Österreichische Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe
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Österreichische Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe Die Österreichische Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe (ÖFSE) ist die Zentralstelle in Österreich für Dokumentation und Information zu Fragen der Entwicklungsländer, der Entwicklungshilfe und der Entwicklungspolitik. Sie steht allen an diesem Fragenkreis interessierten oder damit befassten Personen, Gruppen, Institutionen und Firmen zur Verfügung. Service-Leistungen der ÖFSE: • Lesesaal mit Präsenzbibliothek, geöffnet Mo–Do 10–17 Uhr, Freitags geschlossen • 57 000 Bände (dv. ca. 44 000 Monografien und 13.000 Zeitschriftenbände) • Nachschlagewerke im Handapparat (Länder- berichte, Internationale Statistiken, …) • Ca. 140 laufend geführte Zeitschriften • Tageszeitungen aus dem In- und Ausland • ÖFSE-Datenbanken (Projekt-, Institutionen-, Webangebote- und Literaturdatenbank) unter www.eza.at/search.html • Weltbank-Informationskiosk inkl. Online-Zugang zu WDI- und GDF-Datenbank • ÖFSE-Publikationen • Persönliche Beratung, Anfragebeantwortung • Kopiermöglichkeit (Bibliothek) A -1090 Wien, Berggasse 7 Telefon: (+43 1) 317 40 10, Fax: (+43 1) 317 40 15 e-mail: office@oefse.at Internet: http://www.oefse.at http://www.eza.at
Berichte • Analysen • Informationen Armutsbekämpfung – zur Umsetzung der Millennium Development Goals Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit Ausgabe: 2003
Berichte • Analysen • Informationen Armutsbekämpfung – zur Umsetzung der Millennium Development Goals Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit
Aktuelle Informationen über die Österreichische Ent- wicklungszusammenarbeit bietet die ÖFSE auf der Homepage: http://www.eza.at Sie finden dort auch den Letzt- stand aller Tabellen und Zahlen dieser Broschüre. Gefördert von Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme: Österreichische Entwicklungspolitik : Berichte, Analysen, Informationen. Hrsg. Österreichische Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe - ÖFSE - 1. Aufl. - Wien : Südwind-Verl., 2003 ISBN 3-900592-85-3 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Übersetzung, Vervielfältigung und Ver- breitung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftli- che Genehmigung der ÖFSE reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Impressum: Medieninhaber und Hersteller: © Österreichische Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe (ÖFSE) A-1090 Wien, Berggasse 7 Telefon: (+43 1) 317 40 10, Fax: (+43 1) 317 40 15 e-mail: office@oefse.at Internet: http://www.oefse.at, http://www.eza.at Für den Inhalt verantwortlich: Atiye Zauner, Michael Obrovsky Redaktion: Atiye Zauner, Karin Küblböck, Ingrid Pumpler Cover- und Innengestaltung: GriederGraphik.net Coverfoto: HORIZONT3000 Druck: Facultas, Wien, 2003 ISBN 3-900592-85-3 Verkaufspreis: 1 10,–
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 INHALT Vorwort ................................................................................................... 5 THEMENSCHWERPUNKT ARMUTSBEKÄMPFUNG – ZUR UMSETZUNG DER MILLENNIUM DEVELOPMENT GOALS: Karin Küblböck: Armutsbekämpfung – zur Umsetzung der Millennium Development Goals ............................ 7 Christine Enzi: Armutsbekämpfungsprogramme auf dem Prüfstand ................................................... 15 Gerhard Bittner: Armut und Spenden ...................................................................................... 25 Michael Obrovsky: ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSFINANZIERUNG Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Zur Anrechenbarkeit der Entschuldungsmaßnahmen in der DAC-Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Finanzielle Gesamtleistungen Österreichs an Entwicklungsländer und Multilaterale Stellen sowie an die CEECs/NIS und Länder in einem Übergangsstadium .............. 33 Tabelle 1 Finanzielle Gesamtleistungen Österreichs an Entwicklungsländer und multilaterale Stellen 2001 und 2002 in Mio 1 und in % ................................... 33 Tabelle 2 Finanzielle Gesamtleistungen Österreichs an CEECs/NIS und Länder in einem Übergangsstadium 2001 und 2002 in Mio 1 und in % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit ........................................................ 35 Tabelle 3 Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) 2001 und 2002 in Mio 1 ..................... 35 Grafik 1 Hauptbestandteile der ODA 2001 in Mio 1 und in % .......................................... 36 Grafik 2 Hauptbestandteile der ODA 2002 in Mio 1 und in % .......................................... 37 Tabelle 4 ODA nach Verwendungszweck 2001 und 2002 in Mio 1 und in % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Tabelle 5 Finanzierungsquellen der ODA in Mio 1 und in % ............................................. 39 Tabelle 6 Entwicklung der Mittel für Programm- und Projekthilfe, Auszahlungen 2000 bis 2002 in Mio 1 ........................................................ 40 Tabelle 7 Programm- und Projekthilfe für Schwerpunkt- und Kooperationsländer nach Schlüsselregionen, 2000 bis 2002 in Mio 1 und in % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Tabelle 8 Durchführungsstruktur der Programm- und Projekthilfe, Auszahlungen 2000 bis 2002 in Mio 1 und in % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Tabelle 9 ODA-Kredite, Übersicht der Nettoflüsse 2001 und 2002 in Mio 1 .............................. 43 Tabelle 10 Die Empfängerländer der bilateralen EZA Österreichs im Jahr 2001 in Mio 1 und in % der bilateralen EZA .................................................................. 44 Tabelle 11 Die Empfängerländer der bilateralen EZA Österreichs im Jahr 2002 in Mio 1 und in % der bilateralen EZA .................................................................. 45 Tabelle 12 Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit 2000 bis 2002 in Mio 1 ........................... 46 3
