Schutzwald in Österreich-Wissensstand und Forschungsbedarf - INHALT - BFW
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INHALT Schutzwald in Österreich – Wissensstand und Forschungsbedarf Bundesforschungszentrum für Wald
IMPRESSUM ISBN 978-3-903-258419 Copyright 2021 by BFW Juli 2021 Der Bericht "Schutzwald in Österreich - Wissensstand und Forschungsbedarf" wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus erstellt (GZ: 2020-0.560.379). Nachdruck nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung seitens des Herausgebers gestattet. Presserechtlich verantwortlich: DI Dr. Peter Mayer, Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft Seckendorff-Gudent-Weg 8, 1131 Wien, Österreich; Tel. +43-1-87838 0 Projektleitung: Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) in Kooperation mit der Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Alpine Naturgefahren. Inhaltlich verantwortlich für die einzelnen Kapitel sind die jeweiligen Erstautor*innen. Layout: Johanna Kohl, BFW Fotos: [1] F. Winter; [3] BMLRT/P. Gruber; [13, 63, 64, 73] G. Frank; [10] J. T. Fischer; [12] cls.fr; [16] G. Wieser; [24] S. Smidt; [32, 41] BFW; [30, 34] FAST Greifenburg; [36, 37, 38] Ch. Scheidl; [40] L. Lackoova; [48] pikist.com/free-photo; [52] Th. Cech; [26, 43, 58] A. Freudenschuß; [7, 15, 29 47, 45, 55, 61, 62, 67, 69, 71, 77] Ph. Toscani; [21] G. Markart; [25] T.W. Berger; [51] G. Hoch; [53] Th. Kirisits; [59] H. Fladenhofer; [69] shutterstock_1514664833 Bezugsquellen: Bibliothek des BFW; Tel.: 01-878 38 1216; Fax: 01-878 38 1250; E-Mail: bibliothek@bfw.gv.at; Online-Bestellung und Download: bfw.ac.at/webshop Gedruckt nach der Richtlinie “Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Umweltzeichens, Gerin Druck GmbH, UW-Nr. 756 Zitierung: Freudenschuß, A.; Markart, G.; Scheidl, C. und Schadauer, K. (Hrsg.). 2021: Schutzwald in Österreich - Wissensstand und Forschungsbedarf. Bundesforschungszentrum für Wald, Wien: 80 S., ISBN 978-3-903-258419 Freudenschuß, A.; Markart, G.; Scheidl, C. und Schadauer, K. (Ed.). 2021: Protective Forest in Austria – State of Knowledge and Research Needs. Austrian Research Centre for Forests, Vienna: 80 p, ISBN 978-3-903-258419 Bundesforschungszentrum für Wald
INHALT Vorwort ........................................................................................................................................................................3 Executive Summary ..................................................................................................................................................4 Zusammenfassung....................................................................................................................................................5 Schutzwald – Grundlagen Michaela Teich, Frank Perzl, Sven Fuchs, Maria Papathoma-Köhle und Christian Scheidl Schutzfunktion und Schutzwirkung des Waldes: Schutzgüter, Risikoanalyse und Bewertung ........8 Klemens Schadauer, Alexandra Freudenschuß, Ambros Berger und Thomas Gschwantner Schutzwaldmonitoring und Geoinformation....................................................................................................11 Schutzwald – Ökologie Michael Englisch, Eduard Hochbichler, Georg Kindermann, Klaus Klebinder, Ralf Klosterhuber, Roland Köck und Thomas Ledermann Ökosystem Bergwald: Wachstums- und Standortfaktoren, Waldtypisierung und Wachstumsmodelle ................................................................................................................................................16 Gerhard Markart, Herbert Hager, Klaus Katzensteiner, Helmut Schume und Bernhard Kohl Wasserhaushalt und Bodenschutz....................................................................................................................20 Torsten W. Berger, Alfred Fürst, Herbert Hager und Robert Jandl Schutzwald und Immissionen – Waldsterben ................................................................................................23 Schutzwald – Bewirtschaftung Manfred J. Lexer, Christian Scheidl, Silvio Schüler, Harald Vacik, Norbert Putzgruber und Frank Perzl Schutzwaldbau und Schutzwaldbewirtschaftung........................................................................................28 Kurt Ramskogler, Silvio Schüler, Raphael Klumpp und Matthias Hofer Forstgenetik für Schutzwälder, Pflanzgut........................................................................................................31 Johann Zöscher, Nikolaus Nemestothy, Karl Stampfer und Dieter Seebacher Forsttechnik und Waldarbeit im Schutzwald.................................................................................................33 Christian Scheidl, Jan-Thomas Fischer, Peter Höller, Frank Perzl und Michael Brauner Schutztechnik zur Unterstützung der Schutzwirkung des Waldes.........................................................35 Thomas Weninger, Peter Strauß, Christian Steiner, Kerstin Michel und Erwin Szlezak Windschutzanlagen ...............................................................................................................................................39 Philipp Toscani, Walter Sekot und Hermann Peyerl Forstbetriebliche und steuerliche Aspekte der Schutzwaldbewirtschaftung .....................................42 1
Schutzwald – Klimawandel Marc Olefs, Katharina Enigl, Klaus Haslinger, Christoph Matulla und Georg Pistotnik Klimawandel mit Blick auf den Schutzwald ...................................................................................................46 Harald Vacik und Mortimer Müller Waldbrandprävention, -bekämpfung und Nachbehandlung von Waldbrandflächen.........................48 Gernot Hoch, Thomas Kirisits, Peter Baier und Thomas Cech Forstschutz im Schutzwald – biotische Schadfaktoren (Insekten, Pilze, Eipilze) ................................51 Schutzwald – gesellschaftliche Aspekte Gerhard Weiß und Karl Hogl Governance von Nutzungskonflikten ...............................................................................................................56 Heimo Schodterer, Friedrich Reimoser, Fritz Völk und Josef Zandl Wildökologie – Wildmanagement - Wildeinfluss im Schutzwald.............................................................58 Georg Frank, Harald Vacik, Herfried Steiner, Matthias Kropf und Monika Kriechbaum Natur- und Landschaftsschutz ...........................................................................................................................61 Gerhard Weiß, Walter Seher und Karl Hogl Raumordnerische Ansätze in der Schutzwaldpolitik ...................................................................................66 Schutzwald – Internationales Gerfried Gruber und Stefanie Brandstetter Politische Einflussfaktoren der internationalen und europäischen Ebene auf den Schutzwald.....70 Autor*innen-Verzeichnis Leadautor*innen......................................................................................................................................................74 Co-Autor*innen .......................................................................................................................................................75 2
