Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich

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Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich
Kanton Zürich

              Schulblatt
              Bildungsdirektion

                                             5/2015

                                  Mehr als nur
                                      Kleider
                                  Was Schülerinnen und
                                      Schüler anziehen

Notfall-App
Rasche Unterstützung
via Smartphone

TV-Moderatorin
Cornelia Boesch
über ihre Schulzeit

Pflegeberufe
Die Neuorganisation
hat sich bewährt
Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich
5                                                                       8
                                             Magazin                                            Fokus:               Volksschule
                                                                                                Mehr als nur Kleider
                                             4                                                                       24
                                             Meine Schulzeit                                    14                   Fachstelle für
                                             TV-Moderatorin                                      Dresscode                                               Schul­beurteilung
                                             Cornelia Boesch                                     Wenn Schulen auf                                        Der abtretende Leiter
                                                                                                 ­Kleiderordnungen setzen                                Jürg Frey im Interview
                                             5
                                             Im Lehrerzimmer                                    18                                                       26
                                             Primarschule Knonau                                 Schuluniform                                            Stafette
                                                                                                 Im Ausland – auch bei                                   Die Schule in Kleingruppen
                                             6                                                   Schweizer Kindern – beliebt                             Wallisellen involviert die
                                             Persönlich                                                                                                  ­Eltern stark
                                             Ralph Eichler, neuer                                20
                                             ­Präsident von Schweizer                            Im Gespräch                                             29
                                              ­Jugend forscht                                    Stilexpertin Susan Wahl                                 In Kürze
                                                                                                 warnt vor zu viel Aufhebens
                                             8                                                   rund um Kleider
                                             Notfall-App
                                             Wichtige Informationen
                                             zum Handeln in Notfällen

                                             11
                                             Bildungsdirektorin
                                             Silvia Steiner
                                             beantwortet Fragen
Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Inhalt

                                             Wichtige Adressen                                                   Impressum Nr. 5/2015, 28.8.2015
                                             Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09      Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                             Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch     weise: 6-mal jährlich, 130. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: Redaktionsleiterin
                                             Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und        ­katrin.hafner@bi.zh.ch, 043 259 23 05; Redaktorin jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07;
                                             ­Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend      Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 14 Journalistische Mitarbeit an dieser
                                             und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel­         ­Ausgabe: Joel Bedetti, Paula Lanfranconi, Anna Miller, Andreas Minder, Charlotte Spindler
                                              verlag Zürich: www.lehrmittelverlag-zuerich.ch, 044 465 85 85        Abonnement: Lehr­     personen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das
                                             Fachstelle für Schulbeurteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00         ­Schulblatt in ihrem ­Schulhaus gratis beziehen (Bestellwunsch an Schulleitung). Bestellung
                                             Bildungsratsbeschlüsse: www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschluss­        des Schulblatts an Privat­adresse sowie Abonne­ment weiterer Interessierter: abonnemente@
                                              archiv Regierungsratsbeschlüsse: www.rrb.zh.ch                        staempfli.com, 031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) Online: www.schulblatt.zh.ch Gestaltung:
                                                                                                                     www.bueroz.ch Druck: www.staempfli-publi­kationen.ch Inserate: inserate@staempfli.com,
                                                                                                                    031 767 83 30 Re­    daktions- und Inserateschluss nächste Aus­     gabe: 1.10.2015 Das
                                             Titelbild: Hannes Heinzer                                              ­nächste Schulblatt erscheint am: 6.11.2015
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Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich
24                                                 38
Mittelschule                                           Berufs­bildung                                          43
                                                                                                               Amtliches
30                                                     36
VSGYM                                                  Gesundheitsberufe                                       63
Dialog zwischen Volks- und                             Zehn Jahre nach der                                     Weiterbildung
Mittelschulen angestossen                              ­Neuorganisation – was hat                              Von Good Practice lernen
                                                        sich verändert?                                        Kurse und Module
32
Schulgeschichte(n)                                     38                                                      70
Kantonsschule Im Lee                                   Berufslehre heute                                       Stellen
in Winterthur                                          Geomatikerin EFZ
                                                                                                               72
35                                                     41                                                      schule & kultur
In Kürze                                               In Kürze
                                                                                                               74
                                                                                                               Agenda

    Editorial
                                                               Kleider – was soll dieses Thema im Schulblatt? Mode und Anziehfragen sind
                                                                                                                                                        Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Inhalt

                                                               für die meisten Jugendlichen (und deren Eltern) ein heisses Thema. Fragen
                                                               rund um die Kleider der Schülerinnen und Schüler beschäftigen aber auch
     Katrin Hafner, Redaktionsleiterin Schulblatt              Lehrerinnen und Lehrer aller Stufen: Wie sollen sie auf modische Provoka­
                                                               tionen von Schülerinnen und Schülern reagieren? Einige Schulen erarbeiten
                                                               eigene Kleiderregeln – was bringt das?
                                                               Das Schulblatt hat mit Schülerinnen, Schülern und Lehrpersonen sowie mit
                                                               der Bildungsdirektorin und einer Stilexpertin über diese Themen diskutiert.
                                                               Ausserdem werfen wir einen Blick ins Ausland, wo Schuluniformen mancher-
                                                               orts Normalität sind.
                                                               Der Fotograf Hannes Heinzer belegt mit seiner Fotostrecke, die er für dieses
                                                               Schulblatt realisiert hat, dass Kleider Projektionsflächen bieten. Indem er bloss
                                                               Kleidungsstücke und Accessoires der Porträtierten zeigt, überlässt er es der
                                                               Betrachterin und dem Betrachter, sich den Menschen dazu vorzustellen. 
                                                                                                                                                        3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das Schulblatt: katrin.hafner@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich
Meine Schulzeit                                                                                                                        In meinem Fall war wohl weniger meine

       «Neugierde ist
                                                                                                                                              Schulzeit ausschlag­   gebend als vielmehr
                                                                                                                                              das Feuer, das in mir brannte, schon bei
                                                                                                                                              den ersten journalistischen Gehversuchen.

       quasi mein Beruf»
                                                                                                                                              Mit 15 sass ich zum ersten Mal hinter ei-
                                                                                                                                              nem Radiomikrofon und sofort erfasste
                                                                                                                                              mich das journalistische Virus. Später
                                                                                                                                              lernte ich im Spitalradio der Zürcher Uni-

       Fünf Fragen an TV-Moderatorin                                                                                                          klinik das technische Handwerk. Dort pro­
                                                                                                                                              duzierte ich ein freches Demoband und
       und -Redaktorin Cornelia Boesch.                                                                                                       bewarb mich bei Radio Zürisee. Die stell-
                                                                                                                                              ten mich für ein Volontariat ein und gaben
                                                                                                                                              mir das journalistische Rüstzeug mit auf
                                                                                                                                              den Weg. Eine «richtige» Journalistin bin
                                                                                                                                              ich aber wohl erst seit meiner Diplomaus-
                                                                                                                                              bildung am Medienausbildungszentrum
                                                                                           Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was             MAZ in Luzern.
                                                                                           kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?                      Was ist das Wichtigste, was Kinder
                                                                                           Meine Gspänli. Ich habe mich fast wäh-             heute in der Schule lernen sollen, und
                                                                                           rend der ganzen Schulkarriere mehr für             warum?
                                                                                           sie interessiert als fürs Pauken. Manchmal         Die klassischen Fächer sind unverzicht-
                                                                                           bin ich erstaunt, dass ich trotzdem eini-          bar. Aber meiner Meinung nach kommen
                                                                                           germassen schadlos durchgekommen bin.              die musischen zu kurz. Musik ist nicht
                                                                                           Und tatsächlich halten einige Freund-              einfach ein schöner Zeitvertreib, ich bin
                                                                                           schaften von damals bis heute an.                  überzeugt, sie kann die geistige und die
                                                                                                Welcher Lehrperson geben Sie                  so­ziale Entwicklung von Kindern fördern.
                                                                                           rückblickend die Note 6 und warum?                 Ausserdem finde ich es als Mutter eines
                                                                                           Meiner Staatskundelehrerin. Sie weckte             Siebenjährigen wichtig, dass Kinder schon
                                                                                           während der Diplommittelschule das jour­           früh den achtsamen Umgang mit neuen
                                                                                           nalistische Interesse in mir. Politik hat          Medien lernen.
                                                                                           mich immer schon interessiert, daheim                    Warum wären Sie eine gute
                                                                                           wurde viel darüber diskutiert, weil mein           ­Lehrerin – oder eben nicht?
                                                                                           Vater sich politisch engagierte. Dank die-          Bei mir würde der Unterricht grössten-
                                          Cornelia Boesch (40) ist Journalistin und        ser Lehrerin aber wurden mir die staats-            teils draussen stattfinden. Abenteuer, zu-
                                          ­Moderatorin der Hauptausgabe der «Tages-        politischen Zusammenhänge klar, und die             sammen etwas erleben, das läge mir, und
                                           schau» beim Schweizer Radio und Fernsehen
                                           SRF. Zuvor war sie Redaktorin bei Radio         machten mich neugierig. Neugierde ist               ich denke, ich kann andere gut für etwas
                                           Zürisee, Radio Z und Reporterin bei Radio       heute quasi mein Beruf.                             begeistern. Trotzdem: die armen Schüler!
                                           DRS 1. Privat betätigt sie sich als Sängerin
                                           einer Bluesband. Sie ist verheiratet, hat
                                                                                                Inwiefern hat die Schule Ihnen                 Was ich ihnen in Mathe beibringen könn-
                                           ­einen Sohn und lebt in Zürich.                 ­geholfen, TV-Moderatorin zu werden?                te, ist mehr als überschaubar …

