Schulnot zeni - Freie Lehrer

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Schulnot zeni - Freie Lehrer
4/2021

schulnot i zen
 Po s i t i o n e n z u S c h u l e , B i l d u n g u n d G e s e l l s c h a f t
SLV: Waldfriedgasse 10/73, 6800 Feldkirch; Druckerei Wenin, Dornbirn; Verlagspostamt Hohenems, P.b.b. GZ 0 2 Z 0 3 3 9 2 3 M

Feuer am Dach
                                   Arno Geigers Festrede
                                   Schule der Zukunft
                                   Unterrichten in Kanada
                                   Fehlende Wertschätzung
Schulnot zeni - Freie Lehrer
Inhalt
Liebe Leserinnen, lieber Leser,
geschätzte Kolleg*innen,                                  3     Kommentare der Bildungssprecherin der Grünen
Den Schulanfang haben wir fast alle mit Bravour ge-             und des Bildungssprechers der SPÖ
meistert, leider aber nicht ohne Opfer. Einigen wurde     4     Willis Rundschau
es zu viel und sie haben die Schulleitung und/oder
ihren Lehrauftrag zurückgelegt bzw. gekündigt. Vie-       5     Kommentar von Andreas Angerer
le stöhnen und ächzen unter der Belastung und ich         6     Unterrichten in Kanada
weiß nicht, wie lange das noch so weiter gehen kann.
Die wichtigste Ressource in der Schule sind die Men-      7     Kommentar von Saskia Koller
schen und diese werden immer mehr mit Aufgaben            8     Die Tür zum Glück geht nach außen auf
zugeschüttet – irgendwann ist die Last zu groß!
                                                          11    Schulservice: Spezialpool
Endlich wurden seitens des Landes monetäre Mittel
                                                          12    Rechtslage: Sie fragen - wir antworten
zur Verfügung gestellt. Das ist aber nur ein Tropfen
auf den heißen Stein. Das Geld wird die Belastung         13    Wie geht es euch?
nicht verringern. Es braucht ganz dringend mehr
                                                          14    Querbeet
Personal – aber woher? Man musste kein Zukunfts-
forscher sein, um den aktuellen Personalmangel            15    Kommentar von Alexander Frick
schon vor mindestens 10 Jahren bemerkt zu ha-
                                                          16    Leser*innenreise in die Emilia Romagna
ben. Die Versäumnisse von damals holen uns jetzt
mit Riesenschritten ein und die Menschen in den           18    Enttäuschte Junglehrerin
Schulen dürfen die Notlage ausbaden. Nicht nur die
                                                          19    Die neue Lehrer*innen-Reise
Schulleiter*innen und Lehrer*innen – auch die Kin-
der leiden unter der Belastung.

Jetzt ist die politische Ebene gefragt! Bis 2035 möchte
Vorarlberg das chancenreichste Land für Kinder und                                         Impressum
Jugendliche sein. Das ist durchaus machbar – aber
dann darf in den Schulen ganz bestimmt nicht gespart           Medieninhaber, Herausgeber und Verleger:
werden. Dann muss das Land Vorarlberg Geld in die              Sozialistischer Lehrer*innen Verein
Hand nehmen und mit Regierungsbeschlüssen fest-                Vorarlberg, Vorsitzende: Saskia Koller,
halten, dass ALLES getan wird, damit unsere Kinder             Waldfriedgasse 10/73, 6800 Feldkirch
und Jugendlichen auch wirklich eine Chance haben.
Das heißt, es müssen genügend Schulleiter*innen,               Verantwortliche Redakteure:
Lehrer*innen und Supportpersonal (Sekretär*innen,              Alexandra Loser, Willi Witzemann
Administrator*innen, Schulpsycholog*innen) in den
Schulen sein.                                                  MitarbeiterInnen dieser Ausgabe:
                                                               Andreas Angerer, Anja Erath, Alexander Frick,
Für diese Ausgabe hat uns der Autor Arno Geiger sei-
                                                               Jana Maria Hagspiel, Eva Hammerer,
ne Laudatio an Hubert Löffler (Netz für Kinder) an-
lässlich der Verleihung des Toni-und-Rosa-Russ-Prei-           Thomas Hopfner, Saskia Koller,
ses 2021 zur Verfügung gestellt (Seite 8). Er spricht          Lehrer*innen der VS Dornbirn Wallenmahd
über Bildung und die damit verbundenen Chancen                 Gast: Arno Geiger
für Kinder. Herzlichen Dank an Arno Geiger!
                                                               Layout: Franz Bickel
Backanleitung für Schulleiter*innen:                           Koordinator: Gerhard Unterkofler
1000 g Sokrates                                                Redaktionsschluss: 14.11.2021
500 g Inventur                                                 Druck und Herstellung:
500 g administrative Belastung                                 Druckerei Wenin, Dornbirn
je 10 g Schulentwicklung, Unterstützung des
                                                               Die schulnotizen sind ein Diskussionsorgan.
Lehrpersonals und Elternarbeit
optional: eine Prise Pädagogik                                 Namentlich gekennzeichnete Beiträge
Wer möchte, kann das Ganze mit einer Prise                     müssen nicht vollinhaltlich der Blattlinie
Privatleben garnieren.                                         bzw. der Meinung der Freien LehrerInnen
Serviervorschlag 24/7 in den Direktionen                       entsprechen.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!                         E-Mail: schulnotizen@hotmail.com
Schöne Grüße                                                   Homepage: www.freielehrer.at
Alexandra Loser                                                Facebook: Freie LehrerInnen

2                                                                                             schulnotizen 4/2021
Schulnot zeni - Freie Lehrer
Bildungssprecher/in

                               Es braucht                                                    Lehrer*innen
                         Lösungen - sofort!                                             dringend gesucht!
                           Eva Hammerer, LAbg. der Grünen                                      Thomas Hopfner, LAbg. und
                                (eva.hammerer@gruene.at)                                            Klubobmann der SPÖ
                                                                                               (thomas.hopfner@spoe.at)

Die Abstände zwischen den Alarm- und Hilferufen aus der
Lehrer*innenschaft an die Politik werden immer kürzer,
die Rufe immer lauter.
                                                               P  ersonal fehlt überall! Zu viele Menschen gehen in Pen-
                                                                  sion, zu wenige kommen nach, gleichzeitig steigt der
                                                               Personalbedarf. Vielfach spitzt sich die Situation zu. Im Ge-
                                                               sundheitsbereich wird krampfhaft nach Ärzt*innen gesucht.

D    ie Sorge steigt, dass noch mehr Lehrer*innen und
     Leiter*innen ihr Amt niederlegen, weil sie schlicht und
einfach nicht mehr können, oder auch, weil unter solchen
                                                               Personalnot führt in der Pflege dazu, dass verfügbare Bet-
                                                               ten nicht genutzt werden können. Im Polizeibereich wird
                                                               intensiv Personal gesucht und nicht ausreichend rekrutiert.
Voraussetzungen ein Unterricht, hinter dem sie stehen          Firmen suchen nach Facharbeitern und in der Gastronomie
können, mit dem sie sich identifizieren, nicht mehr mög-       fehlen Mitarbeiter*innen an allen Ecken und Enden.
lich ist.

                                                               Im Bildungsbereich gibt es schon seit längerer Zeit die mah-

S  okrates und überbordende Bürokratie, eklatanter              nenden Stimmen, die auf den sich abzeichnenden Mangel
   Lehrer*innenmangel, immer schwierigere Lebens-              an Lehrer*innen hinweisen. Personalstarke Jahrgänge, die
realitäten und Probleme der Schüler*innen und Eltern,          für die Pension anstehen, waren absehbar und gleichzeitig
die Pandemie und deren Auswirkungen auf das System             zu wenig neu ausgebildete Lehrkräfte, die zur Verfügung
Schule – immer größere Brocken versperren den Weg              stehen, lassen eine weitere Verschärfung des Problems er-
und die Sicht auf das Schöne an der Arbeit und nehmen          warten.
die Luft für Neues.                                            Die Personalvertretung und die Gewerkschaft haben auf
                                                               die schwierige Situation der Pädagoginnen und Pädagogen

E   s gibt einige Vorschläge und Ideen, wie hier Abhilfe ge-   aufmerksam gemacht. Die Belastungsgrenze ist für viele er-
    schaffen werden könnte, aber von der Präsidialleitung      reicht und vielerorts auch überschritten. Entsprechende Hil-
hört man viel zu oft: juristisch nicht möglich. Anstatt neue   ferufe aus der Vorarlberger Schullandschaft kamen auch von
Wege und Lösungen zu suchen, erhalten die Schulen ledig-       Schulleiter*innen, Lehrer*innen und Elternvertreter*innen.

