Strompreise, Einkommensentwicklung und Akzeptanz der Energiepolitik
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ZUKUNFTSFRAGEN ZUKUNFTSFRAGEN Strompreise, Einkommensentwicklung und Akzeptanz der Energiepolitik Knut Kübler Manche glauben, man könne die Herausforderungen der Energiewende an der Stromrechnung ablesen. Mehr versteht man, wenn man gleichzeitig auf den Lohnzettel schaut. Nachdem sich Beschäftigte über Jahrzehnte daran gewöhnt ha- ben, immer kürzer für eine Kilowattstunde zu arbeiten, müssen sie seit einiger Zeit wieder länger tätig sein; mittlerweile sogar fast so lange wie zuletzt Anfang der 1970er Jahre. Da der Preis für Strom in Deutschland seit Jahren deutlich schneller als das Einkommen steigt, kann man gut verstehen, wenn die Skepsis vieler Verbraucher gegenüber der Ener- giepolitik wächst. In Deutschland beziehen rd. 40 Mio. Pri- vathaushalte Strom – und doch können nur wenige Verbraucher auf Anhieb sagen, was eine Kilowattstunde Strom kostet. Die meisten haben auch nur eine sehr unge- fähre Ahnung, wie viel Strom sie verbrau- chen. Andererseits gibt es Stimmen, die den Strompreis in der aktuellen politischen Debatte als den „Brotpreis des 21. Jahrhun- derts“ bezeichnen. Sie haben Sorge, dass ein zu starker Anstieg des Strompreises die Akzeptanz der Bevölkerung für die Ener- giewende gefährden könne. Diese Position wird durch eine aktuelle Umfrage des BDI bestätigt [1]. Sie belegt, dass die Mehrheit der Bevölkerung immer weniger bereit ist, für die Energiewende höhere Strompreise in Kauf zu nehmen. Der Strompreis in Cent: langfristiger Anstieg Strompreis- und Einkommensentwicklung sind so auszubalancieren, dass der Strom für die Ver- braucher bezahlbar bleibt designsoliman | Fotolia.com Ein Zwei-Personen-Haushalt in Deutschland verbraucht heute im Jahr Strom in Höhe Strommarktes, was zu mehr Wettbewerb Steuern und Abgaben gelegt (Stromsteuer, von rd. 3 500 kWh (inklusive Warmwasser- führte und im ersten Schritt auch zu günsti- EEG-Umlage, KWK-Aufschlag, Offshore- bereitung, ohne Heizstromverbrauch). Ein geren Strompreisen. Haftungsumlage usw.). Man muss sich in solcher Haushalt musste 1970 für Strom diesem Zusammenhang immer die Grö- rd. 7 ct/kWh bezahlen [2]. Blickt man auf Nach 2000 folgte der Strompreis für Pri- ßenordnung klar machen: Der Anteil von die Entwicklung seit dieser Zeit, scheint vathaushalte wieder dem alten Trend. Der Steuern und Abgaben am Strompreis lag es Gesetz zu sein, dass Privathaushalte in Preis bewegte sich „nach oben“ – und zwar 1999 bei knapp 30 %; heute liegt er bei Deutschland für Strom ständig mehr bezah- schneller als je zuvor. Der Strompreis für über 50 % [4]. len müssen (vgl. Abb. 1). Privathaushalte hat sich von 2000 bis 2014 nahezu verdoppelt (2000: 14,92 ct/kWh; Verbraucher mögen keine exakte Vorstel- Es gab nur eine kurze Periode von 1996 2014: 29,37 ct/kWh). Diese Entwicklung lung vom Strompreis haben. Kommt aber bis 2000, in welcher der durchschnittliche hatte verschiedene Ursachen, allerdings be- die Stromrechnung mit der Forderung ei- Strompreis zurückgegangen ist. Ursache steht unter Fachleuten eine große Einigkeit, ner Nachzahlung ins Haus, besteht ein ge- waren Sonderentwicklungen. Zunächst dass die Neuausrichtung der Energiepolitik wisser Anreiz, sich mit den Details zu be- wurde Ende 1995 der Kohlepfennig abge- unter der rot-grünen Bundesregierung 2000 schäftigen. Und man wird dann feststellen, schafft, der damals als Preisaufschlag auf eine wesentliche Rolle spielte [3]. dass man in 2000 nur rd. 500 € für Strom den Strompreis zur Finanzierung der heimi- gezahlt hat, heute aber für die gleiche Men- schen Steinkohleförderung genutzt wurde. Damals wurden die Grundlagen für die ge Strom mehr als 1 000 € bezahlen muss Dann kam es 1998 zur Liberalisierung des zusätzlichen Belastungen in Form von (Verbrauchsgrundlage: 3 500 kWh). ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 65. Jg. (2015) Heft 3 27
