STUDIE Kultur und Entwicklung - Die Bedeutung von Kulturkooperation und Kunstvermittlung im entwicklungspolitischen Kontext - VIDC
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STUDIE Kultur und Entwicklung Die Bedeutung von Kulturkooperation und Kunstvermittlung im entwicklungspolitischen Kontext Sanda Üllen
2 KULTUR UND ENTWICKLUNG Sanda Üllen ist Kultur- und Sozialanthropologin und arbeitet als Lektorin am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien. Der Forschungsschwer- punkt ihrer Arbeit liegt im Bereich der Migrations- und Erinnerungsforschung mit der regionalen Fokussierung auf den Westbalkan, sowie Skandinavien. Neben der Lehrtä- tigkeit hat sie an diversen Projekten mitgearbeitet („Migration(en) im Schulbuch“ am Ludwig Boltzmann Institut für europäische Geschichte und Öffentlichkeit“ 2011-2013; „Familiy migration and integration“ am ICMPD 2013; EU NODE - Projekt „Contesting Multiculturalism. Gender Equality, Cultural Diversity and Sexual Autonomy am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie 2007). 2016 war sie „Visiting Fellow“ am Zentrum für Südosteuropaforschung an der Universität Graz. Sie hat 2017 ihre Dissertation mit dem Titel „Zuhause Erinnern? Transnationale Familien und die Ambivalenzen des Er- innerns im bosnisch-herzegowinischen Nachkriegskontext“ beendet. Impressum Herausgeber und Medieninhaber: VIDC – Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation Möllwaldplatz 5/9, A-1040 Wien, www.vidc.org Fotos Cover (v. l. n. r.): 1. Reihe: Moonchild Sanelly X Fem*Friday © Abiona Esther Ojo; Culture X Change © kulturen in bewegung; Culture X Change © Georg Cizek-Graf; La Philosophie Banane © Maria Noisternig 2. Reihe: Poetic Pilgrimage X Fem*Friday © F-filmTec.; Amadinda Sound System © Seayou Records; Syrian Links © Shergo Abdulghani; Reflect Festival © Camillus Konkow 3. Reihe: Kick it © Karo Pernegger; Perwanas Abend © Karo Pernegger; Wien im Fluss © Fesih Alpagu; Südnovation © kulturen in bewegung Autorin: Sanda Üllen Redaktion: Cosima Sindlhofer Grafik: typothese.at, 1150 Wien Offenlegung gemäß § 25 des Mediengesetzes Copyright: Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation, März 2021 Grundlegende Themen: Kultur und Entwicklung, entwicklungspolitische Kulturarbeit in Österreich bzw. Europa Die in dieser Publikation geäußerten Ansichten sind die des Autors und nicht notwendigerweise die des Herausgebers/VIDC
DIE BEDEUTUNG VON KULTURKOOPERATION UND KUNSTVERMITTLUNG IM ENTWICKLUNGSPOLITISCHEN KONTEXT 3 INHALT 1. Einleitung................................................................................................................................................ 4 1.1. Methodisches Vorgehen....................................................................................................................................5 2. Meilensteine des Kultur-Entwicklung-Nexus............................................................................................. 6 2.1. Die Rolle der UNESCO........................................................................................................................................6 2.2. Kulturpolitik auf europäischer Ebene................................................................................................................9 2.3. Nationale Entwicklungsagenturen ..................................................................................................................11 2.3.1. Österreich.......................................................................................................................................12 2.3.2. Dänemark........................................................................................................................................13 2.3.3. Deutschland....................................................................................................................................13 2.3.4. Schweiz ..........................................................................................................................................14 2.4. Transnationale Netzwerke & Zivilgesellschaft . ..............................................................................................15 3. kulturen in bewegung – ein fester Bestandteil österreichischer kulturpolitischer Entwicklungszusammenarbeit................................................................................................................ 