                                                               B
lich die Rückmeldung: Das darf man nicht!                          islang setzte man, um dem Lehrermangel entgegenzu-
Der Dienstgeber entfernt sich immer weiter von den Schu-           wirken, auch auf Werbung in anderen Bundesländern –
len und weiß oft nicht mehr, wie die Realtität an den Schu-    allerdings mit mäßigem Erfolg. Zudem werden pensionierte
len ausschaut. Dabei wäre es höchste Zeit, Möglichkeiten       Lehrerpersonen gebeten, wieder zu unterrichten, viele Teil-
und Wege zu suchen, um die Lehrerschaft zu unterstützen        zeitkräfte drängt man, mehr zu arbeiten. Außerdem wird bei
und ihre Nöte ernst zu nehmen.                                 den Maturant*innen für den Lehrerberuf geworben.

Dass sich so Resignation ausbreitet, ist wohl allen klar.      Nun sieht mittlerweile auch die Landesregierung die Brisanz
                                                               der Lage etwas deutlicher und die Frau Landesstatthalterin
Eine weitere Folge ist, dass sich immer weniger junge          und zuständige Bildungslandesrätin kündigte ein mit dem
Menschen dafür entscheiden, diesen wichtigen und wun-          Bund zu vereinbarendes Maßnahmenpaket für Vorarlberg an.
derbaren Beruf zu ergreifen. Die Pädagogische Hochschule       Es ist unabdingbar für die Vorarlberger Landesregierung,
hat einen traurigen Minusrekord an Student*innen.              mit mehr Nachdruck an die Sache zu gehen. Weil dem ÖVP-
                                                               Bildungsminister die massiven Probleme in Vorarlberg wohl

W     ir sind an dem Punkt angelangt, an dem wir uns nicht
      mehr ohne rot zu werden „chancenreichstes Land
für Kinder“ nennen dürfen. Es muss endlich allen in die-
                                                               auch nicht gänzlich egal sein können, müssen jetzt rasch
                                                               konkrete Lösungen her.

sem Staat klar sein, dass unsere Kinder die beste Ressour-
ce für unser Land sind! Also muss sie gehegt und gepflegt      M     it ein bisschen Personalwerbung lässt sich das Prob-
                                                                     lem aber nicht lösen. Über eine Verkürzung der Leh-
                                                               rerausbildung als Pilotversuch für Vorarlberg bis hin zu einer
werden und benötigt die beste Unterstützung überhaupt.
                                                               Attraktivierung des Lehrberufes generell, Möglichkeiten für
Es braucht Lösungen, und zwar jetzt und sofort!                Quereinsteiger*innen und Gehaltsfragen sind derzeit Stich-
Es brennt. Jetzt heißt es löschen, Krisenplan und Neuauf-      worte. Die Vorarlberger Landesregierung ist gefordert, ge-
bau. Aber mutig und zeitgemäß.                                 meinsam mit dem Bildungsministerium jetzt tätig zu werden
                                                               und es nicht bei Ankündigungen zu belassen.

schulnotizen 4/2021                                                                                                        3
Schulnot zeni - Freie Lehrer
Willis Rundschau

                                                             Zukunftsschule oder
                                                              Schule der Zukunft
                                                              ZA-Vorsitzender Willi Witzemann (witzewilli@hotmail.com)

Wir schreiben das Jahr 2042 und wie in den vergangenen Jahren freuen sich viele Kinder auf ihren ersten
Schultag im August nach den 6-wöchigen Ferien. Die Erstklässler*innen sind sehr aufgeregt, werden sie
doch bald als richtige Schüler*innen die Zukunftsschule betreten. Natürlich kennen sie das Gebäude schon
sehr gut, befindet sich doch das „Kinderzentrum“ in unmittelbarer Nähe zu den Lernhäusern der Schule.
Ja früher, als der Bodensee noch fast    ker*innen und Schulexpert*innen           wie es heute bei uns bald der Fall
bis zum Schulzentrum reichte, nann-      vor 20 Jahren den Mut hatten, die-        sein könnte.
te man die Zukunftsschule noch           sen Weg für die Zukunftsschule ein-
„Schule am See“, aber das ist schon      zuschlagen. Angeblich wurde da-           Was ist geschehen? Als allererstes
eine ganze Weile her. Noch heute er-     mals das ganze Schulsystem in eine        wurde endlich einmal erkannt, dass
innert unter anderem eine Urkunde        Sackgasse manövriert.                     Kinder die größte und wichtigste
im Eingangsbereich an die „Schule                                                  Ressource der Gesellschaft sind und
am See“, als sie vor über 20 Jahren                                                jeder Penny es wert ist, in den Nach-
einen Staatspreis als innovativste        Gratulation der „Schule am               wuchs zu investieren. Des weiteren
Schule Österreichs erhielt.               See“ zum Staatspreis 2021                wurde erkannt, dass eine „effektive
                                                                                   Führung auf allen Ebenen des Sys-
Was damals als Innovation galt, ist         als innovativste Schule                tems“ einen entscheidenden Ein-
heute eine Selbstverständlichkeit.                Österreichs!                     fluss auf die Schulentwicklung hat.
In den Lernhäusern spielt sich nicht
nur Schule im früheren Sinne ab,         Zurück ins Jahr 2021:                     Ein Element effektiver Führung be-
nein, hier wird auch experimentiert,     Ich gratuliere der „Schule am See“        stand im „rasing aspirations“ von
studiert, gespielt und gemeinsam         recht herzlich zum Staatspreis            Schüler*innen, Eltern und Lehrper-
die Freizeit gestaltet. Hier sind auch   2020/21 als innovativste Schule Ös-       sonen. Dies bedeutet, das Vertrauen
immer wieder einmal die Kinder der       terreichs. Dieser Schulpreis darf als     aller Beteiligten im System Schule so
angrenzenden Spielgruppen zu Be-         wichtiger Schritt gesehen werden,         zu erhöhen, dass die Lernenden viel
such und freuen sich auf einen klei-     wie Schule in der Zukunft funktionie-     erreichen können.
nen Austausch.                           ren kann. Dieser Preis muss anregen,      Genau hier kommen die Schulleitun-
                                         motivieren und zwar weit über Hard        gen in den Fokus:
Die Lehrer*innen betreuen, bera-         hinaus.
ten, motivieren und leiten die Grup-                                               Die Schulleiter*innen dieser Schu-
pen. Manchmal müssen sie jedoch          „Lernentwicklungsberichte“        und     len sind einzig und alleine für das
auch einschreiten, wenn sich einige      „Lernentwicklungsgespräche“        er-    Leadership zuständig. Mit unter-
Schüler*innen der höheren Jahrgän-       gänzen das bisherige KEL-Gespräch.        schiedlichen Zugängen motivierten
ge nicht „grün“ mit den jüngeren         „Sozialkompetenz und Integration          die Direktor*innen das Leadership-
Mitschülern sind. Meistens jedoch        werden großgeschrieben“, so die
helfen die älteren Schüler*innen der     Jury. Natürlich gibt es noch viele an-
Lernhäuser den jüngeren sehr ver-        dere Schulen, die vor den Vorhang
ständnisvoll, wenn es Probleme gibt.     gehören, nur es bleibt den meisten
Die Direktorin kümmert sich der-         keine Zeit mehr, über Qualität zu dis-
weilen um die Lehrer*innen, unter-       kutieren und Leadership zu leben.
stützt diese und besucht sie fast täg-
lich. Sie hat immer einen Spaß parat     Es gäbe auch noch andere bemer-
und ist meist sehr guter Laune.          kenswerte Schulentwicklungen. Eine
In der Direktion rauchen die Köpfe       davon wurde in einer Studie von
beim Verwaltungspersonal, wenn           Mag. Dr. Roland Bernhard von der
wieder einmal ein Fehler im neu-         Universität Salzburg veröffentlicht.
en Abrechnungstool auftritt. Dann        Er untersuchte in einem Forschungs-
kommt meist rasch Hilfe aus Bregenz      projekt die Londoner Brennpunkt-
angebraust.                              schulen, die vor 20 Jahren noch als
                                         die schlechtesten in ganz England
Der Lehrkörper ist immer noch sehr       galten. Damals stand das System
froh darüber, dass einige Politi-        Schule ebenso kurz vor dem Kollaps,

4                                                                                                  schulnotizen 4/2021
Schulnot zeni - Freie Lehrer
Kommentar

