Schriftenreihe des Lehrstuhls für Logistikmanagement - Nr. 4 Jahrgang 2019 Digitalisierungsmaßnahmen zur autonomen Selbstorganisation eines ...
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Schriftenreihe des Nr. 4 Lehrstuhls für Jahrgang 2019 Logistikmanagement Kotzab, H. (Hrsg.) Digitalisierungsmaßnahmen zur autonomen Selbstorganisation eines Containerterminals Lücken, Arne; Werth, David; Ehlert, Lars; Meyer, Tim-Mathis
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis I Abbildungsverzeichnis III Tabellenverzeichnis IV Abkürzungsverzeichnis V 1 Einleitung 1 1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.3 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 Theoretische Grundlagen 3 2.1 Grundsätzliches über ein Containerterminal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.2 Autonomie und fahrerlose Transportsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2.3 Intelligent Transportation Systems (ITS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.4 Informationstechnologien und Digitalisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . 7 2.4.1 Internet of Things . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.4.2 RFID-Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.4.3 Sensornetzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.4.4 CPS und M2M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.4.5 Kommunikationstechnologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.4.6 Multi-Agent-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3 Methodischer Zutritt 12 3.1 Übersicht und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3.2 Workshop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3.3 Erläuterung der Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.3.1 Cognitive Mapping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.3.2 SWOT-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I
4 Ergebnisse 14 4.1 Cognitive Map über die Subsysteme der Hafenlogistik . . . . . . . . . . . . . 14 4.2 Fallbeispiele der Hafendigitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.2.1 Hyperkonvergente Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.2.2 Virtuelles Replikat und Ankunftsheuristiken des Hafens Rotterdam . . 16 4.2.3 Hyperloop-Projekt im Hamburger Hafen . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4.2.4 Hamburg smartPORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4.3 SWOT-Analyse zur Einführung von Digitalisierungsmaßnahmen . . . . . . . . 18 4.3.1 Stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4.3.2 Schwächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4.3.3 Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.3.4 Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 5 Diskussion der Ergebnisse 22 5.1 Sozioökonomische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 5.2 Konkurrenzsituation deutscher Seehäfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 5.3 Breitband- und Mobilfunknetzausbau in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 26 5.4 Digitale Sicherheitsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 6 Fazit 29 6.1 Beantwortung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 6.2 Schlussfolgerungen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Literaturverzeichnis A II
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Globaler Containerhandel 1996-2018 (UNCTAD, 2018) . . . . . . . . . . 1 Abbildung 2 Container Terminal System (Steenken et al., 2004) . . . . . . . . . . . . . 5 Abbildung 3 Cyber-Physical-Systems für vernetzte Mobilität durch verteiltes Verkehrs- management (Hellinger und Deutsche Akademie für Technikwissenschaf- ten, 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Abbildung 4 Subsysteme eines Containerterminals (eigene Darstellung) . . . . . . . . 14 Abbildung 5 Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland am 31.12.2013 und am 31.12.2060 (Statistisches Bundesamt, 2015) . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Abbildung 6 Anteil von Glasfaseranschlüssen an allen stationären Breitbandanschlüssen in ausgewählten Ländern der OECD im Juni 2017 (Skala, 2018) . . . . . 27 Abbildung 7 Geplante Investitionen in der deutschen Logistik-Branche im Jahr 2018 (SCI Verkehr, 2018) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III
Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Informatiostechnologien als Enabler für Digitalisierung (Jahn und Saxe, 2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Tabelle 2 Umschlagsvolumen Seehäfen 2017 (Lloyd’s List, 2018; Stadt Wilhelmsha- ven, 2018) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Tabelle 3 SWOT-Analyse zur Einführung von Digitalisierungsmaßnahmen . . . . . 18 IV
Abkürzungsverzeichnis 4G Fourth Generation 5G Fifth Generation AGV Automated Guided Vehicle AI Augmented Intelligence ALV Automated Lifting Vehicle App Application BSD Berkeley Software Distribution CEO Chief Executive Officer CPS Cyber-Physical-System CT Containerterminal CTA Containerterminal Altenwerder DLC Dual Load Carrier EC Electronic Cash ECDIS Electronic Chart Display & Information System EPC Electronic Product Code EPCIS Electronic Product Code Information Services ERTICO European Road Transport Telematics Implementation Coordination Organisation-Intelligent Transport Systems & Services Europe FTS Fahrerlose Transportsysteme GPS Global Positioning System HCI Hyperconvergent infrastructure HHLA Hamburger Hafen und Logistik AG HPA Hamburg Port Authority HTT Hyperloop Transportation Technologies IoT Internet of Things ISC Integrated Ship Control ISETEC Innovative Seehafentechnologien IT Informationstechnik ITS Intelligent Transportation Systems JPEG Joint Photographic Experts Group LTE Long Term Evolution M2M Machine-to-Machine MAS Multi-Agent-System MLC Multi Load Carrier MOS Maritime Operational Systems NHS National Health Service NSA National Security Agency V
OECD Organisation for Economic Cooperation and Development ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr PDF Portable Documents Format QC Quay Cranes RFID Radio-Frequency Identification RIS River Information Systems RMG Rail Mounted Gantry Cranes RTG Rubber Tired Gantry Cranes SLC Single Load Carrier SPL SmartPORT Logistics SWOT Strenghts, Weaknesses, Opportunities, Threats TEU Twenty-foot Equivalent Unit TLS Terminal Logistik und Steuerung VTMS Vessel Traffic Management Systems VI
