

    einem von Eliten       hen soll. Unser Maßstab dabei sind die
                           sozialen und wirtschaftlichen Interes-
                                                                    Was kann eine Denkfabrik im Span-
                                                                    nungsfeld zwischen Politik und Me-
     bestimmten Dis-       sen der breiten Mehrheit. Die gehen in
                           einem von Eliten bestimmten Diskurs
                                                                    dien leisten? In der Politik sind Wäh-
                                                                    lerstimmen messbar, bei Medien Se-
       kurs oft unter.«    oft unter.                               her, Hörer oder Leser. Wie bemisst

4    FAIR WOHNEN 1/21
FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
FAIR WOHNEN 1/21   5
FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
FAIR WOHNEN IM GESPRÄCH

                                                             sich der Erfolg einer Denkfabrik?          Lockdown einen Unterschied macht,
                                                             Das ist eine gute Frage. Wir sind ja       ob ich auf 120 oder auf 50 Quadratme-
                                                             Thinktank und mit dem Moment Ma-           ter wohne. Ob es einen Zweitwohn-
                                                             gazin auf www.moment.at auch Me-           sitz gibt oder ob ich mit dem Privatjet
                                                             dium. Beim Magazin messen wir              noch eine Zwischenlandung einlege,
                                                             sehr genau, und es geht natürlich da-      um Reiseverbote zu umgehen.
                                                             rum, dass unsere journalistischen
                                                                                                        Und: Vor allem Frauen sind in der Kri-
                                                                                                        se extrem unter Druck gekommen. Sie
                                                                                                        sind überdurchschnittlich oft in sys-
                                                                                                        temrelevanten Berufen, die berühm-
                                                                                                        te Supermarktkassierin oder Kran-
                                                                                                        kenpflegerin, konnten nicht ins Ho-
                                                                                                        meoffice wechseln, haben wegen des
                                                                                                        Lockdowns der Schulen auch noch
                                                                                                        die Kinder geschupft - das alles hat
                                                                                                        sie an den Rand der Erschöpfung, und
                                                                                                        sind wir uns ehrlich, auch darüber hi-
                                                                                                        naus gebracht. Bedankt wird der Ein-
                                                                                                        satz nicht, besser bezahlt bisher leider
                                                                                                        auch nicht. Hier dran zu bleiben und
                                                                                                        Druck zu machen, sehe ich auch als
                                                                                                        Aufgabe des Momentum Instituts.

                                                                                                        Wie kommen wir am Ende aus der
                                                                                                        Krise wieder heraus? Wer wird, wer
                                                                                                        soll die Folgen zahlen?
                                                                                                        Aktuell zahlen die Vielen für die Kri-
                                                                                                        se. Über geringere Löhne, über Ein-
                                                                                                        bußen durch Arbeitslosigkeit und Co.,
 MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler im Talk mit Denkfabrik-Gründerin Barbara Blaha.                  und natürlich auch durch ihre Steu-
                                                                                                        ern. Für einen echten Wirtschafts-
         »Insgesamt
                 legt                                        Geschichten gelesen werden, dass
                                                             unser Social-Media-Content gesehen
                                                                                                        aufschwung brauchen wir zwei Din-
                                                                                                        ge: Erstens starke Kaufkraft durch die
  Corona Ungerech-                                           wird. Als Thinktank ist für uns wichtig,
                                                             unsere Standpunkte in der Debatte
                                                                                                        breite Masse, die jetzt leidet. Daher
                                                                                                        braucht es ein höheres Arbeitslosen-
 tigkeiten offen, die                                        einzubringen, aber letztlich auch, The-    geld und einen nochmaligen Fami-

     schon lange da                                          men zum Thema zu machen. Ich glau-
                                                             be, das ist uns gut gelungen.
                                                                                                        lienbonus. Auf Sicht braucht es auch
                                                                                                        groß angelegte öffentliche Beschäf-
sind: dass die Jobs,                                         Die Corona-Krise hat uns seit einem
                                                                                                        tigungsprogramme. Der private Sek-
                                                                                                        tor wird noch länger nicht in der Lage
  die für unsere Ge-                                         Jahr im Griff. Wer sind bislang die
                                                             Verlierer? Gibt es auch Gewinner?
                                                                                                        sein genügend Jobs zu schaffen und
                                                                                                        es gibt viele Bereiche wo wir dringend
   sellschaft am we-                                         Die größten Verlierer sind jene über       mehr Personal brauchen, etwa wenn

nigsten verzichtbar
                                                             500.000 Menschen, die arbeitslos ge-       wir daran denken, dass uns bis 2030
                                                             worden sind, wegen Corona keinen           über 140.000 Pflegerinnen und Pfle-
   sind, am schlech-                                         neuen Job finden, und viele, die in
                                                             Kurzarbeit sind. Und natürlich Fami-
                                                                                                        ger fehlen werden. Drittens braucht es

      testen bezahlt                                         lien, denen die Lockdowns und Ein-
                                                             schränkungen alles abverlangen, wo
           werden.«                                          die oft eh schon sehr komplizierte
                                                             Alltags-Organisation nun in der Luft
                                                             hängt. Die Superreichen und Milliar-
                                                             däre sind hingegen noch reicher ge-
                                                             worden. Insgesamt legt Corona Un-
                                                             gerechtigkeiten offen, die schon lange
                                                             da sind: dass die Jobs, die für unsere
                                                                                                                                                                  Fotos: MVÖ

                                                             Gesellschaft am wenigsten verzicht-
                                                             bar sind, am schlechtesten bezahlt
                                                             werden. Und dass es halt auch im           Getestet und mit Abstand: Gespräch im Präsidenten-Büro.

 6    FAIR WOHNEN 1/21
FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
eine öffentliche Investitionsoffensive,
für Klimaschutz, für Bildung, für Pfle-
ge. Es braucht die Kraft des Staats, al-
leine wird der Privatsektor zu schwach
sein. Sich aus der Krise herauszuspa-
ren, ist volkswirtschaftlich unmöglich,
denn im Wirtschaftskreislauf ist jede
Ausgabe auch wieder die Einnahme
des Nächsten.

Seit Jahren steigen die Mieten stär-
ker als die Inflation. Höhere Mie-
ten lassen wiederum die Inflation
steigen. Beides trifft die untere Ein-
kommensgruppe stärker als Gutver-
diener. Gibt es einen Weg aus dieser
Teuerungsspirale?
Die Inflation bei den Mieten ist in Ös-
terreich ist ein echtes Problem. Gera-
de für jene mit kleinem Einkommen,
die spüren auch vermeintlich kleine
Erhöhungen schmerzhaft im Geld-
börsel. Hier gehts es im wahrsten Sinn
des Wortes um jeden Euro. Jedenfalls
braucht es ein Gegensteuern. Einer-
seits muss die Bauleistung steigen, ge-
rade in den Städten ist in den letzen
Jahren zu wenig gebaut worden. An-
dererseits sind viele der Regeln, die
eigentlich im Altbau gelten würden,
Makulatur geworden. Und ausstreiten                                              Barbara Blaha beim Fair-Wohnen-Interview in der MVÖ-Zentrale.
muss es dann jede - von der Vermiete-
rin abhängige - Mieterin für sich allei-
ne. Das kann nicht so bleiben.
                                           reden, kaum über Neue Mittelschu-
                                           len, nie über Berufsschulen. Und es        »Sich aus der Krise
Zum Abschluss möchte ich dich um
                                           endet dabei, dass wir so tun, als wäre
                                           ein ganzes Land im Homeoffice. Dabei
                                                                                      herauszusparen, ist
zwei Blicke bitten – zuerst um einen       haben von den 5 Millionen Menschen,        volkswirtschaftlich
Blick zurück: Was lief bisher schief
in der öffentlichen Debatte? Wo ste-
                                           die 2019 beschäftigt waren, mehr als
                                           70 Prozent nicht in einem Büro ge-         unmöglich, denn
cken die wesentlichen Denkfehler?
Wenn man insbesondere die Diskus-
                                           arbeitet. Auch das wird in der öffentli-
                                           chen Debatte verzerrt dargestellt.         im Wirtschafts-
sion in den Medien verfolgt, merkt
man schon, dass wir systematisch die       Der zweite Blick richtet sich in die
                                                                                      kreislauf ist jede
Anliegen und die Lebensrealität der        Zukunft: Welche Themen werden
                                           den künftigen öffentlichen Diskurs
                                                                                      Ausgabe auch wie-
                                                                                      der die Einnahme
breiten Mehrheit der Menschen aus
den Augen verlieren. Das beginnt da-       bestimmen – und welche Themen
bei, dass wir sehr viel über Gymnasien     sollten ihn bestimmen?
                                           Wir sollten uns lösen vom Dogma            des Nächsten.«
                                           der vermeintlichen knappen Budgets.
                                           Das höre ich jetzt seit über 20 Jahren
                                           in Dauerschleife. Stattdessen sollten
                                           wir darüber mehr sprechen, wie unser
                                           Gemeinwesen aussehen soll, was das
                                           Ziel ist. Wollen wir ein gutes Bildungs-
                                           system, das alle mitnimmt? Wollen wir
                                           menschenwürdige Pflege, wo die Be-
                                           schäftigten auch davon leben können?
                                           Und dann schauen wir, mit welchen
                                           Konzepten wir das zusammenbekom-
Niedermühlbichler und Blaha im Talk.       men und finanzieren.