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 Inhalt II. Sonstige öffentliche Leistungen (Other Official Flows) .............................................. 48 Tabelle 13 Exportkredite (OOF) Nettobeträge 2001 und 2002 in Mio 1 ................................... 48 III. Private Leistungen zu marktüblichen Bedingungen ................................................. 49 Tabelle 14 Private Leistungen zu marktüblichen Bedingungen, Nettobeträge, 2000 bis 2002 in Mio 1 ........................................................ 49 IV. Zuschüsse privater Hilfsorganisationen .............................................................. 50 Tabelle 15 Zuschüsse privater Organisationen 2000 bis 2002 in Mio 1 .................................... 50 Tabelle 16 Die größten privaten Geber 2000 bis 2002 in Mio 1 ........................................... 51 Tabelle 17 Die Zuschüsse der NROs 2000 bis 2002 aufgeteilt nach Regionen in Mio 1 ..................... 51 Tabelle 18 Die Empfängerländer der privaten Zuschüsse (Top 20) 2000 bis 2002 in Mio 1 ................. 52 Michael Obrovsky/Jasmin Wendlik: Die öffentliche Österreichische Osthilfe 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Tabelle 19 Die öffentliche Ostförderung und der ODA-Anteil, Auszahlungen 2000 bis 2002 in Mio 1 ........................................................ 53 Tabelle 20 Empfängerländer der Ostförderleistungen Österreichs, Auszahlungen 2001 und 2002 in Mio 1 ....................................................... 54 Tabelle 21 Die bilaterale öffentliche Osthilfe 2002 nach Sektoren, Auszahlungen in Mio 1 ....................................................................... 55 Tabelle 22 Die Geber der öffentlichen Ostförderleistungen, Auszahlungen 2001 und 2002 in Mio 1 und in % ............................................. 56 Tabelle 23 Die Ostzusammenarbeit des BMA VII.2e nach Ländern, Auszahlungen 2001 und 2002 in Mio 1 ....................................................... 57 Tabelle 24 Die Ostförderung Österreichs im Internationalen Vergleich, Auszahlungen 2000 in Mio US $ .............................................................. 58 Tabelle 25 Die Ostförderung Österreichs im Internationalen Vergleich, Auszahlungen 2001 in Mio US $ .............................................................. 59 Anhang Millennium Development Goals ............................................................................ 60 DAC-Liste der Empfängerländer – geordnet nach Entwicklungsstand, gültig für Leistungen ab 1. 1. 2001 ............................................................ 62 DAC-Liste der Empfängerländer – geordnet nach Entwicklungsstand, gültig für Leistungen ab 1. 1. 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Weiterführende Links zum Thema „Armutsbekämpfung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Ergänzende Literatur zum Thema „Armut / Armutsbekämpfung“ (ÖFSE-Bibliothek) .......................... 65 KOO-Mitgliederliste 2002 .................................................................................. 69 Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................... 70 4
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 VORWORT Armutsbekämpfung ist im neuen Jahrtausend das primäre Ziel der internationalen Entwicklungsstrate- gien der bilateralen und multilateralen Geber. Mit der Formulierung der Millennium Development Goals hat sich die Internationale Gemeinschaft ehrgeizige, aber erreichbare Ziele gesetzt. Die Verabschiedung dieser Ziele bildet den gemeinsamen Neustart eines Denk- und Diskussionsprozesses, der in einer globalisierten Welt Entwicklung wieder weiter vorne auf die internationale Agenda rücken möchte. Dieser gemeinsam beschlossene Aufbruch wurde von den Ereignissen des 11. September 2001 stark zurückgeworfen. Nicht die Armutsminderung in den Entwicklungsländern sondern die Terrorbe- kämpfung geriet in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Dadurch rückte die Entwicklungsfinan- zierung auf der internationalen Prioritätenliste noch weiter zurück. Die internationale Konferenz Financing for Development in Monterrey im Jahr 2002 hat gezeigt, dass kaum ausreichend neue Finanzmittel von der internationalen Gebergemeinschaft zu erwarten sind. Vor diesem Hintergrund ist die Bereitschaft der EU, bis zum Jahr 2006 0,36 % des BNE als durchschnittliche ODA der EU-Mitgliedsländer zur Verfügung stellen zu wollen, bereits als Erfolg anzusehen. Wenn nicht verstärkte Anstrengungen unternommen werden, erscheint die Erreichung der Millennium Development Goals bis zum Jahr 2015 immer unwahrscheinlicher. Die Gefahr ist groß, dass die Legiti- mationskrise der Entwicklungspolitik bei einem Misserfolg noch verschärft wird. Die Wissenschaft im Bereich der internationalen Beziehungen und der internationalen Entwicklungspo- litik steht vor diesem Hintergrund vor besonderen Herausforderungen: Sie muss die Politik und ihre Zu- sagen auf ihre tatsächliche Umsetzung hin beobachten und die hinter den Ankündigungen der Politik stehenden Absichten kritisch hinterfragen. Sie muss der Gesellschaft Daten und Fakten sowie Orientie- rungshilfen zur Verfügung stellen, damit das politischen Handeln der Regierenden und Verwaltenden transparent wird. Die ÖFSE stellt mit der vorliegenden Publikation Grundlagen der internationalen und österreichischen Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung. Schwerpunkte der diesjährigen Ausgabe sind die Fort- schritte im Bereich der Millennium Development Goals sowie Strategien zur Armutsbekämpfung. Damit soll die Einbettung der österreichischen EZA in die internationale Diskussion über Armutsbekämpfung er- möglicht werden. Weiters werden die statistischen Grundlagen der gesamten Finanzflüsse Österreichs dargestellt. Sie bieten einen über die DAC-Statistik hinausgehenden Überblick über die finanziellen Leis- tungen Österreichs und zeigen deutlich, wo quantitative und qualitative Verbesserungen erforderlich sind. Professor Franz Nuscheler ÖFSE-Kuratoriumsmitglied 5
