WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
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WOHNENPLUS P.b.b. GZ 02Z032231 M, Wohnen Plus, Singerstraße 8/10, 1010 Wien FA C H M A G A Z I N F Ü R D I E Z U K U N F T D E S W O H N E N S 3|2020 STANDPUNKT Nutzungsmix Frischer Wind in Salzburg INTERVIEW im Quartier „Das Nichtperfekte ermöglicht vieles“ Urbanität, Vielfalt – für alle FORSCHUNG Durch Kooperation zu urbanen Qualitäten Die klimagerechte Bestandsstadt AUSBLICK Gründerzeitidee und städtische Vielfalt Ein Klimanotschutzplan Nutzungsmix als Erfolgsgarant?
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WOHNENPLUS FACHMAGAZIN FÜR DIE ZUKUNFT DES WOHNENS 3 |2020 STANDPUNKT 2 Frischer Wind in Salzburg | Interview mit Stephan Gröger, 2 dem neuen GBV-Landesgruppenobmann PLUSPUNKTE 4 Kurzmeldungen aus der Wohnbaubranche in Österreich IBA WIEN 6 Miteinander reden | Quartiersentwicklung ist zentraler Schwerpunkt der IBA Wien 2022 und der Ausstellung in Herbst FREITAG-AKADEMIE 8 „Wir sind auch kritische Infrastruktur“ | Die gemeinnützige Wohnbaubranche in der Corana-Krise MEIN WOHNEN PLUS 10 23 Quadratmeter Heimat | Franz Haberl hat eine ziemlich steile Berufskarriere hinter sich und lebt nun im Wohnheim THEMA 11 Nutzungsmix im Quartier 10 12 Urbanität, Vielfalt – für alle | Herausforderungen bei der Quartierentwicklung 16 Durch Kooperation zu urbanen Qualitäten | Ein Praxis-Check 19 Gründerzeitidee und städtische Vielfalt | Beispiele aus Wien und Wels 21 „Das Nichtperfekte ermöglicht vieles“ | Interview mit Architekt Harald Höller 22 Alle mit im Boot | Generationen-Wohnen hilft bei Quartiersbildung POSITIONEN 24 Nutzungsmix als Erfolgsgarant? | Peter Roitner und Christian Seethaler SYMPOSIUM 25 Xxxxx xxxxxxx Xxxxxxxx PROFIL 28 Licht – Luft – Sonne | Die grünen Erfolgsbeispiele der Gesiba 30 Die Ermöglicher | 25 Jahre Bauträgerwettbewerbe des wohnfonds_wien 11 FORSCHUNG 32 Die klimagerechte Bestandsstadt | Neukonstitution der Stadterneuerung INTERNATIONAL 34 „Die Vielfalt hat mich beeindruckt“ | Jurymitglied Doris Sfar verrät Details zum Jubiläumswettbewerb in der Schweiz WOHNEN PLUS TRENDS 36 Planen | Bauen | Wohnen | Innovationen aus Österreich RÜCKBLICK 38 Viel Luft nach oben | Baukultur im geförderten Wohnbau in NÖ AUSBLICK 39 Konsequent fürs Klima? Alarmstufe türkis-grün! AVISO 40 68. Symposium: „Inspirierend oder monoton“ | Besichtigungstour als Vorprogramm | Medienpartner 2020 | Impressum 34 Coverbild: Spannender Nutzungsmix im Baugruppenhaus Gleis 21 soll die Begegnungszone im neuen Sonnwend- viertel beim Hauptbahnhof in Wien inspirieren. – Foto: Hertha Hurnaus WOHNENPLUS . 3|2020 1
STANDPUNKT Frischer Wind in Salzburg Der neu gewählte Landesgrup- penobmann Salzburg, Stephan Gröger, bringt frischen Wind und zahlreiche neue Ideen mit. Im exklusiven Interview verrät er seine Visionen, aber auch seine Strategien, mit denen er sich für mehr Power der Gemeinnützi- gen und mehr leistbaren Wohn- raum einsetzen will. GISELA GARY Foto: Mike Vogl S tephan Gröger ist Geschäftsführer natürlich aber auch eine große Verant- bau zu errichten. Aktuell müssen die Salz- der Heimat Österreich und zeich- wortung. Ich möchte in den nächsten burger Gemeinnützigen permanent Kom- net für das Projektmanagement, drei Jahren intensiv den Kontakt mit der promisse eingehen, um ihre Bauten noch den Verkauf und die Vermietung zuständigen Politik in Stadt und Land su- errichten zu können.“ verantwortlich. Nun übernahm er noch chen und werde mich massiv für etliche eine weitere große Herausforderung für Verbesserungen im Bereich des Bautech- Wo können Sie sich vorstellen, beim die kommenden drei Jahre, er wurde vor nikgesetzes, aktuell ist hier gerade der Bauen zu sparen – beim Lift, bei der wenigen Wochen zum Landesgruppenob- Entwurf des neuen Gesetzes „kostenredu- Tiefgarage? mann der GBV Salzburg gewählt. zierter Wohnbau“ in Begutachtung, natür- Gröger: „Das neue Maßnahmengesetz lich aber auch für eine massive Verbesse- ,kostenreduzierter Wohnbau´, welches Sie übernehmen in keiner einfachen Zeit rung der Wohnbauförderung einsetzen.“ von Landesrat Schwaiger in Begutachtung die Landesgruppe Salzburg, es gibt zu we- geschickt wurde, sieht genau dies vor. nig leistbaren Wohnraum, die Mietpreise Die Baukosten sind in den vergangenen Prinzipiell bin ich dafür, dass eine große sind explodiert, Corona hat vermutlich Jahren gewaltig gestiegen – gibt es hier Anzahl an Wohnungen barrierefrei und auch in Salzburg für einen kurzfristigen Gespräche mit der Politik, dass die Rah- behindertengerecht errichtet wird. 100 Stillstand und politische Themenverschie- menbedingungen (Wohnbauförderung Prozent aller Wohnungen sind aus meiner bungen gesorgt etc – was hat Sie zu die- etc) verbessert werden, um weiterhin qua- Sicht jedoch nicht erforderlich und somit sem Schritt bewogen? litätsvoll bauen zu können? ist dieses Spezialgesetz, mit welchem vor- Stephan Gröger: „Für mich ist es eine Gröger: „Einer der wesentlichsten Punkt aussichtlich in etwa fünf bis zehn Prozent große Ehre und Freude, diese Funktion meiner Amtszeit wird sein, die Salzburger der gesamten Einheiten errichtet werden 12 Jahre nach Ausscheiden meines Vor- Wohnbauförderung an die aktuell mas- können, ein durchaus interessanter An- gängers Wilfried Haertl, in die Heimat siv gestiegenen Baukosten anzupassen. satz. Wenn wir auf Basis dieses Gesetzes Österreich zurück zu holen. Man hat hier Die derzeitigen Förderungssätze reichen Wohnungen errichten, müssen wir um wesentlich mehr Gestaltungsspielraum, schon seit längerer Zeit nicht mehr aus, mindestens zehn Prozent unter den Sät- als vertrete man nur seine eigene Firma, zeitgemäßen und qualitätsvollen Wohn- zen der Wohnbauförderung bauen, dür- 2 WOHNENPLUS . 3|2020