                                                                                                               FAIR WOHNEN 1/21             7
FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
8
                                                                    FAIR WOHNEN

FAIR WOHNEN 1/21
                                                                    FALL

                   Fotos: Symbolfoto Altbau - M. Nachtschatt; MVÖ
FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
Altbau                                                                                                     Entscheidung ein, wodurch nun
                                                                                                           als nächste Instanz das Wie-
                                                                                                           ner Landesgericht (LG) gefragt

in Neubau
                                                                                                           war. Im April 2020 schmetterte
                                                                                                           auch das LG den Lagezuschlag
                                                                                                           ab. Von »Zentrumsnähe« bzw.
                                                                                                           »zentraler Lage« könne man
                                                                                                           nicht ausgehen, weil eine Paral-
                                                                                                           lelstraße weiter bereits der Gür-
                                                                                                           tel liege. Die Anbindung an den
                                                                                                           öffentlichen Verkehr durch Stra-
Mehr als 9.500 Euro erstritten die Experten der Mieterver-                                                 ßenbahn und Bus sei typisch für
einigung für zwei Mieter in Wien. Am Ende stand eine Ent-                                                  eine Lage innerhalb des Gürtels
                                                                                                           und lasse sie nicht überdurch-
scheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH).                                                                 schnittlich erscheinen – wes-
                                                                                                           wegen gar nicht mehr näher ge-

D
                                                                                                           prüft werden müsse, ob die Lie-
      ie Geschichte beginnt in                                        von der Schlichtungsstelle ab,       genschaft überhaupt außerhalb
      einem Altbau in Neubau:                                         der Fall landete damit vor dem       eines Gründerzeitviertels liege,
      Im Dezember 2012 unter-                                         Bezirksgericht (BG). Nach eini-      so das LG.
schrieben Ella D.* und Julian S.*                                     gem Hin und Her um das Gut-
einen Mietvertrag für eine klei-                                      achten eines Sachverständi-          OGH zum Lagezuschlag
ne Wohnung im 7. Wiener Ge-                                           gen und einem Richterwechsel         Die Vermieterin legte einen Re-
meindebezirk. Zwei Zimmer,                                            lag erst im September 2019 ein       visionsrekurs ein, die Geschich-
Küche, Bad, WC auf nicht ein-                                         Sachbeschluss vor.                   te landete beim Obersten Ge-
mal 46 Quadratmetern im drit-                                                                              richtshof (OGH). Im Dezember
ten Stock ohne Lift. Der Miet-                                        Möbelmiete vom Tisch                 2020 langte schließlich die Ent-
vertrag war auf drei Jahre be-                                        Das BG erklärte die zusätzliche      scheidung des OGH ein. Auch
fristet. Im Jänner 2013 bezogen                                       Möbelmiete für unzulässig, weil      der OGH verneinte einen Lage-
die beiden Mieter die Wohnung                                         im Mietvertrag nur »mitvermie-       zuschlag und wies erneut dar-
und bezahlten in der Folge eine          Sabine Fürst                 tete Einrichtungsgegenstände«        auf hin, dass nicht jegliche Lage
Bruttomiete von über 570 Euro.      ist Mietrechtsexpertin            genannt wurden und damit of-         außerhalb eines Gründerzeit-
                                         der MVÖ und                  fen blieb, was damit gemeint         viertels überdurchschnittlich
Im Februar 2016, kurz nach            betreut die Mieter.             war. Hintergrund: Eine Mö-           sein kann. Darüber hinaus sei
Ende ihres Mietverhältnisses,                                         belmiete muss im Vollanwen-          »auch in den Fällen der Entwick-
wandten sich Ella D. und Ju-                                          dungsbereich des Mietrechtsge-       lung des konkreten Wohnvier-
lian S. an die Mietervereinigung                                      setzes (MRG) ausdrücklich ver-       tels zu einem „Nicht-(mehr-)
(MVÖ). Bei der Prüfung des                                            einbart werden. Das war hier         Gründerzeitviertel“ nach § 16
Mietvertrags fielen den Exper-                                        nicht der Fall und damit war die     Abs 3 und 4 MRG zu prüfen, ob
ten mehrere Dinge auf; so wurde                                       Möbelmiete vom Tisch.                das „Nicht-(mehr-)Gründer-
für »mitvermietete Einrichungs-                                                                            zeitviertel“ besser als die durch-
gegenstände« eine zusätzliche            Rat & Hilfe                  Die Frage der Lage                   schnittliche Lage ist und ein
Möbelmiete verrechnet und da-        für Mieter in Wien:              Etwas komplizierter wurde es         Lagezuschlag berücksichtigt
rüber hinaus ein Lagezuschlag                                         bei der zweiten Frage, ob ein        werden kann«, so der OGH. »So-
für eine überdurchschnittliche                                        Lagezuschlag zulässig sei. Denn:     wohl Geschäfte des täglichen
Lage angeführt, obwohl sich die                                       Befindet sich laut amtlichem         Bedarfs in unmittelbarer Um-
Liegenschaft gemäß amtlichem                                          Straßenverzeichnis das Haus in       gebung als auch die Anbindung
Straßenverzeichnis in einem so-                                       einem Gründerzeitviertel und         an das öffentliche Verkehrsnetz
genannten »Gründerzeitviertel«          mietervereinigung.at/736/     ein Vermieter verlangt trotzdem      durch eine U-Bahn- sowie Stra-
                                     Leistungsumfang-Zustaendigkeit
befindet – für die eben kein La-                                      einen Lagezuschlag, dann muss        ßenbahnstationen in erreichba-
gezuschlag zulässig ist, weil die                                     er beweisen, dass kein Gründer-      rer Nähe sind im dicht verbau-
Lage als durchschnittlich einge-                                      zeitviertel mehr vorliegt und die    ten Stadtgebiet zu erwarten«
stuft wird.                                                           Wohnlage darüber hinaus als          und kein Hinweis auf eine über-
                                                                      überdurchschnittlich einzustu-       durchschnittliche Lage, heißt es
Die MVÖ brachte den Fall um-                                          fen ist. Das BG stufte die Lage im   in der Entscheidung.
gehend vor die Schlichtungs-                                          konkreten Fall als durchschnitt-
stelle, um den zulässigen Richt-                                      lich ein – womit auch kein Lage-     Die konsequente Vertretung
wert-Mietzins feststellen zu                                          zuschlag zulässig war.               durch die MVÖ zahlt sich nun
lassen. Im Mai 2016 zog die Ver-                                      Die Ver mieter in brach-             für die Mieter aus: Sie erhalten
mieterin das Verfahren jedoch                                         te einen Rekurs gegen diese          mehr als 9.500 Euro zurück.

*Namen von der Redaktion geändert.
                                                                                                                      FAIR WOHNEN 1/21     9
FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
FAIR WOHNEN STEIERMARK
               FALL

Ein Vierteljahrhundert im
Dienste des Mieterschutzes
Nach fast 25 Jahren geht in der Landesorganisation Steiermark
eine Ära zu Ende. Mag. Monika Zwanzger zieht sich aus dem
operativen Geschäft in der Landesgeschäftsstelle Graz zurück.