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 Karin Küblböck, ÖFSE ARMUTSBEKÄMPFUNG – ZUR UMSETZUNG DER MILLENNIUM DEVELOPMENT GOALS Einleitung rungsführung („good governance“) wird Vorausset- zung für Mittelvergabe, Länder sollen die jeweiligen Der Begriff Armutsbekämpfung ist seit den 1990er Jah- Entwicklungsstrategien nun auch selbst mittragen ren ins Zentrum der entwicklungspolitischen Debatte („ownership“) und in den „Fahrersitz“ ihrer Entwick- gerückt. Praktisch alle multilateralen sowie bilateralen lung gesetzt werden. Auffällig ist, dass in dieser Debat- Geber haben sich diesem Ziel verschrieben. Dies kann te internationale Rahmenbedingungen für Entwicklung als Eingeständnis gesehen werden, dass vier Jahrzehn- zumeist ausgeblendet werden. te Entwicklungspolitik keine nachholende Entwicklung Seit den 1980er Jahren wird fast weltweit eine Politik gebracht haben. Ganz im Gegenteil – die Schere zwi- implementiert, die vereinfacht als Neoliberalismus be- schen den Industrieländern und Entwicklungsländern zeichnet werden kann. Das Ziel Armutsbekämpfung bzgl. Wirtschaftsleistung, Handel und Pro-Kopf-Ein- scheint mit dieser Politik durchaus kompatibel zu sein. kommen driftet weiter auseinander. Grundlegende Eckpfeiler des viel kritisierten Washing- Der Artikel benennt Gründe für den Paradigmenwech- toner Konsensus finden sich – mit etwas anderer Beto- sel, untersucht die Millenniumsziele und die Perspekti- nung sowie ev. zeitlich oder sozial abgefedert – auch ven für ihre Realisierung und beleuchtet beispielhaft heute in den Armutsbekämpfungsstrategien wieder. verschiedene Strategien zur Umsetzung dieser Ziele. Die Internationalen Entwicklungsziele Gründe für den Paradigmenwechsel Die 1990er Jahre sahen eine Reihe von großen Konfe- Die Entwicklungspolitik steht unter großem Legitima- renzen, in denen das Ziel Armutsbekämpfung im Zen- tionsdruck. Nach vier Jahrzehnten haben sich die trum stand. Am Weltsozialgipfel in Kopenhagen 1995 „Weltprobleme, zu deren Entschärfung oder gar Lö- verpflichteten sich die Teilnehmerstaaten dazu, das sung sie beitragen soll, verschärft“ (Nuscheler 2003,1). „Ziel der Beseitigung von Armut in der Welt durch ent- Entwicklungspolitik, ein „Kind des Kalten Krieges“ schiedenes nationales Handeln und internationale Zu- (ebenda) diente ursprünglich dazu, den Ländern des sammenarbeit zu verfolgen“. Das Folgejahr 1996 wur- Südens Wohlstand und Entwicklung innerhalb des ka- de von den Vereinten Nationen als Jahr zur Beseitigung pitalistischen Systems in Aussicht zu stellen (Fischer der Armut ausgerufen. 2002). Nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes Im gleichen Jahr präzisierte der Entwicklungshilfe-Aus- mussten neue Grundlagen gefunden werden. schuss der OECD die Absichtserklärung des Weltsozial- Die letzten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts wa- gipfels in einem Dokument mit dem Titel „Shaping the ren im Süden geprägt von den Strukturanpassungspro- 21st Century“. Als oberstes Ziel wird hier erstmals die grammen der Internationalen Finanzinstitutionen IWF Halbierung der Zahl der absolut Armen bis zum Jahr und Weltbank. Mehr als zweifelhafte Erfolge und stei- 2015 genannt. Die Teilziele beinhalten u. a. universelle gende Kritik von zivilgesellschaftlichen Organisationen Grundbildung und Reduktion der Kindersterblichkeit erhöhten den Druck in Richtung Änderung dieser Poli- um 2⁄3 bis zum Jahr 2015 (OECD/DAC 1996). tik. Dass Wirtschaftswachstum für eine wirksame Ar- Auf dem Millenniumsgipfel im September 2000 in New mutsbekämpfung nicht ausreicht, sondern viele ver- York haben die Mitgliedsstaaten der Vereinten Natio- schiedene Rahmenbedingungen notwendig sind, ist nen Armutsbeseitigung, Friedenserhaltung und Um- die Erkenntnis, die wichtige entwicklungspolitische Ak- weltschutz als die vordringlichsten Aufgaben der inter- teure, allen voran die Weltbank aus den 1980er und nationalen Gemeinschaft in diesem Jahrhundert identi- 1990er Jahren gezogen haben. fiziert. In das Schlussdokument dieses Gipfels wurden Neue Konzepte, die die Eigenverantwortung der Län- die Ziele von „Shaping the 21st Century“ aufgenom- der betonten, stehen nun im Mittelpunkt. Gute Regie- men und erweitert. 7
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 Armutsbekämpfung – zur Umsetzung der Millennium Development Goals Die so genannte Millenniumserklärung umfasst insge- guten Leben zu verwirklichen (Sen 2001; Schenk o. J.). samt acht Kapitel, u. a. „Frieden, Sicherheit und Abrüs- In der Theorie-Diskussion gibt es neben jener von Amar- tung“, „Schutz unserer gemeinsamen Umwelt“ sowie tya Sen viele weitere Definitionen von Armut. Für die „Menschenrechte, Demokratie und gute Lenkung“ Messung von Armut wurde lange Zeit ausschließlich (UN 2000, 4). Die Entwicklungsziele1 (Millennium De- Einkommen und Konsum herangezogen. Durch die velopment Goals – MDGs) sind Teil des Kapitels „Ent- verstärkten wissenschaftlichen Debatten über Armut wicklung und Armutsbeseitigung“. In diesem Kapitel kam es zu einer Ausweitung des Definitionsrahmens – erklärt sich die internationale Gemeinschaft dazu ent- nicht nur monetäre und materielle Aspekte werden be- schlossen, Armut zu bekämpfen, indem sie „auf natio- trachtet, sondern auch immaterielle Aspekte – sowie naler sowie auf internationaler Ebene ein Umfeld schaf- zur Entwicklung weiterer Indikatoren. fen, das der Entwicklung und der Beseitigung der Ar- In der entwicklungspolitischen Praxis haben sich zwei mut förderlich ist“. „Wir werden keine Mühen scheu- Konzepte durchgesetzt – der Ressourcenansatz, der en, um unsere Mitmenschen aus den (…) Bedingungen v. a. von der Weltbank angewandt wird, sowie der Le- der extremen Armut zu befreien.“ (UN 2000, 11). benslagenansatz, den insbesondere UNDP verwendet. Das übergeordnete Ziel der MDGs ist wie schon in In einem GTZ-Dokument wird eine Zuordnung ver- „Shaping the 21st Century“ die Halbierung der Anzahl schiedener Dimensionen von Armut zu diesen beiden der in absoluter Armut lebenden Menschen weltweit Konzepten versucht (GTZ 1998): bis zum Jahr 2015. Weiters verpflichten sich die Mit- gliedsstaaten zu einer Halbierung der Anzahl der Men- Ressourcenansatz Lebenslagenansatz schen, die Hunger leiden sowie jener, die keinen Zu- Absolute Armut Relative Armut gang zu hygienischem Trinkwasser haben. Die weite- Materielle Armut Immaterielle Armut ren Ziele betreffen den Zugang zur Primärschulbildung Objektive Armut Subjektive Armut für alle Kinder, die Reduzierung der Mütter- und Kin- Permanente Armut Temporäre Armut dersterblichkeit (um 3⁄4 bzw. um 2⁄3), die Bekämpfung von HIV/AIDS und anderen schweren Krankheiten, Als absolut arm gilt, wer nicht über die Ressourcen zur Gleichstellung der Geschlechter, u. a. Deckung