Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!

Die Seite wird erstellt Linus Römer
 
WEITER LESEN
Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
Helmut Schuster,

                Rektor VS Schwarzenfeld

Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
Bericht von der Exkursion der Modus-F - Volks- und Förderschulen

vom 13. bis 16. Oktober 2009 zum Südtiroler Schulverbund Pustertal

Warum besuchen Modus-F-Schulen Schulverbünde in Südtirol?
Aus dem Antrag der Modus-F-Schulen an die Abt. IV/Volksschulen des Kultusministeriums: Schulverbünde in
Südtirol sind dafür bekannt, dass sie die staatlich gewährten Chancen der Weiterentwicklung zu selbständi-
gen Schulen, die individualisiertes und eigenverantwortliches Lernen ihrer Schüler ermöglichen, sehr erfolg-
reich nützen. Sie bauen dabei auf die Ressourcen und Kompetenzen aller Schulen der Region und nützen die
Möglichkeiten zur Kooperation vor Ort. Wenn das Ziel aller Schulentwicklung verbessertes Lernen der Schüler
sein soll, ist es besonders für Modus-F-Schulleiter, die sich diesem Ziel in selbständigeren Schulen verschrie-
ben haben, sehr reizvoll, den Schulen im Schulverbund Pustertal in die Karten sehen zu dürfen. Sie sind be-
reits seit mehreren Jahren auf diesem Weg und haben wertvolle Erfahrungen und Fortschritte bei der Indivi-
dualisierung des Lernens erreicht. Ganz entscheidend war dabei die Koope-
ration in Lehrerteams, die sich an die Umgestaltung des Unterrichts mit
einer veränderten Rolle des Lehrers hin zum Lerncoach gemacht haben.

Im Fokus von Modus-F-Schulen steht auch nach der Einführung einer mittle-
ren Führungsebene die innere Schulentwicklung. Trotz sehr unterschiedli-
chen Rahmenbedingungen in Südtirol/Italien und in Bayern geht der mögli-
che Erkenntnis- und Erfahrungsgewinn einer viertägigen Fortbildung in den
Schulen des Pustertals weit über den horizonterweiternden „Blick über den
eigenen Tellerrand“ hinaus. Wir versprachen uns eine Ermutigung zu weite-
ren fundierten „Experimenten“ mit der Weiterentwicklung neuer Lernformen
und Unterrichtsstrukturen, wenn wir sie in bewährter Realität erfahren kön-
nen. Die Zielsetzung der Schulreform im Pustertaler Schulverbund folgt in     Modus-F-Schulleiter waren vier Tage
                                                                              im deutschsprachigen Pustertal/I
ihrer Ausrichtung explizit den Bildungszielen in der gesamteuropäischen
Entwicklung. Wir glauben, dass wir mit unseren Teamleitern und weiteren Mitarbeitern in der Schulleitung gute
Voraussetzungen haben, die Unterrichtsentwicklung an unseren Schulen in der gleichen gewünschten Richtung
voranzubringen. Darüber hinaus konnten wir miterleben, wie selbständige Schulen in der Region durch gute
Zusammenarbeit voneinander profitieren. Dies könnte als Beispiel und Anregung für die eigene Arbeit wirksam
gemacht werden. Nebenher konnten wir Erfahrungen sammeln, wie kleinere Schulen sinnvoll und zielführend in
Verbünden ihre eigene Entwicklung vorantreiben und können diese Erkenntnisse gerne auch in Bayern weiter-
geben, wo es ja auch tausende kleiner Schulen gibt. …“
Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
Erwartungen von der Realität weit übertroffen
Auf Einladung von Dr. Josef Kühebacher und der Direktion des Schulverbunds Pustertal waren elf Schulleiter
und zwei Konrektoren der Modus-F-Volks- und Förderschulen für vier Tage nach Mühlbach/Südtirol gereist, um
das Südtiroler Schulsystem und seine Schulen praxisnah kennen zu lernen. Auf dem Programm standen die Be-
suche von Grund- und Mittelschulen in Brixen (mit und ohne Montessori-Konzept), einer beruflichen Oberschu-
le in Bruneck, der Fakultät der Bildungswissenschaften an der Freien Universität Bozen in Brixen mit einem
Empfang durch den Dekan Franz Comploi, ergänzt mit Vorträgen und Gesprächsrunden an den Nachmittagen.

Die Gastgeber hatten damit den Schulleitern aus Bayern nicht nur ein sehr vielseitiges Angebot unterbreitet,
sondern sie gewährten jederzeit tiefe Einblicke, zeigten größte Offenheit, beantworteten alle Fragen und waren
überaus großzügig darin, den Besuchern alles erdenkliche und gewünschte Material zu übergeben. Besonders
beeindruckt waren die Rektoren von der Bescheidenheit und der Glaubwürdigkeit der Südtiroler Pädagogen,
mit der sie ihren vergleichsweise reifen Entwicklungsstand bei dem Bemühen um individualisiertes Lernen der
Schüler darstellen. Es würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, wenn hier versucht würde, die Struktur und
Entwicklung des Schulsystems im Pustertal darzustellen. Wer sich dafür interessiert, kann auf der Internetseite
www.snets.it/sv-pustertal und www.snets.it/psf. Um allerdings die positive Schulentwicklung dort nachvollzie-
hen zu können, muss man einige grundlegende Gegebenheiten kennen, die zugleich Voraussetzungen für die
günstigen Rahmenbedingungen sind.