Team, beraten einzelne Kolleg*innen,    hochwirksam beschrieben.
suchen gemeinsam nach Lösungen          Und was geschieht bei uns? Die                                      Rare
bzw. Verbesserungen. Workshops,         Schulleitungen können nicht mehr
Projektarbeiten, Exkursionen uvm.       das tun, wofür sie ausgebildet wur-                            Highlights
ermöglichen einen interessanten         den: Erziehen, Leiten und Führen.
und abwechslungsreichen Schul-          Stattdessen wird evaluiert, gezählt,    Kommentar des Vorsitzenden
alltag. Gewinner von Schulpreisen       dokumentiert, archiviert und admi-      des DA-Dornbirn
wurden eingeladen, ihre Konzepte        nistriert.                              Andreas Angerer
vorzustellen und mögliche Umset-
zungsvorschläge für andere Schulen      Dadurch bleibt den Direktor*innen       Es „verfolgen“ mich ziemlich oft bad
zu diskutieren.                         immer weniger Zeit, sich mit den        news: ignorante Impfgegner, stei-
                                        Lehrer*innen auszutauschen, ge-         gende Coronazahlen, türkise Verfeh-
                                        schweige denn, zu führen, da sie        lungen (um es nett auszudrücken),
 „Die Schulleitungen können             mit der Administration total einge-     unglaublich anstrengende Erstkläss-
  nicht mehr das tun, wofür             deckt werden. Will man eine Schule
                                                                                ler an meiner MS (vermutlich auch
                                        der Zukunft, muss dieser Umstand
   sie ausgebildet wurden.“                                                     „coronageschädigt“).
                                        schleunigst beseitigt werden! Nur so
                                        können Direktor*innen auch wieder
Eine intensive professionelle Ausei-    leiten und für die Schule und nicht     Diese Liste ließe sich problemlos
nandersetzung mit der Unterrichts-      für das Ministerium da sein! Das        fortsetzen, ABER es gibt sie noch: die
arbeit der Lehrpersonen ist ein         Schlimmste an der gegenwärtigen         highlights, die weniger werden, aber
zentraler Hebel für Schulverbesse-      Situation ist aber: ALLE wissen dies,   noch da sind:
rungen. Das individuelle Feedback       aber niemand fühlt sich im Stande,      Moritz, 4. Klasse MS, muss bei mir
nach kurzen Unterrichtsbeobach-         dies zu ändern. Auf geht‘s meine Da-    ein Deutschreferat halten, aber der
tungen durch Schulleitungen („walk-     men und Herren Entscheidungsträ-        Junge bringt kein Thema, also be-
throughs“, „learning walks“) wird als   ger! Packen wir‘s an und zwar sofort!   kommt er von mir eines: „Nelson
                                                                                Mandela“ – natürlich noch nie ge-
                                                                                hört! Ich erkläre ihm, dass Mandela
 LEHRER*iNNEN-APP                       Diese Lehrer*innen-App gibt es
                                        im App Store und auf Google
                                                                                für mich ein Held gewesen sei und
                                                                                ich eigentlich bei diesem Begriff sehr
                                        Play unter „Freie Lehrer*innen“.        vorsichtig wäre.
 Neue Service-App für
                                                                                Das Interesse war geweckt, denn
 Vorarlberger                                                                   Moritz und ich verstanden uns vier
 Pflichtschullehrer*innen                                                       Jahre ausgezeichnet! Wer war wohl
 • von Pädagog*innen für                                                        für Herrn Angerer ein Held?
 • Pädagog*innen
 • kostenlos                                                                    Moritz hielt das Referat und es war
                                                                                beindruckend: passende Bilder,
 • übersichtlich strukturiert                                                   Apartheid und natürlich die Person
 • mit Push- und Chatfunktion                                                   Mandela. Gegen Ende meinte Mo-
 • laufende Erweiterungen mit                                                   ritz: „Mandela hätte die Weißen ver-
     Infos für den Schulalltag                                                  jagen können und es wäre zu einem
                                                                                Bürgerkrieg gekommen, stattdessen
 Schulrelevante Themen                                                          streckte er denjenigen, die ihn jah-
 schnell und griffbereit                                                        relang eingesperrt hatten, die Hand
                                                                                hin und wollte Versöhnung. Ich ver-
    Newscenter
                                                                                stehe jetzt, warum dieser Mann für
    (wöchentliche Infos)                                                        Sie ein Held war, Herr Angerer.“ Für
    o Rechtsfrage der Woche                                                     mich, der die Zelle Mandelas auf
                                          Lehrer*innenlexikon
    o Unterrichtstipps                                                          Robben Island mit eigenen Augen
                                          Termine
    o Mittwochsinfos                                                            gesehen hat, war das schon berüh-
                                          Bildungsreisen
    o Bildungspolitik                                                           rend, wenn ein Vierzehnjähriger so
                                          Service
    o Veranstaltungen                                                           redet.
                                          weitere Medien
    o und vieles mehr                     Kontakte
                                                                                Auch wenn sie rarer werden, es gibt
                                                                                sie noch - die Highlights.

schulnotizen 4/2021                                                                                                 5
Schulnot zeni - Freie Lehrer
Schule international

                          Meine Zeit in Kanada – Unterrichten am
                                           anderen Ende der Welt
                                            Jana Maria Hagspiel, Lehrerin der VS Koblach (jana.hagspiel@hotmail.com)

Es war im Sommer 2016, als mein         österreichischen „Bachelor of Edu-      ein sehr strenges Aufnahmever-
Partner ein Jobangebot in Kanada –      cation“ in einem fremden Land zu        fahren hat und ein österreichischer
genauer gesagt Vancouver – bekam.       unterrichten. Und das, obwohl der       „Bachelor of Education“ nicht
                                        Titel international ist.                gleich einem kanadischen „Bache-
Nachdem ich gerade mein Studium                                                 lor of Education“ entspricht. Selbst
für das Volksschullehramt an der        Die erste Hürde stellte mein Ar-        als „Substitute teacher“ bzw. Sprin-
PH Wien abgeschlossen hatte, ent-       beitsvisum dar. Ich hatte zwar ein      gerin konnte man mich nicht ein-
schlossen wir uns dazu, das Aben-       „Open Workpermit“, mit dem ich          stellen.
teuer gemeinsam zu wagen.               eigentlich überall arbeiten durfte,
                                        jedoch waren der pädagogische
                                                                                      „Ich stellte bald fest,
Wir packten alle unsere Sachen in       Bereich und die Arbeit mit Kindern
einen Container und übersiedelten       davon ausgenommen.                         dass ein österreichischer
im Jänner 2017 nach Vancouver.                                                      „Bachelor of Education“
                                        Um diese Klausel loszuwerden,                  nicht gleich einem
Sobald wir alles Organisatorische       musste ich mich zunächst einem             kanadischen „Bachelor of
mit Visum und „Work Permit“ er-         Gesundheitscheck      unterziehen.
                                                                                    Education“ entspricht.“
ledigt und ein neues Zuhause ge-        Doch dem nicht genug: Damit ich
funden hatten, ging es für mich auf     mein neues Arbeitsvisum ohne Ein-
Jobsuche.                               schränkung bekam, musste ich au-        Also versuchte ich es bei einer Wal-
                                        ßerdem einmal aus dem Land aus-         dorfschule. Nach einem sehr netten
Ich muss sagen, ich hatte mir das       und wieder neu einreisen.               Gespräch mit dem Direktor stell-
Ganze etwas einfacher vorgestellt.                                              te sich auch dort heraus, dass sie
Ursprünglich bin ich mit der Einstel-   Zum Glück liegt Vancouver nahe          mich nicht einstellen konnten, weil
lung „Lehrpersonen werden auf der       an der Grenze zu den USA und wir        mir die „Teaching Branch Number“
ganzen Welt gebraucht“ ausgewan-        entschlossen uns dazu, einen Kurz-      fehlte.
dert.                                   trip nach Seattle zu machen. Bei
                                        der Rückreise nach Kanada bekam         Um diese Nummer zu bekommen,
Leider bin ich recht schnell auf den    ich ein neues Arbeitsvisum und ich      hätte ich noch einmal studieren
Boden der Tatsachen zurückgeholt        durfte mich nun für Stellen im päd-     müssen. Da ich aber gerade erst mit
worden und habe festgestellt, dass      agogischen Bereich bewerben.            meiner Ausbildung fertig geworden
Lehrpersonen sehr wohl auf der                                                  war, wollte ich vorerst nicht noch
ganzen Welt gebraucht werden, es        Ich stellte bald fest, dass das öf-     einmal die Schulbank drücken.
aber nicht so einfach ist, mit einem    fentliche kanadische Schulsystem
                                                                                Ich machte mich weiter auf die Su-
                                                                                che und fand eine deutschsprachige
                                                                                Privatschule, die „Vancouver West-
                                                                                side German School“. Da gerade
                                                                                „Spring Break“ war, beschloss ich,
                                                                                im April zum Tag der offenen Tür zu
                                                                                gehen und mich dort vorzustellen.

                                                                                Nach einem netten Gespräch mit
                                                                                der Administratorin traf ich auf die
                                                                                Direktorin der Schule, die mir nach
                                                                                fünf Minuten sofort einen Job als
                                                                                Assistenzlehrerin anbot.