eines definierten Existenzminimums verfügt, Die Millennium Deklaration enthält auch, als achtes um elementare Grundbedürfnisse zu befriedigen und „Ziel“, Verpflichtungen der entwickelten Länder. Diese ein menschenwürdiges Leben zu führen. beinhalten u. a. höhere und effektivere Entwicklungszu- Bei der relativen Armut wird der Lebensstandard der sammenarbeit, neue Ansätze des Schuldenerlasses, Ver- verschiedenen Bevölkerungsgruppen in einem Land größerung des Marktzuganges, verbesserten Zugang zu verglichen. Relative Armut drückt daher in erster Linie Technologien. Der UNDP-Bericht zur Menschlichen Ent- soziale Ungleichheiten innerhalb einer Gesellschaft wicklung (Human Development Report – HDR) merkt kri- aus. In den meisten Ländern gilt als arm, wer über we- tisch an, dass diese Commitments keine zeitlichen oder niger als 50 Prozent des durchschnittlichen Nettoein- quantitativen Zielvorgaben enthalten (UNDP 2003). kommens verfügt. Materielle Armut bedeutet einen Mangel an Gü- Definitionen von Armut tern, die zum physischen Überleben erforderlich sind. Hier geht es v. a. um Essen, Kleidung, Wohnung, sau- Armut bedeutet einen Mangel an Möglichkeiten, um in beres Trinkwasser. den zentralen gesellschaftlichen Bereichen zumindest in einem Mindestausmaß teilhaben zu können. Armut Immaterielle Armut bezieht soziale, ethnische, religi- ist daher mehr als der Mangel an Gütern. Wer als arm öse, kulturelle und politische Aspekte ein, ohne die ein gilt, ist vom gesellschaftlichen Umfeld abhängig. Der menschenwürdiges Leben nicht möglich ist. Hier geht Wirtschaftsnobelpreisträger und einflussreiche Armuts- es um Teilhabe am politischen wie gesellschaftlichen theoretiker Amartya Sen argumentiert, dass es um die Leben eines Landes, um Bildungschancen, Menschen- Fähigkeit geht, zur Verfügung stehende Güter in Frei- rechte, Gleichberechtigung der Geschlechter u. v. m. heiten umzuwandeln, um Vorstellungen von einem Objektive Armut ist ein durch Außenstehende fest- 8
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 Armutsbekämpfung – zur Umsetzung der Millennium Development Goals stellbarer Zustand, unabhängig von der Wahrnehmung Oft kostet es weniger Aufwand, jenen Bevölkerungs- der Betroffenen. gruppen, die knapp unter der Grenze sind, zu etwas Das Konzept der subjektiven Armut bezieht sich auf mehr Einkommen zu verhelfen, und dadurch die Statis- die Sichtweise der Armen: Zentral für das subjektive tik zu verbessern. Den aller Ärmsten käme diese Politik Gefühl der Armut sind Unsicherheit (Abhängigkeit allerdings nicht zugute. von Wetterbedingungen, Preisschwankungen), Per- Der Lebenslagenansatz definiert den Begriff der Ar- spektivlosigkeit, Machtlosigkeit und Ausgrenzung mut wesentlich umfassender. Die Grundlage ist, dass (keine Mitbestimmungsmöglichkeit des eigenen Le- Armen die Möglichkeiten für ein würdiges Mensch- bensumfeldes) (Weltbank 2000). sein verwehrt sind. Neben dem Einkommen werden Temporäre Armut berücksichtigt, dass Menschen auch Kriterien wie Ausbildung, gesellschaftliche Teil- aufgrund individueller Risken vorübergehend in Armut habe an Entscheidungen, Lebensstandard, Selbstbe- leben. Wenn das Einkommen über die gesamte Le- stimmung, Rechtssicherheit u. a. berücksichtigt. Eine Messgröße, die sich an den Lebenslageansatz anlehnt, benszeit unter dem Existenzminimum ist, spricht man ist der Human Development Index von UNDP, dem von permanenter Armut. Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Der HDI wurde im Jahr 1990 erstmals publiziert und war Indikatoren ein Versuch, der Messgröße des Pro-Kopf-Einkom- Beim Ressourcenansatz steht die Fähigkeit eines Indi- mens (BIP/Kopf) einen alternativen Indikator für Ent- viduums oder einer Gruppe zur Selbsterhaltung im wicklung gegenüberzustellen. Der HDI bewegt sich Mittelpunkt. Für die Messung von Armut wird bei die- zwischen 0 und 1 und verwendet die Indikatoren Le- sem Ansatz Einkommen und Konsum herangezogen: benserwartung, Alphabetisierungsrate, Kindersterblich- Die Menschen, die in absoluter Armut leben, werden keit und reale Kaufkraft per Kopf.3 1997 hat UNDP zu- demnach als jene Menschen definiert, die von weniger sätzlich den Human Poverty Index (HPI) eingeführt. als einem US $/Tag – gemessen in lokaler Kaufkraft – Im Unterschied zum HDI, der den Gesamtfortschritt ei- leben müssen. Heute sind dies 1,2 Milliarden Men- ner Gesellschaft misst, informiert der HPI über den An- schen. Diese Größe wird für das Millenniumsziel der teil der Menschen, an denen dieser Fortschritt vorbei- Halbierung der absoluten Armut herangezogen. Fast geht (genaueres siehe Philipp 1999 sowie UNDP 2003). die Hälfte der Menschen, 2,8 Milliarden, müssen mit weniger als 2 US $ pro Tag auskommen.2 Erreichung der Entwicklungsziele? Auch wenn das zur Verfügung stehende Dollarein- Im jüngsten UN-Bericht über die Erreichung der Ent- kommen in lokaler Kaufkraftparität gemessen wird, ist wicklungsziele versucht der Generalsekretär der Ver- ein Vergleich nur sehr bedingt aussagekräftig. Wie viel einten Nationen ein optimistisches Bild zu zeichnen. ein oder zwei oder mehr Dollar pro Tag für den ein- UNDP, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Na- zelnen Menschen bedeuten, hängt u. a. davon ab, ob tionen, widmete seinen diesjährigen Weltentwick- der Schul- und Arztbesuch kostenpflichtig ist, ob es ei- lungsbericht (Human Development Report – HDR) ne funktionierende Altersversorgung gibt, wie regel- ebenfalls den Millenniumszielen, die Einschätzung fällt mäßig und sicher das Einkommen ist, in welchem Aus- hier etwas skeptischer aus.4 maß die Ernährung durch Subsistenz gewährleistet ist. Weltweit ist die Anzahl der Menschen, die von weni- Weiters werden beim Ressourcenansatz nationale Ar- ger als einem Dollar pro Tag leben müssen, zwi- mutsgrenzen verwendet, sowie u. a. das Konzept der schen 1990 und 1999 von 29,6 % auf 23,2 % zurück- Armutslücke (Poverty Gap). Die Armutslücke gibt den gegangen, ausschlaggebend sind hier vor allem die ge- durchschnittlichen Abstand der Armen zur Armuts- sunkenen Armutszahlen im bevölkerungsreichsten grenze (in Prozent) an. Diese Messzahl ist wichtig, um Land China. Ohne China ist die Anzahl der absolut Ar- einschätzen zu können, wie hoch das zusätzliche Ein- men in dieser Zeit um 28 Millionen gestiegen (UNDP kommen ist, das benötigt wird, damit die Mehrzahl der 2003). In Afrika südlich der Sahara stieg diese Zahl von Armen über die Armutsgrenze gelangt. 47 % auf 49 %, in Westasien von 2,2 % auf 7,5 %. 9