1 Einleitung 1.1 Motivation Der internationale Seegüterverkehr ist mit einem Containeraufkommen von 10,7 Milliarden Tonnen im Jahre 2017 eine der wichtigsten Transportarten und somit integraler Bestandteil der Supply Chain einer jeden internationalen Unternehmung. Im selben Jahr erfuhr der maritime Handel mit 4% den größten Aufschwung seit fünf Jahren, was mit dem generellen Wachstum der Weltwirtschaft einherging (UNCTAD, 2018). Für Seehäfen und Containerterminals bedeuten diese Zahlen eine sich jährlich erhöhende Auftragslage und Umschlagsmenge. Somit stellen sich fortwährend neue Anforderungen für dessen Bewältigung und es bedarf neuartiger Maßnahmen und Lösungen dazu, die wiederum neue Chancen und Risiken bergen. Diese Erkenntnis fordert nicht nur einen effizienteren Umgang mit den eigentlichen Güterflüssen, sondern auch mit den umfangreicheren Informationsflüssen internationaler Korrespondenz. Der Fokus dieser Ausarbei- tung liegt folglich auf dem Umschlag und der Informationsverarbeitung an Containerterminals und den damit unmittelbar in Kontakt stehenden Akteuren der Lieferkette. Abbildung 1: Globaler Containerhandel 1996-2018 (UNCTAD, 2018) Weitere Beachtung erfährt die fortbeständige und nachhaltige Entwicklung der Wettbewerbstaug- lichkeit deutscher Seehäfen und somit auch des gesamten Wirtschaftsstandortes Deutschland. Vor dem Hintergrund des rapide wachsenden internationalen Wettbewerbs kommt dessen Zukunft als 1
vergangener Exportweltmeister und viertstärkster Volkswirtschaft der Welt (World Bank, 2018) eine besondere Rolle zu, sich auch weiterhin im Außenhandel stabil zu positionieren. Gerade in Anbetracht etwaiger Vorhaben wie beispielweise der Belt and Road-Initiative der Volksre- publik China, welche mit einem Etat von über einer Billion US-Dollar dotiert ist und auf den globalen Ausbau von Handelsrouten und Verkehrsknotenpunkten abzielt (Kuo und Kommenda, 2018), steigt die Relevanz, mit eben jenen Partnern auch fortan effizienten Handel betreiben zu können. Hinzu kommt, dass die Häfen Rotterdam und Antwerpen jährlich mehr Anteile des in Nordeuropa umgeschlagenen Containeraufkommens übernehmen (NDR, 2018). Gleichermaßen sollte es das Ziel einer hochentwickelten Informationsgesellschaft bleiben, sich auch zukünftig innovationstechnisch von konkurrierenden Nationen abzuheben. 1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen Das Schlagwort Industrie 4.0, die jedwede Digitalisierungs- und Vernetzungsmaßnahme im Rahmen unternehmerischer Tätigkeiten umfasst, wird derzeit als nächste Stufe in der Reihe der industriellen Revolution gehandhabt (Bundesverband der deutschen Industrie, 2018). Hauptziel dieser Ausarbeitung ist die Bestandsaufnahme aktueller Zustände und die Entwicklung zukunfts- orientierter Lösungsansätze zur effizienteren Organisation und prozessoptimierten Abwicklung des Umschlags an deutschen Seehäfen im Rahmen des Oberthemas Intelligent Transporta- tion Systems. Die vorgestellten technologischen Konzepte sollen Zeitersparnisse in Bezug auf Korrespondenz, Auftragsabwicklung, Informationsübertragung und Be- und Entladezeiten von Containerschiffen durch Optimierung der Auslastung jeglicher beteiligter Maschinen und Förder- mittel bewirken und somit zur insgesamten Produktivitätssteigerung eines Containerterminals beitragen. Abstrahiert ergeben sich folgende Forschungsfragen: • Was bedeutet autonome Selbstorganisation der Hafenlogistik und wird sie bereits angewandt? • Welche neuartigen Digitalisierungsmaßnahmen kommen für die Hafenlogistik in Be- tracht und besteht die Anwendungsmöglichkeit an deutschen Seehäfen? 1.3 Aufbau Das nachfolgende Kapitel 2 beginnt mit der Auseinandersetzung mit den theoretischen Grund- lagen zur autonomen Selbstorganisation, um ein solches Vorhaben bewerkstelligen zu können. In Kapitel 3 und 4 erfolgt der methodische Zugang zur Entwicklung von Lösungsansätzen unter Einbezug der Ergebnisse eines studentischen Workshops über die Digitalisierungsthematik. Kapitel 5 beschäftigt sich mit der Diskussion der Ergebnisse darüber, ob und wie genau die entwickelten Szenarien und Lösungsansätze an deutschen Seehäfen umgesetzt werden könnten und welche konkreten lokalen Beschränkungen diesem Vorhaben entgegengestellt sind. Die Schlussfolgerungen und das Fazit in Kapitel 6 runden diese Arbeit ab. 2
2 Theoretische Grundlagen 2.1 Grundsätzliches über ein Containerterminal Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts erforderte die Heterogenität von Transportladungen bzw. Gütern individuelle Verpackungen und Zusammenfassungen von Ladungen. Der Großteil der für das Verfrachten von Gütern über den Seeweg veranschlagten Zeit musste für Beladung, Umschlag und Löschen der Ladung einkalkuliert werden. Durch die Verwendung von Contai- nern im zweiten Weltkrieg erkannte der amerikanische Unternehmer Malcom McLean dessen Potenzial für die zivile Logistik (Meier, 2009). McLeans Idee vom Standardcontainer setzte sich über die letzten 50 Jahre global durch, sodass im Jahre 2009 90% aller maritim bewegten Güter, ausgenommen der Transport von Massengütern durch sogenannte Bulker, in Containern verschifft wurden (Suárez-Alemán et al., 2016). Nähere Betrachtung erfährt hier das Container- terminal als Knotenpunkt der Maritimen- und Hinterlandlogistik. Containerterminals werden, im Sinne der logistischen Systemtheorie, als ein System mit zwei Schnittstellen beschrieben. Offensichtlich ist die maritime Schnittstelle, die Beladung und Löschung von Containerschiffen. Die zweite Schnittstelle stellt der hauptsächlich landgebundende Güteran- und Abtransport dar (Meier, 2009). Des Weiteren ist ein Abgleich mit den in der Literatur beschriebenen Grundfunk- tion eines Containerterminals möglich, um es als solches zu klassifizieren. Als entsprechende Grundfunktionen nennt die Literatur drei Hauptfunktionen, welche sich aufschlüsseln lassen zur Transportfunktion (der Transport von Containern innerhalb des Terminals), Transferfunktion (Weiterverschiffung von Containern) und der Speicherfunktion (Einlagerung von Containern für verschiedene Zeiträume). Bei jedem Containerterminal spielen diese Funktionen zusammen, die Art des Zusammenwirkens kann jedoch variieren (Kim und Günther, 2007). Ziel ist es, verfügbare Ressourcen während der Liegezeit eines Schiffes möglichst effizient einzusetzen, die Kosten pro abgefertigter TEU (Twenty-foot Equivalent Unit) gering zu halten und nach Möglichkeit zu reduzieren (Henesey et al., 2003). Neue Technologien dienen der stärkeren Vernetzung mehrerer Seehäfen und deren Verknüpfungen mit dem Hinterland. Sie stellen nicht nur einen zentralen Knotenpunkt für den Güterumschlag, sondern auch für den Logistikdatenfluss dar (Klein, 2007). Herausforderungen aus logistischer Sicht liegen bisweilen in der Integration von ganzheitlichen Hafenlogistiksystemen, da die wenigen verfügbaren Standardprogramme lediglich für einzelne Funktionen konzipiert sind. Pro- gramme zur ganzheitlichen Steuerung, wie beispielsweise sogenannte Multi-Agenten-Systeme, existieren als Individuallösung jeweils für einzelne Häfen (Henesey et al., 2003) und werden im weiteren Verlauf noch behandelt. Ein potentieller Hafenstandort definiert sich durch verschiedene Eigenschaften, in die Planung werden sowohl positive als auch negative Faktoren einbezogen. Positive Standortfaktoren sind beispielsweise bebaubarer Boden und gute Infrastrukturanbindung. Als negativ kann sich unter 3