                                          Bildungs-Slang
                                          Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: teilhochbegabt
Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Magazin
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Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich
Im Lehrerzimmer

                             Primarschule Knonau
                                            Achtsamer Umgang inmitten grüner Hügel.
                                                                                                                     Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                       Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Magazin

Atemberaubend: ist der Blick aus dem Fenster des Lehrerzimmers: In saftigen Grüntönen breiten sich die Hügel des Säuliamts aus.
Je nach Saison ändert sich das Bild und – wenn gegüllt wird – der Geruch. Dynamisch: Knonau gehört zu den am schnellsten wach-
senden Gemeinden des Kantons. Zu klein: Vor 13 Jahren wurde das 50-jährige Schulhaus erstmals erweitert, letztes Jahr erneut.
Heute zählen Kindergarten und Primarschule elf Zweijahrgangsklassen, 2016 werdens zwölf sein. Für die Konferenzen ist das Leh-
rerzimmer schon jetzt zu klein. Farbtupfer: In der Küche steht ein knallroter Kühlschrank. Zum Mittagessen bleiben oft selbst die
Lehrpersonen, die einen kurzen Heimweg hätten. Privat: Heute krabbelt ein acht Monate altes Baby über den Tisch. Es besucht
seinen Vater, der hier unterrichtet. «Wir versuchen im Lehrerzimmer mehr über Privates zu sprechen als über Berufliches», sagt
Schulleiter Jörg Berger. Achtsamer Umgang: mit sich und den anderen sei ein Leitgedanke der Schule. Vorwärtssprung: Die Ein­
führung altersdurchmischter Klassen vor sechs Jahren habe die Team- und Qualitätsentwicklung nach vorn katapultiert. [ami]
                                                                                                                                      5
Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich
Persönlich                                                                                                                          Dieses Netzwerk kommt ihm in seinem

       Ein Kreis hat
                                                                                                                                           neuen Amt, das er im Februar 2015 an­
                                                                                                                                           getreten hat, zugute, ist doch Fundraising
                                                                                                                                           eine seiner wichtigsten Aufgaben. Auch

       sich geschlossen
                                                                                                                                           dies für ihn kein Neuland: Als ETH-Prä­
                                                                                                                                           sident machte er die ETH Zürich Founda-
                                                                                                                                           tion, in der im Sinne von Public Private
                                                                                                                                           Partnership Unternehmen, Privatperso-

       Als Präsident von Schweizer Jugend                                                                                                  nen, Stiftungen und die ETH Zürich Leh-
                                                                                                                                           re und Forschung an der Hochschule för-
       forscht kehrt der vormalige ETH-Präsident                                                                                           dern, zur Erfolgs­geschichte.

       Ralph Eichler zu seinen ­Anfängen zurück.                                                                                                 Wenn er an seine erste Erfahrung mit
                                                                                                                                           Schweizer Jugend forscht denkt, sieht
                                                                                                                                           Ralph Eichler die Entwicklung, welche
       Text: Jacqueline Olivier Foto: Sophie Stieger
                                                                                                                                           die Institution seither durchlaufen hat.
                                                                                                                                           Ein wichtiger Punkt: die Zusammenarbeit
                                                                                                                                           mit den Schulen. Hatte er damals noch in
                                                                                                                                           seiner Freizeit und aus eigener Initiative
                                                                                                                                           an seinem Computer gebastelt, wurde
                                                                                                                                           ­inzwischen mit der Maturarbeit ein Inst-
                                                                                                                                            rument geschaffen, das eine ideale Vor­
                                          Im Frühjahr 1967 war Ralph Eichler              Vernetzung für den Wissens- und Wirt-             bereitung auf den nationalen Wettbewerb
                                          19 Jahre alt, stand kurz vor der Matur          schaftsstandort Schweiz von enormer Be-           und wissenschaftliches Arbeiten an sich
                                          und nahm am ersten nationalen Wettbe-           deutung. Die Reaktion der EU auf das Ja           ist. Gerade im Kanton Zürich werde die
                                          werb unter dem Titel «Schweizer Jugend          zur «Masseneinwanderungsinitiative» er-           Maturarbeit mit den schulinternen Jurie-
                                          forscht» (SJF) teil. Seine Arbeit: ein selbst   füllt ihn deshalb mit Sorge. «Punkto Er­          rungen, der jährlichen Ausstellung aus­
                                          entwickelter Computer, der Zahlen lesen         folge an europäischen Wettbe­werben lag           gewählter Arbeiten und der Vergabe von
                                          und für Additionen und Multiplikationen         die Schweiz auf Rang 2. Nun sind wir              Sonderpreisen hochgehalten. Dadurch
                                          eingesetzt werden konnte. «Ich war halt ein     von diesen hochkarätigen Wettbewerben             würden viele Jugendliche zu Höchstleis-
                                          Elektronikbastler», sagt er schmunzelnd.        ausgeschlossen und können uns nur noch            tungen angespornt. Erfreulich findet
                                          Sein Tüftlergeist wurde mit dem zweiten         mit anderen Drittländern messen, was              ­Ralph Eichler auch, dass inzwischen rund
                                          Preis in Mathematik belohnt.                    weit weniger prestigeträchtig ist.»                ein Viertel aller Teilnehmenden am natio-
                                               Heute, fast 50 Jahre später, ist der                                                          nalen Wettbewerb aus der Berufsbildung
                                          Physiker Ralph Eichler wieder da, wo
                                          ­                                               Eigenes Netzwerk nutzen                            kommen. «Diese jungen Leute dürfen wir
                                          seine wissenschaftliche Laufbahn einst
                                          ­                                               Ralph Eichler selber ist international             nicht vergessen, sie bringen die Sicht und
                                          beflügelt wurde: bei Schweizer Jugend           ­bestens vernetzt. In England geboren und          die Erfahrung der Praxis ein.»
                                          forscht. Als Stiftungsratspräsident könne        mit elf Jahren nach Basel gekommen,
                                          er der Organisation nun etwas zurück­            war er nach seinem Studium an der ETH           Physikalische Stress-Formel
                                          geben, ist er überzeugt. Weil er aus eige-       Zürich unter anderem an der Stanford
                                                                                           ­                                               Nicht vergessen will Ralph Eichler auch
                                          ner Erfahrung weiss, was das Angebot             University (USA) und am Deutschen Be-           die ehemaligen Teilnehmerinnen und
                                          der Stiftung bei jungen Leuten bewirken          schleunigerzentrum DESY in Hamburg              Teilnehmer, von denen etliche eine be-
                                                                                                                                           ­
                                          kann: «Es fördert die Neugier und das            tätig. 1989 wurde er als Professor für Phy-     achtliche Karriere durchlaufen hätten. Im
                                          ­Unternehmertum.» Und dies längst nicht          sik an die ETH berufen. Und nachdem er          Hinblick auf die 50. Auflage des Wettbe-
                                           mehr ausschliesslich in Form des natio­         2007 zu deren Präsidenten gewählt wor-          werbs im nächsten Jahr will er deshalb
                                           nalen Wettbewerbs (s. Kasten), auch wenn        den war, trieb er die internationale Aus-       eine Alumni-Vereinigung aufbauen. Schon
                                           dieser nach wie vor eine zentrale Rolle         richtung der Hochschule voran, etwa mit         heute wird ein Teil der Freiwilligenarbeit,
                                           spielt. Nicht zuletzt deshalb, weil er den      der Eröffnung des Singapore-ETH Centre,         die jährlich etwa 8000 Stunden beträgt,
                                           Besten das Tor zur Welt öffnet. Wer näm-        des ersten ETH-Forschungszentrums im            von Ehemaligen geleistet. Für Ralph Eich-
                                           lich für seine Arbeit das Prädikat «her­        Ausland. Daneben pflegte er jedoch eben-        ler dürfte dies aber noch vermehrt der
                                           vorragend» erhält, darf an internationalen      so Kontakte zu wichtigen Schweizer Ins­         Fall sein. Damit dank der kumulierten
                                           Wettbewer­ben teilnehmen. Solche Erfah-         titutionen wie dem IBM Forschungslabor          ­Erfahrung möglichst viele weitere erfolg-
                                          rungen und Kontakte könnten später für           in Rüschlikon oder dem Paul Scherrer             reiche Wissenschafterlaufbahnen ange-
                                          eine Karriere wichtig sein, meint Ralph          ­Institut in Villigen, dessen Direktor er von    stossen werden können. Sich dafür zu
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                                          Eichler. Aus­serdem sei die internationale        2001 bis 2007 gewesen war.                      ­engagieren, ist Ralph Eichler ein grosses
                                                                                                                                             Anliegen. Eines, für das er wie schon in
                                                                                                                                             seinen früheren Tätigkeiten ­  keine An-
                                            Die Stiftung Schweizer Jugend forscht                                                            strengung scheut. Weil Anstrengung für
                                            Geschichte: Der erste nationale Wettbewerb unter dem Titel «Schweizer Jugend                     ihn etwas Positives ist. Stress hingegen
                                            forscht» (SJF) fand 1967 statt, drei Jahre später wurde die Stiftung gegründet.                  trete dann ein, wenn man für das, was
                                            Stiftungszweck: Jugendliche für das selbstständige wissenschaftliche Arbeiten                    man tut, keine Freude empfinde. Er habe
                                            zu motivie­ren und ihnen dafür entsprechende Plattformen zu bieten, nämlich:                     dafür sogar eine physikalische Formel er-
                                            SJF-Studien­wochen: Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren forschen in ver-                       funden, verrät er in seiner verschmitzt
                                            schiedenen wissenschaftlichen Bereichen. Swiss Talent Forum: Denkfabrik für                      trockenen Art: «Die Anstrengung geteilt
                                            junge ­Erwachsene, die sich für globale und langfristige Herausforderungen inte-                 durch die Freude ergibt den Stressfaktor.»
                                            ressieren. Nationaler Wettbewerb: für Jugendliche ab dem 14. Altersjahr bis zur                  Und welche Freude treibt ihn zurzeit an?
                                            abgeschlossenen Mittel- oder Berufsfachschule. Eingereicht werden können                         «Wenn man sieht, was für grossartige wis-
                                            wissenschaftliche Arbeiten, die kurz vor dem Abschluss stehen.                                   senschaftliche Arbeiten die jungen Leute
                                             www.sjf.ch                                                                                     vorlegen, müssen wir um die Zukunft der
                                                                                                                                             Schweiz keine Angst haben.» 
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Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich
Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Magazin

