Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021

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Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021
Sozial gerechte und
nachhaltige Entwicklung
von Stadt und Land

                          Bodenpolitische
                          Wahlprüfsteine zur
                          Bundestagswahl 2021
Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021
Kapitel   Inhalt                                          Seite

                                                                                      Die Mitunterzeichner*innen                         2

                                                                                      Wer wir sind und wofür wir stehen                  3

                                                                                      Bodenpolitische Wahlprüfsteine                     3
                                                                                      zur Bundestagswahl 2021

                                                                                      Stadt und Land für alle!                           4

                                                  Sozial gerechte und            1    Soziale Marktwirtschaft nachjustieren –            6
                                                                                      gemeinwohlorientierte Bodenpolitik stärken!
                                                  nachhaltige Entwicklung
                                                                                 2    Boden –                                            8
                                                  von Stadt und Land                  Basis für ökologische Zukunftsfähigkeit
                                                                                      und räumliche soziale Gerechtigkeit

                                                                                 3    Boden – ein Gemeingut, keine beliebige Ware       10

                                                                                3.1   Gemeinwohl muss den Markt begrenzen               10
                                                                                3.2   Boden behalten – Stadt gestalten:                 11
                                                                                      Die Rolle des Erbbaurechts
                                                                                3.3   Erhöhung der Transparenz des Bodenmarktes und     11
                                                                                      Verhinderung von Geldwäsche

                                                                                 4    Boden – Nutzen und Lasten gerechter verteilen     12
                                      Impressum
                                                                                4.1   Gerechte Besteuerung des Bodens                   12
                                                                                4.2   Bodenwertsteigerungen für das Gemeinwohl          13
                                                                                      nutzbar machen
                    Herausgeber       Bündnis Bodenwende
                                      c/o                                        5    Boden – bessere Daseinsvorsorge                   14
                                      Deutsche Akademie für Städtebau                 durch mehr Steuerungsfähigkeit
                                      und Landesplanung DASL e. V.
                         v.i.S.d.P.   DASL e. V.                                5.1   Kommunale Steuerungsfähigkeit in der Bauland-     14
                                      Ricarda Pätzold und                             und Bodenpolitik
                                      Stephan Reiß-Schmidt                      5.2   Öffentliches Immobilienvermögen unterstützt       15
                                      c/o                                             die Daseinsvorsorge
                                      DASL-Bundesgeschäftsstelle                5.3   Bodenpolitik für bezahlbares Wohnen               16
                                      Bismarckstraße 107                              und lebenswerte Quartiere
                                      10625 Berlin
Kontakt und weitere Informationen     boden@dasl.de                                   Dank und Ausblick                                 17
                                      https://dasl.de/2018/11/26/aus-                 Rückfragen                                        17
                                      schuss-bodenpolitik/                            Rücksendung                                       17
                  Graphic Design      stauss processform gmbh,
                                      münchen                                         Unterschriften                                    18
                 Veröffentlichung     Berlin 2021                                     Kooperations- und Medienpartner*innen             19
Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021
Bodenpolitische Wahlprüfsteine
                             zur Bundestagswahl 2021
Die Mitunterzeichner*innen

                             Wer wir sind                         Sozial gerechte und nachhaltige
                             und wofür wir stehen                 Entwicklung von Stadt und Land

                             Das Bündnis Bodenwende ist ein       Bodenpolitik ist eines der wichtigs-         Die vielfältigen fachlichen Hin-
                             überparteilicher Zusammenschluss     ten – und zugleich in den letzten Jah-   tergründe und Handlungsfelder der
                             von Akademien, Verbänden, Kam-       ren am meisten vernachlässigten –        Bündnispartner*innen bringen es
                             mern und Stiftungen aus den Be-      Politikfelder. Bodenpolitik ist nicht    mit sich, dass unterschiedliche Prio-
                             reichen Architektur, Stadt- und      eine von vielen Fachpolitiken, son-      ritäten gesetzt werden und diffe-
                             Raumplanung, Umwelt und Natur-       dern integrative Querschnittsaufga-      renzierte Positionen bestehen. Das
                             schutz sowie Soziales und gesell-    be. Der Boden, seine Verfügbarkeit       Bündnis ist von der Überzeugung
                             schaftliche Teilhabe. Es konstitu-   und Nutzung spielen eine zentrale        getragen, dass nur die gemeinsame
                             ierte sich im Jahr 2020 auf Anre-    Rolle bei den großen Herausforde-        Anstrengung eines breiten Spekt-
                             gung der Deutschen Akademie für      rungen der kommenden Jahrzehnte:         rums zivilgesellschaftlicher Akteure
                             Städtebau und Landesplanung e. V.    sozialer Zusammenhalt, angemes-          die notwendige Kraft entfalten kann,
                             (DASL). Das Bündnis ist offen für    sene Wohnraumversorgung, gleich-         um das Thema Bodenpolitik stär-
                             weitere Partner*innen.               wertige Lebensbedingungen in             ker in das Bewusstsein von Öffent-
                                                                  Stadt und Land, gerechtere Vermö-        lichkeit und Politik zu bringen.
                                                                  gensverteilung, wirksamer Klima-
                                                                  schutz und Klimaanpassung, Erhal-        Wir bitten um Rücksendung Ihrer
                                                                  tung der Biodiversität, sichere und      Antworten als PDF oder Word-Datei
                                                                  nachhaltige Nahrungsmittelproduk-        bis zum 7. Mai 2021 an die DASL-
                                                                  tion, Bewältigung von Pandemien.         Bundesgeschäftsstelle unter fol-
                                                                  Deshalb setzt sich das Bündnis Bo-       gender E-Mail-Adresse:
                                                                  denwende dafür ein, dass eine nach-      boden@dasl.de
                                                                  haltige und gemeinwohlorientierte
                                                                  Bodenpolitik ganz oben auf die
                                                                  Agenda für die kommende Legisla-
                                                                  turperiode des Deutschen Bundes-
                                                                  tages kommt. Unsere Wahlprüfstei-
                                                                  ne zur Bundestagswahl am 26. Sep-
                                                                  tember 2021 sind dazu ein erster
                                                                  Schritt.
                                                                      Diese Wahlprüfsteine illustrieren
                                                                  die Notwendigkeit, der Bodenpoli-
                                                                  tik höchste Priorität einzuräumen.
                                                                  Damit wird gezeigt, wie sehr und
                                                                  auf wie vielen Ebenen dringender
                                                                  Handlungsbedarf besteht. Es kann
                                                                  nicht länger hingenommen werden,
                                                                  dass der Boden als eine beliebige
                                                                  Ware behandelt und damit seiner Be-
                                                                  deutung für das Gemeinwohl und
                                                                  für die Chancen kommender Gene-
                                                                  rationen nicht gerecht wird.

2                                                                                                                                             3
Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021
Stadt und Land für alle!

