Steinkohle - RAG Aktiengesellschaft
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Ex Steinkohle tra des zur -Au Be För rgw der sg erk eins ab s P tel ros lun per g e -Ha nie l D A S M I TA R B E I T E R M A G A Z I N D E R R A G A K T I E N G E S E L L S C H A F T Leistungsträger Mitarbeiter zeigen sich bis zuletzt hoch motiviert und engagiert Vorreiter Moderne Technik ebnete Sicherheit und Wirtschaftlichkeit den Weg Kumpel Wehrleute bilden auch nach der Stilllegung des Bergwerks eine starke Gemeinschaft Das Ende einer Epoche Nach 160 Jahren verabschiedet sich der industrielle Steinkohlenbergbau aus Bottrop
2 Gr ußworte Steinkohle P r o s p e r - H a n i e l Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der industrielle deutsche Steinkohlenbergbau blickt auf eine stolze Geschichte zurück. Hunderte Millionen Tonnen Kohle haben die Zechen in Nordrhein-Westfalen und an der Saar in den vergangenen rund 200 Jahren gefördert – und gleichzeitig unzählige Errungenschaften hervorgebracht, die unserem Land zum heutigen Wohlstand ver- halfen. Ob Technik, Wissenschaft, Bildung, Soziales oder Kultur: Der heimische Bergbau hat in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe gesetzt, die noch lange Nachhall finden. Am 21. Dezember endet das letzte Kapitel des aktiven Steinkohlen- bergbaus in Deutschland, am Standort Franz Haniel in Bottrop för- dern wir das letzte Stück Kohle. Ein bewegender Moment, der uns Bergleute schon heute mit großer Wehmut erfüllt. Und ein Ereignis, das uns ermöglicht, Rückschau zu halten – auf die bergmännische Herkunft und Identität, auf die Innovationskraft und die Leistungen der Bergleute und auf das, worauf es im Berufsleben besonders ankommt: auf Verantwortung, Vertrauen und Verlässlichkeit. Die Mitarbeiter des Bergwerks Prosper-Haniel verkörpern diese bergmännischen Werte und Tugenden auf besondere Weise. Im Auslaufprozess haben sie nicht nur Verantwortung für ihre Kollegen und ihr Bergwerk übernommen – sondern für die gesamte RAG. Bis zur letzten Schicht haben sie technische Innovationen vorangetrieben, FOTO: DIETMAR KLINGENBURG Prozesse optimiert, sich flexibel gezeigt und verlässlich Kohlen ge- fördert. Ihrem vorbildlichen Einsatz ist es maßgeblich zu verdanken, dass die RAG ihre Verpflichtungen aus dem Steinkohlefinanzierungs- gesetz erfüllen und den Auslauf sozial verträglich gestalten konnte. Dafür gilt allen Prosperanern nicht nur mein herzlichster Dank, sondern auch der der gesamten Belegschaft. Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Sie dürfen stolz sein auf Ihr Lebenswerk. Ihr Engagement, Ihre Leistungen und Ihr Berufs- Glück auf! ethos werden nicht in Vergessenheit geraten. Vielmehr schlägt all das, was Sie auszeichnet, Brücken von der Gegenwart in die Zukunft – und bildet das Fundament für das Handeln der Nachberg- bau-RAG. Denn nur wenn wir uns stets auf die bergmännischen Tugenden und Werte besinnen, wird uns weiterhin gelingen, selbst Peter Schrimpf, größte Herausforderungen zu bestehen. Vorstandsvorsitzender der RAG Aktiengesellschaft Inhalt Stadtentwicklung Strukturwandel bergwerk Prosper- Ausbildung Mannschaftsporträt Kultur Bottrop entwickelte Masterplan für Haniel entstand Grundlagen für Abbaumannschaft Das Erbe bewahren: Geschichte sich mit dem Bergbau eine erfolgreiche Seite 17–20 ein erfolgreiches der letzten Bauhöhe Landschaftsbau- Einblicke in die Seite 10 Zukunft und erfüllendes im Flöz Zollverein werke als beliebte bewegte Historie Seite 14 Technik Berufsleben gelegt zeigt Leistungs- und Ausflugsziele des Bergbaus Bottroper Ikonen Vorreiter für neue Seite 26 Einsatzbereitschaft Seite 32 auf Prosper-Haniel Zwei Männer Zeitraffer Entwicklungen Seite 29 Seite 4–7 schreiben Geschichte Der Bergbau in Seite 22 Mannschaftsporträt Stimmen aus Seite 12 Bottrop von 1856 bis Gruben- und Gas- Besucher der Region Mitarbeiter 2018 im Überblick Mitbestimmung schutzwehr setzen Zahlreiche Prominente Mitarbeiter, Nachbarn Getreu dem Motto: Nachbarschaft Seite 16+21 Engagierter Einsatz sich selbstlos für verewigten sich und Begleiter zur Hand in Hand Engagement und Ein- für die Interessen die Sicherheit der im Gästebuch Schließung des Berg- zum Erfolg satz für die Region Stammbaum der Belegschaft Bergmänner ein des Bergwerks werks Prosper-Haniel Seite 8 Seite 13 Wie das Verbund- Seite 24 Seite 28 Seite 30 Seite 34 Verantwortlich: CvD: Im Welterbe 10, Leserservice: Druck: Erich Kometz (ek), André Leifeld (anwa), 45141 Essen, Bettina Kopp, NEEF + STUMME Leiter Zentralbereich Tel. (0201) 378-22 95 Tel. (0201) 378-32 05, Tel. (0201) 378-32 05 premium printing Kommunikation und Redaktion und Fax (0201) 378-37 59, Agentur: Wittingen Nachhaltigkeit (CR) Koordination: E-Mail: BISSINGER [+] GmbH Cover: RAG Aktiengesellschaft steinkohle@rag.de Bettina Pielka (btp), Medien und Kommunikation Dietmar Klingenburg Impressum Chefredakteurin: Tel. (02041) 59-32 96, Bildredaktion: An der Alster 1 Herausgeber: Stefanie Kurkamp (sek), Dietmar Klingenburg, 20099 Hamburg RAG Aktiengesellschaft Tel. (0201) 378-30 59 Tel. (0201) 378-20 25 info@bissingerplus.de
P r o s p e r - H a n i e l Steinkohle Grußworte 3 Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Prosper-Haniel schließt das letzte Berg- Arbeitskämpfen und Spitzenleistungen. Dabei waren wir nie allein, beinahe wie werk unseres Unternehmens. Wir haben eine große Familie. Nicht gegeneinander, sondern miteinander, nicht ideologisch, alle das Datum gekannt, aber sicher sondern pragmatisch haben wir uns immer den Herausforderungen gestellt. auch verdrängt. Ohne das Bergwerk wäre Dabei hat uns unsere Gewerkschaft, die IG BCE, immer unterstützt. Auch die Bottrop nicht die Stadt geworden, die Sozialpartnerschaft mit dem Unternehmen hat mit dazu beigetragen, dass wir so sie heute ist. Ihr habt mit Eurer Arbeit weit gekommen sind, den Bergbau geordnet und sozial verträglich zu gestalten. die Stadt und die Region groß gemacht. Mein herzlicher Dank geht an die Mannschaft und die Betriebsräte des FOTO: DIETMAR KLINGENBURG Ihr habt Kaufkraft und Wohlstand in Bergwerks, aber auch an die Bergwerksleitung und den Vorstand der RAG Aktien- die Region gebracht und eine Kultur von gesellschaft, an die Kolleginnen und Kollegen der IG BCE und an die Stadt Bottrop Freundschaft, Offenheit, Toleranz und und ihre Menschen. Respekt geschaffen. Kohle wird nun nicht mehr gefördert. Aber