19 3.1. Kultur und Kunst als Kommunikation – Vermittlung und Kulturaustausch......................................................20 3.1.1. Spannungsfeld Mobilität und Koproduktion...................................................................................21 3.2. Festivalisierung und Eventisierung von Kultur.................................................................................................24 3.2.1. Spannungsfeld Repräsentation - Kultur – Entwicklung..................................................................25 3.2.2. Spannungsfeld Kommerzialisierung von Kultur..............................................................................25 3.3. Inklusion von migrantischen Stimmen . ..........................................................................................................26 3.4. Kultur, Gender Equality und Empowerment ...................................................................................................26 3.5. Kinder und Jugendliche als besondere Zielgruppe..........................................................................................27 3.6. Kulturarbeit und Identitätspolitik.....................................................................................................................28 4. Conclusio............................................................................................................................................... 30 5. Literaturverzeichnis............................................................................................................................... 33 Weitere Quellen......................................................................................................................................................35
4 KULTUR UND ENTWICKLUNG 1. EINLEITUNG Die Frage, welche Rolle Kultur für die Entwicklungspo- Kultur wurden vermehrt als Schlüsselfaktoren mensch- litik spielt bzw. spielen kann, eröffnet die Diskussion in licher Entwicklung gesehen. Zusätzlich brachte die Dis- einem weiten Feld. Beide sind auf komplexe Weise mit- kussion um Kultur und Rechte rechtsbasierte Zugänge einander verwoben und betreffen gesamtgesellschaftli- in entwicklungspolitische Diskurse und machte kulturel- che, soziale, wirtschaftliche und politische Ebenen. Sei le Rechte zum wichtigen Instrument internationaler Ko- es, wenn es um Konsum kultureller Güter, um Fragen operation. Herausfordernd bleibt dabei, dass es in der von Meinungsfreiheit, bildungspolitische Initiativen, Entwicklungspolitik und der Entwicklungszusammen- Demokratisierungsprozesse, Menschenrechte, Fragen arbeit auch nach jahrzehntelanger Diskussion um das von Geschlechtergleichheit geht – Entwicklungspoli- Thema Kultur keinen Konsens über einen bestimmten tik kommt ohne die kulturelle Ebene nicht aus. Bereits Kulturbegriff gibt. Aus diesem Grund blieb Kultur noch 1966 wies die UNESCO auf die Bedeutung von Kultur jahrelang von Entwicklungs- und Kooperationsprogram- für internationale Kooperationen hin. Jedoch blieb die men ausgeschlossen bzw. wird auch heutzutage noch enge Verbundenheit zwischen Entwicklung und wirt- als ein Randthema behandelt. schaftlichem Wachstum lange Zeit ein Hindernis für Die vorliegende Studie will sich somit näher mit dem Inklusion sozio-kultureller Zugänge im entwicklungspo- Beitrag von Kunst- und Kulturarbeit innerhalb der Ent- EsRAP X Reumannblast © F-filmTec litischen Kontext. Andererseits wurde Kultur lange Zeit wicklungszusammenarbeit beschäftigen. Der Schwer- als Hindernis für erfolgreiche Umsetzung von Entwick- punkt liegt auf der Auseinandersetzung mit der Frage, lungsprogrammen gesehen. Die Erkenntnis um die Viel- wie sich die Kulturarbeit und Kulturvermittlung im Kon- schichtigkeit menschlicher Entwicklung und die breitere text der Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Konzeptualisierung von Armut ab den 1990er erwei- Jahrzehnten verändert bzw. entwickelt haben. Dabei terte den entwicklungspolitischen Zugang jenseits von wird ein historischer Überblick über die wichtigen Maß- ökonomisierenden Faktoren: Bildung, Gesundheit und nahmen auf internationaler und nationaler gegeben.