Mehr soziale Gerechtigkeit, Gemeinwohl und öffentliche Steuerungsfähigkeit
durch eine andere Bodenpolitik

                                      Boden als Finanzanlage fördert
                                      Ungleichheit und verstärkt
                                      ökologische Risiken

Boden ist wie Luft und Wasser:            Boden ist seit der Weltfinanzkrise   In attraktiven Städten mit exorbitant       In schrumpfenden Städten und
unverzichtbar und als räumliche       vor zehn Jahren immer mehr zur           steigenden Immobilienpreisen wird       peripheren ländlichen Regionen
Ressource nicht vermehrbar. Er ist    lukrativen Anlage und zum Spekula-       selbstgenutztes Wohneigentum für        verstärken Demografie, Arbeits-
als Grundlage des Lebens für Tie-     tionsobjekt geworden. Zu den Fol-        die junge Generation ohne größere       markt, soziale und technische Infra-
re, Pflanzen und Menschen sowie       gen zählen nicht nur in wachsenden       Erbschaft immer mehr zur Illusion.      strukturen und auch die Logik des
als CO2-Senke für Klimastabilität     Metropolen und Großstädten, son-         Damit entfällt auch ein möglicher       Finanz- und Bodenmarktes zuneh-
unersetzbar. Mehr noch: Der Boden     dern auch in ländlichen Regionen         Beitrag zur privaten Altersversor-      mend Desinvestition und Leer-
und seine Nutzung sind Grundla-       beschleunigte Transaktionszyklen         gung.                                   stand. Dadurch wird die soziale
gen für andere Gemeinschaftsgüter     und immer mehr Finanzmarktak-                Auch Ackerland ohne Bauerwar-       und räumliche Polarisierung weiter
wie Natur-, Klima-, Gesundheits-      teure ohne lokale Bezüge wie Fonds       tung wird in großem Stil von inter-     verschärft. Die Negativspirale der
schutz, für lebendige öffentliche     und Konsortien.                          nationalen Anlegern aufgekauft          Abwanderung trägt dazu bei, dass
Räume, bedarfsgerechte öffentliche        Das verknappt und verteuert          (»Landbanking«). Dabei wechseln –       die Kerne von Dörfern und Klein-
soziale Infrastrukturen und nicht     das Bauland in wachsenden Städ-          wie in den Städten – immer häufiger     städten weiter veröden. Die ältere
zuletzt für menschenwürdiges, be-     ten, Mieten steigen und weniger          Anteile an Kapitalgesellschaften        Generation mit entwertetem
zahlbares Wohnen.                     zahlungskräftige Mieter*innen wer-       statt Immobilien den Eigentümer.        selbstgenutzten Wohneigentum in
    Die derzeitige Politik in Stadt   den ebenso wie lokales Gewerbe           Durch diese sogenannten Share           schrumpfenden Regionen wird zu
und Land wird dieser gesellschaft-    oder nicht renditeträchtige Nutzun-      Deals können die Grunderwerb-           »Gefangenen« ihrer Immobilie. Um
lichen Schlüsselfunktion des Bo-      gen aus ihren Nachbarschaften            steuer umgangen und Vorkaufs-           Einwohner*innen zu halten oder
dens nicht gerecht. Wir sehen des-    verdrängt. Es wird immer schwieri-       rechte oder Genehmigungspflich-         zurückzuholen werden ein qualifi-
halb dringenden Reformbedarf –        ger, für sogenannte vulnerable           ten für den Bodenverkehr ausgehe-       ziertes und flexibles Angebot an
auch wegen der zunehmend pola-        Personengruppen in der Gesell-           belt werden. Die Bodenpreise            Mietwohnungen im Ortskern als
risierenden Entwicklungen in          schaft angemessenen und bezahl-          schnellen deshalb auch auf dem          Alternative zum Einfamilienhaus,
schrumpfenden und boomenden           baren bzw. öffentlich geförderten        Land in die Höhe.                       städtebaulich integrierte Gewerbe-
Regionen sowie eines aus dem          Wohnraum bereitzustellen. Eine ren-                                              flächen sowie lokale und soziale
Gleichgewicht geratenen landwirt-     diteorientierte Bodennutzung ver-                                                Infrastrukturangebote gebraucht.
schaftlichen Bodenmarktes.            drängt nicht zuletzt für das Gemein-
    Im Rahmen der Wahlprüfsteine      wohl bedeutsame Freiräume für
befassen wir uns vorrangig mit der    Naturschutz und Naherholung.
Rolle des Bodens im städtebauli-      Mit der Finanzialisierung des Bo-
chen Kontext. Weitere maßgebliche     denmarktes wird der Boden dem
Fragestellungen zum Bodenschutz       Staat, den Kommunen und anderen
und der Wahrung der Bodenfunk-        gemeinwohlorientierten Akteuren
tionen in anderen Zusammenhängen      im wahrsten Sinne des Wortes ent-
werden hier nicht vertieft behan-     zogen. Von der Chance zur Vermö-
delt. Dies betrifft namentlich die    gensbildung durch Immobilien (die
landwirtschaftliche Bodennutzung,     angesichts der Nullzinspolitik im-
den Waldbau oder Infrastruktur-       mer bedeutsamer wird) profitieren
planungen.                            neben gewerblichen Unternehmen
                                      der Privatwirtschaft und Konsortien
                                      inzwischen vor allem vermögende-
                                      re Privathaushalte.

4                                                                                                                                                             5
Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021
1
Soziale Marktwirtschaft nachjustieren –
gemeinwohlorientierte Bodenpolitik stärken!

                                                                                                                            Unsere Fragen:

Die Städte sind auch durch eine            Eine rein technische Debatte             Die soziale Nachhaltigkeit stellt     1 Welche Initiativen sollte der
langjährige, erfolgreiche Stadter-      über wirkungsvollere Instrumente        den Menschen in den Mittelpunkt.            Bund bodenpolitisch ergreifen?
neuerungs- und Stadtentwicklungs-       zur Baulandmobilisierung oder           Der Fokus liegt darauf, ein men-            Was sollte er dabei Ländern
politik lebenswerter und zu be-         über mehr und schnelleres Bauen         schenwürdiges, gerechtes und funk-          und Kommunen als Rahmen
gehrten Wohnorten geworden. Um          wird den gesellschaftlichen Her-        tionierendes Sozialsystem zu ge-            vorgeben?
die Attraktivität der Städte zu er-     ausforderungen nicht gerecht. Wir       stalten. Gerade in Zeiten, in denen
halten und das Angebot geförder-        verstehen das Grundgesetz als           der gesellschaftliche Zusammen-           2 Der Bodenmarkt verfügt nur
ter und preisgedämpfter Mietwoh-        Auftrag, die bodenpolitische Debatte    halt in Frage gestellt wird, Arm und        über ein begrenztes Angebot
nungen zu erhöhen oder urbanes          orientiert an gesellschaftlichen        Reich auseinanderdriften und die            und ist deshalb nicht mit ande-
Grün, öffentliche Räume und die         Werten grundsätzlicher zu führen.       räumliche Trennung unterschiedli-           ren Produkten vergleichbar, die
soziale Infrastruktur an den ge-           »Eigentum verpflichtet. Sein          cher Bevölkerungsgruppen immer              am Markt gehandelt werden.
wachsenen Bedarf anzupassen,            Gebrauch soll zugleich dem Wohle        deutlicher zutage tritt, ist die sozia-     Wie kann dem besser Rechnung
brauchen die Städte gesicherte Fi-      der Allgemeinheit dienen.« – so         le Nachhaltigkeit der Stadt- und            getragen werden?
nanzierungsgrundlagen und wirk-         lautet Artikel 14 Absatz 2 des Grund-   Regionalentwicklung ein wesentli-
samere Steuerungsinstrumente.           gesetzes. Damit der Markt seine         cher Faktor zur Gestaltung einer          3 Sehen Sie die Notwendigkeit für
Sie brauchen aber auch mehr denn        konstruktiven Kräfte entfalten kann,    guten Zukunft. Gesunder und be-             eine stärkere Regulierung des
je die Mitwirkung aller an der Stadt-   müssen die potenziell destruktiven      zahlbarer Wohnraum ist unverzicht-          Bodenmarktes, insbesondere
entwicklung beteiligten Akteure         Kräfte durch die Einbettung in ein      bar für das Wohlergehen, die Le-            zur Verhinderung von Boden-
aus Wirtschaft, Wohlfahrt und Zivil-    sozialstaatliches Regelwerk gezügelt    bensqualität und die Teilhabe von           spekulation? Welche Instru-
gesellschaft. Allerdings verfügen       werden. Nur so sind individuelle        Menschen in der Gesellschaft –              mente sind dafür vorstellbar?
viele Kommunen nicht ausreichend        Entfaltung und soziale Gerechtigkeit    auch entsprechend den globalen
über Grund und Boden für Aufga-         für alle Bürger*innen gesichert.        Nachhaltigkeitszielen der UN sowie        4 Wie kann Boden für nicht markt-
ben der Daseinsvorsorge und zur         Mit Blick auf die zukünftige Boden-     der Nachhaltigkeitsstrategie der            fähige Gemeinwohlansprüche
Sicherstellung sozialer Teilhabe.       politik geht es also darum, an die      Bundesregierung:                            (ökologische Freiraumfunktionen,
                                        Stelle einer renditeorientierten Be-                                                soziale Daseinsvorsorge) ver-
                                        trachtung Werte wie Gerechtigkeit,      1 Armut überwinden,                         fügbar und vor einer wirtschaft-
                                        Solidarität, Gemeinwohl und Nach-       3 Gesundheit und                            lichen Verwertung geschützt
                                        haltigkeit zu setzen.                      Wohlergehen,                             werden?
                                                                                10 weniger Ungleichheiten
                                                                                   und
                                                                                11 nachhaltige Städte
                                                                                   und Gemeinden

6                                                                                                                                                              7
Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021
2
Boden – Basis für ökologische Zukunftsfähigkeit
und räumliche soziale Gerechtigkeit

                                     Hoher Druck auf Flächen für             Boden für Ökologie und gleich-                                                  Unsere Fragen:
                                     Ökologie und Gemeinwohl                 wertige Lebensverhältnisse
                                                                             sichern und gestalten

Klimakrise, Artensterben sowie ein   Die Erhaltung der Biodiversität, das    Statt einer weiteren Neuinanspruch-         Die Etablierung oder Sicherung    5 Wie wollen Sie die bundes-
zunehmendes Gefälle zwischen         Erreichen der weltweit vereinbar-       nahme von Flächen für Siedlung          dieser notwendigen grünen Infra-        bundesrechtlichen Rahmenbe-
wachsenden, überlasteten (Groß-      ten Klimaziele sowie Anpassung an       und Verkehr müssen bereits bean-        struktur scheitert oftmals an der       dingungen (z.B. Planungsrecht,
stadt-)Regionen auf der einen und    den Klimawandel stehen in einem         spruchte Flächen mehrfach oder          Verfügbarkeit der erforderlichen        Naturschutzrecht) für ein in-
schrumpfenden, häufig ländlich-      engen Zusammenhang mit Land-            wiedergenutzt werden. Ziel ist eine     Flächen, da sie nicht im Besitz der     tegriertes regionales Bodenma-
peripheren Regionen auf der ande-    banking, Bodenspekulation und der       nachhaltige Flächenkreislaufwirt-       Kommune sind und der Erwerb zu          nagement verbessern, damit