das Geschaffene, Wir bleiben immer Bergleute! das Erreichte, wirkt fort. Die Stadt schafft den Wandel. Bottrop ist InnovationCity. Da ist der Name Programm. Und die Glück auf! Menschen schaffen ebenfalls den Wandel. Die einen Kolleginnen und Kollegen gehen in den Vorruhestand, die anderen müssen sich noch einmal beruflich umorientieren. Dabei sind sie gut ausgebildet und berufserfahren. Sie können mit Zuversicht in die Zukunft gehen. Die Barbara Schlüter, Geschichte des Bergbaus war geprägt von Erfolgen und schweren Zeiten, von Gesamtbetriebsratsvorsitzende der RAG Deutsche Steinkohle Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Bergbau in Bottrop blickt auf eine über vorzeitige Fertigstellungen von Bauhöhen. Die Motivation und die Effektivität der 160-jährige Geschichte zurück, die geprägt Mannschaft waren stets hoch. Und darauf sind wir alle sehr stolz. war von wirtschaftlicher Dynamik, aber vor Auch wenn wir auf Prosper-Haniel keine Kohlen mehr fördern, bleibt das Anden- allem von bedeutenden Innovationen. Mit ken an den Bergbau in der Region erhalten. Unser Erbe besteht aus den Förder- dem Abteufen des ersten Schachts im Jahr türmen über stillgelegten Schächten, den Bergarbeiterquartieren sowie den Halden, 1856 begann die Steinkohlenförderung und die nunmehr als Landschaftsbauwerke angelegt sind. Doch vor allem, und damit die Entwicklung unseres Bergwerks das ist viel bedeutsamer, aus den Tugenden und der Gemeinschaft der Bergleute. FOTO: DETLEV LINDENBAUM zum Vorreiter bei der Einführung moderner Wir alle können stolz sein auf das, was wir gemeinsam geleistet haben. Bergbautechnik. Anfang der 1950er Jahre Ich möchte mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Bergwerks kam auf Prosper erstmals ein Kohlenhobel für die geleistete Arbeit und die zahlreichen Erfolge bedanken – und bei allen zum Einsatz, ein Meilenstein im voll mecha- Bergleuten in der Region für mehr als 160 Jahre gemeinsamen Schaffens einer nisierten Kohlenabbau. 1999 feierte der Kultur des offenen und ehrlichen Miteinanders. Walzenlader SL 500 auf unserem Bergwerk seine Premiere im Ruhrbergbau und setzte fortan neue Maßstäbe beim Abbau in Glück auf! Flözen mit Mächtigkeiten von bis zu vier Metern. Auch der Mitte der 1980er Jahre aufgefahrene Förderberg und der Bau der neuen Leitwarte im Jahr 2010 bewiesen unseren besonderen Innovationswillen. Mitarbeiterorientierte Verbesserungspro- gramme machten unsere Arbeitsabläufe sicherer und leistungsfähiger. Wir feierten Jürgen Kroker, stets gemeinsame Erfolge, sei es der Direktumzug der Gruppe-C-Schilde oder Direktor des Bergwerks Prosper-Haniel Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Bergbau zog der Wohlstand in die Menschen werden das Unternehmen verlassen, um sich beruflich neu zu orientie- Region ein. 1965 erreichte die Beschäftig- ren. Allen Betroffenen wünsche ich im Namen des Betriebsrats des Bergwerks tenzahl auf unserem Bergwerk mit über Prosper-Haniel eine erfolgreiche berufliche Zukunft. Die Schließung des Bergwerks 20.000 ihren Höchststand. Nun wird betrifft jedoch nicht nur uns Bergleute, sondern die gesamte Region. Die Wirt- Prosper-Haniel geschlossen. Damit geht schaftskraft wird nicht mehr in dem bisher bekannten Maße vorhanden sein. eine große industrielle Tradition zu Ende. Zudem verliert die Region einen ihrer größten Ausbildungsbetriebe. Eine Ära, die Land und Leute auf ewig Der Betriebsrat des Bergwerks Prosper-Haniel bedankt sich bei der gesamten FOTO: DETLEV LINDENBAUM geprägt hat. Und in der die Motivation und Mannschaft: Ihr alle habt zum Erfolg des Bergwerks beigetragen. Und wir be- Leistungsbereitschaft der Bergleute dazu danken uns bei all den Mitstreitern, die uns Bergleute immer unterstützt haben – beigetragen haben, die Energieversorgung den Bundes-, Landes- und Kommunalpolitikern, den Kirchen und Verbänden des Landes dauerhaft zu sichern. Wir gehen sowie den Bürgern in unserer Region. mit Wehmut, aber auch mit Stolz. Für die Zukunft des deutschen Steinkoh- Euch allen ein herzliches Glückauf! lenbergbaus gab es jahrzehntelang viele Herausforderungen zu meistern. Häufig traf die Politik Vereinbarungen mit dem Bergbau, die sie später wieder infrage stellte. 2007 wurde im Rahmen der kohlepolitischen Vereinbarung der Ausstieg aus dem deutschen Steinkohlenbergbau und damit auch die Stilllegung von Prosper- Haniel beschlossen. Diese politische Entscheidung haben wir zu akzeptieren – auch Sandro Atzori, wenn sie für die meisten Beschäftigten einen tiefen Einschnitt bedeutet. Viele Betriebsratsvorsitzender des Bergwerks Prosper-Haniel
4 Geschi chte Steinkohle P r o s p e r - H a n i e l Pioniere: die Belegschaft des Bergwerks Prosper I in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 160 Jahre Bergbau in Bottrop Vom Abteufen des ersten Schachts bis zur endgültigen Stilllegung: die bewegte Historie von Prosper-Haniel D er Beginn des heutigen Bergwerks bereitungsanlage. Schon seit 1861 war das Gesellschaft in den Wohnungsbau. Die Kolo- Prosper-Haniel datiert auf das Jahr Bergwerk an die Köln-Mindener Eisenbahn nien Engelbert in Batenbrock, Lehmkuhle 1856, als sich namhafte Familien wie angeschlossen. und Ebel stammen aus dieser Zeit. Bis 1900 Waldhausen, Morian, Hammacher, Haniel Das Geschäft mit der Kohle lief so gut, dass wuchs die Bevölkerung Bottrops auf rund und Huyssen zusammenfanden und das die Arenberg-Gesellschaft ihren Besitz auf 25.000 Menschen an, zehn Jahre später hatte erste Grubenfeld in der Nähe von Osterfeld einen Großteil der Kohlenvorräte unter dem sie sich noch einmal verdoppelt. Zwischen- Prosper nannten. Die im selben Jahr gegrün- Ortsgebiet von Bottrop ausdehnte und zu zeitlich arbeitete jeder vierte Bottroper auf dete Arenberg’sche Actien-Gesellschaft für einem einheitlichen Grubenfeld Prosper einer der Prosper-Zechen. Bergbau und Hüttenbetrieb erwarb weitere arrondierte. Dazu begann sie 1871 nahe dem Felder, und noch im selben Jahr begann bei Bottroper Ortskern mit dem Bau einer neuen Eigener Hafen im Betrieb Ebel das Abteufen eines Schachts, der eben- Schachtanlage Prosper II und schloss mit dem Im Jubiläumsjahr 1906 wurde in Eigen, nörd- falls den Namen Prosper trug. Tieferteufen des ersten Schachts zwei weitere lich von Bottrop, Schacht 6 abgeteuft. Die Ähnlich wie bei anderen Schachtanlagen, Abbausohlen auf. Kurz darauf entstand auf Zahl der Prosper-Zechen erhöhte sich damit bei denen die Kohle vergleichsweise tief lag, Prosper II ein massiver Malakoffturm als För- auf drei. Mit Arenberg-Fortsetzung in Baten- erwiesen sich die Teufarbeiten als schwierig: »Mit dem deranlage, der in der Folge zwar mehrfach brock entstand bis 1912 sogar noch eine wei- Erst 1860 erreichten die Schachthauer in um- und ausgebaut wurde, doch bis heute das tere Doppelschachtanlage. Auf den nunmehr einer Teufe von knapp 176 Metern das Stein- Bergbau Bild der Schachtanlage prägt. 