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 Armutsbekämpfung – zur Umsetzung der Millennium Development Goals Trotz der neuen Berechnungsmethode2 hat die Armut der MDGs zieht, stimmt nicht optimistisch: Es wird ge- in den 1990er Jahren in 37 von 67 Ländern, für die die schätzt, dass – auch wenn die Entwicklungsländer ihr Daten zugänglich waren, zugenommen. Bestes in der nationalen Politik und Ressourcenaufbrin- Geht man davon aus, dass durch steigende Landflucht gung geben – mindestens 50 Mrd US $/Jahr zusätzlich und Ökonomisierung vieler Lebensbereiche mehr fi- notwendig wären, um die MDGs zu erreichen. Dies nanzielle Mittel zum Überleben benötigt werden, stel- wäre fast eine Verdopplung der aktuellen EZA-Leis- len sich die Zahlen in den ärmsten Ländern als noch tungen.5 Trotz geringfügiger Steigungen im Jahr 2002 dramatischer dar. scheint dieses Ziel in weiter Ferne. Laut dem UN-Bericht ist ein jährliches Pro-Kopf- Auch bei den anderen Themen (Schuldenerlass, Tech- Wachstum von mindestens 3 % nötig, um Armut zu nologietransfer, Streichung von Exportsubventionen reduzieren. Zwischen 2001 und 2003 wiesen die Ent- etc.) kritisiert UNDP, dass die Fortschritte bisher sehr wicklungsländer im Durchschnitt ein Wachstum von marginal waren. „It is time for the rich countries to de- 2,8 % auf – allerdings betrug dieses in Afrika südlich liver on these promises.“ (UNDP 2003, 11). der Sahara nur 0,7 %, und in der gleichen Zeit UNDP hat errechnet, wie lange die einzelnen Regio- schrumpfte die Wirtschaftsleistung in Lateinamerika nen – wenn die Entwicklung im derzeitigen Tempo um durchschnittlich 1 % pro Jahr (UN 2003). weitergeht – brauchen werden, um die Millenniums- Die Anzahl der an Hunger leidenden Menschen ist in ziele zu erreichen. Das Ziel der Armutsreduktion würde den 1990er Jahren um fast 20 Millionen zurückgegan- überhaupt nur Südasien erreichen, Lateinamerika, Afri- gen – sieht man jedoch wieder von China ab, ist diese ka südlich der Sahara und Zentral- und Osteuropa wür- Anzahl gestiegen (UNDP 2003). Der Prozentsatz der den weiter zurückfallen. Die Ziele der Reduktion des Kinder in Grundschulen hat sich in den meisten Län- Hungers und der Erhöhung des Grundschulbesuchs dern leicht erhöht, ist in Südasien und Südostasien je- würden in Afrika südlich der Sahara im Jahr 2160 er- doch zurückgegangen. In Afrika südlich der Sahara be- reicht werden (ebenda). suchen nur 57 % der Kinder die Grundschule, und nur ein Drittel beendet diese auch. 3⁄5 der 115 Millionen Kin- Strategien zur Armutsbekämpfung der, die nicht die Grundschule besuchen, sind Mäd- chen (UNDP 2003). Praktisch alle Entwicklungshilfe-Geber haben sich hin- ter die Millenniumsziele gestellt. Die Strategien zur Er- Besonders besorgniserregend ist die immer ungleichere reichung dieser Ziele sehen allerdings recht unter- Verteilungssituation, die laut UNDP „groteskes Ni- schiedlich aus. In der Folge sollen beispielhaft einige veau“ erreicht hat (UNDP 2003, 39). Die Ungleichver- dieser Strategien beleuchtet werden. teilung steigt weltweit zwischen Menschen, zwischen den Ländern und innerhalb der Länder. Die reichsten Poverty Reduction Strategy Papers (PRSP) 5 % der Weltbevölkerung verdienen 114-mal so viel wie die ärmsten 5 %, die reichsten 1 % gleichviel wie Die auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank im die ärmsten 57 %. In den 1980er und 1990er Jahren ist Herbst 1999 beschlossene PRSP-Initiative kann als Ver- die Ungleichheit in 17 von 33 Entwicklungsländern ge- such zur Operationalisierung der Millenniumsziele ge- stiegen, in nur 6 ist sie gesunken (ebenda). Dies ist um- sehen werden. Armutsbekämpfungsprogramme haben so bedenklicher, als Wachstum weniger zur Armutsbe- die ursprünglichen Strukturanpassungsprogramme er- kämpfung beiträgt je ungleicher die Verteilungssitua- setzt. Seither sind die Regierungen der Entwicklungs- tion ist. So hat ein Prozent Wachstum in Ostasien vier- länder, mit Einbeziehung der Zivilgesellschaft, für die mal mehr zur Armutsbekämpfung beigetragen als in Formulierung der Programme zuständig. Die Interna- Lateinamerika, das eine viel ungleichere Verteilungssi- tionalen Finanzinstitutionen haben durch diese Initiati- tuation aufweist (Oxfam 2000). ve auf langjährige Kritik aus der Zivilgesellschaft rea- Die Zwischenbilanz, die UNDP zur Einhaltungen der giert. Die Strategiepapiere (Poverty Reduction Strategy Verpflichtungen der Industrieländer unter Punkt 8 Paper) dienen nun auch vermehrt als Grundlage für die 10
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 Armutsbekämpfung – zur Umsetzung der Millennium Development Goals Kooperation mit bi- und multilateralen Gebern und ha- Initiative nicht thematisiert (ÖFSE 2003) – die ben zu einer verbesserten Geberkoordination ge- verbesserte Geberkoordination könnte auch zu führt. Der Ansatz fügt sich in die neuen Paradigmen diesem Zwecke dienen.6 der Entwicklungszusammenarbeit ein, da die Eigen- verantwortung des Landes betont wird, und Good Weltbank: Armutsbekämpfung durch den Governance im Mittelpunkt steht. privaten Sektor Die Verabschiedung eines PRSP ist Bedingung für Die Weltbank widmet regelmäßig ihre Flagschiffpubli- Schuldenerlass und für neue Kredite. Das bedeutet, kation, den Weltentwicklungsbericht (World Develop- dass die Abhängigkeit von den Geberorganisationen ment Report, WDR) verschiedenen Aspekten von Ar- weiterhin sehr hoch bleibt. mutsbekämpfung. Die Einbeziehung der Zivilgesellschaft stellt einen Fort- Der WDR 1990 definierte Wachstum und soziale Si- schritt zur bisherigen Strukturanpassungspolitik dar, cherheitsnetze als Schlüssel zur Armutsbekämpfung. Die und hat – auch wenn die Partizipation meist eher auf dahinter liegende Annahme war, dass Wachstum der Konsultationen beschränkt war – zu einer verstärkten Mehrheit der Menschen automatisch zugute kommt, öffentlichen Diskussion in den jeweiligen Ländern ge- und diejenigen, die von dieser Strategie nicht profitie- führt. Wie groß die Einflussnahme von zivilgesellschaft- ren, durch soziale Netze