I
   m Jahr 1997 begann die Laufbahn        mit Freude zur Verfügung. Wir wün-       Die Landesorganisation Steiermark
   von Frau Mag. Zwanzger bei der         schen Frau Mag. Zwanzger auf ihrem       bedankt sich für den unermüdlichen
   Mietervereinigung Steiermark, zum      neuen Lebensweg viele schöne Mo-         Einsatz zum Schutz der steirischen
damaligen Zeitpunkt als Juristin, zu-     mente, neue Erfahrungen und viel         Mieterinnen und Mieter und die vie-
ständig für alle miet- und wohnrechtli-   Gesundheit.                              len schönen Momente in der Landes-
chen Fragen der steirischen Mitglieder.                                            geschäftsstelle Graz.
                                          Ihre Zeit gilt ab sofort Gatten Heinz,
Nach Jahren der Beratungstätigkeit        Sohn Michael, Hund Lothar und den
übernahm Frau Mag. Zwanzger die           Katzen Mutzl und Samy.
Geschäftsführung in der Landesge-
schäftsstelle Graz und wirkte neben
ihrer Beratungstätigkeit zuletzt auch
als stellvertretende Vorsitzende der
Landesorganisation Steiermark.

Als Juristin betreute Frau Mag.
Zwanzger in den letzten Jahren
vornehmlich die Mitglieder in
den Bezirken der Steiermark. Ge-
meinsam mit der Bezirksobfrau
Edith Painsi konnte eine sehr ak-
tive und mitgliederstarke Bezirks-
organisation Voitsberg-Köflach-
Bärnbach aufgebaut werden.

Der Einsatz persönlich bei den Mit-
gliedern vor Ort, sei es am Sprechtag,
bei Wohnungsrückstellungen oder
Mieterbesprechungen war immer ein
besonderen Anliegen von Frau Mag.
Zwanzger.

Darüber hinaus bildete sie in ihrer
Dienstzeit zahlreiche neue juristische
Mitarbeiter der Landesgeschäftsstel-
le Graz aus. Mit ihrem umfangreichen
                                                                                                                         Fotos: MVÖ

Wissen und Erfahrungsschatz stand
sie Mitglieder wie Mitarbeitern immer

10 FAIR WOHNEN 1/21
25 Jahre für den Mieterschutz im Einsatz: Mag. Monika Zwanzger an ihrem Arbeitsplatz.

                                                                                        FAIR WOHNEN 1/21 11
12 FAIR WOHNEN 1/21
FAIR WOHNEN        THEMA

                                        Einsatz der MVÖ wirkt:
                                        Erhöhung der
                                        Mieten gestoppt!
                                        Der Einsatz der Mietervereinigung (MVÖ) macht sich jetzt für mehr als 1 Million
                                        Haushalte in Österreich bezahlt: Die bevorstehende Erhöhung der Richtwert- und
                                        Kategoriemieten konnte gestoppt werden. Das war richtig und wichtig.
                                        Nun müssen weitere Schritte folgen, um Mietern durch die Corona-Krise zu helfen
                                        – wie der von der MVÖ seit fast einem Jahr geforderte »Sicher-Wohnen-Fonds«.

                                        A
                                              ls am 24. Februar ein An-                         Mieterhöhungen aufmerksam       von Experten beider Institutio-
                                              trag mit dem sperrigen Ti-                        gemacht und seither unermüd-    nen verstärkte die mediale Prä-
                                              tel »Mietzinsrechtliches                          lich dagegen angekämpft. Ein    senz des Themas. Der öffentli-
                                        Pandemiefolgenlinderungs-          MVÖ-Präsident        gemeinsam mit der Arbeiter-     che Druck auf die Politik wuchs;
                                        gesetz – MPFLG« im National-       Niedermühlbichler:   kammer (AK) am 10. Februar      die SPÖ unterstützte die Forde-
                                        rat einlangte, war klar: Die Er-   Mehrbelastung für    durchgeführtes Pressegespräch   rung nach einer Aussetzung der
                                        höhung der Richtwert- und Ka-      Mieter abgewendet.   mit Hintergund-Informationen    Mieterhöhungen und kündig-
                                        tegoriemieten wird ausgesetzt!                                                          te einen entsprechenden An-
                                        Damit wurde die direkte Mehr-                                                           trag im Parlament an. Die Re-
                                        belastung von rund 650.000                                                              gierung lenkte schließlich ein
                                        Haushalten während der Coro-                                                            und brachte das »MPFLG« auf
                                        nakrise abgewendet; insgesamt                                                           den Weg.
                                        profitieren davon gar mehr als 1
                                        Million Haushalte, weil auch die                                                        Das ist jedoch kein Grund für
                                        in den Betriebskosten inkludier-                                                        die MVÖ, leiser zu werden. »Der
                                        ten Verwaltungshonorare vor-                                                            Stopp der Mieterhöhungen
                                        erst nicht steigen.                                                                     ist ein erster richtiger Schritt –
                                                                                                                                nun müssen rasch weitere fol-
Fotos: lisegagne/istockphoto.com, MVÖ

                                        »Der Druck und die Beharrlich-                                                          gen«, sagt Niedermühlbichler.
                                        keit der MVÖ in dieser wichtigen                                                        »Es ist höchste Zeit, jetzt end-
                                        Frage macht sich für die Mie-                                                           lich auch den von uns seit Be-
                                        ter bezahlt«, erklärt MVÖ-Prä-                                                          ginn der Pandemie vor einem
                                        sident Georg Niedermühlbich-                                                            Jahr geforderten Sicher-Woh-
                                        ler. Die MVÖ hatte bereits zu                                                           nen-Fonds einzurichten, der
                                        Jahresbeginn auf die geplanten                                                          Mieter mit corona-bedingten

                                                                                                                                           FAIR WOHNEN 1/21 13
FAIR WOHNEN       THEMA

Zahlungsschwierigkeiten vor          und in Wien auch eine große
Kündigungen schützt und vor
dem Verlust ihrer Wohnung be-
                                     Zahl an Gemeindewohnun-
                                     gen. Alle zwei Jahre werden die
                                                                        Gültige Richtwerte* bis zum 31. März 2022
wahrt. Dazu braucht es einen
ausreichend dotierten Fonds,
                                     Richtwerte laut Gesetz an die
                                     Teuerung angepasst und da-
                                                                        Burgenland                                     5,30 €
der Mietern in Not rasch und
unbürokratisch helfen kann.«
                                     mit de facto erhöht. Zuletzt war
                                     das 2019 der Fall; heuer im März
                                                                        Kärnten                                        6,80 €

Worum es bei den
                                     wäre es mit einer Erhöhung um 3
                                     Prozent wieder so weit gewesen.
                                                                        Niederösterreich                               5,96 €
Mieterhöhungen ging
Die - jetzt gestoppten - Miet-       Die Kategoriemieten betref-
                                                                        Oberösterreich                                 6,29 €
erhöhungen hätten alle Mieter
getroffen, die einen Richtwert-
                                     fen in Österreich rund 145.000
                                     Haushalte, 52.000 davon in pri-
                                                                        Salzburg                                       8,03 €
oder Kategoriemietzins bezah-
len; allerdings in unterschiedli-
                                     vaten Altbauwohnungen (vor
                                     1945 errichtet) und deren Miet-
                                                                        Steiermark                                     8,02 €
cher Höhe.                           vertrag vor dem 1. März 1994
                                     abgeschlossen wurde und
                                                                        Tirol                                          7,09 €
Der Richtwert betrifft rund
750.000 Mieter in ganz Öster-
                                     eine Anpassungsklausel ent-
                                     hält. Bei Wiener Wohnen sind
                                                                        Vorarlberg                                     8,92 €
reich – alle, die in privaten Alt-
bauten leben (vor 1945 errichtet)
                                     nach Schätzungen der AK etwas
                                     über 93.000 Haushalte betroffen.
                                                                        Wien                                           5,81 €
und deren Mietvertrag inklusive      Ohne den Mieten-Stopp wären
                                                                        *in Euro pro Quadratmeter Wohnnutzfläche und Monat
Anpassungsklausel nach dem 1.        die Kategoriemieten um 5,5 Pro-
März 1994 abgeschlossen wur-         zent gestiegen, weil die an die
de sowie Richtwert-Neuverträge       Inflation gekoppelte Steigerung