VORWORT Der Schutzwald als sogenannte „grüne Infrastruk- tur“ dient dem Schutz des Lebens-, Kultur- und Wirtschaftsraumes in Österreich. Er ist ein we- sentlicher Teil eines integralen Naturgefahren- managements. Auf steilen, oft unzugänglichen alpinen Lagen verhindert oder mindert er Natur- gefahrenprozesse wie Muren, Lawinen, Stein- schlag und Rutschungen. Zusätzlich dämpft der Wald Hochwasserspitzen und kann vor allem im Osten des Landes den Boden vor Winderosion Florian Rudolf-Miklau schützen. Um diese vielfältigen Schutz- Leiter der Abteilung III/4 - Wildbach- und Lawinen- wirkungen auch optimal erfüllen zu können, be- verbauung und Schutzwaldpolitik im Bundesministerium darf es neben einer konsequenten Verjüngungs- für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus strategie auch sehr häufig gezielter Pflege- und Nutzungseingriffe. Ebenso wichtig ist der Schutz des Schutzwaldes vor biotischen und abiotischen Schadensrisiken, wie Sturm, Schneedruck, Trockenheit, Waldbrand, Borkenkäfern oder hohen Schalenwildständen. Das Thema Schutzwald ist geprägt durch seine vielfältigen Verknüpfungen zu anderen Themen, die eine integrale Betrachtungsweise bedingen. Das von der Bundesregierung 2019 initiierte Aktions- programm „Wald schützt uns!“ beinhaltet daher nicht nur konkrete Meilensteine und Projekte, auch das Thema Forschung ist zentral im Leuchtturm „Schutzwald beobachten und erforschen“ enthalten. Erst das Aufzeigen von Forschungslücken, das Feststellen von Problemen und Herausforderungen in vielen verschiedenen Thematiken und daraus abgeleitet der zukünftige Forschungs- und Ent- wicklungsbedarf kann zur nachhaltigen Verbesserung des Schutzwaldes in Österreich beitragen. Es ist mir daher eine besondere Freude, die österreichweit erste, umfassende und zukunfts- gerichtete Analyse und Zusammenstellung des derzeitigen Standes der Forschung und Entwicklung zum Thema Schutzwald präsentieren zu können. Er beinhaltet auch Forschungsfragen als Grundlage für die Programmierung einer integralen Schutzwaldforschung und die Bereitstellung der er- forderlichen Forschungsfinanzierung. Darüber hinaus sollen interdisziplinäre Wissenschafts- netzwerke etabliert werden, welche die Forschungsfragen präzisieren und robuste Lösungen für die zukünftigen Herausforderungen entwickeln. Grundlegende und angewandte Forschung leitet nicht nur die Lehre und Ingenieurpraxis an, sondern berät auch die Politik in den Weichenstellungen für den Schutzwald der Zukunft. Governance basierend auf wissenschaftlicher Evidenz ist der einzige Weg, den globalen Herausforderungen des klimatischen und gesellschaftlichen Wandels zu begegnen und gleichzeitig die regionalen Wirkungen und Ansprüche an den Wald zu balancieren. Der Schutzwald ist auch Lebensraum, Eigentum und Umwelt vieler Personen in Österreich, die von seiner Funktionsfähigkeit abhängig sind. Besonderer Dank gilt dem hochkarätigen Redaktionsteam aus renommierten Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis und damit einer beeindruckenden Zusammen- schau aller Sektoren, die im und um den Schutzwald forschen, analysieren, Notwendigkeiten ent- decken und Zukunftsfragen zur Lösung seiner Herausforderungen in den Raum stellen. Ebenso richte ich meinen Dank an das Schutzwaldteam meiner Abteilung im BMLRT (Andreas Pichler, Alexander Starsich und Christoph Lainer), welches dieses Projekt hervorragend koordiniert und rasch zur Umsetzung gebracht hat. Ihr Florian Rudolf-Miklau 3
EXECUTIVE SUMMARY In the present report "Protective Forests in events - caused by natural hazards such as Austria - State of Knowledge and Research floods, debris flows, snow avalanches or rockfall. Needs", 65 scientists from various Austrian In Austria and South Tyrol, around 30% - and in research institutions have contributed their Switzerland around 40% - of the forest area expertise. The report explains the current state are designated as forests that have the of knowledge, describes knowledge deficits, primary function to prevent these natural hazard and defines the future research needs for processes. Austria's protective forests in a total of eighteen topical areas, divided into fundamentals, ecology, Like all forests, protective forests are also in management, climate change, and socially constant interaction with a changing biosphere. relevant aspects. The final chapter deals with They are increasingly confronted with demands international framework conditions that affect of renewable raw materials and resource- the protective forest. oriented technologies as well as societal changes. In this sense, climate change in its Austria is inextricably linked with the landscape various forms, such as extreme precipitation, of temperate forests. They are the basis for drought, and an increase in disturbances, economic independence and prosperity, improve represents a massive ordeal for our protective the quality of life, and offer protection from the forests. It confronts us with challenges that can abrasive forces of nature. If forests are managed only be mastered through a heuristic approach sustainably, they fulfil many socially relevant including transdisciplinary and interdisciplinary functions such as soil protection, protection efforts. from natural hazards, renewable raw materials and energy sources, job creation, climate Furthermore, delayed reforestation in protective protection, preservation of ecosystems and thus forests is a major problem in many places. the preservation of the alpine landscape. Concepts are urgently required for optimizing Forests therefore also have a significant influence the choice of tree species, timely rejuvenation on Austria's cultural identity. and optimal forest structure, minimizing the risk of natural hazards, optimized wildlife manage- The present report regards the forest as a ment, adapting and improving road construction defining element of the alpine landscape, which and harvesting methods as well as for the offers natural protection against