MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Fit fürs Digitale Berufsbildung in der Medienbranche - Selten ein Ja-Nein-Schema 60 Jahre Deutscher Presserat
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
mmm.verdi.de E 2814 Jahrgang 65 MENSCHEN MACHEN Selten ein Ja-Nein-Schema MEDIEN 60 Jahre Deutscher Presserat Wir Kreative! Medienpolitisches ver.di-Magazin Dez. 2016 Nr. 4 Jenseits etablierter Standards Fit fürs Digitale Berufsbildung in der Medienbranche
Inhalt IM FOKUS BERUFSBILDUNG PORTRÄT 6 FIT FÜRS DIGITALE 15 DUALES STUDIUM BOOMT 4 BERUF MEDIENGESTALTER 28 NICHT FÜR JEDEN PREIS Von Susanne Große Diskrepanzen BILD UND TON: Gesetzlicher Anspruch auf Stracke-Neumann zwischen den verschiede- Voll gefordert angemessene Honorare nen Anbietern bleibt schwer durchsetzbar 10 PLUS MULTIMEDIALE INHALTE 16 NOCH ZEITGEMÄSS? MEINUNG 29 PRESSE-VERSORGUNG Ein Interview mit Journalistenausbildung Überdurchschnittliche Matthias von Fintel in Deutschland vor hohen Gewinnbeteiligung zum novellierten Ansprüchen 5 GEGENSTEUERN UND Volontärstarifvertrag ETHISCH KURS HALTEN! 29 NIE WIEDER MEHR ALS 18 UM NICHT 17,60 EURO? 11 EIN LANGER WEG PERSPEKTIVLOS ZU SEIN 1990: wirkungsvoller Vielfältige Angebote zur INTERNATIONALES Journalistenstreik für Weiterbildung angepasst VER.DI UNTERWEGS einen Ausbildungstarif- an digitale Erfordernisse vertrag 22 AUFMACHER ERDOGAN 20 VONEINANDER Die Abschaffung der 30 BREMEDIA 13 MIT TECHNIK-RUCKSACK PROFITIEREN Pressefreiheit in der Türkei Mehr Gehalt ab November Volontäre werden auch ver.di startet Kooperation im WDR nur noch selten mit dem Verein 30 MEDIENAKADEMIE übernommen Junge Verlagsmenschen BERUF ver.di-Bildungsangebote aus dem Norden 14 VERDICHTETER LEHRPLAN 21 SCHON ENTDECKT? 30 PAPIERVERARBEITUNG Anspruchsvolle Bewerbung CROWDSPONDENT Unzureichendes Angebot an der Electronic Media zurückgewiesen School 24 SELTEN EIN JA-NEIN-SCHEMA 30 IMPRESSUM Am 20. November vor 60 Jahren wurde der Deut- 31 ECKART SPOO: M sche Presserat gegründet KRITISCHER GEIST UND 16 JAHRE 26 DA IST DJU-VORSITZENDER HANDLUNGSBEDARF Titelbild: Wandel der Arbeitswelt Steffen Leiprecht / und Interessenvertretung ifp – die katholische Journalistenschule Online jenseits etablierter Standards immer aktuell informiert. Alle 14 Tage per newsletter die neuesten Beiträge im Überblick. >> mmm.verdi.de 2 M 4.2016
ediTOriAl Karikatur: toonpool / Harm Bengen Wie das Digitale die Profession beeinflusst Digitaler Wandel, Arbeit 4.0 – auf Schritt und Tritt begegnen einem die Schlagworte, nerven mitunter, Polentz angesichts ständiger Betonung. Dabei wissen wir es genau, wir sind mittendrin in der rasanten Ent- wicklung, ohne Digitales läuft fast nichts mehr. Es gilt mitzuhalten und mitzugestalten – in der Aus- n v. Foto: Christia bildung und später im Job durch unaufhörliches Dazulernen, durch Weiterbildung. Und die Lehr- einrichtungen, ob Berufsschule, Akademie oder Universität, stehen vor dem großen Anspruch, mög- lichst immer auf dem neusten (digitalen) Stand zu sein. Kein leichtes Unterfangen, wie M im letzten Themenheft dieses Jahres an Hand der Medienbranche aufzeigt. Crossmediales Arbeiten hat nahezu überall Einzug gehalten und technisches Wissen und Können – etwa für Redakteur_innen – erfährt eine neue Gewichtung. Dennoch gibt es viele Unterschiede in der Berufs- vorbereitung, sowohl bei Inhalten und Strukturen aber auch bei den Vergütungen für die Lehr- oder Studienzeit. Die Gewerkschaften sind gefordert, sich einzubringen bei der Weiterentwicklung von Berufs- bildern wie die „Mediengestalter_in Bild und Ton” (s. auch S. 5) und vor allem bei der Tarifierung der Aus- bildung. Nach nunmehr 26 Jahren ist es erst dieser Tage gelungen, den Volontärstarifvertrag zu novellieren (S.10). Im beigefügten Musterausbildungsplan finden sich Themen wie Workflow, Social Media, Daten- schutz, Content Management, Newsroom oder Newsdesk. Geeinigt haben sich die Parteien am Verhand- lungstisch, ein Streik wie 1990 war diesmal nicht notwendig. Umso mehr möchte M an die kämpferische Avantgarde von damals erinnern (S.11/12). Auch der Deutsche Presserrat hat sich auf die Veränderungen durch die Digitalisierung der Medien einge- stellt und seinen Pressekodex um onlinespezifische Aspekte ergänzt. Im 60. Jahr ihres Bestehens hatte die Freiwillige Selbstkontrolle nicht zuletzt wegen digitaler Angebote eine steigende Zahl von Beschwerden zu bearbeiten. Weltweiter Terror, der viele Menschen zur Flucht auch nach Deutschland zwang, warf auch in der Berichterstattung Fragen auf. Selten gab es einfache Antworten, der Pressekodex jedoch bildet eine handhabbare Haltelinie. (S. 24/25) Die M-Redaktion wünscht allen Leser_innen eine interessante Lektüre der aktuellen M „Fit fürs Digitale” sowie der täglich mit neuen Beiträgen bestückten M Online (https://mmm.verdi.de) – und natürlich Frohe Weihnachten! Mit anregenden analogen Begegnungen trotz Digital-TV. Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin 4.2016 M 3
PORtRÄt Beruf Mediengestalter Bild und Ton: Alexander Küpper Voll gefordert „D Foto: Nico Schnepf / wearedesign er Sender bildet Medien- geplant. Morgen wird ge- gestalter_innen Bild und dreht und übermorgen Ton aus, aber im Alltag wird geschnitten und be- des Senders kommt die- arbeitet. Für den vierzig- ser Beruf genau genom- jährigen Mediengestalter men nicht vor. In den Tarifverträgen des ist die Vielfalt der Aufga- SWR gibt es uns nicht”, erzählt Alexander ben und Tätigkeiten eine Küpper. „Im Hinblick auf die Vergütung ständige Herausforderung. laufen wir Mediengestalter als Techni- „Die tägliche Arbeit zeichnet sich durch teilweise das Internationale Medienzen- ker”. Alexander und seinen Kolleg_innen einen hohen Anteil an eigener Kreativität trum, das Mannschaftshotel und die ist es ein Anliegen, dies zu ändern. Ihren aus.” Das ist es, was ihn an diesem Beruf Spielorte Hunderte von Kilometern ausei- Ausbildungsberuf auch tariflich zu veran- fasziniert. In einer ersten Ausbildung nander. Im Zweier-Team, ein Redakteur kern. ver.di und der Personalrat sind an lernte Alexander Schreiner. Auch da war und ein Mediengestalter, bleibt die Be- dieser Frage dran, aber wie so oft: Gut Handwerk und Kreativität gefragt. Als richterstattung flexibel und aktuell. Ding will Weile haben. Mediengestalter Bild und Ton sieht er den Reiz darin, im Medium Rundfunk Ge- Eine große Herausforderung ist Social Der SWR beschreibt die Ausbildung schichten zu erzählen. „Egal, ob es sich Media. Für das Internet muss teilweise an- Mediengestalter_innen auf seiner Home- um Unterhaltung oder Info handelt.” ders produziert werden als fürs Fern- page: Als zukünftige Spezialisten für Bild sehen. Die Formate werden kleinteiliger. und Ton lernen die Auszubildenden alle Schon als Jugendlicher hat sich Alexan- Sendungen werden in Fragmente zerlegt. wesentlichen Punkte bei der Realisierung der intensiv mit Musik beschäftigt, Auch entsprechen die Produktionsbedin- von Fernsehproduktionen und Radiosen- Schallplatten hören war das Größte. gungen für Beiträge im Netz nicht immer dungen kennen. Dementsprechend pla- Später kam dann Fotografie hinzu. „Der denen einer großen Film- und Fernseh- nen die Auszubildenden für Medien- Weg zum Mediengestalter war fast vor- produktion. Dafür ist Schnelligkeit ein gestaltung den Arbeitsablauf, realisieren programmiert”, stellt er im Rückblick fest. wesentlicher Aspekt. die Ton- und Bildaufnahmen und bear- „Zu meiner Motivation, den Beruf zu er- beiten Beiträge, die sowohl im Fernsehen, greifen, gehört aber auf jeden Fall auch Doch die hohen eigenen Ansprüche auf- als auch im Hörfunk und online präsen- das