Schulautonomie und Schulentwicklung in engem Zusammenhang
Historische Gegebenheiten

1919 kam Südtirol zu Italien. Seite 1859 gibt es die Schulpflicht. Allerdings ist bis heute die Möglichkeit zur
„scuola paterna“, der Elternbeschulung, gegeben. Seit 1962 gibt es die Einheitsmittelschule. Nach einer gemein-
samen Grundschulzeit von fünf Jahren folgen drei Jahre gemeinsame Mittelschule für alle Kinder. Seit 1977 ist
die Schule bis einschließlich der 8.Klasse eine wirkliche „Polis“, in der auch die geistigen und körperlich behin-
derten Kinder mit ihren besonderen Lernbedürfnissen integriert sind. Der italienische Staat machte Ernst mit
der „Inklusion“ und schaffte damals auch alle geschlossenen psychiatrischen Anstalten ab.

Wie die Direktorin der Montessori-Grund- und Mittelschule in Brixen, Elisabeth
Flöss, deutlich machte, sind die Pädagogen sehr stolz darauf, dass alle Kinder in    Direktorin Elisabeth Flöss kann zu
                                                                                     Recht stolz auf ihre Schule sein
einem Haus unterrichtet und gefördert werden und niemand ausgeschlossen
werden darf. Für sie und die meisten Pädagogen in den staatlichen Schulen ist
Vielfalt viel mehr eine Chance denn ein Problem. Viele Privatschulen (Anteil
unter 10 Prozent) dagegen würden ihre Schüler nicht nach integrativen Ge-
sichtspunkten auswählen und Kinder mit Beeinträchtigungen kaum berücksich-
tigen.

Einen großen Sprung nach vorne sei durch das im Jahre 2000 in Kraft getretene
„Gesetz zur Autonomie der Schulen“ möglich gemacht worden, das für die
ganze Schullandschaft „eine radikale Wendung“ bedeutete. Man habe auch in
der deutschstämmigen Bevölkerung Südtirols die Erfahrung gemacht, dass nicht alles schlecht sein muss, was
aus „Rom“ kommt. Unter Bildungsminister Luigi Berlinguer war in Anlehnung an das Staatsgesetz und unter
Ausnützung der in Südtirol gewährten „sekundären Gesetzgebungsgewalt“ das Landesgesetz Nr. 12 erlassen
worden, das den Schulen im Lande weitreichende Autonomie (=Selbstorganisation) gibt. Die Einzelschulen bzw.
Schulsprengel erhielten Rechtspersönlichkeit. Mit der Übertragung von Verantwortung an die Schulen vor Ort
wurde den Schulen aber auch die Gestaltung gewichtiger Bildungsfragen in eigener Wirksamkeit aufgebürdet.
Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
Selbstverantwortung als Herausforderung – Schulsprengel und Schulverbünde

Auszüge aus dem Südtiroler Gesetz „Autonomie der Schulen“: „Die autonomen Schulen sind verantwortlich für
die Festlegung und Verwirklichung ihres Bildungsangebots. Zu diesem Zweck arbeiten sie auch mit anderen
Schulen und den lokalen Körperschaften zusammen“(Art.2, Abs.2). „Die Schulen üben für sich allein oder im
Schulverbund die Autonomie der Forschung, der Schulentwicklung und der Schulversuche aus, indem sie die
kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Umfelds berücksichtigen; …“ (Art. 8, Abs.2) „Durch
Vertrag können sich Schulen zu einem Schulverbund zusammenschließen, um institutionelle Zielsetzungen auf
Grund vereinbarter Projekte gemeinsam zu verwirklichen.“ (Art 9, Abs.1)

Das Schulautonomiegesetz schuf Voraussetzungen, dass sich vor Ort stabile, sich selbst tragende Strukturen
bilden können, die ihrerseits im selben Geist von unten her weitere autonome Strukturen ermöglichen. Schulen
können sich zu lebendigen und dynamischen Organisationen entwickeln mit eigenen Zielsetzungen, die mit an-
deren kooperieren und für sich und andere die Verantwortung für das übernehmen, was sie tun.

Viele Schulen in Südtirol, vor allem Grundschulen, haben nur 50 bis 100 Kinder im Schulhaus und sind für eine
qualitätsvolle Entwicklung in Eigenverantwortung viel zu klein und zu begrenzt. So haben sich meist mehrere
kleine Schulen zu einem so genannten „Schulsprengel“ („Entwicklungseinheiten nach Menschenmaß“) zusam-
mengeschlossen, der meist alle Grund- und Mittelschulen einer Region einschließt. Es entstanden autonome
(=selbstorganisierte) Schulen mit einer Schülerzahl zwischen 500 und 900 und einer eigenen Direktion und meh-
reren Außenstellenleitern. Jede Schule war gehalten, ein eigenes Schulprofil, ein Leitbild und ein Schulpro-
gramm zu erstellen. Schon früh zeigte sich, dass hier die Kooperation untereinander und die Konzentration der
Kräfte große Synergieeffekte für eine systemtische Weiterentwicklung der Bildungsarbeit aller Schulen birgt.