STANDPUNKT fen jedoch zusätzlich auch noch ohne träger aussteigt. Dies ist aber ein wichtiger Aufhol- oder Informationsbedarf gegen- großem administrativen Aufwand ins Punkt, da sonst seitens unserer Unterneh- über der Bevölkerung? Grünland bauen, wenn dies im Raumord- men nicht unerhebliches Risiko eingegan- Gröger: „Ich denke große Teile der Salz- nungsgesetz vorgesehen ist.“ gen werden muss.“ burger Bevölkerung wissen, was sie an uns Gemeinnützigen haben. Es ist jedoch Die Gemeinnützigen sind in puncto Kli- In Salzburg sind die Grundstückspreise zu erwähnen, dass wir für manche nicht maschutz und Energieeffizienz vorbild- wie auch die Miet- und Eigentumsprei- das modernste und innovativste Image lich unterwegs. Halten Sie dennoch Ver- se stark gestiegen – welche Vision/welche haben. Dies gehört radikal geändert, da pflichtungen für Bauträger, um z. B. den Strategie gibt es diesbezüglich Ihrerseits? wir mittlerweile mit Sicherheit weit inno- Anteil an fossilen Brennstoffen zu redu- Gröger: „Wir sind derzeit dabei, diesem vativer und energie- bzw. umweltbewuss- zieren, für sinnvoll? Trend entgegen zu wirken, in dem wir ter agieren als so mancher gewerblicher Gröger: „Ja, halte ich persönlich absolut versuchen, großflächig Umstrukturie- Bauträger. Ich kenne kein gewerbliches für sinnvoll. Wir als Heimat Österreich rungsflächen einerseits vom Grün- ins Unternehmen, das annähernd so viel Auf- sind seit vielen Jahren Klimabündnis-Be- Bauland (sehr schwierig), andererseits wand betreibt und als Ziel klimaneutralen trieb und versuchen bei fast all unseren vom Betriebs- bzw. Gewerbegebiet (et- Wohnbau zu errichten hat, wie wir. Auch Projekten ohne fossile Energie auszukom- was leichter) anzukaufen bzw. zu optio- unsere Miet- und Eigentumswohnungen men. Im Wesentlichen stellen wir unsere nieren. So haben wir aktuell das Gelände brauchen den Vergleich zu den gewerb- einer in Konkurs gegangenen Druckerei lichen Bauträgern absolut nicht scheuen. „Die Wohnbauförderung im Flachgau mit knapp vier Hektar er- worben und werden diese in den nächs- Dies gilt einerseits für die Qualität der Ma- terialien, für die Wohnqualität, aber auch ist aktuell nicht in der Lage ten fünf bis zehn Jahren dem geförderten für die Qualität der Architektur. Dies be- Miet- und Eigentumswohnbau zuführen. weisen die zahlreichen Auszeichnungen einen adäquaten Wohnbau Die anteiligen Grundstückskosten bei die- der letzten Jahre, sowohl im Energie- als zu finanzieren.“ sem Projekt liegen in etwa bei einem Drit- auch im Architekturbereich.“ tel der sonst üblichen in dieser Region. erforderliche Heizenergie mit Solaranla- Darüber hinaus muss versucht werden, Zum Abschluss eine persönliche Frage: gen, Photovoltaikanlagen und wasserge- die mittlerweile überbordenden Bestim- Verraten Sie uns wie Sie wohnen? führten Wärmepumpen her. Wir haben mungen im Salzburger Bautechnikgesetz Gröger: „Ich wohne mit meiner Familie nun aber auch ein Projekt in der Stadt zumindest teilweise wieder etwas zu ent- am Rande der Stadt Salzburg in einem Salzburg, bei dem wir erstmals ca. 30 Pro- schärfen. Diesbezügliche Gespräche mit 120 Quadratmeter großen Reihenhaus, zent des gesamten Energiebedarfes aus dem zuständigen Landesrat haben bereits welches wir uns vor drei Jahren gekauft dem Abwasser gewinnen.“ begonnen.“ haben. Besonders wichtig ist für mich der Garten, in welchem ich mich trotz der Entspricht die Wohnbauförderungsnovelle Ist Verdichtung – also auch Wohnbauten nicht allzu groß bemessenen Freizeit ger- Ihren Wünschen und dem Bedarf? auf Supermärkten etc, ein Thema für Sie? ne als Gärtner betätige, wo ich diverses Gröger: „Die Wohnbauförderung ist ak- Gerade im ländlichen Raum gäbe es ja Gemüse, wie Tomaten, Zucchini, Gurken, tuell nicht in der Lage, einen adäquaten hier noch viel Potential, mit dem der Zer- aber auch Salat und Radieschen anbaue. Wohnbau zu finanzieren. Die letzte No- siedelung entgegengewirkt werden könnte? Zur Freude meiner Familie bereite ich dies velle, welche nun beschlossen wurde und Gröger: „Für uns ist Nachverdichtung frisch zu, da ich auch nebenbei – wenn es mit August in Kraft getreten ist, bringt schon seit Jahren ein wichtiges Thema, die Zeit zulässt – ganz gerne koche.“ zwar wesentliche Verbesserung im Be- das ich auch weiter forcieren möchte. Wir reich der Sanierungsförderung, aber kei- haben schon etliche Supermärkte, sowohl nerlei positive Veränderung im Bereich im städtischen als auch im ländlichen Stephan Gröger sammelte nach des Neubaus. Hier besteht dringender Raum in Kombination mit Miet- und Eigen- der HTL Hochbau erste Arbeits- Handlungsbedarf.“ tumswohnungen errichtet. Dieses Modell erfahrungen in einem Salzburger hat sich bewährt und wird auch massiv Architekturbüro – dort durchlief er Welche Punkte sehen Sie am kritischsten? von der Politik unterstützt bzw. gefordert. alle Bauphasen, von der Planung Gröger: „Es wurde eine neue Förde- Wenn eine Wohnanlage bei uns zur Groß- bis zur Projektleitung. Anschlie- rungsbestimmung aufgenommen, wel- instandsetzung ansteht, wird standardmä- ßend begann er beim Salzburger che es ermöglicht, Baugruppen direkt zu ßig die Möglichkeit der Dichteerhöhung Siedlungswerk als Bautechniker – fördern, was bis dato nicht der Fall war. bzw. Nachverdichtung geprüft und wir nach nur sechs Jahren wurde Grö- Nach erster Durchsicht und überschlägi- sind aktuell auch dabei, einige Projekte ger Mitglied der Geschäftsleitung. gen Berechnungen gehe ich davon aus, aufzustocken bzw. womöglich Zubauten Danach wechselte er zu einem ge- dass diese Art der Förderung nicht leicht zu errichten. Derzeit ist eine Anlage in werblichen Bauträger. 2002 wurde in der Realität umzusetzen ist. Einerseits Salzburg-Stadt in Errichtung, wo wir von er von Wilfried Haertl, damaliger entstehen verhältnismäßig hohe Mieten 75 in die Jahre gekommenen Wohnun- Direktor der Heimat Österreich, für die Mitglieder der Baugruppen, ande- gen auf 100 aufstocken und sämtlichen als sein Nachfolger abgeworben. rerseits ist nach aktuellem Gesetzestext Wohnungen einen hohen Qualitäts- und 2008 übernahm er gemeinsam mit kein Szenario vorgesehen, wenn sich die Wohnstandard geben.“ Otto Straka und Karl Huber die Ge- Baugruppe während der Förderungszeit schäftsführung. Seit Juni 2020 ist er von 25 Jahren auflöst bzw. aus dem Ge- Wie beurteilen Sie den Stellenwert der Landesgruppenobmann Salzburg. neralmietvertrag mit dem einzigen Bau- Gemeinnützigen in Salzburg? Gibt’s hier WOHNENPLUS . 3|2020 3
PLUSPUNKTE sehr gerne in der Seestadt zu wohnen als jene, die erst nach 2018 eingezogen sind. PLUS GISELA GARY Dass Pioniere des Wohnens in der Seestadt die Wohn- und Lebensqualität besser ein- stufen als neu zugezogene Bewohner, hat PUNKTE mit der Identifikation der Pioniere mit dem Projekt zu tun, bei dem sie von Anbeginn dabei waren und die dadurch bedingte ge- wachsenen Vertrautheit mit dem Quartier. Viele haben sich bewusst für das Stadtge- Foto: Wagner biet als Wohnstandort entschieden, weil sie mitgestalten wollten. Einen hohen Stellen- Isabella Stickler und Norbert Steiner präsentierten erstmals wert haben Nachbarschaftsbeziehungen online die Zahlen der Alpenland. und -initiativen. Bei allen Differenzen do- miniert gruppenübergreifend ein positives Alpenland virtuell von Alpenland errichteten über 12.000 Bild: Eine große Mehrheit würde Freunden Im Zuge der Corona-Krise mussten zahl- Wohneinheiten wurden knapp 60 Prozent oder Bekannten die Seestadt als Wohnort reiche Veranstaltungen abgesagt werden. ins Eigentum übertragen. empfehlen. Der Jahresbericht 2019/20 wurde aber Die Entscheidung, die Bilanzzahlen on- dennoch der Öffentlichkeit präsentiert – line zu präsentieren, entspricht auch ganz im Rahmen einer virtuellen Pressekonfe- der Unternehmenskultur der Alpenland. Positives Wohngefühl renz. Alpenland-Obmann Norbert Steiner Bereits seit 2013 arbeitet der Bauträger Unser Partnermagazin Wohnungswirt- und Geschäftsführendes Vorstandsmit- daran, Abläufe und Services zu digitalisie- schaft-heute-de berichtet über eine in- glied Isabella Stickler freuen sich über ren und optimieren. Schon vor Beginn der teressante Entwicklung. Eine Studie von das zweitbeste Ergebnis der Unterneh- Coronakrise hat Alpenland als Arbeitgeber Vonovia hat ermittelt, wie sich die Krise mensgeschichte im Jahr 2019: „Unser durch Flexibilität und Stabilität gepunktet. auf das Wohlbefinden in der Wohnung Unternehmen hat ein starkes Fundament So gibt es ca. 30 Arbeitszeitmodelle und auswirkt. 