                                                                                Sehr glücklich über meine erste Ar-
                                                                                beit als Lehrerin konnte ich bis zum
                                                                                Ende des Schuljahres gemeinsam

6                                                                                               schulnotizen 4/2021
Schulnot zeni - Freie Lehrer
Kommentar

                                       ten Klasse begleitete. Neben dem
                                       Vermitteln der deutschen Sprache                                Legt die
                                       durften natürlich auch die deutsch-
                                       sprachige Kultur und Feste wie Ni-                          Beine hoch!
                                       kolaus, Weihnachten und Ostern
                                       nicht fehlen.                          Kommentar von Saskia Koller,
                                       In den Senior-Klassen, die ich un-     Lehrerin an der VS Feldkirch-Tisis,
                                       terrichtete, war das Ablegen der       Obfrau des SLV
                                       A1- bzw. A2-Prüfung ein wichtiger
                                       Bestandteil des Lehrplans.             Wenige Wochen nach Schulbeginn
                                                                              hat der Lehrer*innenalltag wieder
                                       Ich bekam außerdem die Anfrage         eingesetzt. Schon jetzt haben wir
                                       eines deutschen Vaters, ob ich In-     das Gefühl, im Lernstoff hinterher-
                                       teresse daran hätte, im Osten der      zuhinken, nicht fertig zu werden.
mit einer Kollegin, die ursprünglich   Stadt einen deutschsprachigen Un-      Zeitgleich fühlt es sich – gemessen
aus der Schweiz kam, eine dritte       terricht für eine Kindergruppe an-     an der Belastung und Erschöpfung
Klasse in DaZ unterrichten.            zubieten. Gemeinsam mit einer Kol-     – an, als hätten wir schon das halbe
                                       legin, die zufälligerweise auch aus    Schuljahr hinter uns gebracht.
Im Gespräch mit den anderen Kol-       Vorarlberg kam, nahmen wir das         Im Schulalltag gibt es genauso viel
leginnen an der Schule, alles Leh-     Angebot an und brachten Kindern        zu tun, wie eh und je. Wir pendeln
rerinnen aus Deutschland bzw. der      von fünf bis sieben Jahren spiele-     zwischen Unterricht, Elternarbeit,
Schweiz, fand ich heraus, dass auch    risch die deutsche Sprache und Kul-    Vor- und Nachbereitung, Projekten,
sie Probleme hatten, im öffentli-      tur bei.                               Konferenzen, Fortbildungen etc. hin
chen Schulsystem einen Job zu be-                                             und her. Der Herbst geht in den Win-
kommen.                                Da ich nun an zwei Schulen unter-      ter über. Es ist dunkel und kalt. Wir
                                       richtete und immer mehr in der         sind müde und ausgelaugt.
Nachdem das Schuljahr vorbei war,      deutschsprachigen       Community
bekam ich in den Sommerferien die      Fuß fasste, wurde ich von einigen      Gerade deshalb möchte ich diese Zei-
Möglichkeit, gemeinsam mit einer       deutschsprachigen Eltern angespro-     len unserer psychischen und emotio-
Kollegin der deutschen Schule ein      chen, ob ich auch Privatunterricht     nalen Lehrer*innengesundheit wid-
deutsches Sprachcamp zu leiten.        geben würde. Nachdem ich immer         men. Wir wissen, dass die Gefüh-
                                       mehr Anfragen bekam, machte ich        le der Erschöpfung und Müdigkeit
Außerdem hatte ich mich bei einer      mich schließlich selbstständig und     nicht überhand nehmen dürfen. Wir
Sprachschule für Erwachsene bewor-     unterrichtete Kinder und Jugendli-     wissen, dass wir uns einen Ausgleich
ben und durfte dort zweimal in der     che im Alter von 6 bis 16 Jahren im    im Alltag schaffen dürfen. Wir wis-
Woche einen Deutschkurs geben.         Bereich DaF und DaZ.                   sen, dass unsere Lieblingsmenschen
                                                                              und Lieblingsbeschäftigungen Platz
Im neuen Schuljahr bekam ich an        Im Mai 2020 entschlossen wir uns,      haben dürfen.
der „Vancouver Westside German         zurück nach Österreich zu gehen
School“ dann meine eigene erste        und die Zeit in Kanada hinter uns zu   Das Wissen allein reicht aber nicht
Junior-Klasse, die ich bis zur drit-   lassen.                                aus. Oft kostet es einige Mühe, sich
                                                                              bewusst dem Ausgleich und den
                                                    Für diese Zeit, die       Lieblingsmenschen hinzugeben, der
                                                    zwar mit anfänglichen     Schule auch einmal den Rücken zu-
                                                    Schwierigkeiten ver-      zukehren, etwas liegen zu lassen,
                                                    bunden war, bin ich       manche Dinge nicht zu wichtig zu
                                                    jedoch sehr dankbar       nehmen.
                                                    und würde diese Er-       Tut es! Kümmert euch aktiv um euch
                                                    fahrung jederzeit wie-    und eure Gesundheit! Nehmt euch
                                                    der machen wollen.        Zeit! Widmet euch euren Hobbies!
                                                                              Stärkt die Verbindung mit lieben
                                                                              Menschen! Unternehmt, wofür ihr
                                                                              nie Zeit hattet! Legt einfach mal die
                                                                              Beine hoch!

schulnotizen 4/2021                                                                                                 7
Schulnot zeni - Freie Lehrer
Laudatio

                              Arno Geiger
    Die Tür zum Glück geht nach außen auf
          Festrede zur Verleihung des Toni-und-Rosa-Russ-Preises 2021

Sehr verehrte Damen und Her-         In meiner Kindheit gab es im         Herr geboren. Du hast das nie
ren, in Russland ist der 1. Sep-     Sommer so herrliche Vierteiler,      kennengelernt, wie das is, wenn
tember der traditionelle Tag des     manche werden sich vielleicht        man sich in Schlaf heult, wenn
Schulanfangs, der sogenannte         erinnern, Die Schatzinsel, Micha-    man Hunger hat, und der kleine
Tag des Wissens. Der war ges-        el Strogoff. Der Seewolf mit Rai-    Bauch nagt einem und nagt, als
tern. Heute ist der Todestag von     mund Harmstorf als Wolf Larsen,      hätt man eine Ratte drin. Es kann
Toni Russ und, jeder Tag hat sei-    der mit roher Faust eine rohe        nich gut werden, Hump. Wenn
nen Kummer und seine Freude,         Kartoffel zerquetscht. Im jetzt zu   ich möcht morgen Presedent
der internationale Tag der - - Ko-   Ende gehenden Sommer habe            von de Vereinigten Staaten sein,
kosnuss. Ausgerechnet, das habe      ich Der Seewolf gelesen, ein her-    wie könnt mich das den Bauch
auch ich mir gedacht. Mir ist        vorragendes Buch. Der Ich-Erzäh-     füllen für die Zeit, wo ich ‘n klei-
dann gleich ein Zitat aus dem        ler, ein schiffbrüchig gewordener,   ner Junge war? [...] Und da bin
Film Die Ritter der Kokosnuss ein-   aus dem Meer gefischter Schrift-     ich nu. Seh mir an! Seh mir an!
gefallen, da sagt einer: „Wenn ich   steller ist zunächst dem Schiffs-    Wieder die Rippen mit Fußtritten
einmal in Fahrt bin, halten mich     koch unterstellt. Und dieser         vom Rücken geschlagen. Vor acht
keine zehn Pferde.“ Und ein an-      Schiffskoch, Thomas Mugridge,        Glasen werd ich Blut spucken.
derer Ritter sagt: „Wir haben hier   Smutje genannt, bekommt öfters       Wie kann mich das wiedergut-
ohnehin nur sieben Pferde.“          einmal Prügel, weil er sich nie      gemacht werden? Wer wird das
                                     wäscht. Gerade eben hat man          tun? Gott? - Wie mir Gott muss
                                     ihm ein paar Rippen gebrochen,       gehasst haben, als er mir anheu-
                                     und er klagt dem feinen Pinkel,      ern ließ für eine Fahrt in seine
                                     der der Schriftsteller in seinem     verfluchte Welt!« - -
                                     bisherigen Leben war, sein Leid:
                                                                          Verehrte Damen und Herren,
                                     »Nie hab ich ‘ne Möglichkeit ge-     Der Seewolf von Jack London,
                                     habt, nich mal ‘ne halbe Möglich-    erschienen 1904, und immer
                                     keit! Wer war da, mir auf Schule     noch gültig. Smutje, der Schiffs-
                                     zu schicken oder was zu essen in     koch, spricht einige schmerzhaf-
                                     mein hungrigen Bauch zu stopfen      te Punkte an, und der wichtigste
                                     oder mich die blutige Nase ab-       ist, finde ich, dass es irgendwann
                                     zuwischen, als ich ‘n Junge war?     nicht mehr gut werden kann,
                                     Wer hat je was für mich getan,       wenn man in der Kindheit im
                                     he? Wer, frag ich?«                  Stich gelassen worden ist von
                                     »Lass es gut sein, Tommy«, sag-      Eltern, die ihre Elternpflicht nur
                                     te ich und legte ihm beschwich-      schlecht oder gar nicht erfüllt
2. September - es passiert viel      tigend die Hand auf die Schulter.    haben oder erfüllen konnten,
an einem Tag. Hat heute jemand       »Nur Mut, Tommy. Es wird alles       und im Stich gelassen von einer
Geburtstag? Falls ja, ich gratu-     noch gut. Du hast noch ein langes    Gesellschaft, die sich zu wenig
liere von Herzen! Lieber Hubert      Leben vor dir und kannst aus dir     kümmert.
Löffler, ich gratuliere heute noch   machen, was du willst.«              Hubert Löffler sagt im Gespräch,
öfters von Herzen. ... 2. Septem-    »Das is ‘ne Lüge! ‘ne verdamm-       Mitte der neunziger Jahre seien
ber: Der Sommer neigt sich, die      te Lüge!«, schrie Smutje mir ins     Sozialgelder gekürzt worden, der
Zwetschgen holen sich das Blau       Gesicht und schüttelte meine         Staat habe sich wichtiger sozia-
vom Himmel, der Himmel wird          Hand ab. »Das is ‘ne Lüge, und du    ler Verpflichtungen entschlagen,
blasser, die geisterhaften Tage      weißt es. Ich bin schon gemacht,     und er, Hubert Löffler, habe das
nahen, wir wissen, die tiefen Ne-    aus Resten und Abfall bin ich        nicht hinnehmen wollen, er habe
bel und die hohen Herren gewin-      gemacht. Für dir is alles in Ord-    sich gesagt: „Es muss etwas ge-
nen immer - am Ende des Jahres.      nung, Hump. Du bist als feiner       schehen.“ Und wenn hier einer