ren Seite sind zentrale Herausfor-   Verfügbarkeit von Boden für Ge-         schaft.                                 teuer ist. Nicht mehr benötigte         ziel- und bedarfsgerecht Flächen
derungen für eine ökologisch nach-   meinwohlziele.                              Die kommunalen Strategien be-       bundeseigene Liegenschaften wie         für Naturschutz, Klimaschutz
haltige und sozial gerechte Raum-        Freiräume weisen eine sehr hohe     dürfen einer vor allem regionalen       militärische Konversionsflächen         und Klimaanpassung, Land-
entwicklung. Eine ausgewogene        Relevanz und Funktion für den Kli-      Begleitung und instrumentellen Un-      oder ehemaligen Bahnanlagen, die        und Forstwirtschaft sowie Sied-
Verteilung von Entwicklungschan-     maschutz und die Klimaanpassung         terstützung. Eine interkommunale        häufig auch wertvolle Baumbe-           lungs- und Verkehrsflächen
cen im Raum dient dem sozialen       der Kommunen, für die biologische       Abstimmung über eine gemeinsame         stände und Biotope umfassen, kön-       gesichert bzw. bereitgestellt wer-
Frieden und der politischen Kultur   Vielfalt und Durchgrünung der Städte    Flächenvergabe kann sowohl in           nen einen wichtigen Beitrag zur         den können?
in unserem Land.                     sowie als sozialer Interaktions-        Agglomerationsräumen als auch in        Lebensqualität und einer nachhal-
                                     und Erholungsraum aus. Für eine         kleineren Stadtregionen mit Klein-      tigen Stadtentwicklung leisten.       6 Inwiefern setzen Sie sich dafür
                                     nachhaltige Entwicklung unverzicht-     und Mittelstädten zu einer Reduzie-         Regionale Boden- und Infra-         ein, dass der Bund dies durch
                                     bar sind aber auch die ästhetische      rung der Flächeninanspruchnahme         strukturfonds und ein integriertes      Überlassung bundeseigener
                                     Qualität von Kulturlandschaften und     beitragen. Zu adressieren ist auch      Bodenmanagement für Bauland,            Grundstücke, finanzielle Förde-
                                     Stadträumen.                            die Raumordnung mit ihrer Kom-          Naturschutz, Land- und Forstwirt-       rung und/oder Krediterleich-
                                         Insbesondere in den Verdichtungs-   petenz, Flächensparziele der Ge-        schaft können einen Beitrag zur         terungen für die Bodenbevorra-
                                     räumen stehen Freiräume unter           meinden festzulegen. Klein- und         gerechten Nutzung des Bodens als        tung unterstützt?
                                     einem sehr hohen Druck, für bau-        Mittelstädte mit Ankerfunktionen        Grundlage gleichwertiger Lebens-
                                     liche und verkehrliche Zwecke ge-       vor allem in ländlichen Räumen          verhältnisse leisten. Die Rücknah-    7 Durch welche bindenden Stan-
                                     nutzt zu werden. Trotz eines Rück-      müssen in der Lage sein, zur Stabili-   me von nicht mehr nachfrage- und        dards lassen sich Ihrer Meinung
                                     gangs von 120 auf 56 Hektar pro         sierung der Versorgungsleistungen       bedarfsgerechtem Baurecht sollte        nach Freiraumsicherung und
                                     Tag zwischen 1993 und 2018 lag der      (Bauland, Infrastruktur) beizutra-      erleichtert werden.                     ökologische Aufwertung der Frei-
                                     Flächenverbrauch in Deutschland         gen. Ökologisch bedeutsam sind die                                              flächen gewährleisten? Wie
                                     immer noch um fast 90 Prozent über      Sicherung und Entwicklung von                                                   lässt sich dies durch ein eigen-
                                     dem Zielwert von 30 ha, den die         klimawirksamen Parks, Grünzügen                                                 ständiges Förderprogramm für
                                     Nationale Nachhaltigkeitsstrategie      und Wäldern, zunehmend auch von                                                 Kommunen und Private ausge-
                                     ursprünglich bereits bis 2020 (als      Dach- und Fassadengärten sowie                                                  stalten?
                                     Zwischenschritt zu einem Netto-         der Schutz vor Starkregen und Hoch-
                                     Null-Flächenverbrauch) vorgegeben       wasser. Sie sind in ihrer Dimension                                           8 Welche verbindlichen bundes-
                                     hatte. Bislang wurde fast keines        und Ausstattung als multifunktiona-                                             rechtlichen Vorgaben sind aus
                                     der seit Jahren von Wissenschaft        ler, multicodierter städtischer Raum                                            Ihrer Sicht erforderlich, um das
                                     und Praxis diskutierten Instrumente     zu sichern und zu mehren. Freiräu-                                              »30 ha-Ziel« zum Flächenspa-
                                     (z. B. handelbare Flächenauswei-        me und bebauter Raum müssen                                                     ren bis 2030 und das Netto-Null-
                                     sungsrechte, Vorgabe verbindlicher      gemeinsam und in Bezug zueinander                                               Ziel bis 2050 umzusetzen?
                                     Flächenbudgets durch die Regional-      gedacht und entwickelt werden,
                                     planung) in der Praxis umgesetzt –      damit die Wohlfahrtswirkungen des
                                     nicht zuletzt wegen des Zielkonflikts   Freiraums unmittelbare soziale
                                     mit der kommunalen Planungs-            Rückwirkungen auf die Wohnqualität
                                     hoheit.                                 haben.