1890 ging dort vier Zechen Prosper I bis III – von 1908 bis kohlengebirge. 1863 startete der reguläre gelang der ebenfalls eine Kokerei in Betrieb. Kurz darauf 1911 um Schacht 7 erweitert – und Aren- Betrieb. 315 Mitarbeiter förderten zunächst bekamen die Zechen insgesamt drei neue berg-Fortsetzung förderten mehr als 10.000 knapp 60.000 Tonnen Kohle. In den Gruben- Region der Schächte – Schacht 3 auf Prosper II sowie die Bergleute insgesamt mehr als zwei Millionen feldern standen große Mengen hochwertige Aufstieg zur Schächte 4 und 5 auf Prosper I. Tonnen Kohle jährlich. Nach dem Bau des Fettkohle zur Verfügung, so dass die Gesell- Metropole Im ländlich geprägten Bottroper Raum litt das Bergwerksunternehmen unter Arbeits- Rhein-Herne-Kanals nahm das Bergwerk schaft auf dem Gelände der Schachtanlage Prosper I einen eigenen Hafen in Betrieb. Es 1864 eine Kokerei baute. Für die Kohlen, die Ruhr.« kräftemangel. Es warb daher Bergleute aus gehörte damit zur Gruppe der „nassen“ nicht zu Koks weiterverarbeitet wurden, Dr. Jürgen Rupp, Oberschlesien an, vor allem aus den Städten Zechen, die einen Wasseranschluss vor der errichtete sie im Jahr 1867 eine eigene Auf- RAG-Vorstandsmitglied Ratibor und Rybnik. Später investierte die Haustür besaßen. Der Erste Weltkrieg brachte
P r o s p e r - H a n i e l Steinkohle Geschichte 5 Januar 1902: Der neue Schacht 5 auf dem Bergwerk Prosper I erstrahlt und wird abgeteuft. FOTOS: HISTORISCHE GESELLSCHAFT BOTTROP, STADTARCHIV BOTTROP Zeigen sich stolz auf das Bergwerk in Bottrop: Einige Bergmänner posieren Mitte der 1870er Jahre Franz Haniel teilweise zerstört: Im September 1925 brachen vor den Tagesanlagen der Zeche Prosper I, wo hochwertige Fettkohlen zur Verfügung standen. Tübbingelemente im Schacht 2 der neu angelegten Zeche zusammen. einen Verlust an Arbeitskräften. Die Männer krise 1930 erzwang vorübergehend die Still- krieg verhinderte die Aufnahme des Förder- zogen in den Krieg oder wechselten in die legung der Zeche Arenberg-Fortsetzung. betriebs. Rüstungsindustrie. Über Tage nahmen Parallel zum Aufstieg der Zeche Prosper baute Auf den Prosper-Zechen führten die sich Frauen und Jugendliche, unter Tage französi- das Oberhausener Montanunternehmen Gute- erholende Wirtschaft und die Rüstungspolitik sche Zwangsarbeiter ihren Platz ein. Direkt hoffnungshütte (GHH) seine Kohlenbasis aus in den 1930er Jahren zur Mehrförderung und nach dem Krieg behinderten Streiks und poli- und nahm 1913 die Doppelschachtanlage Modernisierung von Förderwagen, Gruben- tische Unruhen den geregelten Betrieb. Trotz Jacobi in Betrieb. Nach dem Krieg plante die loks und Zentralkokerei. Nach Kriegsbeginn der schwierigen Zeiten investierte die Aren- GHH eine weitere Schachtanlage im Gruben- fehlten erneut Arbeitskräfte. Vor allem junge berg-AG weiter. Zwischen 1917 und 1920 feld Neu-Oberhausen, die den Namen des und leistungsfähige Bergleute wurden ein- entstand auf Prosper II mit Schacht 8 ein 1916 verstorbenen langjährigen Aufsichtsrats- gezogen. Ab 1940 ersetzten ausländische zentraler Förderschacht. vorsitzenden Franz Haniel erhielt. Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Zwangs- Wenig später begann die Modernisierung arbeiter – darunter auch Frauen für den des Grubenbetriebs: Die Bergleute tauschten Schachtgerüst bricht zusammen Über-Tage-Betrieb – die einberufenen Berg- ihre Keilhauen gegen druckluftbetriebene Ab 1921 wurden zwei Schächte abgeteuft, ein leute. Abbauhämmer ein, Schrämmaschinen kamen Durchschlag zur benachbarten Schacht- Schon ab 1941 setzte der Bombenkrieg den zum Einsatz, und Schüttelrutschen dominier- anlage Jacobi entstand. Am 25. September Bergwerken zu, die mittlerweile der Rhein- ten die Abbauförderung. Ein bis 1926 errich- 1925 brachen in Schacht 2 in 75 Meter Teufe stahl gehörten. Dennoch konnte der Betrieb tetes zentrales Kraftwerk auf Prosper II lieferte die Tübbingelemente. Wasser und Schwimm- bis 1944 aufrechterhalten werden. 1945 zer- die dafür nötige Energie. Die ab 1927 erbaute sand drangen ein und ließen Schachtsäule störten Angriffe das Verwaltungsgebäude auf Zentralkokerei in Welheim ersetzte kurz samt Schachtgerüst zusammenbrechen und Prosper I. Zudem beschädigten sie die Anla- darauf die überholten dezentralen Anlagen. in den Schachttrichter stürzen. Das Unter- gen auf Prosper II, die Zentralkokerei und die Auch andere zentrale Dienste wie Werkstatt nehmen kam vorerst zum Erliegen. Die Zentralwerkstatt. Die Kokerei stellte den und Grubenwehr wurden zusammengefasst. Weltwirtschaftskrise verzögerte die Wieder- Betrieb ein, auf Prosper I/II kam die Kohlen- Zudem wurde Prosper I als selbstständiger aufwältigung bis 1936, als beide Schächte bis förderung zum Erliegen. Als die alliierten Förderstandort 1929 aufgegeben und mit 600 Meter abgeteuft und Über-Tage-Anla- Streitkräfte im März Bottrop erreichten, Prosper II verbunden. Die Weltwirtschafts- gen errichtet wurden. Doch der Zweite Welt- standen alle Zechen der Stadt still. Zwar