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Schulnot zeni - Freie Lehrer
Laudatio

sagt, es muss etwas geschehen,        Sie erinnern sich an Die Ritter      schöpfen. Und dort, wo der Anteil
meint er, dadurch, dass die öf-       der Kokosnuss, an die sieben zur     an schwächeren Schülern größer
fentliche Hand sich zurückzieht,      Verfügung stehenden Pferde, wo       ist, bleibt die Klassengröße dem
verändert sich die Welt, und er       zehn nötig wären.                    Zufall überlassen, dort kann man
selbst ist ebenfalls bereit, die      Beim Thema Bildung reichen bei       keinen Aufnahmestopp verkün-
Welt zu verändern, nur mit dem        mir auch zehn Pferde nicht, falls    den im günstigen Moment mit
Unterschied, er will sie nicht zum    man nach den drei fehlenden          Blick auf den Aufteilungsschlüs-
Schlechteren verändern, son-          schon geschickt hat.                 sel. Der Staat benachteiligt sei-
dern zum Besseren. Es ist dies                                             ne eigenen Schulen, bevorzugt
eine sehr konkrete Situation, die     „Die kapitale Bedeutung der          die privaten Schulen und bezahlt
nicht losgelöst stattfindet vom       Bildung für den Menschen,            auch noch dafür. Verehrte Da-
Gesamten, von der Gesellschaft.                                            men und Herren, wenigstens im
Es findet Bewegung statt, das Zu-      für seine gesellschaftliche         Reiche Liliput, bei den Kindern,
rückziehen des Staates auf der           Stellung und für seine            sollte im öffentlichen Raum Fair-
einen und das nach vorne Gehen            Zukunft, also für die            ness und Gleichberechtigung an-
eines Einzelnen auf der anderen                                            gestrebt werden. Die öffentli-che
Seite, die beiden Bewegungen
                                      Zukunft eines jeden Kindes,          Hand sollte Ungerechtigkeit nie
gleichen einander weitgehend                  ist bekannt.“                fördern, das kann nicht ihre Auf-
aus und die Welt bleibt im Gro-                                            gabe sein.
ßen und Ganzen die gleiche. Aber      Die Existenz einer sozialen Lei-     Hubert Löffler sagt, sein Kernan-
sie hätte auch schlechter werden      ter mit oben und unten wird          liegen sei eine gerechtere Welt,
können, wäre der Einzelne nicht       niemand bestreiten, es wird sie      dafür sorgen, dass wir uns einer
nach vorne gegangen.                  immer geben. Aber man soll die       gerechten Welt weiter annähern.
Grundsätzlich bin ich dagegen,        Sprossen nach oben nicht mit         Die kapitale Bedeutung der Bil-
dass Privatinitiativen einsprin-      Seife einschmieren, das ist un-      dung für den Menschen, für sei-
gen, wo das Gemeinwesen ver-          gehörig. Es erstaunt mich, dass      ne gesellschaftliche Stellung und
sagt. Das amerikanische System        es auch in Vorarlberg staatliche     für seine Zukunft, also für die Zu-
behagt mir nicht, wo geholfen         Brennpunktschulen gibt, die          kunft eines jeden Kindes, ist be-
wird, solange es jemanden gibt,       von Privatschulen quasi umzin-       kannt. Bildung ist mit weitem Ab-
der bereit ist, sich zu engagieren,   gelt sind. Es erstaunt mich, dass    stand das beste Kapital, das man
und wenn das Spendengeld nicht        die Privatschulen - ich rede von     Kindern mitgeben kann. Trotz-
reicht, wird zwar den einen ge-       Volksschulen, von den Schulen        dem lassen wir es leichtfertig zu,
holfen, aber den anderen nicht,       für die Kleinsten und Kleinen -      dass sich Blasen bilden, Schulen,
und wenn das Spendengeld aus-         sich die Schüler aussuchen dür-      die schlecht durchmischt sind,
geht, wird halt keinem geholfen,      fen, die Lehrer aussuchen dürfen     übrigens beiderseits. Denn auch
Pech gehabt.                          und auch aktiv Einfluss auf die      die Privatschulen sind schlecht
Apropos Pech gehabt. Hubert           Klassengrößen nehmen dürfen,         durchmischt. Man muss das ein-
Löffler, der, wie wir gehört haben,   was den staatlichen Schulen ver-     mal gesehen haben, wenn man
aus einem Randgebiet kommt,           wehrt bleibt. Dabei wären gera-      eine Frage stellt und ausnahms-
aus einer Grenzlage, sagt, das        de in den privaten Volksschulen      los alle Kinder heben die Hand,
Netz für Kinder kümmere sich um       kleinere Klassen nicht so wichtig,   das hat geradezu etwas Beunru-
Kinder aus Randgruppen, aus am        wie gesagt, man sucht sich die       higendes, da fehlt dann doch et-
Rand befindlichen oder an den         Schüler eh aus, alles Unbequeme      was, wie soll ich‘s sagen, so we-
Rand gedrängten Gruppen - wo-         kann man ablehnen, ADHS, das         nig Vielfalt kann nicht erwünscht
bei bekannt ist, dass in unserer      wollen wir nicht. In den staat-      sein, eine Art Monokultur. Und in
Gesellschaft nicht nur Grund-         lichen Schulen sitzt eine ver-       den Brennpunktschulen, wenn‘s
stücke („Böda“) vererbt werden,       gleichsweise wilde, zufällige und    hart kommt, halten sich diejeni-
sondern auch Armut und Bil-           doch nicht zufällige Mischung,       gen, die dem Stoff nicht folgen
dungschancen. Vielleicht sollte       weil die Privatschulen die meis-     können, für Durchschnitt, weil ja
ich sagen: die Bildungsnachteile      ten Kinder aus alteingesesse-        die meisten dem Stoff nicht fol-
werden vererbt. Das ist system-       nen, ökonomisch starken und          gen können. Es fehlen die guten
immanent.                             bildungsbewussten Familien ab-       Schüler als Vorbild und als Un-

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Schulnot zeni - Freie Lehrer
Laudatio