natural development of appropriate handling and ma- hazards. For thousands of years, the mountain nagement instructions and their anchoring forests have been subject to a variety of through increased training in practice. Monitoring demands and uses (forest pasture, litter use, and scientific studies on various topics, such as snowfall, temporary arable farming, intensive origin tests of seeds, soil chemistry - substance use of wood for mining, etc.), which became par- input, water balance, development after distur- ticularly intense at the end of the Middle Ages. bances, review of the protective effect after na- It was not until the end of the 18th century that tural hazard processes and the collection of French scientists recognized intensive use and comprehensive data on protective forests, e.g., clearing in the mountains as the cause of major forest typification, should urgently be inten- floods “in the lowlands”. This knowledge was sified. Above all, the proceeding in the legal soon generalized and applied to the entire Al- domain on questions of forest policy, spatial pine region. Historically, the Alpine region has planning and socio-economy will be crucial. been leading in dealing with protective forests since the 19th century. Management techniques can be seen as part of the European cultural he- ritage. Protective forests make an important contribution to protecting human life, infra- structure, and resources from catastrophic 4
ZUSAMMENFASSUNG Im vorliegenden Bericht „Schutzwald in Österreich Schutzwälder leisten einen wichtigen Beitrag – Wissensstand und Forschungsbedarf” haben 65 zum Schutz von Menschenleben, Infrastruktur Wissenschaftler*innen aus verschiedenen öster- und Ressourcen vor katastrophalen Ereignissen reichischen Forschungsinstitutionen ihre Fach- - verursacht durch Gefahrenprozesse wie Hoch- kompetenz eingebracht. Der Bericht erläutert den wasser, Murgänge, Schneelawinen oder Stein- aktuellen Wissensstand, beschreibt Wissens- schlag. So sind in Österreich sowie Südtirol ca. defizite und definiert den künftigen Forschungs- 30 % der Waldfläche und in der Schweiz um die bedarf für Österreichs Schutzwälder in insge- 40 % der Waldfläche als Wälder ausgewiesen, samt achtzehn Themenbereichen, unterteilt in deren primäre Funktion die Verhinderung dieser Grundlagen, Ökologie, Bewirtschaftung, Klima- Naturgefahrenprozesse ist. wandel sowie gesellschaftsrelevante Aspekte. Im abschließenden Kapitel werden wesentliche Wie alle Wälder stehen auch Schutzwälder in internationale Rahmenbedingungen, die den ständiger Wechselwirkung mit einer sich ver- Schutzwald betreffen, behandelt. ändernden Biosphäre. Sie werden zunehmend mit Anforderungen an nachwachsende Rohstoffe Österreich ist untrennbar mit dem Landschafts- und ressourcenorientierte Technologien sowie ge- bild temperierter Wälder verbunden. Sie sind sellschaftlichen Veränderungen konfrontiert. In Grundlage für wirtschaftliche Unabhängigkeit diesem Sinne bedeutet der Klimawandel in seinen und Wohlstand, verbessern die Lebensqualität unterschiedlichen Ausprägungen, wie Extrem-nie- und bieten Schutz vor abtragenden Kräften der derschläge, Trockenheit oder einer Zunahme von Natur. Wenn Wälder nachhaltig bewirtschaftet Störungen, eine massive Bewährungsprobe für un- werden, erbringen sie viele gesellschaftsrele- sere Schutzwälder. Er stellt uns vor Herausforde- vante Leistungen wie Bodenschutz, Schutz vor rungen, welche nur durch eine heuristische He- Naturgefahren, erneuerbare Rohstoff- und rangehensweise im Sinne trans- und interdiszipli- Energiequelle, Schaffung von Arbeitsplätzen, närer Anstrengungen bewältigt werden können. Klimaschutz, Erhaltung von Ökosystemen und damit den Erhalt der alpinen Landschaft. Wälder Weiters stellt die verzögerte Wiederbewaldung beeinflussen daher zu einem erheblichen Teil im Schutzwald vielerorts ein großes Problem dar. auch die kulturelle Identität Österreichs. Konzepte für die Optimierung der Baumarten- wahl, rechtzeitige Verjüngung und optimale Der vorliegende Bericht betrachtet den Wald als Waldstruktur, Minimierung des Naturgefahrenri- prägendes Element der alpinen Landschaft, der sikos, optimiertes Wildtiermanagement, Anpas- einen natürlichen Schutz vor Naturgefahren sungen und Verbesserungen bei Wegebau und bietet. Diese Bergwälder unterliegen seit Jahr- Ernteverfahren sowie für die Entwicklung ent- tausenden, besonders intensiv aber seit dem sprechender Handlungs- und Bewirtschaftungs- ausgehenden Mittelalter, einer vielfältigen Be- anleitungen und deren Verankerung über ver- anspruchung und Nutzung (z.B. Waldweide, mehrte Schulung in der Praxis sind dringend er- Streunutzung, Schneitelung, temporärer Acker- forderlich. Monitoring und wissenschaftliche bau, intensive Holznutzung für Bergbau). Erst Studien zu verschiedenen Themen, wie Saatgut- Ende des 18. Jahrhunderts wurden intensive Nut- Herkunftsversuche, Bodenchemie - Stoffeinträge, zung und Rodung im Gebirge von französischen Wasserhaushalt, Entwicklung nach Störungen, Wissenschaftlern als Ursachen großer Über- Überprüfung der Schutzwirkung nach Naturge- schwemmungen „im Unterland“ erkannt. Bald fahrenprozessen und die Erhebung flächen- schon wurde diese Erkenntnis generalisiert und deckender Daten zum Schutzwald, z.B. über die auf den ganzen Alpenraum übertragen. Seit dem Waldtypisierung, wäre dringend zu intensivieren. 19. Jahrhundert ist die Alpenregion im Umgang Vor allem wird die Behandlung des legistischen mit Schutzwäldern historisch führend und Be- Bereiches zu Fragen der Forstpolitik, Raumplanung wirtschaftungstechniken können als Teil des und der Sozioökonomie entscheidend sein. europäischen Kulturguts betrachtet werden. 5