DIE BEDEUTUNG VON KULTURKOOPERATION UND KUNSTVERMITTLUNG IM ENTWICKLUNGSPOLITISCHEN KONTEXT 5 Die historische Kontextualisierung soll helfen, nationale und Auswerten subjektiver Positionen ergänzt. Dabei Entwicklungspolitiken und die praktische Arbeit im ent- sollen Rückschlüsse über die zukünftige Positionierung wicklungspolitischen Kontext zu verstehen. Das Ziel ist der Kunst- und Kulturvermittlung in der EZA gewonnen es, den Diskurs um Kultur und Entwicklung in den letz- werden: Was gelang besonders gut? Wo gibt es Ver- ten Jahrzehnten theoretisch und praktisch aufzuzeigen. besserungspotential? Wo sind Widersprüche sichtbar Einerseits wird somit der Frage nachgegangen, wel- geworden? Wie ging man damit um? Was hat sich auf che Funktion Kultur und Kunst in der Gesellschaft ha- sprachlicher und visueller Ebene im Laufe der Zeit ver- ben. Andererseits werden Schwerpunkte vorgestellt, ändert? Was hat man generell aus den letzten 25 Jah- die sich innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit ren gelernt? Wie möchte man die zukünftige Kulturar- definieren. Durch die Diskussion der Arbeit von kulturen beit gestalten? In einer ersten gemeinsamen Sitzung in bewegung als bedeutendste Organisation in diesem wurde ein Zeitleistencluster erstellt (siehe Abbildung 1). Kontext soll aufgezeigt werden, welche Positionierung Dabei wurde die Menge an unterschiedlichen Projek- zu Kunst und Kultur in der Entwicklungszusammenarbeit ten und Initiativen sichtbar, die kulturen in bewegung die am VIDC angesiedelte Institution dabei hat und was in den letzten 25 Jahren begleitet hat. Ergänzt wurde sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat. das Clustern durch Fragebogenbefragungen. Die Fragen richteten sich einerseits nach der emischen Perspektive zu Kunst und Kultur, der Einschätzung der Positionie- In meiner Hand eine Wolke © Andreas Kurz 1.1. Methodisches Vorgehen rung von kulturen in bewegung im entwicklungspoli- tischen Kontext, den größten Herausforderungen und Der Überblick über die historische Entwicklung und Widersprüchen sowie einem Ausblick in die Zukunft. das Angebot an kulturellen Aktivitäten unterschied- Abgerundet wurde dies durch eine weitere Teamsit- licher Institutionen wurde anhand der Literatur- und zung, wobei die Antworten aus den Fragebögen dis- Dokumentenrecherche erhoben. Dazu wurden Home- kutiert und vertieft wurden. Zusätzlich dazu wurden pages, Auftritte in den sozialen Medien, sowie die be- semi-strukturierte Interviews mit ehemaligen Mitarbei- reits vorhandenen Publikationen ausgewertet. Die Ana- terinnen sowie mit Kunstschaffenden geführt. Die Er- lyse zu kulturen in bewegung wurde durch das Erheben gebnisse werden auf den folgenden Seiten vorgestellt.
6 KULTUR UND ENTWICKLUNG 2. M EILENSTEINE DES KULTUR- ENTWICKLUNG-NEXUS Die Diskussion um die Bedeutung von Kultur im ent- und Fluidität geprägt wird. Durch den Einsatz eines bre- wicklungspolitischen Kontext ist nicht neu. Globalisie- iten Kulturbegriffes wird der Versuch unternommen, rungsprozesse, geopolitische Umwälzungen, die Er- Kultur und Entwicklung als eine Einheit zu verstehen kenntnis über die Bedeutung von Kultur und Kunst als und nicht als Gegensatz. Schwierig, da noch immer ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, Veränderun- schwammig, ist die Unterscheidung zwischen Kultur gen entwicklungspolitischer Paradigmen sowie institu- und Kunst. Kunst spielt eine zentrale Rolle im Feld von tionelle Schwerpunktsetzungen der UN-Institutionen Kultur, die durch Musik, Film, Bilder eine Ausgestal- trugen wesentlich dazu bei, dass Kultur und Kunst im tungsform hat und als kulturelle Ressource besonders entwicklungspolitischen Kontext zu