82 Prozent der Befragten gaben und eine klare Mission als gemeinnützige dazu kommt nun die Möglichkeit für Mit- an, ihre Wohnsituation habe sich durch Genossenschaft, die uns in die Lage ver- arbeiter, in Homeoffice zu arbeiten. die aktuelle Lage nicht verändert. Groß- setzen, den eingeschlagenen Weg auch in stadtbewohner nehmen am häufigsten Corona-Zeiten weiter fortzusetzen.“ Dank eine Verbesserung ihrer Wohnsituation einem soliden Wachstum liegt die Bilanz- Empfehlenswerte Seestadt wahr. Umfrageteilnehmer aus großen summe bei 1,27 Milliarden Euro. Mit 5,3 Das mehrstufig angelegte „Besiedelungs- Haushalten fühlen sich in ihrer Woh- Millionen Euro verzeichnet Alpenland monitoring Seestadt Aspern“ begleitet nung häufiger wohl. Nur die wenigsten das zweitbeste Jahresergebnis der Unter- sozialwissenschaftlich den Prozess der Befragten möchten aufgrund ihrer Erfah- nehmensgeschichte. Die Eigenmittelquo- Stadtteilentwicklung. Nach umfangreichen rungen in der Krise umziehen. Für die te liegt bei 17,9 Prozent. Von den bisher Erhebungen im Zusammenhang mit der Studie befragte das Meinungsforschungs- Besiedlung der ersten Wohnbauten 2015, institut Kantar mehr als 1.000 Personen. folgte nun die zweite Phase, in der die Si- Unterschiede zeigen sich unter anderem tuation aus der Perspektive der Menschen, zwischen den Geschlechtern: Bei den Frau an der Spitze die zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die Frauen fühlen sich sieben Prozent der- Eva Herzog ist die neue Präsiden- Seestadt gezogen sind, abgebildet wurde. zeit wohler in ihrer Wohnung. Bei den tin des Verbandes Wohnbaugenos- Erneut erweisen sich die Befragten als sehr Männern liegt der Anteil bei vier Prozent. senschaften Schweiz. Die Basler zufrieden: Befragte, die seit der Fertigstel- Mit Blick auf das Alter stechen die Um- Ständerätin löst Louis Schelbert, lung der ersten Wohnbauten in der See- frageteilnehmer in den 30ern mit einem der zwölf Jahre Präsident an der stadt wohnen, geben deutlich häufiger an, positiven Wohngefühl hervor. Verbandsspitze war, ab. Herzog hat sich bereits als Regierungsrätin für den gemeinnützigen Wohnungsbau stark gemacht. Sie will vor allem das politische Lobbying ausbauen und die Wachstumsstrategie des Verbandes vorantreiben. Rund sie- ben Prozent der 4,5 Millionen Woh- nungen in der Schweiz gehören den Wohnbaugenossenschaften. Der Verband ist die Dachorganisa- tion von mehr als 1.200 Wohnbau- Foto: Seestadt Aspern genossenschaften und weiteren ge- meinnützigen Wohnbauträgern mit insgesamt 153.929 Wohnungen. Lebens- und empfehlenswert ist laut der zweiten Befragung die Seestadt Aspern. 4 WOHNENPLUS . 3|2020
PLUSPUNKTE „Alleinerziehend“ als Kriterium Die Zahl der Alleinerziehenden in Wien wächst. 2004 gab es 68.000 Alleinerzieher, 2018 waren es schon 82.000 – rund neun Prozent wohnen in Wohnungen von ge- meinnützigen Bauvereinigungen. Um auf die Wohnbedürfnisse dieser wachsenden Gruppe noch besser eingehen zu können, führte die Stadt Wien mit 1. Juli die Kate- Foto: ZHAW gorie „Alleinerziehend“ als Kriterium für die Vergabe von geförderten Wohnungen Innovation aus der Schweiz: Gründach mit Photovoltaik ein. Mehr als acht von zehn Alleinerzie- herhaushalten sind Mütter mit Kind(ern) Photovoltaik und Grün und nur ein geringer Anteil Väter mit Forscher der Zürcher Hochschule für An- Kind(ern). Sowohl Wohnungsgrößen, gewandte Wissenschaften, ZHAW, fanden Preisleistungsverhältnis als auch die Ge- heraus, dass senkrecht stehende, beidsei- meinschaftsräume in GBV-Wohnungen tig aktive Solarmodule in Verbindung mit kommen dieser Zielgruppe besonders einem Gründach gut funktionieren. „Die entgegen. „Alleinerziehende, die in kei- Foto: Schedl Langzeitmessungen haben gezeigt, dass nem eigenen Mietverhältnis stehen und der Stromertrag pro installierter Modulleis- keine Eigentumswohnung besitzen, erhal- tung kaum von Standardanlagen mit nach ten ab nun deutlich leichter Zutritt zum Kathrin Gaal präsentierte die Förderungskategorie Alleinerziehend. Süden ausgerichteten, einseitigen Modu- Gemeindebau und ins günstige Segment len abweicht“, erklärt Hartmut Nussbau- der geförderten Wohnungen“, so Frauen- sem Jahr wurden bei der Verbraucherstudie mer vom ZHAW. Das begrünte Flachdach und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal. über 196.000 Personen zur persönlichen wurde auf der Seniorenresidenz Eichgut in Erfahrung mit über 1.000 Immobilien-Mar- Winterthur getestet. Ein heller Untergrund ken befragt. Mit einem gemessenen Brand- mit silbriglaubigen Pflanzen – wie Sonnen- Reformbedarf Wohnrecht Value von 93,04 steigerte die Buwog ihren röschen und Thymian – und weißem Zier- Das Forum Wohn-Bau-Politik präsentie- Markenwert gegenüber dem Vorjahr und kies begünstigt die Reflektion des Sonnen- re mit dem Zwischenbericht des Projekts setzte sich zum sechsten Mal in Folge in lichts und führt zu einem Mehrertrag in der „Wohnrechtskonvent 2019/2020“ den Be- der Kategorie „Strongest Brand Residential Solarstromproduktion. darf an dringend notwendigen Grundsatz- Developer“ für Österreich durch. entscheidungen: in der Bodenpolitik/ Raumordnung; in der Bestandspolitik/ Alternative Mobilität Mietrecht und in puncto ökologischer Sa- Wohnbauinvestitionsbank neu Die ersten vier Projekte – Wohnbau der Bu- nierung (inkl. Dekarbonisierung). Der Er- Die neue Wohnbauinvestitionsbank WBIB wog im 23. Bezirk, Wohnbau von Kallinger gebnisbericht mit dem Titel „Agenda für könnte nun – nachdem sie 2018 von der und Arwag in Floridsdorf, mehrere Wohn- ein neues Wohnrecht“ listet die wichtigs- Regierung kurzer Hand gestoppt wurde – anlagen der Sozialbau und eine Baugruppe ten Aspekte