anderem eine hohe Flutgefahr oder vorhandener Morast erweisen. Da die Nordostpassage, die über die Beringstraße nach Südostasien führt, noch nicht durchgängig befahrbar ist, liegen die großen deutschen Häfen an der sogenannten Nordrange (Göpfert und Braun, 2013). In Deutsch- land übernimmt der Bund die Verantwortung für Seewege, Vertiefungen und deren Sicherung. Die Bereitstellung von Infrastruktur ist Länderaufgabe, dazu zählt auch die Unterhaltung des eigentlichen Hafenbeckens (Wowries, 2008). Der Ausbau von Containerhubs erfordert meist auch sekundäre Investitionen in die Infrastruktur beziehungsweise Hinterlandanbindung, so mussten beispielsweise beim Bau des Wilhelmshavener JadeWeserPorts Fahrrinnenanpassungen in Weser und Elbe getätigt werden. Der Stellenwert guter Infrastrukturanbindung endet nicht bei der unmittelbaren lokalen Wirtschaft der deutschen Tiefseehäfen, sondern ist als Drehscheibe auch für Ost- und Südosteuropa relevant. Herausforderungen stellen in Deutschland beispielsweise Planfeststellungsverfahren dar, die mehrere Jahrzehnte andauern können. Dem schnellen Wandel und Wachstum der maritimen Logistik hin zur massiven computergestützten Steuerung und bes- seren strategischen Koordination der deutschen Tiefseehäfen geschuldet, hat die Bundesrepublik Deutschland die Förderprogramme ISETEC I und II (Innovative Seehafentechnologien) initiiert (Baumgarten, 2008). 2.2 Autonomie und fahrerlose Transportsysteme Was bedeutet Autonomie im technologischen Kontext? Der aus dem Altgriechischen stammende Begriff „Autonomie“ (griech. autonomia, lat. autonomia) setzt sich aus den Begriffsteilen autós (selbst) und nomós (Gesetz) zusammen. Ins Deutsche ist der Begriff mit Selbstbestimmung, Selbstgesetzgebung sowie Eigengesetzlichkeit übersetzbar (Pohlmann, 1971). George A. Bakey (2005) attestiert, dass technologische Autonomie sich auf Systeme bezieht, die in Umgebungen der realen Welt ohne externe Kontrolle für einen längeren Zeitraum operieren können. Die ersten fahrerlosen Transportsysteme (FTS) wurden bereits in den 1950er Jahren in den USA entwickelt. Bei dem dort eingesetzten FTS handelte es sich um einen Schleppzug, dessen Anwendungsbereich in der innerbetrieblichen Logistik lag. Die zu der Zeit üblichen Schlepp- züge wurden über Schienen geführt. Hierbei kam jedoch die damals neuartige Technologie der induktiven Spurführung zum Einsatz. Bei induktiver Spurführung wird das FTS mit Sensoren ausgestattet, die sich an im Boden eingelassenen Magneten orientieren (Ullrich, 2014). Die Entwicklung der Automatisierung von Transportsystemen wird in vier Epochen unterteilt. Um die Jahrtausendwende, zur Zeit der dritten Periode, setzten viele Containerterminals bereits auf einen gewissen Grad an Automatisierung. Bei den verwendeten Gerätschaften gibt es weitere Unterteilungen. Die erste Unterteilung erfolgt in Transport- und Stapelgeräte. Bei Stapelgeräten handelt es sich zunächst um so genannte Kaikräne (quay cranes, QC) bzw. Containerbrücken. Die Aufgabe der Kaikräne ist das Beladen und Löschen der Schiffe. Sie operieren auf Schienen und bewegen sich langsam entlang der Kaimauer. Zudem verfügen sie über eine sogenannte Laufkatze, welche über die gesamte Schiffsbreite reichen. Des Weiteren gibt es Kräne mit einer 4
Zweischienenkatze. Diese Technik bewirkt jedoch nur eine Teilautomatisierung. Während die Hauptkatze, die das Schiff be- und entlädt, manuell von einem Kranführer gesteuert wird, kann die Portalkatze vollständig automatisiert werden. Diese hat die Aufgabe, die Transportfahrzeuge zu beladen (Speer, 2017). Aufgabe des Lagerkrans ist die Beförderung der Container zum Lagerort am Terminal. Seine Prozesse unterteilen sich in Einlagerung, Auslagerung, Umstapelung und Umlagerung. Lagerkräne gibt es in verschiedenen Ausführungen. Hier wird zwischen Rail Mounted Gan- try Cranes (RMG) unterschieden, welche schienengeführt sind und den Rubber Tired Gantry Cranes (RTG), welche bereift sind. Beide Versionen existieren in vollautomatisierten Ausfüh- rungen (Speer, 2017). Als letztes werden die Flurfördergeräte genannt, die zwischen aktiven und passiven Geräten zu unterscheiden sind. Aktiv sind die sogenannten Automated Lifting Vehicle (ALV), bei denen es sich um Van Carrier oder auch Straddle Carrier handelt. Sie können aufgrund ihrer Konzeption selbstständig Container aufnehmen und diese transportieren. Die Automated Guided Vehicle (AGV) hingegen sind passive Flurfördergeräte. Es kann hier zwischen Single Load Carriern (SLC) und Dual Load Carriern (DLC) bzw. Multi Load Carriern (MLC) unterschieden werden. Sie sind darauf angewiesen, dass ein Kran ihnen den Container aufsetzt bzw. abnimmt (Lehmann, 2007). Zusammenfassend wird durch die eben genannten Gerätschaften nur ein gewisser Grad an Automatisierung ermöglicht. In den folgenden Unterkapiteln werden also Überlegungen aufgeführt, diese in ein autonom agierendes Umfeld zu integrieren. Abbildung 2: Container Terminal System (Steenken et al., 2004) 2.3 Intelligent Transportation Systems (ITS) Der Begriff Intelligent Transport Systems (ITS) ist mit dem deutschen Begriff Verkehrstelematik gleichzusetzen. Er wird verwendet, um den Einsatz von Informations- und Kommunikationstech- nologien im Verkehrsbereich zu definieren, welche einen Echtzeitfluss von Informationen und Daten schaffen, eine intelligentere Nutzung von Infrastrukturen und Fahrzeugen ermöglichen 5
und das Verkehrs- und Mobilitätsmanagement verbessern (Giannopoulos, 2004). ITS im Allge- meinen zielen auf die Optimierung und sinnvollen Gestaltung der Infrastruktur für Verkehrsmittel und der Verkehrsfläche ab. Ursprüngliche Ziele sind beispielsweise vorhandene Ressourcen und Energie einzusparen beziehungsweise möglichst effizient einzusetzen, Verkehrswege und Parkraum zu optimieren, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, die Straßen- und Umweltbelastung zu senken sowie die Mobilität zu sichern (Moerke and Walke, 2007). Die Entwicklungsarbeit an ITS begann in Japan und den USA in den späten 1980er Jahren mit dem Ziel, nationale intelligente Straßenverkehrssysteme aufzubauen. Das Hauptaugenmerk lag hierbei zunächst auf der Erhöhung der Sicherheit des Straßenverkehrs (Pietrzykowski, 2010). In Europa ist insbeson- dere die 1991 gegründete European Road Transport Telematics Implementation Coordination Organisation-Intelligent Transport Systems & Services Europe (ERTICO) für Forschung- und Entwicklungsarbeit in diesem Segment verantwortlich (ERTICO, 2018). ERTICO hat die Vision, mit Hilfe von ITS