Der Direktor einer Sprengelschule ist natürlich der Dienstvorgesetzte aller Lehrkräfte mit Personalverantwor-
tung und Beurteilungsfunktion. Ihm obliegt die Verantwortung für das „funktionale Plansoll“ an Lehrerstunden,
für den Stundenplan, die Klassenbildung, die Gruppeneinteilung und die Wahlfächer, für das Schulprogramm,
für die Schulgebäude und Anlagen, für Lehr- und Lernmittel, für die Qualitätsentwicklung und Evaluationsmaß-
nahmen, für die Kooperation mit Partnern, Betrieben, Sponsoren und Institutionen, für die Lehrerfortbildung
sowie für das gesamte Finanzbudget der Schule mit Ausnahme der Lehrergehälter, die vom Land Südtirol ent-
sprechend der Zuweisung durch das Schulamt bezahlt werden.

Rahmenbedingungen und Führungsstruktur in den Sprengelschulen

Die Südtiroler Schulexperten sprechen selbst von recht günstigen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der
Schulqualität. Die äußeren Rahmenbedingungen zeichnen sich durch politische Stabilität, Vollbeschäftigung (nur
3 % Arbeitslosigkeit) und geringe soziale Probleme aus, eine Migrantenproblematik gibt es nur sehr marginal.

Die schulischen Rahmenbedingungen sind gekennzeichnet durch
                                                               Schulverbundsdirektor Dr. Josef Watschinger referierte die
                                                               Konturen Südtirols und die Entwicklung seiner Schulverbünde
     ein in sich stimmiges Schulkonzept

     brauchbare gesetzliche Rahmen

     gute Ausstattung der Schulen

     effektives Lehrerdienstrecht

     hohe finanzielle Mittel für Lehrerfortbildung

     angenehme Klassengrößen (meist unter 20)

     sehr günstiges Lehrer/Schüler-Verhältnis (1:8)

     wenig soziale und kaum Disziplinprobleme
Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
Lehrkräfte halten an Mittelschulen 20 und an Grundschulen 22 Stunden (zu 60 Minuten) Unterricht. Dazu kom-
men 220 zusätzlich nachzuweisende Arbeitsstunden pro Jahr. Das relativ wohlhabende Südtirol zahlt seinen
Lehrkräften gegenüber der Besoldung der Lehrer in Italien eine Aufschlag von 500 € monatlich. Es gibt keinen
Mangel an Bewerbern, vor allem Bewerberinnen. Das Lehrersein in Südtirol bietet vielversprechende Perspekti-
ven. Früher konnten in Italien junge Leute schon mit 19 Lehrer/in sein, heute studieren sie nach der Matura fünf
Jahre an der Fakultät für Bildungswissenschaften, eng verknüpft mit der Schulpraxis. Die Lehrer werden mitt-
lerweile zu Teamarbeit verpflichtet und gemeinsame Vorbereitungszeit ist vorgeschrieben. In der Schule in Bri-
xen z.B. sind dazu am Dienstagnachmittag alle Lehrkräfte, aber keine Schüler da. Als die zwei fruchtbarsten Wo-
chen im Schuljahr werden von der Schulleitung die zwei ersten Septemberwochen bezeichnet, wenn zum Ende
der sehr langen Sommerferien (für Schüler 10 Wochen!) alle Lehrkräfte ganztags an der Schule sind und ge-
meinsam das Schuljahr und alle Projekte und Vorhaben planen und vorbereiten. 80 Prozent der Lehrer begin-
nen übrigens schon ab 20. August mit Fortbildungen ihre Vorbereitung.

Es gibt bis zur 8. Klasse keinerlei Selektion. Nach fünf Jahren Grundschule bleiben alle Schüler auch noch in der
Mittelschule drei Jahre zusammen. "Mittelschule" ist also dort weder ein auf- noch ein abwertendes Etikett,
sondern bezeichnet nur die "mittlere" Altersstufe. Bis vor
                                                                     Modus-F-Schulleiterinnen im Gespräch mit einer Montessori-
einem Jahr gab es auch keine Noten (1977 abgeschafft!). Zwar
                                                                     Mittelschule-Teamleiterin
hat die Regierung in Rom entgegen dem Willen der meisten
Pädagogen nun Noten eingeführt, aber die können von den
Lehrern durchaus „pädagogisch“ gehandhabt werden und so
müssen z.B. geistig behinderte Kinder nicht mit der schlech-
testen Note „4“ herabgesetzt werden. Beste Notenstufe ist
übrigens „10“, aber auch diese Noten sind nicht ausschlagge-
bend für eine Berechtigung zum Übertritt in bestimmte wei-
terführende Schulen nach der 8. Klasse. Die Schüler selbst
entscheiden, in welche Schule sie nach der 8. Klasse gehen, in
welches Gymnasium (fünfjährig) oder andere Oberschule, ob mathematisch-naturwissenschaftlich, musisch,
sprachlich oder pädagogisch profiliert. Natürlich nehmen die Eltern Einfluss, die Lehrer haben nur ein unver-
bindliches Gutachten abzugeben, können und wollen aber den Jugendlichen die Entscheidung nicht abnehmen.
Ca. 30 Prozent entscheiden sich für die berufliche Oberschule, in der sie im ersten Jahr eine gewählte berufliche
Grundausbildung machen und dann meist ab der 10. Klasse in einem dualen Ausbildungsverhältnis mit einem
Betrieb und der beruflichen Oberschule stehen. Jede Matura nach dem erfolgreichen Besuch eines Gymnasiums
oder Oberschule berechtigt wie unser Abitur für das Studium eines jeden Faches. Einzelne Studienfächer ken-
nen aber eine Aufnahmeprüfung, um den Zugang nach den vorhandenen Studienplätzen zu beschränken.