6 Geschi chte Steinkohle P r o s p e r - H a n i e l Unter Tage: Bergmänner tauschen sich bei ihrer gemeinsamen, wohl- verdienten Pause aus und kommen nach getaner Arbeit zur Ruhe. Leistungsbereit und mit viel Engagement: Die Mitarbeiter des Berg- Im modernen Walzenbetrieb: Die Bauhöhen von Flöz Zollverein boten werks Prosper-Haniel zeigten sich stets hoch motiviert bei der Arbeit. Mächtigkeiten von bis zu vier Metern, die spezieller Gruppe-C-Schilde bedurften. verordnete die Militärregierung bereits am in Betrieb gehen. Bis 1957 erhielt das nach per IV sowie für weitere Rationalisierungen, 7. April die Wiederaufnahme der Förderung Umstrukturierungen mittlerweile der Hüt- etwa den Einsatz von Continuous Minern auf der weniger beschädigten Anlage Prosper tenwerke Oberhausen AG (HOAG) gehö- oder Schildausbau. Es erfolgten Investitionen III. Doch an eine schnelle Rückkehr zur Voll- rende Bergwerk moderne Tagesanlagen, die in Kraftwerke zur Kohleverstromung. Noch auslastung war kaum zu denken. Es fehlte an sich vergleichsweise harmonisch in die noch bis in die ersten Krisenzeiten fehlte es den Material, Personal und Transportmöglichkei- weitgehend unberührte Umgebung einfügten. Bergwerken an Arbeitskräften. In ganz ten. So ging auch Prosper I/II einige Monate Schon zeichnete sich ab, dass sich die im Deutschland warben die Bergwerksbetreiber später nur eingeschränkt in Betrieb. Süden und unter der Stadt Bottrop liegenden Mitarbeiter an. Gastarbeiter aus Südeuropa Anfang der 1950er Jahre arbeiteten auf den Kohlenvorräte für die benötigten Förder- und aus der Türkei kamen im Laufe der Zeit Prosper-Zechen wieder mehr als 12.000 Berg- mengen auf Prosper I/II und Prosper III auf hinzu. Gemeinsam mit der Stadt Bottrop leute. Es bestand Nachholbedarf in der unter- Dauer erschöpften. Rheinstahl erwarb 1957 investierten die Bergwerksgesellschaften tägigen Aus- und Vorrichtung, die aufgrund deshalb das sich im Norden anschließende erneut in den Wohnungsbau. Überall ent- der Kriegsproduktion vernachlässigt worden Nordlicht-Feld West und begann mit dessen standen neue Wohnblocks, Siedlungen und war. Außerdem kam es zu einem Moderni- Erschließung. Bis 1960 wurde Schacht 9 der Wohnheime. sierungsschub: Panzerförderer ersetzten Prosper IV getauften neuen Anlage abgeteuft. Im Jahr 1968 führte die Kohlekrise zur Bil- Bremsförderer und Schüttelrutschen, Schräm- Bau und Inbetriebnahme neuer Schacht- dung der Ruhrkohle AG, der auch die HOAG maschinen und Kohlenhobel lösten die anlagen fielen mit einem starken Absatzein- »Prosper- und nach einigem Zögern Rheinstahl beitra- Abbauhämmer ab, Stahlstempel verdrängten bruch zusammen. Das Erdöl trat den Sieges- Haniel steht ten. Fortan sollten nicht mehr wahllos Zechen den Holzausbau. zug an, hinzu kam billige Importkohle. Es geschlossen werden. Die Einheitsgesellschaft türmten sich die Kohlen- und Kokshalden, für moderne sollte die Steuerung übernehmen. Das brachte Erschließung weiterer Gebiete Feierschichten drosselten die Produktion, Technik und für die Bottroper Bergwerke weitere Zusam- Wiederauf bau und „Wirtschaftswunder“ Großschachtanlagen wurden stillgelegt. effiziente menschlüsse: Das Bergwerk Franz Haniel war befeuerten in dieser Zeit den Kohlenhunger, Für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher bereits 1965 mit Jacobi in einen Verbund die Zechenwirtschaft blühte. Auf Prosper Steinkohle bedurfte es moderner, rational Prozesse.« überführt worden. Auf Prosper II wurde stiegen die Förderzahlen, und 1952 konnte produzierender Zechen. Das lieferte gute Dr. Jürgen Rupp, Schacht 8 zu einem leistungsfähigen Zen- endlich auch die Schachtanlage Franz Haniel Argumente für die Anschlussanlage Pros- RAG-Vorstandsmitglied tralförderschacht ausgebaut, der Abbau von
FOTOS: STADTARCHIV BOTTROP, DETLEV LINDENBAUM, RAG-ARCHIV P r o s p e r - H a n i e l Steinkohle Geschichte 7 Vollständig modernisiert: Mitarbeiter des Bergwerks Prosper-Haniel wechseln den „stärksten Fördergurt der Welt”. geologisch schwierigen Feldern eingestellt konnte kaum mehr vergrößert, von der mitten Pakt mit den Bürgern Bottrops: Der Bergbau und in die höffigeren Felder im Norden verla- im Stadtgebiet gelegenen Anlage Prosper III sicherte nicht nur weiterhin Arbeitsplätze, er gert. 1973/74 wurde das Feld Franz Haniel mit nur wenig Bergematerial abgefahren werden. nahm auch Rücksicht auf das gestiegene Prosper III und Prosper IV verbunden und Mit dem Bau eines Förderbergs löste die Ruhr- Bedürfnis nach weniger Lärm und Verkehr. die Schachtanlage stillgelegt. Ein Jahr später kohle AG Mitte der 1980er Jahre auf einen Nicht zuletzt auch diesem Jahrhundertprojekt endete die Kohlengewinnung auf dem Schlag mehrere Probleme: Unter Bottrop- verdankt das Bergwerk Prosper-Haniel, dass Bergwerk Prosper II. Die Anlage blieb als För- Eigen setzte ein schräger, 3,6 Kilometer langer die Stilllegung erst Ende 2018 erfolgt. derstandort für das neu geschaffene Verbund- Schacht an und verband die 786-Meter-Sohle Weitere Gründe für die lange Laufzeit: die bergwerk Prosper-Haniel erhalten. mit der vollständig modernisierten Aufberei- vorausschauende Planung und die Abstim- In der Folge baute die Ruhrkohle AG das tungsanlage von Prosper II. Während die mung der Vorhaben mit Bevölkerung, Politik Bergwerk Prosper-Haniel zu einer ihrer Rohkohle über das Oberband des „stärksten und lokaler Wirtschaft. Im Zuge der seit den modernsten Schachtanlagen aus. Das weitere Fördergurts der Welt“ in die Aufbereitung 1990er Jahren verabschiedeten Rahmen- Vordringen in die nördlichen Abbaufelder gelangte, ging das Bergematerial über das betriebspläne ließen die Verantwortlichen ein erforderte einen neuen Wetterschacht, und Unterband wieder zurück, wurde über den planerisches Leitbild für den Abbaubereich bis 1981 entstand in der Kirchheller Heide modernisierten Schacht Haniel gehoben und Kirchheller Heide/Hünxer Wald entwickeln, Schacht 10 mit 1000 Meter Teufe. Beim letzten auf die dortige Halde verbracht. das verschiedene Interessen berücksichtigte Schritt in die Tiefe zwischen 2004 und 2007 und Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich sollte der Schacht noch einmal verlängert wer- Arbeitsplätze gesichert Freizeit und Erholung aufzeigte. den: auf eine Endteufe von 1247 Metern. Das in der Geschichte des Ruhrbergbaus ein- Am 15. Dezember 2016 beendete die Die Anlagen des Verbundbergwerks stie- malige Projekt machte Prosper-Haniel zu Mannschaft mit dem letzten Durchschlag in ßen jedoch an Kapazitätsgrenzen: Die Kohle einem der zukunftsfähigsten Bergwerke im 1240 Meter Teufe im Baufeld Haniel-West die aus dem Nordfeld gelangte über einen vielfach Revier. Schon nach drei Jahren Betriebszeit Vorleistung. Damit waren alle Kohlen, die bis gebrochenen, insgesamt neun Kilometer hatten sich die Investitionskosten von damals zur Stilllegung des Bergwerks gefördert wer- langen Förderweg zu den Förderstandorten rund 120 Millionen D-Mark amortisiert. Die den, erschlossen. Mit etwa 1400 Mitarbeitern Prosper II und Prosper III, was personal- und umweltfreundliche, den Straßenverkehr ent- erreichte das Bergwerk seine Zielförderung materialintensiv war. Die Halde bei Prosper II lastende Bergeentsorgung schloss einen neuen von 1,8 Millionen Tonnen Steinkohle.