dieser drei wohnpolitischen doch noch errichtet werden. Wirtschaftsmi- am Nordbahnhof – der mit 1. Februar 2020 Kernbereiche auf. Beim Wohnrecht (Miet- nisterin Margarete Schramböck präsentierte ins Leben gerufenen Förderung für inno- rechtsgesetz, Wohnungseigentumsgesetz, die Pläne als Initiative für leistbares Woh- vative und energieeffiziente Mobilitätsan- und Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz) nen. Dazu sollen Mittel von der Europäi- gebote werden nun umgesetzt. Im Fokus macht sich der jahrzehntelange Stillstand schen Investitionsbank abgerufen werden stehen Alternativen zu fossiler Mobilität im in der Wohnpolitik am deutlichsten be- und Haftungen von bis zu 500 Millionen Wohnbau. Die Projekte sollen der Wohnbe- merkbar, kritisiert der Initiator des Wohn- Euro übernommen werden. Mit Hilfe der völkerung ein oder mehrere elektrische Au- rechtskonvents und Ehrenvorstand des WBIB könnten 25.000 Wohnungen er- tos zum Teilen anbieten (E-Carsharing) und Forum Wohn-Bau-Politik, Jörg Wippel: richtet werden. Bernd Rießland, Obmann ergänzend einspurige E-Fahrzeuge zum „Heute ist niemand wirklich mit dem Zu- der GBV, zeigt sich erfreut und bekun- Ausleihen zur Verfügung stellen (Fahrräder, stand zufrieden, gleichzeitig scheuen alle det auch das Interesse der GBV an einer Lastenräder, E-Bikes, E-Mopeds). Insgesamt vor gründlichen Reformen zurück, wis- substanziellen Beteiligung an der WBIB. stehen dafür zwei Millionen Euro aus dem send, wie viel Arbeit sich im Grunde auf- Die Erfordernisse für die Einrichtung der Ökostromfonds zur Verfügung. „Benutzen gestaut hat.“ Wohnbauinvestitionsbank sind bekannt statt Besitzen ist hier das Motto. Wir unter- und rechtlich abgesichert. „Wir gemeinnüt- stützen eine Mobilitätswende und schaffen zige Bauvereinigungen sind bereit, unseren Möglichkeiten, Erfahrungen mit der Sharing Real Estate Brand Award Teil für die Wiederankurbelung der Wirt- Economy zu machen. Dadurch können Zum sechsten Mal in Folge gewinnt die Bu- schaft zu leisten. Wir haben bereits wich- sich alle noch einfacher am Klimaschutz wog den renommierten Real Estate Brand tige Schritte und Investitionen gesetzt, um beteiligen und wir fördern innovative und Award als stärkste Marke im Bereich Re- unserer Rolle als Konjunkturmotor gerecht energieeffiziente Mobilitätskonzepte“, sagt sidential Development in Österreich. Für zu werden. Mit den in Aussicht gestellten Vizebürgermeisterin und Klimastadträtin das Ranking untersucht das European Real EIB-Geldern sind aber zusätzliche positive Birgit Hebein. Pro Projekt werden maximal Estate Brand Institute, REB, europaweit die Effekte möglich“, so Aufsichtsratsvorsitzen- 200.000 Euro gefördert. Top-Player der Immobilienbranche. In die- der Michael Pech. WOHNENPLUS . 3|2020 5
IBA WIEN Miteinander reden Die Quartiersentwicklung hat sich zu einem zentralen Schwerpunkt der IBA_Wien 2022 entwickelt. Dabei geht es in erster Linie um Koordination und Kommunikation. MAIK NOVOTNY Foto: Fürthner Schritt für Schritt wächst die Seestadt Aspern heran. Im Vordergrund das neu entstehende Quartier „Am Seebogen“ D er Begriff „Internationale Bau- lange gebraucht, um das Bewusstsein zu feld „aufgefüllt“ wurde, setzte man beim ausstellung“ legt auf den ers- wecken, dass es gemeinsame Interessen Quartier „Am Seebogen“ von Beginn an ten Blick nahe, dass es in ers- gibt“, so Hofstetter, der bereits Erfahrun- auf baufeldübergreifende Kommunika- ter Linie um eine Ausstellung gen bei der Planung der Seestadt As- tion. Dafür richtete die Betreibergesell- geht. Nicht ganz zu Unrecht: In der Tat pern gesammelt hat, wo man frühzeitig schaft Wien 3420 Aspern Development legten die bisherigen IBAs in Deutsch- den Kontakt mit bestehenden Anrainern AG eine Quartierswerkstatt mit allen land oft den Scherpunkt auf das „A“ im suchte, deren Bedürfnisse nach Angebo- Bauträgern und Planern ein. Diese koor- Namen. Das heißt: Sie waren Stadt- und ten für Jugendliche und Alte in der See- diniert die Anfragen für gewerbliche Nut- Wohn-Expos mit Eventcharakter mit dem stadt gedeckt wurden. zungen, die Park- und Straßenplanung, Ziel, möglichst viele Besucher anzuzie- die Bildungsangebote und Einrichtungen hen. Meistens hörte man jedoch von den Deutliche Lerneffekte wie die Kulturgarage, ein zweigeschossi- dort ausgestellten Experimenten später Inzwischen sind bei allen Akteuren deut- ges Veranstaltungszentrum im Sockelbe- nicht mehr viel. Sie blieben Exponate. liche Lerneffekte zu konstatieren. Beim reich der Hochgarage, mit Platz für bis Bei der IBA_Wien 2022 schlug man zurzeit in Bau befindlichen Quartier „Am von vornherein einen anderen Weg ein. Seebogen“, dem dritten großen Bauab- „Es hat in vielen Fällen lange gebraucht, „Unser Gradmesser für den Erfolg ist nicht die Frage, ob wir Touristen anzie- schnitt in der Seestadt, ist dies deutlich spürbar und mit einem selbstverord- um das Bewusstsein zu wecken, dass es hen, sondern ob etwas im System ge- neten „Lessons Learned“ auch Teil des gemeinsame Interessen gibt.“ landet ist“, betont IBA-Koordinator Kurt Programms. In diesem Quartier, das Hofstetter. Dieser Fokus auf die internen insgesamt 1.250 Wohnungen und 5.000 Kurt Hofstetter Prozesse von Wohnbau und Stadtent- Quadratmeter Büronutzfläche umfassen wicklung hat sich in den letzten Jahren wird, liegt der Schwerpunkt auf „Woh- zu 500 Besucher (Bauträger WBV GFW, noch verstärkt, und dies liegt vor allem nen und Arbeiten“ mit einem fixen Anteil Architektur: F+P, fasch&fuchs, Fertigstel- an einem Schwerpunkt: Der Quartiers- von 80 Prozent Wohnen und 20 Prozent lung 2021). „Man hat aus den ersten Pha- entwicklung. Arbeiten. Zu den Angeboten gehören ein sen gelernt, dass es wichtig ist, früh mit „Die Quartiersentwicklung hat sich Gewerbehof mit DIY-Hub, Geschäftslo- der Quartiersentwicklung zu beginnen“, immer stärker als zentrales Element der kale, Co-Working-Spaces und gemischte sagt Kurt Hofstetter. Qualitätssicherung herauskristallisiert“, Wohn- und Arbeitsmaisonetten, sowie Der Lerneffekt beschränkt sich dabei sagt Hofstetter. Dabei ist schon jetzt zu ein Gemeindebau NEU und das nut- nicht nur auf ein Stadtentwicklungsge- konstatieren: Quartiersentwicklung kann zungsoffene Stadthaus „Forum am See- biet. Nachdem sich die IBA im Gebiet man nicht einfach verordnen, denn sie bogen.“ Berresgasse in die Koordination der bedingt die Kommunikation zwischen Während der erste Seestadt-Bauab- EG-Nutzungen einbrachte, kam der Im- allen Beteiligten. „Es hat in vielen Fällen schnitt noch weitgehend Baufeld für Bau- puls beim Quartier „An der Schanze“ be- 6 WOHNENPLUS . 3|2020