Arbeiten im Team. Fernsehen zu ma- zugeben ist nicht Alexanders Weg. tiert werden. „In der praktischen Arbeit chen ist ein Mannschaftssport.” Alle zwei „Manche Verantwortliche in den Sendern im Sender setzt es sich langsam durch, Wochen steht die Produktion der „Pierre haben das Fernsehen im Kopf schon ab- dass Mediengestalter gezielt eingesetzt M. Krause Show” an, eine Late-Night- geschafft”, stellt er fest. „Lineares Pro- werden. Früher mussten sich ausgebildete Show dienstags um 23:30 Uhr im SWR- gramm ist für diese Leute von vorges- Mediengestalter spezialisieren, als Kame- Fernsehen. Produziert werden jeweils tern.” Dabei gibt es im Netz erste gegen- ramann, Tontechniker oder im Schnitt. zwei Sendungen mit schrillen Stories, lus- läufige Ansätze wieder hin zu regelmäßi- Doch wir kombinieren verschiedene Auf- tigen Videos, Live Musik unplugged und gen Publikationsterminen. Und was man gabenfelder. Wir sind gewissermaßen so interessanten Gästen. In solchen Produk- nicht vergessen sollte: Es gibt grundlegen- etwas wie die Eier legende Wollmilch- tionen sieht Alexander die Mediengestal- de Qualitätsmerkmale in Bild und Ton, sau”, sagt Alexander Küpper. Und er fügt ter_innen voll gefordert. Oder auch bei auf die freiwillig zu verzichten, die Kom- nicht ohne Stolz hinzu: „Das klingt nach Außendrehs im kleinen Team. Einsatz- munikationslandschaft ärmer machen etwas Unmöglichem, aber es geht, wenn möglichkeiten gibt es viele. Die Sportre- würde. Insofern gibt es für die Medienge- man die Aufgaben gut strukturiert an- daktion zum Beispiel, erklärt Alexander. stalter_innen Bild und Ton genügend zu geht. Heute wird die Sendung organisiert, Bei der Fußballweltmeisterschaft lagen tun. Werner Jany
MeInung Gegensteuern und ethisch Kurs halten! D as Jahr geht zu Ende – und auch meine Hoff- nennen. Die Rhein-Zeitung gab bekannt, eigene Richt- nung, dass die Medien sich nicht weiter trei- linien zu entwerfen, da die Ziffer 12.1 des Presserats ben lassen von rechter Hetze im Netz und „aus der Zeit gefallen” sei. konservativer Abschottungspolitik. Wie bei der Berichterstattung über die „Kölner Silves- Eine solche ethische Kursverschiebung kann rassisti- ternacht” im Januar, so funktioniert es auch jetzt im sche Ressentiments bedienen und damit auch neue Dezember im Fall des Freiburger Studentinnenmords: Zielgruppen verprellen, die es doch zu gewinnen gilt – Eine Straftat wird in den Asyldiskurs gepresst, den etwa die mittlerweile 21 Prozent der deutschen Bevöl- konservative Kräfte nutzen, um Stimmung gegen kerung mit Einwanderungsgeschichte, die mit ihren Geflüchtete zu machen und Abschiebungen durch Ängsten vor Rassismus genauso ernst genommen wer- Gesetzesverschärfungen zu erleichtern. Wie kann den wollen wie die „besorgten Bürger” im Lande. Sie man da gegensteuern und ethisch Kurs halten? sollten in der Presse nicht immer nur als Problem, sondern als zum deutschen Alltag gehörig präsentiert dr. Bärbel röben Die ARD-Nachrichten haben es versucht: Am 3. De- werden, verlangen die Neuen deutschen Medien- lebt als freie Journalistin zember berichteten sie nicht über die Pressekonferenz macher, ein Zusammenschluss von Journalist_innen und Medienwissenschaft- in Freiburg, bei der die Ermittler einen 17-jährigen mit und ohne Migrationshintergrund, der sich für lerin in attendorn/Sauer- afghanischen Flüchtling als mutmaßlichen Mörder mehr Vielfalt in den Medien einsetzt. Noch klingen land. 2013 veröffentlichte einer deutschen Studentin präsentierten. Ihnen wurde die Forderungen, die sie jüngst auf ihrem Bundeskon- sie das Buch „Medien- unterstellt, das Ereignis aus politischen Gründen zu gress formulierten, wie Wünsche: „Mut” zu neuen ethik und die ,anderen’. verschweigen. Dabei haben sie sich zu Recht an den Zielgruppen, es ist Zeit, über eine Quote „zu reden”. Multiperspektivität als Pressekodex gehalten, der eine identifizierende Bericht- neue Schlüsselkompe- erstattung bei minderjährigen Straftätern untersagt. Hilft Reden noch in einer Zeit, in der jeder knallhart tenz”, das aspekte einer Am 5. Dezember knickte ARD-Aktuell ein und berich- seine Privilegien verteidigt? Muss man da nicht klare verantwortungsethischen tete auch, da „der Fall nun eine politische Dimension Ansprüche politisch einfordern, auch wenn es um me- Berichterstattung auslotet. bekommen hat”. diale Teilhabe geht? Denn wir leben in einer Medien- gesellschaft, in der Berichterstattung demokratische Nach Beschwerden wegen der „Köln”-Bericht- Entwicklungen befördern oder behindern kann. erstattung stand mit Richtlinie 12.1. das Antidis- kriminierungsgebot zur Disposition, aber der Mein Wunsch für 2017: Passen wir auf, dass nicht Presserat hält glücklicherweise daran fest. Doch noch mehr Medienboote nach rechts abdriften und in den Medien geht die Angst um, Stammkund- sich vom Sirenengeheul der „besorgten Bürger” ge- schaft zu verlieren. So hat die Sächsische Zeitung fährlich nah an die Klippen des Rassismus locken Foto: privat nach einer Umfrage in der Leserschaft verkün- lassen! Verteidigen wir den Pressekodex und fordern det, die Herkunft von Straftätern immer zu wir mehr Vielfalt in den Medien! Bärbel Röben
IM fOkuS Unaufhaltsam digitalisiert sich die Arbeitswelt. neue Tätigkeitsfelder wie das Crowdworking oder der 360 Grad-dreh, neue Berufsformen wie der Social Media redakteur oder die „Hashtaghüterin” entstehen in der Medienbranche. Gearbeitet wird zunehmend crossmedial. Hohe Anforderungen an die Aus- und Weiterbil- dung sind die Folge. Fit fürs Digitale B Von Susanne Stracke-neumann eim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) werden eingeführt werden. Die „Mediengestalter_in Print und Neueinführungen und Reformen der zurzeit 328 an- Digital” – zu den Vorgängern gehört die Setzer_in – erkannten dualen Ausbildungsberufe koordiniert. entstand 1998. „Hier haben wir völliges Neuland be- Die „Mediengestalter_in Bild und Ton” wurde 1996 treten”, berichtete Kaschel-Arnold. Schon 2002 gab es eingeführt, zusammen mit der „Film- und Video- die erste Reform der Ausbildung, 2013 die zweite, editor_in”. Damals waren sie die ersten Ausbil- 2016 die dritte Veränderung. dungsordnungen für die Produktion elektroni- scher Medien. 2006 gab es eine Anpassung des „Me- Die Fotograf_innen-Ausbildung erfuhr 2009 eine diengestalters Bild/Ton” an die Veränderungen in der Anpassung ans digitale Zeitalter, der im Jahr 2000 digitalen Arbeitswelt, jetzt steht die nächste Überprü- reformierte Beruf „Drucker_in” mauserte sich 2011 fung der Ausbildung bevor. zum „Medientechnologen Druck”. Der Beruf der der Journalis- Beteiligt an solchen Neuordnungen sind Arbeitgeber „Fachkraft für Veranstaltungstechnik”, 1998 neu ein- mus steht, wie viele und Gewerkschaften. Das ist nicht immer einfach, wie geführt, wurde schon 2002, nach nur vier Jahren, zum das Beispiel der „Film- und Videoeditor_in” zeigt. ersten Mal aktualisiert. In diesem Sommer trat die andere Kommunika- 2006 hatte man sich nicht einigen kön- nächste Erneuerung in Kraft. tionsberufe auch, nen, ob und wie der Beruf aktualisiert vor einem ethischen werden soll. Und so verzeichnet In der PR / Öffentlichkeitsarbeit Foto: Monika Griebeler/ifp – die katholische Journalistenschule das BIBB bis heute keine Reform hat die Digitalisierung es erfor- epochenwechsel, der Ausbildung. Dafür wurde dert, neue Schwerpunkte zu weil manche fun- 2006 aus dem „Verlagskauf- setzen: „Crossmediale Marke- damentalen Grund- mann” der „Medienkauf- tingkommunikation” oder mann Digital/Print” – bis „Social Media Manager_in” sätze in der digi- heute unverändert. (Kauf- und „Digital Stratege” hei- talisierung neu mann