                                                                                                                                Fotos: DNY59/istockphoto.com; MVÖ

14 FAIR WOHNEN 1/21
des Mietenindex im Dezember                                         Sicht. Die Arbeitnehmer muss-
2020 die Schwelle von fünf Pro-                                     ten alleine im zweiten und drit-
zent erreicht hat.                                                  ten Quartal 2020 mit rund 4,5
                                                                    Milliarden Euro weniger Ein-
Was der Mieten-Stopp bewirkt              Antrag der                kommen auskommen«, sagt Ritt.
Je nach Bundesland sind die               Parteien zum
Richtwertmieten verschieden,           »MPFLG« im Original:         In Österreich waren schon vor
in Wien wäre mit einer Erhö-                                        der Krise mehr als 380.000
hung der Richtwert von bisher                                       Haushalte von ihren Wohn-
5,81 auf 5,98 Euro pro Quad-                                        kosten überlastet und mussten
ratmeter gestiegen. »Die Erhö-                                      mehr als 40 Prozent ihres Ein-
hung hätte bei einer 80-Qua-                                        kommens fürs Wohnen ausge-
dratmeter-Wohnung in einem              www.parlament.gv.at/PAKT/   ben. Viele Mieter waren schon
                                         VHG/XXVII/A/A_01368/
Altbau in Wien Mehrkosten von                                       vor Corona am Limit und stehen
rund 185 Euro im Jahr gebracht«,                                    jetzt vor riesigen Problemen.
rechnet Elke Hanel-Torsch, Vor-                                     Hanel-Torsch: »Wir merken in
sitzende der MVÖ Wien. In der                                       unseren Beratungen, wie sich
Steiermark hätte die Erhöhung                                       die Lage zuspitzt. Erste Mieter
für eine 80-Quadratmeter-Woh-                                       sind bereits mit Mietzins- und
nung jährlich mehr als 250 Euro                                     Räumungsklagen konfrontiert,        Gemeinsame PK: Georg Niedermühlbichler (MVÖ),
ausgemacht – in Vorarlberg,                                         weil sie ihre Miete nicht mehr
wo die Richtwerte am höchs-                                         oder nicht mehr zur Gänze zah-
ten sind, mehr als 280 Euro.                                        len konnten.«
Zum reinen Richtwert kommen
aber oft noch unzählige, hohe
Zuschläge.
                                      380.000
                                      Haushalte in Österreich
                                                                    So könnten heuer aktuellen
                                                                    Schätzungen der AK zufol-
                                       waren schon vor der          ge rund 49.000 Kündigungen
Was die Kategoriemieten betrifft,     Corona-Krise von ihren        und Räumungsklagen drohen.
                                      Wohnkosten überlastet.
so hätte die Erhöhung bei einer                                     Die Anzahl der Delogierungen
80-Quadratmeter-Wohnung der                                         2021 könnte sich im Vergleich
Kategorie A rund 192 Euro im                                        zu 2020 mehr als verdoppeln –
Jahr betragen, rechnet Thomas                                       bis zu 17.000 Mietern droht der
Ritt, Leiter der Abteilung Kom-
munalpolitik und Wohnen der
AK.
                                        49.000
                                          Mietern drohen
                                                                    Wohnungsverlust, befürchten
                                                                    Experten.
                                      aktuellen Schätzungen         Ende März laufen überdies die
Zusätzlich hätten sich die Er-         zufolge Kündigungen          Mietstundungen für die Mieten
                                      und Räumungsklagen.
höhungen der Kategoriemie-                                          aus April, Mai und Juni 2020 aus
ten auch auf die Betriebskosten                                     (mehr dazu auf Seite 16 in die-     Elke Hanel-Torsch (MVÖ) und
durchgeschlagen. Denn für die                                       sem Heft). Dann müssen Mieter
Berechnung der Verwaltungs-                                         bis zu vier Monatsmieten zahlen,

                                        17.000
honorare werden die Beträ-                                          sonst droht eine Mietzinsklage.
ge der Kategorie A herangezo-
gen. Diese wären von 3,60 Euro        Mietern droht heuer der       Die Experten der MVÖ und
auf 3,80 Euro je Quadratmeter         Wohnungsverlust, be-          der AK sind sich einig, dass
Nutzfläche und Jahr gestiegen –         fürchten Experten.          nun dringend gehandelt wer-
das hätte laut AK rund 1 Million                                    den muss und es einen »Coro-
Haushalte betroffen.                                                na-Schutz« für Mieter braucht.
                                                                    »Seit Juli gibt es keinen Schutz
Sicher-Wohnen-Fonds                                                 mehr für Mieter, die coronabe-
Auch wenn mit dem Stopp der                                         dingte Zahlungsschwierigkei-
Mieterhöhungen fürs Erste                                           ten haben. Wenn jetzt keine wei-
Mehrbelastungen für viele Mie-                                      teren Schritte für Mieter gesetzt
ter abgewendet werden konn-                                         werden, droht eine Klagewelle.
ten, ist die Situation nach einem                                   Die Regierung muss nun rasch
Jahr Pandemie dramatisch. »Die                                      handeln, sonst riskiert sie De-
Arbeitslosigkeit ist massiv gestie-                                 logierungen und Obdachlosig-
gen, nach wie vor sind Hundert-                                     keit«, fordert Niedermühlbich-      Thomas Ritt (AK).
tausende in Kurzarbeit – und                                        ler. »Der Sicher-Wohnen-Fonds
kein Ende der Corona-Krise in                                       ist ein Gebot der Stunde.«

                                                                                                                        FAIR WOHNEN 1/21 15
FAIR WOHNEN      AKTUELL

Corona: Was jetzt
für Mieter gilt
Rund um die Stundung von Mieten während der Corona-Krise ist es zu
einigen Missverständnissen gekommen. Fair Wohnen wirft einen Blick auf die
aktuelle Rechtslage und erklärt, was jetzt für Mieter wirklich gilt.

I
   n den letzten Wochen häuf-        Eindruck zu den Maßnahmen            Österreich registriert. Die In-
                                                                                                            Grafik: pijama61/istockphoto.com

   ten sich bei der Mieterver-       der Bundesregierung verfestigt       fektionen stiegen rasant an,
   einigung die Anfragen zur         hat, dem wir an dieser Stelle ent-   schließlich wurde am 16. März
rechtlichen Situation von Woh-       gegentreten wollen.                  wurde ein bundesweiter Lock-
nungsmietern während der Co-                                              down verfügt. Am 5. April folg-
rona-Krise. Meist ging es dabei      Ein chronologischer Blick hilft:     te das 2. COVID-19-Justiz-Be-
um die Stundung von Mieten.          Am 25. Februar 2020 werden           gleitgesetz. Dieses besagt im
Dabei stellten wir fest, dass sich   in einem Hotel in Tirol die ers-     Wesentlichen: Wohnungsmieter,
in der Öffentlichkeit ein falscher   ten beiden Corona-Fälle in           die durch die Pandemie in ihrer