terstützung für die Schwachen.       dänischen Philosophen des             trauen aufbauen. Erst wenn das
Auch eine Art Monokultur zum         19. Jahrhunderts. Kierkegaard         Vertrauen aufgebaut ist, hat das,
Schaden aller.                       schreibt: „Die Tür zum Glück          was man den Kindern sagt, Ge-
Bildungsnachteile werden, wie        geht nach außen auf.“ Er meint        wicht. In der Gesellschaft nimmt
gesagt, vererbt. Wenn ein Kind       damit, dass man das Glück nicht       man sich für das Aufbauen von
von der Gesellschaft benachtei-      im Rückzug findet, sondern im         Beziehungen immer weniger
ligt wird, werden die Mankos         Hinausgehen. Hubert Löffler ist       Zeit. Alle wollen flexibel sein und
später weitergegeben. Selbst         hinausgegangen, zu den Leuten,        flexibel bleiben und immer mehr
mittelfristig kommt das teurer als   und er kommt mir glücklich vor,       Menschen sind vor allem mit sich
jede nur denkbare Unterstützung      nicht nur heute, auch im Alltag.      selbst beschäftigt. So wird es im-
in der Kindheit - damit vielleicht   Hohe Hecken beschützen davor,         mer schwieriger, jemanden für
auch Kinder aus benachteiligten      dass jemand in den Garten hin-        ein Ehrenamt zu gewinnen. Das
Familien verwirklichen können,       einsieht, aber hohe Hecken be-        ist ein Problem, denn unsere Ar-
was das Leben als Möglichkeit        schützen einen nicht vor der Fra-     beit ist, wie gesagt, beziehungs-
theoretisch für sie bereithält.      ge, wofür man lebt. Es scheinen       orientiert.“
Ich möchte, da ich nicht gerne       doch sehr viele Menschen gera-        Wenn ich selber mit Menschen
über Abwesende rede (und wenn        de aus unserem privilegierten         meines Alters zu tun habe, sagen
ich hier über Randgruppen rede,      Milieu bei der Frage, warum sie       sie früher oder später: »Ich muss
rede ich über Abwesende), noch       leben, keine Antwort zu finden.       mehr auf mich schauen.« Ich
einmal auf die Monokultur in                                               sage das auch mit Blick auf die
manchen Schulen zurückkom-           „Erst wenn das Vertrauen              Arbeit oder mit Blick auf andere
men. Ich halte es für falsch auch                                          Menschen, die mir auf die Ner-
aus Elternsicht, dass die gut ge-      aufgebaut ist, hat das,             ven gehen: »Ich muss mehr auf
förderten Kinder aus bildungsna-     was man den Kindern sagt,             mich schauen.« Aber vielleicht
hen, ökonomisch starken Famili-              Gewicht.“                     ist das ein Denkfehler. Noch nie
en unter sich bleiben. Die Kinder                                          habe ich von jemandem gehört:
müssen nicht einmal mehr ins                                               Ich muss weniger auf mich schau-
Strandbad, denn sie haben ei-        Alles pipifein und alles zackzack.    en. Solche Einbahnstraßen sind
nen eigenen Pool. Eigenen Schul-     Aber wozu das Ganze? Das bleibt       interessant. Alle sagen dassel-
weg haben sie auch nicht, weil       unbeantwortet.                        be, niemand sagt das Gegenteil.
sie herumgefahren werden, sie        Wolf Larsen, der Seewolf, nimmt       Das Gegenteil ist gesellschaftlich
kommen zu wenig mit der Welt         den schiffbrüchigen Schriftsteller    nicht vermittelbar.
in Berührung. Ihre Eltern fühlen     an Bord, und - das ist sozusagen      Es braucht Mut, weniger auf sich
sich nicht den Leuten zugehörig,     der Clou - er weigert sich, die       selbst und mehr auf andere zu
sondern der Welt, in Wahrheit        ausgemachte Landratte umge-           schauen. Es braucht Mut, die Tür
gehören sie weder zum einen          hend wieder an Land zu setzen,        nach außen aufzumachen. Je-
noch zum andern, sie gehören zu      er sagt, sie seien auf dem Weg        mand, der sich wie Hubert Löff-
ihrer sozialen Klasse.               in die Beringsee zur Robbenjagd,      ler sozial engagiert, macht die
Ich glaube nicht, dass Abschot-      einen Hafen würden sie erst in        Tür nach außen auf, auch jemand
tung glücklich macht, große He-      vier oder fünf Monaten wieder         der sich um seine bürgerlichen
cke ums Haus, großes Auto, Ab-       anlaufen. Er brauche einen Kü-        Pflichten kümmert und politisch
schottung vom Kindergarten bis       chenjungen, der Schöngeist und        tätig ist, macht die Tür nach au-
hinauf zur Privatuniversität. So     Schriftsteller solle das Amt des      ßen auf, ein Akt von ungeheurer
sieht die momentane Entwick-         Küchenjungen         übernehmen,      Wichtigkeit, vor dem ich großen
lung aus. Die Kinder werden viel     zum Wohl seiner Seele und da-         Respekt habe. Dort draußen sind
zu früh in eine Anpassungsge-        mit er einmal etwas vom Leben         Menschen sehr unterschiedlicher
sellschaft hineingeschoben, das      mitbekomme. Die Tür zum Glück         Natur, dort befindet sich die uns
Zweiklassenschulsystem, das ein      geht nach außen auf.                  gemeinsame Welt - dort befindet
soziales Zweiklassenschulsystem      Hubert Löffler sagt im Gespräch,      sich das mögliche Glück.
ist, hemmt mehr als es fördert.      der wichtigste Grundsatz im
Die Erfahrung von Vielfalt und       Netz für Kinder sei, ich zitiere:     Ich gratuliere Hubert Löffler sehr,
Gerechtigkeit bringt Kindern         „Es braucht Zeit. Wir betreuen        sehr herzlich zum Toni-und-Rosa-
mehr, sie profitieren mehr.          Kinder ein Jahr, zwei Jahre, teil-    Russ-Preis. Und Ihnen, verehrte
Es gibt einen interessanten Satz     weise länger. Die Arbeit ist bezie-   Damen und Herren, danke ich für
von Sören Kierkegaard, dem           hungsorientiert, man muss Ver-        Ihre Aufmerksamkeit.

10                                                                                        schulnotizen 4/2021
Schulservice

                                                                SPEZIALPOOL
                                                             Schulinterne Zusatzstunden für
                                                           Erziehungsarbeit mit Schüler*innen

                                         Lehrer*innen stoßen in ihrer pädago-           Hierfür können Lehrer*innen bis zu
w w w. f r e i e l e h r e r. a t

                                         gischen und erzieherischen                     8 Zusatzstunden erhalten. In begrün-
                                         Arbeit nicht selten auch an Grenzen.           deten Fällen ist eine Verlängerung
                                         Um sich intensiver mit bestimmten              möglich.
                                         Schüler*innen beschäftigen zu
                                         können, gibt es den Spezialpool.               Wie komme ich zu diesen Stunden?

                                             Grundsätze                                 • Auf der Homepage der Bildungs-
                                                                                          direktion findet man sämtliche
                                           • Im Vordergrund steht die                     Unterlagen:
                                         		 präventive Arbeit.                            Bildungsdirektion Vorarlberg
                                                                                          /Service/Formulare-Anleitungen/
                                           •    Diese Stunden dienen vor                  Pädagogische Angelegenheiten
                                         		     allem der Beziehungsarbeit                www.bildung-vbg.gv.at/service/
                                         		     zwischen Lehrer*innen und                 formulare/paedagogik.html
                                         		      Schüler*innen.
                                                                                        • Die Lehrperson schreibt einen
                                           • Lehrer*innen sollen Zeit für                 kurzen Bericht, der von der
                                         		 Gespräche und gemeinsame                      Schulleiterin / dem Schulleiter
                                         		 Aktivitäten haben.                            bestätigt wird.

                                           •    Anlässe können sein: Probleme           • Eine Kommission, bestehend aus
                                         		     im Elternhaus, Tod oder schwere           zwei Personalvertreter*innen und
                                         		     Erkrankungen von Bezugsper-               einem / einer Vertreter*in der
                                         		     sonen, Integrationsprobleme,              Bildungsdirektion, teilt die
                                         		     besondere Ereignisse im Leben             Stunden zu.
                                         		     des Schülers / der Schülerin.
                                                                                        • Nach den Fördermaßnahmen ist
                                           • Dieses Angebot kann kurzfristig              eine schriftliche Rückmeldung
                                         		 beantragt werden.                             verpflichtend.

                                    Willi Witzemann                 Alexandra Loser                 Hannes Nöbl
                                    Vors. Personalvertretung        Vors. Stellvertreterin im ZA    Mitglied im ZA
                                    0664 26 85 716                  0664 16 25 988                  0660 52 72 105
                                    willi.witzemann@vorarlberg.at   alexandra.loser@vorarlberg.at   hannes.noebl@pts-feldkirch.at
                            schulnotizen 4/2021                                                                                11
Rechtslage

                                        Sie fragen, wir antworten.
                                                                                Willi Witzemann, Alexandra Loser

Jubiläumsgeld                          Geheime Abstimmung bei                 tung mitteilst, dass du wieder

 ?
                                                                              genesen bist und ab … wieder
          Ich sollte als beamtete      konferenzen

                                       ?
                                                                              arbeitest.
          Lehrerin in diesem Schul-
                                               Ich hätte gerne bei
          jahr mein Jubiläumsgeld
                                               einem Punkt in der
          ausbezahlt bekommen.
                                               Schulkonferenz eine            Pendlerpauschale trotz
          Allerdings habe ich ledig-
                                               geheime Abstimmung.
lich eine halbe Lehrverpflichtung.                                            Homeoffice

                                                                              ?
                                               Unsere Direktorin ver-
Erhalte ich dann nur das halbe Ju-
                                       weigert dies. Darf sie das?                    Vom Amt der Vorarl-
biläumsgeld ausbezahlt?