ZUKUNFTSFRAGEN ■ 1970 mussten Beschäftigte noch rd. 1,45 Min. arbeiten, um eine Kilowattstunde kaufen zu können. Bis 2000 halbierte sich dieser Wert auf 0,73 Min. Interessant ist, dass man in der Graphik die konjunkturel- len Einbrüche gut erkennen kann, etwa die erste Ölpreiskrise 1973/74 oder die zweite Ölpreiskrise 1979/80. Diese „Störungen“ waren aber immer nur von kurzer Dauer. Danach setzte sich wieder der langfristige Trend zur Verringerung der notwendigen Arbeitszeit pro Kilowattstunde durch. ■ Nach 2000 mussten Arbeitnehmer wie- der länger für eine Kilowattstunde arbeiten und zwar Jahr für Jahr. 2014 betrug die Arbeitszeit pro Kilowattstunde 1,09 Min. So lange mussten Arbeitnehmer zuletzt 1977 für Strom arbeiten. Ursache für diese Trendumkehr waren nicht nur die bereits Abb. 1 Durchschnittlicher Strompreis für Privathaushalte angesprochenen, rasch steigenden Strom- preise. Ein wichtige Rolle spielte auch das ausgeprägt schwache Einkommenswachs- Der Strompreis in 1970 als Nettolohn für eine geleistete Arbeits- tum. Ursache dafür wiederum waren struk- Arbeitseinheiten: langer stunde ein Betrag von 2,91 € angegeben. Im turelle Entwicklungen, insbesondere der Abstieg, steiler Anstieg Jahr 2000 wurden pro Stunde schon 12,33 € immer härter werdende globale Wettbe- bezahlt und für das Jahr 2013 wird ein Wert werb, aber auch Sonderfaktoren, wie etwa Hat man die Daten zur Hand, macht es we- von 15,87 € genannt (Schätzung 2014: der Zusammenbruch der sog. New Economy nig Mühe, noch einen Schritt weiterzugehen 16,14 €). Man sieht, dass es in Deutschland 2003 bzw. die globale Wirtschafts- und Fi- und die Strompreisentwicklung in Beziehung vor allem in den Jahren von 1970 bis 2000 nanzkrise 2009. zur Einkommensentwicklung zu setzen. Für zu gewaltigen Einkommensverbesserungen den hier zugrunde gelegten repräsentativen gekommen ist (Zuwachs: 4,9 % p. a.). Der An- Der guten Vollständigkeit halber sei an die- Haushalt kann man leicht ermitteln, wie stieg von 2000 bis 2014 fällt demgegenüber ser Stelle darauf hingewiesen, dass nicht lange ein Arbeitnehmer im Durchschnitt ar- eher bescheiden aus (Zuwachs: 1,9 % p. a.). nur die Bezieher von Arbeitseinkommen, beiten muss, um eine Kilowattstunde Strom Diese zeitliche Dynamik der Einkommenszu- sondern auch die Bezieher von Kapitalein- kaufen zu können. Zu der Einkommensent- wächse schlägt sich gut sichtbar in der Ent- künften unter den wirtschaftlichen Umbrü- wicklung veröffentlicht das Statistische Bun- wicklung des „Strompreises in Arbeitseinhei- chen leiden mussten (vgl. Abb. 3). Reichte in desamt sog. Lange Reihen [5]. Dort wird für ten“ nieder (vgl. Abb. 2): 1970 noch ein Kapital von 86 € aus, um aus Abb. 2 Notwendige Arbeitszeit eines Arbeitnehmers zum Kauf einer Kilo- Abb. 3 Kapitalbetrag, aus dessen jährlichen Verzinsung man 100 kWh kaufen wattstunde Strom kann 28 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 65. Jg. (2015) Heft 3
ZUKUNFTSFRAGEN ZUKUNFTSFRAGEN der jährlichen Verzinsung 100 kWh kaufen Jahres haben sich in den letzten Monaten Erfahrung: „Ein Plan ist Murks, soviel steht zu können, brauchte man 2005 schon ein beträchtlich verbessert. fest, wenn er sich nicht ändern lässt“. Wirk- Kapital von 611 € und 2014 – horribile dic- liche Akzeptanz für den Umbau der Ener- tu – von 3 027 € [6]. In diesen Zahlen spie- Ursache dafür ist vor allem der unvorherge- gieversorgung Deutschlands wird wohl erst gelt sich in besonders eindrucksvoller Wei- sehene Verfall des Ölpreises (Januar 2014: dann entstehen, wenn die Politik diese Rea- se der gewaltige Verfall der Zinsen in den 105 $/b; Ende Januar 2015: 48 $/b). Manche lität auch als Realität anerkennt. letzten drei Jahren wider. werden es als „Ironie des Schicksals“ be- zeichnen, dass ausgerechnet der ins Boden- Anmerkungen Politische Perspektive lose stürzende Ölpreis, der ja dem „Geist der Energiewende“ vollkommen entgegensteht, [1] BDI (Hrsg.): BDI-Energiewende-Navigator 2014, Ber- Es ist kein großes Geheimnis, dass die Ener- die Einkommenssituation der Verbraucher lin, 25.11.2014. giepolitik seit jeher darauf bedacht ist, ei- verbessert und damit dem unverändert ho- [2] Es gibt verschiedene Institutionen, die Daten zu den nen unverhältnismäßig hohen Anstieg der hen Strompreis viel von seinem Schrecken durchschnittlichen Strompreisen für Privathaushalte Strompreise für Privathaushalte zu begren- nehmen kann. veröffentlichen und deren Publikationen sich gering- zen. Dahinter verbirgt sich die Erwartung, fügig unterscheiden. Um einheitliche Daten für einen dass man damit die Akzeptanz der Bürger Der Ölpreis als Partner längeren Zeitraum zu haben, wurde auf Angaben des für eine bestimmte Politik sichern und der Energiewende Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu- Einfluss auf Wahlentscheidungen nehmen rückgegriffen (BMWi: Zahlen und Fakten. Energieda- kann. Heute geht es vor allem darum, die Auch wenn es nicht einfach zu verstehen ist: ten, Berlin 2014). Strompreis- und Einkommensentwicklung Der sinkende Ölpreis dürfte die Akzeptanz [3] BMWi: Nachhaltige Energiepolitik für eine zu- so auszubalancieren, dass der „Strompreis der Bevölkerung