16 FAIR WOHNEN 1/21
wirtschaftlichen Leistungsfä-                                                ausgedehnt wurde – was aber         Mietzinsklage bezüglich dieser
higkeit erheblich beeinträchtigt                                             nicht der Fall war. Der Kündi-      Mieten samt 4% Verzugszinsen
wurden und deshalb mit den                                                   gungsschutz gilt weiterhin nur      einbringen, nicht jedoch eine
Mietzahlungen (Miete inkl. Be-                                               für Rückstände aus den Mo-          Räumungsklage.
triebskosten) im Zeitraum von                                                naten April bis Juni 2020. Ein
April bis Juni 2020 ganz oder                                                Zahlungsrückstand aus diesen        Wenn ein Räumungsverfah-
teilweise in Verzug gerieten,                                                drei Monaten kann also – inklu-     ren (wegen Nichtbezahlung der
kann allein wegen dieses Miet-                                               sive Verzugszinsen von höchs-       Mieten ab Juli) beendet ist und
zinsrückstands nicht gekündigt                                               tens 4 % – ab 1. April 2021 ein-    der nächste Schritt die Delo-
werden. Diese Regelung gilt für                                              geklagt oder von einer hinterleg-   gierung wäre, können Mieter
alle Mietverträge – egal, ob die                                             ten Kaution in Abzug gebracht       beim zuständigen Bezirksge-
                                           Rat & Hilfe
Wohnung in den Anwendungs-                für Mieter – so                    werden.                             richt erleichterten Räumungs-
bereich des Mietrechtsgesetzes         erreichen Sie unsere                                                      aufschub beantragen. Aus
fällt oder nicht.                       Experten in Ihrem                    Vorsicht: Seit Juli 2020 gibt es    welchem Grund das Mietver-
                                           Bundesland:                       keine gesetzliche Möglichkeit       hältnis endete (Ende der Be-
Ein Zahlungsrückstand, der auf                                               der Stundung mehr. Mit einem        fristung, Kündigung, etc.) spielt
die Monate April bis Juni 2020                                               Wort: Sind seit Juli 2020 Rück-     dabei keine Rolle. Hat der Mie-
zurückgeht, ist also derzeit kein                                            stände angefallen, konnte der       ter ein dringendes Wohnbe-
Kündigungsgrund. Eine Kün-                                                   Vermieter eine Mietzinsklage        dürfnis – das bedeutet, dass er
digung bzw. Räumung wegen                                                    einbringen oder gleich kün-         diese Wohnung bewohnt und
Mietzinsrückständen aus dem           mietervereinigung.at/News/841/60162/   digen. Dies gilt auch jetzt. Wer    noch keine neue Wohnung zur
                                       Rat-und-Hilfe-fuer-Mieter-gesichert
2. Quartal 2020 ist bis 30. Juni                                             seine aktuelle Miete nicht oder     Verfügung steht – gewährt das
2022 ausgeschlossen. Ande-                                                   nicht zur Gänze zahlen kann,        Gericht einen Räumungsauf-
re Kündigungsgründe, wie bei-                                                sollte sich umgehend mit sei-       schub. Ein solcher Räumungs-
spielsweise wegen erheblich                                                  nem Vermieter ins Einverneh-        aufschub ist aber dann nicht zu
nachteiligen Gebrauchs, sind                                                 men setzen und um eine Lö-          bewilligen, wenn die Räumung
von der Regelung nicht umfasst                                               sung bemühen. Eine Möglich-         zur Abwendung schwerer per-
und weiterhin möglich.                                                       keit wäre eine Vereinbarung mit     sönlicher oder wirtschaftlicher
                                                                             dem Vermieter zu treffen, wo-       Nachteile des betreibenden
Ursprünglich galt, dass die Zah-                                             nach ungeachtet der Bestim-         Gläubigers unerlässlich wäre –
lungsrückstände aus dem Zeit-                                                mung die Kaution zur Beglei-        beispielsweise bei dringendem
raum April bis Juni 2020 bis 31.                                             chung des Mietzinsrückstandes       Eigenbedarf.
Dezember 2020 zurückgezahlt                                                  herangezogen werden soll.
werden mussten. Kurz vor ihrem                                                                                   Der Aufschub hat mindestens
Ablauf, im Dezember, wurde                                                   Mieter, die eine Stundung in        drei Monate zu dauern – außer,
diese Frist jedoch um drei Mo-                                               den Monaten April-Juni 2020         das dringende Wohnbedürfnis
nate bis 31. März verlängert.                                                in Anspruch genommen ha-            des Mieters fällt weg. Über An-
Diese Verlängerung war ange-                                                 ben, sollten unbedingt darauf       trag des Gläubigers kann das
sichts einer drohenden Woh-                                                  achten, dass mit späteren Miet-     Räumungsverfahren fortge-
nungskrise im Winter dringend                                                zinszahlungen aktuelle Mietzin-     setzt werden, wenn die Covid-
nötig, sorgte aber gleichzeitig für                                          se beglichen werden, damit die      19-Maßnahmen zur Einschrän-
Verwirrung, weil viele dachten,                                              Zahlung nicht auf die älteste       kung der Kontakte aufgehoben
dass damit auch der Zeitraum                                                 Schuld angerechnet wird. Dann       wurden, spätestens aber sechs
der möglichen Stundungen                                                     können Vermieter zwar eine          Monate nach Aufschub.

                                                                                                                            FAIR WOHNEN 1/21 17
FAIR WOHNEN EUROPA / IUT

                           Foto: EP

18 FAIR WOHNEN 1/21
EU-Parlament fordert
mehr leistbaren Wohnraum
Am 21. Jänner stimmte das Europäische Parlament mit deutlicher Mehrheit für den
Initiativbericht »Zugang zu angemessenem und erschwinglichem Wohnraum«.
Damit zeichnet sich eine Trendwende in der europäischen Wohnungspolitik ab.

D
     ie EU soll Zugang zu angemes-          Bericht stärkt den Mieterschutz und      •   Reform des EU-Rahmens für die
     senem und erschwinglichem              unterstützt unsere nationalen Bemü-          wirtschaftspolitische Steuerung,
     Wohnraum als durchsetzbares            hungen für leistbares Wohnen und ein         um massive Investitionen in die
Menschenrecht anerkennen und die            faires Mietrecht.«                           Wohnungsbau-Dienstleistungen
Beseitigung von Obdachlosigkeit vo-                                                      von allgemeinem wirtschaftli-
rantreiben, so die Abgeordneten zu          Zentrale Forderungen                         chem Interesse (DAWI) zu ermög-
dem Bericht, der mit 352 Stimmen bei        Der Initiativbericht umfasst folgende        lichen, anstatt die EU-weite Inves-
179 Gegenstimmen und 152 Enthal-            Forderungen:                                 titionslücke im Wohnungsbau von
tungen angenommen wurde.                    • Mietpreisstabilisierung so-                57 Milliarden Euro pro Jahr weiter
                                                wie klare nationale Mietregelun-         zu vergrößern.
Wohnraum ist der höchste Ausgaben-              gen statt explodierender Miet-       •   Schutz gefährdeter Gruppen
posten der europäischen Bürger. Be-             steigerungen durch weitere               auf dem Wohnungsmarkt - Mie-
rücksichtigt man die Wohnkosten,                Marktliberalisierung.                    terschutz, Sicherheit des Wohn-
dann sind 156 Millionen Menschen in         • Eine Wohnungspolitik, die auf              raums, fairer und gleichberech-
Europa von Armut bedroht. Die CO-               dem Prinzip der Neutralität zwi-         tigter Zugang zu bezahlbarem
VID-19-Pandemie wird die Situation              schen Eigentum, privatem und             Wohnraum für kleine und mittle-
weiter verschärfen und die Rezession            gefördertem Wohnraum basiert.            re Einkommensgruppen statt spe-
und der Verlust von Arbeitsplätzen          • Ein mieterfreundlicher EU-                 kulativer Verdrängung von Men-
werden mittelfristig die Überbelas-             Green-Deal mit Warmmieten-               schen mit systemrelevanten Be-
tung durch Wohnkosten noch weiter               neutralität nach Renovierung und         rufen aus unseren Städten.
steigen lassen. Schon jetzt ist jeder 10.       Modernisierung.
Haushalt in der EU durch Wohnkosten         • Förderung von Investitionen in         Wie geht es weiter?
überbelastet und muss mehr als 40 %             bezahlbaren, sozialen und öffent-    Die EU-Kommission muss nun auf
des verfügbaren Einkommens für das              lichen Wohnungsbau statt unre-       diesen Initiativbericht reagieren und
Wohnen ausgeben.                                guliertem, unbegrenztem Markt-       geeignete gesetzgeberische und finan-
                                                zugang für profitorientierte In-     zielle Maßnahmen vorschlagen, die
Marie Linder, Präsidentin des Inter-            vestoren, entfesselter Spekulation   dann von den EU-Mitgliedstaaten ver-
nationalen Mieterbundes IUT, sah die            und Ausverkauf unserer Städte.       einbart und gebilligt werden müssen.
Entscheidung als Trendwende in der          • Ein restriktives Rahmenwerk für
europäischen Politik. »Während natio-           Kurzzeitvermietungen in der EU.      »Der Bericht bietet konkrete Lösungen,
nale Regierungen noch glauben, dass         • Ein Moratorium von Energieab-          um auf allen Ebenen entsprechende
der Markt alle Wohnungsprobleme lö-             schaltungen im Winter.               Maßnahmen zu ergreifen. Wir kön-
sen wird – mit verheerenden Folgen          • Umsetzung des finnischen               nen die Wohnungskrise lösen, wenn
für bezahlbaren Wohnraum nicht nur              »Housing first«-Programms (in        wir es wollen, und wir können die Ob-
in Europa – zeigt das EU-Parlament              ganz Europa zur strukturellen Be-    dachlosigkeit bis 2030 beenden«, sag-
Spekulation und Investitionsbarrie-             kämpfung der Obdachlosigkeit).       te die niederländische Berichterstatte-
ren die rote Karte und fordert Zugang       • Beseitigung von Investitions-          rin Kim van Sparrentak.
zu angemessenem und bezahlbarem                 hemmnissen im EU-Wettbe-
Wohnraum für alle.«                             werbsrecht durch Streichung          IUT-Präsidentin Linder erwartet ers-
                                                der engen Zielgruppe für den         te konkrete Ergebnisse beim Treffen
MVÖ-Präsident Georg Niedermühl-                 sozialen Wohnungsbau in den          der EU-Wohnbauminister im Okto-
bichler begrüßte die Einigung: »Der             EU-Beihilfevorschriften.             ber 2021.