Ralph Eichler (67) studierte
Physik an der ETH Zürich
und promovierte am damaligen
Schweizerischen Institut für
Nuklearforschung. Von 2007
bis Januar 2015 war er Präsi-
dent der ETH Zürich. Seit
­Februar 2015 ist er als neuer
 Präsident der Stiftung Schwei-
 zer Jugend forscht tätig.
                                  7
Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich
Die Grundversion enthält einerseits Check­
                                          Auf einen Blick:
                                          Die Notfall-App hilft                                                                             listen zum Handeln in Notfällen. Diese
                                          rasch und orts­
                                          unabhängig weiter.                                                                                decken verschiedene Notfallereignisse ab:
                                                                                                                                            vom Unfall über Brand, Drohungen und
                                                                                                                                            schwere Gewaltvorfälle bis zu einem To-
                                                                                                                                            desfall. Andererseits enthält die Grund-
                                                                                                                                            version auch direkt anwählbare Not­
                                                                                                                                            rufnummern der Blaulichtorganisationen
                                                                                                                                            (Sanität, Polizei, Feuerwehr etc.).
                                                                                                                                                 Das Spezielle an der App: Schulen,
                                                                                                                                            Heime und Horte können sie so einrich-
                                                                                                                                            ten, dass sie sie als interne Notfall-App
                                                                                                                                            mit Telefonnummern der eigenen Krisen-
                                                                                                                                            organisation nutzen können. Zugriff auf
                                                                                                                                            die interne Version haben nur die eigenen
                                                                                                                                            Mitarbeitenden und die Mitglieder der
                                                                                                                                            internen Krisenorganisation. Es ist also
                                                                                                                                            ­
                                                                                                                                            möglich, direkt über die App intern zu
                                                                                                                                            alarmieren und zu kommunizieren.
                                                                                                                                                 Die Nutzung der internen Version ist
                                                                                                                                            für Schulen, Heime und Horte des Kan-
                                                                                                                                            tons Zürich kostenlos. Ihre Einrichtung
                                                                                                                                            müssen sie selbst vornehmen – mithilfe
                                                                                                                                            einer Web-Applikation, in der die Tele-
                                                                                                                                            fonnummern der Mitarbeitenden und der
                                                                                                                                            internen Krisenorganisation erfasst wer-
                                                                                                                                            den. Anschliessend schickt man allen eine
                                                                                                                                            «Push-Nachricht», die die Empfängerin-
                                                                                                                                            nen und Empfänger auffordert, die in­
                                                                                                                                            terne Version auf dem eigenen Gerät zu
                                                                                                                                            installieren. Bei Mutationen wird die App
                                                                                                                                            auf den Geräten der Benutzerinnen und
                                                                                                                                            Benutzer automatisch aktualisiert. Eine
                                                 Notfall-App                                                                                Neuinstallation ist nicht notwendig.

                                                 Eine App für                                                                               Hilfe auf Ausflügen
                                                                                                                                            Die interne Version enthält auch die Funk­

                                                 alle Notfälle
                                                                                                                                            tion «Externe Projekte». Diese ermöglicht
                                                                                                                                            es, bei Ausflügen und Lagern die Telefon-
                                                                                                                                            nummern auf der App abzuspeichern, die
                                                                                                                                            vor Ort wichtig sind. So kann beispiels-
                                                 Die Bildungsdirektion hat eine                                                             weise eine Lehrperson, die einen Ausflug
                                                                                                                                            ins Ausland plant, auf ihrem Gerät die
                                                 Notfall-App für Schulen, Heime und                                                         Telefonnummern von Begleitpersonen,
                                                                                                                                            ­

                                                 Horte des Kantons Zürich lanciert.                                                         ausländischen Notfalldiensten, Leitung
                                                                                                                                            der Unterkunft und anderes selbst ein­
                                                 Sie enthält alle wichtigen Informa­                                                        geben und sie als «Ausflug-Krisenteam»
                                                                                                                                            vorübergehend auf der App abspeichern.
                                                 tionen und ­Telefonnummern zum                                                             Auf diese Weise hat sie schnell und über-

                                                 ­Handeln in ­Notfällen.                                                                    sichtlich alle Telefonnummern zur Hand,
                                                                                                                                            die bei Notfällen während des Ausfluges
                                                 Text: Enrico Violi, Beauftragter «Gewalt im schulischen Umfeld»,                           wichtig sein können.
                                                 Bildungsdirektion Zürich Foto: Hannes Heinzer                                                   Die Notfall-App bietet in akuten Not-
Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Magazin

                                                 Illustration auf dem Display: Schweizerischer Samariterbund                                situationen rasche Unterstützung. Damit
                                                                                                                                            sie diese wirkungsvoll leisten kann, ist
                                                                                                                                            es von Vorteil, wenn man die App nicht
                                                                                                                                            erst bei einem Notfall zum ersten Mal
                                                 Ein schwerer Unfall im Klassenlager,          und ortsunabhängig auf alle Informatio-      ­gebraucht. Man sollte sich schon vorher
                                                 eine Schülerin, die eine giftige Flüssig-     nen und Telefonnummern, die im Notfall        mit ihr vertraut machen und erkunden,
                                                 keit geschluckt hat, eine Bombendrohung       wichtig sind.                                 wie sie funktioniert. Es empfiehlt sich
                                                 im Schulhaus – das sind Ereignisse, bei                                                     auch, regelmässig interne Notfallübungen
                                                 denen man unmittelbar handeln muss.
                                                 ­                                             Schulintern nutzbar                           durchzuführen, bei denen die Notfall-App
                                                 Notfall­situationen sind Stresssituationen.   Die Notfall-App wurde speziell für das        eingesetzt und erprobt wird. Wenn die
                                                 Man ist unter Handlungsdruck, weiss,          Zürcher Bildungswesen entwickelt und ist      App nicht nur im Ernstfall, sondern auch
                                                 dass jede Minute zählt, und ist froh,         für alle Personen gedacht, die in Schulen,    in der Vorbereitung auf mögliche Ernst-
                                                 ­möglichst schnell Hilfe zu bekommen. In      Kinder- und Jugendheimen und Horten           fälle genutzt wird, kann sie ihre Nützlich-
                                                  ­solchen ­Situationen bietet die neue Not-   tätig sind. Sie existiert in einer Grund­     keit voll entfalten. 
                                                   fall-App der Bildungsdirektion wertvolle    version, die in den App-Stores von allen
                                                                                                                                             www.stopp-gewalt.zh.ch >
                                                   Unterstützung. Mit ihr gelangt man rasch    kostenlos heruntergeladen werden kann.       Hinweise für Schulen > Notfall-App
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Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich
9   Schulblatt Kanton Zürich 5/2015
Schulblatt 5/2015 Mehr als nur Kleider - Was Schülerinnen und Schüler anziehen - Kanton Zürich
10   Schulblatt Kanton Zürich 5/2015
Bildungsdirektorin