für eine weitere Umsetzung kunftsfähige Energieversorgung. Berlin, Oktober 2001. in Arbeitseinheiten“ ein gewisses Niveau der Energiewende unterstützen. Das gilt zu- [4] BDEW: BDEW-Strompreisanalyse Dezember 2014, nicht übersteigt: Strom soll für die Verbrau- mindest kurzfristig. Längerfristig kann sich Berlin, 2.12.2014. cher bezahlbar bleiben. ein anderes Bild ergeben. Wenn nämlich ei- [5] Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Ge- nes der Basiselemente des Energiekonzepts, samtrechnungen. Fachserie 18, Reihe 1.5, Lange Rei- Damit das gelingt, müssen Energie- und ein hoher Ölpreis, in Zweifel steht, werden hen ab 1970, Wiesbaden 2014, S. 36. Wachstumspolitik in kluger Weise zusam- manche fragen, ob denn die Gesamtkons- [6] Zugrunde gelegt wurden Daten der Deutschen menwirken. Auch für energiewirtschaftliche truktion der heutigen Energiepolitik richtig Bundesbank zur Umlaufrendite inländischer Inhaber- Veränderungen gibt es ökonomische Gren- ist. Gemeint ist die Vorstellung, man könne schuldverschreibungen (Orientierung: 1970: 8,14 %; zen. Für die Balance im Jahr 2015 leistet die den Weg Deutschlands in die Energiezukunft 2005: 2,98 %; 2014: 0,97 %). Energiepolitik mit der Kürzung der EEG- über quantitative Ziele in allen Einzelheiten [7] Kübler, K.: Energiekonzept, Mathematik und zwei- Umlage einen Beitrag. Wichtiger für die Ver- bis zum Jahr 2050 steuern [7]. felhafte Erwartungen. In: „et“, 63 Jg. (2013), Heft 1/2, braucher ist allerdings der zu erwartende S. 73–78. Beitrag der Wachstumspolitik: Die trüben Noch scheut die Politik davor zurück, hier wirtschaftlichen Aussichten und Einkom- neu nachzudenken. Andererseits erinnern Dr. K. Kübler, Rheinbach menserwartungen Mitte des vergangenen sich mehr und mehr Menschen an die alte kmkue@web.de Essener Fernwärmetagung 2015: Gestaltung einer zukünftigen Fern- und Nahwärmeversorgung Um eine effektive Energieumwandlung zu ermöglichen, sind Fern- und Thematisiert werden u. a. Methoden zur Bewertung der Energie- und Res- Nahwärmeversorgung eine gute Alternative für die Wärme- und Strom- sourceneffizienz und als Best Practice-Beispiel die Absorptionskälte für mo- versorgung in Städten und Gemeinden. Hierbei ist jedoch ebenso die derne Kraft-Wärme-Kopplungskraftwerke (KWKK). Aber auch Fahrweisen energetische Sanierung des Gebäudebestandes zu beachten und voran- und Betriebserfahrung mit KWK-Anlagen vor und während der Energiewen- zutreiben. Der danach vorhandene Wärmebedarf sollte durch erneuerba- de werden in den Blickpunkt gesetzt sowie das dezentrale Energiemanage- re Energien gedeckt werden. ment als „unterschätzter Beitrag zur Energieeffizienz“ gewürdigt. Dies sind nur Auszüge aus einem breit gefächertem thematischen Spektrum, das Als Branchentreffpunkt findet die Veranstaltung „Essener Fernwärmeta- sich auf der Veranstaltung Branchenkennern darbietet. gung“ am 22.-23.4.2015 zentral im Haus der Technik statt. Die Themen Betriebserfahrungen und Entwicklungstendenzen stehen dabei im Mittel- Weitere Informationen unter: punkt der Fachdiskussion. www.hdt-essen.de/W-H020-04-308-5 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 65. Jg. (2015) Heft 3 29
ZUKUNFTSFRAGEN INTERVIEW „Ökonomisch ist es nicht sinnvoll, auf alle Optionen gleichzeitig zu verzichten“ Der niedrige Ölpreis ist angesichts der politischen Konflikte in wichtigen Energieförderregionen überraschend. Was bedeutet das für die Exporteure? Wie stellt sich die Sicherheit der Versorgung Europas mit Energierohstoffen dar? Könnte Russland, anders als beim Öl, die Gasversorgung durchaus als politische Waffe einsetzen? Wie sinnvoll ist es, einen Binnenmarkt mit einem Referenzpreis für Erdgas in Europa zu schaffen? Und schließlich: Was ist davon zu halten, wenn ein Land aus bisher verlässlichen Optionen der Energieversorgung aussteigt? Darüber sprach „et“ mit Dr. Susanne Toren, Rohstoffexpertin der Zürcher Kantonalbank. „et“: Erdöl und Erdgas gibt es gegenwärtig schein- unterstellt Saudi-Arabien das Interesse, mehr Öl- westlichen Länder aufgrund einer drastischen bar im Überfluss. Wie schätzen Sie die langfristi- reserven bekannt zu geben, als es tatsächlich hat. Erhöhung des Ölpreises in eine schlimme Rezes- gen Knappheiten ein? Zum einen, weil sich das sunnitische Königshaus sion. Mittlerweile sind die OPEC-Länder unterei- gegenüber der schiitischen Bevölkerungsmehr- nander derart zerstritten, dass sie den fallenden Toren: Darüber wird von der Internationalen heit innenpolitisch bestätigen will, und vor allem, Ölpreis einsetzen, um sich