steht im weiteren ßen bei der Deutschen Aka- ausgelotet und Textverlauf immer auch für demie für Public Relations Kauffrau. d.Red.). Karl-Heinz angebotene Aus- und Weiter- verhandelt werden Kaschel-Arnold vom ver.di-Fach- bildungen. Sowohl hier an der müssen. bereich Medien, Kunst und Indus- PR-Akademie als auch an Hoch- trie, der damals für die IG Medien schulen und Weiterbildungsinstitu- über diese neue Ausbildungsordnung ver- tionen entstehen durch die Digitalisie- handelte, hatte die Ausbildungsordnung schon rung neue Lernformate: Online-Studiengänge, bei der Einführung als „B-Movie” kritisiert: „Wir hät- die „Virtuelle Akademie für gemeinnützigen Journa- ten uns noch mehr Aufmerksamkeit für Digitales ge- lismus” des Redaktionskollektivs „Correctiv”, Webi- wünscht.” Auch der 2006 eingeführte „Kaufmann für nare der JournalistenAkademie der Friedrich-Ebert- Marketingkommunikation”, der den Werbekaufmann Stiftung oder MOOCs, „Massive Open Online Cour- ablöste, ist bisher nicht neugestaltet worden. Dafür ses”, deren Fortentwicklung als cMOOC – c steht für soll jetzt zusätzlich der „Kaufmann für E-Commerce” connectivism – die Lernenden miteinander verbindet. 6 M 4.2016
2 Fotos oben: ifp – die katholische Journalistenschule / Steffen Leiprecht und Wolfgang Maria Weber BerUFSBildUnG An den 2 Fotos unten: Fotolia/Gerhard Seybert (Buch), /fotos4people (Kamera) Hochschulen Gut ein Dutzend der prägt die Digitalisie- Journalistenschulen rung die medienbezogenen Studienord- haben sich in die- nungen. In Dortmund ist aus dem Zweitfach Daten- sem Jahr eine ge- analyse/Statistik für künftige Wissenschaftsjournalis- meinsame Qualitäts- ten 2014/15 ein Schwerpunkt Datenjournalismus ge- Charta gegeben, zu worden, den Student_innen aller journalistischen finden unter dem Logo Studiengänge besuchen können. An der Fachhoch- „QJ” auf der jeweiligen In- schule Darmstadt-Dieburg gibt es im Master-Studien- Lernen an mobilen, ternet-Seite. Aber so ziemlich gang „Online-Journalismus” das Fach Datenjournalis- multimedial ausgestat- alle Schulen werben mit ihrer mus. Die Uni Eichstätt lässt ihre Studierenden an ei- teten Arbeitsplätzen und cross- oder multimedialen Ausbildung. ner App zum Mobile Reporting tüfteln. An der Fach- crossmediale Trainings prä- „Digitalen Journalismus leben” will man an der Elect- gen heute die moderne Aus- hochschule Magdeburg-Stendal ist gerade ein ronic Media School in Potsdam-Babelsberg. An der bildung an vielen Journali- hochmodernes Fernsehstudio zur Ausbildung in den Henri-Nannen-Schule können die Absolvent_innen stenschulen. Journalismus-Studiengängen eingeweiht worden. mindestens drei der folgenden Ausbildungsbereiche als Spezialisierung auswählen: Print, Audio, Video, Medienethik – ein wichtiges Thema Online und Social Media. Die Deutsche Journalisten- schule in München zählt in ihrem Lehrplan von der „New Media Journalism” nennt sich das Studium an Online-Recherche und dem Datenjournalismus über der Leipzig School of Media: Journalistische Content- Mobile Reporting, Podcast, CMS und Webvideos bis Aufbereitung‚ Crossmediale Content-Produktion und hin zur App alle Felder des digitalen Journalismus auf. Crossmediales Redaktionsmanagement stehen ebenso auf dem Programm wie Social Media oder digitale neuer Volontärstarifvertrag Geschäftsmodelle. Die Leipziger Volokurse haben Themen wie User Understanding oder Community Die Axel-Springer-Akademie befindet ganz beschei- Management integriert. den, sie sei „Deutschlands fortschrittlichste Journalis- tenschule” mit ihrem Schwerpunkt Cross Media: „Die Stephan Weichert, Leiter des Studiengangs „Digital Journalistenschüler arbeiten an mobilen, multimedial Journalism” an der Hamburg Media School, sieht als ausgestatteten Arbeitsplätzen und genießen ein um- Konsequenz der Technik- und Algorithmenabhängig- fangreiches Training in Print-, Mobil- und Onlinejour- keit des digitalen Journalismus in der Medienethik ein nalismus. Neben ihrem Laptop und der Digitalkamera bleibendes Thema der Ausbildung: „Der Journalismus gehört das Smartphone genauso zu ihrer Ausrüstung steht, wie viele andere Kommunikationsberufe auch, wie die Handycam und das Mikrofon.” vor einem ethischen Epochenwechsel, weil manche fundamentalen Grundsätze in der Digitalisierung neu Auch bei den Journalist_innen in den Redaktionen tut ausgelotet und verhandelt werden müssen.” sich in Sachen Ausbildung was, immerhin 26 Jahre 4.2016 M 7
iM FOKUS nach dem ersten Ausbildungstarifvertrag für Volon- le Ausbildung oder Online-Station absolviert. Auf der tär_innen an Tageszeitungen. Die Zeitschriften zogen Liste der Verbesserungsvorschläge tauchte der Wunsch Foto: Steffen Leiprecht/ifp – die katholische Journalistenschule damals im gleichen Jahr nach. Gut möglich, dass sie nach mehr Online-Erfahrung und mehr Crossmedia- sich nach dem aktuellen Abschluss zwischen der lität häufig auf. Auch Social Media, Content Manage- Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union ment Systems, Webseitenpflege, Layoutprogramme und dju in ver.di, dem Deutschen Journalistenverband (DJV) Facebook sollen in der Ausbildung wichtiger werden. und dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ebenfalls zur Erneuerung entschließen. Die Volos lernten zwar Online in den Kursen, hieß es A von Ausbilder_innen beim IQ-Forum im September noch nicht alles crossmedial in Bonn, sie könnten ihre Kenntnisse aber in den Re- daktionen oft nicht umsetzen. Volontär_innen könn- Aus dem im ersten Volo-Tarifvertrag 1990 erwähnten ten Erneuerer sein mit ihren digitalen Ideen, doch die „gegebenenfalls vorhandenen rechnergesteuerten „Digital Natives” stießen in den Redaktionen häufig Redaktionssystem” wurde Alltag für Journalist_innen, auf „festgefahrene Strukturen und Gegenwind”. Aus- ktuelle so gut wie jede Tageszeitung hat auch einen Internet- bilder_innen müssten multimedial ausgebildet wer- Tarifgehälter Auftritt, für den oft „online first” gilt, von Kommen- den, damit sie die Ideen der Volos aus den Kursen in tarspalten und Social-Media-Präsenzen ganz zu der Redaktion umsetzen könnten. Oder, wie es die frü- für Volontärinnen schweigen. In den neuen Vertrag und den ihm beige- here Leiterin der Hamburger Akademie für Publizistik, und Volontäre fügten Musterausbildungsplan sind deshalb Begriffe Annette Hillebrand, in Bonn formulierte: „Wir haben wie Workflow, Social Media, Datenschutz, Content leider die Erfahrung, dass die Betriebe sich für die In- tageszeitungen: Management System, Newsroom und Newsdesk ein- halte der Kurse überhaupt nicht interessieren.” Kurs 1.881 € im 1. ausbildungsjahr gezogen. Natürlich haben fortschrittliche Medienhäu- gehabt, abgehakt. 2.181 € im 2. ausbildungsjahr ser zumindest Online, teils auch Crossmedialität, bis- her schon in die Ausbildung einbezogen, wo es ge- Wer sich nach einer voll digital ausgerichteten Jour- Zeitschriften: schäftliche Verflechtungen mit dem lokalen Radio nalistenschule oder einem multimedial aufgerüsteten (Vor dem 22. lebensjahr) oder dem Lokalfernsehen gibt. Aber das scheint nicht Studiengang in einer kleinen oder nicht so aufbruch- 1.488 € im 1. ausbildungsjahr flächendeckend der Fall zu sein. Von den im Auftrag bereiten Redaktion wiederfindet, könnte einen Praxis- 1.735 € im 2. ausbildungsjahr der Initiative Qualität im ersten Halbjahr 2016 befrag- schock erleiden – ähnlich wie es bei den zurückkeh- (ab 22 Jahren) ten 390 Volontär_innen (www.initiative-qualitaet.de) renden Volos beobachtet wird. Kommentar eines Aus- 1.895 € im 1. ausbildungsjahr hatten bis dato nur rund 44 Prozent eine mehrmedia- bilders in Bonn: „Das müssen die jetzt aushalten!”