eine intelligente Mobilität mit voll informierten Menschen ohne Unfälle, Verzö- gerungen und mit geringeren Auswirkungen auf die Umwelt zu schaffen. Dabei sollen die Dienste erschwinglich und nahtlos, der Datenschutz respektiert und die Sicherheit gewährleistet sein. ITS wird als Forschungsgebiet mit hohem Potenzial gesehen, welches Lösungsmöglichkeiten für viele Herausforderungen bietet, mit denen der Verkehrssektor konfrontiert ist. Diese bestehen kei- nesfalls nur innerhalb der einzelnen Verkehrsträger, sondern insbesondere bei der Schaffung von Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern beziehungsweise bei der Integration innerhalb dieser. Neben der Infrastruktur gilt ITS als der wichtigste Faktor, mit dem die Zusammenarbeit zwi- schen den verschiedenen Verkehrsträgern und die Schaffung eines nahtlosen Verkehrssystems, anhand der Ziele von ERTICO, in ganz Europa erreicht werden kann. Die einzelnen Subsysteme werden von ERTICO unterteilt in Verkehrs- und Reiseinformationen, Verkehrs- und ÖPNV- Management, Navigationsdienste, Smart Ticketing und Gebühreneinzug, Transportsicherheit und -sicherung, Güterverkehr und Logistik (einschließlich Stadtlogistik), intelligente Mobilität und Co-Modalitätsdienste, Umwelt- und Energieeffizienz (einschließlich Elektromobilität). Der Bereich Schifffahrt wird hauptsächlich unter dem Aspekt Verkehrs- und ÖPNV-Management betrachtet. Dementsprechend gibt es in fast allen wichtigen maritimen Regionen der EU, insbe- sondere in der Nähe großer Häfen, beispielsweise Vessel Traffic Management Systems (VTMS), die den Schiffsverkehr koordinieren. Andere Konzeptionen zum Management und zur Kontrolle des Seeverkehrs werden bezeichnet als Maritime Operational Systems (MOS), Integrated Ship Control (ISC), Electronic Chart Display & Information System (ECDIS) und River Information Systems (RIS) (Giannopoulos, 2012). Die aufgeführten Systeme dienen beispielsweise dem Fracht- und Flottenmanagement, dem Schiffsverkehrsmanagement, dem Sicherheits- und Scha- denskontrollmanagement sowie der Verwaltung von Informationen für Reeder, Schiffsagenten und Schiffskommandanten, Reisenden, Verwaltungsbehörden und anderen Interessengruppen. Eine Besonderheit bei der Etablierung solcher Systeme ist der spezifische und internationale Charakter des Seeverkehrs. So müssen, anders als beispielsweise bei Einrichtung neuer Lösungen im Straßengüterverkehr, hier die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen vieler beteilig- 6
ter Staaten berücksichtigt und die Genehmigungen internationaler Gremien eingeholt werden (Pietrzykowski, 2010). 2.4 Informationstechnologien und Digitalisierungsmaßnahmen 2.4.1 Internet of Things Ein Containerumschlag ist mit der Verarbeitung erheblicher Informationsmengen verbunden. Die zuständige Behörde erhält Daten darüber, wann Schiffe und Ladeeinheiten antreffen, in welchem Zeitfenster sie abgefertigt werden sollen und welche Gegebenheiten dabei berücksichtigt werden müssen. Um den Informationsaustausch innerhalb der Terminalaktivitäten sowie zwischen den unmittelbar vor und nachgelarten Akteuren der Lieferkette zu erleichtern, existieren neuartige Informationstechnologien. Als Grundbaustein der Überlegungen dient die Begrifflichkeit Internet of Things (IoT), im Deutschen auch direkt als Internet der Dinge bezeichnet. Im Mittelpunkt des IoT steht die umfassende Vernetzung von Geräten, Systemen und Diensten innerhalb der bestehenden Internetinfrastruktur. Der Wert des IoT liegt darin, dass es dazu in der Lage ist, die von den Sensoren an den Endpunkten der angeschlossenen Geräte erhaltenen Daten zu erfassen und zu analysieren (Nguyen und De Cramer, 2016). Für Unternehmen erweist sich das IoT in vielen verschiedenen Kategorien als nützlich, darunter Asset-Tracking und Bestandskontrolle, Sicherheit, individuelle Verfolgung, Versand und Standort sowie Energieeinsparung (Nguyen und De Cramer, 2016). Der Kern des IoT ist die Idee, internetfähige Gegenstände miteinander zu verbinden, um eine direktere Integration zwischen der physischen Welt und computergestützten Systemen zu schaffen (De Cramer et al, 2017). Mitarbeiter, Sensoren und Anwendungen kom- munizieren und kooperieren in Echtzeit in zukünftigen Logistiksystemen über das Internet der Dinge. Digitale Cloud-Plattformen ermöglichen es den Nutzern, Vorteile wie schnellere Verarbei- tungsgeschwindigkeiten, Zugänglichkeit, unbegrenzte Speicherkapazitäten und geringere Kosten als bei der Verwendung eigener Systeme zu nutzen (Jahn und Saxe, 2017). Schätzungen der NCTA zufolge sollen bis zum Jahre 2020 über 50 Milliarden Geräte Bestand- teil des IoT sein, da neben Endgeräten wie Tablets und Smartphones immer mehr alltägliche Gegenstände wie elektrische Zahnbürsten über eine eigene IP-Adresse verfügen (NCTA, 2015). Die dabei entstehenden hohen Datenmengen und deren Vielfalt werden gemeinhin als Big Data betitelt (Müller et al., 2018). Das IoT stellt für sich betrachtet jedoch nur einen Sammelbegriff vieler interoperabler Techno- logien dar. Tabelle 1 listet die nach Jahn und Saxe (2017) für die digitalisierte Hafenlogistik relevanten Subsysteme des IoT auf. 7
Tabelle 1: Informatiostechnologien als Enabler für Digitalisierung (Jahn und Saxe, 2017) Available Internet of Things solutions founding technologies for the Internet of Things RFID tags and readers RFID platforms EPC global networks Sensor networks Sensors Cloud-computing Pervasive computer platforms Cloud of Things Embedded systems Cyber-physical systems Automated and autonomous systems Wireless communication protocols Machine-to-Machine systems Fog computing 2.4.2 RFID-Plattformen RFID (radio-frequency identification)-Plattformen spielten eine eine zentrale Rolle bei der Ent- stehung des IoT. Sie ermöglichen den kontaktlosen Austausch von Informationen zur Steuerung und Verfolgung von den zu identifizierenden Objekten. Heutzutage werden sie beispielsweise flächendeckend in EC-Karten zur bargeldlosen Zahlung eingesetzt. Grundsätzlich besteht ein RFID-System aus einem Transponder, einem Lesegerät und einem Informationssystem, das das Auslesen und Beschreiben der Transponder steuert (Tamm und Tribowski, 2010). Der Transponder (Tag) wird am Zielobjekt befestigt. Das Lesegerät (Reader) kann mittels eines Radiofrequenzmo- duls, einer Speichereinheit und einer Antenne die jeweilige Kennung des Transponders auslesen. Je nach Bauart und Klassifizierung ist das Tag selbst mit einer integrierten Batterie ausgestattet oder wird vom Reader über dessen Antenne mit Energie versorgt. Die batterielosen (passiven) Tags überliefern ausschließlich dann Informationen, wenn sie vom Reader erfasst werden. Neue objektrelevante Informationen können auch direkt auf befähigte Transponder geschrieben werden (Tamm und Tribowski, 2010). In Verbindung mit den Electronic Product Code Information Services (EPCIS) werden die Limitierungen konventioneller Kennzeichnungsmethoden über- wunden. Hierzu dient der Electronic Product Code (EPC), womit jedem Objekt eine weltweit einzigartige Kennung mit Informationen wie Hersteller und Seriennummer zugewiesen wird und diese dann im EPCglobal-Netzwerk gelistet werden, auf das von unternehmensspezifischen Verwaltungsanwendungen zugegriffen werden kann (Tamm und Tribowski, 2010). Aufgrund der Kompaktheit und des geringen Kostenrahmens für Transponder im Centbereich bieten sich RFID-Plattformen bestens zur Kennzeichnung von Containern und untergeordneten Ladeein- heiten von Gütern an. Die Signalreichweite von RFID-Plattformen kann im sogenannten Super High Frequency-Frequenzband bis zu 10 Meter erreichen (Tamm und Tribowski, 2010). 