Was den Menschen in Südtirol die Schulbildung wert ist, sieht man am deutlichsten an der Lehrer-Schüler-
Relation. Sie schwankt nur geringfügig zwischen 1 zu 7,9 in der Grundschule und 1 zu 9 in den Oberschulen. So
haben die Schulen in Südtirol oft die Wahl, ob sie die Klassen kleiner (im Durchschnitt 17 Schüler) machen oder
lieber mit zwei Lehrkräften den Unterricht planen. Allein aus dieser Lehrer-Schüler-Relation werden die Mög-
lichkeiten zur Individualisierung des Unterrichts deutlich verbessert gegenüber Ländern, in denen oft doppelt so
viele Schüler auf einen Lehrer kommen (Bayern 1:19). Spontan fiel den Besuchern ein: Ja, damit könnten wir es
auch probieren! In Deutschland geben wir nach OECD-Berechnungen alles in allem 7100 € pro Schüler aus, wo-
bei es große Unterschiede zwischen Grundschülern und Gymnasien gibt. In Südtirol sind das 10.600 € pro Schü-
ler und Jahr und dabei ist wichtig zu wissen, dass die Lehrer dort deutlich weniger verdienen als der Lehrer-
durchschnitt in Deutschland. Die Schlussfolgerung ist, dass in Südtirol wesentlich mehr Mittel direkt bei den
Schülern ankommen, sowohl Personal als auch Sachaufwand. Was die Experten aus den Schulen begründet
vorschlagen und planen, wird in der Regel auch finanziert, bisher gab es noch keine „Deckelung“

Selbstredend ist, dass eine Schuldirektorin eines autonomen Schulsprengels in Südtirol mit Budget- und Pla-
nungsverantwortung (Lehrkräfte werden vom Schulamt in Bozen zugewiesen, das allerdings nicht Schulaufsicht
Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
ist) keinen Unterricht hält. Sie verfügt über fünf Verwaltungsfachkräfte, außerdem acht sogenannten „Schuldie-
nern“, die Aufsichtsfunktionen und Aufgaben für die Schulhäuser erfüllen. In den einzelnen kleineren Schulhäu-
sern gibt es die Außenstellenleiter, das sind Lehrkräfte, die je nach Schülerzahl zwei bis vier Unterrichtsstunden
ermäßigt bekommen. Dafür kümmern sich diese als „wichtige Personen im Dorf“ um die Bibliothek in der Schule
und die Kooperation mit den Vereinen, der Kirche, der Musikschulen und dem Kindergarten. Die Direktorin hält
einmal monatlich eine Sitzung mit ihrem Führungsstab, den Lehrkräften mit besonderen Funktionen: den Schul-
stellenleitern, vier Schulentwicklungskoordinatoren (schulstufenbezogen), didaktischen Systembetreuern, In-
tegrations- Umwelt- und Medienbeauftragten. Außerdem gibt es einmal im Monat, in Brixen am Freitagnach-
mittag, ein Treffen mit dem „Schulrat“, in dem auch Eltern und Schülervertreter sind, ähnlich des in Bayern ein-
                                                       geführten Schulforums.
  Schulbibliotheken erfüllen in Südtirol eine ganz wesentliche
  Funktion und werden mit hohem Aufwand und Liebe gepflegt       Werden Aufgaben in Südtirol verantwortlich an Lehrkräf-
                                                                 te verteilt, erhalten diese dafür entweder Anrechnungs-
                                                                 stunden oder Geld. Das Schulbudget sieht dafür ausrei-
                                                                 chend Mittel vor, es gibt auch für besondere Leistungen
                                                                 Prämien bis hin zur Höhe eines Monatsgehalts.

                                                                 Welche Rolle spielten nun aber seit der Einführung der
                                                                 Schulselbstorganisation die freiwilligen Schulverbünde,
                                                                 wieso sprechen die Südtiroler gerne von dem „Umkehr-
                                                                 schub“, der dadurch möglich gemacht wurde?

Schulverbünde als freiwillige „Entwicklungsbeschleuniger“

Schulverbünde sind nach dem Schulautonomiegesetz nicht verpflichtend. Die Schulämter haben ihre
dienstaufsichtliche und weisende Funktion verloren, sie teilen wohl noch das Lehrerpersonal zu und unterstüt-
zen die Lehrerausbildung, sind aber ansonsten nur beratend und unterstützend tätig. Das Schulamt und das
Pädagogische Institut unterstützen in der Regel die Projekte des Schulverbunds auch finanziell, sie sind aber
nicht dabei, wenn sie der Schulverbund Pustertal in Eigeninitiative verwirklicht.