gegenseitig und andere Energieagentur und anderen Organisationen viel um außenpolitisch als wichtiger Erdöl-Garant für Ölproduzenten zu ruinieren. spekuliert. Die Abschätzungen sind sehr unter- die USA und den Westen dazustehen. schiedlich, denn bei langfristigen Vorhersagen Konkret geht das saudische Königshaus massiv von weltweiten Knappheiten kann man weder „et“: Sie würden also nicht von Knappheiten spre- gegen den schiitischen Iran vor. Der Iran als Land genau wissen, ob neue Quellen fossiler Energien chen? mit den vermutlich zweitgrößten Erdöl-Reserven hinzukommen, noch wie groß diese sein könnten. kann aufgrund der westlichen Sanktionen weni- Denken Sie nur an das Aufkommen von Schie- Toren: Nein, spätestens seit der Fracking-Tech- ger Öl exportieren und ist auf einen Preis von feröl oder Schiefergas in den letzten fünf Jahren. nologie nicht mehr. Von Norwegen oder Groß- etwa 140 US-$ pro Fass angewiesen. Ein tiefer Da variieren die Prognosen enorm. Und vor der britannien, die ihre Statistiken offenlegen, weiß Preis trifft ihn ins Mark, zumal seine Devisenre- brasilianischen Küste wurden jüngst am Meeres- man zwar, dass der Peak Oil überschritten und serven aufgebraucht sind. Um seine Beziehungen grund riesige Erdölfelder entdeckt. Zudem war es die Förderung im zweistelligen Bereich rückläufig zu den USA warmzuhalten, muss Saudi-Arabien schon bei den bekannten fossilen Energieträgern ist, aber China dürfte noch viel mehr Schiefergas zusätzlich gegen den IS kämpfen, der wiederum immer schwierig, Knappheiten verlässlich vor- und Schieferöl haben als der Gigant USA, wenn Ölfelder zu seiner Finanzierung braucht. Es herr- herzusagen. auch in unwegsamen Gebieten. Solche Unsicher- schen kriegerische Zustände und es ist zu be- heiten bei Lagerstätten sind schlicht zu groß, um fürchten, dass es jedes Jahr schlimmer wird, weil „et“: Weshalb fällt das so schwer? verbindliche Prognosen zu stellen. keine Kompromisse möglich scheinen. Toren: Weil Energiegiganten wie die OPEC-Län- „et“: Hat Sie die Talfahrt des Ölpreises auch über- „et“: Sind nicht die meisten kriegerischen Ausei- der und Russland ihre Reserven nicht offenle- rascht? nandersetzungen in der Welt mit Rohstoff-Begehr- gen oder Angaben machen, die einen politischen lichkeiten verbunden? Hintergrund haben. Offizielle Beobachter werden Toren: Durchaus, obwohl wir bereits bei frühe- nicht zugelassen, um die Angaben zu überprüfen. ren Konflikten im Nahen Osten miterlebt haben, Toren: Häufig. Knappheit von endlichen Rohstof- Es ist also sicherlich nicht 1:1 zu übernehmen, wie Erdöl als Waffe eingesetzt worden ist. Als fen werden wohl auch in Zukunft immer wieder was beispielsweise der saudische Energieminister während des Jom-Kippur-Krieges die vereinte eine Rolle spielen. Selbst auf dem Meeresgrund in über die Reserven seines Landes sagt, denn man OPEC gegen den Westen kämpfte, schlitterten alle 5 000 m Tiefe sind die Felder größtenteils bereits „Europa hat sich dem Thema ‚Rohstoffsicherheit‘ noch nicht ernsthaft ange- nommen. Wenn man bestimmte Energiequellen wie die Kernkraft von vorn- herein ausschließt, wird es jedenfalls nicht leichter werden, die Rohstoffsi- cherheit zu gewährleisten. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Meines Erachtens wäre es sehr wichtig, viele Energieträger zuzulassen und darauf zu achten, dass man es mit verantwortungsvollen Vertragspartnern zu tun hat. Ökonomisch ist es sicherlich für die Konsu- menten wie für die Industrie nicht sehr sinnvoll, auf alle Optionen gleich- zeitig zu verzichten.“ Dr. oec. Susanne Toren, Rohstoffexpertin der Zürcher Kantonalbank, Zürich 30 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 65. Jg. (2015) Heft 3
ZUKUNFTSFRAGEN INTERVIEW ZUKUNFTSFRAGEN vergeben. Vor allem China und die USA haben gung das Überangebot durch Fracking nicht nach gegenüber den amerikanischen Konkurrenten dort im großen Stil Rohstoffrechte erworben und Westeuropa verkauft werden. Mittlerweile macht benachteiligt. Aufgrund der tiefen Energieprei- dafür Gelder an die UNO überwiesen. Europa hin- dieses Verbot keinen Sinn mehr und dürfte vom se hat sich der Standortvorteil der USA massiv gegen hat sich dem Thema „Rohstoffsicherheit“ Kongress wohl bald gekippt werden. erhöht. Man erkennt das an der Renaissance der noch nicht ernsthaft angenommen. amerikanischen Industrie. Viele US-Firmen, die „et“: Bräuchte Europa nicht dennoch dringend ihre Produktion nach Asien verlegt hatten, sind „et“: Hätte nicht auch Russland die Option, ange- eine Strategie, um den Rohstoffbedarf