BeRufSBIlDung schen Pressesprecher nennt für PR-Volontär_innen ein Durchschnittsgehalt von 1.345 Euro, die Zahlen variieren zwischen 1000 und 1.600 Euro. Allerdings ist zu beobachten, dass Pressesprecher_innen und ihre Volontär_innen besser vergütet werden als die Volos oder Angestellten in Werbeagenturen, vor allem in kleinen und mittleren Agenturen. Die Schätzungen schwanken zwischen 700 und 1.600 Euro. In krassen Fällen gibt es, wie es bei- spielsweise der Wissenschaftsladen Bonn/Arbeitsmarkt berichtet, 600 Euro brutto für ein einjähriges Volontariat ohne jede Bildungs- maßnahme und dazu noch die Ansage beim Einstellungsge- spräch: „Von unserem Gehalt können Sie aber nicht leben, das ist Ihnen schon klar. Haben Sie denn noch jemanden, der Sie finanzieren kann?” in Berlin kennen keine Ausbil- Die Auszubildenden in der Druckin- dungsvergütung, bieten aber an, bei der dustrie haben nach Tarif einen Anspruch Suche nach Stipendien zu helfen. Die Freie auf 912 bis 1065 Euro, je nach Ausbildungsjahr. Journalistenschule oder die Kölner Journalistenschule Foto: Fotolia / muzzoff In der Realität klafft hier wie bei den Mediengestal- verlangen Ausbildungsgebühren. In der Henri-Nan- ter_innen Print und Online oder Bild und Ton oder nen-Journalistenschule, die für Gruner und Jahr, Die den Veranstaltungstechniker_innen oftmals eine Lü- Zeit und den Spiegel ausbildet, gibt es 764 Euro im Mo- cke. Gut getroffen hat es, wer einen Ausbildungsplatz nat. Das hat sogar die Potsdam-Babelsberger „Electro- bei großen Sendern wie dem Norddeutschen Rund- nic Media School”, die unter anderem für den RBB funk (NDR), Bayerischen Rundfunk (BR) oder einem Nachwuchs rekrutiert, mittlerweile überholt: Sie zahlt Konzern wie Springer ergattert hat: Ob Mediengestal- künftig 1.000 Euro Ausbildungsvergütung. Die Jour- ter_in, Fachinformatiker_in, Fachangestellter für nalistenschule Ruhr (WAZ) hatte 2005 alle Volontär- Medien- und Informationsdienste, Kauffrau für Au- _innen zu Angestellten gemacht, es gab 1.200 Euro im doivisuelle Medien oder Veranstaltungskauffrau und ersten Jahr und 1.400 Euro im zweiten Jahr. Inzwi- Veranstaltungstechniker_in, die Azubis gehen beim schen ist das Modell wieder geändert worden: In der BR mit einer Vergütung von fast 800 bis beinahe „Medienakademie Ruhr” sind die Schüler_innen jetzt 1.000 Euro durch die drei Ausbildungsjahre, beim wieder Volontär_innen ihrer Heimatredaktionen, was NDR sogar mit 906 bis 1.020 Euro. Bei Springer erhal- bedeuten kann, dass sie unterschiedliche Ausbil- ten alle Azubis – und das ist im Gegensatz zur Volo- dungsvergütungen erhalten, wie die Schulleiterin Sa- vergütung sogar im Netz zu finden – zwischen 891 bine Roschke gegenüber „M” erklärte. und 994 Euro, je nach Ausbildungsjahr. Häufig nicht nach Tarifvertrag bezahlt Schaut man aber nach den tatsächlich gezahlten Durchschnittsgehältern, so liegen die bei Kauffrauen Doch auch bei den Volontär_innen leuchtet nicht al- für audiovisuelle Medien laut „ausbildung.de” eher les golden im Sinne des Tarifvertrags. Bei einer Um- zwischen 500 und 700 Euro, bei Medienkaufleuten frage der Initiative Qualität im Journalismus in Volon- zwischen 620 und 980 Euro, bei Veranstaltungstech- tärskursen im ersten Halbjahr 2016 (www.initiati- nikern zwischen 530 und 900 Euro, bei Mediengestal- ve-qualitaet.de) gaben nur rund 46 Prozent an, tern Digital/Print zwischen 490 und 916 Euro. Inte- nach Tarif bezahlt zu werden. Tiefpunkte wa- ressant, aber auch etwas deprimierend, ist für die oder ren die Angabe von 780 Euro Gehalt oder den Ausbildungswilligen auch die Münchner Seite 1100 Euro nach 15jähriger freier Mitarbeit. „Azubi und Azubine”. Tiefpunkt ist hier in der Me- Immerhin konnten 18 Volos sogar ankreu- dienbranche der Azubi oder die Azubine der Fotogra- zen, dass ihr Einkommen über dem Tarif- fie: Zwischen 235 und 315 Euro gibt es in den drei gehalt liege, hauptsächlich bei Zeitschrif- Lehrjahren, laut „ausbildung.de” zwischen 240 und ten. Der Durchschnitt lag bei 1.500 bis 490 Euro. Jan-Timo Schaube, Fotojournalist und Mit- Foto: Fotolia/philipimage 1.700 Euro. glied des Bundesvorstands der dju in ver.di, kennt die- se niedrigen Azubi-Gehälter aus seinem beruflichen Das sind Zahlen, von denen manche Akademi- Umfeld: „Der Fotograf ist in der Medienbranche wie ker_innen, die in die Öffentlichkeitsarbeit wollen, der Elektriker auf dem Bau – ganz unten.” nur träumen können. Der Bundesverband der Deut- Susanne Stracke-Neumann
iM FOKUS Plus multimediale Inhalte N ein interview mit Matthias von Fintel zum novellierten Volontärstarifvertrag ach 26 Jahren liegt ein neuer Ausbil- lontariatstarifvertrag hat aber eine wichtige Orientie- dungstarifvertrag vor. Für den er- rungsfunktion auch außerhalb der Tarifbindung. sten Tarifvertrag für Volontärinnen und Volontäre an Tageszeitungen Was war der Knackpunkt, dass die Verhandlun- im Jahr 1990 waren viele Redak- gen dann doch länger gedauert haben als ur- tionen auf die Straße gegangen. Dieses Mal, 2016, sprünglich gedacht? waren keine Streiks nötig, die Tarifparteien einigten Die Laufzeit des Volontariats. Die Deutsche Journalis- sich am grünen Tisch. Über den neuen Tarifvertrag tinnen und Journalisten-Union (dju) in ver.di ist der für Volos sprach M mit Matthias von Fintel, dem Meinung, dass auch mit den neuen Inhalten für eine Tarifsekretär Medien und der dju in ver.di. gut organisierte Ausbildung die zwei Jahre ausrei- chend Zeit bieten. In vielen Verlagen wird das aktuell M | Warum hat es so lange gedauert bis der Aus- ja auch praktiziert. Doch der BDZV hat eine Verlän- bildungstarifvertrag novelliert wurde? gerung um neun Monate gefordert und sich nur sehr Matthias von Fintel | Die vergangenen 26 Jahre langsam von dieser Forderung wegbewegen lassen. haben sehr viele Veränderungen für die Redaktionen Wir wollten auf keinen Fall eine Verlängerung des Vo- gebracht, im inneren Aufbau der Redaktionen und na- lontariats, mit dem alleinigen Nutzen für den Verlag, türlich nach außen in den vielfältigeren Verbreitungs- jemanden, der schon fertig ausgebildet ist, zum wegen und Ausdrucksformen. Die Internetauftritte Volontariatsgehalt statt des eigentlichen, richtigen Re- Weitere Inhalte ergänzen der Tageszeitungen gab es 1990 noch nicht. Multi- dakteursgehalts einsetzen zu können. Wir haben jetzt den neuen Volontärstarif- mediale Aufbereitung in Grafiken, Videos oder Audio- einer Verlängerung von einem bis drei Monaten zu- vertrag – drei Monate Ver- Foto: Christian v. Polentz beiträgen sind heute in Social Media und Apps