2.4.3 Sensornetzwerke Sensoren messen physische, chemische, biologische, elektrische, magnetische, optische, radiolo- gische oder thermische Signale der Zielobjekte. Die Vernetzung einer hohen Anzahl an Sensoren zu sogenannten Sensornetzwerken ermöglichen die Anfertigung umfassender Messergebnisse, 8
die über ein CPS weitergeleitet werden und somit die Kontrolle über den adäquaten Umgang mit beispielsweise zerbrechlichen oder Gefahrgütern erleichtern (Jahn und Saxe, 2017). 2.4.4 CPS und M2M Hellinger und Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (2011) beschreiben Cyber-Physical Systems (CPS) als Systeme mit eingebetteter Software als Teil von Geräten, Gebäuden, Verkehrs- wegen, Verkehrsmitteln, Produktionsanlagen, medizinischen Prozessen, Logistik-, Koordinations- und Managementprozessen. Über die oben beschriebenen Sensornetzwerke sind CPS dazu in der Lage, • unmittelbare physikalische Daten zu erfassen und durch Aktoren auf physikalische Vor- gänge einzuwirken • erfasste Daten auszuwerten und zu speichern und aktiv oder reaktiv mit der physikalischen sowie der digitalen Welt zu interagieren • über digitale Kommunikationseinrichtungen untereinander sowie in globalen Netzen ver- bunden zu sein (drahtlos/kabelgebunden, lokal/global) • weltweit verfügbare Dienste zu nutzen • über eine Reihe dezidierter, multimodaler Mensch-Maschine-Schnittstellen zu verfügen. Somit besetzt das CPS eine zentrale Position in einem Feld mit nahezu unbegrenzter Einsatzbreite für vernetzte Mobilität, automatisierter und ressourceneffizienterer Produktion. Einer der größten Vorteile von CPS liegt in der Virtualität dieser Systeme, weshalb deren Funktionen in weiten Bereichen unabhängig von Materialien, Orten und Geräten sind und trotzdem ein Bild der Realität schaffen (Hellinger und Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, 2011). Während das IoT ein eher abstrakter Begriff für die ubiquitäre globale Vernetzung aller befähigten Geräte und Dienstleistungen ist, operieren CPS in gezielteren Anwendungsfeldern und müssen nicht zwangs- läufig mit dem globalen Internet verbunden sein. Aufgrund der vielfältigen Anwendungsbereiche bestehen deshalb Schnittmengen der Definitionen. Wan et al. (2013) betrachten CPS als eine Evolutionsstufe der Machine-to-Machine communi- cation (M2M), das dessen einseitigen Fokus von der reinen Kommunikation zwischen zwei Maschinen überholt und zusätzliche Parameter aus mehrdimensionalen Netzwerken sensorischer Daten berücksichtigt. 9
Abbildung 3: Cyber-Physical-Systems für vernetzte Mobilität durch verteiltes Verkehrsmanagement (Hellinger und Deutsche Akademie für Technikwissenschaften, 2011) 2.4.5 Kommunikationstechnologien Um die Funktionalität der oben genannten Technolgien zu gewährleisten, bedarf es einer gut ausgebauten und stabilen Netzwerkinfrastruktur. Neben konventionellen kabelgebundenen Breit- bandanschlüssen werden für die weitläufigen Flächen eines Containerterminals verlässliche mobile Kommunikationssysteme benötigt. Der chinesische Telekommunikationsausrüster Hua- wei nimmt als wichtiger Beitragender zur Spezifikation des 5G (fifth generation)-Standards hierbei eine Pionierposition ein. Huawei berichtet, dass eine Latenz von 50 ms, wie sie momentan im 4G Long Term Evolution (LTE)-Standard dotiert ist, nicht ausreichend für geschwindigkeits- kritische Operationen wie beispielsweise die Fernsteuerung von selbstfahrenden Kraftfahrzeugen sei. Im 4G-Netz müsste ein Auto bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h noch 1,4 Meter zu- rücklegen, bis ein Bremssignal verarbeitet würde. Selbiges gelte folglich auch für die Operation von AGVs und anderen Fördermitteln bei Fernsteuerung, was gleichzeitig die Notwendigkeit schnellerer Netze für den Verkehr der Zukunft belegt. Bei einer Latenz von nur 1 ms und einer möglichen Bandbreite von 10 Gigabit/s im 5G-Netz würde ein Auto in diesem Falle nur 2,8 cm zusätzliche Strecke benötigen (Huawei, 2018). Insbesondere anzumerken sind aktuelle Bestre- bungen der Hamburg Port Authority in Kooperation mit Huawei, der deutschen Telekom, Nokia und anderen, auf dem Hafengebiet Hamburg bereits jetzt den 5G-Standard zu testen. In ganz Europa soll der Standard ab dem Jahre 2020 eingeführt werden (Hamburg Port Authority, 2018). 2.4.6 Multi-Agent-System Logistische und andere betriebliche Entscheidungen sind heute oft mit einer hohen Komplexität verbunden. Zudem nimmt das allgemeine Planungsaufkommen zu. Dies hat zur Folge, dass der 10
Prozess der Alternativenauswahl anhand manueller Vorgehensweise durch einen menschlichen Agenten allein nicht mehr effizient genug umgesetzt werden kann. Folglich werden bei der Entscheidungsfindung inzwischen vermehrt computergestützte Systeme herangezogen (Fischer, 2004). Der ursprünglichen Übersetzung aus dem Lateinischen nach, versteht man unter einem Agenten einen „Handelnden“ (lateinisch: agens). Brenner et al. (1998) und Klusch (1999) haben die Unterscheidung von Nissen (1995) zwischen Agenten und Softwareagenten aufgegriffen und eine Aufgliederung in menschliche Agenten, Hardwareagenten und Softwareagenten vorgenom- men (Fischer, 2004). Unter dem menschlichen Agenten versteht man also eine Person, die einen Vergleich mehrerer Alternativen vorzunehmen hat. Als Hardwareagent wird eine kombinierte Hard- und Softwareeinheit beschrieben, beispielsweise ein programmierbarer Industrieroboter. Der Softwareagent hingegen ist ein Computerprogramm, das über wesentliche menschliche Ei- genschaften verfügt, also eine Form künstlicher Intelligenz (Nissen, 1995). Um diese Intelligenz nachzuweisen, müssen Agenten nach Wooldridge et al. (1995) über folgende Eigenschaften verfügen: • Reaktivität: Warnehmung der Umgebung und Reaktion auf diese • Proaktivität: Ergreifen einer Initiative mit dem Zweck, ihre Ziele zu erreichen • Sozialfähigkeit: Interaktion untereinander. In einem Multi-Agent-System (MAS) tauschen sich mehrere Softwareagenten untereinander aus, um verschiedenste Aufgabenstellungen zu lösen (Beckmann, 2013). Ein MAS weist, im Vergleich zu traditionellen Computersystemen, die Besonderheit auf, dass Agenten hierbei von unterschiedlichen Unternehmen stammen können und somit individuelle Ziele verfolgen (Wooldridge, 2002). 11