IBA WIEN Visualisierung: fasch&fuchs_aberjung Auszeichnung: Der IBA-Stempel kennzeichnet den Kandidatenstatus auf dem Weg zum IBA-Projekt. Profil-Bericht mit finanzieller Unterstützung unseres Premiumpartners Wohnservice Wien, Fokus der Quartiersentwicklung: Die „Kulturgarage“ im Quartier „Am Seebogen“ 1030 Wien, Guglgasse 7-9 reits von den Bauträgern selbst. „Wenn Vereinbarungen zur Nutzung und Erhal- die Bauträger anbeißen, wird es schnell tung von geteilten Maßnahmen. Die Fer- kreativ, weil zusätzliche Qualitäten bes- tigstellung ist für 2021 geplant. Um die ser verknüpft werden“, so Hofstetter. Bei- Umsetzung zu erleichtern, wurde eine spiel: Die Sozialbau entwickelte die Idee koordinierende Arbeitsgruppe in der einer Verknüpfung von „Supergreißler“ Baudirektion geschaffen, damit sich die und Hausbetreuung, mit vielen mögli- Beteiligten mit ihren Anfragen nicht zwi- chen Synergieeffekten. Für das sieben schen den Magistratsabteilungen „zerrei- Hektar große Gebiet am Ostrand des ben.“ Um es auf den Punkt zu bringen: Donaufelds startete im Februar 2019 der Erfolgreiche Quartiersentwicklung be- zweistufige dialogorientierte Bauträger- deutet: Miteinander reden. Sie bedeutet: wettbewerb mit besonderem Fokus auf Tun, was man an sich nicht muss, aber Erdgeschossnutzungen. Die IBA_Wien was sinnvoll ist. Damit die Ideen auch im Visualisierung: t-hoch-n initiierte dafür Arbeitsgruppen, die sich System ankommen. thematisch und inhaltlich abstimmen. Auch beim Sonnwendviertel Ost (Wohnen am Helmut-Zilk-Park) beim Hauptbahnhof gab es viel Bedarf, um Alt trifft auf Neu bei der sorgsamen Bestandsentwicklung Veranstaltungen zur die Nutzungen abzustimmen, wofür im „G’mischten Block“ Quartiersentwicklung sich u.a. die lokale GB* eingesetzt hat. „Wie wohnen wir morgen?“ lautet Schließlich wäre es wenig zielführend, „Das daraus entstandene konstrukti- der Titel der Ausstellung zum Zwi- wenn in jedem EG-Lokal ein Café un- ve Miteinander mündet nun darin, dass schenstand der IBA_Wien, die vom tergebracht wird. Hier übernehmen die sämtliche Eigentümer den vorliegenden 8. 9. - 22. 10. im WEST, dem ehe- Quartiershäuser eine wichtige Funktion Bebauungsvorschlag unterstützen und maligen Sophienspital, stattfindet. bei der Belebung des neuen Stadtviertels, ihre Interessen darin gewahrt sehen,“ Auch hier steht die Quartiersent- mit Nutzungen, die über das reine Woh- so Projektkoordinator Klaus Wolfinger. wicklung im Zentrum. Insbeson- nen hinausgehen, und mit einem hohen Auch hier lag ein Fokus auf der Schaf- dere beim Symposium „Wir sind Maß an Eigenleistung. Erste Erfolge sind fung einer attraktiven Erdgeschosszone. Quartier! Stadtentwicklung in der heute bereits sichtbar. „Ein solches Vorgehen ist für einen In- Klimakrise“, das am 14. 10. im Az W vestor nicht selbstverständlich“, lobt Kurt stattfindet und internationale Ex- Entwicklung im Bestand Hofstetter. „Es klingt vielleicht einfach, perten und Best-Practice-Beispiele Doch nicht nur fürs Bauen auf der „grü- bedeutet aber viel Arbeit. Dies war ein versammelt. nen Wiese“ sind diese Strategien von Vor- Grund für die IBA_Wien, den G’misch- Weitere Angebote: teil, sondern auch bei den IBA-Projekten, ten Block als beispielhaftes Projekt ins Die Nachbarschaftswoche im Quar- die in bestehenden Quartieren agieren. Programm zu nehmen.“ tier „An der Schanze“ vom 28. 9. - Unter dem Namen „G’mischter Block“ fir- Einen ähnlichen kommunikativen 2. 10., eine ganze Reihe von On- miert die Entwicklung dreier Parzellen in Aufwand betreiben die Initiatoren des line-Diskussionen zum Projekt Po- einem Gründerzeitblock in Wien-Favori- Projekts „Pocket Mannerhatten“ im 16. cket Mannerhatten, eine Führung ten. Nach dem Motto „Veränderung ohne Bezirk. Dieses hat sich das gemein- im Quartier „Am Seebogen“ am Verdrängung“ wurde hier auf Grundlage wohlorientierte Tauschen und Teilen 2.10. sowie eine Führung zu den des Masterplan Gründerzeit zwei Jah- von Nutzungen in einem bestehenden Quartiershäusern im Sonnwend- re lang intensiv mit Anrainern und Be- Block in der Gründerzeitvorstadt auf die viertel mit Robert Temel inklusive standsmietern kommuniziert, um diesen Fahnen geschrieben – siehe dazu auch Filmvorführung in der Baugruppe den Wohnstandort auch in Zukunft zu Artikel auf Seite 32. Die Eigentümer be- Gleis 21 am 22. 9. und 16. 10. garantieren. nachbarter Grundstücke schließen dafür WOHNENPLUS . 3|2020 7
FREITAG-AKADEMIE „Wir sind auch kritische Infrastruktur“ Dringlichkeit schien geboten: Die Freitag-Akademie widmete sich in einem Anfang Juli einge- schobenem „Spezialmodul“ der Corona-Krise und analysierte, wie die gemeinnützige Wohn- baubranche auf den Lockdown reagiert hat. Was hat geklappt? Wovon können wir alle lernen? Und wo hat das Virus voll zugeschlagen? WOJCIECH CZAJA Fotos: Wohnen Plus Akademie M it einem Schlag haben die nungs- und Siedlungspolitik. „Wohnen ist „In Zukunft wird es um ein ausgewoge- Covid-19-Pandemie und die also ohne Zweifel ein wichtiger Anker in damit verbundenen Sicher- unserem Leben. Dieser Stellenwert des nes Verhältnis zwischen analogem und heitsmaßnahmen der Bundes- regierung die Gesellschaft vor neue, noch Wohnens ist mit der Corona-Krise etwas stärker in den Blickwinkel der Politik ge- digitalem Arbeiten gehen.“ nie dagewesene Herausforderungen ge- rückt.“ Die bisher erreichten, weltweit ein- Isabella Stickler stellt. Die Laune des Virus hat auch vor zigartigen Werte in der gemeinnützigen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft Wohnungswirtschaft gelte es zu erhalten. erhöhte Hygiene-Standards in den Bü- nicht Halt gemacht: Wie werden Woh- Damit diese „wohnwirtschaftliche Landes- roräumlichkeiten und Wohnbaulichkeiten nungsübergaben organisiert? Wie können verteidigung“ (O-Ton Sommer, siehe Bei- der gemeinnützigen Wohnbauträger. Im Wohnhäuser bei erschwerten Kontakt- trag in Heft 2/20, Seite 5) auch weiterhin Sinne einer effizienten wohnwirtschaft- einschränkungen bewirtschaftet werden? möglich ist, wurde das Wohnungsgemein- lichen Landesverteidigung, so Sommer, Und welche Erfahrungen haben die Bau- nützigkeitsgesetz (WGG), Art. 1, §23, um könnten diese Dinge und Erfahrungen träger gemacht, wenn es um den Ausfall einige befristete Komponenten ergänzt. rechtlich verankert werden. Denn: „Es oder die Stundung von Wohnungs- und Zu den wichtigsten Punkten, die gibt Krisen, dagegen ist Corona nur ein Geschäftsraummieten geht? Als kurzfris- aufgrund der Corona-Krise bei Revisio- zartes Lüftchen.