                                                                                                      FAIR WOHNEN 1/21 19
FAIR WOHNEN                   OBERÖSTERREICH

                                Hilfe!
                                Wanzen
                                im Bett!
                                Ein geschockter Mieter wandte sich an die
                                Experten der Mietervereinigung Oberösterreich.
                                Neben rascher Hilfe brachte deren Intervention
                                auch eine Mietzinsminderung.

E
     ine äußerst ungustiöse                               Schädlingsbekämpfungsfirmen        einer angemessenen Mietzins-
     Entdeckung musste Herr                               und beauftragte eine Hunde-        minderung gemäß § 1096 Allge-
     M. im Sommer 2020 in sei-                            führerin mit dem Einsatz von       meines Bürgerliches Gesetzbuch
ner gemieteten Wohnung der                                Schnüffelhunden, um alle mög-      (ABGB) als Gewährleistungsfol-
Wohnbaugenossenschaft X ma-                               lichen noch verbliebenen Tiere     ge aufgrund des nicht vertrags-
chen. Nachdem ihn mehrere                                 aufzuspüren. Die Hausverwal-       konformen Zustands von der
unerklärte Einstiche und Quad-                            tung fand rasch die Ursache für    Wohnungsgenossenschaft mit
deln an seinem Körper quälte,                             das Auftreten dieser Schädlinge:   knapp 2.000 Euro entschädigt
ging unser Mitglied auf Suche                             Eine im Nebenhaus wohnhafte        und erhielt zudem für seinen
und machte dabei eine schreck-                            Mietpartei hatte dieses Problem    persönlichen Einsatz einen ent-
liche Entdeckung: Unter seiner                            in ihrer Wohnung, verschwieg       sprechenden Ersatz in der Höhe
Matratze tummelten sich un-                               dies und machte keine Meldung.     von weiteren 400 Euro. Die Freu-
zählige Bettwanzen.                   Nicole Hager-       So konnten sich die Schädlinge     de bei ihm und beim Team der
                                      Wildenrotter        auf die anderen Gebäudeteile       Mietervereinigung OÖ über die-
Verzweifelt und geschockt              ist Landesge-      unentdeckt ausbreiten.             sen Erfolg war groß.
wandte sich der Mieter an das       schäftsführerin der
                                    Mietervereinigung
Team der Mietervereinigung           Oberösterreichs.     Die gesetzten Interventionen       Rat & Hilfe
Oberösterreich und übergab sei-                           zeigten allerdings ihre Früchte    für Mieter
nen Fall zur weiteren rechtlichen                         und nun scheint das Bettwan-       Angebot und
Bearbeitung. Die Wohnbau-                                 zenproblem nachhaltig gelöst.      Außenstellen
genossenschaft zeigte sich so-                            Herr M. wurde für die Zeit der     der MVÖ OÖ:
fort sehr kooperativ, engagierte                          massiven Beeinträchtigung mit      mietervereinigung.at/740/Leistungsumfang-Zustaendigkeit

                                                                                                                    FAIR WOHNEN 1/21 21
Lärm!
FAIR WOHNEN             RECHT

                        Was tun?
                        Pandemiebedingt verbringen wir alle mehr Zeit zu Hause - das lässt
                        nachbarschaftliche Konflikte gedeihen. Was können Mieter, die sich
                        von Lärm belästigt fühlen, dagegen tun?

                        »In den modernen
                        Wohnungen muss noch
                        manches besser werden.
                        Zum Beispiel kann man
                        zwar hören, was für ein
                        Fernsehprogramm der
                        Nachbar eingestellt hat,
                        aber man sieht es noch nicht.«
                        Karl Farkas

                        J
                                                                                                                                                       Aleksandr Slobodianyk from Pexels - Montage: MVÖ
                           eder dritte Österreicher fühl-
                           te sich 2019 in seiner Woh-
                           nung durch Lärm beläs-
                        tigt: Auf Platz eins der Störquel-
                        len lag Verkehrslärm. Auf Platz
                        zwei folgten bereits die Nach-
                        barn – und das noch vor Beginn
                        der Pandemie. Am meisten von
                        Lärm gestört zeigten sich die
                                                                                                     Thomas Peschat; LightFieldStudios/istockphoto.com

Elke Hanel-Torsch       Wiener, und hier vor allem jene,
                        die in Gründerzeithäusern (er-       Ein Staubsauger kommt im
                                                                                                                                 Thomas Peschat

ist Landesvorsitzende
der Mietervereinigung   richtet vor 1919) wohnen.            Schnitt bereits auf 70 dB. Der
Wien.                                                        auf den ersten Blick moderat
                        Die Grenze zwischen Geräusch         wirkende Unterschied von 10
                                                                                              Foto: ljubaphoto/istockphoto.com;

                        und Lärm ist subjektiv; der          dB ist für unsere Wahrnehmung
                        Schallpegel, gemessen in De-         tatsächlich immens und be-
                        zibel (dB), ist dagegen objek-       deutet eine Verdoppelung des
                        tiv messbar. Der eingangs vom        Lautheitseindrucks.
                        unvergessenen Karl Farkas er-
                                                                                              Fotos:

                        wähnte Fernseher liefert bei         Empfehlungen der Weltge-
                        Zimmerlautstärke etwa 60 dB.         sundheitsorganisation (WHO)