3 Methodischer Zutritt 3.1 Übersicht und Vorgehensweise Der ersten beiden Kapitel dieser Ausarbeitung boten eine Übersicht über das Thema und präsen- tierten einige state-of-the-art-Technologien, die mittlerweile oft im Kontext digitaler Logistikver- änderungen diskutiert werden. Die hohe Veränderungsrate und Entwicklungsgeschwindigkeit in Hinsicht auf digitale Entwicklungen und technische Maßnahmen stehen der oftmals mehrjährigen Umsetzung in konkrete Anwendungssysteme gegenüber. Somit existiert stets eine asynchrones Verhältnis zwischen dem aktuellen Stand der Technik und dem, was im aktuellen Moment um- gesetzt wurde beziehungsweise umsetzbar ist. Vereinfachend betrachtet verhält es sich wie mit dem Kauf eines Elektronikgegenstandes bei Privatkonsumenten. Direkt nach dem Kauf besitzt der Kunde bereits ein Produkt mit veralteter Technik, was freilich in der Natur technischer Dinge liegt. Von daher können auch die in Kapitel 2 erwähnten Technologien bereits am morgigen Tage veraltet sein. Auch bestehende Digitalisierungsmaßnahmen der im Folgenden behandel- ten Seehäfen unterliegen dieser natürlichen Gegebenheit. Daher rührt auch die Tragweite der gesamten Thematik, speziell aus Unternehmenssicht, da ein Großteil dieser Maßnahmen zwar in den meisten Fällen erst in diesem Jahrzehnt eingeführt wurden, jedoch bereits ab Fertigstellung das eben genannte Missverhältnis besteht. Die zumeist millionenschweren Investitionsprojekte entstehen oftmals aus geschlossenen Kooperationen mit wenigen IT-Dienstleistern, aus denen in sich geschlossene Plattformen hervorgehen. Dies wirft gleichzeitig die Frage nach der Modula- rität und Erweiterbarkeit dieser Systeme für zukünftige Technologien auf. Mit dem Vorwissen des aktuell theoretisch Möglichen ist ein Abgleich mit bestehenden neuartigen Hafensystemen naheliegend. Dieser soll jeweils eine Auswahl aktueller Digitalisierungstechnologien interna- tionaler Seehäfen aufzeigen. Die Methode gliedert sich also in die genannte Bestandsaufnahme bestehender Digitalisierungsmaßnahmen und der Ergebnisdarstellung eines Workshops. 3.2 Workshop Zur Generierung von Ergebnissen wurde ein studentischer Workshop im Rahmen des ITS- Projektes durchgeführt. Die hierfür relevanten Kernkomponenten des Workshops bestanden aus der kollaborativen Erstellung einer Cognitive Map sowie eines Brainstormings und einer Negativ- konferenz, deren Ergebnisse daraufhin in eine SWOT-Analyse überführt wurden. Die Cognitive Map diente der Identifikation und grafischen Darstellung der für die Hafenlogistik relevanten Subsysteme und dem Aufzeigen etwaiger Digitalisierungspotenziale. Beim Brainstorming bzw. der Negativkonferenz arbeiteten die Teilnehmer verschiedene positive und negative Aspekte speziell der Hafendigitalisierung und der Digitalisierung im Allgemeinen heraus. Dabei betrach- teten sie die relevanten Gesichtspunkte sowohl aus Unternehmensperspektive, als auch aus der verschiedener Anspruchsgruppen. Bezugnehmend zur Forschungsfrage, inwiefern sich neuartige Digitalisierungsmaßnahmen an deutschen Seehäfen umsetzen ließen, wurden die Ergebnisse zu- letzt in eine SWOT-Analyse aus Sicht der betroffenen Hafenunternehmen am Wirtschaftsstandort 12
Deutschland übertragen. Der Workshop diente in erster Linie dazu, eine Sicht aus naiver Perspek- tive zu erfahren und einordnen zu können, da diese als Stichprobe betrachtet in gewisser Weise die Auffassung der Allgemeinheit zur gesamten Digitalisierungsthematik widerspiegelt. Daher lag die Zielsetzung nicht ausschließlich in der Erhebung qualitativer Daten, sondern in weiten Teilen auch zur Validierung bereits gewonnener Erkenntnisse. Aufgrund der Aktualität, Schnell- lebigkeit und Entwicklungsgeschwindigkeit digitaler Innovationen, speziell im Hinblick auf die Anwendung in der Hafenlogistik, existiert vergleichsweise wenig wissenschaftliche Primärlitera- tur. Der Großteil der verfügbaren Informationen zu aktuellen Digitalisierungsmaßnahmen wird gängigerweise direkt von den jeweiligen Behörden und Dienstleistern im Internet zur Verfügung gestellt. Besonderes Augenmerk liegt auch auf einer möglichst wertneutralen Darstellung der Ergebnisse, da die diesbezügliche Diskussion in Kapitel 5 stattfindet. Im Folgenden werden die genannten Methoden näher beleuchtet. 3.3 Erläuterung der Methoden 3.3.1 Cognitive Mapping Im Bereich der Psychologie wird eine cognitive map nach Tolman (1948) als die interne men- tale Repräsentation von Konzepten und deren Beziehungen untereinander eines Individuums beschrieben. Diese wird dazu genutzt, die Umwelt besser zu verstehen und dementsprechende Entscheidungen treffen zu können. Bei der Technik des cognitive mapping wird der Versuch unternommen, subjektive Vorstellungen zunächst zu identifizieren, um diese daraufhin extern darzustellen (Fiol und Huff, 1992). Dazu werden Individuen zu spezifischen Problemstellungen befragt und ihre beschriebenen Konzepte und Beziehungen innerhalb einer grafischen Darstellung angeordnet (Swan, 1997). 3.3.2 SWOT-Analyse Die SWOT-Analyse ist ein unternehmensbezogenes Instrument zur langfristigen Strategiepla- nung. Das Akronym SWOT setzt sich aus den englischen Begriffen strengths (Stärken), weak- nesses (Schwächen), opportunities (Chancen) und threats (Gefahren) zusammen. Mittels einer Vier-Felder-Matrix dient sie zur umfassenden Identifikation nachhaltiger Verbesserungsansätze, der Marktpositionierung und einer gezielten Analyse der genannten Komponenten in Hinblick auf eine geplante Unternehmensstrategie (Wildemann, 2018). Unterteilt wird die SWOT-Analyse in eine interne sowie externe Analyse. Die externe Analyse behandelt die Umweltanalyse, wo exogene Kräfte vorherrschen (Chancen und Gefahren), beispielsweise technologische, soziale, politische oder ökologische Einflussfaktoren (MTEC-Akademie, 2018). Die interne Analyse ist eine introspektive Betrachtung der Stärken und Schwächen des jeweiligen Unternehmens (CIO, 2018). Dazu gehören die finanzielle Situation des Unternehmens, Qualifikation und Fähigkeiten der Mitarbeiter, aber auch die Unternehmenskultur (MTEC-Akademie, 2018). 13