“ tige Reaktion auf einen Corona-Frühling, nen sowie seitens der Aufsichtsbehörden der es geschafft hat, uns alle aus der Kom- berücksichtigt werden müssen, zählen Gesellschaftliche Verantwortung fortzone zu drängen, hat die Wohnen Plus Verzögerungen bei Widmungs- und Pla- Wie innerhalb der Branche auf Covid-19 Akademie Anfang des Sommers zu einer nungsverfahren, Baustellenschließungen, und den von der Bundesregierung ver- ganz besonderen Freitag-Akademie einge- Verschiebungen von Fertigstellungen, zins- ordneten Lockdown reagiert wurde, laden und das Übel zum Thema gemacht: lose Mietstundungen und Ratenzahlungs- davon berichten Isabella Stickler, Vor- „Corona. Erfahrungen und Perspektiven“. vereinbarungen, Rücktrittsmöglichkeiten standsmitglied Alpenland, Michael Geh- „In Normalzeiten verbringen wir 40 bei Miet- und Kaufverträgen, Verzicht auf bauer, Geschäftsführer WBV-GPA und Prozent unserer Zeit in der Wohnung“, Delogierungen und Kündigungen, indivi- Obmann Verein für Wohnbauförderung, sagt Andreas Sommer, Wirtschaftsminis- duelle Zwischenlösungen bei verzöger- sowie Bernd Rießland, Vorstandsmitglied terium, Abteilung 7, zuständig für Woh- ten Bezugsterminen sowie beispielsweise Sozialbau und Obmann im Österreichi- 8 WOHNENPLUS . 3|2020
FREITAG-AKADEMIE Grafik: Gesundheitsministerium Die Verbreitung des Coronavirus sorgte bei den Bewohnern der Gemeinnützigen für massive Verunsicherungen. Doch die GBV nahmen ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst und reagierten prompt. schen Verband gemeinnütziger Bauverei- Covid-19 auch ein Symposium des Ver- nigungen. Und ja, die Erfahrungen sind eins für Wohnbauförderung (VWBF) ab- so unterschiedlich wie die unter dem sagen musste und derzeit darüber nach- Motto der Gemeinnützigkeit agierenden denkt, im VWBF einen Härtefonds für Unternehmen. Die Bandbreite reicht von Gemeinnützige einzurichten, um beson- sachlich-lösungsorientierter Leichtigkeit ders harte Wirtschaftsausfälle abzufedern. bis hin zu Enttäuschung und langfristiger „In der Kommunikation der Regierung Heilung finanzieller und wirtschaftlicher hat man immer wieder von Härtefonds Schrammen. gehört, aber damit wurden Unternehmen „Als gemeinnütziger Sektor haben wir wie wir, wenn man sich ehrlich ist, nur eine gewisse gesellschaftliche Verantwor- von einem Monat auf das nächste vertrös- tung zu tragen“, meint Bernd Rießland, tet. Tatsächlich haben uns die Ersatz- und „denn in unangenehmen und außeror- Kompensationsmaßnahmen nicht berück- dentlichen Situationen gibt es an jeder sichtigt. Es wird Zeit, dass die Regierung Ecke ein kleines Teuferl, das uns versucht endlich anerkennt: Wir sind auch kritische „Als gemeinnütziger Sektor einzureden, die Werte loszulassen, die wir Infrastruktur!“ haben wir eine gewisse längst schon erreicht und gewonnen ha- ben.“ Und nennt als nur ein Beispiel von Virtuelle Wohnungsbesichtigungen gesellschaftliche Verantwortung vielen die Entwicklung der durchschnitt- lichen Wohnungsgrößen im sozialen, Anders die Situation in der Alpenland, in der die Anfragen auf Mietstundungen im zu tragen.“ geförderten Sektor: Bis 2000 betrug die Wohn- und Geschäftsbereich sehr gering Bernd Rießland durchschnittliche Mietwohnung 74 Quad- ausfielen. Dank dem geringen wirtschaft- ratmeter, schrumpfte in den Jahren 2000 lichen Schaden konnte sich die Alpenland licherweise“, so Stickler, „wird das Ange- bis 2010 auf 70 Quadratmeter und misst voll und ganz auf eine effiziente und ziel- bot sehr wenig angenommen. Das sagt im heutigen Zeitalter der sich alles und gerichtete Abwicklung der internen Struk- mir, dass die Leute sich bis zu einem ge- allem beugenden Smartness gerade noch turen konzentrieren. „Es hat sich bewährt“, wissen Grad nach einem Gemeinschafts- 64 Quadratmeter. Rießland: „Die Tendenz so Isabella Stickler, „dass wir bereits einen und Zusammengehörigkeitsgefühl seh- ist klar ersichtlich. Was ist das für eine Leitfaden und einen Notfallplan hatten nen. In Zukunft, denke ich, wird es um wohnungspolitische Botschaft?“ und diesen an einem Wochenende kom- ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Über Botschaften auf wohnpolitischer plett in die Tat umsetzen konnten. Wir ha- analogem und digitalem Arbeiten gehen.“ Ebene spricht auch Michael Gehbauer. ben digital gut arbeiten können und wer- Sehr unterschiedlicher Meinung sind Während die Mietausfälle und Stundungs- den einige Erkenntnisse davon sicherlich die vier Vortragenden der Freitag-Akade- ansuchen im Wohnbereich bei der WBV- weiter ausbauen und auch in die Zukunft mie, was die langfristigsten Auswirkun- GPA mit gerade mal 41 Fällen äußerst ge- mitnehmen.“ Sogar Wohnungsübergaben gen der Corona-Krise auf die Wohnungs- ring war, häuften sich die Ausfälle bei den und Wohnungsbesichtigungen wurden grundrisse und Wohnwünsche der Mieter Geschäftsraummieten. Allein im Gasome- – unter anderem über 3D-Rundgänge – und Käufer betrifft. Das Spektrum der Pro- ter mussten im Corona-Lockdown über 70 kontaktlos abgewickelt. „Und wir spre- gnosen reicht von Beharren auf dem Sta- Prozent der Geschäftsflächen geschlossen chen hier von Niederösterreich!“ tus-quo bis zur Erkenntnis, dass Wohnen bleiben. Hinzu kommen massive Ausfäl- Fazit der Corona-Krise: Ab sofort auf engstem Raum – in der Smart-Woh- le im Bereich von Studentenheimen, da räumt die Alpenland ihren Mitarbeitern nung, um das Kind beim Namen zu nen- viele Universitäten ihren Lehrbetrieb – die Möglichkeit ein, knapp unter 50 Pro- nen – nicht die Lösung aller wirtschaft- nicht nur in den letzten, sondern auch in zent ihrer Wochenarbeitsstunden – also lichen (und soziopolitischen) Probleme den noch folgenden Monaten – komplett bis zu zwei volle Tage pro Woche – im sein könne. Arbeiten werde ein dauerhaf- auf elektronisch umgestellt haben. Damit Home-Office beziehungsweise im Remo- ter Bestandteil im Wohnen bleiben, so die schrumpft der Wiener Wohnbedarf vieler te-Modus zu leisten, was steuerrechtlich Experten. Wie diese neue Komponente Studierenden auf ein Minimum. gar noch so einfach zu lösen war. Die frei- in Zukunft in die Wohnpolitik einfließen „Die Corona-Krise hat uns massiv ge- willige Teleworking-Vereinbarung gilt für werde, ist nun eine der großen Herausfor- troffen“, so Gehbauer, der im Zuge von das gesamte Unternehmen. „Aber erstaun- derungen für die nächsten Jahre. WOHNENPLUS . 3|2020 9