Von der Entwicklung des Schulprogramms angefangen über eine qualitätsvolle Lehrerfortbildung und der Ent-
wicklung von sinnvollen Unterrichtsprojekten sowie erfolgreichen Konzepten für individuelles Lernen bis hin zur
internen und externen Evaluation und der Entwicklung neuer Zukunftsperspektiven ist die gemeinsame Bil-
dungsplanung in einer überschaubaren Region durch die Beteiligten selbst der Schlüssel für den Fortschritt.
Systematischer Austausch, Arbeitsteilung und gemeinsame Nutzung von Ressourcen entlasten die einzelnen
Schulsprengel und garantieren ein vielfältiges, hochwertiges Bildungsangebot, das weit über die einzelnen
Schulstufen hinausgeht. So haben sich im beständig wach-
senden Schulverbund Pustertal 19 Bildungseinrichtungen
zusammengefunden, zu denen auch Kindergärten, Gymnasi-
en, Oberschulen und berufliche Schulen gehören. Dabei ge-
ben die Mitglieder des Schulverbunds keineswegs ihre Selb-
ständigkeit auf, sondern entscheiden sich souverän, bei wel-
chen Vorhaben und Projekten sie sich wie beteiligen. Die
Zugehörigkeit nach Vertragsunterzeichnung gilt für drei Jah-
re und verlängert sich automatisch, wenn nicht gekündigt
wird.

Alle Schulen brauchen effiziente und dynamische Unterstüt-
zungssysteme auf allen Ebenen der Bildungsarbeit und
Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
Schulentwicklung. Zu diesem Zwecke arbeiten Schulen „vertikal“ und „horizontal“ zusammen. So erreicht man
zusammen eine angemessene Größe und Qualitätsstufe. Die Einzelschulen bleiben überschaubare Lern- und
Arbeitsgemeinschaften und die Schule bleibt im Dorf – auch kleine Schulen können erhalten werden.

Nicht an den Worten, an den Taten sollt ihr sie messen: Konsequente Kompetenzorientierung!

Eine Exkursion von Schulleitern in eine Schullandschaft ist erst dann ergiebig, wenn zu den Theorien des Schul-
systems und seiner Ansprüche auch Einblicke in die lebendige Schul- und Unterrichtspraxis bei der Arbeit mit
den Kindern kommen. Besonders beeindruckend war dabei zu sehen, wie Klassen der Mittelstufe mit der Mon-
tessori-Pädagogik eigenverantwortlich lernen. Das Lernen beschränkt sich dabei längst nicht mehr auf ein Klas-
senzimmer, der ganze Trakt mit den Gängen ist zum Lernraum             Die Lehrkräfte gestatteten auch Einblick in Lerntagebücher
mit umfangreichen, didaktisch ausgezeichnet aufbereiteten Ma-          und in die Register

terialien geworden. Die Schüler arbeiten einzeln, in Partner- oder
Kleinstgruppen an ihren Wochenaufgaben. Die Lehrkräfte, oft
zwei bis drei für eine größere Lerngruppe, halten sich als Lernbe-
rater und Lerncoaches im Hintergrund, sind aber jederzeit an-
sprechbar und beobachten die Schüler bei ihren Lernprozessen
sehr genau. Die Lernatmosphäre ist wunderbar, konzentriert und
gleichzeitig aggressionsfrei-entspannt. Es herrscht Flüsterlaut-
stärke.

Bei zahlreichen Gesprächen mit den Schülern wird deutlich, dass
diese wirklich weitestgehend die Verantwortung für ihr Lernen
selbst übernehmen. Die Schüler führen eigene Lerntagebücher und dokumentieren selbst ihre Lernfortschritte.
Die Lehrer ihrerseits haben immer ihr Vorbereitungsbuch dabei und führen Schülerlisten, in denen sie ihre Be-
obachtungen festhalten. Natürlich signieren sie auch die Aufgaben der Schüler, die diese erledigt haben. Den
Schülern ist es sehr wichtig, dass sie so selbst bestimmen können, was sie wie lange und wie intensiv lernen und
üben. Den Lehrern ist es eine ungeheure Erleichte-
rung, nicht mehr vier oder fünf Stunden am Tag
„fragend-entwickelnden Unterricht“ halten zu
müssen, bei dem man so tun muss, als ob wirklich
alle Schüler beständig und gleichzeitig dasselbe
lernen könnten.

Natürlich gibt es – fach- und altersabhängig- nach
wie vor auch Unterricht und Unterweisung im
Sinne von „Input-Einheiten“ und die Schüler be-                   Klare und von allen respektierte Regeln prägen das Arbeitsklima beim
kommen Zusammenhänge auch in einem Klassen-                       selbstbestimmten Lernen

verband erklärt. Aber sehr oft und sehr bald gehen
die Schüler dann beim Einüben und Vertiefen wie-
der individuell ihre Lernwege und machen dabei
die Erfahrung, dass es in der Tat um ihr ureigenes
Lernen und ihre persönliche Weiterentwicklung geht.

Die Nachfrage an den Grund- und Mittelschulen nach Montessori-Pädagogik ist stark zunehmend, schon mehr
als die Hälfte der Kinder in Brixen nimmt dieses Angebot an und aufgrund der großen Nachfrage musste zuletzt
sogar ausgelost werden. Auch die übrigen Klassen verwenden verstärkt Elemente des eigenverantwortlichen
Lernens. Ein interessantes Detail der umfassenden Integration und des Miteinanders war für die Besucher die
Tatsache, dass Jungen und Mädchen auch im Sport bis in die Oberstufe hinein zusammen unterrichtet werden.
Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
In Südtirol setzt der Staat nur sehr grobe Rahmenrichtlinien, in denen Kompetenzen für die einzelnen Fächer
und Lernbereiche beschrieben sind. Die Schule erstellt ihr eigenes Curriculum, natürlich können hier die Schulen
im Schulverbund zusammenarbeiten. Wie die Kompetenzen erreicht werden, das liegt in der Verantwortung der
autonomen Schule, sie legt Inhalte, Themen, Methoden und Lernformen fest und stimmt sich dabei mit den
Schülern und Eltern ab. Beachtenswert ist auch die Tatsache, dass Lehrkräfte der Schule oder des Schulverbun-
des das „selbstleitende“ Lernmaterial selbst hergestellt haben und diesen Schatz zunehmend erweitern. Wer als
Lehrkraft oder werdender Lehrer in Südtirol die Montessori-Ausbildung machen will, kann dies jederzeit tun, die
gesamte Ausbildung ist kostenlos. Es ist für die eigene Weiterentwicklung als zeitgemäße Lehrkraft förderlich.