8 Mi tarbei ter Steinkohle P r o s p e r - H a n i e l Verantwortung und Unterstützung Das letzte Bergwerk im Ruhrgebiet schließt, doch mit einem starken Willen, viel Energie und einer hohen Leistungsbereitschaft M it der Stilllegung des Bergwerks Pros- per-Haniel endet der Steinkohlen- bergbau im Ruhrgebiet. Beinahe täg- lich verabschieden sich Mitarbeiter. Nur allzu oft lässt sich dabei die eine oder andere Träne nicht zurückhalten – zu groß sind die Ver- bundenheit zwischen den Kumpeln und das Gefühl der Zugehörigkeit zum Bottroper Bergwerk. Aktuell arbeiten rund 1600 Men- schen auf Prosper-Haniel. Noch im Septem- ber 2017 lag die Zahl bei etwa 2200. So ver- abschiedeten sich innerhalb eines Jahres rund 600 Mitarbeiter. Mehr als zwei Drittel sind Alters- oder Arbeitsmarktabgänger. Hinzu kommen die Auszubildenden, die ihre Aus- bildung auf Prosper-Haniel Anfang des Jahres 2018 beendeten. Das Bergwerk leistete damit seinen Beitrag zum sozialverträglichen Per- sonalabbau im Steinkohlenbergbau. Vielfäl- tige Angebote wie Berufsinformationsver- anstaltungen oder individuelle Beratungen durch Personalvermittler vor Ort eröffnen Mitarbeitern, die ihren Vorruhestand nicht erreichen können, neue Zukunftsperspekti- ven. Niemand soll ins Bergfreie fallen. Hand in Hand zum Erfolg Auch wenn der Bergbau zu Ende geht: Auf dem Bergwerk herrscht nach wie vor reger Betrieb. Beim diesjährigen Maigang mit dem Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck rund um die Halde Schöttelheide bekundete Werks- leiter Jürgen Kroker seinen Stolz auf die Mann- schaft: „Im Auslaufjahr ist ihre Motivation und Leistungsbereitschaft ungetrübt, alle stel- len sich mit unverkennbarem Engagement ihren Aufgaben. Nur durch genau diesen Ein- satz erreichen wir unsere Bergwerksziele.“ Das außerordentliche Engagement der Mitarbeiter zeigt sich auf vielen Ebenen – sei es in den Unter- und Über-Tage-Betrie- ben, in der Verwaltung, bei den umfassenden Kommunikationsmaßnahmen oder in den Lean-Arbeitsgruppen, die für einen reibungs- losen Arbeitsablauf auf Prosper-Haniel sor- gen. Zahlreiche Mitarbeiter beteiligen sich in den Gruppen, finden Verbesserungsmög- lichkeiten und setzen diese auch um. Alle Beschäftigten – ob von der RAG oder von den Partnerfirmen – ziehen im Auslaufjahr an einem Strang und unterstützen sich gegen- seitig. Getreu dem Motto des Bergwerks zudem die Gesundheitsvorsorge, die unter Sportabzeichen zu erwerben. Eine Chance, „Hand in Hand zum Erfolg“. anderem mit zahlreichen Veranstaltungen die zahlreiche Mitarbeiter nutzten. Zudem »Ich bin sehr Auch der Arbeitsschutz kommt nicht zu weiter intensiviert wurde. So fand unter dem beteiligte sich die Belegschaft an der Aktion stolz auf die kurz. Im Gegenteil. Die Sicherheit der Berg- Motto „Urlaubszeit gleich Unfallzeit“ in den „Stadtradeln“, die alle Bottroper dazu aufrief, leute nahm eine immer wichtigere Rolle ein. Lichthöfen eine „Risiko raus“-Ausstellung in Teams möglichst viele Radkilometer zu gesamte Das Bergwerk schickte Mitarbeiter zu Schu- des Belegschaftsschutzes statt. sammeln. Die rund 100 Teilnehmer des Berg- Mannschaft.« lungen und entwickelte die Arbeitsmittel zur Bei der Gesundheitsarbeit spielt auch Sport werks erwiesen sich einmal mehr als die flei- Bernd Beier, steten Erhöhung der Sicherheit immer weiter. eine wichtige Rolle. Das Bergwerk bot den ßigsten Radler und belegten mit über 31.000 Personaldirektor Ein nach wie vor wichtiges Thema bildet Beschäftigten unter anderem an, das Deutsche Radkilometern erneut den ersten Platz. „Ich
P r o s p e r - H a n i e l Steinkohle Mitarbeiter 9 für die Belegschaft meistern alle Mitarbeiter gemeinsam auch die letzten Ziele. FOTO: JEANNY SCHREIBER Zeigen sich stolz auf ihre Leistung: bin sehr stolz auf die geradelten Kilometer sich mit der Hilfe des Bergwerks noch außer- Als Sinnbild für diese gelebte Gemeinschaft die Mitarbeiter und den Teamgeist von jedem einzelnen Teil- halb des Unternehmens einen neuen Job erwies sich die Abendveranstaltung für die des Bergwerks nehmer“, betont Bernd Beier, Betriebsdirektor suchen müssen. Nicht zuletzt: Wer in den Vor- Belegschaft am Tag der offenen Tür. Zahl- Prosper-Haniel. für Personal- und Sozialfragen. Dieser Team- ruhestand wechseln kann, findet sich in einer reiche Mitarbeiter kamen zusammen, um geist prägt darüber hinaus das gesamte Berg- völlig neuen Lebenssituation wieder. „Den- gemeinsam zu feiern und alte Geschichten werk. Das Bergwerk befindet sich jetzt an der noch stehen die Kollegen wie ein Mann hinter aufleben zu lassen. Viele Gelegenheiten dazu Schwelle eines Umbruchs, der jeden Mitarbei- den Bergwerkszielen und sind stolz auf das, gibt es zwar nicht mehr, doch zeigt sich gerade ter treffen wird. Sei es, weil viele Kollegen noch was sie gemeinsam leisten. Und ich bin stolz in solchen Momenten, wie stark die Gemein- einmal verlegt werden müssen, sei es, weil viele auf die Mannschaft“, betont Beier. schaft auf Prosper-Haniel nach wie vor ist.
10 S tadtentwi cklung Steinkohle P r o s p e r - H a n i e l Die Zeche Prosper III im Jahr 1923: Mit dem Ausbau der Steinkohlenförderung wuchs auch die Stadt Bottrop. Zahlreiche Bergleute siedelten sich mit ihren Familien im direkten Umfeld der Zechen an. Wegbereiter des Fortschritts Der Steinkohlenbergbau entwickelte Bottrop zu einer modernen Großstadt mit wertvollen Naherholungsgebieten. D er Steinkohlenbergbau gilt ab dem Die Vielfalt an Nationen nahm zu, denn dem führte. Doch nicht nur Industrie und Stadt 18. Jahrhundert als Basis der Indus- außerordentlichen Zuwachs an Schachtanla- entwickelten sich. trialisierung und seit dem 19. Jahr- gen folgte der Zuzug von neuen Arbeitskräf- Bis zum Beginn der Industrialisierung hundert als Grundlage für die Ausbildung ten. Die ersten Zuwanderer kamen aus den war die Kirchheller Heide ein Auenwald mit moderner Gesellschaftsformen. Er förderte Niederlanden. Es folgten polnische Arbeiter, »Bottrop ver- einem hohen Anteil an Erlen. Mit der Ent- Wohlstand, Technik, Wissenschaft, Bildung, die in eigens errichteten Menagen eine Unter- dankt seine wicklung der Industrie an Rhein und Ruhr Soziales und Kultur – auch in Bottrop. kunft fanden. In Bottrop lebten im Jahre 1900 begann die extensive Nutzung: Holz wurde Bottrop ist seit über 160 Jahren mit dem Berg- bereits 25.000 Einwohner, davon knapp Entstehung für die Industriebetriebe geschlagen – und bau verknüpft. Die Stadt verdankt ihre Entste- 60 Prozent mit polnischer Herkunft. Ende des dem Stein- um Platz für Schafe zu schaffen: Das wach- hung dem Steinkohlenbergbau und entwickelte Ersten Weltkriegs galt Bottrop mit 72.000 kohlenberg- sende Ruhrgebiet brauchte Wolle, um seine sich von einem 4000-Einwohner-Dorf, das vor- Einwohnern als „größtes Dorf “ Preußens, Arbeiter mit Kleidung zu versorgen. rangig von der Landwirtschaft lebte, zu einer erhielt die seit längerem angestrebten Stadt- bau.« 1974 trat der heutige Regionalverband 120.000 Einwohner zählenden Industriestadt. rechte und wurde anderthalb Jahre später zur Dr. Michael Ruhr (RVR) an, um in der Heide wieder Aufgrund der hohen Förderung in den kreisfreien Stadt. Farrenkopf, Leiter naturnahe Laubwälder wachsen zu lassen. 1860er Jahren errichtete Bottrop zur Aufbe- Im Umfeld der Zechen entstanden die Montanhistorisches Mitgestalter in der Heide blieben aber der reitung und Veredelung eine Kohlenwäsche charakteristischen Zechenkolonien. Trotz Dokumentations- Tagebau mit seinen Kiesgruben (eine davon und eine Kokerei mit 72 Öfen. Der markante der Kohlekrise in den 1960er Jahren besann zentrum ist heute der Heidesee) und die Prosper- Malakoffturm an der Knappenstraße führte sich Bottrop stets auf die Kohle als heimi- Zechen, die seit 1957 das Grubenfeld Nord- ab 1875 zu einem Wachstumsschub bei der schen Energierohstoff, was zum Bau des licht unter Grafenwald und Kirchhellen Kohlenförderung. Schachts 10 1975 in Bottrop-Kirchhellen erschlossen.