             «Gute Schulen sind nicht
                  selbstverständlich»
                   Regierungsrätin Silvia Steiner zur neuen Notfall-App
                für Schulen, über die Kleiderfrage bei Schülerinnen und
                                           Schülern und den Zoo Zürich.
                                                                                                                      Interview: Katrin Hafner

Frau Steiner, die Bildungsdirektion                                                      darum, sich nicht nachlässig anzuziehen,
hat eine Notfall-App entwickelt.                                                         sondern bewusst.
Warum braucht es so etwas?                                                                     Was halten Sie von Uniformen
Vorab: Ich hoffe natürlich, dass niemand                                                 für Schülerinnen und Schüler?
in eine Notsituation kommt. Wenn aber                                                    Einige Länder kennen eine lange Tradi­
ein Notfall im Schulalltag eintritt, brau-                                               tion der Schuluniform und vielerorts im
chen die Lehrerinnen und Lehrer ein ein-                                                 Ausland tragen Schülerinnen und Schü-
fach zu bedienendes, schnelles und mo-                                                   ler ihre Uniform mit Stolz. Man zeigt
dernes Instrument, das sie unterstützt.                                                  ­gerne, in welche Schule man geht – oder,
Passiert etwas, schaut niemand im Hand-                                                   je nach Weltgegend, dass man überhaupt
buch nach, was zu tun ist – es eilt, und                                                  zur Schule geht, was ja leider nicht über-
da ist es sinnvoll, sich auf ein Medium                                                   all selbstverständlich ist. Es kann uns
stützen zu können, das einen tagtäglich                                                   nicht schaden, wenn wir uns hier ab und
begleitet: eine App auf dem Handy.                                                        zu auch wieder vor Augen führen, dass
     Was bringt die App den                                                               es nicht selbstverständlich ist, gute Schu-
­Lehrerinnen und Lehrern konkret?                                                         len und mannigfaltige Bildungsangebote
 Sie ist eine Erleichterung, weil sie alle                                                zu haben.
 wichtigen Informationen und Rufnum-                                                           Sie sind nun drei Monate als Bil-
 mern enthält. Zudem kann jede Schule                                                     dungsdirektorin tätig und haben zahl-
 die Telefonnummern des eigenen Krisen-      dungsdirektion haben die App gemein-         reiche Eindrücke gesammelt – ­unter
 teams abspeichern, was das Team ent­        sam entwickelt. Dies hat die Partner, die    anderem waren Sie im Zoo ­Zürich. Was
 lastet: Der Einzelne muss nicht selbst      in einem Notfall an Schulen zusammen-        macht die Bildungsdirektorin dort?
 ­danach suchen. Die App erfüllt also eine   arbeiten, einander nochmals näherge-         Ich habe eine lange Beziehung zum Zoo:
  wichtige Aufgabe der Bildungsdirektion:    bracht. Diese Verknüpfung ist wichtig.       Meine erste Schulreise führte dorthin –
                                                 Vom Notfall zum Alltag: In diesem        und kürzlich besuchte ich den Zoo, weil
                                             Heft thematisieren wir die Bekleidung        ich das junge Elefäntli sehen wollte und
                                             von Schülerinnen und Schülern.               zur Generalversammlung eingeladen war.
                                             Wie wichtig ist die Kleiderfrage?            Ich habe erfahren, dass der Zoo allen
                                             Sehr wichtig – allerdings nicht wegen        Klassen der öffentlichen Schulen im Kan-
  «Die Notfall-App                           des Status oder gar des Wohlstands, den      ton Zürich gratis Eintritt gewährt. Das
                                             Kleider vermitteln können, sondern weil
     unterstützt
                                                                                          ­finde ich wunderbar, weil es zahlreichen
                                             Schülerinnen und Schüler schon früh           Kindern einen Zoobesuch ermöglicht, die

  die Lehrerinnen                            lernen sollten, wie man sich dem An-
                                             ­
                                             lass angemessen anzieht. Was man trägt,
                                                                                           sonst vielleicht nie dahin kämen.
                                                                                               Gehört ein Zoo-Besuch denn
    und Lehrer.»
                                                                                                                                           Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Magazin

                                             hat mit Wertschätzung des Gegenübers          zur guten Ausbildung?
                                             zu tun. Kleider sind Signale – und es ge-     (lacht) So kann man das nicht sagen. Aber:
                                             hört zum Erziehungsauftrag, den Kindern       Der Zoo Zürich ist ein schönes Beispiel,
                                             aufzuzeigen, welche Kleidungs­stücke was      wie Tiere heute möglichst artgerecht ge-
                                             ausdrücken können. Die Lehrerinnen und        halten werden. Er trägt ausserdem viel
                                             Lehrer dürfen und sollen dies themati­        zur Wissensvermittlung über Tiere bei –
gute Rahmenbedingungen zu schaffen für       sieren.                                       das finde ich sehr begrüssenswert. 
den Arbeitsalltag der Lehrerinnen und            Einige Schulen geben sich eigene
Lehrer. Sie entbindet aber nicht davon,      Kleiderkodizes.
sich auf mögliche Krisensituationen vor-     Selbstverständlich darf das eine Schule       Bildungsdirektorin Regierungs­
zubereiten und in Notfällen eigenverant-     machen. Zentral ist allerdings, was die       rätin Silvia Steiner beantwortet
wortlich, geistesgegenwärtig und schnell     Lehrpersonen den Schülerinnen und             hier Fragen – künftig auch aus
zu handeln; die Notfall-App unterstützt      Schülern vorleben. Ich bin überzeugt,         der Leserschaft. E-Mail senden an:
die Lehrpersonen dabei. Dahinter steckt      dass ihre Vorbildfunktion nicht unter-        schulblatt@bi.zh.ch, Betreff: Frage
noch mehr: Die Schulen, die Blaulicht­       schätzt werden darf. Natürlich sind die       an die Bildungsdirektorin
                                                                                                                                           11

organisationen und die Ämter der Bil-        Geschmäcker verschieden. Aber es geht
12   Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Fokus
Fokus

Mehr als
nur Kleider
Kleider machen Leute, sagt man. Stimmt das
auch? Ja, meint Stilexpertin Susan Wahl im
­Interview. Vor allem Jugendliche experimen­
 tieren gerne mit Kleidern und drücken sich
 über sie aus. In den Schulen kann dies zu Dis­
 kussionen führen. Manche reagieren mit einem
 Dresscode. Eine Reportage aus Meilen zeigt:
 Dies kann Ruhe in den Schulalltag bringen.
 Und wie sieht es mit Schuluniformen aus? Ein
 Blick auf Schweizer Schulen im Ausland und
 Antworten auf die Frage, warum Schulunifor­
 men in der Schweiz nicht funktionieren.
Fotos: Hannes Heinzer thematisiert mit seiner Bildserie, wie wir uns alleine aufgrund von Kleidern Bilder von der Trägerin
oder dem Träger machen.

                                                                                                                             Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Fokus
                                                                                                                             13
Dresscode                                                                                                             auch für Lehrpersonen gilt. Er sieht bei­

       Die Schule
                                                                                                                             spielsweise eine minimale Rocklänge bis
                                                                                                                             zur Mitte der Oberschenkel vor, bei Shorts
                                                                                                                             soll ein Ansatz von Hosenbeinen klar er­

       ist ­weder Badi
                                                                                                                             kennbar sein, T-Shirts und Blusen müssen
                                                                                                                             den Brustansatz verdecken, transparente
                                                                                                                             Kleidung wird nicht toleriert. Zu den No-

       noch Disco
                                                                                                                             Gos gehören zudem High Heels sowie
                                                                                                                             Aufdrucke mit rassistischen, sexistischen,
                                                                                                                             Drogen oder Gewalt verherrlichenden
                                                                                                                             Aussagen. Auch Mützen oder über den
       Freizügige oder nachlässige Kleidung                                                                                  Kopf gezogene Kapuzen sind tabu.