Schulverbund als Motor für Schulentwicklung und Innovationen: Von nichts kommt nichts!

Nach dem Schulautonomiegesetz schließen sich Schulen zu Verbünden zusammen und gehen dazu einen Ver-
trag ein. „Der Vertrag kann Unterrichtstätigkeiten, Untersuchungen, Schulentwicklung, Schulversuche, interne
Fortbildung, Verwaltung, Organisation .... sowie die Beschaffung von Gütern und Diensten zum Gegenstand
haben; er kann auch den zeitweiligen Austausch von Lehrpersonen zwischen den Schulen vorsehen.“ Art. 9, Abs.
2).

Eine gemeinsam ausgehandelte und verabschiedete Satzung regelt die Zusammenarbeit und definiert die Ar-
beitsfelder, in denen der Verbund im Auftrag der vernetzten Schulen tätig ist. Jede Schule bringt Ressourcen in
Form personaler Kompetenzen und auch Geld und Arbeitszeit ein. Die Steuerung der gesamten Tätigkeiten des
Schulverbunds erfolgt durch das Gremium der Direktoren. Diese treffen sich mindestens dreimal pro Jahr. Eine
Lehrperson wird völlig freigestellt für Koordinationsaufgaben; dies ist derzeit Dr. Kühebacher, der die Modus-F-
Delegation durch die Besuchswoche leitete. Ein pädagogischer Beirat mit Lehrpersonen aus den Schu-
len/Institutionen steht den Direktoren beratend zur Seite. Dieser Beirat sichtet und bewertet Projektanträge,
erstellt Gutachten und liefert Anregungen und Impulse. Das Gremium der Direktoren veranlasst die geplanten
Maßnahmen, ernennt Projektverantwortliche und gibt die Mittel dafür frei. Die personellen Ressourcen, die
über den Schulverbund zum Einsatz kommen, werden von allen Partnern über das „funktionale Plansoll“ zu
gleichen Teilen gestellt. Eventuelle Freistellungen von Lehrpersonen werden bereits bei der Erstellung des Plan-
solls berücksichtigt. Für die Bezahlung von internen Überstunden wird auf Grund einer Hochrechnung ein
Schulverbundskontingent eingerichtet, das zu gleichen Teilen von den Kontingenten der einzelnen Direktoren
abgebucht wird.

Aus all dem wird deutlich: Wenn wo der Schuh
drückt oder Anliegen von Herzen kommen, wenn
gemeinsame Visionen „brennen“, werden diese
nicht unverbindlich und freiwillig aufgepfropft,
sondern mit einem wirksamen Projektmanage-
ment und ausreichend personellen und finanziel-
len Mitteln umgesetzt. Im Folgenden sollen dazu
zwei (von vielen) Beispiele dargestellt ausgeführt
werden.

                                                         Alle Referenten wie hier Lernberaterin Ingrid Mair stellten sich stets
                                                         aufgeschlossen den Fragen der sehr interessierten Modus-F-Schulleiter
Selbstlernpakete - die Schule muss das le-
ben, was sie hervorbringen soll

Ziel der schulischen Bemühungen ist die Entfaltung der individuellen Potentiale zum Wohle der Gemeinschaft
und der Aufbau einer Kompetenzkultur (aus „Bildungsgesetz“). Auf dem Weg zur Individualsierung des Lernens
Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
mit Hinblick auf das überragende Ziel, lebenstüchtige Kinder durch die bestmögliche Förderung jedes Einzelnen
zu erreichen, haben sich in den Schulen des Schulverbunds Lehren und Lernen sehr stark verändert. Umfang
und Qualität eigenverantwortlichen Lernens der Schüler haben stark an Bedeutung gewonnen, die Lehrer sind
im Team für die effektive Individualisierung verantwortlich und erfüllen zunehmend im Lernprozess die Rolle
des Lerncoachs.