SCHUTZWALD – GRUNDLAGEN Schutzfunktion und Schutzwirkung des Waldes: Schutzgüter, Risikoanalyse und Bewertung Michaela Teich, Frank Perzl, Sven Fuchs, Maria Papathoma-Köhle und Christian Scheidl Stand des Wissens und Forschung und Praxis, um die Wirkung von Wald Kernaussagen auf das Naturgefahrenrisiko zu quantifizieren. Eine kürzlich veröffentlichte Literaturstudie hat gezeigt, dass nur 60 von insgesamt 10.357 Risiko ergibt sich aus der Schnittmenge von zwischen 1980 und 2019 veröffentlichten Gefahr, Exposition und Vulnerabilität. Wald ist peer-reviewten Publikationen, die sich mit dem eine effiziente Risikoreduktionsmaßnahme; Risikomanagement von gravitativen Natur- jedoch werden technische Schutzmaßnahmen gefahren (Lawine, Steinschlag, flachgründige im integralen Risikomanagement zur Prävention Hangrutschungen, Murgänge) beschäftigen, vor Schäden durch Naturgefahren bevorzugt auch ökosystembasierte Risikoreduktions- eingesetzt, da sie allgemein als effektiver und maßnahmen mit einbeziehen. Von diesen schneller umsetzbar angesehen werden. Ebenso 60 Studien wurde nur eine in Österreich existieren derzeit nur wenige Methoden in durchgeführt. Klimawandel Sozio ökonomische Umweltbedingungen Natürliche Störungen Bedingungen Bewirtschaftung Eigenschaften der gefährdeten Elemente, den Auswirkungen einer Gefahr Wildeinfluß Schutzwald Schutzwald zu widerstehen, diese zu Baumarten Struktur bewältigen, und sich davon zu erholen influsst = bee Vulnerabilität Ausmaß der physischen, sozialen, wirtschaftlichen, Wirkung des Waldes auf: institutionellen oder Naturgefahren- Eintrittswahr- Ausbreitungs- ökologischen Verluste prozess scheinlichkeit wahrscheinlichkeit Intensität Gefahr Risiko Lawinen Wahrscheinlichkeit, dass + (+) (+) Menschen, ihr Eigentum, !! Steinschlag Infrastruktur, Umwelt-, Kultur- (-) + + oder Sozialleistungen zum ! Exposition Flachgründige Zeitpunkt des Auftretens Hangrutschungen + + (+) einer Gefahr vorhanden sind !!! × Murgänge Gesamtwert potentieller (+) (+) (+) !!! usst Schäden beeinfl + = positive Waldwirkung (Reduzierung) (+) = positive Waldwirkung in bestimmten Fällen (-) = negative Waldwirkung in bestimmten Fällen (Erhöhung) Konzeptionelle Darstellung der klimatischen, ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, die das Risiko von gravitativen Naturgefahrenprozessen im Gebirge beeinflussen, welches sich aus den Wechselwirkungen von Gefahren (dunkelblau) mit der Exposition (hellblau) und Vulnerabilität (blau) ergibt. Die Wirkungen des Waldes auf die drei Gefahrenkomponenten (Eintrittswahrscheinlichkeit, Ausbreitungswahrscheinlichkeit, Intensität) ist in grün (+/-) hervorgehoben und der Forschungsbedarf zu Wald-Prozess-Interaktionen in rot (!). 8
SCHUTZWALD – GRUNDLAGEN Wald beeinflusst das Risiko in Abhängigkeit von stellt vor allem die Abschätzung der Eintritts- seiner Struktur und je nach Naturgefahren- wahrscheinlichkeit eine große Herausforderung prozess vor allem durch seine Wirkung auf eine dar, weil Langzeitbeobachtungen fehlen und die oder mehrere der drei Gefahrenkomponenten: damit verbundenen statistischen Unsicherhei- Eintrittswahrscheinlichkeit, Ausbreitungswahr- ten groß sind. Numerische Simulationsmodelle scheinlichkeit und Intensität. Aber auch Exposi- oder empirische Vorhersagemodelle werden be- tion und Vulnerabilität hängen zu einem gewissen nutzt, um Intensität und Ausbreitungswahr- Grad durch die Ausbreitungswahrscheinlichkeit scheinlichkeit von Naturgefahren abzuschätzen. bzw. die Intensität eines Gefahrenereignisses Dies geschieht in der Regel durch Erhöhen (La- vom Wald ab (siehe Abbildung). wine, flachgründige Hangrutschungen, Mur- gänge) oder Hinzufügen von Rauigkeitsparame- Im Risikokontext ist es dabei nicht nur entschei- tern (Steinschlag), durch die Modellierung der dend, wie ein Wald einen Naturgefahrenprozess Energiedissipation (Steinschlag) oder dem Ent- aufgrund seiner Struktur beeinflusst (Schutzwir- zug von Masse (Detrainment; Lawine). Je nach kung), sondern auch wo (Schutzfunktion). Mit der Modellierungsansatz ist es mehr oder weniger neuen Hinweiskarte Schutzwald in Österreich und möglich, die Wirkung unterschiedlicher Wald- der auf Modellierungen basierenden Ausscheidung strukturen abzubilden; die Entscheidung für von Wäldern mit Objektschutzfunktion wurde einen Ansatz basiert oft auf einem Kompromiss somit ein wichtiges Instrument zur risikobasierten zwischen vollständiger Berücksichtigung der Schutzwaldbewirtschaftung im Rahmen eines in- Schutzwirkung (Genauigkeit) und dem damit tegralen Naturgefahren-Risikomanagements ge- verbundenem Rechenaufwand, wobei auch hier schaffen, das vor allem hilft, Ressourcen best- die „Genauigkeit“, mit der die Wechselwirkungen möglich zu verteilen und Prioritäten zu setzen. zwischen Wald und Naturgefahrenprozess simuliert wird, von derzeitig verfügbaren physi- Untersuchungen zur Schutzwirkung von kalischen Studien und Beobachtungen abhängt. Wäldern vor Naturgefahrenprozessen haben speziell im europäischen Alpenraum eine lange Tradition. Deren Ergebnisse werden häufig für Defizite die Kartierung von Schutzwäldern und die Er- stellung von zielgerichteten Bewirtschaftungs- Die Berücksichtigung von Schutzwäldern im konzepten verwendet. Für Österreich fehlt aller- integralen Risikomanagement sowie die Ent- dings bis heute eine umfassende bzw. offizielle wicklung von risikobasierten Schutzwaldbewirt- Schutzwaldbewirtschaftungsrichtlinie, wobei schaftungskonzepten sind interdisziplinäre Auf- ein kürzlich durchgeführter Vergleich der in den gaben, die Wissen, Erfahrung und Methoden aus Europäischen Schutzwaldbewirtschaftungs- verschiedenen Forschungs- und Praxisbereichen richtlinien veröffentlichten Zielvorgaben für erfordern. Forschungsdefizite bestehen dabei „schützende“ Waldparameter mit denen von tat- vor allem in folgenden Bereichen: sächlich aufgetreten Naturgefahrenereignissen • Quantifizierung der Wirkung von Bäumen im Wald zeigt, dass die meisten Richtlinien die und Wäldern auf Naturgefahrenprozesse; Schutzwirkung des Waldes insbesondere gegen • Entwicklung von ganzheitlichen risiko- Lawinen überschätzen. Dies kommt daher, dass basierten Bewertungsverfahren/Risikoana- je nach Naturgefahrenprozess der Stand des lysen, welche die Wirkung des Waldes besser (quantitativen) Wissens zur Wirkung des Wal- einbeziehen/quantifizieren; des sehr unterschiedlich ist und lässt sich vor • Berücksichtigung von Waldstandorten sowie allem damit erklären, dass – je nach betrachte- den sozio-ökonomischen Bedingungen als tem Naturgefahrenprozess – der Aufwand von dynamische (Öko-)Systeme, was länger- Feld-, Labor- und Modellierungsstudien ver- fristig dynamische Methoden und die Dar- schieden und in der Umsetzung oft limitiert ist. stellung der damit verbundenen Unsicher- In Risikoanalysen, welche Wald einbeziehen, heiten erfordert. 9