einem wichtigen wertvoll ist. Aus diesem Grund spricht Faschingeder Thema wurde. von Kultur-als-Kunst-Kulturbegriff (Faschingeder 2010: 36): Kunst kann Unsagbares ausdrücken, sowie Grenzen des Sagbaren verschieben und ist demnach ein wichti- 2.1. Die Rolle der UNESCO ges Instrument emanzipatorischer (Selbst)Repräsenta- tion. Künstlerische Interventionen sprechen entwick- Besonders die Diskurse innerhalb der UNESCO ha- lungspolitisch relevante Themen an, wie Ausbeutung, ben den entwicklungspolitischen Diskurs der letzten undemokratische Verhältnisse, Korruption, Intranspa- Jahrzehnte geprägt. Die UNESCO operiert dabei mit ei- renz etc. an und daher verwundert es nicht, dass Schutz nem breiten Kulturbegriff, der die Künste inkludiert und von Meinungsfreiheit eines der Ziele kulturpolitischer viel Raum für Interpretationen offenlässt: Entwicklungszusammenarbeit ist. Lange Zeit, vor allem geprägt durch Dependenz- und „Kultur [kann] in ihrem weitesten Sinne Modernisierungstheorien galt Kultur als ein Hindernis als die Gesamtheit der einzigartigen für Entwicklung. Angesichts der weltweiten Industria- geistigen, materiellen, intellektuellen und lisierung und der damit erwarteten ökologischen und emotionalen Aspekte angesehen werden wirtschaftlichen Folgen kam es Ende der 1980er Jahre (...), die eine Gesellschaft oder eine soziale entwicklungspolitisch zu einem Paradigmenwechsel, Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht indem der Aspekt der Nachhaltigkeit in die Programme nur Kunst und Literatur ein, sondern Einzug gehalten hat. Der aus der Forstwirtschaft stam- auch Lebensformen, die Grundrechte des mende Begriff „nachhaltige Entwicklung“ wird ver- Menschen, Wertsysteme, Traditionen und standen als „Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft“ der da- Glaubensrichtungen.“ (UNESCO 1982) durch auch eine soziale sowie soziokulturelle Dimensi- on mitimpliziert (Gad 2014: 39). Aufbauend auf diesen Der Anspruch der 1982 auf der UNESCO Konferenz Erkenntnissen brachte die eingangs erwähnte UNESCO vorgetragenen Definition von Kultur war es somit, die Konferenz 1982 in Mexiko-Stadt einen Paradigmen- kulturelle Dimension von Entwicklung zu betonen und wechsel, welcher nicht nur den Kulturbegriff, sondern die Förderung von Kultur und Kunst zu einem explizi- auch den Entwicklungsbegriff wesentlich erweiterte. ten Ziel der Entwicklungspolitik zu machen. Obwohl die Die Entwicklungszusammenarbeit, als ein „kulturel- Diskussion um die Definition von Kultur eine lange ist, les Produkt des Westens“ (Gieler 2010: 40) beruhte in führte die breitere, „anthropologische“ Konzeptualisie- Bezug auf Zielsetzung als auch die Methodik lange auf rung von Kultur zur Ankerkennung kultureller Vielfalt westlichen Modellen. Die Anerkennung kultureller Di- und in weiterer Folge zum Prinzip kultureller Politik. mension von Entwicklung verstärkte die Einsicht, dass Weiters wird Kultur nicht als statisch, unbeweglich und kulturelle Identität bedeutsam für Entwicklungsprozes- fix, sondern als ein Prozess verstanden, welcher ständig se sei. Die Erkenntnis, dass lokale Vorstellungen von (neu)ausverhandelt, umstrukturiert und von Dynamik Kultur, kulturelle Begebenheiten vor Ort, Traditionen