22 FAIR WOHNEN 1/21
Musterschreiben
      Mietzinsminderung
       zum Download :

      https://mietervereinigung.at/
             699/Downloads

FAIR WOHNEN 1/21 23
FAIR WOHNEN     RECHT

                zufolge soll in einem Schlaf-      dort enden lässt, wo der Nach-      dörflich-ländlichen Gebiet
                raum ein Dauerschallpegel von      bar beeinträchtigt wird. Als        durchaus üblich, wie der Obers-
                30 dB und ein Spitzenschall von    Nachbarn gelten dabei alle, die     te Gerichtshof (OGH) in einem
                45 dB nicht überschritten wer-     im Einflussbereich einer Lie-       Urteil (4Ob99/12f ) feststellte.
                den, um Menschen vor Schlaf-       genschaft leben. Diese nach-        Lärm durch stundenlange Pro-
                störungen zu schützen. Wer län-    barrechtlichen Vorschriften gel-    ben einer Heavy-Metal-Band
                ger konzentriert arbeiten muss –   ten nicht nur für Grundstücke       beurteilte der OGH auch im
                beispielsweise im Homeoffice -,    sondern sinngemäß auch für          dicht verbauten Stadtgebiet als
                wird ab einer Geräuschintensi-     Wohnungen.                          nicht ortsüblich (2Ob166/14x).
                tät von etwa 50 dB gestört.                                            Was wiederum zumutbar ist,
                                                   Ruhezeiten                          wird nicht durch das subjektive
                Lärm aus rechtlicher Sicht         Ruhezeiten sind in Öster-           Empfinden des sich gestört füh-
                Rechtlich wird Lärm – wie zB.      reich nicht einheitlich geregelt.   lenden Nachbarn, sondern das
                Geruch oder Licht - als einwir-    Wann der Rasenmäher oder die        eines Durchschnittsmenschen,
                kende »Immission« verstan-         Waschmaschine in Betrieb ge-        der sich in der Lage des Gestör-
                den, erklärt Elke Hanel-Torsch,    hen dürfen, ist von Ort zu Ort      ten befindet, bestimmt.
                Vorsitzende der Mietervereini-     verschieden. Empfehlenswert
                gung Wien. Der Umgang mit          ist daher immer eine Recherche      Wie laut ist zu laut?
                Störungen durch Immissionen        bei der Gemeinde. Generell gel-     Für eine Störung durch Lärm
                wird nicht im Mietrechtsgesetz     ten meist Ruhezeiten von 22.00      gibt es keinen bestimmten dB-
                (MRG) geregelt, sondern auf der    bis 6.00 Uhr sowie an Sonn- und     Pegel; die Beurteilung erfolgt
                einen Seite durch Landesgeset-     Feiertagen ganztags.                immer im konkreten Einzelfall.
                ze und auf der anderen Seite                                           Die Rechtsprechung geht davon
                durch Vorschriften zum so ge-      Ortsüblichkeit und                  aus, dass herbeigerufene Poli-
                nannten Nachbarrecht im All-       Zumutbarkeit                        zisten beurteilen können, ob
                gemeinen Bürgerlichen Gesetz-      Klar ist: Ortsübliche und zu-       bei einer konkreten Lärmbeläs-
                buch (ABGB).                       mutbare Beeinträchtigungen          tigung das Maß des Erträglichen
                                                   muss man hinnehmen. Bei             überschritten ist.
                Rücksichtnahme                     der Beurteilung, was ortsüb-
                Im Nachbarrecht des ABGB ist       lich ist, kommt es auf die un-      Was kann der Mieter tun?
                das sogenannte Rücksichtnah-       mittelbare Wohnumgebung             »Wenn man sich von einem lär-
                megebot (§ 364)verankert, das      an. Beispielsweise ist das Krä-     menden Nachbarn gestört fühlt,
                die Freiheiten des Einzelnen       hen eines Hahnes in einem           hilft am besten das Gespräch«,

Lärmpegel in Dezibel (dB(A))

                                         BLÄTTER-           KÜHL-
                           ATMEN         RASCHELN FLÜSTERN SCHRANK                              REGEN          GESPRÄCH

24 FAIR WOHNEN 1/21
i Weitere Infos
                                               rät Hanel-Torsch. Bringt das kei-   verlangen. Der Vermieter hat
                                               ne Lösung, dann haben Mieter        die Pflicht, Mieter gegen Stö-
                                               im Prinzip drei Möglichkeiten.      rungen Dritter zu schützen. Da
                                                                                   dieser Anspruch aber nur bei       Zimmerlautstärke
                                               1. Der Mieter kann den Sach-        einer wesentlichen Störung ent-    Musikinstrumente mit Laut-
                                               verhalt bei der Polizei anzeigen,   steht, wird das in Einzelfällen    stärkenreglern, Fernseher
                                               denn die Erregung störenden         nicht sinnvoll sein.               und Stereoanlage sollten
                                               Lärms in ungebührlicher Weise                                          auch untertags lediglich auf
                                               stellt nach den jeweiligen Lan-     Im Wiederholungsfall sieht die     Zimmerlautstärke gespielt
                                               despolizeigesetzen einen Ver-       Sache anders aus. Wenn ein         werden. Diese Lautstärke
                                               waltungsstraftatbestand dar.        Mieter den anderen das Zusam-      wird einer OGH-Entschei-
                                               Dabei ist immer im Einzelfall       menleben auf Dauer verleidet,      dung zufolge dann eingehal-
                                               zu prüfen, ob eine angezeig-        indem er rücksichtslos lärmt,      ten, »wenn die Geräusche
                                               te Lärmerregung störend und         kann das sogar ein Kündigungs-     innerhalb der Wohnungen
                                               ungebührlich ist. Die Beurtei-      grund sein.                        der übrigen Bewohner nicht
                                               lung erfolgt in der Regel durch                                        mehr oder doch kaum noch
                                               die Polizei. Die Behörde kann in    Mietzinsminderung                  vernommen werden können,
                                               der Folge eine Verwaltungsstra-     Wenn durch Lärm der vertrags-      sodass die Nachbarn da-
                                               fe aussprechen. In Wien droht       gemäße Gebrauch des Miet-          durch auch nicht wesentlich
                                               einem Lärmstörer eine Geld-         gegenstands nicht mehr möglich     gestört werden.«
                                               strafe bis zu 700 Euro.             ist, sind Mietzinsminderungen
                                                                                   möglich. Für Lärmbelästigun-       Beispiele für Verwaltungs-
                                               2. Der Mieter kann direkt gegen     gen wurden bislang seitens der     strafen - Lärmerregung:
                                               den störenden Nachbarn vorge-       Gerichte maximal 25 Prozent        • Betreiben einer Waschma-
                                               hen und gegen ihn eine Klage        Mietminderung zugestanden.         schine (lautes Schleudern)
    Grafik: b44022101/istockphoto.com, MVÖ

                                               (gemäß § 364 ABGB) einbringen,                                         nach 22 Uhr
                                               womit dem Störer die Pflicht        Hanel-Torsch: »Wir raten unbe-     • Lautes Radiospielen
                                               auferlegt werden soll, die Stö-     dingt dazu, vor einer Mietmin-     um 6 Uhr früh
                                               rungen künftig zu unterlassen.      derung Fachleute wie unsere Ju-    • Alleinlassen eines über
                                                                                   risten zu kontaktieren, da jede    einen längeren Zeitraum
                                               3. Der Mieter kann sich aber        unvollständige Mietzinszahlung     bellenden Hundes in der
                                               auch an seinen Vermieter wen-       zu einer Mietzins- und/oder        Wohnung.
                                               den und von diesem Abhilfe          Räumungsklage führen kann.«

                                                                                                                                                             KNALL-
H                                            AUTO           LKW           HAARFÖN             HELI          POSAUNE          SIRENE         DÜSENJET         KÖRPER

                                                                                                                                                FAIR WOHNEN 1/21 25
FAIR WOHNEN                INSIDER

                                                                             Michelle

Das Team
Michelle Schlögl (22): »Das Arbeitsklima ist super.«

am Schalter
Werfen Sie mit Fair Wohnen exklusiv einen Blick hinter die Kulissen der
Mietervereinigung und lernen Sie die Menschen, die tagtäglich für Sie im
Einsatz sind, kennen. Im ersten Teil unserer Serie stellen wir die Mitarbeiter
des Schalters im Servicecenter Wien vor.

D
    as freundliche Team am                             Kundenbetreuung, Terminver-      des ersten Lockdowns im März
                                                                                                                           Fotos: MVÖ (2), M. Nachtschatt (1)

    Schalter in Wien besteht                           gabe sowie die Koordination      2020 blieb das Servicecenter ge-
    aus Michelle Schlögl (22)                          mit den beratenden Juristen im   schlossen. Erst nach Ostern wa-
und Nemanja Panic (31). Viele                          Servicecenter.                   ren wieder persönliche Termi-
MVÖ-Mitglieder hatten schon                                                             ne möglich, allerdings nur unter
mindestens einmal Kontakt                              Auswirkungen der Pandemie        weitreichenden Hygienevor-
zu den beiden. Zu Ihren Auf-                           Die Pandemie änderte auch den    kehrungen. Die strikte Einhal-
gaben zählen Empfang und                               Alltag am Schalter. Während      tung des Sicherheitskonzepts