P r o s p e r - H a n i e l Steinkohle Stadtentwicklung 11 Pulsierendes Leben in der Innenstadt: Heute zählt Bottrop rund 120.000 Einwohner. Heidesee: Die ehemalige Der Heidhof Kiesgrube entwickelte sich zu einem Lebensraum Auch der Heidhof ist ein Stück Industriegeschichte. Er wurde für Pflanzen und Tiere. gegründet vom Duisburger Zweig der Industriellenfamilie Grillo. Die Brüder Friedrich (1825 bis 1888) und Wilhelm Grillo (1819 bis 1889) gehörten zu den Industriebaronen in der sogenannten Gründerzeit des Ruhrgebiets. 1908 erwarb die Familie eine Jagdpacht in der Kirchheller Heide und ließ dort eine Villa im englischen Landhausstil errichten. 1920 kam ein Gutsbetrieb hinzu, der aber in den 1950er Jahren wieder aufgegeben wurde. Danach nutzten Segelflieger vom nahe gelegenen Flugplatz Schwarze Heide die Villa. 1973 übernahm der Vorgänger des Regionalverbands Ruhr, der damalige KVR, Schloss, Gutshof und Wald mit einer Gesamtfläche vom 2000 Hektar. Für das immer baufälligere Schloss fand sich keine passende Verwendung. So wurde es Ende 1981 abgerissen. Heute ist der Heidhof Forst- und Pflegestützpunkt der Regional- verbands-Tochter RVR Ruhr Grün, ein umweltpädagogisches Aus- und Fortbildungszentrum sowie ein attraktives Ausflugsziel mit Waldspielplatz und Pferdestation. Naturvielfalt: Am Elsbachsee sind Rotfeder, Schleie und Hecht ebenso heimisch geworden wie Frösche und Insektenarten. Auch der Eisvogel jagt dort. FOTOS: KAI SÜSELBECK, PRESSESTELLE STADT BOTTROP (2), AKPOOL GMBH ALL RIGHTS RESERVED Die damit verbundenen Bergsenkungen schu- fen ab 2001 den Schwarzbach- und den Els- bachsee. Die RAG baute einen Damm über den Elsbachsee und stellte die Wegeverbin- dung zwischen Heidhof und Grafenmühle über den Koppelweg wieder her. Die Planer rechneten ein, dass die Heide sich auch nach dem Ende des Bergbaus noch weiter senken wird. „Diese Senkung können wir am Elsbachsee beobachten“, sagt Werner Meemken, Revierleiter der RVR-Tochter Ruhr Grün und oberster Förster der Kirch- heller Heide. „Auf der nördlichen Seite des Damms arbeitet sich das Wasser weiter vor – und das trotz der extremen Trockenheit die- ses Sommers.“ Derzeit lägen die Senkungen ziemlich genau im Bereich der Vorhersagen. Meemkens Prognose für die nahe Zukunft: „Die großen Senkungen sollten Ende 2019 durch sein.“
12 Bott roper Ikonen Steinkohle P r o s p e r - H a n i e l Zwei Männer schreiben Geschichte Wie der „Eiserne Hugo” und der „Vater des Förderbergs” den Bottroper Bergbau voranbrachten M it der Ausstellung „Über Tage – Unter Tage“ blickt das Stadtarchiv Bottrop zurück auf 200 Jahre Bergbau. Dabei würdigt sie auch die Lebensleistung von Hugo Reckmann (1880 bis 1963). Der „Eiserne Hugo“ war über Jahrzehnte Berg- werksdirektor, erst bei Arenberg, dann bei Rheinstahl. „Die schwerste Zeit in der Geschichte von Arenberg und Rheinstahl war seine Zeit“, sagt sein Enkel Eberhard Bock im Rückblick auf zwei Weltkriege, die Ruhr- besetzung 1923, die Weltwirtschaftskrise 1930 und die NS-Herrschaft. Hugo Reckmann heuerte nach dem Abitur 1899 auf Graf Moltke in Gladbeck an, stu- dierte Bergbau in Freiberg und Berlin und Jahrzehntelang wurde Beamter beim Bergamt in Duisburg. Bergwerksdirektor: 1909 ging er als stellvertretender Direktor zu Hugo Reckmann Arenberg. Zehn Jahre später wurde er Chef (vorn) an seinem der Arenberg’schen Actien-Gesellschaft, 1922 75. Geburtstag. Vorstandsmitglied der Rheinischen Stahl- werke Essen (Rheinstahl) und 1945 schließ- lich Generaldirektor von Rheinstahl – eine sein soziales Engagement erhielt er im Jahr Position, die er bis zu seinem Ruhestand im 1952 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Jahr 1953 bekleidete. 1953 wurde er Bottroper Ehrenbürger. Zu Reckmanns Verdienste sind vielfältig. Er Recht, wie Bock findet: „Dieser Mann hat ließ nicht nur die Zeche Arenberg-Fortset- erheblich zur wirtschaftlichen Entwicklung zung mit den Prosper-Zechen und dem Hafen Bottrops beigetragen und Bergbaugeschichte verbinden, sondern stritt in den 1920er Jahren geschrieben.“ auch erfolgreich für den Bau einer zentralen Kokerei, die ab 1928 die veralteten Kokereien Der erste Direktor von Prosper-Haniel an den einzelnen Zechenstandorten ersetzte. Auch Hanns Ketteler (1930 bis 2009) hat sich Reckmanns Idee: möglichst viel Bergbau um den Bottroper Bergbau verdient gemacht. am Standort Prosper II bündeln. „Mit Zeche, 41 Jahre stand er im Dienst der Steinkohle, Kokerei, Zentralwerkstatt und Benzolfabrik 31 davon als Prosperaner. 1961 stieg der Berg- wurde ein gewaltiger bergbaulicher Schwer- assessor als Reviersteiger auf Prosper II ein. punkt gebildet, der die Zukunft von Arenberg 1968 wurde er Direktionsassistent, 1970 FOTOS: FRIEDHELM WESSEL und später Rheinstahl sicherte“, sagt Bock. Bergwerksdirektor auf Prosper II und 1974 Zu einer Legende für „seine“ Kumpel avan- erster Direktor des neu entstandenen Ver- cierte Reckmann schon 1921. Damals verwei- bundbergwerks Prosper-Haniel. Ketteler gerte er die Kohlenlieferungen an die Sieger- sammelte in seiner Karriere zahlreiche mächte des Ersten Weltkriegs und wurde Ehrentitel. Der wichtigste davon: „Vater des prompt verhaftet. In den vier Folgejahren Förderbergs“. Ohne den weltweit einzigarti- leitete er den Betrieb aus der Ferne – per Tele- gen Schrägschacht hätte Prosper II wohl nicht Spatenstich fon und Boten. so lange existiert. Schacht 10: Ab 1930 kamen besonders schwere Zeiten: Die Schilde, die heute noch auf dem Bergwerksdirektor damaligen Bundesrepublik mit einer Part- die Weltwirtschaftskrise mit der Schließung Gelände von Prosper II zu sehen sind, holte Hanns Ketteler nerstadt in Ungarn. der Musterzeche Arenberg-Fortsetzung, die Ketteler ebenfalls nach Bottrop – aus Ungarn. (rechts) mit Ernst Seine letzte Schicht verfuhr Ketteler am Machtübernahme der Nationalsozialisten Zur damaligen Zeit eine unerhörte Idee, Wilczok, Oberbürger- 22. Dezember 1992. Tief unter Kirchhellen und der Zweite Weltkrieg. Im Jahr 1944 wur- immerhin gehörte das Land zum Warschauer meister von Bottrop, verabschiedete er sich von „seinen“ Jungs. Die den Prosper II und die Kokerei von Flieger- Pakt. Doch Ketteler kümmerte das nicht. Ab im Dezember 1976. stellte er auch am Nachmittag, als ihm im bomben getroffen, im Februar 1945 starb Ende der 1970er Jahre pflegten er und sein Bottroper Saalbau ein großer Bahnhof beschert Reckmanns Ehefrau Alice in den Trümmern Kollege in der ungarischen Bergbaustadt wurde, in den Mittelpunkt: „Ich habe auf der Prosper-Hauptverwaltung. Erst 1953 Veszprém Ferenc Pera zunächst fachmänni- Prosper-Haniel stets eine tolle Mannschaft erfuhr Reckmann, dass sein Sohn acht Jahre sche und dann freundschaftliche Beziehungen. gehabt.“ Nach seiner Pensionierung ging Ket- zuvor gefallen war. Die Zerstörung der Bei einer Geburtstagsfeier entstand die teler auf Bitten der Treuhand in die neuen Bun- Betriebe, der Verlust von Ehefrau, Sohn, Haus Idee, eine Städtepartnerschaft aufzubauen. desländer. Als er am 3. April 2009 starb, setzten und Habe – ein hartes Kriegsschicksal. 1986, als unter Prosper II der Schrägschacht ihm „seine“ Kumpel ein letztes Denkmal. Das Nach dem Zweiten Weltkrieg betrieb Reck- in Betrieb ging, bekam der Plan auch öffent- Grab des ehemaligen Bergwerksdirektors auf mann als Generaldirektor den Wiederaufbau liche Unterstützung. So wurde Bottrop am dem Parkfriedhof ist leicht zu finden: einfach von Rheinstahl. Für seine Lebensleistung und 15. Oktober 1987 die erste Großstadt der immer der großen Grubenlampe nach.