SCHUTZWALD – GRUNDLAGEN Für die angeführten Punkte stellen fehlende, • Schutzwirkung und Klimawandel: Die Verän- inhomogene und nicht aktuelle Datengrund- derung der Schutzwirkung nach natürlichen lagen die größte Herausforderung dar. Zum Bei- Störungen wie Windwurf, Borkenkäfer oder spiel wurde beim Erarbeiten der Hinweiskarte Feuer sollte in Feldstudien untersucht wer- Schutzwald in Österreich sehr deutlich, dass die den, um daraus Handlungsempfehlungen ab- derzeit verfügbaren Geodaten nicht auf die Ab- leiten zu können. leitung von Risiken vor Naturgefahrenprozessen • Zukünftige Entwicklung des Naturgefahren- ausgerichtet sind. Insbesondere sind die räum- risikos: Risiko ändert sich fortlaufend durch lichen Daten zu den Schutzgütern zur Bestim- sich ändernde klimatische (z.B. Niederschlag- mung der Exposition inhomogen, unvollständig form und -intensität, natürliche Störungen), und oft nicht aktuell. Bestehende Planungs- ökologische (z.B. Baumartenzusammenset- grundlagen und Bewirtschaftungsrichtlinien zung, Wild), wirtschaftliche (z.B. Waldbewirt- basieren zwar auf dem derzeitigen Stand des schaftung, Holzpreise), politische (z.B. Richt- Wissens, unterscheiden sich aber teilweise stark linien, Subventionen) und soziale Bedingun- und könnten mit mehr Daten von gut dokumen- gen (z.B. Bau neuer Infrastruktur, Ausweitung tierten Ereignissen überarbeitet werden bzw. der Siedlungsfläche, Erweiterung von Skige- müssen mittel- bis langfristig an sich ver- bieten), die alle Komponenten des Risikos ändernde Situationen angepasst werden. beeinflussen. Deshalb bedarf es dynamischer Methoden auf unterschiedlichen räumlichen Fehlende Daten und Studien sind auch ein und zeitlichen Skalen, um Entwicklungs- Grund für bestehende Defizite im Prozessver- szenarien darstellen und fortlaufend aktuali- ständnis - besonders in der Interaktion zwischen sieren zu können. Naturgefahrenprozess und Wald. Ein fundiertes • Entscheidungshilfen für die Forstwirtschaft: Prozessverständnis ist jedoch notwendig, um Praktische und anwendbare „Decision Support bestehende Modelle zu verbessern oder neue Tools“ (Karten, Computermodelle, Richtlinien, Modellierungsansätze zu entwickeln. etc.) für ein risikobasiertes Schutzwaldmana- gement müssen durch die Forschung in enger Zusammenarbeit mit der Praxis erarbeitet und Forschungsthemen von der Politik unterstützt werden. • „Optimale“ Waldstruktur zur Risikominimierung: Vor allem für die Prozesse Lawine, flach- gründige Rutschungen und Murgänge fehlen Datengrundlagen, welche durch (länderüber- greifende) harmonisierte Aufnahmeprotokolle zur Datenerhebung und -dokumentation, ein- heitliche Datenspeicherung und Feldstudien ergänzt werden sollten. • Bewertung von Schutzfunktion und Schutz- wirkung: Es fehlen Konzepte und Daten- modelle, um mit Hilfe der bestehenden Geo- dateninfrastruktur Schutzziele (Schadenspo- tenziale) standardisiert abzubilden. Diese gilt es zu entwickeln und zu implementieren und die erforderlichen Geodaten zu ver- bessern sowie Modelle zur großflächigen Schätzung der potenziell möglichen Prozess- ausbreitung und des Schadenspotenzials weiterzuentwickeln. 10
SCHUTZWALD – GRUNDLAGEN Schutzwaldmonitoring und Geoinformation Klemens Schadauer, Alexandra Freudenschuß, Ambros Berger und Thomas Gschwantner Querschnittsmaterie mit Beiträgen aus den anderen Themenbereichen des Berichtes Grundsätzliches Wissensstand Modernes Naturraummonitoring erfordert eine Die Herausforderungen für ein effizientes optimierte Nutzung und Kombination aller rele- Schutzwaldmonitoring sind im Allgemeinen be- vanten Datenquellen. Wichtig ist, dass die kannt: Die Hauptfrage für jedes Naturraum- Daten der Funktion eines Monitorings ent- monitoring betrifft die Kombination aus räum- sprechen, also Veränderungen über der Zeit ein- licher, zeitlicher und sachlicher Skalierung der heitlich abbilden können. Bei den klassischen Daten. Vorortmethoden ist das öfter gewährleistet als beim Einsatz moderner Fernerkundungsmetho- Welche Parameter werden auf welchen Flächen den, deren Weiterentwicklung relativ rasch und erhoben und wie oft werden die Erhebungen oft ohne Einfluss der Nutzer*innen vor sich geht. wiederholt? Im Normalfall stehen diese drei Über das naturräumliche Monitoring des Schutz- Skalen zueinander in Konkurrenz. Je feiner eine waldes hinaus sind auch sozial- und wirtschafts- Skala gewählt wird, umso gröber müssen die wissenschaftliche Aspekte und entsprechende anderen sein, da in der praktischen Umsetzung Monitoringverfahren wesentlich. Diese sind in eines Monitorings hauptsächlich die Kosten der den jeweiligen Kapiteln dieses Berichtes behan- limitierende Faktor sind. Daraus ergibt sich klar delt und werden hier nicht weiter ausgeführt. die Forderung nach einem Monitoringsystem, Kolorierte 3D Punktewolken aus Luftbildern sind ein wichtiges Werkzeug für ein flächendeckendes Schutzwaldmonitoring. 11
SCHUTZWALD – GRUNDLAGEN das aus verschiedenen Komponenten mit unter- sätzliche Fachmonitoringverfahren eingesetzt schiedlichen Skalierungstiefen besteht und werden. Wenn z.B. die Schutzwirkung des Waldes dabei die verfügbaren Mittel optimal einsetzt. gegenüber Lawinen laufend evaluiert werden soll, sind die entsprechenden Indikatoren und Moderne Technologien ermöglichen, die Skalierung deren Schwellwerte in einem eigenen Monitoring der erhobenen Parameter relativ kostengünstig zu erarbeiten bzw. zu schärfen, damit sie dann zu verbessern. So liefern z.B. die Sentinel2- großräumig, z.B. bei der ÖWI, eingesetzt werden Satelliten pro Jahr zwischen 5 und 30 brauch- können. bare Aufnahmen für jedes 10x10 m Pixel, wobei das gesamte Bundesgebiet abgedeckt ist. Die Für ein Schutzwaldmonitoring gelten spezielle stichprobenbasierten Erhebungen der Österrei- Bedingungen, da steile Lagen sowohl für Vorort- chischen Waldinventur (ÖWI) haben dagegen methoden als auch für die Fernerkundung einen Erhebungszyklus von sechs Jahren und Heraus forderungen mit sich bringen. So gelten decken mit den Probeflächen 0,08 Promille der etwa 25 % der ÖWI-Probeflächen im Standort- Waldfläche ab. Dieser im Verhältnis zu Sentinel2 Schutzwald als unbegehbar. Für die spektrale relativ groben Skalierung in Raum und Zeit ste- Fernerkundung mittels Luft- oder Satelliten- hen ein großer sachlicher Umfang mit hoher De- bildern sind steile Gebiete aufgrund von tailliertheit und der Stichprobencharakter der Schatten ebenfalls mit Schwierigkeiten verbun- Daten gegenüber. Mit Hilfe von statistischen den, aber auch bei Laserscanningverfahren ist Modellen und künstlicher Intelligenz können die Lagegenauigkeit im steilen Gelände geringer sachlich tiefgehende detaillierte Daten mit als im Flachland. räumlich und zeitlich fein skalierten Daten ver- knüpft werden. Dadurch erhält man insgesamt Eine weitere Besonderheit sind einerseits lang- ein Monitoringsystem, das in allen drei Skalen sam ablaufende Pflanzenwachstums- oder Zer- hoch aufgelöst ist. setzungsprozesse und andererseits abrupte und täglich mögliche Ereignisse gravitativer Massen- Für ein adäquates Schutzwald-Monitoringsystem bewegungen. Dieses breite Band an zeitlicher ist der sachliche Umfang der ÖWI jedoch bei Skalierung muss für ein Schutzwald-Monitoring- weitem nicht ausreichend. Es müssen darüber konzept mitgedacht werden. Für eine feine hinaus für verschiedenste Themenbereiche zu- räumliche Skalierung spielen auch Luftbildbe- fliegungen in Kombination mit Image Matching und La- serscanning eine wichtige Rolle. Wie immer bei Ferner- kundungsverfahren gibt es hier einen Trade-off zwischen räumlich extrem hochauflö- senden Verfahren wie den terrestrischen Methoden (z.B. personengetragenes Laser- scanning) oder den Groß- raumbefliegungen mit gröbe- rer Pixelauflösung aber einer bundesweiten Abdeckung. Die drohnengetragenen Sys- teme stehen hier dazwi- schen. Generell ist aber die räumliche Auflösung auch Satellitenbilder liefern zeitnahe Informationen über den Waldzustand schon bei der österreichwei- 12