seiner Mit- ins Heimatland zurückgekehrt. sichts der Ukraine-Krise Rohstoffe als Waffe gegen gliedsländern abzusichern? Europa einzusetzen? „et“: In Deutschland schränken politische Vorga- Toren: Doch, allerdings erfordert das ein politi- ben die Optionen in der Energiepolitik nach und Toren: Russische Erdöl-Sanktionen gegenüber sches Umdenken, denn bis jetzt wurde dieser Pro- nach durch Ausstiege ein. Hat man sich zu einseitig Westeuropa würden uns weniger beeinträchtigen blematik wenig Beachtung geschenkt. Wie China, auf ein grünes Vorzeige-Deutschland konzentriert? als Erdgas-Sanktionen, da wir viel mehr Öl aus den die USA und andere Länder, muss sich auch Euro- OPEC-Staaten beziehen. Wir sind ja vor allem auf pa eine langfristige Rohstoffstrategie erarbeiten. Toren: Wenn man bestimmte Energiequellen wie russisches Gas angewiesen, insbesondere die süd- Man muss wissen, wie man sich existenzielle die Kernkraft von vornherein ausschließt, wird osteuropäischen Länder und auch Deutschland. Rohstoffe dauerhaft sichern kann. Dazu gehören es jedenfalls nicht leichter werden, die Rohstoffsi- Im Notfall könnte die EU einem Nachbar wie der nicht nur Öl und Gas, sondern auch die begrenz- cherheit zu gewährleisten. Das gilt für ganz Euro- Ukraine also höchstens finanziell helfen. Allerdings ten Metalle wie Kupfer- oder Nickelerze. pa. Meines Erachtens wäre es sehr wichtig, viele hat Russland gegenüber den westlichen Ländern Energieträger zuzulassen und darauf zu achten, Gas nie ernsthaft als Waffe eingesetzt. Russland ist „et“: Es wird unter anderem vorgeschlagen, in Euro- dass man es mit verantwortungsvollen Vertrags- zu stark auf Devisen aus dem Westen angewiesen, pa einen großen Binnenmarkt mit einem Referenz- partnern zu tun hat. Ökonomisch ist es sicherlich insofern sind beide Seiten voneinander abhängig. preis für Erdgas zu schaffen. Wäre das sinnvoll? für die Konsumenten wie für die Industrie nicht sehr sinnvoll, auf alle Optionen gleichzeitig zu „et“: Was wohl auf Dauer beiden Seiten nicht be- Toren: Gaspreise orientieren sich in Europa meist verzichten. hagt. am Ölpreis und werden vertraglich für mehrere Monate oder sogar Quartale festgelegt. Angesichts „et“: Deutschland geht es wirtschaftlich doch gut. Toren: Wladimir Putin weiß genau, dass in der EU dessen, dass Versorgungssicherheit zur Zeit eben darüber nachgedacht wird, wie man diese Abhän- nicht gewährleistet ist und die Elastizitäten auf Toren: Ja, aber nicht wegen der Energiewende, gigkeit verringern kann. Und ihm ist auch klar, dem Energiemarkt sehr unelastisch sind, der sondern vor allem aufgrund der Nullzinspolitik dass eine Umorientierung Europas nicht mehr Markt also nur verzögert spielt, könnte eine ge- der EZB und der schwachen Einheitswährung. rückgängig zu machen sein wird. In seiner Rede wisse staatliche Lenkung wichtiger Energiepreise Mit der Energiewende haben sich in den letzten zur Jahreswende hat er sein Volk bereits auf ein, möglicherweise für eine Übergangszeit sinnvoll Jahren die Energiekosten für die Haushalte sehr zwei wirtschaftlich schlimme Jahre eingestellt. sein. Mehr marktwirtschaftliche Verhältnisse mit stark verteuert. Eine Strafsteuer belebt den Kon- höheren Elastizitäten am Ölmarkt würde die Auf- sum nicht und die Unternehmen denken mög- „et“: Was zeichnet sich bezüglich der Versorgungs- gabe des Energie-Exportverbots in den USA schaf- lichst an einen Standortwechsel ins Ausland, was sicherheit Gas für Europa in den USA ab? fen. Im Moment ist der Referenzpreis von Gas hier auf längere Sicht Rückwirkungen auf den deut- in Europa sehr viel höher als in den USA. schen Arbeitsmarkt und damit das Wirtschafts- Toren: Eine positive Entwicklung. Das Verbot wachstum hat. des Exports von Energie in Staaten außerhalb „et“: Mit negativen Folgen für die hiesige Wirt- der NAFTA-Länder, das seit der ersten Ölkrise schaft? „et“: Frau Toren, vielen Dank für das Interview. Bestand hat, steht mittlerweile in der Diskussi- on. Bislang konnte aufgrund dieser drastischen Toren: Durchaus, denn energieintensive Indus- Das Interview führte André Behr, Wissenschafts- Maßnahme zur Sicherung der eigenen Versor- trien wie beispielsweise die Chemie werden journalist, Zürich, im Auftrag der „et“ ENERGIENEWS ENERGIENEWS ONLINE: ONLINE: www.et-energie-online.de www.et-energie-online.de ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 65. Jg. (2015) Heft 3 31