nicht gestimmt, wenn sie Zusatzqualifikationen dient, und längerung der Ausbildungs- mehr wegzudenken. Damit hat sich auch die Art, in zeit sind für Zusatz- dazu in journalistisch geprägten externen Stationen der ausgebildet wird, verändert. Alles zusammen ge- qualifikationen möglich. durchgeführt wird, wie in- oder ausländischen Korres- nommen hat gezeigt, es gibt Renovierungsbedarf am pondentenbüros, Nachrichtenagenturen oder PR-Ab- bestehenden Tarifvertrag für Volontärinnen und Vo- teilungen, in journalistischen Start-Ups oder bei ei- lontäre. Einig waren wir uns mit dem Verlegerverband nem Radio-/Fernsehsender. Diese Verlängerungs- BDZV, dafür den geltenden Vertrag nicht zu kündi- möglichkeit gilt erst mal bis Ende 2019 und gen, sondern mögliche Ergebnisse der Verhand- kann ohne weiteres gekündigt werden. Wir lungen an die Stelle des ansonsten unverändert werden uns in der Zeit die tatsächliche Ein- geltenden Tarifvertrages zu setzen. haltung dieser Regelung genau anschauen und die Volontärinnen und Volontäre da- Welche Verhandlungsergebnisse, also zu befragen, wofür die zusätzlichen Mona- Neuerungen bringt der neue Ausbil- te verwendet werden. dungstarifvertrag? An den wesentlichen Elementen der Ausbil- Du hast von einer gut strukturierten dung ändert sich nichts, nach wie vor sind Re- Ausbildung gesprochen: Gibt der novel- cherchieren, Schreiben, Redigieren, Presserecht, lierte Ausbildungsvertrag dazu Hilfen für Presseethik usw. die Basis der journalistischen Aus- die Redaktionen und Ausbilder_innen, die bildung. Neu aufgenommen wurden Ausbildungs- ihre Aufgabe meist zusätzlich zur normalen inhalte in Online-Journalismus und multimedialem Redaktionsarbeit übernehmen? Arbeiten. Außerdem haben wir den Vertrag an die Nicht nur im Tarifvertrag selbst ist einiges dazu aus- heutige Situation mit Newsdesks und in manchen geführt, auch in einem neuen Anhang zum Vertrag Häusern der Auflösung der klassischen Ressorts in gibt es einen detailliert ausgeführten Musterausbil- Themenfelder Rechnung getragen. Darüber ließ sich dungsplan mit den grundsätzlichen Anforderungen auch relativ schnell einig werden. Schwieriger war es und vielen Themenvorschlägen, zum einen für eine schon die Redaktionsgesellschaften, die außerhalb der systematische Einführung zu Beginn des Volontariats Verlage gegründet wurden, in den Volontariatstarif- sowie für die spätere innerbetriebliche Schulung in vertrag aufzunehmen. Es bleibt aber zu bedenken, nur den so genannten Volontärstagen. Dabei ist es sicher tarifgebundene Redaktionsgesellschaften und Verlage auch eine gute Möglichkeit, wenn sich kleine Redak- müssen sich an den Tarifvertrag halten. Zum Zwecke tionen zu manchen Themen mit auswärtigen Referen- der Tarifflucht ausgegründete Gesellschaften oder aus ten zusammentun, wie dies bei der IQ-Ausbildungs- dem Tarif ausgetretene Verlage werden sich weiterhin konferenz im September in Bonn diskutiert wurde. gegen die Anwendung der Regeln sträuben. Der Vo- Interview: Susanne Stracke-Neumann
BeRufSBIlDung Ein langer Weg 1990: wirkungsvoller Journalistenstreik für einen D Ausbildungstarifvertrag iskutiert worden war über eine geregelte Ausbil- dung für den journalistischen Nachwuchs in Zeitungskreisen schon seit gut 100 Jahren, als sie dann endlich Wirklichkeit wurde. 1990 erstritten Journalist_innen in dem damals längsten Journalisten- streik, den die Bundesrepublik je er- lebt hatte, ein Tarifwerk zur Ausbil- dung von Volontär_innen. Jetzt hat es immerhin „nur” 26 Jahre gedauert, bis eine Aktualisierung dieses Ausbil- dungsplans beschlossen wurde. Ohne Streik, aber unter dem Druck der tech- nologischen Entwicklung der Branche. Richtlinien für ein Volontariat an Tages- zeitungen gab es seit 1969. Im Jahr 1981 setzten sich die Verlage noch einmal „Bindende Grundsätze” für eine gute Aus- dien bildung von Volontär_innen. Doch ganz Foto: IG Me so bindend waren diese Grundsätze in vie- len Zeitungshäusern offenbar nicht, denn Inez Kühn bei einer 1990 streikten die Journalist_innen in der Aktion in Stade 1990 Tarifrunde auch für eine wirklich verbind- liche Regelung der Ausbildung in den Ta- geszeitungen, für einen Ausbildungstarifvertrag. Der Vorlauf für diesen Erfolg zog sich über Jahre. Inez Kühn, damals junge Redakteurin schon mit Verant- 120 Redaktionen traten in den Warnstreik, 93 Redak- wortung für Volontär_innen, bis vor kurzem Bereichs- tionen streikten teilweise bis zu sechs Wochen. Am leiterin Medien bei ver.di, erinnert sich an ihre eigene 28. Mai 1990 wurde schließlich ein Ausbildungstarif- Ausbildung beim Buxtehuder Tageblatt, einer gewerk- vertrag zwischen der Deutschen Journalistinnen- und schaftlich gut organisierten Redaktion. Mit dem Vo- Journalisten-Union dju, dem Deutschen Journalisten- lo-Vertrag hielt sie auch die Eintrittserklärung für die verband (DJV) und dem Bundesverband der Deut- dju in der IG Druck und Papier in den Händen. Ihre schen Zeitungsverleger (BDZV) besiegelt, der eine Ausbildung hat sie in sehr guter Erinnerung. Sie zweijährige Ausbildung vorsah. Der Tarifvertrag galt machte schnell Karriere beim Mutterblatt Stader Tage- ab dem 1. Juli 1990 in allen tarifgebundenen Ver- blatt und in der dju, die damals für einen Mantelta- lagen. In 15 Paragraphen wurde erläutert, wie das Re- rifvertrag kämpfte. 1983 kam sie in den Bundesvor- daktionsvolontariat an Tageszeitungen auszusehen stand: Jung, Frau, Volontärsausbilderin. Bei der Zutei- habe. Wenige Monate später, zum 1. Oktober 1990, lung der Aufgaben unter dem Vorsitzenden Eckard wurde ein leicht modifizierter Ausbildungstarifvertrag Spoo wurde sie auf die Volontärsausbildung festgelegt. für Zeitschriften nachvollzogen, ohne noch einen Eine Arbeitsgruppe mit Volontärinnen und Volontä- Streik. Dafür aber seit dem 13. April 1991 mit einer ren, mit Studierenden der Deutschen Journalisten- Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Bundesar- schule in München und der Uni Dortmund, existierte beitsministeriums. Dieser Vertrag gilt also in allen schon. Und auch hier haben sich viele engagiert, die Zeitschriftenhäusern, auch für die Verlage, die nicht selbst keine schlechte Ausbildung hatten, aber beob- oder nur „ohne Tarifbindung” im Verband Deutscher achten konnten, welche Niveauunterschiede es in der Zeitschriftenverleger (VDZ) Mitglied sind. Branche gab. 4.2016 M 11