4 Ergebnisse 4.1 Cognitive Map über die Subsysteme der Hafenlogistik Abbildung 4 zeigt die Visualisierungsleistung der Workshopteilnehmer zur Identifizierung der Subsysteme eines Containerterminals sowie weitere eigene Ergänzungen in Form einer Cognitive Map. Sie gehen vom Mittelpunkt des Containerhafens aus und kennzeichnen als Kernkompo- nenten die Subsysteme Transport, Umschlag, Lagerung, Informationsflüsse und Sicherheit und Kontrolle. Abbildung 4: Subsysteme eines Containerterminals (eigene Darstellung) Während Transport, Umschlag und Lagerung ohnehin als die Kernprozesse der allgemeinen Lo- gistik gelten (Pfohl, 2010), erachten die Teilnehmer die Informationsabwicklung und Sicherheit eines Containerhafens als gleichermaßen relevant. Sie erlangten schnell die Erkenntnis, dass die umfassende Vernetzung aller Kernkomponenten Vorteile und Prozessoptimierungen in allen genannten Bereichen ermöglichen könne. Mit den aus den theoretischen Grundlagen vorgestellten Informationstechnologien erörterten sie simplifizierte Vernetzungsmöglichkeiten und stellten die These auf, dass die Informationsflüsse entlang der Hauptknoten derart eng miteinander verbunden seien, dass ein effizienteres System zur Informationsübertragung hohe Kosten- und Zeiterspar- nisse ermögliche. Angemerkt wurde ebenso, dass der Informationfluss nicht nur innerhalb des geschlossenen Hafensystems stattfinde, sondern ein direktes Zusammenspiel zwischen allen be- teiligten Akteuren des Logistikprozesses wie Auftraggeber, Reedereien oder Sicherheitsbehörden darstelle. Unterschieden wurde speziell in den internen sowie externen Informationsfluss. Die blauen Linien in Abbildung 4 repräsentieren die externen Informationsflüsse, die das System 14
betreten und von da aus jeden weiteren Hauptknoten mit gegenseitigen Wechselwirkungen beein- flussen, was durch die roten Verbindungslinien gekennzeichnet ist. Gleichzeitig signalisieren sie jeweils die potenziellen Schnittstellen eines ubiquitären Informationsverteilungssystems. In die- sem können zum Beispiel Ladeeinheiten mit einem RFID-Transponder zur Kennung ausgestattet werden, die handelnden Gerätschaften mit den dazugehörigen Lesegeräten und diese zudem über eine Anbindung zur unmittelbaren Übertragung an das übergeordnete drahtlose Hafennetzwerk in Form eines Cyber-Physical-Systems (CPS) verfügen, auf das alle beteiligten Akteure zugreifen können. Gerade die Gerätschaften des innerbetrieblichen Transports mit ihren individuellen Standort- und Kapazitätsinformationen unterlägen der notwendigen Gewissheit, bei der Ankunft von Ladungen zur rechten Zeit vor Ort zu sein, um den Auftrag weiterzuverarbeiten. Externe Informationsflüsse wie Ankunftsdaten von Verkehrsträgern oder Aktivitäten externer Dienst- leister auf dem Hafengelände müssten strikt mit der Planung der innerbetrieblichen Logistik einhergehen. Im Zuge dessen werden im Folgenden reale Anwendungsfälle näher betrachtet. 4.2 Fallbeispiele der Hafendigitalisierung Tabelle 2 vergleicht das Umschlagsvolumen der dargestellten Seehäfen für das Jahr 2017. Um ein besseres Bild davon zu erlangen, wie die Seehäfen Digitalisierungsmaßnahmen einsetzen, um jährlich diese enormen Umschlagsmengen effizient verarbeiten zu können, werden nun einige konkrete Fallbeispiele aufgeführt. Tabelle 2: Umschlagsvolumen Seehäfen 2017 (Lloyd’s List, 2018; Stadt Wilhelmshaven, 2018) Hamburg Bremerhaven Wilhelmshaven Rotterdam Antwerpen Shanghai TEU (2017) 8.860.000 5.510.000 554.449 13.734.334 10.450.897 40.233.000 Veränderung ggü. Vorjahr -0,56% -0,45% +15,10% +10,89% +4,12% +8,35% 4.2.1 Hyperkonvergente Infrastruktur In der Informationsverarbeitung liegt bekanntermaßen eines der geeignetesten Anwendungsfelder für Digitalisierungsmaßnahmen. Auffällig ist beim hochautomatisierten Hafen von Shanghai, dass sie in diesem Bereich mit individualisierten Lösungen des US-amerikanischen Telekom- munikationsunternehmens CISCO operieren (Cisco, 2018a). Dabei kommt eine sogenannte Hyperkonvergente Infrastrukur (HCI) zum Einsatz. Die von Cisco bereitgestellte Lösung trägt den Namen Cisco Hyperflex Multicloud Platform und besteht aus einem zentralen Manage- mentsystem, das verschiedene Computing-, Netzwerk-, Storage- und Virtualisierungressourcen vereint. Zuvor lag diesen Unterkomponenten meist eine eigene und von den anderen entkoppelte Infrastruktur zugrunde, im HCI bilden sie einen zentral verwalteten Cluster. Cisco führt als Vorteile unter anderem den geringen Bedarf an Speicherplatz, die Multi-Cloud-Unterstützung sowie die flexible Skalierung der HCI auf. Letztere ist besonders für den Umfang komplexer lo- gistischer Hafensysteme relevant und ermöglicht eine kürzere Adaption an sich schnell ändernde Umfeldbedingungen (Cisco, 2018b). 15
4.2.2 Virtuelles Replikat und Ankunftsheuristiken des Hafens Rotterdam Der Seehafen Rotterdam kooperiert derzeit mit den Unternehmen IBM, Cisco, Tele2 and Axians, um das langfristige Ziel zu erreichen, dass Schiffe bereits im Jahre 2030 den Hafen vollständig autonom betreten und verlassen können (Axians, 2018). Auf dem insgesamt 42 Kilometer langen Hafengebiet, das vom Stadtgebiet Rotterdam bis zur eigentlichen Nordsee reicht, stattet IBM das Areal mit Sensoren für ihre IoT und Cloud-Technologien aus. Primärziel ist die Erstellung eines exakten digitalen Replikats der physischen Hafenaktivitäten, wobei eine hundertprozentige Messgenauigkeit bezüglich der Verfolgung von Schiffsbewegungen, Infrastruktur, Wetterdaten, geographischen Daten und Wassertiefe angestrebt wird (IBM, 2018). Mit einem zentralisierten digitalen Dashboard soll es zukünftig möglich sein, die Operationen aller beteiligten Subjekte in Echtzeit analysieren und betrachten zu können. In der Vergangenheit erfolgte die Kommu- nikation mittels traditioneller Radio- und Radarkommunikation zwischen Kapitänen, Piloten und der Terminalbelegschaft, um diesbezügliche Entscheidungen zu treffen (Port of Rotterdam, 2018a). Mittels augmented intelligence (AI) können die von den Sensoren erfassten Wetter- und Wasserdaten akkurat den Zeitpunkt mit den bestmöglichen Konditionen für die Ankunft eines Containerschiffs vorhersagen. Die Erhebung von Daten wie Lufttemperatur, Windgeschwindig- keit und Richtung, Luftfeuchtigkeit und Wasserstromgeschwindigkeit (IBM, 2018) resultiere nicht nur in einer sichereren Ankunft, sondern auch in einem niedrigeren Kraftstoffverbrauch. Durch die Auswertung dieser Daten durch IBM’s Cloudplattformen kann die Hafenbehörde wichtige Schlüsselentscheidungen zur Vermeidung von Wartezeiten, optimalen Anlegezeiten oder Be- und Entladungszeiträumen leichter treffen und den verfügbaren Platz des gesamten Areals effizienter nutzen. 4.2.3 Hyperloop-Projekt im Hamburger Hafen Nach einer Pressemitteilung vom 05.12.2018 hat die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) ein Joint-Venture mit dem US-amerikanischen Forschungs- und Entwicklungsunternehmen Hyperloop Transportation Technologies (HTT) gegründet. Ziel dieser Unternehmung ist die Realisierung der Idee, Container mit Hochgeschwindigkeit durch eine Röhre vom und zum Hamburger Hafen zu befördern (HHLA, 2018a). Der Hyperloop ist ursprünglich eine Vision von Elon Musk, CEO des US-amerikanischen Elektroautoherstellers Tesla, aus dem Jahr 2013. Es handelt sich hierbei um ein Röhrensystem, in dem ein Vakuum erzeugt wird, wodurch es praktisch weder Luftwiderstand noch Reibung gibt. Durch die Röhren sollen dann Transportkapseln mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1200 Kilometern pro Stunde befördert werden können (Spiegel Online, 2018). Mit der Errichtung eines Hyperloop-Terminals im Hamburger Hafen und dem Bau von Streckenverbindungen soll in Zukunft eine Hinterlandanbindung ins Umland ermöglicht werden. Gemäß der Zielvorstellung von HHLA und HTT könnten hierbei etwa 4100 Container pro Tag abgefertigt werden. Dadurch würden täglich tausende Lkw-Fahrten eingespart und die Abgas- und Verkehrsbelastung somit verringert werden. Anfängliche Ziele sind die Entwicklung einer Transportkapsel für den Gütertransport, der Bau einer Übergabestation und die Errichtung einer 16