ZUKUNFTSFRAGEN MEINUNGEN & FAKTEN Die flexiblen Partner der erneuerbaren Energien: Kohlenkraftwerke Die erneuerbaren Energien genießen in Deutschland Einspeisevorrang. Wenn der Wind nicht weht und es dunkel oder trüb ist, müssen konventionelle Kraftwerke bereitstehen. Wenn der Wind aufkommt und die Sonne aufgeht, treten sie zurück. Das Stromsystem wird dynamischer, Flexibilität und die gesicherte Verfügbarkeit von Kapazitäten, die spiegelbildlich zu erneuerbaren Energien bereitstehen und die Versorgung zuverlässig gewährleisten, werden unersetzlich und haben einen Wert. Doch welche Kraftwerke sind es, die für den Ausgleich sorgen? Anhand der zur Verfügung stehenden kraftwerke sind in starkem Maße gefordert. Im Sommer wie im Winter werden die Kern- Stromerzeugungsdaten ist nachvollziehbar, Die traditionell in der Mittellast eingesetz- kraftwerke hoch ausgelastet. Die Kernener- wie in Deutschland Versorgungssicherheit ten Steinkohlekraftwerke sind der wesent- gie mit einer Kapazität von rd. 12 000 MW und Flexibilität gewährleistet werden. Hier- liche Puffer, mit dem die Schwankungen soll bis 2023 vom Netz gehen. Die von den zu werden die Monate August und Novem- der Nachfrage über den Tag und an den Wo- Kernkraftwerken zur Stromerzeugung ge- ber 2014 herangezogen (siehe Abb.). chenenden abgefangen werden. leistete Arbeit – rd. 97 TWh in 2014 – soll Abb. Vergleich der Lastkurven von erneuerbaren Energien sowie Kohlen- und Gaskraftwerken in den Monaten August 2014 und November 2014 Im August sind hohe Einspeisungen von Gaskraftwerke werden auf geringfügig höhe- überwiegend durch Erneuerbare ersetzt Wind und insbesondere PV zu verzeich- rem Niveau betrieben. Die dargestellte Ein- werden. Die sicher verfügbare Leistung nen. Steinkohlen-, aber auch Braunkohlen- speisung verläuft weiter überwiegend gleich- dieser Anlagen entfällt. Flexible Kohlen- kraftwerke werden mit verminderter Last mäßig, d. h. wärmegeführt. Nur an wenigen kraftwerke gewährleisten dann weiterhin und deutlich wechselnder Auslastung an Tagen während der Mittagszeit sind kleine Versorgungssicherheit. Werktagen und am Wochenende betrieben. Spitzen zu verzeichnen. Im Winter, wenn die Derweil sind vor allem die Gaskraftwerke Sonne wenig scheint, gewinnen Gaskraftwer- „et“-Redaktion nur noch am Netz, da sie Wärme und Strom ke zeitweise einen kleinen Teil ihrer Rolle zu- gleichzeitig in einem festen Band erzeugen. rück, die sie ursprünglich hatten, nämlich die Man nennt diese Betriebsweise „must-run“. Mittags- und Abendspitzen auszugleichen. Deutlich wird, dass Versorgungssicherheit Im November ergibt sich ein anderes Bild: und Flexibilität in Deutschland überwiegend Die Kapazitäten der Stein- und Braunkohle- durch Kohlenkraftwerke geleistet wird. 32 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 65. Jg. (2015) Heft 3
ZUKUNFTSFRAGEN TRANSFORMATION VON ENERGIESYSTEMEN ZUKUNFTSFRAGEN Standpunkt „Elektromobilität“ Die Energiewende erfordert eine fundamentale Transformation des bestehenden Energieversorgungssystems. Die technolo- gischen Konsequenzen dieses Wandels sind heute nur rudimentär abschätzbar. Deshalb sollen ab sofort in lockerer Reihe von wissenschaftlicher Seite innovative Themen wie Energiespeicher, Wasserstoff als Energieträger, CCS, Elektromobilität in Form eines Standpunktes umfassend betrachtet werden. Als Partner konnten wir dafür das Institut für Energie- und Kli- maforschung – Systemforschung und technologische Entwicklung des Forschungszentrums Jülich gewinnen. Den Auftakt macht ein Hoffnungsträger, der zur Vernetzung von Strom- und Verkehrssektor beitragen soll – die Elektromobilität. Dem Verkehrssektor in Deutschland wird, ■ EV können den Netzausbau nicht erset- 5. Für den Betrieb ohne Fernstrecken (we- ähnlich dem Wärmemarkt, im Vergleich zen, da die meisten EV in dicht besiedelten sentlicher Fahrstreckenanteil) ist die Reich- zum Strommarkt in der aktuellen Ener- Gebieten, die großen Wind- und PV-Anlagen weite rein batterieelektrischer Fahrzeuge giepolitik zu wenig Aufmerksamkeit ge- aber in dünn besiedelten Gebieten ans Netz hinreichend. Auf Fernfahrten würde vielfa- schenkt. Dabei steht er heute für etwa ein angeschlossen sind. ches Nachladen erhebliche Investitionen in Fünftel der CO2-Emissionen, der Pkw-Anteil ■ Ein nach dem EE-Strom-Angebot ge- die Infrastruktur erfordern und zudem die allein für 12 %. Mit dem Energiekonzept steuertes Laden führt zu stärkerer Gleich- Reisezeit deutlich verlängern. Alternativen 2011 wurden Grundlagen für eine nachhal- zeitigkeit der Ladevorgänge und kann daher für Langstrecken sind PHEV und REEV so- tige Entwicklung auch im Verkehr gelegt. zu Netzüberlastungen führen. Eine differen- wie