iM FOKUS Dazu erläutert Veronika Mirschel, heute Leiterin des erfahren hatte. Gerhard Manthey, lange für die IG Referats Selbstständige in ver.di und 1983 im ersten Medien und ver.di in Stuttgart tätig und damals bei Semester des ersten Kombinationsstudiengangs an diesem Thema sehr engagiert, resümierte: „Der Aus- Deutscher Journalistenschule und Uni München: bildungstarifvertrag ist ein wichtiger Meilenstein in „Studierende wurden damals gar nicht in die IG der Tarifgeschichte der Redakteurinnen und Redak- Druck und Papier aufgenommen.” Die DJSler haben teure.” Der Vorsitzende der dju in dieser wichtigen es dennoch geschafft, die Journalismus-Studierenden Zeit, Hartmut Schergel, kommentierte: „Wir sind rich- der Uni Dortmund auch. Nach einem Studierenden- tige Gewerkschafter geworden, haben Tarifgeschichte treffen auf eigene Kasse haben sie dann in der „Volo- geschrieben und neues Zutrauen in unsere Stärke ge- AG” mitgearbeitet, um Qualitätsstandards für Aus- wonnen. Durch den sechswöchigen Streik, mit dem und Weiterbildung, überbetrieblich und für alle, auf- sich Journalistinnen und Journalisten die 35-Stunden- zustellen. „Dem produktiven Brainstorming folgten Woche erkämpften und einen Ausbildungstarifver- überfüllte Volo-Kongresse, Rollenspiele zur Durchset- zung einer besseren Ausbildung, die Entwicklung von Betriebsvereinbarungen, Quellenstudien in Dänemark und, und, und. Nach intensivster (und breiter) Dis- kussion erblickte der erste Entwurf eines Ausbildungs- tarifvertrages auf einem Küchentisch das Licht der Welt”, erinnert sich Inez Kühn. Etwas unvermittelt traf das Engagement zu diesem Thema auch Renate Angstmann-Koch: Kaum war sie 1988 Volontärin beim Schwäbischen Tagblatt gewor- den, schon fand sie sich in der Rolle der Volontärs- sprecherin der dju in Baden-Württemberg wieder. Bundeskonferenz und Tarifkommission der dju mach- ten sich die Forderung der jungen Medienleute zu Eigen. Inez Kühn half bei der Ausformulierung der Forderungen, Verhandlungsführer war der spätere IG Foto: IG Medien Medien-Vorsitzende Detlef Hensche. Und die älteren Kolleg_innen in den Redaktionen haben mitgezogen. „Es war eine breite Bewegung” sagt Inez Kühn, damals Stade, heute Berlin. Streikaktion mit Peter Schröder-Metz erinnerte sich 2001 zum 50-Jah- trag, den die Verleger jahrzehntelang verweigert ha- Detlef Hensche zur Unter- re-Jubiläum der dju: „1990: Meine inzwischen zur IG ben. Allein wäre das sicher so nicht zu schaffen gewe- stützung der Tarifverhand- Medien gewandelte Gewerkschaft ruft zum Arbeits- sen, aber die Solidarität der Kolleginnen und Kollegen lungen kampf auf. Die Verhandlungen um den Abschluss ei- aus Technik und Verlag hat uns diesmal in neuer, alter nes Ausbildungstarifvertrages für Redakteur_innen Weise bestätigt, dass wir gemeinsam stark sind.” sind ins Stocken geraten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, um was es geht. Und ich weiß, was ich zu tun ha- be. Nach drei Streikwochen ist es geschafft: Der Aus- nach intensivster (und breiter) diskussion bildungstarifvertrag ist unter Dach und Fach. Dies sollte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft erblickte der erste entwurf eines Ausbildungstarifvertrages werden mit Kollegen aus Druck- und Verlagsbetrie- auf einem Küchentisch das licht der Welt … ben, mit gewerkschaftlich engagierten Künstlern, Mu- sikern und Schriftstellern.” Streiks und Aktionen, auch schon mal mit einem Leierkasten, sollten für Auch in späteren Tarifrunden gingen die „Alten” zum Aufmerksamkeit für das Thema sorgen. Margret Lü- Streik raus für die „Jungen”: Die sollten zum Beispiel nenborg, heute Professorin an der FU Berlin: „ Die Vo- nach einer Verlegerforderung Tarifgehaltseinbußen lontärsausbildung war es, die mich in die Arme der von rund 25 Prozent hinnehmen, um in den lange als Gewerkschaft getrieben hat. Damals noch als Studen- Traumbranche geltenden Medien Fuß fassen zu dür- tin in der Volo-AG zogen wir mit der Drehorgel vor fen. Dieses Mal gab es über Forderungen und Hinter- das Medienforum und verstärkten die Streikposten gründe mehr Berichte für die Öffentlichkeit als 1990. vor der WAZ in Hagen-Bathey.” Inzwischen dreht sich das Blatt: Verlage müssen sich In der Öffentlichkeit kam wenig an vom Kampf der für guten Nachwuchs attraktiv machen, wie die Bon- Gewerkschaften um eine geregelte Ausbildung. Die ner Konferenz der „Initiative Qualität im Journalis- Gehaltsforderungen seien ausverhandelt, hieß es. „Ja, mus” im September zeigte. Und dieser Herausforde- warum streiken die denn dann noch”, fragte sich so rung soll auch der neue Ausbildungsvertrag dienen. manche Leser_in, die nichts vom Ausbildungsthema Susanne Stracke-Neumann
BeRufSBIlDung Mit Technik-Rucksack E Volontäre werden auch im Wdr nur noch selten übernommen in Volontariat beim Westdeutschen als Redakteur_in übernommen zu werden. Nein, statt- Rundfunk (WDR) ist begehrt. Die dessen wird ihnen eine feste freie Mitarbeit angeboten. größte der insgesamt neun Landes- „Auch, wenn der WDR eine Mitarbeiter_in selbst aus- rundfunkanstalten der ARD hat im- gebildet hat, gibt es keine Garantie auf einen An- mer noch Strahlkraft, jede Volon- schlussvertrag danach. Wenn doch, dann über Jahre tär_in fühlt sich geschmeichelt, wenn sie immer nur befristete Verträge”, beklagt sich ein ehema- hier ausgebildet wird. Weniger schmeichelhaft dürfte liger Volontär. Er kritisiert, „was vielfach leider Nor- die Tatsache sein, dass die Volontär_innen kaum noch malität ist: Unnötiges Hinhalten sowie Missbilligung Chancen haben, nach ihrer Ausbildung in ein fest an- langjähriger, guter und zuverlässiger Mitarbeiter.” gestelltes Redakteursverhältnis übernommen zu wer- den. Die Zeiten, in denen das üblich war, sind auch Aus Sicht des WDR klingt das so: „Der WDR hat ein bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hohes Interesse daran, den Nachwuchs dauerhaft im vorbei. Der WDR muss sparen. Unternehmen zu beschäftigen. So gibt es für die Pro- grammvolontäre zunächst die Möglichkeit für einjäh- Man kriegt das Doch bevor es zur Ernüchterung kommt, wird dem rige Anschlussverträge. Daraus entwickeln sich meist volle Programm ge- Journalisten-Nachwuchs Einiges geboten. So durch- andere Gelegenheiten. Die Jahresvolontäre steigen in boten. insgesamt laufen die Volontär_innen Pflicht- und Wahlstationen der Regel sofort als freie Autoren beim WDR ein.” in Hörfunk, Fernsehen und Online. Ein Wirtschafts- Doch auch David Jacobs räumt ein, dass das Volonta- ist das Volontariat praktikum ist für künftige Programmvolontär_innen riat sehr gute Möglichkeiten biete und Volontär_in- sehr praxisorientiert Pflicht. Typische Wahlstationen sind die Bereiche Ak- nen die Zeit beim WDR als Etappe betrachten