MEIN WOHNEN PLUS 23 Quadratmeter Heimat Foto: Czaja I Franz Haberl hat eine ziemlich ch schlage vor, wir setzen uns runter in konkurs, riesigen Geldschulden und sogar den Hof“, sagt Franz Haberl. „Im Som- einer gewissen Auszeit in Haft. Ich hab’s steile Berufskarriere in mer ist das das schönste Platzerl, das weit gebracht in meinem Leben und habe Österreich, Russland und China man sich vorstellen kann. Außerdem einiges verbockt. Und dennoch bin ich nun sind 23 Quadratmeter nicht wirklich groß zum allerersten Mal in einer Situation, in hinter sich und wurde vor etwas für zwei Personen, wie Sie sich vielleicht der ich das Geld wertschätze und genug mehr als zwei Jahren obdachlos. vorstellen können.“ Haberl, 57 Jahre alt, Zeit habe, um den Alltag zu genießen und ausgebildeter Einzelhandelskaufmann, hat mit interessanten Menschen spannende Im Wohnheim in der Brünner eine bewegte Berufskarriere hinter sich: Gespräche zu führen. Das passt schon so, Straße hat er nun ein neues Versicherungsexperte, Vorstandsassistent, wie’s ist.“ Zuhause gefunden. Wir haben Schulungsleiter. Nach dem Zerfall der Sow- Haberl, dritter Stock, Top 305, ist einer jetunion lebte er zehn Jahre lang in Moskau von insgesamt 50 Bewohnern, die hier seit ihn besucht. und begleitete europäische Unternehmen Februar 2019 ein neues Zuhause gefunden bei der Markteinführung in Russland. 2009 haben. Betrieben wird das Haus von der schließlich gründete er in Shenzhen, China, Arge Wien. Zur Ausstattung gehören eine WOJCIECH CZAJA ein Unternehmen für Taschenproduktion Gemeinschaftsküche, eine Waschküche und leitete acht Jahre lang ein Team mit 70 und ein Fahrradabstellraum. Die monatli- Mitarbeitern. „Und jetzt bin ich hier – und che Miete beläuft sich auf 382 Euro. „Die bin ehrlich gesagt so glücklich und zufrie- Wohnung ist gut geschnitten, beinhaltet den wie nie zuvor.“ sogar eine kleine Kochzeile und ist mit Hier, das ist in der Brünner Straße 116, weißen Möbeln schlicht und funktional Wien-Floridsdorf. Hier, das ist ein Wohn- möbliert. Am liebsten würde ich mir ei- heim für ehemals obdachlose und sozial nen chinesischen Raumteiler ins Zimmer bedürftige Menschen, errichtet vom ge- stellen, aber dafür fehlt mir momentan das meinnützigen Bauträger WBV-GPA und Geld.“ Haberl, der seit Juli einen neuen Job CPPA Ceška Priesner Partner Architektur. hat und in der Wiener Wohnungslosenhilfe Hier, das ist eine kleine Starthilfe für den Menschen mit ähnlichen Schicksalen berät, Wiedereinstieg in ein normales, geregeltes hat ein Ziel: „In ein paar Jahren will ich mir Leben für all jene, die die Hölle hinter sich eine kleine Gemeindewohnung oder eine haben. „Meine persönliche Hölle war die Smart-Wohnung suchen, gerne auch drau- Spielsucht“, sagt Haberl, „gefolgt von Privat- ßen in der Seestadt Aspern.“ 10 WOHNENPLUS . 3|2020
THEMA Foto: Hertha Hurnaus Spannender Nutzungsmix im Baugruppenhaus Gleis 21, geplant von Einszueins architektur, Bauträger Schwarzatal Jahrhundertelang der Normalfall, über Jahrzehnte aus dem Fokus geraten, heute wieder erstrebens- wertes Ziel: funktional und sozial durchmischte Nutzungsmix im Quartier Häuser und Quartiere. Sie gelingen nicht immer und vor allem nicht von allein. Neben den (städte-)bauliche Rahmenbedingungen bedarf es zusätzlicher Anstrengungen, guter Marktkenntnisse – und oft auch Zeit und Glück. WOHNENPLUS . 3|2020 11
THEMA Urbanität, Vielfalt – für alle Foto: geopho.com Wohnen und arbeiten in vielen Formen: Das Messequartier Graz von der ENW, geplant von Markus Pernthaler, setzt auf Nutzungsmix. S Eine Wohnumgebung, in der tatt Wohnmonostrukturen, verwais- falls annähernd nahegekommen wurde. ten öffentlichen Räumen und toten „Im Messequartier Graz haben wir einen alles da ist, was man zu Leben Erdgeschosszonen wünschen sich Nutzungsmix mit einer großen sozialen braucht, sozial durchmischt und Stadtplaner Urbanität, Vielfalt, kurz- Nutzungsqualität“, so ENW-Geschäfts- um vollwertige Stadtquartiere mit urbanen führer Alexander Daum. Neben rund 290 keine Schlafstadt: was in vielen Strukturen und unterschiedlichen Nutzun- Miet- und Eigentumswohnungen gibt es inneren Stadtteilen und Orts- gen. Dass bauliche Voraussetzungen wie 21 Seniorenwohnungen, ein Studieren- kernen scheinbar mühelos überhohe Erdgeschosszonen allein kein denwohnhaus mit 97 Plätzen, Kindergar- Garant sind, dass sich dann tatsächlich ein ten, Gastronomie, Arztpraxen und diverse entstanden ist, stellt die Entwick- bunter Nutzungsmix einstellt, wissen mitt- Büro- und Gewerbeflächen. „Dank der ler neuer Quartiere vor Heraus- lerweile alle. Denn Orte, an denen das ständigen Interaktion der Hausverwaltung Leben der Stadt pulsiert, entstehen weder mit den Bewohnern und Geschäftsflä- forderungen. zufällig noch aus dem Nichts. chenmietern konnten im Laufe der letzten In Graz entstand in mehreren Bau- Jahren Synergien gefunden und genutzt FRANZISKA LEEB phasen von 2009 bis 2017 am Übergang werden. Nicht zuletzt hat auch die Archi- von der Kernstadt in die Peripherie im tektur der Wohnanlage mit ihren großzü- Zuge der Umstrukturierung des Messege- gigen Begegnungszonen ihren Teil zu ei- ländes auf dem Areal eines ehemaligen ner lebendigen Wohnanlage beigetragen“, Vergnügungsparks das Messequartier der bestätigt Daum, dass das Gelingen einer gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft guten Mischung von mehreren Faktoren ENW. Architekt Markus Pernthaler be- abhängig ist. trachtet eine ausreichende Anzahl an Ar- beitsplätzen als Garant für ein lebendiges Impulsgebende Häuser Quartier. Pro Bewohner ein Arbeitsplatz, Im Sonnwendviertel beim Wiener Haupt- lautete sein persönliches Ziel, dem jeden- bahnhof setzte man dazu auf sogenannte 12 WOHNENPLUS . 3|2020
THEMA Quartiershäuser, die mit „stadtteilbezoge- nen Nutzungen“ das neue Wohngebiet beleben sowie auf Baugruppen, deren Engagement die Stadt längst auch als Impulsgeber für neue Stadtteile erkannt hat. Was sich manche vor ein paar Jahren nicht vorstellen konnten, wird nun nach und nach gelebte Realität. Vor allem ent- lang der Adele-Bloch-Bauer-Promenade entwickelt sich ein reges Stadt- und Ge- schäftsleben, zu dem Quartiershäuser wie Mio (Heimbau, Arch. StudioVlayStreeru- witz) und der Stadtelefant von Franz&Sue sowie das Baugruppenhaus Gleis 21 maßgeblich beitragen. „Das Dorf in die Stadt bringen“ heißt es in der Vision der Initiatoren des Gleis 21, dem im Sommer vergangenen Jahres bezogenen Wohnpro- jekt auf dem ehemaligen Bahngelände im Wiener Sonnwendviertel. Sie hatten dabei nicht verwaiste Ortszentren und wildwu- chernde Siedlungsränder vor Augen, son- dern Bilder vom guten Leben im solida- rischen Miteinander. Daher machen hier Foto: Hertha Hurnaus „Nicht zuletzt hat auch die Architektur der Wohnanlage Quartiershaus im Sonnwendviertel in Wien: Bauträger Neue Heimat, art home. Belebung der Erdgeschoßzone durch günstige Mieten. mit ihren großzügigen Begegnungszonen ihren Teil stehen schutzbedürftigen Menschen zur Leben anbieten. Mit den bereits festste- Verfügung. So verschieden die Bewohner, henden Nutzern aus dem Gesundheits- zu einer lebendigen Wohnanlage so unterschiedlich die Wohnungen. Quasi und Ernährungssektor waren bereits beigetragen.