aufgefangen werden sollten. lichen Gruppen auf die Formulierung ist, hängt – abge- 10 Jahre später erkannte der WDR 2000 an, dass Ar- sehen von der Bereitschaft der jeweiligen Regierung – mutsbekämpfung sehr viel komplexer ist. Die Schlüssel- stark vom Organisationsgrad und den vorhandenen themen in dem Report sind „Security, Empowerment Kapazitäten in diesem Bereich ab. und Opportunity“. Die Rolle von gut funktionierenden Weithin wird die PRSP-Initiative als wichtiger Schritt für Institutionen wird betont, weiters wird festgehalten, die Armutsbekämpfung wahrgenommen. Um zu ei- dass Entwicklungsländer Liberalisierung und Freihandel nem nachhaltigen Erfolg zu führen, gibt es allerdings womöglich etwas langsamer implementieren sollen. noch eine Reihe von Herausforderungen. Der neue World Development Report (WDR 2004) • Der makroökonomische Kern der PRSPs gleicht widmet sich dem Thema „Making Services work for stark den viel kritisierten Strukturanpassungs- Poor People“. Eine Grundannahme des WDR 2004 ist, programmen, eine Debatte über alternative Politik- dass Regierungen zu schwach sind, um qualitativ hoch- formulierungen (Hofmann/Schröder 2003) und wertige Basisdienstleistungen zur Verfügung zu stellen, deren Implementierung wäre dringend notwendig. die auch den Armen zugute kommen. Daher soll – • IWF und Weltbank nehmen weiterhin sehr starken auch als Instrument zur Armutsbekämpfung – der Pri- Einfluss auf die direkte Politikformulierung, so vatsektor eine stärkere Rolle übernehmen. wurde Sambia, um Schuldenerlass zu bekommen, Eine umfassende Versorgung mit Basisdienstleistungen nahe gelegt, eine staatliche Bank zu privatisieren, (wie Bildung, Gesundheit, Wasser, Strom) ist eine in Nicaragua wurde verlangt, die Wasser- Grundvoraussetzung für Armutsbekämpfung und wird versorgung zu privatisieren (Chavez/Guttal 2003). weithin als Hauptinstrument für die Erreichung der • Chavez/Guttal kritisieren, dass das angewandte MDGs anerkannt. Diese Dienstleistungen können öf- Konzept der „Good Governance“ vor allem darauf fentlich – auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene zielt, ein förderliches Umfeld für ausländische – wegen fehlender Mittel oft nur ungenügend zur Ver- Investoren zu schaffen und deren Interessen zu fügung gestellt werden. Die Frage ist, welche Rolle hier schützen, jedoch nicht, die Rechte der Bevölkerung der private Sektor übernehmen kann: Arme stellen für zu wahren (ebenda). Eine Diskussion und private Anbieter keine interessante Zielgruppe dar. Oh- Redefinition dieses Konzepts wäre sinnvoll. ne wirksame öffentliche Intervention oder Anreize ist • Die Internationalen Rahmenbedingungen, die die Gefahr groß, dass diese von der Versorgung ausge- großen Einfluss auf die wirtschaftliche und soziale schlossen werden. Das World Bank Operations Evalua- Entwicklung haben, werden auch bei dieser tion Department selbst hält fest: „getting the private 11
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 Armutsbekämpfung – zur Umsetzung der Millennium Development Goals sector to focus on the alleviation of poverty and to de- Kreditvergabe. Eine Studie von 276 Weltbankkrediten sign tariffs in a way that does not discriminate the poor für Wasserversorgung zwischen 1990 und 2002 zeigte, has proved hard to achieve in practice“ (Pitman 2002 dass 30 % davon Privatisierung als Bedingung beinhal- in Alexander/Kessler 2003, 7). teten, die Mehrheit davon in den letzten 5 Jahren (Cen- Ein großer Teil der armen Bevölkerung lebt oft in länd- ter for Public Integrity 2003). Druck wird auch durch lichen Gebieten, diese sind wegen der höheren Versor- die selektive Auswahl bestimmter Länder für Kreditver- gungskosten ohnehin wenig attraktiv. „Water multina- gabe ausgeübt. So konzentriert die Weltbank in Indien tionals have little or no interest in rural drinking water ihre Kreditmittel auf jene 3 Bundesstaaten, die zur Im- systems.“ (International Rivers Network in ebenda, 5). plementierung der gewünschten Politik bereit waren (Alexander/Kessler 2003). Öffentliche Subventionen explizit für Arme sind ein Instrument, um die Versorgung zu garantieren. Die Auch die mittlerweile gängige Praxis der Dezentralisie- Praxis zeigt jedoch, dass es schwierig ist, die Zielgrup- rung – ohne dass die lokalen Regierungen über ausrei- pen zu erreichen. Eine Studie über die private Wasser- chende Kapazitäten oder Mittel verfügen – führt oft zur versorgung in Chile zeigte, dass 80 % der Armen von Privatisierung „aus Verzweiflung“ wie Alexander/Kess- den Subventionen nicht erreicht wurden, und 80 % der ler dies ausdrücken (ebenda). Subventionen an wohlhabendere Schichten flossen. WTO – Doha-Entwicklungsrunde Dies ist besonders besorgniserregend, da Chile bessere institutionelle Kapazitäten aufweist als die meisten Ent- Die WTO-Politik kann als Nagelprobe für den politi- wicklungsländer (ebenda). schen Willen der internationalen Gemeinschaft zur Ar- Um die Investitionen für private Anbieter attraktiv zu mutsbekämpfung gesehen werden, daher werden in gestalten, gibt es verschiedene Anreize von Seiten der der Folge einige Punkte rund um die letzte Minister- Regierungen: Subventionen für Infrastruktur-Errichtung konferenz in Cancun angeführt. und für den Betrieb, Abnahmegarantien, Steuererleich- Die in Seattle geplatzte Millenniumsrunde der WTO terungen sowie steuerfreie Perioden etc. Diese Anreize wurde in Doha in „Entwicklungsrunde“ umgetauft stellen für das Budget beträchtliche Belastungen und und sollte besonders Entwicklungsländern zugute kom- Steuerausfälle dar. Schwache Regierungen sind meist men. Dies ist als Eingeständnis zu sehen, dass die Ent- auch nicht in der Lage, private Investoren in einem not- wicklungsländer von den bisherigen WTO-Verträgen wendigen Maße zu regulieren, was zu überhöhten nicht in ausreichendem Maße profitiert haben. Preisen, zu geringen Investitionen und Steuerzahlun- Die Forderungen der Entwicklungsländer fanden je- gen führen kann (Bayliss 2002). doch keinen Eingang in die Cancun-Agenda: Sie for- Die bisherigen Erfahrungen stellen die positiven Aus- derten, keine neuen Themen in die Verhandlungen wirkungen privater Dienstleistungserbringung auf Ar- aufzunehmen und stattdessen den Fokus auf Imple- mutsbekämpfung in Frage. Es gibt keine empirische