SCHUTZWALD – GRUNDLAGEN ten Befliegung mit Pixelgrößen von 20x20 cm Forschungsbedarf hoch. Bei der Anwendung von Fernerkundungs- daten muss vor allem in orographisch herausfor- • Entwicklung eines integralen Schutzwald- dernden Lagen, wie im Schutzwald, die Daten- Monitoringsystems im Objekt- und Standort- qualität in Form der räumlichen Lagegenauigkeit schutzwald und spektralen Homogenität berücksichtigt » Prüfung der Integration von vorhandenen werden. Dabei spielen auch die großen Daten- Systemen, z.B. ÖWI, BIN, Biosoil und mengen und deren aufwändige Verarbeitung Hora, Abschätzung des Zusatzbedarfes eine wichtige Rolle. » Qualitätsanalysen für Kartenprodukte » Kosten- und Wirkungsanalysen ver- Neben den klassischen drei Skalen Raum, Zeit schiedener Monitoringvarianten und Sache bringt die Kostendimension zu- sätzliche Herausforderungen mit sich. Kosten- Subthemen - Monitoringverfahren: Nutzen-Analysen von Monitoringverfahren sind • Evaluierung der Skalentiefe unterschiedlicher generell schwierig, vor allem, wenn es auch um Methoden und Vergleiche mit dem Monito- die Schaffung von Bewusstsein in der Politik und ringbedarf der Öffentlichkeit geht. Semiquantitative • Analyse der Wirkung technischer Weiterent- Wirkungsanalysen sind leichter möglich. wicklung auf die Qualität von Zeitreihen Subthemen - Sachmonitoring: Konzepte für Monitorings • zur Entwicklung neuer und Absicherung be- kannter Indikatoren zur Beurteilung der Schutzwirksamkeit, getrennt nach Gefahren- prozessen inklusive Verjüngung • für detailliertere Information zu Gebietsab- fluss bei Stark- und Dauerregenereignissen • auf Waldbrandflächen • von Borkenkäfermassenvermehrungen in schwer zugänglichen Schutzwäldern • von Kalamitäten zur Erhebung des Saatgut- bedarfes • von invasiven Arten und Neobiota – neue biotische Schadfaktoren im Schutzwald • von Windschutzanlagen und Prüfung der Überlappungen und Synergien zwischen den einzelnen Sachmonitoring- Methoden Subthemen - Beispiele mit Innovationspotenzial: • Einsatz von Drohnen für detaillierte Wald- strukturerhebungen • Verjüngungsmonitoring mit automatischen Kameras und photogrammetrischer Aus- wertung • Funksensorik im Schutzwald: z.B. Boden- Auf die Erhebungen vor Ort kann nicht verzichtet werden. feuchte, Bodentemperatur 13
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Schutzwald – Ökologie 15
SCHUTZWALD – ÖKOLOGIE Ökosystem Bergwald: Wachstums- und Standort- faktoren, Waldtypisierung und Wachstumsmodelle Michael Englisch, Eduard Hochbichler, Georg Kindermann, Klaus Klebinder, Ralf Klosterhuber, Roland Köck und Thomas Ledermann Stand des Wissens Diese Faktoren wurden bislang zumindest über eine Umtriebszeit als relativ konstant ange- Im Ökosystem Bergwald sind das Klima, welches sehen; mit dem Klimawandel verändern sich der den Wärmehaushalt treibt, der Wasserhaushalt Wärmehaushalt, der Wasserhaushalt (Transpira- sowie der Nährstoffhaushalt die wesentlichen tion, ggf. Niederschlag und -verteilung) und in Faktoren, die das Baumwachstum, das Baumar- geringerem Ausmaß der Nährstoffhaushalt. Zum tenartenvorkommen und die Eigenschaften erwarteten Ausmaß der Veränderung von klima- eines Standortes prägen. Von besonderer Be- tischen Parametern wird auf das Kapitel Klima- deutung sind im Bergwald abiotische und bioti- wandel verwiesen. sche Risikofaktoren, die teilweise anthropogen überprägt werden, sowie direkte menschliche Diese Veränderungen bewirken eine Verschie- Einflüsse. bung der Waldgrenze bzw. der klimatischen Höhenstufen um mehrere 100 m nach oben (+0,65° C ~ +100 m). Damit werden wesentliche, laufende Veränderungen der Waldtypen bzw. der Baumartenzusammensetzung, aber auch des Waldwachstums am konkreten Waldort in unter- schiedlichem Ausmaß in kurzer Zeit erwartet. Generell besseres Wachstum und erhöhte Pro- duktion von Biomasse ist gerade in höheren Bergwaldlagen ebenso zu erwarten wie Verän- derungen der Wuchsrelationen und der Konkur- renzsituation zwischen den bestimmenden Baumarten sowie in der Folge veränderte Schutzfunktionalitäten. Im Bereich des Schutz- waldes werden sich die Wuchsbedingungen der Fichte verbessern, wie dies neuere Unter- suchungen zeigen. Neben Einzeluntersuchungen über Modellrechnungen stehen für einige Regio- nen des Bergwaldes auch höher auflösende In- formationen zur Resilienz und Vulnerabilität des Bergwaldes zur Verfügung. Rückkoppelungen zwischen den einzelnen Störungsfaktoren (z.B. Borkenkäfer, Windwurf) sind zu erwarten. Kritische, nicht reversible Systemveränderungen im Bergwald (etwa von Nadelwaldgesellschaften 16
SCHUTZWALD – ÖKOLOGIE zu Laubwaldgesellschaften) können bei einer begonnen. WASIM, MOSES, PROGNAUS und Temperaturzunahme von 2 °C auftreten. CALDIS sind vier österreichische Vertreter sol- cher Modelle. Während die Entwicklung von Die klimabedingte Waldgrenze und deren Ver- WASIM und MOSES auf Daten von waldwachs- änderung können mit den vorliegenden Parame- tumskundlichen Versuchsflächen basiert, wurde tern sehr genau modelliert werden; daneben für die Entwicklung von PROGNAUS und CAL- spielen edaphische Faktoren und die Nutzungs- DIS auf die Daten der Österreichischen Waldin- geschichte ebenso eine Rolle wie die Vegetati- ventur (ÖWI) zurückgegriffen. Aus diesem onsdynamik. Das Höhersteigen von Gefäß- Grund sind die beiden Letztgenannten für An- pflanzen wird intensiv untersucht, eine Auf- wendungen auf Inventurdaten besonders geeig- wärtswanderung von einigen 10-er-Metern gilt net und bilden die Basis für österreichweite Pro- als gesichert; bei den Baumarten gilt hier die jektionen zu Waldentwicklung und Holzaufkom- Zirbe als bestuntersucht (100-200 m). men. Neben den genannten Modelltypen steht auch das hybride Waldökosystemmodell PICUS Erhöhte Luft- und damit Bodentemperaturen zur Verfügung, dass klimasensitiv ist sowie inte- führen im Allgemeinen zu signifikanten Boden- ragierende Störungsmodule für Borkenkäfer und kohlenstoffverlusten durch raschere Umsetzung Sturmschäden beinhaltet. PICUS kann sehr gut organischer Substanz bzw. Ausgasung (klima- auf Basis von Inventurdaten (ÖWI) für öster- relevante Treibhausgase), besonders auf Humus- reichweite Projektionen eingesetzt werden. böden der Nördlichen Kalkalpen (1-3 t.ha-1.a-1), oft verstärkt durch nicht standortsangepasste Be- wirtschaftung oder Störungen (