müss- geworden. Technik tuelles, Wirtschaft, Nachrichten, Spartenprogramme ten. Eine Etappe, die die meisten nutzen, um sich Foto: Fotolia/WavebreakMediaMicro und -sendungen, die ARD-Studios Brüssel und Berlin, unentbehrlich zu machen. Oder sich als Spezialist_in spielt eine große Sport, Politik und Zeitgeschehen, Kultur, Unterhal- eines Themas zu beweisen, um später als freie Mitar- rolle. tung etc. „Man kriegt das volle Programm geboten. beiter_in beschäftigt zu werden. Insgesamt ist das Volontariat sehr praxisorientiert ge- worden. Technik spielt eine große Rolle”, sagt David Doch der Etat für freie Mitarbeiter_innen wurde ge- Jacobs, Mitarbeiter des WDR und geschäftsführender kürzt und bis zum Jahr 2020 werden 500 Planstellen Vorstand des Verbandes ver.di im WDR. Crossmedia- nicht wiederbesetzt. „Natürlich heißt das nicht, dass lität zieht sich nach Angaben des WDR durch das dann weniger Arbeit anfällt. Das bedeutet, dass man gesamte Volontariat. weniger ins Programm hebt und weniger ins Detail investieren kann”, berichtet David Jacobs. Aktuell „Jeder Volontär lernt heute, das werden Volontär_innen da eingesetzt, wo Stellen Rechercheergebnis eines The- nicht neu besetzt werden oder wo ein Kollege krank- mas auf allen Verbreitungswe- heitsbedingt ausgefallen ist. „Da ist viel zu tun. Der gen zu spielen: Hörfunk, WDR hat den höchsten Krankenstand aller Anstalten Fernsehen, Online”, sagt Ja- in der ARD”, berichtet Jacobs. cobs. Für die Volontär_in- nen sei das erst mal kein Dauerbelastung, Zeitdruck, Multitasking ist das, was Problem. Denn auf diesem Volontär_innen aushalten müssen. Immerhin, die Wege eröffnen sie sich gu- Vergütung stimmt: Programmvolontär_innen erhal- te Perspektiven, auf dem ten im ersten Jahr 1826 Euro und im zweiten Jahr Markt der freien Journa- 1926,20 Euro, Jahresvolontär_innen aus den Studien- list_innen bestehen zu kön- gängen Leipzig und Dortmund erhalten 950 Euro. Ab nen. Jacobs beschreibt, was in- 2017 werden zehn Programmvolontär_innen erstmals zwischen überall zu beobachten 24 Monate ausgebildet, bisher waren es 18 Monate. ist: Feste Freie oder Volontär_innen Zudem bildet der WDR zehn Journalistik-Studierende sind heute gut bepackt, wenn sie zu der Hochschulen Dortmund und Leipzig in einem Terminen gehen: der Technik-Rucksack ist zwölfmonatigen Jahresvolontariat aus, das in das immer dabei. „Die müssen alles machen. Filme, O-Tö- Studium integriert ist. Pro Bewerbungsverfahren für ne aufzeichnen, den Beitrag schneiden, schreiben.” das Programmvolontariat gab es zuletzt rund 350 Be- Dass sie die sozialen Kanäle auch noch bespielen müs- werber_innen, für das Jahresvolontariat waren es 30 sen, versteht sich da von selbst. „Die Volontäre lernen (die Vorauswahl treffen die Universitäten). das und sind fit”, sagt Jacobs. Aber nicht, um später Silke Hoock
iM FOKUS AKTUELL Verdichteter Lehrplan A Anspruchsvolle Bewerbung an der electronic Media School ls einziger unter den öffentlich-recht- die Volontär_innen gegen Ende der Ausbildung einen lichen Sendern bildet der Rundfunk Intensivkurs in digitalem Storytelling. Berlin-Brandenburg (RBB) seine Vo- lontär_innen nicht selbst aus, son- Während des Volontariats absolvieren die Teilneh- dern kooperiert zu diesem Zweck eng mer_innen insgesamt fünf Stationen in verschiede- mit der Electronic Media School (ems) in Potsdam Ba- nen Partnerredaktionen beim Fernsehen, beim Radio belsberg, deren Gesellschafter er zusammen mit der sowie bei Online-Medien. Die ems arbeitet dafür Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) ist. Seit ihrer hauptsächlich mit öffentlich-rechtlichen Partnern, Gründung 2001 wurden an der ems in 10 Jahrgängen aber auch mit Spiegel Online oder netzpolitik.org zu- 140 Nachwuchsjournalist_innen ausgebildet, darunter sammen. Die meisten Redaktionsleiter würden dabei auch Jessy Wellmer, die ab 2017 die ARD Sportschau im Laufe der Ausbildung auch an die Schule kommen, am Samstag moderieren wird, oder Benjamin Stöwe, um sich bei den Volontär_innen vorzustellen, damit aktuell Wettermoderator im ZDF-Morgenmagazin. die „Erwartungshaltungen nicht grob aneinander vor- beigehen”, so Dahl. Während der ersten drei Statio- Auf ihrer Website beschreibt sich die ems als „eigen- nen bei Online, Radio und Fernsehen werde versucht, ständige und unabhängige Journalistenschule”, die den Volontär_innen unter den verschiedenen Koopera- eng mit privatwirtschaftlichen Medienunternehmen, tionspartnern ihre Wunschstationen zu ermöglichen. dem ZDF und den ARD-Anstalten, insbesondere dem Für die letzten zwei Redaktionstrainings könnten die RBB, zusammenarbeite. Für ein Volontariat ist ein ab- Volos ebenfalls unter diesen Partnern wählen, aber geschlossenes Hochschulstudium zwar hilfreich, aber auch eigene Wünsche angeben, von Circus Halligalli keine notwendige Voraussetzung. Der Nachweis des bis zu einer Redaktion im Ausland. Die ems versuche Jannik Dietze, Abiturs oder der Fachhochschulreife ist ausreichend. auch besondere Wünsche zu erfüllen, so Dahl. Auszubildender an der Das anspruchsvolle Bewerbungsverfahren gliedert Electronic Media School sich in zwei Stufen, von denen die erste neben den Vergütet wird das ems-Volo mit monatlich 1.000 Euro in Potsdam üblichen Bewerbungsunterlagen auch eine Online-Re- brutto. Gefragt nach den Beschäftigungsperspektiven portage oder ein Online-Essay, eine Idee für ein neues der ems-Absolvent_innen, erwidert Dahl:„Bisher ist es Webvideo-Format sowie eine Begründung des Berufs- eine Praxis beim RBB, dass er jeder Absolventin und wunsches im Videoformat umfasst. Die besten 16 Be- jedem Absolventen einen Rahmenvertrag für freie werber_innen, die dann auch die zweite Stufe erfolg- Mitarbeit anbietet.” Den würden die meisten anneh- reich absolvieren, können sich auf ein multimediales men. Dagmar Bednarek von der RBB-Freienvertretung Volontariat freuen, das ab dem kommenden Jahr rbbpro präzisiert, dass es sich dabei nicht um einen 20 statt der bisher üblichen 18 Monate dauert. Die Arbeitsvertrag handele. Weder der Sender, noch Freie Ausbildung beinhaltet 43 Wochen praxisorientierte würden damit Verpflichtungen eingehen. Da schon Trainings in der ems und den schuleigenen Studios seit Jahren keine festen Stellen mehr besetzt würden, sowie 40 Wochen Redaktionstrainings in Medienre- stünden auch die Chancen auf eine spätere Festanstel- daktionen in ganz Deutschland und – wenn möglich lung schlecht, sei es beim RBB oder bei einem anderen auch im Ausland. öffentlich-rechtlichen Sender. Für Volontärsabsol- vent_innen bedeutet dies