P r o s p e r - H a n i e l Steinkohle Nachbarschaft 13 Nachhaltige Lösung: Im Rahmen des Boye- Konzepts sorgte das Bergwerk für den Ausbau des Gewässers zur Regulierung der Vorflut. FOTOS: HELMUT EISERMANN, RAG-ARCHIV Vielfältiger Einsatz: Markscheider Joachim Bock (3. von rechts) übergab Schulleiter Peter Pawliczek (4. von rechts) nach Bereicherung für die Region: Der Biber fand erfolgreichem Abschluss der Hebungs- und Sanierungsarbeiten symbolisch den Schlüssel für die wiedereröffnete Gregorschule. im Schwarzbachtal ein neues Zuhause. Engagement für die Region Ob Kompensationsflächen oder die Hebung einer Schule: Prosper-Haniel übernahm stets Verantwortung. D as Bergwerk Prosper-Haniel war sich der Tierwelt ein neues Zuhause. Neben Den Wiesentalbach verlegten die Projektver- seiner besonderen Verantwortung für Brutvögeln wurde auch der Biber in der antwortlichen in Richtung Boye. Darüber die Region stets bewusst. Mit viel Kirchheller Heide heimisch. Zudem sind sie hinaus enthielt das Konzept den Bau eines Engagement kümmerte es sich um die Anlaufpunkte für Naturinteressierte. Grund- und Regenwasserkanals in Grafen- Belange der Nachbarschaft und um Projekte, Das sogenannte Boye-Konzept bündelte wald. die die umliegende Natur oder die Stadt die gewässerbaulichen Aktivitäten des Berg- Bottrop betrafen. Die Verbundenheit zwi- werks rund um den zweitgrößten Nebenfluss Schieflage ausgeglichen schen dem Bergbau und der Region wuchs der Emscher. Die Boye verläuft nördlich von Ein weiteres großes Nachbarschaftsprojekt mit den Jahren immer mehr. Dazu trug auch Grafenwald im Bereich Holthausen. Zu betraf die Gregorschule in Bottrop. Weil die die offene Kommunikation des Bergwerks Beginn der 2000er Jahre störten zunehmende Schule aufgrund bergbaulicher Aktivitäten bei, die Bürgerinnen und Bürger umfassend Bergsenkungen in dieser Region die Vorflut »Seit Gene- innerhalb von 50 Jahren in eine Schieflage über geplante Vorhaben informierte oder in Planungsprozesse einbezog. der Fließgewässer. Um dem entgegenzuwir- ken, erfolgte von 2006 bis 2010 der Ausbau rationen geraten war, ließ die RAG das alte Schul- gebäude mit angrenzendem Torbogen und Verantwortung übernahm das Bergwerk der Boye. Das Ziel: die Regulierung und der wuchsen der Hausmeistergebäude um bis zu 90 Zenti- zum Beispiel bei der Bearbeitung der Berg- Erhalt der Vorflut. Bergbau und meter heben und ausrichten. 120 Hydraulik- baufolgen. Die Steinkohlenförderung wirkte stempel mussten dafür ein Gesamtgewicht sich zum Teil erheblich auf die Tagesoberflä- Ganzheitliche Lösungen finden die Region von rund 3300 Tonnen stemmen. Zudem che in Bottrop aus. In der Kirchheller Heide Hierzu vertiefte die Emschergenossenschaft zusammen.« erfolgte die Sanierung des Untergeschosses etwa verloren die Flachlandbäche Schwarz- die Boye um mehrere Meter, in enger Zusam- Jürgen Kroker, samt Außenanlagen der Gregorschule. Nach bach und Elsbach mit zunehmendem Abbau menarbeit mit der Stadt Bottrop und dem Werksleiter insgesamt zwölf Monaten schloss die RAG ihre Vorflut. In der Folge bildeten sich Sen- Bergwerk Prosper-Haniel. Zusätzlich legten die umfangreichen Arbeiten erfolgreich und kungsseen, die sich bis heute sukzessiv ver- die Partner neue Straßendurchlässe sowie termingerecht ab, so dass 174 Schüler pünkt- größern. Den einhergehenden Verlust an drei Retentionsräume an, die die Hochwasser- lich von den Übergangspavillons zurück Bach- und Waldfläche musste das Bergwerk sicherheit gewährleisten sollten. Zu dem in ihre alte Umgebung ziehen konnten. ausgleichen, häufig im Verhältnis eins zu drei. ganzheitlichen Boye-Konzept gehörte die „Hierbei handelt es sich um ein Leuchtturm- So entstanden hochwertige Kompensations- Betrachtung des Wiesentalbachs und des projekt, das in dieser Form seinesgleichen flächen am Gartroper Mühlenbach und am Töfflinger Bachs. Im Rahmen des Konzepts sucht. Wir freuen uns, dass wir den Zeitplan Oberlauf des Schwarzen Bachs. Die neuen wurde der Töfflinger Bach neu angelegt, um in enger Abstimmung mit allen Beteiligten Senkungsseen erwiesen sich zudem schnell die Waldbereiche zu entwässern und damit einhalten konnten“, so der RAG-Markschei- als Bereicherung für die Region. Sie bieten der drohenden Versumpfung vorzubeugen. der Joachim Bock.
14 S tr ukt urwandel Steinkohle P r o s p e r - H a n i e l Weist den Weg in die Zukunft: Bernd Tischler. FOTOS: KAI SÜSELBECK Oberbürgermeister Tischler: Bottrop und der Bergbau sind eine Erfolgsgeschichte Ohne die Schachtanlagen würde Bottrop 2019 nicht 100 Jahre Großstadt feiern. Entwicklung geht weiter. W enn Bottrops Oberbürgermeister „Bottrop ist eine Erfolgsgeschichte im Ruhr- Vorrang bekommen. Seine Vision vom Ge- Bernd Tischler nach seiner Gefühls- gebiet – vor allem durch den Bergbau.“ werbegebiet der Zukunft: „Gewerbegebiete lage vor dem Ende des Bergbaus Diese Erfolgsgeschichte soll mit dem Ende sehen noch überall gleich aus. Ich hoffe, dass befragt wird, enthält seine Antwort immer des Bergbaus nicht vorbei sein, denn die Werte wir auf ehemaligen Bergbauflächen Gebiete zwei Begriffe: Stolz und Zuversicht. Stolz ist der Bergleute will Tischler in die Zukunft tra- mit optimaler Infrastruktur und heraus- er auf die Erfolgsgeschichte der Stadt, die vor gen: „Optimismus, Solidarität und Toleranz, ragender Architektur entwickeln können.“ allem auch eine des Bergbaus war, und auf die wie sie unter Tage gelebt werden, versuchen Ähnliches gilt bei der Entwicklung neuer Werte der Bergleute. Zuversichtlich stimmt wir weiterzuentwickeln. Auch deshalb fühle Wohngebiete wie demnächst in Welheim: ihn der bereits angestoßene Strukturwandel. ich mich gut gerüstet für die Zukunft.“ Die »Unsere „Auch hier würde ich mir eine gewisse Archi- Aber natürlich sagt er auch: „Nirgendwo sinkende Arbeitslosigkeit bewertet er ebenfalls tekturqualität wünschen. Die moderne Sied- anders im Land fallen so viele Arbeitsplätze als „Erfolg des Wandels in dieser Stadt“. Projekte lung muss mithalten können mit der Qualität weg wie jetzt bei uns.“ Der Wandel wird weitergehen, wenn auch müssen des alten Siedlungsbestands.“ nicht so schnell wie erhofft. Tischler: „Es wird Dieses Jahr will Bottrop würdig den Bergbau verabschieden, nächstes Jahr feiert eine Durststrecke geben. Die großen Berg- Strahlkraft Auch die InnovationCity war am Anfang eine Vision. Neben den messbaren Erfolgen Bottrop das 100-jährige Jubiläum als Groß- bauflächen stehen erst Anfang der 20er Jahre entwickeln.« bei der CO2-Reduktion liefert sie eine Blau- stadt. Bottrop wäre 1919 nicht Großstadt zur Verfügung.“ Tischler will die Zeit unter Bernd Tischler, pause für die künftige Zusammenarbeit zwi- geworden ohne den Bergbauboom, der einge- anderem dazu nutzen, Visionen zu entwi- Oberbürgermeister schen Wirtschaft, Verwaltung und Bürgern: setzt hatte mit der Förderung an den Schacht- ckeln zu den Themen Verkehr, Gewerbe, „Die InnovationCity hat eine neue Lernkultur anlagen Prosper I (ab 1863), II (1871) und Wohnen und Stadtentwicklung: „Unsere Pro- in der Verwaltung etabliert: Wirtschaft und III (ab 1907). Von 1870 bis 1890 hatte sich jekte müssen Strahlkraft entwickeln und sich öffentliche Hand arbeiten zusammen unter Bottrops Bevölkerung mehr als verdoppelt im Bewusstsein der Menschen setzen.“ Beteiligung der Bürger. Und zudem haben wir (von 5328 auf 12.549), in den nächsten 20 Jah- Die Vision zum Thema Verkehr entwickeln durch die Zusammenarbeit der Ämter einen ren sogar fast verdreifacht (47.131 Einwoh- die Planer beim Projekt „Freiheit Emscher“: viel besseren Zugang zu Fördertöpfen.“ Das ner). 1915 lebten und arbeiteten bereits 71.299 Das ist die Umwelttrasse, auf der Busse, wird wichtig werden, wenn die „Freiheit Menschen in Bottrop. Deshalb sagt Tischler: Räder, Fußgänger und Elektrofahrzeuge Emscher“ Wirklichkeit werden soll.