26 FAIR WOHNEN 1/21
Nemanja
Nemanja Panic (31): »Wir greifen den Kolleginnen und Kollegen unter die Arme und sind die guten Hausgeister.«

schützte Michelle und Neman-                         ganz selbstverständlich gelebt.                                                         Aktenservice und greifen Kol-
ja bei der täglichen Arbeit. Trotz                   Kein Wunder also, dass sowohl                               Rat & Hilfe                 legen in der Verwaltung unter
der Lockdowns waren über                             Michelle wie auch Nemanja die                           Angebot der Mieter-             die Arme«, ergänzt Nemanja.
                                                                                                              vereinigung Wien:
4.000 persönliche Beratungen                         konstruktive Zusammenarbeit                                                             »Wir sind ein bisschen die gu-
für Mitglieder zu organisie-                         mit den Kollegen im Haus be-                                                            ten Hausgeister.« Wie es sich
ren. Steigende Infektionszahlen                      tonen, wenn sie über ihre Tä-                                                           für einen guten Hausgeist ge-
brachten im Winter einen neu-                        tigkeit sprechen. »Das Arbeits-                                                         hört, beherrscht der von seinen
erlichen Lockdown, mit 9. No-                        klima ist super«, sagt Michelle.                                                        Freunden kurz »Nemo« genann-
vember wurden persönliche Be-                        »Wenn corona-bedingt bei uns                                                            te 31-Jährige mehrere Sprachen
                                                                                                               mietervereinigung.at/736/
ratungstermine in telefonische                       im Servicecenter die Frequenz                          Leistungsumfang-Zustaendigkeit   fließend und kann sich neben
umgewandelt, im Servicecenter                        geringer ist, helfen wir beim                                                           Deutsch auch in Englisch, Ita-
fand bis Redaktionsschluss aus                                                                                                               lienisch und Serbokroatisch
Sicherheitsgründen nur Doku-                                                                                                                 unterhalten.
mententransfer statt. »Derzeit
gibt es mehr telefonische als                                                                                                                In ihrer Freizeit trennen sich die
persönliche Kontakte«, erzählt                                                                                                               Wege von Michelle und »Nemo«,
Michelle, die im Lauf des Pan-                                                                                                               wenngleich die beiden eine ge-
demie-Jahres zum MVÖ-Team                                                                                                                    meinsame Leidenschaft zur
gestoßen ist.                                                                                                                                Steigerung der Fitness verbin-
                                                                                                                                             det. »Calisthenics« nennt sich
Arbeitsklima                                                                                                                                 die Kraftsportart mit Eigenge-
Seit der Gründung vor 110 Jah-                                                                                                               wichtsübungen, der »Nemo« mit
ren kennzeichnet Solidarität die                                                                                                             eiserner Konsequenz nachgeht.
MVÖ – nach außen wie nach
innen. Während Zusammen-                                                                                                                     Bald schon, so hoffen alle im
halt und Teamgeist bei vielen                                                                                                                Haus, wird die Pandemie Ge-
Unternehmen als Schlagwor-                                                                                                                   schichte sein und das Schalter-
te auf dem Flipchart des letzten                                                                                                             Team die Plakate zu Masken-
Teambuilding-Seminars vergil-                                                                                                                pflicht und Abstandsregeln ganz
ben, werden sie bei der MVÖ                          Erste Anlaufstelle für Mieter: das Servicecenter der Mietervereinigung Wien.            hinten im Lager verstauen.

                                                                                                                                                        FAIR WOHNEN 1/21 27
FAIR WOHNEN             EUROPA

                        Höhenflug für den
                        Freilufttourismus
                        Die Pandemie hat der Freizeit im Grünen zu einem neuen Boom
                        verholfen. Für die Natur ist das nicht immer positiv. Das grenzüber-
                        greifende EU-Projekt „Allianz der Alpen" sucht nach neuen Wegen
                        für den Outdoor-Tourismus.

                        I
                           n den ersten Frühlingsta-       »Diese Hilfe ist für die Unter-      Schäden in der Landschaft kön-
                           gen nach dem wochenlan-         nehmen überlebenswichtig. Wo         nen das Ökosystem langfristig
                           gen Lockdown suchen wieder      noch mehr getan werden muss,         schädigen.
                        viele von uns Erholung und Aus-    ist im Kulturbereich und ande-
                        gleich in der Natur. Beim Wan-     ren Branchen, die brach liegen       Stau am Berg
                        dern, Klettern oder Mountain-      und so eng an den Tourismus          59 österreichische Gemeinden
                        biken. Der Freilufttourismus, ob   gebunden sind. Besonders die         haben sich deshalb dem Pro-
                        mit oder ohne sportlichen Ehr-     Lage der Einmannbetriebe ist         jekt »Allianz der Alpen«, das von
                        geiz, ist zum neuen weltwei-       dramatisch«, sagt EU-Abgeord-        der Europäischen Union unter-
                        ten Mainstream geworden. Die       neter Hannes Heide.                  stützt wird, angeschlossen. Das
                        selbstbestimmte Bewegung in                                             Gemeindenetzwerk sucht nach
                        der freien Landschaft tut nach     Lerne deine Heimat kennen            nachhaltigen Ideen für den Out-
                        den Einschränkungen durch die      Die Seen- und Berggebiete in         door-Tourismus im Alpenraum.
                        Corona-Krise Geist und Körper      Kärnten, der Steiermark und          Die Zahl der Besucher ist durch
                        gut. Außerdem ist die Ausrüs-      Salzburg gehörten 2020 zu den        die Corona-Pandemie rasant ge-
                        tung, je nach Sportart, leistbar   Favoriten der Ausflügler. Solan-     stiegen. Die Bilder vom Stau am
                        und auch die Kosten der Aus-       ge die Unterkünfte geschlossen       Berg sind vielen aus dem ver-
Hannes Heide            flüge sind überschaubar. Bisher    sind, bleibt es für die meisten      gangenen Sommer noch im Ge-
ist Abgeordneter im     bleibt der Radius der meisten      bei Tagestrips im eigenen Bun-       dächtnis. Auch Orte, wie Hall-
Europäischen Parla-     Kurzurlauber, wie schon im ver-    desland. »Für die Regionen ist       statt, wo man wegen fehlender
ment. Er fordert mehr   gangenen Sommer, eher klein.       der Freilufttourismus eine un-       internationaler BesucherInnen
EU-Unterstützung
für nachhaltige
                                                           glaubliche Chance. Es sind oft       eigentlich mit einer ruhigen Sai-
Tourismuskonzepte in    Harte Zeiten                       gerade kleine Betriebe die da-       son gerechnet hat, waren tage-
kleineren Urlaubs-      für Kleinstbetriebe                von profitieren und die Wert-        weise völlig überlaufen. Im slo-
regionen.               Der Tourismus ist einer der Sek-   schöpfung bleibt zum größten         wenischen Nationalpark Trig-
                        toren, der durch die Corona        Teil in den Regionen«, so Hei-       lav kamen im Sommer bis zu
                        Maßnahmen am härtesten ge-         de. Das alles ist aber nicht zwin-   7.000 Tagesgäste. Eine unerträg-
                        troffen wurde. Mehr als sieben     gend umweltverträglich. Der          liche Situation für die Bevölke-
                        Millionen Arbeitsplätze im Tou-    Bad Ischler kennt die Schatten-      rung und die Gäste, der man
                        rismus sind in Gefahr, zahlrei-    seiten der vielen Gäste und en-      in der kommenden Saison mit
                        che Unternehmen sind nach wie      gagiert sich im Europäischen         einer Begrenzung auf 1.500 Per-
                        vor von Insolvenz bedroht. Die     Parlament besonders für die          sonen pro Tag entgegenwirken
                        Europäische Union unterstützt      klimafreundliche Regionalent-        will. Eine Taktik, die für Öster-
                        die krisengebeutelten Unter-       wicklung: »Tausende Urlauber         reichs Skitourismus aus epide-
                        nehmen weiterhin mit Sofortli-     hinterlassen auch unerwünsch-        miologischen Gründen bereits
                        quiditätshilfen. Darüber hinaus    te Spuren, deshalb ist die Ent-      im Einsatz ist.
                        wurden 100.000 kleinen Unter-      wicklung von nachhaltigen und
                        nehmen bis zu acht Milliarden      klimafreundlichen Ideen für die      Wandern auf Abwegen
                        Euro aus dem Europäischen          Regionen so wichtig«. Zurück-        Social Media und die »per-
                        Investitionsfonds zugesichert.     gelassener Müll, Unfälle und         fekten« Urlaubsbilder können

28 FAIR WOHNEN 1/21
Sie können auch lesen