demnach, sich darauf ein- Mit den zusätzlichen zwei Monaten trage man der zustellen, auch langfristig in freier Mitarbeit beschäf- Verdichtung des Lehrplans durch das Hinzukommen tigt zu werden. „Hier eine Stelle zu bekommen, ist neuer Inhalte Rechnung, so ems-Geschäftsführer Syl- wirklich wie ein Sechser im Lotto”, sagt Bednarek. vio Dahl. Neben den obligatorischen Grundlagen- Dennoch sei der RBB gerade im Bereich Fernsehen Trainings in Online, Radio und Fernsehen, die inklu- eben doch ein „lukrativer und interessanter Arbeit- sive der Redaktionstrainings 49 Wochen dauern, seien geber”. in den letzten Jahren Inhalte wie Datenjournalismus, Strategien der Öffentlichkeitsarbeit zur Vermarktung Auch ein Blick auf die Liste der 140 Absolvent_innen der eigenen Produkte, aber auch Fotografie getreten. der ems zeigt: Etwa 56 Prozent der ehemaligen Vo- Zudem habe man die Anzahl der Recherchetage erwei- lontär_innen sind aktuell beim RBB und etwa weitere tern wollen. Dabei stehen der multimediale und der 29 Prozent in einer Redaktion anderer öffentlich- crossmediale Aspekt bei allen Ausbildungsmodulen rechtlicher Sender tätig. 15 Prozent der ehemaligen im Vordergrund. Das Erlernen von Social Media-Stra- ems-Volos geben hingegen an, hauptsächlich für pri- tegien gehört längst zu den Grundlagen-Trainings. vatwirtschaftliche Medienunternehmen zu arbeiten. In einem fünfwöchigen Multimedia-Modul erhalten Monique Hofmann
BeRufSBIlDung Duales Studium boomt D Große diskrepanzen zwischen den verschiedenen Anbietern uale Studiengänge boomen. Seit ihrer vogel, Leiterin des Fachbereichs Bildung, Wissen- Entstehung in den 70er Jahren steigt schaft und Forschung bei ver.di. Dass dabei große Dis- die Anzahl der dualen Studiengänge krepanzen sowohl bei der Vergütung als auch bei der sowie der Angebote von Unterneh- Übernahme weiterer Kosten wie etwa der Semester- men kontinuierlich. Die Vorteile lie- gebühren oder der Aufwendungen für Lehrmaterial gen klar auf der Hand: Ein duales Studium minimiert entstehen, zeigt auch eine Studie des Portals Weg- die finanzielle Belastung eines klassischen Studiums. weiser-Duales-Studium.de aus dem Jahr 2013. Hier Die Theorie kann während der praktischen Phasen im gaben 41 Prozent der dualen Student_innen an, dass Betrieb vertieft werden. Zugleich erhöht die enge die Semestergebühren vollständig übernommen wor- Anbindung an den auszubildenden Betrieb die Chan- den seien, bei 39 Prozent war dies gar nicht oder nur cen, nach abgeschlossenem Studium auch übernom- in geringem Umfang der Fall. Die Finanzierung von men zu werden und sofort in den Beruf einsteigen zu Fahrtkosten und Lehrmaterial sei hingegen geringer können. gewesen, als sie es zuvor erwartet hätten. Laut des Berichts AusbildungPlus des Bundesinstituts Die öffentlich-rechtlichen Sender schließen mit dua- für Berufsbildung (BIBB) aus dem Jahr 2014 ist die An- len Student_innen einen Ausbildungsvertrag ab, in zahl dualer Studiengänge zwischen 2004 und 2014 dem Ausbildungszeit, Arbeitszeit und Finanzierung von 512 auf 1505 und die Zahl der Angebote von Un- geregelt sind. Der vom MDR 2008 angebotene Ausbil- ternehmen von 18.168 auf 41.446 gestiegen. Unter dungsvertrag für den Studiengang Fernsehproduk- den öffentlich-rechtlichen Sendern bieten aktuell der tion / Kamera legte etwa fest, dass der Sender nicht Bayerische Rundfunk (BR), der Rundfunk Berlin-Bran- verpflichtet sei, eine Vergütung zu zahlen und wenn, denburg (RBB), der Südwestrundfunk (SWR), der Mit- dass diese Vergütung im Ermessen des Ausbildungs- teldeutsche Rundfunk (MDR) sowie das Zweite Deut- unternehmens liege. Dem betreffenden Studenten sche Fernsehen (ZDF) duale Studiengänge in den wurde konkret eine monatliche Vergütung von 400 Fachrichtungen Wirtschaft, Informatik, Ingenieur- Euro gewährt. Zusätzlich erklärte sich der MDR bereit, wesen sowie Medien und Kommunikation an. Dabei monatlich 362 Euro an die Fernsehakademie Mittel- handelt es sich zumeist um praxisintegrierte duale deutschland (FAM) zur Finanzierung der Ausbildung Studiengänge. Die Studierenden verbringen jeweils zu zahlen. Ein Blick auf die Leistungen des RBB – hier drei Monate an der (Fach-)Hochschule und drei erhalten dual Studierende monatlich etwa 1.000 Euro Monate im Betrieb. Im Gegensatz zu ausbildungsinte- Vergütung und der Sender übernimmt die Semester- grierten Studiengängen erwerben sie einen (Fach-) beiträge – offenbart die Schere zwischen den einzel- Hochschulabschluss, aber keinen zusätzlichen Berufs- nen Anstalten. Zudem, so gibt auch Singvogel zu be- abschluss. Lediglich der RBB bietet mit dem Studien- denken, hätten dual Studierende aufgrund der ange- gang Elektrotechnik ein ausbildungsintegriertes dua- rechneten Ausbildungsvergütung zumeist keinen An- les Studium an, bei dem die Studierenden sowohl den spruch auf BAföG. Studienabschluss Bachelor of Engineering als auch den Berufsabschluss Elektroniker_in für Betriebs- Um Ungleichbehandlungen zu beseitigen und verläss- technik erwerben. liche betriebliche Ausbildungsbedingungen zu schaf- fen, empfiehlt Singvogel den Betriebs- und Personal- Jedoch: Da duale Studenten keine Auszubildenden räten in den Unternehmen daher, die Ausbildungs- nach dem Berufsbildungsgesetz sind, fallen sie in der und Studienbedingungen in Betriebsvereinbarungen, Regel auch nicht unter den Ausbildungstarifvertrag. Dienstvereinbarungen oder tarifvertraglich mit ver.di Lediglich die dual Studierenden in einem ausbil- zu regeln. Bisher würden Betriebs- und Personalräte dungsintegrierenden Studiengang gelten im Betrieb beim dualen Studium von ihren Regelungsmöglich- als Auszubildende und fallen deshalb darunter. Für die keiten wenig Gebrauch machen. Wie solche tarifver- praxisintegrierenden Studiengänge gibt es im öffent- traglichen Regelungen aussehen könnten, zeigen bei- lich-rechtlichen Rundfunk jedoch keinen speziellen spielsweise die Tarifverträge für dual Studierende, die Tarifvertrag. Die Studien- und Arbeitsbedingungen ver.di bei der Deutschen Post oder bei der Telekom ab- seien daher – abhängig vom Unternehmen – sehr geschlossen hat. Hier erhalten die Student_innen eine unterschiedlich. Vergütung, Präsenzzeiten im Betrieb, monatliche Vergütung von rund 1.000 Euro, die Über- Urlaubstage, Sonderzahlungen oder die Übernahme nahme der Fahrtkosten sowie eine Unterhaltsbeihilfe Foto: ems von Kosten für eine Zweitwohnung und Gebühren beziehungsweise Aufwandszulage sind ebenfalls ge- seien oft einzelvertraglich geregelt, sagt Renate Sing- regelt. Monique Hofmann
Sie können auch lesen