mentierung und „Special & Different Treatment“ zu Evidenz, dass Privatisierung zu mehr Wachstum, zu legen, d. h. Korrektur der bisher für Entwicklungsländer mehr Wettbewerb oder zu mehr Staatseinnahmen negativen Passagen sowie eine Sonderbehandlung für führt (ebenda). Laut ILO-Studien kommt es zu einer die ärmeren Handelspartner. drastischen Reduktion der Beschäftigung bei Privatisie- Ein weiteres wichtiges Anliegen war die Streichung von rungen des Wasser-, Strom- und Gassektors (ILO 1999). Exportsubventionen im Agrarbereich, die dazu füh- Der Human Development Report 2003 hält fest: „The ren, dass Märkte mit billigen Agrarprodukten v. a. aus supposed benefits of privatizing social services are elu- der EU und USA überschwemmt und lokale Märkte sive, with inconclusive evidence on efficiency and qua- zerstört werden. Weiters ging es um die Aufweichung lity standards in the private relative to the public sec- des Patentschutzes auf überlebenswichtige Medika- tor“ (UNDP 2003, 113). mente. Bei letzterem Thema wurde kurz vor Cancun Dennoch sorgt die Weltbank dafür, dass ihre Empfeh- ein extrem schwacher aber gut vermarkteter Kompro- lungen auch umgesetzt werden: Privatisierung ist in miss gefunden, bei allen anderen Themen fanden prak- vielen Fällen Voraussetzung für Entschuldung und neue tisch keine Zugeständnisse statt. Ein bezeichnendes 12
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 Armutsbekämpfung – zur Umsetzung der Millennium Development Goals Beispiel ist die Weigerung der USA, die Exportsubven- 1 Eine Auflistung der Entwicklungsziele befindet sich im Anhang. tionen für Baumwollexport zu streichen, die in West- 2 Die Weltbank hat Ende der 1990er Jahre Änderungen in der afrika die lokalen Produktionen zerstören und somit zur Berechungsmethode für das PPP Dollareinkommen vorgenom- men. Laut Robert H. Wade hat sich durch die Methode die Steigerung der Armut beitragen. Armutsrate in 7 % der Länder, für die Daten vorhanden sind, verringert (Wade 2003). Nähmen die Industrieländer das Ziel der Armutsbe- 3 Für einen Überblick über verschiedene Fragestellungen bzgl. kämpfung ernst, gäbe es gerade in der WTO sehr viele Messung von Armut siehe auch World Development Report (WDR) 2000/2001, S. 25 ff sowie Wade 2003 Möglichkeiten, hier große Fortschritte zu machen. Vor 4 Es folgt eine Auswahl wichtiger Ergebnisse – ein Gesamtüber- allem gälte es, Entwicklungsländern alternative Wege blick ist nachzulesen in UN, 2003, sowie UNDP, 2003. zum Freihandelsmodell zuzugestehen. Der Cambridge 5 Auch eine Verdopplung würde den Prozentsatz der EZA auf nur 0,44 % des BIP der Industrieländer erhöhen, noch weit entfernt Ökonom Ha-Joon Chang belegt eindrucksvoll, dass von den immer wieder versprochenen 0,7 %. kein einziges Industrieland durch Freihandel seinen 6 Zu drei Länderbeispielen siehe den Beitrag von Christine Enzi im selben Heft. heutigen Entwicklungsstatus erreicht hat (Chang 2002). Ausblick Obwohl in vielen Ländern konkrete Maßnahmen zur Armutsbekämpfung durchgeführt werden, scheint die Erreichung der Millennium Development Goals heute weniger realistisch denn je. Die Gefahr ist groß, dass die Legitimationskrise der Entwicklungspolitik bei ei- nem Misserfolg noch verschärft wird. In keiner Zeit war das Potenzial für weltweiten Wohlstand so groß wie heute. Dass noch immer die Mehrzahl der Menschen in Armut lebt, zeigt das Versagen unseres Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells. Bei einer effektiven Armutsbe- kämpfung geht es um mehr als schöne Deklarationen. Es geht um eine Neugestaltung der Wirtschafts- und Fi- nanzpolitik. Es geht um Umverteilung von Ressourcen und von Macht. Es geht um das transparent Machen von Interessen und Einfluss auf Politik. Es ist dringend notwendig, diese Fragen in einer Zeit, wo die Vertei- lungsungerechtigkeit und Entdemokratisierung steigt, zu diskutieren und in politische Strategien münden zu lassen. „Armutsbekämpfung muss aus der Ecke einer Armen- und Mitleidspolitik herausgeholt und als Gebot der politischen Vernunft und des aufgeklärten Eigenin- teresses begriffen werden“ (Nuscheler 2001, 7). 13
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DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 Christine Enzi, ÖFSE ARMUTSBEKÄMPFUNGSPROGRAMME AUF DEM PRÜFSTAND Der PRSP-Prozess in den österreichischen Schwerpunktländern Mosambik, Nicaragua und Uganda Einleitung und IWF sowie von bilateralen Gebern nur noch auf der Basis von PRSP erhalten. PRSP steht für „Poverty Reduction Strategy Papers“, al- Ein PRSP soll einem Kreislauf von Analyse (der Armuts- so: Strategiepapiere zur Armutsminderung. Armutsbe- situation), Strategieentwicklung (zur Armutsbekämp- kämpfung ist seit einigen Jahren wieder verstärkt in fung), Implementierung, Monitoring und Evaluierung den Vordergrund der internationalen Entwicklungspoli- unterworfen werden. tik gerückt. Ausdruck für diesen Trend sind die PRSPs. Diese gelten als neue Hoffnung in der internationalen Entwicklungspolitik. Seit 1999 steht das von Weltbank Von den acht Schwerpunktländern der Österreichi- und IWF entwickelte Tool für einen reformatorischen schen Entwicklungszusammenarbeit (ÖEZA) – Nicara- Ansatz in den einseitigen Nord-Süd-Beziehungen. Das gua, Kap Verde, Burkina Faso, Mosambik, Uganda, Ru- PRSP ersetzt das Policy Framework Paper des IWF, in anda, Äthiopien, Bhutan – haben fast alle Länder ein dem die verschiedenen Strukturanpassungsmaßnah- vollständiges PRSP abgeschlossen. Bhutan arbeitet an men festgesetzt waren, welche die Kooperation zwi- keinem PRSP, da es nicht an der HIPC-II-Initiative teil- schen Geberstaaten und der so genannten „Dritten nimmt. Auch Kap Verde zählt nicht zu den HIPC-Län- Welt“ in den letzten Jahren gekennzeichnet haben. dern, hat jedoch trotzdem ein I-PRSP erstellt, und ar- beitet am Full-PRSP, da es sich davon Vorteile erwartet. PRSPs stehen – zumindest dem programmatischen An- satz nach – für eine vollkommen veränderte Struktur Von den Kooperationsländern der ÖEZA haben Sene- der Entwicklungskooperation: Entwicklungsländer wer- gal, Tansania und Nepal ein Full-PRSP, Kenia und Paki- den zu „Selbstbestimmern“ (The Country in the driver’s stan ein I-PRSP (Stand Mitte November 2003). seat), entwerfen und formulieren ihre eigenen