die Nutzung anderer Verkehrsmittel zierte Steuerung der Ladevorgänge unter für Langstrecken: Zweitfahrzeug mit Ver- Im Mittelpunkt steht das Ziel, bis 2020 Berücksichtigung von sowohl EE-Strom-An- brennungsmotor, Car Sharing, Leihwagen, 1 Mio. und bis 2030 6 Mio. Elektrofahrzeu- gebot als auch Netzlast ist erforderlich. öffentliche Verkehrsmittel. ge auf Deutschlands Straßen zu bringen ■ Um gesteuerte Ladevorgänge zu ermögli- (Stand Ende 2014: 24 000 Elektrofahrzeu- chen, muss der Nutzer das EV bei jedem län- Ökonomische Bewertung ge). Damit will man zwei Fliegen mit einer geren Parken ans Netz anschließen und nicht Klappe erwischen: einerseits Emissions- nur dann, wenn der Ladezustand nicht mehr 6. Zusätzliches Laden über Tag erhöht die minderungen erschließen, anderseits über für die Fahrten des nächsten Tages ausreicht, elektrisch zurückgelegten Fahrstrecken des die Fahrzeugbatterien eine Pufferfunktion wie in Modellversuchen beobachtet wurde. Bestandes nur geringfügig, aber es können im Stromverteilnetz schaffen, was der Netz- (ausreichender Netzausbau vorausgesetzt) integration fluktuierender Einspeiser sowie 3. Das Ladeverhalten der EV-Nutzer hat eine PV-Strom-Überschüsse genutzt werden. einem effizienteren Netzbetrieb dienen soll. besondere Bedeutung für die Auswirkung Dem stehen Investitionen in öffentliche/ Wie realistisch sind diese Ziele nun in tech- auf Fahrzeuglebensdauer, Stromerzeugung, semi-öffentliche Ladestationen gegenüber. nischer, ökonomischer und ökologischer so- -transport und -verteilung: Am Arbeitsplatz sind die Standzeiten der wie gesellschaftlicher Hinsicht? Die folgen- Fahrzeuge länger als an öffentlichen Lade- den Thesen sollen dies kurz erläutern: ■ Laden zu Schwachlastzeiten hat Vortei- stationen. Dies ermöglicht eine geringere le in Bezug auf Batterielebensdauer, Netz- Anschlussleistung, bessere Auslastung und Technische Bewertung auslastung und Nutzung von Windstrom- besser steuerbare Ladezeiten. überschüssen. Die Aufnahmefähigkeit für 7. Die Total Cost of Ownership (TCO)-Kosten- 1. Das Laden von 1 Mio. Elektrofahrzeugen überschüssige Windenergie durch EV ist rechnung legt einen wirtschaftlichen Betrieb (EV) in 2020 ist technisch ohne größere struk- jedoch begrenzt. unter möglichst maximaler Nutzung der turelle Anpassungen der Netze möglich. Das ■ Ungesteuertes Laden kann schon bei durch die gewählte Batteriegröße vorgege- ungesteuerte Laden von 6 Mio. Fahrzeugen niedrigen EV-Anteilen in einigen Verteil- benen Reichweite nahe. Die gegenüber ei- in 2030 kann jedoch in bestimmten Fällen netzen zu Problemen führen. Durch eine nem Pkw mit Verbrennungsmotor höheren zu lokalen Überlastungen der Verteilnetze Verschiebung der Ladevorgänge in die Anschaffungskosten eines EV werden durch führen. Daher muss das Laden so gesteuert nächtlichen Schwachlastzeiten können die die geringeren Betriebs- und Kraftstoffkosten werden, dass es in Phasen geringer Netzlast Auswirkungen auf das Verteilnetz deutlich umso schneller kompensiert, je mehr Strecke verlagert wird. Alternativ ist ein Netzaus- gemindert werden. mit dem Fahrzeug zurückgelegt wird. Der bau erforderlich. Die Auswirkungen auf die Einsatz elektrisch betriebener Fahrzeuge im Stromerzeugung und das Übertragungsnetz 4. EV mit zusätzlichem Energiespeicher und städtischen Lieferverkehr kann in bestimm- in Deutschland sind nicht signifikant. -wandler (z. B. Tank und Verbrennungsmo- ten Fällen konkurrenzfähig sein. 2. Elektrofahrzeuge können dazu beitragen, tor oder Brennstoffzelle) als Plug-In Hyb- 8. Netzrückspeisung hat in der Zukunft das mehr Strom aus erneuerbaren Energien rid-Fahrzeuge (PHEV) oder Fahrzeuge mit Potenzial, kurzfristige Lastspitzen zu senken, (EE) direkt nutzbar zu machen. Dies ist aber Range Extender (REEV) können trotz einer beeinflusst aber die Lebensdauer der Batte- nur möglich bei ausreichendem Netzaus- geringeren elektrischen Reichweite einen rie, maßgeblich bedingt durch einen teilwei- bau, gezielter Steuerung der Ladevorgänge Großteil der am Tag gefahrenen Strecken se deutlich erhöhten Energiedurchsatz. Die und Mitwirkung der Nutzer: rein elektrisch zurücklegen. Erlössituation für Netzdienstleistungen muss ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 65. Jg. (2015) Heft 3 33