8                                                                                                                                                                                                 9
Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021
3
Boden – ein Gemeingut, keine beliebige Ware

3.1                                                                           3.2                                                                             3.3
Gemeinwohl muss                             Unsere Fragen:                    Boden behalten – Stadt gestalten:          Unsere Fragen:                       Erhöhung der Transparenz des                Unsere Fragen::
den Markt begrenzen                                                           Die Rolle des Erbbaurechts                                                      Bodenmarktes und Verhinderung
                                                                                                                                                              von Geldwäsche

Es liegt nahe, dem Gemeinwohl            9 Wie wollen Sie die Sozial-         Derzeit erlebt das Erbbaurecht eine     11 Wie und mit welchen Zielrich-        Der Bodenmarkt in Deutschland ist        14 Wie stellen Sie sich den zukünf-
beim Bodeneigentum besonders               pflichtigkeit des (Boden-)Eigen-   Renaissance. In vielen großen              tungen ist das Erbbaurecht aus       im internationalen Vergleich zwar           tigen Umgang mit sog. Share
hohen Stellenwert einzuräumen.             tums rechtlich konkretisieren      deutschen Städten gibt es bereits          Ihrer Sicht zu stärken und wei-      hinsichtlich der Wertermittlung durch       Deals und der damit verbunde-
Nur so gelingen eine faire Wohn-           und dabei auch der gestiegenen     Ratsbeschlüsse, Baugrundstücke             terzuentwickeln?                     Gutachterausschüsse, mit syste-             nen Umgehung von Grunder-
raumversorgung und eine gerech-            Bedeutung ökologischer Belan-      ausschließlich oder überwiegend,                                                matischen Kaufpreissammlungen               werbsteuer und Vorkaufsrech-
tere Vermögensverteilung. Ohne             ge Rechnung tragen?                im Erbbaurecht zu vergeben. Den-        12 Wie stehen Sie zu der Idee,          und öffentlichen Bodenrichtwert-            ten vor?
eine gemeinwohlorientierte Boden-                                             noch bestehen für die Anwendung            dass es einer »Bildungsoffensive     karten relativ transparent. Das gilt
politik können die anstehenden           10 Welche Position vertreten Sie     dieses Instruments noch einige             Erbbaurecht« bedarf, um die          jedoch nicht bezüglich der Eigen-        15 Inwieweit sehen Sie die Not-
ökologischen Transformationspro-            gegenüber dem Vorschlag einer     Hürden.                                    Möglichkeiten des Instruments        tumsverhältnisse. Zum einen ist             wendigkeit, die Kapitalverkehrs-
zesse nicht bewältigt und lokale            gesetzlichen Begrenzung von                                                  stärker in den Fokus von Kom-        die Einsichtnahme ins Grundbuch             freiheit speziell für den Boden-
soziale Infrastrukturen als Grund-          Bodenpreisen oder Bodenpreis-                                                munen, aber auch von nicht           mit hohen Hürden bewehrt (Nach-             markt zu beschränken? Wie
lage einer ausgewogeneren Ent-              steigerungen?                     Die Ausübung des Erbbaurechts              renditeorientierten institutionel-   weis eines »berechtigten Interes-           lassen sich entsprechende Vor-
wicklung von Stadt und Land nicht                                             erleichtern!                               len oder privaten Bodeneigen-        ses«), zum anderen legt es die wirt-        stöße auf europäischer Ebene
gesichert werden.                                                                                                        tümern zu rücken?                    schaftlich Berechtigten in vielen           flankieren?
                                                                              Um die Anwendung des Erbbau-                                                    Fällen nicht offen, insbesondere
Für die gebotene gesetzliche Kon-                                             rechts zu erleichtern und auch kleine   13 Wie muss die Beleihungsfähig-        bei Kapitalgesellschaften. Beteili-      16 Wie kann der Immobilienmarkt
kretisierung der Sozialpflichtigkeit                                          und mittlere Städte in die Lage zu         keit des Erbbaurechts geändert       gungsverhältnisse und deren Ver-            aus Ihrer Sicht transparenter
des (Boden-)Eigentums (Art. 14                                                versetzen, dieses Instrument stär-         werden, um dem Argument              änderung werden im Grundbuch                gestaltet werden?
Abs. 2 GG) hat der Bundesgesetz-                                              ker zu nutzen, sollten Rechtsgrund-        »nicht marktfähig« fundiert ent-     nicht sichtbar.
geber im Städtebaurecht bis heute                                             lagen und Praxis heutigen Erfor-           gegen treten zu können?                  Share Deals, d.h. die Veräußerung    17 Was schlagen Sie vor, um im
keine Lösung gefunden, obwohl es                                              dernissen angepasst werden. So                                                  der Anteile einer Kapitalgesell-            mobilienbezogene Wirtschafts-
bereits in einem Beschluss des                                                müssen z .B. die dauerhafte Gemein-                                             schaft anstelle der Immobilie, er-          kriminalität (insbesondere
Bundesverfassungsgerichts zum                                                 wohlbindung und der Ausschluss                                                  möglichen es nicht nur, die Grund-          Geldwäsche) einzudämmen?
Grundstücksverkehrsgesetz vom                                                 von Spekulation im Erbbaurecht-                                                 erwerbsteuer zu vermeiden, sondern
12.1.1967 (Az. 1 BvR 169/63, BVerfGE                                          vertrag festgeschrieben und regu-                                               auch, dem kommunalen Vorkaufs-
21, 73) heißt: »Die Tatsache, dass                                            latorische Benachteiligungen des                                                recht bzw. der Bodenverkehrsgeneh-
der Grund und Boden unvermehr-                                                Erbbaurechts gegenüber dem Er-                                                  migung für Landwirtschaftsflächen
bar und unentbehrlich ist, verbietet                                          werb beseitigt werden. Dazu zählen                                              zu entgehen. Diese doppelte In-
es, seine Nutzung dem unüberseh-                                              bspw. die Befreiung von der Grund-                                              transparenz macht den Immobilien-
baren Spiel der Kräfte und dem                                                erwerbsteuer bei Erwerb des Erb-                                                markt auch anfällig für Geldwä-
Belieben des Einzelnen vollständig                                            baurechts von öffentlichen und ge-                                              sche durch organisierte (Wirtschafts-)
zu überlassen; eine gerechte Rechts-                                          meinwohlorientierten Bodeneigen-                                                Kriminalität. Transparency Inter-
und Gesellschaftsordnung zwingt                                               tümern, die Besserstellung des                                                  national Deutschland hat dazu 2018
vielmehr dazu, die Interessen der All-                                        Erbbaurechts bei der Kreditverga-                                               eine Studie vorgelegt, die das er-
gemeinheit in weit stärkerem Maße                                             be sowie die Aufnahme der Vergabe                                               hebliche Dunkelfeld aufhellt. In die-
zur Geltung zu bringen als bei ande-                                          von Erbbaurechten mittels Kon-                                                  ser Studie wird das Ausmaß der
ren Vermögensgütern. (…) Das Ge-                                              zeptverfahren zu limitierten Fest-                                              Geldwäsche im deutschen Immo-
bot sozial gerechter Nutzung ist aber                                         preisen in den Katalog der nicht                                                biliensektor auf mehrere Milliarden
nicht nur eine Anweisung für das                                              anmelde- bzw. notifizierungs-                                                   Euro jährlich geschätzt.
konkrete Verhalten des Eigentümers,                                           pflichtigen EU-Beihilfen.
sondern in erster Linie eine Richt-
schnur für den Gesetzgeber, bei der
Regelung des Eigentumsinhalts das
Wohl der Allgemeinheit zu beachten.«

10                                                                                                                                                                                                                                     11
Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021
4
Boden – Nutzen und Lasten gerechter verteilen

4.1                                                                                                                                                         4.2
Gerechte Besteuerung des Bodens        Systemische Produktion von Ver-                                                   Unsere Fragen:                     Bodenwertsteigerungen für das              Unsere Fragen:
                                       mögensungleichheit zu Lasten der                                                                                     Gemeinwohl nutzbar machen
                                       Allgemeinheit:

Märkte, auch Bodenmärkte, sind         Leistungslose Bodenwertsteigerun-          Die Grundsteuerreform 2019 hat      18 Wie könnte aus Ihrer Sicht die     Eine planungsbedingte Wertminde-        21 Wie schätzen Sie die Notwen-
soziale Konstrukte. Die institutio-    gen fallen in vielen Fällen den Ei-    die Chance eines Systemwechsels            Besteuerung von Grund und          rung von Grundstücken ist gem.             digkeit ein, das Thema der leis-
nellen Rahmenbedingungen prä-          gentümern zu, ohne dass die erziel-    hin zu einer reinen Bodenwertsteuer        Boden der Eindämmung der           § 42 BauGB zu entschädigen, dage-          tungslosen Bodenwertsteige-
gen in hohem Maße die Marktergeb-      ten Gewinne in ökologische oder        mit ihren erhebungstechnischen             Bodenspekulation, der Abschöp-     gen verbleibt eine Wertsteigerung          rungen systematisch anzuge-
nisse. Zu ihnen zählt in besonderer    soziale Zwecke zugunsten der All-      Vorteilen (Rückgriff auf ohnehin bun-      fung leistungsloser Wertsteige-    durch die Schaffung bzw. Erhöhung          hen und diese für das Gemein-
Weise die Besteuerung von Immo-        gemeinheit reinvestiert werden.        desweit und maximal im zweijähr-           rung und der Bereitstellung von    von Baurecht durch einen Bebau-            wohl nutzbar zu machen?
bilien; auch diese beeinflusst das     Immobilieninvestoren können in         lichen Turnus erhobene Bodenricht-         Boden für die Bebauung die-        ungsplan beim Eigentümer. Diese
wirtschaftliche Handeln der Akteure.   begehrten Lagen einfach abwarten       werte), ihrer gerechteren Lasten-          nen?                               Privatisierung von leistungslosen,      22 Wie ließen sich leistungslose
                                       und die Renditen für eigene private    verteilung und ihrer Steuerungswir-                                           planungs- bzw. entwicklungsbe-             Bodenwertsteigerungen auch
                                       Zwecke abschöpfen. Sie profitieren     kung (Baulandmobilisierung,             19 Wie bewerten Sie die Modelle       dingten Bodenwertgewinnen steht            dann zugunsten der Allgemein-
                                       von Werten, welche die Gemein-         Dämpfung der Bodenspekulation)             »Bodenwertsteuer« und »wert-       im deutlichen Widerspruch zu der           heit abschöpfen, wenn sie nicht
                                       schaft produziert, weil sie Baurecht   nicht genutzt. Die Öffnungsklausel         unabhängige Flächensteuer«         im Grundgesetz verankerten Sozial-         durch einen Bebauungsplan,
                                       schafft und die Allgemeinheit u.a.     für abweichende Regelungen der             und welches Modell für die         pflichtigkeit des Eigentums und zu          sondern durch die Ausschöpfung
                                       in Parks, Straßenbahnlinien, Schu-     Länder ermöglicht allerdings auch          Grundsteuer befürworten Sie?       der in § 1 Abs. 5 BauGB geforder-          von Baurechtreserven im un
                                       len oder in Sicherheit und das Zu-     die Einführung einer Bodenwert-                                               ten »sozialgerechten Bodennutzung«.        beplanten Innenbereich (§ 34
                                       sammenleben investiert. Die bis-       steuer.                                 20 Inwieweit halten Sie eine bun-     Hierzu bleibt Art. 161 Abs. 2 der          BauGB) verursacht sind?
                                       lang auf der Basis von jahrzehnte-                                                deseinheitliche Senkung der        Bayerischen Verfassung (und ähn-
                                       alten Einheitswerten erfolgende        Einführung einer Bodenwertsteuer           Grunderwerbssteuer für sinn-       lich Art. 45 Nr. 4 der Bremer Ver-
                                       Besteuerung des Bodens in Kom-                                                    voll und sollten dabei bestimm-    fassung) nach wie vor wegweisend:
                                       bination mit dem darauf errichteten    Eine reine Bodenwertsteuer könnte          te Erwerbsfälle (z. B. selbstge-   »Steigerungen des Bodenwertes,
                                       Gebäude (Grundsteuer) führt im         dazu beitragen, dass der Öffentlich-       nutztes Eigentum, gemeinwohl-      die ohne besonderen Arbeits- oder
                                       Ergebnis zu einer im Vergleich zu      keit – abhängig vom Steuersatz –           orientierte Nutzung) begünstigt    Kapitalaufwand des Eigentümers
                                       anderen Vermögenswerten viel zu        über mehrere Jahre ein großer Teil         werden?                            entstehen, sind für die Allgemeinheit
                                       niedrigen und ungerecht verteilten     ihrer erbrachten Leistungen zur                                               nutzbar zu machen«.
                                       Steuerlast. Dies ist eine maßge-       Refinanzierung von Infrastrukturin-                                               Dieser Verfassungsgrundsatz
                                       bende Ursache der im Vergleich         vestitionen wieder zurückgegeben                                              wurde 1971 mit dem Städtebauför-
                                       mit anderen europäischen Ländern       wird. Eine derartige Bodenwert-                                               derungsgesetz (StBauFG) lediglich
                                       signifikant ungleichen Vermögens-      steuer könnte zu einer wesentlichen,                                          für spezielle Anwendungsfälle er-
                                       verteilung in Deutschland. Die in      weitgehend konjunkturunabhängi-                                               füllt (durch Satzung förmlich fest-
                                       einigen Ländern auf bis zu 6,5 % an-   gen Säule der kommunalen Einnah-                                              gelegte Sanierungsgebiete und
                                       gehobene Grunderwerbsteuer ist         men werden. Gleichzeitig würde sie                                            städtebauliche Entwicklungsmaß-
                                       bei steigenden Immobilienpreisen       freies Kapital in Produktionsmittel                                           nahmen) und mit hohen Anforde-
                                       gerade für Schwellenhaushalte mit      lenken und die Investitionen in neue                                          rungen an die Gemeinwohlrechtfer-
                                       durchschnittlichem Einkommen,          umwelt- und klimaverträgliche                                                 tigung verknüpft. Diese Vorschrif-
                                       erst recht jedoch für nicht gewinn-    Produktionsformen befördern. Die                                              ten sehen Ausgleichsbeträge für
                                       orientierte und wenig finanzstarke     Bodenwertsteuer ist in der Fach-                                              sanierungs- bzw. entwicklungsbe-
                                       Initiativen und Projekte zu einem      welt, in der (Immobilien-)Wirtschaft                                          dingte Wertsteigerungen bzw. den
                                       gravierenden Hemmnis für einen         und in der Politik durchaus umstrit-                                          kommunalen Grunderwerb zum ent-
                                       Immobilienerwerb geworden, wäh-        ten, wird aber vor allem wegen ih-                                            wicklungsunbeeinflussten Wert vor.
                                       rend sie von professionellen Finanz-   res »Kollateralnutzens« für das Ge-
                                       anlegern entweder per Share Deal       meinwohl von vielen Stadtentwick-
                                       vermieden werden kann oder sich        lern und Städtebauern, aber auch
                                       angesichts hoher Wertsteigerung        von renommierten Volkswirten und
                                       als marginal erweist.                  Klimaforschern befürwortet.

12                                                                                                                                                                                                                                   13
Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021
5
Boden – bessere Daseinsvorsorge
durch mehr Steuerungsfähigkeit

                                    5.1                                                                           5.2
                                    Kommunale Steuerungsfähigkeit in          Unsere Fragen:                      Öffentliches Immobilienvermögen       Stärkung des kommunalen                    Unsere Fragen:
                                    der Bauland- und Bodenpolitik                                                 unterstützt die Daseinsvorsorge       Eigentums und gemeinwohl-
                                                                                                                                                        orientierter Akteur*innen