       von Schülerinnen und Schülern gibt an                                                                                 Laufend der Mode anpassen
       vielen Schulen zu reden. Manche haben                                                                                 Seit drei Jahren leitet Katrin Spillmann die
                                                                                                                             Sekundarschule Meilen, im Jahr zuvor ist
       deshalb eine Kleiderordnung. Zum                                                                                      der Dresscode im Lehrerteam entwickelt
                                                                                                                             und mit dem Schülerparlament beraten
       Beispiel die Sekundarschule Meilen.                                                                                   worden. Seither wird er vom Konvent ge­
                                                                                                                             meinsam mit dem Schülerparlament jähr­
       Text: Jacqueline Olivier
                                                                                                                             lich überprüft und nötigenfalls angepasst,
                                                                                                                             denn wie die Schulleiterin erklärt: «So­
                                                                                                                             wohl die Mode als auch die Gesellschaft
                                                                                                                             und die Schüler verändern sich laufend,
                                                                                                                             deshalb ist ein solcher Dresscode ein stän­
                                                                                                                             diger Prozess.» Konkret: Neben Dauer­
                                                                                                                             brennern wie bauchfreie Tops und tiefe
                                                                                                                             Décolletés geben zurzeit zum Beispiel
                                                                                                                             die Hotpants zu reden. «Wie kurz geschnit­
                                                                                                                             ten diese sein dürfen, war ein grosser
                                                                                                                             Streitpunkt», erzählt Katrin Spillmann.
                                        Es ist heiss an diesem Mittwoch kurz vor   oder in ebenso kurzen Röcken oder         Mit der jetzigen Regelung kann sie zwar
                                        den Sommerferien. Eine Hitzewelle über­    Shorts, dazu ein leichtes Top und San­    leben, hätte aber gerne etwas längere
                                        rollt das Land. Entsprechend leicht sind   daletten aller Art.                       Hosenbeine gesehen. Nur: «Wir dürfen
                                                                                                                             ­
                                        die Schülerinnen und Schüler der Se­           Hotpants und Minis an der Schule –    nichts verlangen, was aufgrund der Mode
                                        kundarschule Meilen gekleidet: die Jungs   geht das? Ja, sagt Schulleiterin Katrin   in den Läden nicht zu finden ist. Und
                                        in Shorts und T-Shirts, an den Füssen      Spillmann, solange die Vorgaben des in­   die Shorts für Mädchen sind dieses Jahr
                                        Sanda­ len oder bequeme Slippers, die      ternen Dresscodes eingehalten werden,     nun mal sehr kurz.»
                                        Mädchen in ärmellosen kurzen Kleidern      der für Schülerinnen und Schüler wie           Genau weil sie oder die Lehrperso­
                                                                                                                             nen sich in solchen Modefragen nicht
                                                                                                                             ­immer exakt auskennen, findet die Schul­
                                          Volksschule: Empfehlungen statt Regeln                                              leiterin entsprechende Inputs aus dem
                                          Kleiderordnungen, wie die Oberstufe Meilen eine hat, kennen auch andere             Schülerparlament wichtig. Oft geht es
                                          Volksschulen im Kanton Zürich. Etwa die Sekundarschule Embrach. Dort hat            auch um ein Aushandeln wie etwa im Falle
                                          der Schülerrat vor einigen Jahren im Auftrag der Schulleitung einen Dresscode       der Trainerhosen. Diese sind Katrin Spill­
                                          erstellt, der anschliessend vom Konvent abgesegnet wurde. Damit fahre man           mann ein Dorn im Auge und laut Dress­
                                          gut, sagt Schulleiter Markus Ruf, sowohl Eltern als auch Schüler akzeptierten       code auch verboten. Sogenannte Baggys
                                          die Regeln. Und sollte eine Schülerin oder ein Schüler doch mal in unangemes­       hingegen – Pluderhosen aus weichen Stof­
                                          sener Kleidung im Unterricht erscheinen, verteilt man wie in Meilen T-Shirts        fen, optisch der Trainerhose nicht unähn­
                                          oder Arbeitshosen. Dies habe durchaus eine abschreckende Wirkung.                   lich – musste die Schulleiterin schliesslich
                                          In der Oberstufe Oetwil am See haben Schulleitung und Kollegium über die Ein­       zulassen, «weil sie zurzeit Mode sind».
                                          führung eines Dresscodes nachgedacht, sind aber zumindest für den Moment            Auch das gehe eben nicht: etwas zu ver­
                                          wieder von der Idee abgekommen. «Wir haben uns über die rechtliche Situation        bieten, was aktuell modern ist.
                                          informiert und sind zum Schluss gekommen, dass Verbote heikel sind, wenn
Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Fokus

                                          wir sie juristisch nicht durchsetzen können», erzählt Schulleiter Mark Bugmann.    Lieber Dresscode als Uniform
                                          Stattdessen hat man das Thema nun im Elternrat vorgebracht und es diesem           Warum hat die Schule überhaupt einen
                                          überlassen, die Wünsche der Schule bezüglich Kleidung der Schülerinnen und         Dresscode? Er sei eine gute Möglichkeit,
                                          Schüler an die übrigen Mütter und Väter weiterzugeben – via Mail, Flyer oder       um mit den Schülerinnen und Schülern
                                          sogar eine Elternveranstaltung. «Ich finde es schon mal gut, wenn die Eltern für   in Kontakt zu sein und sie für das Thema
                                          das Thema sensibilisiert werden, denn manchen ist es gar nicht bewusst, dass       zu sensibilisieren. «Welchen Stellenwert
                                          man mit der Kleidung eine Haltung ausdrückt.»                                      man der Schule beimisst, drückt sich nicht
                                          Die Schulgesetzgebung des Kantons Zürich sieht keine Kleidervorschriften           zuletzt in der Kleidung aus.» «Ich gang
                                          an Volksschulen vor. Für Martin Wendelspiess, Chef des Volksschulamts, ist         nöd i d’Badi, ich gang i d’Schuel» heisst
                                          es selbst­verständlich, dass Schülerinnen und Schüler nicht anstössig gekleidet    es darum auf dem doppelseitigen Code,
                                          sein sollen. Kommen Anfragen von Schulen bezüglich Kleiderordnungen, rät           und «Ich gang nöd in Usgang, ich gang
                                          er, auf Empfehlungen und Vereinbarungen zu setzen, denn: «Grundsätzlich            i d’Schuel». Damit nicht umständlich er­
                                          ist es Sache der Schülerinnen und Schüler und von deren Eltern, wie sich die       klärt und diskutiert werden muss, was wie
                                          Jugendlichen kleiden.» [jo]                                                        gemeint ist, sind die Gos und No-Gos mit­
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                                                                                                                             hilfe kleiner Bilder dargestellt.
Und die Schülerinnen und Schüler, wie
finden sie die Kleiderordnung? «Der           Sekundarstufe II: Betriebe bestimmen die Kleiderordnung
Dresscode ist ein Kompromiss zwischen         Auf der Sekundarstufe II hat die Bekleidung der Jugendlichen unterschiedliches
gar keinen Regeln und einer Schuluni­         Gewicht. Während an Mittelschulen angemessene Kleidung allenfalls im Rahmen
form», antwortet Manuel, der die 3. Sek       einer Schulordnung oder eines Schul-Kodexes erwähnt wird – wie etwa an der
besucht. Da ist ihm die Kleiderordnung        Kantonsschule Enge – und im Übrigen kein grosses Thema ist, müssen sich
lieber. «Man kann zwar seinen eigenen         ­Jugendliche, die eine Berufslehre antreten, am Arbeitsort oft an eine strenge
Stil haben, muss aber gewisse Dinge be­        Kleiderordnung gewöhnen. Vorgegeben wird sie jeweils durch den Betrieb
achten.» Der 1.-Sek-Schüler Tobias hin­        und kann je nach ­Beruf unterschiedliche Gründe haben. Wo der Kundenkontakt
gegen erachtet den Dresscode als «nicht        im Vordergrund steht, geht es in erster Linie um das gepflegte und nicht selten
so wichtig», man wisse doch, wie man sich      auch einheitliche Äussere. Für Mitarbeitende in einem Swisscom-Shop bei­
für die Schule anzuziehen habe. «Das ist       spielsweise gilt: ­Swisscom-Bluse für Damen, Swisscom-Hemd oder -Poloshirt
eine Frage des Anstands.» Florian aus der      für Herren (jeweils mit Firmenlogo), lange Hose oder Jupe, im Sommer auch
2. Sek sagt, der Dresscode betreffe mehr       Dreiviertelhosen, in Schwarz oder Dunkelblau. In der Migros können die Mit­
die Mädchen als die Jungs. Trotzdem            arbeitenden die einheitlichen, von der Firma abgegebenen Kleidungsstücke mit
findet er den Dresscode der Schule gut
­                                              ­eigenen Kleidern kombinieren. Empfohlen werden schwarze Hosen oder ­Jupes
                                                                                                                                         Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Fokus