SCHUTZWALD – ÖKOLOGIE Bodeninformationen, die chemische und physi- Im Kontext des Klimawandels ist über die Dyna- kalische Analysen beinhalten, stehen im mik des Ansteigens der Waldgrenze und der (Berg)wald nur lokal und vereinzelt aus For- Kampfzone als Ursprungsort für viele erosive schungsprojekten und österreichweit nur aus Prozesse (Lawinen, Muren, Steinschlag, etc.) den Daten der Waldboden-Zustandsinventur, wenig bekannt, speziell im Hinblick auf mögliche dem Netz von ICP-Forests, Beregnungsversuchen Hindernisse für diesen Prozess. und den Messtellen des hydrographischen Diensts zur Verfügung. Bodenansprachen mit Auch bei Beurteilung der Baumarteneignung eingeschränktem Parametersatz sowie ohne che- existieren Wissenslücken bez. Autökologie mische und physikalische Daten sind darüber (Ökophysiologie der Baumarten) wichtiger hinaus österreichweit nur aus den Erhebungen Baumarten im Schutzwald, ebenso ist die Syn- der ÖWI vorhanden. Bodenkundliche Informatio- ökologie wenig erforscht. nen aus Flächen über der Waldgrenze gibt es kaum. Räumlich explizite Darstellungen der Zum Wasserumsatz in Schutzwäldern (Kronen- Wasserspeicherung und des Nährstoffumsatzes raum und Bodenwasserhaushalt) fehlen geo- im Bergwald fehlen weitgehend. statistisch fundierte Messansätze, welche die Inputgrößen mit entsprechender räumlicher und Die forstliche Wuchsgebietsgliederung beruht zeitlicher Auflösung darstellen können. Inter- auf einer überholten Klimazeitreihe aus der 2. zeptionsgewinne durch Nebelniederschläge und Hälfte des 20. Jahrhunderts, vor der jüngsten Raueisanhänge im Kronenraum von Schutz- intensiven Erwärmungsphase. Die in der Wuchs- wäldern sind kaum quantifiziert (z.B. winterliche gebietsgliederung definierten Höhenstufen- Interzeptionsmessung mit Mikrowellenextinktion). Grenzen orientieren sich an Klimadaten der 1960er Jahre und an zum Teil noch älteren Wenig entwickelt sind Verfahren zur flächigen vegetationskundlichen Karten. Die statische Erfassung und zum flächigen Monitoring der Darstellung der Wuchsgebietsgliederung von Bodenfeuchte, von Wasserflüssen in Waldböden Österreich mit den abgegrenzten Wuchs- und der Erfassung physikalischer Bodeneigen- gebieten und Höhenstufen hinkt demnach hin- schaften (z.B. Skelettgehalt, Gründigkeit). Dies ter dem Erwärmungstrend der letzten Jahr- ist derzeit mit Satelliten-Daten, über Aerogeo- zehnte – in den Alpen im Jahresdurchschnitt um physik bzw. andere Verfahren nicht seriös mög- ca. 1 °Celsius – hinterher und bedarf einer lich. Flächige Informationen zur Winter- und aktualisierten dynamischen Darstellung. Schmelzfeuchte im Schutzwald fehlen weit- gehend. Der Nährstoffhaushalt als Wachstums- und Standortsfaktor kann für Standorte gut charak- Für die Parametrisierung von Waldwachstums- terisiert werden und könnte über Pedotransfer- modellen wurden bislang nur Daten aus dem Er- funktionen räumlich explizit dargestellt werden, tragswald verwendet, die Daten von etwa wenn die oben angesprochenen Datendefizite be- 500.000 ha Schutzwald außer Ertrag standen seitigt würden. Zu Bodenprozessen auf Sonder- bisher nicht zur Verfügung, obwohl gerade in standorten existieren nur vereinzelte Unter- diesem Bereich die Waldfläche stark zugenom- suchungen (z.B. Bodenbiologie klimatische men hat. Ob die aus den Versuchen in tieferen Extreme Verfügbarkeit von Schlüsselnähr- Lagen abgeleiteten Behandlungskonzepte auch stoffen; Veränderung des C und N-Kreislaufs auf den Berg- bzw. Schutzwald übertragen durch Bewirtschaftung und Klimawandel; C- werden können, ist nicht eindeutig geklärt. Speicherung im Schutzwald; alpine Humus- Darüber hinaus kommen im Schutzwald oftmals formen; Umsetzung von organischer Substanz verschiedene Formen der Dauerwaldbewirt- im alpinen Raum). Auch hier existieren er- schaftung mit kleinflächigen Behandlungsein- hebliche Datendefizite. heiten und Verjüngung aus der Randstellung zur 18
SCHUTZWALD – ÖKOLOGIE Anwendung. Eine umfassende waldwachstums- zahlhaltung auf Wachstum und Stabilität von kundliche Untersuchung solcher Bewirtschaf- Schutzwäldern durch Anlage von Versuchs- tungsformen fehlt. flächen. • Vergleich von Wachstum, H/D-Wert-Ent- wicklung und Verjüngung im Plenterwald sowie bei Femel- und Saumschlagbewirt- Forschungsthemen schaftung. Digitalisierung und dynamische Waldwachstumsmodellierung Waldtypisierung • Aufgrund der standörtlichen Besonderheiten • Dynamische, digitale Kartierung der Waldty- von Neubewaldungsflächen ist es dringend pen im Bergwald im operativen Maßstab als erforderlich, das Waldwachstumsmodell Grundlage zur nachhaltigen Bewirtschaftung CALDIS dahingehend zu adaptieren. Zu- und Risikoabschätzung im Bergwald, insbe- wachsdaten aus dem Schutzwald außer Er- sondere im Hinblick auf die dauernde Erhal- trag stehen ab dem Jahr 2022 laufend zur tung von Schutzfunktionalitäten. Verfügung. • Digitale Kartierung (Digital soil mapping) von • Das Wachstum von Bäumen ist immer ein hochqualitativen Datengrundlagen zum Kampf um Ressourcen. Ein wichtiger Aspekt Boden und zum Untergrundsubstrat sowie in jedem Wachstumsmodell ist daher die zum Wassereinfluss (Stau-, Grund- und Modellierung der Konkurrenzsituation von Hangwasser) unter Verwendung von daten- Bäumen. Ob in der Hochlage der Faktor basierten Modellen. „Konkurrenz“ die gleiche Wirkung auf das • Räumliche explizite Darstellung über die ak- Baumwachstum hat wie in den tiefen Lagen, tuelle und zukünftige Baumarteneignung und ist bisher nicht geklärt. die Projektion zonaler Waldgesellschaften im • Wachstumsmodelle für (Natur-)Verjüngung Regionalmaßstab auf Grundlage von Baum- für Bäume mit einem BHD unter 5 cm zur Ab- artenverbreitungsdaten nationaler Forstin- schätzung von Verjüngungszeiträumen ins- venturen und überregionaler Vegetationskar- besondere in Hinblick auf den zeitlichen Ver- ten und von flächigen Klimaindikatoren („dy- lauf der Schutzwirkung. namisierte Wuchsgebietsgliederung“). • Waldtypisierung von Grabenstandorten in Schutzfunktionalität Hinblick auf Vermeidung beziehungsweise Milderung von Erosionsprozessen im Zuge • Analyse und Entwicklung von Pedotransfer- von Extremereignissen; räumlich explizite funktionen zur Bewertung der Wasserspei- Aussagen zur Stabilisierung der Bewaldung cherkapazität von alpinen Waldböden. Dies von Grabenstandorten; betri insbesondere Standorte, an denen • Dynamik des Ansteigens der Waldgrenze die Wasserspeicherkapazität vorwiegend und der Kampfzone der Waldökosysteme, über die Humusauflage abgedeckt wird. mögliche Hindernisse für diesen Prozess. • Optimierung der zeitlichen und räumlichen (land use change; Charakterisierung und Schutzfunktionalitäten im subalpinen Raum räumlich explizite Darstellung „neuer“ Wald- in Hinblick auf die Hauptbaumarten (Fichte, standorte) Zirbe, Lärche) • Wasserschutzfunktion von Waldökosystemen Anlage von Versuchsflächen (Wasser-Schutzgebiete, Wasser-Schonge- biete und Hochwasser-Vermeidungs-Projekt- • Untersuchungen zum Einfluss der Begrün- gebiete) unter Benutzung des Wald-Hydro- dungsstammzahl und der weiteren Stamm- top-Modells. 19