Armuts- bekämpfungsstrategien aufgrund länderspezifischer Die ÖFSE beschäftigt sich seit dem Jahr 2002 intensiv Kenntnisse und Interessen, im Idealfall unter Beteili- mit dem Thema „Armutsbekämpfungsstrategien am gung unterschiedlichster Interessensgruppen (Zivilge- Beispiel PRSP“. In diesem Artikel werden die wichtig- sellschaft, Privatwirtschaft, Parteien und Parlamente, sten Ergebnisse dreier Länderuntersuchungen zu- Gewerkschaften, …) und mit dem wichtigsten Ziel, die sammengefasst, die in Zusammenarbeit mit dem BMA Anzahl der Armen drastisch zu reduzieren. Sektion VII erstellt wurden. Dabei handelt es sich um Neu ist, dass nicht nur die Sozialpolitik, sondern auch die PRSPs der Schwerpunktländer der ÖEZA: Mosam- die Wirtschafts- und Finanzpolitik eines Landes dem bik, verfasst von Hannes Manndorff; Nicaragua von Oberziel Armutsbekämpfung unterworfen werden sol- Don Yader Baldizón sowie Uganda von Monika Vögel. len. Die Untersuchungsergebnisse werden im Folgenden Schuldenerlässe im Rahmen der HIPC-II-Initiative1 set- mit neuen aktuellen Entwicklungen ergänzt und in zen ein PRSP, oder zumindest ein Interims-Papier (I- Kontext mit einer PRSP-Analyse gestellt, die von der PRSP) voraus. Der HIPC-Prozess besteht aus den Stufen ÖFSE im Juni 2003 veröffentlicht wurde. Decision Point (Zeitpunkt, zu dem sich ein Land für den Erlass von Schulden qualifiziert; teilweises Aussetzen Mosambik – PARPA der Schuldenzahlungen bereits möglich) und Comple- Mosambik hat als drittes Land nach Uganda und Boli- tion Point (Zeitpunkt, zu dem alle Bedingungen für ei- vien im September 2001 einen umfassenden Schulden- nen Schuldenerlass erfüllt sind; die Schulden werden erlass erhalten. Das I-PRSP wurde im Februar 2000, das tatsächlich erlassen). PRSP im Mai 2001 vorgelegt und von Weltbank und Langfristig sollen die sog. IDA-Länder (ca. 70 ärmere IWF im September 2001 akzeptiert. Mosambik erreich- Länder) neue konzessionäre Kredite2 von Weltbank te somit den Completion Point der HIPC-Initiative. Der 15
DIE ÖSTERREICHISCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK 2002 Armutsbekämpfungsprogramme auf dem Prüfstand erste Progress Report wurde im Februar 2003 veröf- der Staatsausgaben in der Hauptstadt Maputo verblei- fentlicht. ben. Überhaupt spielte und spielt sich der PRSP-Prozess Armutsbekämpfung stand schon einige Zeit vor dem fast ausschließlich in Maputo ab. Von der internationa- Start der PRSP-Initiative 1999 als wichtiger Punkt auf len Gebergemeinschaft, sowie auch von der Regierung der politischen Agenda des Landes. 1989 wurde eine selbst, wird Dezentralisierung als wichtige Vorrausset- erste, 1995 eine zweite Armutsstrategie entwickelt; ein zung zur effektiven Armutsreduktion gesehen. detaillierter Aktionsplan (PARPA) wurde 1999 fertig ge- Die Harmonisierung des PRSPs mit anderen Planungsin- stellt. Mosambiks PARPA 2000–2004 wurden von den strumenten ist noch nicht vollständig ausgereift. Im Internationalen Finanzinstitutionen (IFIs) als I-PRSP ak- Moment wird das PARPA eher als zusätzliches Instru- zeptiert, der PARPA-Entwurf für 2001–2005 gilt als ment zu den anderen Planungsmechanismen gesehen, Full-PRSP des Landes. anstatt diese zu ersetzten. Trotz der Tatsache, dass sich das PRSP in makroökono- Wichtigste Inhalte des PRSP mischer Hinsicht sehr an die Strukturanpassungspolitik Inhalte der IFIs anlehnt, gilt Mosambik laut einer Studie (vgl. Die Grundannahmen des PRSP sind, dass zur Armuts- Review of Nordic monitoring of the WB and IMF sup- reduktion port to the PRSP Process) hinsichtlich der Kooperation mit IWF und Weltbank als Ausnahmefall, da von Seiten • das Engagement der Bevölkerung der IFIs ein offenerer politischer Dialog mit der Regie- • ein effizienterer, effektiverer und bürgerorientierter rung und den Partnern zugelassen wurde. Staatsapparat • ein breites, schnelles und nachhaltiges Wirtschafts- Schwachstellen wachstum und • soziale, politische und makroökonomische Das PARPA weist in einigen Bereichen sehr wohl Neue- Stabilität rungen im Unterschied zu vorherigen Armutsstrategien auf, viele Inhalte sind jedoch wenig innovativ. nötig sind. Auch wenn sich der konzeptionelle Armutsansatz im Das PRSP von Mosambik spezifiziert darauf aufbauend PARPA bereits verbessert hat – es werden auch andere sechs prioritäre Bereiche, die für die Armutsbekämp- als auf den Konsum bezogene Indikatoren zur Armuts- fung als vorrangig gelten: Bildung, Gesundheit, Land- definition verwendet – so bleibt das Grundkonzept wirtschaft und ländliche Entwicklung, Infrastruktur doch auf das Pro-Kopf-Einkommen fixiert. (Straßen, Energie Wasser; um u. a. Initiativen der Bevöl- kerung und des Privatsektors zur erleichtern), Good Die Verknüpfung zwischen programmatischen Prioritä- Governance (Verbesserung der Transparenz staatlicher ten der Armutsbekämpfung und der Budgetpolitik des Institutionen, inklusive Dezentralisierung der Verwal- Landes wurde zweifellos gestärkt, die Verbindung ist tung und des Finanzsystems) und Makroökonomik. jedoch noch zu schwach. Ein wesentlicher Unterschied des PARPA zu früheren Der Genderaspekt wird zwar besonders im Hinblick auf Plänen ist, dass das Konzept der Good Governance als die Sektoren Bildung (ESSP – Education Sector Strategic wichtiger Teil Eingang in das Dokument gefunden hat. Plan) und Gesundheit berücksichtigt, spielt aber in Be- Im Vergleich zu den vorherigen Armutspapieren gibt es zug auf andere Bereiche keine bzw. nur eine geringe eine klarere Prioritätensetzung. Weitere Aktionsfelder, Rolle. die im PARPA benannt wurden, sind z. B. Bergbau, Fi- Des Weiteren wurde das PARPA nicht mit den tatsäch- scherei, Tourismus, Technologie, Umwelt, Transport lich verfügbaren finanziellen Ressourcen abgestimmt, und Kommunikation, Reduktion der Verletzlichkeit ge- sondern vertraut darauf, dass wirtschaftliches Wachs- genüber Naturkatastrophen. Das PRSP enthält des wei- tum zusätzliche Ressourcen schafft. teren Monitoring- und Evaluierungsstrategien. Das Konzept des Pro-Poor-Growth ist nur schwach Das PARPA soll primär auf der Distriktebene umgesetzt umrissen, was jedoch ein allgemeines Problem inner- werden, wobei im Moment jedoch noch etwa 70 % halb des PRSP-Prozesses ist. Darunter wird in Mosam- 16
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