und auch nicht übertrieben streng. Seine        in gepflegtem Z  ­ ustand, die Hosen sollen lang sein, die Röcke bis mindestens
Nachbarin, die im Gymnasium sei, dürfe          knapp oberhalb des Knies reichen, Damenstrümpfe sollen hautfarben oder
dort keine kurzen Hosen tragen. «Wir dür­       schwarz, Schuhe schwarz sein.
fen das, und das ist eigentlich ein Luxus –     Berufskleidung in Form weisser Schürzen und teilweise gleichen Hosen tragen
gerade, wenn es so heiss ist.»                  Medizinische Praxisassistentinnen (MPA). Bei Berufen dieser Art spielen vor
                                                ­allem hygienische Überlegungen eine Rolle. So tragen MPA in der Regel keinen
Im Einverständnis mit den ­Eltern                Schmuck an den Händen und keine langen Fingernägel, lange Haare sollten
Etwas anders sieht dies Céline aus der           ­zusammengebunden werden.
3. Sek. Sie trägt an diesem Tag Hotpants          Ein weiterer Grund für Kleidervorschriften ist der Schutzgedanke. Als Erstaus­
und ein luftiges Top mit Spaghetti-Trägern,       rüstung für lernende Forstwarte etwa gibt die Suva vor: einen Helm mit Gehör-,
das exakt bis zum Hosenansatz reicht.             Gesichts- und Nackenschutz, Gehörschutzkapseln, signalfarbene Arbeitsjacke
«Grundsätzlich finde ich den Dresscode            und Arbeitshose mit Schnittschutz, Arbeitsschuhe und -handschuhe, Arbeits­
schon gut, aber beim Thema kurze Hosen            stiefel mit Stahlkappe, rutschfester Sohle und Schnittschutz sowie einen signal­
fühle ich mich eingeschränkt.» Ihre Kolle­        farbenen Regenschutz. [jo]
                                                                                                                                         15

gin Sevgyl, in Leggins und weitem T-Shirt,                                                                                           
rin Spillmann dann T-Shirts oder Hosen
                                                                                                                                    zum Überziehen. Aber dies seien wirklich
                                                                                                                                    Einzelfälle, betont sie, im Jahr komme dies
                                                                                                                                    nur zwei- bis dreimal vor.

                                                                                                                                    Augenmass der Lehrperson
                                                                                                                                    Dass der Dresscode im Grossen und Gan­
                                                                                                                                    zen so gut beachtet wird, hat viel damit zu
                                                «Für Teenager geht es darum,                                                        tun, dass die Schüler mitreden können,

                                              die eigene Identität zu entdecken,                                                    darin sind sich diese einig. Allerdings
                                                                                                                                    werde die Kleiderordnung nicht von allen
                                                  Kleider spielen dabei eine                                                        Lehrpersonen gleich angewendet, monie­
                                                                                                                                    ren sie. Manuel, Florian und Tobias, die
                                                       wichtige Rolle.»                                                             alle im Schülerparlament sitzen, wissen,
                                                           Katrin Spillmann, Schulleiterin Sekundarschule Meilen                    dass dort schon Klagen eingegangen sind
                                                                                                                                    von Schülerinnen und Schülern, die sich
                                                                                                                                    ungerecht behandelt fühlten. Das Schü­
                                                                                                                                    lerparlament hat die Lehrpersonen zwar
                                                                                                                                    auf das Problem angesprochen, doch eine
                                                                                                                                    wirklich einheitliche Handhabe habe dies
                                                                                                                                    nicht bewirkt.
                                                                                                                                        Katrin Spillmann weiss um das Prob­
                                                                                                                                    lem und findet es gut, dass die Jugend­
                                        widerspricht: «Zu kurze Hosen gehören          die Schulleiterin jedenfalls noch keine      lichen die Lehrerinnen und Lehrer darauf
                                        sich in der Schule nicht. Ebenso wenig wie     entgegennehmen. Im Gegenteil: Manche         ansprechen. Es sei aber nicht vermeid­
                                        zu tiefe Ausschnitte oder Hosen von Jungs,     Eltern seien sogar froh, sich auf die        bar, dass nicht alle die Regeln genau
                                        die zu weit unten sitzen.»                     Kleider­regeln der Schule berufen und        gleich um­setzten. «Ab wann ist ein hoher
                                            In welchen Kleidern Kinder und Ju­         sich damit morgendliche Diskussionen er­     Absatz ein High Heel? Oder ab welcher
                                        gendliche in die Schule kommen, ist Sa­        sparen zu können. Wenn die Regeln trotz­     Länge ist ein Ansatz von Hosenbeinen
                                        che der Eltern, das ist Schulleiterin Katrin   dem mal missachtet werden, versuchen         klar erkennbar? Wir können keine Masse
                                        Spillmann klar. Durchsetzen lasse sich         die Lehrpersonen dies im Gespräch mit        vorgeben und von den Lehrpersonen for­
                                        der Dresscode deshalb nur mit dem Ein­         den betroffenen Schülern zu lösen. Nur       dern, dass sie nachmessen, sondern müs­
                                        verständnis von Vätern und Müttern. Und        wenn es gar nicht anders geht, müssen        sen uns auf ihr Augenmass verlassen.»
                                        diese zeigten für das Anliegen der Schule      die Jugendlichen bei der Schulleiterin an­   Ein Dresscode gibt demnach zwar Leit­
                                        viel Verständnis. Reklamationen musste         traben. Neben dem Tadel gibt es von Kat­     planken vor, bedeutet aber nicht das Ende
                                                                                                                                    aller Diskussionen.

                                          Ausgewählte Tipps rund um Kleider                                                         Kein Schönheitscode
                                          Kleider lassen sich in Schulen vielseitig thematisieren. Eine kleine Auswahl              Für die 3.-Sek-Schüler steht nun der
                                          von aktuellen Angeboten für Schulen:                                                      Übertritt ins Berufsleben bevor. Dort wer­
                                                                                                                                    den sie nicht mehr anziehen können, was
                                          Ausstellung: «Kleider machen Leute»                                                       sie wollen. Kein Problem, erklären so­wohl
                                          Das Schweizer Kindermuseum in Baden zeigt bis Ende 2016 die Sonder­                       Céline als auch Sevgyl, die beide eine
                                          ausstellung «Kleider machen Leute» über die Entwicklung der Kindermode                    KV-Lehre beginnen. «Zur Arbeit würde
                                          in den letzten 200 Jahren bis heute und ihre Hintergründe. Zu sehen sind                  ich das, was ich heute anhabe, nicht tra­
                                          ­historische Kleider, Bilder, Modejournale und Ankleidepuppe aus Papier.                  gen», sagt Céline, «das wird mir auch nicht
                                           ­Führungen für Schulklassen auf Anfrage.                                                 schwerfallen, weil dort alle anders ange­
                                           www.kindermuseum.ch                                                                     zogen sind.» Und Sevgyl, die ihre Aus­
                                                                                                                                    bildung in einem Spital machen wird, er­
                                          «Woher kommen unsere Kleider?» – Workshops in Schulklassen                                zählt, dass sie dort eine Bluse und einen
                                          Mithilfe von Videos, Rollenspielen, Diskussionen etc. animieren ehrenamtliche             Blazer vom Betrieb tragen muss, Hose
                                          Mitglieder der Erklärung von Bern (EvB) Primar- oder Sekundarschulklassen                 oder Jupe dazu kann sie selber wählen.
                                          zum Nachdenken über die Herkunft unserer Kleider und die Menschen, die sie                     Sie staune immer wieder, wie leicht
                                          für uns herstellen.                                                                       den Jugendlichen die Umstellung auf die
Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Fokus

                                           www.evb.ch > Spenden & sich engagieren > Schulbesuche                                   Kleidervorschriften in der Lehre falle,
                                                                                                                                    meint Katrin Spillmann. Umso wichtiger
                                            Lehrmittel zum Thema Kleider                                                            erscheint ihr jedoch, dass die Schule
                                            Im Lehrmittelverlag St. Gallen ist das Schülerheft «Geschichte der Kleider»             den Teenagern einen gewissen Spielraum
                                          ­(Primarstufe) mit Lehrerkommentar erschienen. Es geht auf die historische                lässt, um auszuprobieren und ihren eige­
                                           ­Entwicklung von Kleidern ein und thematisiert die Mode- und Textilproduktion            nen Stil zu finden. «In dem Alter geht es
                                            der Vergangenheit. Es kann über den Lehrmittelverlag Zürich bezogen werden.             darum, die eigene Identität zu entdecken,
                                           www.lehrmittelverlag-zuerich.ch                                                         Kleider spielen dabei eine wichtige Rol­
                                                                                                                                    le.» Nur sollen dabei eben einige Grenzen
                                          Film über Biobaumwollproduktion für T-Shirts                                              nicht überschritten werden, weil das letzt­
                                          Der Film, im Auftrag der Entwicklungsorganisation Helvetas realisiert,                    lich auch für Irritationen sorge im Unter­
                                          ­informiert über die Biobaumwollproduktion in Mali bis hin zum Verkauf der                richt. Die Kleiderordnung der Schule sei
                                           ­daraus entstandenen T-Shirts in der Schweiz.                                            deshalb auch kein Schönheitscode, son­
                                           www.youtube.com > Das T-Shirt wächst in Afrika                                          dern bringe lediglich etwas Ruhe in den
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                                                                                                                                    Schulalltag. 
17   Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Fokus
Werfen wir einen Blick ins Ausland.
                                                                                 Dort tragen Schweizer Schülerinnen und
                                                                                 Schüler vielerorts Schuluniformen – jen­
                                                                                 seits von Pilotprojekten und politischen
                                                                                 Debatten, sondern weil es in den jeweili­
                                                                                 gen Ländern Tradition oder gar Gesetz
                                                                                 ist. Dominique Tellenbach, seit zwei Jah­
                                                                                 ren Leiter der Schweizer Schule in Bang­
                                                                                 kok, hebt den praktischen Nutzen der
                                                                                 Schuluniform hervor. «Es gibt keine Dis­
                                                                                 kussionen über Kleidervorschriften. Das
                                                                                 hilft nicht nur den Lehrpersonen und den
                                                                                 Eltern, sondern auch den Schülerinnen
                                                                                 und Schülern: Sie müssen sich morgens
                                                                                 nicht überlegen, was sie anziehen müs­
                                                                                 sen, um cool zu sein.»
                                                                                      Die Uniform der Schulkinder im tropi­
                                                                                 schen Bangkok ist schlicht und klassisch:
                                                                                 Hosen und Hemden für Jungs, Röcke und
                                                                                 Blusen für Mädchen, alles einfarbig, das
                                                                                 Emblem und der Name der Schule auf
                                                                                 dem Hemd oder der Bluse. «Die Uniform
                                                                                 trägt auch zur Gruppenidentität bei», sagt
                                                                                 Dominique Tellenbach. Wie breit sie ak­
                                                                                 zeptiert sei, zeige sich schon daran, dass
                                                                                 selbst am «Casual Friday», dem letzten
                                                                                 Freitag im Monat, an dem man in eigenen
                                                                                 Kleidern erscheinen darf, immer eine
                                                                                 Handvoll Schülerinnen und Schüler in
                                                                                 Uniform zur Schule kämen.