Dabei wurde in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, das die Qualität des Lernens zu einem erheblichen
Teil von der Qualität des Lernmaterials abhängt, das den Schülern zur Verfügung gestellt wird. Im Schulverbund
wurde bald festgestellt, dass es einen erheblichen Bedarf für sogenannte „Selbstlernpakete“ gibt, die zwar
Struktur und grundlegende Inhalte anbieten, aber zugleich Freiraum für individuelle Ansätze mit unterschiedli-
chen Zugängen und Fähigkeiten sowie einer Aufbereitung, die Selbstlernprozesse aufrecht erhält. Ingrid Mair,
eine Montessori-Lernexpertin mit Coach-Ausbildung im Schulverbund, ist seit drei Jahren dabei, solche „Selbst-
lernpakete“ zu erstellen und sie orientiert sich dabei an den Vorstellungen von Renate Girmes, das diese in ih-
rem „Konzept der Bildungsaufgaben“ für Wege zu Aufgaben mit Bildungsrelevanz und Lernqualität dargestellt
hat. Es geht um Lerngelegenheiten zur „Welterschließung“, die sowohl die eigene innere Welt, als auch das
Umfeld der sozialen Welt und die Welt der Dinge und
der lebenden Natur enthalten. Alle Ansätze dieser unse-
rer Projektarbeit sehr ähnlichen Arbeitsweise sind the-
menzentriert und natürlich fächerübergreifend und
zeugen von einer ganzheitlichen Grundhaltung, bei der
die Schüler nicht nur kognitiv lernen, sondern offen und
emotional wahrnehmen, forschend erkennen, innerlich
teilnehmen, etwas herstellen, sozial handeln und spre-
chen, mit eigenem Denken, Wollen und Entscheiden
beteiligt sind.
                                                                Vier Tage wurden für die ungeheure Menge an Informationen fast
Ingrid Mair stellte mehrere Selbstlernpakete vor, u.a.        ein bisschen knapp –und erforderten hohe Konzentration!
„Mein Haus der Zukunft“ und „Mitten im Luftmeer“ und
es wurde deutlich, wie vielfältig und anregend dieses Selbstlernen für die Schüler sein kann und wie zugleich die
Lehrkraft in eine ganz andere Rolle als Lernberater gerät, die deutlich entspannter und schülerorientierter ist.
Frau Mair hat alle Lernpakete zunächst selbst in ihrer Klasse ausprobiert und weiter verbessert. Weitere The-
men waren: „Wie kommt die Mine in den Stift?“, „Leonardo da Vinci“, Jeans“, „Unternehmen Zukunft (Berufs-
orientierung), „Farben der Welt“, Apfel“, „Zucker“ und „Tiroler Freiheitskämpfer“. Die Lernexpertin hat über
Fortbildungen ihre Ergebnisse an die Schulen im Verbund weitergegeben und zu einer Arbeitsgemeinschaft
angeregt, an der mittlerweile 24 Lehrkräfte aus dem Schulverband freiwillig und mit viel Initiative teilnehmen.
Sie wurde dafür zunächst zur Hälfte von Unterricht „freigestellt“. Unter ihrer Federführung entstanden bisher
zehn Selbstlernpakete, die sich allesamt schon in der Praxis bewährt haben und von Schule zu Schule „wan-
dern“.

In diesem Schuljahr wurde die Expertin für Selbstlernen vom Schulverbund sogar ganz vom Unterricht freige-
stellt, damit sie diese Projektarbeit an vielen Schulen direkt mit den interessierten Lehrkräften in den Klassen
implementieren und zugleich die Kreation weiterer Selbstlernpakete beschleunigen kann. Man sieht, wenn eine
Initiative von unten kommt und es den Schulen die Sache wert ist, kann die autonome Schule im Verbund auch
ganz unbürokratisch dafür sorgen, dass das rasch vorangeht, was man will und braucht. Selbstredend, dass alle
Lernpakete stets evaluiert und weiter optimiert werden. Sie enthalten jeweils Material für 30 Schüler, Klassen
müssen die Materialien jeweils für das nächste Schuljahr anfordern, sie nehmen das ein bis dreimal pro Jahr
wahr, die Projektdauer ist unterschiedlich, von einer bis zu drei Wochen, je nach gewünschter Intensität und
Einbindung in die Jahres- und Wochenplanung. Basis für das Gelingen des Lernens in diesen „vorbereiteten
Lernumgebungen“ ist das Vertrauen in das Potential der Schüler, die gerne kreativ, intensiv, verquickt, über-
greifend und selbstbestimmt themenzentriert arbeiten, wenn sie eine passende Aufgabenkultur vorfinden.
Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
Schularchitektur – neues Lernen braucht andere Räume

Die Umsetzung hin zu individualisiertem Lernen (und nach den Erkenntnis-
sen des Konstruktivismus gibt es nur dieses!) hat in Südtirol (und nicht nur
da!) zur Einsicht geführt, dass Kindergärten und Schulen in ihrer herge-
brachten baulichen Konzeptionen das behindern, was neu entstehen soll.
Der Schulverbund Pustertal wurde hier in Zusammenarbeit mit der Univer-
sität Innsbruck forschend tätig und ist diesbezüglich mit führenden Lan-
desarchitekten in Kontakt getreten. Es wurden Ideen entwickelt, wie vor-
handene Bauten kind- und lerngerecht umgebaut werden können und wie
in einer „Metamorphose der Schule“ neue Schulbauten und Kindertage-
stätten aussehen könnten. Es zeigt sich, dass mit aktiver Beteiligung der     Spannend war der Besuch der hervorra-
                                                                              gend ausgestatteten beruflichen Schule
Schulen sowohl für die Raum- als auch für Mobiliargestaltung für eine
neue Lernkultur auf Grund des Bedarfs etwas ganz anderes und besser
Passendes herauskommt, als wenn schulfern Architekten etwas entwerfen, wovon sie wenig wissen. Es ist ein
großer Erfolg der engagierten Pädagogen in Südtirol, dass nun die Schulhausbau-Richtlinien des Landes entspre-
chend den neuen Notwendigkeiten geändert wurden und Raum lassen für ein zukunftsweisende Gestaltung der
Schulen und anderen Bildungseinrichtungen . Die neue Schule von Direktor Josef Watschinger in Welsberg ist
ein Ergebnis dieses Entwicklungsprozesses und zeigt, wie durchdacht und „anders“ Schule gebaut werden muss,
wenn sie den Bedürfnissen zeitgemäßen Lernens der Kinder gerecht werden will, ohne dass dabei die Kosten für
einen konventionellen Schulbau überschritten worden wären.