P r o s p e r - H a n i e l Steinkohle Stru ktu rwan de l 1 5 Neue Wege durch den Industrie-Dschungel RAG Montan Immobilien entwickelt gemeinsam mit Bottrop und Essen Pläne für die „Freiheit Emscher”. D̃ as größte Stück Strukturwandel im Ruhrgebiet liegt im Bottroper Süden und im Essener Norden. „Freiheit Emscher“ haben die Planer das 1700 Hektar große Areal getau°. RAG Montan Immobi- lien arbeitet, gefördert vom Land und gemein- sam mit den Städten Essen und Bottrop sowie drei renommierten Planungsbüros, an einem Masterplan für das gigantische Areal. Ende des Jahres soll er fertig sein. Eine Schlüssel- rolle darin spielen rund 150 Hektar Bergbau- ˛ ächen in beiden Städten, die die RAG-Toch- ter in den nächsten Jahren vermarkten will. Schon jetzt ist klar: Was an der „Freiheit Emscher“ am meisten fehlt, sind Straßen. FOTO: HANS BLOSSEY Ob in Ost-West-Richtung auf der A 42 oder in Nord-Süd-Richtung auf der Bottro- per Straße oder der B 224: Stau ist die häu- ÿgste Verkehrslage zwischen beiden Städten. Der Landesbetrieb Straßen NRW wird ab Große Pläne: 2022 die A 42 zwischen Bottrop-Süd und Zwischen Essen und dem Kreuz Essen-Nord sechsspurig aus- Gewerbe˛ ächen helfen bei der Ansiedlung und Stadtgrenze. Die Umwelttrasse macht Bottrop soll auf einem bauen. Dabei soll nach dem Willen der Pla- von neuen Unternehmen und der Anbin- einen Schwenk nach Westen, um die Ge- ehemaligen Bergbau- ner in Bottrop und Essen auch der neue dung von bereits angesiedelten; Wohnen am werbegebiete Knippenburg und Kruppwald areal die „Freiheit Autobahnanschluss Lichtenhorst entstehen. Wasser wäre auch schön. Aber: „Der Verkehr anzubinden, und führt auf der Knap- Emscher” entstehen. In Nord-Süd-Richtung sind zwei neue ist der dickste Knackpunkt“, sagt Dickmann. penstraße nach Norden. Dort liegt der Ver- Verkehrsachsen geplant. „Kurze Verbindun- Ein „Gewerbe-Boulevard“ mit eigener kehrsknoten, der den Planern am meisten gen helfen uns, Ausweichverkehre zu ver- Lkw-Spur und eine Umwelttrasse mit Vor- Kopfzerbrechen macht: Ausgerechnet die meiden“, sagt Ursula Dickmann, Abteilungs- fahrt für Busse, Elektrofahrzeuge und Räder Einmündung Knappen-/Prosperstraße mit leiterin im Bottroper Stadtplanungsamt. sollen in den nächsten Jahren als Nord-Süd- der zu niedrigen Bahnbrücke soll kün° ig In der dritten Konkretisierungsphase Trassen entstehen. Beide kommen sich sehr eine leistungsfähige Verknüpfung zwischen der Pläne schält sich immer deutlicher he- nahe an der Emscher-Kläranlage in der verschiedenen Verkehrsmitteln werden. raus: Mehr ö˙ entliches Grün an Kanal und Welheimer Mark. Dort zweigt die Gewerbe- „Eine sportliche Herausforderung“, ÿndet Emscher ist wichtig; neu zugeschnittene trasse nach Osten ab, Richtung Kommende die Bottroper Planerin. Stadt und Unternehmen schreiben einen Zukunftsplan Das Projekt „Bottrop 2018+” soll Antwort geben auf die Frage: Wie geht es weiter nach dem Bergbau? W̃ enn der Bergbau geht, verschwin- stellt, freut sich angesichts boomender Kon- Zukun°s plan aus: Digitalisierung und Aus- den mit ihm rund 3000 Arbeits- junktur über prallvolle Au° ragsbücher. bildung. Neue Techniken wie Ersatzteile aus plätze. Das öffentlich geförderte Unternehmen und Wirtscha°sf örderung dem 3-D-Drucker sieht sie vor allem auf das und wissenschaftlich begleitete Projekt haben sich bereits zusammengetan zur Handwerk zukommen. Hier könnten Real- „Bottrop 2018+“ soll den Strukturwandel „Wirtschaftsallianz Bottrop“. Das Institut labore etwa in Zusammenarbeit mit der mitgestalten und besonders mittelständische Arbeit und Technik sowie das Institut Fak- Hochschule helfen, Schwellenängste abzu- Unternehmen auf die Herausforderungen tor˜10, die das Projekt „Bottrop 2018+“ »Lust auf bauen und Neues auszuprobieren. „Wir der Zukun° v orbereiten. begleiten, haben Stärken und Schwächen Wandel und versuchen, Lust zu machen auf Wandel und Der Verlust des größten Arbeitgebers dieser Allianz analysiert. Wißmann: „Dabei Veränderung.« Veränderung.“ wiegt schwer. Doch Sabine Wißmann, Leite- kam vor allem aus den Unternehmen der Bei der Nachwuchswerbung ö˙ net sich rin des Amtes für Wirtscha°sf örderung und Wunsch nach einem Zukun°s plan.“ Sabine Wißmann, die Schere zwischen wachsender Nachfrage Standortmanagement, sieht die Stadt gut Als gutes Beispiel bezeichnet die oberste Leiterin Amt für aus den Unternehmen und weniger geeigne- aufgestellt, um ihn abzufangen. Die Arbeits- Wirtschaftsförderin den Masterplan, den Wirtschaftsförderung ten Bewerbern um Lehrstellen immer weiter. losenquote lag mit 6,6 Prozent im August sich die InnovationCity gegeben hat. Auch Wißmann: „Das ist eine Herausforderung, nicht nur weit unter dem Ruhrgebietsdurch- der Prozess der Zusammenarbeit könne ein der sich das Handwerk mit Hilfe der Wirt- schnitt von 9,5 Prozent, sondern auch unter Vorbild für das Standortmanagement der scha°s allianz stellen muss. Die Wirtscha°s - dem Landesschnitt von 6,8 Prozent. Und der Zukun° sein. Für die nächsten Jahre macht förderung macht hier schon viele Angebote Mittelstand, in Bottrop ohnehin stark aufge- Wißmann zwei zentrale ˆ emen für einen wie die Ausbildungsbörse.“
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