Wohnen ist ein Menschenrecht        Baulandmobilisierung und eine ak-      23 Wie können Anwendbarkeit und        Mehr Bodeneigentum in öffentli-       Eine Privatisierung staatlicher oder    28 Wie stehen Sie zur Privatisie-
gemäß Artikel 25 der Allgemeinen    tive Bodenvorratspolitik werden           Wirksamkeit des kommunalen          cher Hand ist eine der entscheiden-   kommunaler Grundstücke, Woh-               rung von öffentlichem Immobi-
Erklärung der Menschenrechte.       wesentlich bundesrechtlich dadurch        Vorkaufsrechts verbessert wer-      den Ressourcen für eine gemein-       nungsbestände etc. gegen Höchst-           lieneigentum, insbesondere ge-
Ausreichenden Wohnraum bereit-      gehemmt, dass das Baugebot we-            den?                                wohlorientierte Stadtentwicklungs-    gebot widerspricht angesichts der          gen Höchstgebot? Ist dies aus
zustellen gehört zur allgemeinen    nig praxistauglich und grundstücks-                                           und Wohnungspolitik. Das öffent-      Baulandknappheit und des Mangels           Ihrer Sicht mit dem Gemeinwohl
Daseinsvorsorge, zu der insbeson-   bezogen ausgestaltet und die Ge-       24 Auf welcher Grundlage und nach      liche Immobilienvermögen unter-       an bezahlbarem Wohnraum der                vereinbar?
dere die Kommunen verpflichtet      meinwohlrechtfertigung des Vor-           welchen Kriterien könnten die       liegt allerdings leider überwiegend   sozialen Verantwortung der öffent-
sind. Wohnen ist damit Basis von    kaufsrechts zu eng gefasst ist. In-       Preise für kommunale Vorkäufe       noch immer einer fiskalisch orien-    lichen Hand. Deswegen sollten           29 Was spricht aus Ihrer Sicht da-
sozialer Existenzsicherung und      sbesondere sind die Möglichkeiten         effektiv limitiert werden?          tierten Betrachtung – trotz einiger   Konzeptvergaben mit Festpreisbin-          für, bei der Vergabe von Nut-
Teilhabe.                           einer Preislimitierung unzureichend.                                          vielversprechender Ansätze der        dung den Vorzug erhalten und zur           zungsrechten (z. B. Erbbaurecht)
                                    Vor allem die seit der Weltfinanz-     25 Welche bestehenden und ggf.         Umsteuerung, etwa bei der Bundes-     Regel werden.                              oder beim Verkauf staatlicher
                                    krise 2008 in prosperierenden Stadt-      neuen planungs- oder steuer-        anstalt für Immobilienaufgaben            Öffentlicher Grundstücke wer-          oder kommunaler Grundstücke
                                    regionen stark gestiegenen Ver-           rechtlichen Instrumente halten      (BImA) sowie bei einigen Städten.     den in erster Linie auf kommunaler         in der Regel Konzeptausschrei-
                                    kehrswerte verhindern dort, dass          Sie für geeignet, um die Innen-                                           Ebene für bezahlbare Wohnungen,            bungen anzuwenden?
                                    Kommunen auf Grund und Boden              entwicklung zu fördern und eine                                           öffentliche Räume, soziale und
                                    zu vertretbaren Konditionen zugrei-       (spekulative) Hortung von Bau-                                            kulturelle Einrichtungen oder als       30 Mit welchen bestehenden oder
                                    fen können. Der Aufbau eines kom-         land zu verhindern?                                                       zur Klimaanpassung notwendige              neuen Instrumenten könnte der
                                    munalen Bodenvorrats (z. B. als re-                                                                                 Freiflächen (z. B. Luftaustauschbah-       Bund solche Verfahren (z. B.
                                    volvierendes Sondervermögen/           26 Wäre die erfolgreich in Planspie-                                         nen, Rückhalteflächen für Hoch-            Konzeptausschreibungen) und
                                    Bodenfond) wird damit erschwert.          len mit Kommunen erprobte                                                 wasser) und grüne Infrastruktur ge-        die Leistungsfähigkeit gemein-
                                                                              »Innenentwicklungsmaßnahme«                                               nutzt. Deshalb ist im Sinne des            wohlorientierter Akteure besser
                                                                              aus Ihrer Sicht ein geeignetes                                            Subsidiaritätsprinzips zu fordern,         unterstützen?
                                                                              Instrument, um verstreute Bau-                                            dass Bund und Länder geeignete,
                                                                              lücken und un- bzw. unterge-                                              für staatliche Zwecke nicht mehr        31 Wie stehen Sie zu dem Vorschlag,
                                                                              nutzte Grundstücke zusammen-                                              benötigte Grundstücke an (inter-)          dass der Bund für staatliche
                                                                              hängend in einer Stadt zu mobi-                                           kommunale Bodenfonds für ge-               Zwecke nicht mehr benötigte
                                                                              lisieren?                                                                 meinwohlorientierte Nutzungen im           Grundstücke unentgeltlich in
                                                                                                                                                        Regelfall unentgeltlich weitergeben.       (inter)kommunale Bodenfonds
                                                                           27 Welche weiteren Möglichkeiten                                                 Auf dieser Ebene können und            für gemeinwohlorientierte Nut-
                                                                              bestehen für die Mobilisierung                                            sollten auch gemeinwohlorientierte         zungen einlegt?
                                                                              von Bauland und für die zügige                                            und zivilgesellschaftliche Akteure
                                                                              Umsetzung von genehmigten                                                 als Kooperationspartner*innen bzw.
                                                                              Wohnungsbauvorhaben, insbe-                                               durch Beiräte in die Bewirtschaf-
                                                                              sondere für den bezahlbaren                                               tung öffentlicher Liegenschaften ein-
                                                                              Wohnungsbau?                                                              gebunden werden. Die Verfügbar-
                                                                                                                                                        keit und preisgünstige Bereitstellung
                                                                                                                                                        solcher urbanen Räume bietet auch
                                                                                                                                                        ein hohes Potenzial für experimen-
                                                                                                                                                        telle, kreative, flexible und tempo-
                                                                                                                                                        räre gemeinwohlorientierte Nutzun-
                                                                                                                                                        gen, die den Zusammenhalt der
                                                                                                                                                        Stadtgesellschaft unterstützen.

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Sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land - Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021
5.3
Bodenpolitik für bezahlbares           Erhöhung des Bestands an miet-                                                     Unsere Fragen:                     Dank und Ausblick
Wohnen und lebenswerte Quartiere       preisgebundenen und preisge-
                                       dämpften Wohnungen