    Die Berufswahl ist wie bei uns sehr vom Geschlecht abhängig:
    Schönheitsberufe ergreifen Mädchen, Jungs werden Techniker

Fazit: Die Rahmenbedingungen sind nicht alles – aber doch mehr als eine Nebensache!

Es gäbe noch viele andere interessante Merkmale und Projekte des Schulverbunds Pustertal, über die es sich zu
berichten lohnen würde, z. B. das Freiluftatelier „Landart Toblach“, die ausgereifte Konzeption zur „Frühförde-
rung und Entwicklungsbegleitung“ oder die hochentwickelte und sehr praxisorientierte Lehrerfortbildung, für
die der Schulverbund jedes Jahr eine umfangreiche Broschüre erstellt. Doch sei hier nur kurz auf entsprechende
Veröffentlichungen und auf Beiträge verwiesen, die auch im Internet zu finden sind. Für die Exkursionsteilneh-
mer war es jederzeit spürbar: Lernen ohne den alljährlichen Auslesedruck tut den Schülern und der Schule gut
und heißt noch lange nicht, dass die Begabteren nicht gefördert würden. Im Gegenteil: Beim Lesekompetenz-
test „Pisa“ erreichte Südtirol mit 544 Punkten noch mehr Punkte als der Dauersieger Finnland, und auch in Ma-
thematik war Südtirol bei den 15-Jährigen in der Spitzengruppe weit vor Deutschland. Offenbar kommt doch am
meisten heraus, wenn man die Kinder intrinsisch motiviert lernen lässt und sie dafür die Eigenverantwortung
übernehmen.
Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!
Dabei ist Pisa in Südtirol kaum ein Thema. Fragt
man Eltern, so sagen sie, dass sei eine Stadt in Itali-
en, bei uns hört man dagegen „Bildungskrise“. Ein                     Modus-F-Schulleiterinnen im Gespräch mit einer
„learning for the test“ wäre verpönt, wenn die Kin-                   Montessori-Teamleiterin
der auch sonst nicht für Noten, sondern aus Inte-
resse an der Sache lernen. So sieht man künftigen
Vergleichstest relativ gelassen entgegen, weil man
sicher sein darf, dass die kompetenzorientierten
Tests der OECD der eigenen Weiterentwicklung, der
am Können und Anwenden orientierten Lernarbeit
in Richtung allgemeiner und beruflicher Lebens-
tüchtigkeit, in den Schulen des Schulverbunds ent-        Exkursions-Leiter Helmut Schuster bedankte sich bei Dr. Josef Kühebacher
gegen kommen.                                             für die überaus freundliche und offene Aufnahme und Begleitung

Nicht Weisungen und Anordnungen, sondern das Schaffen von Ermöglichungsstrukturen sind dabei das Ge-
heimnis für eine neue, von innen heraus motivierte Bildungsarbeit. (Dr. Josef Watschinger „Der Schulverbund
Pustertal“) Und dann braucht es da neben den finanziellen Mitteln auch noch die richtigen Leute, für die der
wichtigste Wert das gegenseitige Vertrauen ist – denn wie sonst könnte man sich erklären, dass viele andere
Regionen in Italien ihre Möglichkeiten nur unzureichend nützen und oft noch Ergebnisse hervorbringen, die
hinter denen bei uns in Deutschland weit zurückliegen.

Der Schulverbund Pustertal ließ da nichts anbrennen. Mit seinen externen Beratern, u. a. Rainer Brockmeyer
und Erika Risse (Mit-Herausgeber der „Pädagogischen Führung“, Zeitschrift für Schulleitung und Schulberatung),
sicherte er sich über viele Jahre die Hilfe und Unterstützung von führenden Schulforschern im deutschsprachi-
gen Raum. Was in Südtirol möglich war und ist, sollte nördlich der Alpen in den Heimatländern der deutschen
Schulforschung doch ebenfalls möglich sein.

Dr. Josef Watschinger, der Direktor des Schulverbunds Pustertal, fasst seine Erfahrungen mit dem Schulverbund
in folgenden Thesen zusammen:

       In der Zusammenarbeit mit Partnern kann Schule im Dialog neu gestaltet werden.

       Schulen können die notwendigen Unterstützungssysteme, die sie brauchen, stimmig und in Eigenregie
        entwickeln.

       Schulen können das Wissen, das sie aufbauen, über funktionierende Netzwerke sich gegenseitig zur
        Verfügung zu stellen.

       Vorhandene Kompetenzen können sich in erweiterten Wirkungsfeldern besser entfalten. Ressourcen
        können gezielter und wirtschaftlich günstiger eingesetzt werden.

       In Schulverbünden können anfallende Aufgaben arbeitsteilig angegangen werden – das entlastet Einzel-
        schulen.

     Das Ziel: Von einer Summe von Einzelschulen hin zu einer gemeinsam verantworteten und gemeinsam
      getragenen Bildungslandschaft

     „Schulverbünde sind nichts anderes als logische Zusammenschlüsse, damit „unterm Strich“ für alle
      mehr herausschaut.“
Sie können auch lesen