                                                                                 Charakterzüge werden deutlich
                                                                                 Und was ist mit der persönlichen Aus­
                                                                                 drucksform, die mit Uniformen einge­
                                                                                 schränkt wird? Nivellieren die Uniformen
                                                                                 die Schü­lerinnen und Schüler? «Im Ge­
                                                                                 genteil», findet der Schweizer Schulleiter
                                                                                 in Bangkok. «Charakterzüge und Persön­
                                                                                 lichkeitsmerkmale von Schülerinnen und
                                                                                 Schülern nehme ich sogar differenzierter
                                                                                 und intensiver wahr, wenn das optische
                                                                                 Erscheinungsbild uniformer ist.»
                                                                                      Auch von den Eltern, betont Domi­
                                                                                 nique Tellenbach, habe er noch nie grund­
                                                                                 sätzliche Einwände gegen die Uniform
                                                                                 gehört. Für Hanspeter Hösli, Vater einer

                                        Schuluniform                             angehenden Siebtklässlerin an der Schule

                                        Lernen im
                                                                                 in Bangkok, überwiegen die Vorteile klar.
                                                                                 Vom modischen Aspekt her möge seine
                                                                                 Tochter die Uniform nicht besonders,

                                        ­Einheitstenü
                                                                                 sagt er, doch sie trage zu einem besseren
                                                                                 Klassenklima bei. In der alten Schule
                                                                                 ­seiner Tochter, in Zürich Grünau, einem
                                                                                  Quartier mit h­ ohem Ausländeranteil, sei
Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Fokus

                                        In der Schweiz scheiterten bisher         es auch aufgrund der Kleider häufiger
                                                                                  zu Gruppenbildungen und Ausschlüssen
                                        sämtliche Versuche, Schuluniformen        gekommen, sagt er. Allerdings relativiert
                                                                                  er gleich: «Der Markendruck verlagert
                                        ein­zuführen. Doch im Ausland ge­         sich mit der Uniform hin zu den Schuhen:

                                        wöhnen sich Schweizer Kinder und          Hier zählt, wer die neuesten Nike-Turn­
                                                                                  schuhe trägt.»
                                        ­Eltern schnell an Einheits­kleidung –        In der Schweizer Schule in Singapur
                                                                                  erlebte der Rektor Sacha Dähler, dass
                                         und schätzen sie.                        Schülerinnen und Schüler in Uniform
                                                                                  Bot­schafter der Schule sind. «Kürzlich
                                        Text: Joel Bedetti                        waren einige Schüler zu laut im Bus, an­
                                                                                  dere machten auf dem Fahrrad Kapriolen
                                                                                  im Strassenverkehr und verhielten sich
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                                                                                  einem Erwachsenen gegenüber nicht so,
wie sie es sollten», erzählt er. Postwendend    über Gleichaltrigen erklären, wieso sie       reichen.» Die mangelnde Begeisterung
erhielt die Schweizer Schule Beschwer­          «so streberhaft» gekleidet waren. 2007        bewog den Schulpräsidenten schliesslich
den – wegen ihrer Uniform waren die             nahm die Leonhard-Schule deshalb einen        dazu, das Projekt wieder zu begraben.
Schülerinnen und Schüler schnell iden­          neuen Anlauf, diesmal mit Polohemden,         «Wir w­ aren wohl etwas zu früh damit»,
tifizierbar. Der Schulleiter Sacha Dähler       Shirts und Strickjacken, auf denen ein        meint er, der nun abtritt. Das Konzept lie­
will den Kindern und Jugendlichen künf­         Löwenkopf-Logo der Schule eingenäht           ge aber noch in der Schublade. Er über­
tig stärker bewusst machen, dass sie in         war. Doch auch diese Uniform liessen die      lässt es ­seinem Nachfolger, ob der das
Uniform ihre Schule repräsentieren.             Schüler immer öfter im Schrank. 2009          Projekt wieder ­herausnimmt.
                                                stellte die Schule den Versuch ein, je eine       Die Schuluniform-Idee scheiterte vor
Idee vom Ausland importiert                     Mädchen- und eine Knabenuniform ka­           allem aus einem Grund: Es gibt in der
In der Schweiz hingegen schlugen bisher         men ins Landesmuseum.                         Schweiz keine Tradition dafür. Und kei­
sämtliche Versuche fehl, Schuluniformen                                                       nen Notstand, der nach Uniformen rufen
einzuführen. Jüngstes Beispiel: Kreuz­          Die Tradition fehlt                           würde. Nur Anfang der 2000er-Jahre, als
lingen. Dort fragten einige Mütter Jürg         Jürg Schenkel, der Schulpräsident von         der Druck an den Schulen, coole Kleider
Schenkel, den Schulpräsidenten, wieso es        Kreuzlingen, wollte diesen Fehler nicht       zu tragen, in den Medien thematisiert
hierzulande eigentlich keine Schuluni­          wiederholen. Seine Idee: Die Schüler soll­    wurde, ging kurzzeitig der Ruf nach Ein­
formen gebe. Die Mütter, deren Kinder ei­       ten in einem externen Shop Polohemden         heitstenü durchs Land. 2004 führten drei
nige Jahre lang in Australien und England       und Vestons mit aufgedrucktem Namen           Schülerinnen eines Aargauer Gymna­
zur Schule gegangen waren und dort Uni­         der Schule kaufen, dazu sollten sie Blue­     siums in ihrer Klasse für einen Monat
form tragen mussten, wussten nur Gutes          jeans tragen. Doch er stiess nicht gerade     eine Schuluniform ein. Kantonsparlamen­
über das Einheitstenü in der Schule zu
be­richten – so waren etwa Dis­kussionen
über fragwürdige Outfits vom Tisch.
     Überzeugt von den Argumenten, be­
schloss Jürg Schenkel, ab 2013 in der Pri­
marschule Schreiber versuchsweise eine
                                                       «Es ist eine Illusion zu glauben,
einheitliche Schulkleidung einzu­   führen.           mit Uniformen könne man Unter­
Er war nicht der Erste mit dieser Idee:
«Jetzt versucht Kreuzlingen, was in Basel
                                                       schiede aus der Welt schaffen.»
vor fünf Jahren gescheitert ist», ­   titelte                            Martin Wendelspiess, Chef Volksschulamt
die «Basler Zeitung» hämisch. 2006 hatte
die Basler Weiterbildungsschule L­ eonhard
näm­lich für zwei Klassen eine Schuluni­
form eingeführt, es war der erste Versuch
in der Schweiz mit Schuluni­formen. Eine        auf Euphorie. «Die Lehrer fürchteten,         tarier von links bis rechts verlangten von
Designerin hatte eine Kollektion modi­          dass auch sie sich einem Kleiderregime        ihren Regierungen, die Einführungen von
scher Kleidungsstücke entworfen, aus de­        unterwerfen oder sich ständig gegenüber       Uniformen zu prüfen; 2006 forderte die
nen die Schülerinnen und Schüler eine           den Eltern erklären müssten.» In einer        FDP Schweiz in einem Positionspapier
individualisierte Uniform zusammenstel­         Umfrage hätten sich 85 Prozent der Eltern     zur Migration die flächendeckende Ein­
len konnten – darunter lindengrüne Ja­          bereit erklärt, beim freiwilligen Pilotver­   führung von Schuluniformen, die Partei­
cken, beige Pullover, Shirts mit Quer­          such mitzumachen. Jürg Schenkel schmie­       delegierten kippten diesen Punkt jedoch
streifen und dunkle Jeans oder Jupes. Das       dete grosse Pläne. Wäre das Pilotprojekt      mit wuchtiger Mehrheit aus dem Pro­
Set kostete 730 Franken pro Schüler, der        an der Primarschule Schreiber erfolgreich     gramm. Und auch der Schweizer Lehrer­
Elternbeitrag betrug 100 Franken. Die           gewesen, hätte ihm die Einführung von         verband LCH hielt nicht viel von ein­
­Anfangsbegeisterung der Schüler verflog        einheitlicher Schulkleidung in der ganzen     heitlicher Schulkleidung, wie er 2005 in
 schnell. Grund für den Misserfolg war –        Schulgemeinde vorgeschwebt. «Man hätte        einem Positionspapier darlegte.
 glaubt man den Aussagen der Schülerin­         verschiedene Farben einführen können»,
 nen und Schüler – ausgerechnet der mo­         erzählt er, «Gelb für die Kindergärtler,      In Zürich kein Thema
 dische Charakter der Schuluniform; weil        Blau für die Grundschüler, Anthrazit für      Auch der Kanton Zürich lehnte einheit­
 die Uniform nicht klar als solche erkenn­      die Oberstufe. Jeder hätte sich darauf        liche Schulkleidung ab. Dies kam unter
 bar war, mussten sich die Schüler gegen­       freuen können, die nächste Farbe zu er­       anderem 2006 in der Antwort des Regie­
                                                                                              rungsrats auf eine Anfrage der SP zum
                                                                                              Ausdruck. Begründung: Schuluniformen
  Schuluniform in aller Welt                                                                  widersprächen dem Bedürfnis der Kinder
                                                                                                                                            Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Fokus