In Deutschland werden vor allem in     Um ein sozial ausgewogenes und               Um bezahlbare und dauerhaft ge-    32 Welche bestehenden oder            Das Bündnis Bodenwende bedankt
den wachsenden Stadtregionen noch      bedarfsgerechtes Wohnungsangebot         sicherte Mietwohnungen zu realisie-       neuen Instrumente der Boden-       sich herzlich für die Beantwortung
immer zu wenige Wohnungen neu          zu gewährleisten, sollten in Ballungs-   ren brauchen die Kommunen unter-          politik und des Planungsrechts     der Fragen zur gemeinwohlorientier-
gebaut; das gilt besonders für be-     räumen mit angespanntem Woh-             schiedliche Partner. Dazu zählen          könnten aus Ihrer Sicht dazu       ten Bodenpolitik. Wir werden Ihre
zahlbare (geförderte oder preisge-     nungsmarkt, aber auch in entwick-        traditionell die kommunalen Woh-          beitragen, den Bestand an bele-    Antworten auswerten und veröffent-
dämpfte) Mietwohnungen. Von 2002       lungsstarken Klein- und Mittelstäd-      nungsbaugesellschaften und Ge-            gungsgebundenen Wohnungen          lichen. Außerdem wird das Bünd-
bis 2018 sank die Zahl der gebun-      ten außerhalb der Ballungsräume          nossenschaften, aber auch andere          dauerhaft zu sichern und zu        nis Bodenwende bis zum Sommer
denen Wohnungen von über 2,5 auf       mindestens 25–30 Prozent des             gemeinnützig agierende, z. B. kirch-      vergrößern?                        ein Forderungspapier zur gemein-
nur noch knapp 1,2 Millionen. Der      Mietwohnungsbestandes gefördert          liche oder privatwirtschaftlich or-                                          wohlorientierten Bodenpolitik er-
Mangel an bezahlbaren, dauerhaft       und dauerhaft mietpreisgebunden          ganisierte Bestandshalter oder         33 Was sind die Vor- bzw. Nach-       arbeiten. Auf dieser Grundlage soll
gesicherten Mietwohnungen wird         bzw. preisgedämpft sein. Bauland-        Träger der Freien Wohlfahrtspflege.       teile der befristeten Belegungs-   zu einer Online-Debatte mit Vertre-
in den wachsenden Groß- und Uni-       beschlüsse mit festen Vergabean-         Sie sollten gezielt unterstützt, in       und Mietpreisbindung von           ter*innen der Parteien eingeladen
versitätsstädten dadurch verschärft,   teilen von z. B. 30 % für gemeinwohl-    die Wohnungsbaupolitik eingebun-          geförderten Wohnungen? Sollte      werden.
dass es kaum gelingt, die Bezahl-      orientierte und nicht gewinnorien-       den und von ihr berücksichtigt            diese Bindung ggf. erhalten,
barkeit der Bestände zu sichern        tierte Träger, wie Genossenschaf-        werden, ebenso wie die in den letz-       erweitert oder aufgegeben          Berlin, 12. April 2021
oder zu verhindern, dass Miet- in      ten und Wohnprojekte, ermöglichen        ten Jahren neu aufgetretenen Grup-        werden?
Eigentumswohnungen umgewan-            es v. a. in Verbindung mit einem         pen, auf dem Prinzip der Selbsthilfe
delt werden. Eine mögliche Alterna-    entsprechend ausgestalteten Erb-         basierende zivilgesellschaftliche      34 Inwieweit würden Sie den Kom-
tive stellen auch langfristige Nut-    baurecht, angemessene Anteile von        Akteure wie insbesondere eine neue        munen zweckgebunden zusätz-        Technische Hinweise
zungsklauseln in Erbbaurechtsver-      dauerhaft bezahlbarem Wohnraum           Generation von Wohnungsbauge-             liche Möglichkeiten zum preis-
trägen dar.                            über die befristeten Bindungen der       nossenschaften oder in anderen            limitierten Erwerb unbebauter
                                       Wohnungsbauförderung hinaus zu           Rechtsformen selbstorganisierte           Grundstücke für Wohnungsbau        Rückfragen
                                       schaffen. Als praxistauglich, seit       und unternehmerisch handelnde             und soziale Infrastruktur ein-        Für Rückfragen stehen Ihnen über
                                       langem akzeptiert (Ulm, Offenburg        Gruppen (Mietshäuser Syndikat oder        räumen?                            die E-Mail-Adresse boden@dasl.de
                                       u. v. a. m.) und neuerdings auch mo-     Immovielien e. V.). Auch gemein-                                             die Vorsitzenden des DASL-Aus-
                                       difiziert angewandt (Münster) er-        nützige Stiftungen können dazu bei-    35 Wie können die Schaffung von       schusses Bodenpolitik, Ricarda
                                       weisen sich auch kommunale Stra-         tragen, Boden und Wohnungen               Baurecht durch Bebauungs-          Pätzold und Stephan Reiß-Schmidt
                                       tegien, Planungsrecht nur auf            stabil als Gemeingut aus dem Spe-         pläne die kommunale Liegen-        sowie weitere Vertreter*innen des
                                       kommunalen Grundstücken auszu-           kulationskreislauf des Immobilien-        schaftspolitik und die Woh-        Bündnisses Bodenwende gerne zur
                                       weisen, zumindest aber einen Min-        marktes herauszuhalten. Diese             nungsbauförderung wirksamer        Verfügung.
                                       destanteil an kommunalem Erwerb          Akteure engagieren sich über die          miteinander verknüpft werden,
                                       von potenziellen Bauflächen zur          Wohnraumversorgung hinaus häufig          so dass die dafür benötigten       Rücksendung der Antworten
                                       Voraussetzung für die Aufstellung        auch für Gemeinschaftseinrichtun-         Grundstücke zu einem nachhal-          Wir bitten um Rücksendung Ihrer
                                       eines Bebauungsplanes oder die           gen und Sharing-Angebote im               tig erzielbaren Ertragswert        Antworten als PDF- oder MS-Word-
                                       Errichtung von geförderten Woh-          Quartier und übernehmen Aufgaben          unter Berücksichtigung sozialer    Datei bis zum 7. Mai 2021 an die
                                       nungen zu dessen Bestandteil zu          im Quartiersmanagement. Da-               Bindungen zur Verfügung ge-        DASL-Bundesgeschäftsstelle unter
                                       machen.                                  durch entsteht eine »Stadtrendite«,       stellt werden können?              folgender E-Mail-Adresse:
                                                                                die wesentlich zum guten Zusam-                                              boden@dasl.de
                                                                                menleben in der Stadt beiträgt.

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Christine Edmaier                 Richard Mergner                   Prof. Dr.-Ing. Detlef Kurth
    Präsidentin                       Vorsitzender                      Vorsitzender
    Architektenkammer Berlin          BUND Naturschutz in Bayern        Vereinigung für Stadt-, Regional-
                                                                        und Landesplanung

    Ernst Uhing                       Arnold Ernst
    Präsident                         Präsident
    Architektenkammer                 Verband Deutscher Architekten-    Jörn Luft
    Nordrhein-Westfalen               und Ingenieurvereine              Vorstand
                                                                        Stiftung trias

                                      Prof. Dr. (Univ. Florenz)
    Prof. Klaus Werk                  Elisabeth Merk
    Stellv. Vorsitzender              Präsidentin                       Lena Maaß
    Bundesverband                     Deutsche Akademie für Städtebau   Vorstand
    Beruflicher Naturschutz           und Landesplanung                 Urbane Liga Alumninetzwerk

    Susanne Wartzeck                  Lukas Siebenkotten                Constance Cremer                    Kooperationspartner*innen   Medienpartner*innen
    Präsidentin                       Präsident                         Vorstand
    Bund Deutscher                    Deutscher Mieterbund              Wohnbund
    Architektinnen und Architekten

    Thomas Münchow                    Werner Frosch
    Beirat der Fachschaften           1. Vorsitzender
    für Stadt- und Raumplanung        Deutscher Werkbund Bayern

v
    Olaf Bandt                        Jörn Luft
    Vorsitzender                      Vorstand
    Bund für Umwelt und Naturschutz   Netzwerk Immovielien
    Deutschland

    18                                                                                                                                                        19
Sozial gerechte und
nachhaltige Entwicklung
von Stadt und Land
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