SCHUTZWALD – ÖKOLOGIE Wasserhaushalt und Bodenschutz Gerhard Markart, Herbert Hager, Klaus Katzensteiner, Helmut Schume und Bernhard Kohl Stand der Forschung lastungssituation” entstehen. In solchen Fällen nähert sich das Abflussverhalten von Wald- Der Abfluss in Einzugsgebieten wird maßgeblich flächen jenem der umgebenden waldfreien Be- von den Faktoren Niederschlag, Temperatur, reiche an. Bodenfeuchte und Verdunstung beeinflusst. Im Wald ist die freie Wasserspeicherkapazität des Waldbewirtschaftung und Landnutzung können Bodens deutlich höher als außerhalb, weil Bäume den Zeitpunkt und die Menge des Wassers, das einen höheren Verdunstungsanspruch im Ver- über die verschiedenen Abflusswege (Ober- gleich zu niedriger Vegetation haben. Darüber hi- flächenabfluss, Zwischenabfluss, Tiefensicke- naus transpirieren die im Schutzwald überwiegen- rung) in den Vorfluter eingeleitet wird, und vor den immergrünen Nadelbaumarten gegenüber allem die Fließwege selbst, massiv verändern. Laubbaumarten auch im Winter erhebliche Was- Kahlschläge führen zu einem deutlich erhöhten sermengen. Damit ist die Abflussdisposition von Abfluss, Eingriffe in geringer Stärke (bis 20 % Nadelwäldern im Vergleich zum Laubwald und des Vorrates) zeigen kaum Effekt. Bei rascher insbesondere zum umgebenden Freiland im be- natürlicher Wiederbewaldung nimmt die nach ginnenden Frühjahr und im Spätherbst geringer. der Hiebsführung häufig erhöhte Vorfeuchte im Boden in den meisten Fällen innerhalb von 3-10 Humus in Laubholzbeständen weist sehr kurze Jahren aufgrund der Verdunstungsleistung der Eindringzeiten für Niederschläge auf, diese sind sich einstellenden Schlagvegetation und der bei Koniferen (Fichte, Kiefer) deutlich höher, bis aufkommenden Verjüngung wieder ab. zum Strohdacheffekt in dichten Fichtenbestän- den ohne Unterwuchs. Dagegen wirkt eine raue Großflächige Kalamitäten, insbesondere Wind- Oberfläche mit Totholz, dichter Bodenvegeta- würfe, mit nachfolgender Räumung der Kahl- tion oder Schlagabraum Abfluss verzögernd fläche haben besonders auf (flachgründigen) (siehe Abbildung). Ein großer Teil des Nieder- Karbonatstandorten einen deutlichen Humus- schlages sickert insbesondere bei Baumarten schwund zur Folge. Bei fehlender Wiederbewal- mit Stammablauf entlang der Wurzeln in den dung ist innerhalb weniger Jahre ein großer Teil Boden ein. Diese und Makroporen im Boden er- des Kohlenstoff-Vorrates abgebaut. Erschwerte möglichen rasche Versickerung, jedoch auch den Wiederbewaldung, deutlich reduzierte Filter- raschen Zwischenabfluss zum Vorfluter. Daher wirkung des verbleibenden Bodenkörpers sowie bestimmt die jeweilige Baumart über ihr Durch- erhöhter Nährstoffaustrag (z.B. Nitrataus- wurzelungsmuster die Wasserverteilung im waschung) sind die Folge. Vorverjüngung unter Boden und die rasche Tiefensickerung entschei- Schirm und mehrstufiger Bestandesaufbau sind dend mit. eine Möglichkeit, negative Störungseffekte - wie sie unter dem Klimawandel intensiver und Hochwasserspitzen in kleinen bewaldeten Ein- häufiger auftreten - auf die Humusdynamik und zugsgebieten (< 10 km² Fläche) treten gegen- den Bodenwasserhaushalt zu minimieren. über waldfreien Einzugsgebieten deutlich ver- zögert auf und sind generell niedriger. Aus der Insbesonders feinerdereiche Waldböden ver- Kombination hohe Niederschlagsmengen, hohe tragen mechanische Belastung, z.B. durch Be- Vorfeuchte und hoher Zwischenabfluss kann je- fahren, Anlage von Rückegassen oder Schipisten doch auch für Waldstandorte eine „Über- schlecht. Sie reagieren mit Verlust an Wurzeln 20
SCHUTZWALD – ÖKOLOGIE Starkregensimulation mit 100 mm/h in einem Fichtenbestand mit dichter Zwergstrauchheide. Die raue Oberfläche und der lockere, stark durchwurzelte Boden ermöglichen rasche Einsickerung, es entsteht kein Oberflächenabfluss. und dränfähigem Porenraum, Dichtlagerung, Ver- Die Wahrscheinlichkeit für Erosion und schlämmung, erhöhtem Oberflächenabfluss und Rutschungen wird durch den Klimawandel in Erosion. Auf Forstwegen können Abtragsraten Gebieten mit erhöhter Häufigkeit und/oder wie auf intensiv genutzten Ackerflächen erreicht Intensität von Kalamitäten und Starkregenereig- werden. Steil abfallende Harvestergassen im ge- nissen zunehmen. In sonnseitigen Hanglagen ist neigten Gelände sind oft als Erosionshotspots auch mit häufigeren Waldbränden zu rechnen. zu erkennen. Dies kann auf Erosionsprozesse und Boden- wasserhaushalt besonders gravierende Aus- Besonders an steilen Hängen können mehr- wirkungen haben. schichtige Bestände mit dichtem Unterwuchs das Risiko von Rutschungen verringern und Trockenheit und geringe Nährstoffverfügbarkeit durch Tropfenaufschlag hervorgerufene Erosion limitieren das Wachstum von Buche, Esche, wirksam reduzieren. In vielen Fällen trägt die Tanne und Fichte sehr stark, dagegen von Kiefer seitliche Wurzelausbreitung deutlich mehr zur und Eiche nur wenig. Bei Arten mit geringer Stabilisierung gegen flache Rutschungen bei als Trockenheitstoleranz bewirkt schon ein geringer die vertikale Wurzelentwicklung. Bei verzögerter Anstieg der Wasserspannung im Boden eine Wiederaufforstung geht dieser stabilisierende deutliche Minderung der Wasseraufnahme, sie Effekt spätestens innerhalb zweier Dekaden wurzeln weniger tief und weisen eine geringere verloren. Die armierende Wirkung der Baumwur- Wurzelmasse auf als trockenheitstolerantere zeln fehlt jedoch auf weitere Jahrzehnte, weil Baumarten, z.B. Flaumeiche. Trockenheit ist im die Wurzeln des abgetriebenen Bestandes ab- Klimawandel daher der bedeutendere Faktor für gebaut werden und die des neuen Bestandes das Baumwachstum und die Artenverteilung als erst ab der Stangenholzphase beginnen Hang höhere Temperaturen. stabilisierend zu wirken. 21
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