                                       §
                                                                                      berger    Landesregie-

§
                                                Geheime Abstimmun-                    rung habe ich im Ka-
          Im Gehaltsgesetz heißt es                                                   lenderjahr 2020 das
                                                gen sind in einer
          unter §20, dass beamtete                                                    Pendlerpauschale wei-
                                                Lehrer*innenkonferenz
          Lehrpersonen die Jubi-                                              terhin berücksichtigt bekom-
                                                nicht vorgesehen. Dies
          läumszuwendung in der                                               men, obwohl ich lange Zeit im
                                                würde auch mit der
          Höhe des Monatsbezugs,                                              Homeoffice war. Muss ich et-
                                       Vorschrift, dass es keine Stimm-
welcher der besoldungsrechtli-                                                was zurückzahlen?
                                       enthaltung geben darf, nicht ver-

                                                                              §
chen Stellung im Monat des Jubi-
                                       einbar sein. Denn bei einer ge-
läums entspricht, gebühren. Also                                                       Nein. Es wurde eine
                                       heimen Abstimmung wäre eine
der volle Gehalt. Achtung, dies gilt                                                   eigene gesetzliche Be-
                                       Stimmenthaltung nicht kontrol-
nicht für Vertragslehrpersonen!                                                        stimmung geschaffen,
                                       lierbar.
                                                                                       die vorsieht, dass das
                                                                                       Pendlerpauschale auch
Fortbildungskosten                                                            während der Zeit zusteht, in der
                                       Krankenstand und

 ?
                                                                              COVID-19-bedingt Telearbeit ge-
         Kann ich meine Fort-          Dienstfähigkeit                        leistet wurde.

                                        ?
         bildungskosten bei der
         ANV geltend machen?                     Ich bin seit einigen Tagen
                                                 im Krankenstand. Dieser
                                                 dauert noch eine Woche.      Teilnahme an

 §
         Ja Eine Fortbildung liegt               Da ich mich wieder gesund    Konferenzen

                                                                              ?
         vor, wenn bereits eine                  fühle, möchte ich meine
                                       Arbeit als Lehrer wieder aufneh-               Wir haben am Mittwoch-
         berufliche       Tätigkeit                                                    nachmittag Konferenz.
         ausgeübt wird und die         men. Mein Direktor ist sich aber
                                       nicht sicher, ob das möglich ist.              Das ist mein schulfreier
         Bildungsmaßnahmen                                                            Tag. Muss ich trotzdem

                                       §
der Verbesserung von Kenntnis-                                                        daran teilnehmen?
                                                Im Krankenstand darfst

                                                                              §
sen und Fähigkeiten in Ausübung
dieser Tätigkeit dienen. Fortbil-               du auch nicht arbeiten.
                                                                                       Ja. Die Teilnahme an
dungskosten sind als Werbungs-                  Du hast aber trotzdem
                                                                                       Schulkonferenzen gehört
kosten abziehbar. Auch kauf-                    die Möglichkeit, deinen
                                                                                       zu den Dienstpflichten
männische oder bürotechnische                   Dienst wieder aufzu-
                                                                                       der Landeslehrer*innen.
Grundausbildungen sind ohne            nehmen. Das liegt aber in deiner
                                                                                       Lehrer*innen können ge-
Prüfung einer konkreten Ver-           Verantwortung. Voraussetzung
                                                                              nauso auch an ihren unterrichts-
wertbarkeit im jeweiligen Beruf        ist, dass du deinem Versiche-
                                                                              freien Nachmittagen zum Supplie-
abzugsfähig                            rungsträger sowie der Schullei-
                                                                              ren eingeteilt werden.

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Schulalltag

                                                                  Wie geht es euch?
                                                                                   Lehrer*innen der VS Dornbirn-Wallenmad

Wir sind ein Kollegium zwei verschiedener Jahrzehnte. Acht von uns sind in den 60er Jahren geboren. Sie
sind für die jungen Kolleg*innen wichtige Ansprechpartner und Unterstützer, aber oftmals auch Mahn-
mal dafür, was schieflaufen kann. Von diesen acht arbeitet nur noch ein Einziger in Vollbeschäftigung. Die
meisten wollen und können ihr Pensum nicht erhöhen. Und alle, die im Dienst sind und waren, verstehen das.

Neun von uns sind unter 35. In die-     nicht noch mehr belasten will? Wer              		men mehr (wie beispielsweise
sem Alter sollte man locker in der      krank ist, sollte doch ohne Bedenken            		 die Einführung von Deutschklas-
Lage sein, einen Beruf zu stemmen       im Bett bleiben können. Aber dafür              		 sen oder das Herabsetzten des
und zusätzlich Energie für soziales     fehlen uns die Kapazitäten.                     		 IQ-Werts für einen SPF)
Engagement, Familie, Privatleben,
Sport usw. aufbringen können. Im-       Hilfe von „oben“ gibt es keine. Es ist          Wenn die Regierung an der Bildung
merhin ist es die Zeit im Leben, in     niemand da – irgendwie beängsti-                spart, stiehlt sie uns allen die Zu-
der man sich oftmals auch entschei-     gend. Bei Krankheit einer Lehrper-              kunft.
det, die Familie zu vergrößern und      son springt meist die Schulleitung
sich ein weiteres Päckchen aufzu-       ein. Wir sind unserer Direktorin                Wie geht es uns also?
bürden.                                 unendlich dankbar, dass sie den an-             Keine einfache Antwort auf diese
                                        strengenden Job übernommen hat                  Frage in unserem Lehrerzimmer. Lei-
Davon sind wir weit entfernt. Jede      und alles unternimmt, um uns zu                 der stellen wir sie uns nur unter uns
und jeder der Kolleg*innen fühlt        unterstützen. Und das, obwohl es                Kolleg*innen. Vom Ministerium, von
sich überlastet. Hörstürze, Schwin-     keinen echten monetären, gesell-                der Gewerkschaft oder vom Schult-
del, Müdigkeit, Burnout und andere      schaftlichen oder anderen Vorteil               räger haben wir nur ein einziges Mal
Krankheiten sind nur ein paar unse-     für sie gibt. Sie macht es allein um            gehört.
rer Leiden.                             unseretwegen.
Natürlich ist uns allen bewusst, dass
man nach einem Arbeitstag müde          Ein Satz, den jede und jeder der jun-                  „Uns geht es nicht
ist. So geht es den meisten.            gen Kolleg*innen schon mehrmals                      besonders gut. Dem
                                        fallen ließ: „Ich glaube nicht, dass ich            Bildungssystem geht es
   „Ist es zu verantworten,             das bis zur Pension machen kann.“                    nicht besonders gut.“
                                        Wir finden, das fasst das Problem
  dass sich jemand krank in             zusammen.
  die Schule schleppt, weil                                                             Uns geht es nicht besonders gut.
    man weiß, dass es den               Es braucht sofortige Entlastung. Wir            Dem Bildungssystem geht es nicht
 anderen auch schlecht geht             machen das keine 2 Jahre mehr mit               besonders gut. Versteht uns nicht
   und sie nicht noch mehr              und fordern daher:                              falsch! Wir wissen, was es bedeutet,
                                          • Verkürzung der Ausbildung.                  Lehrer*in zu sein und wie viel Freu-
        belasten will?“                 		 (Nachdenken über eine duale                  de es machen kann, das zu tun, wo-
                                        		Ausbildung)                                   für wir uns alle entschieden haben.
Aber ist es normal, mit Mitte 20 be-      • Schaffung monetärer Anreize. (In            Es war und ist noch oft der schönste
reits einen Mittagsschlaf zu brau-      		welcher Firma zahlt man bei-                  Beruf der Welt. Wir sind uns unserer
chen und um 21.00 Uhr ins Bett zu       		spielsweise sein Essen bei der                Verantwortung bewusst und möch-
fallen? Ist es Standard, sich bereits   		 Weihnachtsfeier selbst?)                     ten unseren Job so gut machen, wie
in der 4. Woche nach dem Urlaub zu        • Sozialarbeiter*innen sowie Zivil-           es geht.
fragen, wie lange man noch durch-       		 diener/Volontäre an allen Schulen            Aber uns geht die Puste aus – und
hält? Ist es zu verantworten, dass        • Betreuer*innen an Schulen müs-              das bereits zu Beginn des Schul-
sich jemand krank in die Schule         		 sen besser bezahlt und behan-                jahres.
schleppt, weil man weiß, dass es den    		 delt werden.
anderen auch schlecht geht und sie        • Keine versteckten Sparmaßnah-

schulnotizen 4/2021                                                                                                      13
Querbeet

           Gespräche mit den Bildungssprecher*innen der Landtagsparteien
Um der Resolution vom Juni 2021 gerecht zu werden, wurden in weiterer Folge von der Personalvertretung
und der Gewerkschaft am 8. November die Bildungssprecher*innen der Landtagsfraktionen zu einem Aus-
tausch ins Landhaus eingeladen.
Die Schilderungen aus der Praxis der geladenen Leiter*innen hinterließen bei den Damen und Herrn der
Politik einen deutlichen Eindruck. Unser Appell, gemeinsam für rasche Verbesserungen an Vorarlbergs
Schulen zu sorgen, erhielt eine einhellige Zustimmung. Es liegt nun an der Politik, dies auch rasch umzuset-
zen, denn allein die Zahlen sprechen Bände: An den Pflichtschulen werden zum Beispiel derzeit insgesamt
6.684 MDLs gehalten. Dies entspricht rund 303 Dienstposten!