100 Meter langen Teststrecke. Diese könnte voraussichtlich am Containerterminal Altenwerder entstehen, welches bereits hochautomatisiert betrieben wird. Mit einer erfolgreichen Umsetzung des Konzepts sieht die Hamburger Hafengesellschaft zudem die Option, dieses weiterzuverkaufen (Slavik, 2018). 4.2.4 Hamburg smartPORT Schon seit Jahrhunderten ist der Hamburger Hafen überregionaler Handelsschwerpunkt und insbesondere ab dem 14. Jahrhundert strategischer Knotenpunkt der Hanse (Handelskammer Hamburg, 2018). Als fünfzehntgrößter Hafen der Welt und wichtiger Bestandteil der Nordrange ist der Hamburger Hafen nicht nur ein lokal bedeutsamer Wirtschaftsfaktor. Nach den Häfen Rotterdam und Antwerpen rangiert er auf dem dritten Platz der Häfen an der Nordrange, gemessen an den umgeschlagenen TEU (siehe Tabelle 2). Anders als viele asiatische Tiefseehäfen ist der Hamburger Hafen über Jahrzehnte hinweg gewachsen. Neue Technologien müssen also oft in die bereits bestehende Infrastruktur integriert werden. Im Gegensatz zu beispielsweise Contai- nerhäfen an der Mittelmeerküste sind die Nordrangehäfen hauptsächlich Tore ins Inland bzw. Hinterland (Biermann und Wedemeier, 2016). Hinsichtlich der Prognose des weiteren Anstiegs der weltweit transportierten und umgeschlagenen Container und einer Weiterentwicklung des Geschäftsmodells heraus, wurde 2012 das Projekt smartPORT initiiert. Nicht nur Kostenopti- mierung, sondern auch Punkte wie eine verbesserte Nachhaltigkeit werden durch strategische Digitalisierungsmaßnahmen vorangetrieben (Saxe und Baumöl, 2018). Dabei wird großteils auf Innovationen gesetzt, weniger auf das Integrieren von konventionellen, auf dem Markt etablier- ten Technologien. Um die Komplexität möglichst gering zu halten, konzentriert sich Hamburg insbesondere auf die digital vernetzte Logistik und den Bereich Energie (Fernuniversität Hagen, 2017). Eine Vielzahl diverser Projekte stützen die Entwicklung zum intelligenten Hafen, mit dem Hauptziel, die Gesamteffizienz stetig zu erhöhen. Um auch die Verbindung ins Hinterland intelli- genter zu steuern, setzt Hamburg unter anderem auf die digital vernetzte Straße. Zum Einsatz kommt dies aktuell bei der Verbindung über die Kattwykbrücke. Hier steht insbesondere die rechtzeitige Wartung im Vordergrund, durch sensorbasierte Überwachung sollen mögliche Funkti- onseinschränkungen erkannt werden, um die Logistikprozesse fortlaufend durchführen zu können. Zur Datenerhebung werden Sensoren sowohl in die Straße eingelassen, z.B. zur Messung des Verkehrsflusses, als auch Kameras und andere Sensoren eingesetzt (Schmid, 2016). Auch bei der für die Hafenstruktur kritische Köhlbrandbrücke wird mit Hilfe klassischer Induktionsschleifen, aber auch Technologien wie Bluetooth, die aktuelle Verkehrslage ermittelt und den Autos und LKWs mittels Displays am Straßenrand mitgeteilt. Ziel ist eine Reduktion der Standzeiten und dadurch bedingte Einsparungen an Emissionsausstößen (Cisco, 2012). 17
Das Containerterminal Altenwerder (CTA) wird bereits durch ein von der HHLA entwickeltes komplexes System gesteuert. An der maritimen Schnittstelle des Terminalsystems überneh- men halbautomatische Containerbrücken das Löschen der Frachter. Das Zusammenspiel der autonomen und teilautonomen Subsysteme überwacht und kontrolliert das Steuerungssystem Terminal-Logistik und Steuerung (TLS). Um den schnellsten Weg im Terminal zu garantieren, sind 19.000 Transponder ins AGV-System eingebaut, was nicht nur eine autonome Verteilung von Containern ermöglicht, sondern auch die eigenständige Betankung steuert. Um den Hinter- landtransport zu optimieren, initialisierte die HPA die Applikation smartPORT Logistics (SPL). Spediteure, Hafenverwaltung und einzelne Frachtführer/-innen sind über die App vernetzt und die Positionen der LKWs sind dem Disponenten zugänglich. Auf Basis dessen werden den Fahrer/-innen Touren zugewiesen. Auch aktuelle Informationen über das Staugeschehen im und um den Hafenbereich werden so direkt im LKW zur Verfügung gestellt (HHLA, 2018b). Zielvorgabe der App war die Ermöglichung der just in time-Beladung an der Kaikante. Auch die Baustellenkoordination zählt zu den zentralen Punkten, die durch die Applikation optimiert werden. Durch eine Verbindung zum Leitstand der Hamburger Verkehrsbehörde können die aktuellsten Daten in Echtzeit zum Betroffenen übermittelt werden (Fernuniversität Hagen, 2017). 4.3 SWOT-Analyse zur Einführung von Digitalisierungsmaßnahmen Im angesprochenen Bezug zur Forschungsfrage stellen deutsche Seehäfen den Gegenstand der SWOT-Analyse (siehe Tabelle 3) dar, die vor der langfristigen strategischen Entscheidung stehen, Digitalisierungsmaßnahmen einzuführen. In der internen Analyse werden daher die Stärken und Schwächen anhand der relevanten Merkmale des Standortes Deutschland betrachtet. In der anschließenden externen Analyse werden die Chancen und Risiken unter Berücksichtigung des Umfelds und der äußerlichen Einflussfaktoren ermittelt. Tabelle 3: SWOT-Analyse zur Einführung von Digitalisierungsmaßnahmen Stärken Schwächen · Know-How · langwierige Bürokratie · Gute Infrastruktur · Mindestlohn · Politische Stabilität und Sicherheit · Viele unterschiedliche Interessengruppen · Kompetente Partner · Hohe Konkurrenz Chancen Gefahren · Kostenreduzierung · Hohes Investitionsvolumen · Höherer Informationsgehalt · Hohe Abhängigkeit von geschlossenen Systemen · Schnellere Abläufe · Wegfall konventioneller Arbeitsplätze · Höhere Effizienz · mögliche Imageschäden durch Arbeitsplatzabbau · Betriebs- und Planungssicherheit · Festlegung auf Investitionsobjekte · Reduzierung der Mitarbeiterbelastung · Minderung der Anpassungsfähigkeit · Rechtliche Absicherung · Möglichkeit des Datenverlusts · Schaffung neuer Arbeitsplätze · Umweltschutz · Vereinfachung von Zollabwicklungen 18
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