“ maßgeschneidert. „Ich hatte damals noch einen hohen missionarischen Ansatz“, er- detaillierte Planungen ausgearbeitet, bis schließlich unglückliche Zufälle, Geset- Alexander Daum zählt Architekt Markus Zilker. Mittlerweile zesänderungen und damit veränderte würde er die Strategie der „partizipativen wirtschaftliche Rahmenbedingungen den nicht sozial besser gestellte Idealisten nur Standardisierung“ verfolgen, also versu- Firmen einen Strich durch die Rechnung ihr Ding, sondern sorgen unter anderem chen, die Vorteile der zwei Welten Be- machten. dafür, dass Kunst und Kultur ins Grätzel wohnerbeteiligung und Serienfertigung in Die 300 und 400 Quadratmeter großen kommen. Und das auf hohem Niveau. Einklang zu bringen. Geschäftsräumlichkeiten stehen nun trotz Im perfekt ausgestatteten Veranstaltungs- einer relativ geringen Bruttomiete von raum wurden bereits Kinofilme gezeigt Flexibilität gefragt knapp unter zehn Euro pro Quadratmeter sowie Kabarett, Musik und Theater eine Ohne die Bewohnermitbestimmung, aber leer. Man sieht sich mittlerweile außerhalb Bühne gegeben. Neben dem Burgtheater- bereits mit künftigen Geschäftsmietern des Gesundheitsbereichs um. „Wir sind studio kooperiert man mit dem Stadtkino im Boot gingen Einszueins mit den Bau- trotzdem froh, dass wir das Projekt so Wien, Okto TV, Radio Orange und der im trägern Neue Heimat Gewog und deren gebaut haben. Irgendwann werden pas- Haus ansässigen Musikschule. Tochterunternehmen at home ein Stück sende Mieter kommen“, ist at home-Ge- Die Covid-19-Pandemie hat zwar das weiter beim Quartiershaus an der Ma- schäftsführer Josef Wiesinger zuversicht- Kulturprogramm für Monate schachmatt ria-Lassnig-Straße am südöstlichen Spitz lich. Geschäftsmieter jenseits der üblichen gesetzt. Aber zumindest mit einem Floh- des Sonnwendviertels vor fünf Jahren großen Ketten zu finden ist dann leichter, markt samt Nachbarschaftsfrühstück stell- in den Wettbewerb. „Gewerbe im Erd- wenn – wie in anderen Quartiershäusern te man sich im Ausnahmesommer 2020 geschoss war hier, abseits der Fußgän- oder im Nordbahnviertel – Erdgeschoss- in den Dienst der nachbarschaftlichen gerzone keine zwingende Vorgabe im flächen durch die Mieten der darüber Vernetzung über das Haus hinaus. Für Wettbewerb“, erzählt Architekt Markus liegenden Wohnungen oder potente Ge- Einszueins architektur und den Bauträger Pendlmayr von Einzueins. schäftsmieter quersubventioniert werden Schwarzatal war das Gleis 21 nach dem Man wollte dem Thema Gesundheit können. Das war hier nicht vorgesehen. Wohnprojekt Wien im Nordbahnviertel aber nicht nur durch die ökologische „Die Stadt und die Wirtschaftskammer tun das zweite gemeinsame Projekt auf dem Holz-Beton-Hybridbauweise entsprechen viel, um die Belebung der Erdgeschoßzo- Sektor des partizipativen Wohnbaus. Jun- und den künftigen Bewohnern ein schad- nen zu fördern“, streut Andreas Dominko ge und Ältere, Paare, Singles und Fami- stofffreies Wohnklima bieten, sondern von der Neuen Heimat einerseits Rosen, lien wohnen im Haus, zwei Wohnungen auch Dienstleistungen für ein gesundes warnt aber auch: Denn in vielen Gebäu- WOHNENPLUS . 3|2020 13
THEMA Raumhöhe von drei Metern. Das sorgt in den kleinen Wohnungen für Luftigkeit und Platz für Stauraum oder Hochbetten. Zehn Wohnungen sind speziell für Perso- nen mit besonderen Bedürfnissen ausge- stattet, im abwechslungsreich gestalteten Hof finden sich Behindertenspielgeräte. Große Nachfrage – überwiegend von Per- sonen außerhalb der Anlage – herrschte nach den 23 temporären Arbeitsplätzen. Es gibt einen Kindergarten, ins Souter- rain bei der Sitztreppe im Hof zog ein Kampfsportzentrum ein und eine Pizze- ria an der Absberggasse wird bald fol- gen. Nicht umgesetzt wurde das anfangs Foto: BWM Architekten angepeilte Konzept einer permanenten Case-Management-Betreuungsstation für pflegebedürftige Personen im Familien- Wohnen für alle Bedürfnisse und mehr: Preyersche Höfe vom ÖSW und Familienwohnbau in Wien 10. verband, weil sich im Lauf der Bauzeit das Konzept des sozialen Dienstleisters den würde man derzeit einen Überhang Wimmer planten. Im dritten Obergeschoss änderte. an Gewerbeflächen produzieren. „Das verbindet ein durchgehender „Umgang“, ist ein riesiges Thema für die Zukunft“, an den einige Gemeinschaftsräume und Urban und weltläufig so Dominko, der sich anstatt reiner Ge- die Gemeinschaftsküche angelagert sind, Stärker nach außen zeichnet sich der Nut- werbewidmungen flexiblere Nutzungs- alle sieben Stiegenhäuser. Das kommt zungsmix im Nordbahnviertel ab. Trotz möglichkeiten – zum Beispiel befristetes der sozialen Vernetzung und Kommuni- der Baustellen rundherum herrscht an Wohnen – für die Erdgeschosse wünscht kation ebenso entgegen wie der barrie- der Bruno-Marek-Allee fast innerstädti- und von einer Art Solidaritätspakt in der refreien Mobilität von älteren Menschen sche Betriebsamkeit – besonders um die Branche berichtet: Im Stadtentwicklungs- und Kindern innerhalb der Anlage. Die 93 Mittagszeit, wenn die Mitarbeiter der Bü- gebiet Hausfeld haben sich 16 Bauträger Smart-Wohnungen erhielten allesamt eine ros ausschwärmen, um sich einen Snack gegen ein Erdgeschossmanagement ent- schieden und richten stattdessen ein Bud- get ein, mit dem Leerstände ausgeglichen werden sollen. Smart durchdacht „Wir lernen und wissen, dass Flächen mit 60 bis 80 Quadratmeter gut gehen, aber alles darüber hinaus ein Riesenproblem ist“, bestätigt Barbara Fritsch-Raffelsber- ger von der Familienwohnbau. Gastro- nomie und klassischer Handel würden eine Frequenz benötigen, die in vielen Quartieren schlichtweg nicht gegeben sei. Das unterstützenswerte Ziel einer au- tofreien Stadt stünde zu jenem der Erd- geschoßbelebung im Widerspruch. Dass gute Mischungen – sozial und funktional – trotz mancher Hürde entstehen können, zeigt sich auf Bauplatz B der Preyerschen Höfe, dem einstigen Areal des Gottfried von Preyer‘sches Kinderspital zwischen Schrankenberggasse und Absberggasse. Gemeinsam mit dem Österreichischen Siedlungswerk errichtete die Familien- wohnbau hier 219 Wohnungen für rund Foto: tschinkersten fotografie 700 Personen. „Wir haben über den Tel- lerrand hinausgedacht“, so Markus Ka- plan von BWM Architekten, die den städ- tebaulichen Wettbewerb für das ganze Areal gewonnen haben und den Bauplatz in der Mitte mit sk architekten und Albert Gebäude des ÖVW in der Bruno-Marek-Allee (Arch. AllesWirdGut): Vielfältig genutzte attraktive Erdgeschosszonen sorgen für urbanes Flair. 14 WOHNENPLUS . 3|2020
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