  In einigen Weltgegenden haben Uniformen für Schülerinnen und Schüler                        nach Individualität. Zudem sei fraglich, ob
  eine lange Tradition. In Grossbritannien etwa sind sie keine gesetzliche Pflicht,           Schuluniformen den Markendruck nicht
  sie haben aber eine derart starke Tradition, dass fast alle Schülerinnen und                einfach auf Handys und Uhren verlagern
  Schüler sie freiwillig tragen. Wobei die Schuluniform nur in den Elite-Internaten           würden. Und vor allem: Einheitliche
  klassisch getragen wird; in öffentlichen Schulen dominieren einheitliche Hosen              Schulkleidung habe in Zürich – wie in der
  und unifarbene T-Shirts. Ähnlich ist die Situation in anderen angelsächsischen              ­ganzen Schweiz – keine Tradition. Martin
  Ländern wie Australien. In vielen asiatischen Ländern hingegen ist die Schul­                Wendelspiess, Chef des Volksschulamtes,
  uniform gesetzliche Pflicht. In Japan beispielsweise, wo Schuluniformen schon                sagt heute dazu, Kleider seien indivi­
  zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Modellen der Armeeuniform ein­geführt                    duelle Gestaltungsmittel und es sei nicht
  ­wurden, sind sie so weit in die Alltagskultur vorgedrungen, dass sich Jugend­               jedem Menschen in jeder Kleidung wohl.
   cliquen auch in der Freizeit mit ihnen kleiden und die braven Blazer und ­Hosen             «Zudem ist es eine Illusion zu glauben,
   mit Markenaccessoires wie Schals, ­Socken und Uhren zu einem eigenen Stil                   mit Uniformen könne man Unterschiede
   kombinieren. Vielerorts, wo Schülerinnen und Schüler Uniformen tragen müs­                  aus der Welt schaffen. Ich sehe darum
   sen, gelten auch für Lehrpersonen strikte Kleidervorschriften.                              keinen Grund, der für die Einführung der
                                                                                                                                            19

                                                                                               Schuluniform bei uns spricht.» 
Im Gespräch                                                                                                                     ein Blazer mit konturierten Schultern –

       «Kleider sind
                                                                                                                                       für Autorität. So auch hohe Farbkontraste.
                                                                                                                                       Wenn man Fotos von Menschen mit
                                                                                                                                       solchen Kleidern vorlegt und Fotos von
                                                                                                                                       ­

       immer auch
                                                                                                                                       anders gekleideten Personen, gibt eine
                                                                                                                                       ­
                                                                                                                                       signifikant grössere Gruppe an, bei den
                                                                                                                                       ­

       S
       ­ prache»
                                                                                                                                       nicht autoritär Angezogenen eher um
                                                                                                                                       ­zusätzliche Ferien zu bitten. Sind einem
                                                                                                                                        solche Muster bekannt, kann man seine
                                                                                                                                        Kleider bewusst einsetzen.
                                                                                                                                             Und dann gibt es noch globale,
       Stilexpertin Susan Wahl sagt, zu viel                                                                                            ­modische Trends.

       ­Aufhebens um Kleider von Jugendlichen                                                                                            Ja, nebst Codes, die in kleinen sozialen
                                                                                                                                         Räumen funktionieren, gelten heute glo­
        sei kontraproduktiv, Diskussionen über                                                                                           bale Moden, die rasend schnell wechseln
                                                                                                                                         und über Medien und digitale Kanäle ver­
        Mode seien aber wichtig.                                                                                                         breitet werden. Aktuell ist es etwa der
                                                                                                                                         Trend, Schuhe ohne Socken zu tragen.
       Interview: Katrin Hafner Fotos: Marion Nitsch                                                                                     Oder, bei Mädchen: weite, gemusterte
                                                                                                                                         Highwaist-Shorts.
                                                                                                                                             Wie stark richten sich Jugendliche
                                                                                                                                         nach solchen Trends?
                                                                                                                                         Als Vorbereitung auf unser Gespräch
                                        Als Stilexpertin können Sie mir be-           Wie kann ich einen Kleiderstil                     habe ich einer Handvoll Lehrerinnen und
                                        stimmt sagen, worauf ich achten muss,         ­interpretieren?                                   Lehrern verschiedener Stufen Frage­
                                        wenn ich aufgrund von Kleidern etwas           Auf der konkreten Ebene wird es kom­              bogen zuhanden ihrer Klassen verteilt.
                                        über eine Person erfahren will?                plex. Was Kleider bedeuten, hat mit Codes         Viele Mädchen bestätigen den Trend der
                                        Schauen Sie auf die Schuhe. Sie verraten       zu tun – und diese sind heute stärker             Highwaist-Shorts. Die Jungen nennen be­
                                        viel über die Prioritäten der Person: Will     ­ausdifferenziert als früher und oft klein­       stimmte Turnschuhmodelle und -marken.
                                        sie gut aussehen, es bequem haben, ihren        räumig gültig. Was in einem Schulhaus                Welche modischen Vorbilder haben
Schulblatt Kanton Zürich 5/2015 Fokus

                                        Status zeigen oder uns vermitteln, dass sie     als cool gilt, hat im Nachbarschulhaus           Schülerinnen und Schüler?
                                        die aktuellen Trends verfolgt?                  ­wenig Bedeutung. Die Aussage der Klei­          Buben oft Fussballer, Mädchen das Model
                                            Werden Kleider und Schuhe nicht              der variiert pro Einheit, also pro Schul­       Cara Delevingne – mit der Begründung,
                                        überschätzt?                                     haus, pro Berufsgruppe. Je vertrauter mir       sie sei unabhängig. Tatsächlich brach sie
                                        Nein. Der Spruch «Kleider machen Leute»          eine bestimmte Einheit oder Gruppe ist,         mit starken Augenbrauen den Trend der
                                        gilt nach wie vor – sogar mehr denn je.          desto besser erkenne ich die Feinheiten,        gezupften Brauen. Sie vermittelt etwas
                                        Die Menschen präsentieren ihren Status           kann verschiedene Kleider treffend in­          Rebellisches. Manche ältere Schülerin­
                                        heute nicht mehr bloss via Kleider und           terpretieren und etwas daraus über den          nen und Schüler betonen, sich nicht um
                                        Schuhe, sondern auch via Handys oder             Menschen ablesen.                               Mode zu kümmern.
                                        Freizeitartikel wie zum Beispiel Fahr­                Aber auch heute gibt es noch                   Stimmt es, dass Marken heute we-
                                        räder. Selbst der Schulthek ist heute ein        ­objektive Kriterien.                           niger zählen und stattdessen Under-
                                        wichtiges Ausdrucksmittel: Er wird häufig         Das stimmt, es gibt Gesetzmässigkeiten,        statement und No-Labels wichtig sind?
                                        mehrmals ausgewechselt, während man               die innerhalb eines grösseren Kultur­          Ja, das ist so. «In» ist, wer sich den wech­
                                        früher für die ganze Schulzeit ein oder           kreises gelten. Bei uns stehen Kleidungs­      selnden Trends anpasst, damit kann man
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                                        vielleicht zwei Modelle brauchte.                 stücke mit geraden Linien – beispielsweise     sich profilieren. Modeblogs oder Magazine
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