ZUKUNFTSFRAGEN TRANSFORMATION VON ENERGIESYSTEMEN die Einbußen bei der Batterielebensdauer Gesellschaftliche Bewertung ■ Stromversorger: Stromabsatz und Kun- kompensieren. Ob Fahrzeugnutzer an einem denbindung erhöhen, Verteilnetze stabili- solchen System teilnehmen und wie ein sol- 11. Hier besteht ein Dilemma: Kaufinteres- sieren. ches Erlössystem gestaltet werden kann, ist senten fordern höhere Reichweiten, aber derzeit Gegenstand der Forschung. Befragungen zeigen, dass EV-Nutzer die Weiterführende Literatur Reichweite im Alltagsbetrieb als ausreichend Ökologische Bewertung empfinden. Eine jederzeit gesicherte Reich- Nationale Plattform Elektromobilität: Fortschritts- weite nach den derzeitigen Wünschen von bericht 2014 der nationalen Plattform Elektromobi- 9. EV können im Vergleich zu Verbrennungs- Kaufinteressenten würde eine signifikante lität – Bilanz der Marktvorbereitung, Berlin 2014, motor-Fahrzeugen Primärenergie sowie Überdimensionierung der Batterie erfordern. abrufbar unter: http://www.bmwi.de/DE/Mediathek/ Emissionen von Treibhausgasen und Luft- 12. Für die Akzeptanz von EV ist eine öffent- publikationen,did=672614.html schadstoffen einsparen. Szenario-Analysen liche Ladeinfrastruktur wichtig. Ergebnisbericht der Modellregionen Elektromobilität des Energiesystems zeigen, dass Elektro- 13. Je nach Akteur sind unterschiedliche 2009 – 2011; Herausgeber: Bundesministerium für fahrzeuge Bestandteil von kosteneffizienten Treiber bei der Einführung der Elektromo- Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Koordination und CO2-Minderungsstrategien im Gesamtsys- bilität ins Kalkül zu ziehen: Erstellung: NOW GmbH, Berlin 2012, abrufbar unter: tem sein können. Trotz höherer Stromerzeu- http://www.now-gmbh.de/de/publikationen.html gung für den zusätzlichen Energieverbrauch ■ Politik: Primärenergieträger diversifi- Linßen, J. et. al.: Netzintegration von Fahrzeugen mit von Elektrofahrzeugen können Netto-CO2- zieren und Chancen zur Erhöhung der geo- elektrifizierten Antriebssystemen in bestehende und Einsparungen im Gesamtsystem bei Ein- strategischen Versorgungssicherheit nut- zukünftige Energieversorgungsstrukturen - Advances haltung der Ziel der Energiewende erreicht zen; lokale und globale Emissionen (insb. in Systems Analysis 1. Schriften des Forschungszen- werden. Die Einsparpotenziale sind jedoch CO2, Feinstaub und Lärm) minimieren. trums Jülich: Energie & Umwelt / Energy & Environ- abhängig vom Strommix, also vornehmlich ■ Automobilindustrie: CO2-Flottenemissio- ment. Bd. 150. Forschungszentrum Jülich GmbH: Jülich vom Anteil der erneuerbaren Energien an nen reduzieren (derzeit nur Tank to Wheel- 2012. der Stromerzeugung, und vom elektrischen Emissionen), Marktanteil behaupten und Fahranteil. EV müssen sich dabei gegen im- neue internationale Märkte erschließen. Ansprechpartner: mer effizientere und umweltfreundlichere ■ Nutzer: Image und Nachhaltigkeit ver- J. Linßen, Institut für Energie- und Klimafor- konventionelle Fahrzeuge durchsetzen. bessern, Kosten reduzieren, Fahrspaß er- schung – Systemforschung und Technologi- 10. EV können Ballungsräume von lokalen höhen, Komfort erhöhen, Mehrwerte wie sche Entwicklung (IEK-STE), Forschungszen- Emissionen (Luftschadstoffe und Lärm) ent- Standklimatisierung, einfachere Bedienbar- trum Jülich GmbH lasten. keit etc. erschließen. j.linssen@fz-juelich.de Cornelia Kawann (Hg.) ENERGIE IM WANDEL – Frauen gestalten die Schweizer Energiezukunft Energie wird erzeugt, transportiert und gespeichert. Sie wird gehandelt, genutzt, verschwendet, verbraucht, gespart und vernichtet. Wir kommunizieren und produ- zieren mit ihr. Energie ist ein politisches Thema. Aber auch eine gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Aufgabe, die nach einem ganzheitlichen Umgang verlangt. Noch immer ist die Energiewirtschaft eine Männerdomäne. Sie erfordert mit ihrer wachsenden Komplexität jedoch Bestellanschrift: zunehmend die Diversität verschiedener Kompetenzen und Sichtweisen. Diese Diversität gewinnt derzeit an Fahrt und belebt die Branche: Immer mehr Frauen steigen neu in die Energiewirtschaft ein oder belegen dort sogar Spitzenposi- tionen. Es ist Zeit, der Vielfalt und Ganzheitlichkeit zuliebe Bitte liefern Sie Exemplare einmal die Power-Frauen zu Wort kommen zu lassen: Energie im Wandel – Denn es gibt sie, sogar zahlreich. Frauen gestalten die Schweizer Energiezukunft je 29,- € (+ Porto) У ISBN 978-3-942370-41-7 Energie im Wandel – eine Aufgabe der Gesamtgesellschaft. etv Energieverlag energieverlag GmbH Wir alle sind gefordert. Postfach 18 53 54 34 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE D - 45203 Essen, TAGESFRAGEN 65. Jg. (2015) Heft 3 5FMt'BY %JF#FTUFMMVOHSJDIUFO4JFCJUUFBO'SBV)PM[ *4#/t4FJUFOt1SFJT Ŵ TJMWJBIPM[!FUWFTTFOEF
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