Willi Witzemann bedankt sich ganz herzlich bei den teilnehmenden Leiter*innen der Sitzung, die sich die
Zeit genommen haben, diesen Nachmittag im Interesse aller Kolleg*innen frei zu halten und ihre Situation
zu schildern: Danke an Bettina Prax (PTS Bludenz), Elisabeth Maccani (VS/ASO Lauterach-Unterfeld), Han-
nes Rothmund (VS Götzis-Markt) und Andreas Mäser (MS-Thüringen).
Danke auch den Bildungssprecher*innen für die angeregte Diskussion, verbunden mit der nochmaligen
Bitte um rasche Unterstützung für Vorarlbergs Schulen.

     Wichtige Information für alle Lehr-
      personen, Schulleiter*innen und
                 Pensionist*innen zum
                   Kalenderjahresende
 Mit 1. Jänner 2022 treten im Zuge der Umstel-
 lung der Landeslehrer*innen-Besoldung einige
 Änderungen in Kraft. Nähere Informationen fin-
 den Sie auf Ihrem Dezember Gehaltszettel, wel-
 cher postalisch an Sie übermittelt wurde. Für
 allfällige Rückfragen geben die entsprechenden        Alexandra Loser, Gerhard Unterkofler, Angelika Baur, Patrizia Zangerl
 Sachbearbeiter*innen der Präs3 in der Bildungsdi-
 rektion gerne Auskunft.
                                                           GÖD-Funktionäre verabschiedet
   * Im Zuge der Umstellung erhalten alle Landes-      Am 8. November 2021 fand anlässlich des Ausschei-
 		 lehrpersonen eine neue Personalnummer.             dens aus gewerkschaftlichen Funktionen die Verab-
   * Neues Aussehen des Lohnzettels und nur noch       schiedung zahlreicher Funktionäre der GÖD statt.
 		 in digitaler Form verfügbar                        Dabei wurden der ehemalige Vorsitzende der Pflicht-
   * Für den elektronischen Gehaltszettel gibt es      schullehrergewerkschaft, Gerhard Unterkofler, und
 		 einen neuen Zugangslink über service.gv.at – der   die Schuldirektorin Angelika Baur für ihr langjähriges
 		 Zugriff ist ab dem 23.12.2021 möglich. Nähere      Engagement im Landesvorstand und in der Landeslei-
 		 Informationen unter: https://rb.gy/oaktcd          tung der Pflichtschullehrer*innen geehrt. Unterkofler
   * Die Auszahlung von Reisekosten ist auf dem        erhielt für besondere Verdienste um die Gewerkschaft
 		 SAP-Gehaltszettel ausgewiesen und erfolgt          Öffentlicher Dienst das GÖD-Ehrenzeichen in Silber,
 		wöchentlich.                                        Angelika Baur das GÖD-Ehrenzeichen in Bronze. Gra-
   * Vergütungen für Klassenführung, Fächervergü-      tulationen gab es unter anderen von Alexandra Loser
 		 tung, für LBS und LFS. Kustodiate und Lehr-        (Vorsitzende der Pflichtschullehrer*innen), Andreas
 		 werkstätten werden hinkünftig im Nachhinein        Hammerer (Vors. GÖD-Vorarlberg) und Patrizia Zangerl
 		 zur Anweisung gebracht.                            (Vors.-Stellvertreterin der GÖD Vorarlberg).

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Kommentar

     Wie hat sich das Schulsystem in der Corona-
                             Pandemie bewährt?
                                                                                                        Es geht um
 Antwort aus einem Interview mit Stefan Hopmann in „derStandard“:
 „Wir haben die Corona-Krise im Großen und Ganzen wegen unserer
                                                                                                         die Sache
 Lehrkräfte und Schulleitungen überstanden, die es trotz eines völlig              Kommentar des Vorsitzenden
 chaotischen Krisenmanagements des Ministeriums in den allermeis-                  des DA-Bludenz
                                                                                   Alexander Frick
 ten Fällen geschafft haben, ihre Schäfchen zusammenzuhalten und
 das Schuljahr einigermaßen zu retten. Die haben ja bis zum Umfallen               Bildung kostet Geld. Gerade in Zei-
 geackert... Die Stärke in vielen Bereichen bei uns ist, dass die Leute            ten des Lehrer*innenmangels be-
 bereit sind, die Ärmel aufzukrempeln und zu schauen, was geht, egal,              steht kein Zweifel daran, dass Geld in
 was von oben kommt, und das dann auch einfach machen, solange                     die Hand genommen werden muss.
                                                                                   Mit mehr finanziellen Mitteln kann
 sich niemand einmischt. Dieser ganze Unsinn mit den Deutschför-
                                                                                   Verwaltungspersonal angestellt wer-
 derklassen wäre viel, viel schlimmer, wenn die Schulen das nicht still-           den, das die Schulleitungen und de-
 schweigend umgehen würden. Da läuft so viel Kluges ab, das finde ich              ren Teams administrativ entlastet.
 das Tolle, und das ermutigt mich auch immer wieder, zu sagen: Nö,                 Außerdem können die Gehälter at-
 wir haben keine Katastrophe, aber wir sind an einem Punkt, wo wir                 traktiver gemacht werden, was ge-
 riskieren, diese Dynamik, die davon lebt, dass man das Recht hat, vor             rade in Vorarlberg mit Blick auf die
 Ort auszuproberen, was das Richtige ist, kaputtzumachen durch eine                Nachbarländer notwendig ist.
 völlige überzogene Vorstellung von Steuerbarkeit und Kontrolle“
 (Der Standard, 26.10.2021)                                                        Geld wäre ja für den Bildungsbe-
                                                                                   reich vorhanden (gewesen) – 1,2
                                                                                   Milliarden. Das geht aus Chats her-
                                                                                   vor, in denen es um die Finanzierung
                                                                                   schulischer Nachmittagsbetreuung
        Rundgang in Bregenz: Nationalsozialismus                                   geht. Und auch ein politischer Kon-
                                                                                   sens konnte gefunden werden, wie
 Für Schüler*innen macht der Rundgang die Geschichte des National-                 denn die Mittel verwendet werden
 sozialismus greifbar, indem er regionale Bezugspunkte erschließt. Die             sollten. So war das Geld als An-
 Gewaltgeschichte des Nationalsozialismus wird damit als eine regi-                schubfinanzierung für zusätzliches
 onale Geschichte wahrgenommen. Auch in Vorarlberg gab es Täter,                   Personal in Ganztagsschulen und
 Opfer und Zuschauer.                                                              neue Gebäude gedacht.
 Die Bregenzerin Maria Stromberger hatte als Krankenschwester im                   Leider wurde dieses „geile Pro-
 Konzentrationslager Auschwitz Häftlingen geholfen und den Häft-                   gramm“ (Zitat Thomas Schmid) nicht
                                                                                   wie vereinbart umgesetzt, weil man
 lingswiderstand unterstützt. Ihre Geschichte und die Geschichten von
                                                                                   dem politischen Mitbewerber, ja
 Menschen, die während des Nationalsozialismus Widerstand leiste-                  nicht einmal dem eigenen Partei-
 ten, aus der Wehrmacht desertierten oder die aus rassischen oder                  chef einen Erfolg gönnen wollte.
 politischen Gründen verfolgt wurden, stehen im Zentrum des Rund-
 gangs in Bregenz. Der Rundgang wurde von „erinnern.at“ im Auftrag                 Außerdem wurde darüber gestrit-
 der Landeshauptstadt Bregenz erarbeitet.                                          ten, wer denn das Geld verteilen
                                                                                   darf: Kann das damals rote Bildungs-
 Angebot für Schulen:                                                              ministerium über das gesamte Geld
 Zielgruppen sind Schüler*innen ab der 8. Schulstufe sowie                         bestimmen oder dürfen die Länder
 Erwachsene                                                                        auch etwas verteilen?
 Dauer: 2 Stunden                                                                  Dieses Hin und Her (manche nen-
                                                                           o
                                                                 & Inf
 Kosten: Schulklassen bis 15 Schüler*innen € 20,                                   nen es auch Sabotage) konnte den
 darüber € 30, Lehrende und                             ldun g                     Verhandlungserfolg zwischen dem
 Studierende bis 15 Personen € 45,          Anme                                   damaligen Kanzler und Vizekanzler
                                                                                   verhindern: Von den ursprünglich 83
                                                                            z.at
 darüber € 90
                                               r n . at       a l - b regen        Millionen Euro pro Jahr sind es nur
                                                            m
 andere Gruppen bis 15 Personen         erinne andsmahn                            noch 30 Millionen, weil es eben nicht
                                              st
 € 80, darüber € 160                     wider                                     um die Kinderbetreuung allein ging.

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