DIE BEDEUTUNG VON KULTURKOOPERATION UND KUNSTVERMITTLUNG IM ENTWICKLUNGSPOLITISCHEN KONTEXT 7 usw. eine relevante Größe für Erfolge von Entwicklungs- licht. 1992 verabschiedete die UNO auf der Konferenz projekten sind, verstärkte somit die Bedeutung sozio- für Umwelt und Entwicklung das Leitpapier Agenda 21 kultureller Dimension. Des Weiteren rückte der Mensch welches für die stärkere Partizipation von Bevölkerung in den Mittelpunkt von Entwicklung. Immer bewusster an Gestaltung der Gesellschaft plädiert (vgl. Vereinte wurde, dass lokale kulturelle Vorstellungen immens Nationen 1992). Jedoch, auch wenn inzwischen Parti- relevant sind und deren (Nicht)Berücksichtigung zum zipation und Kooperation erwünscht sind, sind sie wie Erfolg oder Misserfolg von Projekten führen kann. Die Gad anmerkt, „nur selten ernsthafte Ausgangsbasis“ kulturellen Differenzen sollen wahrgenommen werden, (Gad 2014: 34). Die Problematik dabei bleibt die Lo- ohne reduktionistisch und simplifizierend zu operieren gik von Entwicklungsprogrammen, die auf Messbarkeit und daraus abwertende und klischeehafte Einstellun- und Erfolge ausgerichtet sind. Auch wenn die UNESCO gen zu beziehen. Damit konnten bis zu einem gewissen versucht hat, valide kulturelle Indikatoren für Entwick- Grad Eurozentrismus und der Paternalismus in ent- lung zu definieren, bleiben quantifizierende Aussagen wicklungspolitischen Projekten aufgebrochen werden. über den Einfluss kultureller Projekte auf Entwicklung Jedoch, wie Gieler anmerkt, stehen Entwicklung und schwer greifbar. Außerdem sind Beurteilungskriterien Kultur zum Teil noch immer synonym für den Ethnozen- immer Machtkriterien aus einer bestimmten und insti- Graffiti-Workshop X Reumannblast © Maria Hruschka trismus, „da sie westliche Modernisierung zur Univer- tutionalisierten Perspektive. salie erheben und unabhängige Sonderwege missach- In diesem Sinne kam es ab den 1990er Jahren zu ei- ten“ (2010: 48). Daher bleibt es noch immer wichtig, nem Kultur-Boom im entwicklungspolitischen Kontext: Machtverhältnisse zu hinterfragen, denn „jede kultur- „Kultur statt Politik“ (Faschingeder 2003: 10) lautete sensible Entwicklungszusammenarbeit ist zum Schei- die Formel. Der neoliberale Zugang der 1990er Jahre tern verurteilt, wenn sie Kultur nicht aus als Ausdruck prägte auch den entwicklungspolitischen Diskurs: De- [...] von Machtverhältnissen interpretiert und entwick- regulierung, Öffnung der Märkte, der Ruf nach harter lungspolitische Maßnahmen setzt“ (ebd. 18). Einen Währungspolitik bedeuteten u.a. einen anderen Um- möglichen Ausweg stellt ein interdisziplinärer, kultu- gang mit Kultur. Das Ziel der „Weltdekade für kulturelle rübergreifender Diskurs, der partnerschaftlichen und Entwicklung“ der UNESCO von 1988 bis 1997 war es, beiderseitigen Zugewinn, sowie Partizipation ermög- den Diskurs um kulturelle Dimension multiperspekti-
8 KULTUR UND ENTWICKLUNG visch und ausdifferenziert zu führen. Kultur soll inner- Ein weiterer Punkt der für kultursensible Entwick- halb wirtschaftlich orientierter Entwicklungsprogram- lungspolitik wichtig wurde, wurde im Rahmen der Welt- me einen Platz bekommen und anerkannt werden. Kul- konferenz für Kulturpolitik 1998 in Stockholm und dem tur innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit stellte dort ausformulierten Aktionsplan „The Power of Cul- zum Teil einen Markt da, der vor allem durch das Label ture“ in den Fokus gerückt: „kulturelle Kreativität“ „Weltmusik“ zu einem künstlerischen Produkt wurde. wurde zur „Quelle menschlichen Fortschritts“ erklärt Solidarität mit dem globalen Süden wurde durch Mu- (Deutsche UNESCO Kommission 1998: 2). Gleichzeitig sik/Events konsumierbar. Obwohl hierbei entwicklungs- wird kulturelle Vielfalt zum Entwicklungsfaktor für politische Diskurse den Rahmen bildeten, kritisiert Fa- nachhaltige Entwicklung erklärt (vgl. Gad 2014). Die- schingeder, kam es zu einer neuen Form der Beziehung, se Überlegungen gipfelten im 2005 ausformulierten welche durch ein „marktwirtschaftlich organisiertes „Übereinkommen über Schutz und Förderung der Viel- Austauschverhältnis“ (ebd. 12) gekennzeichnet war. falt kultureller Ausdrucksformen“ der UNESCO: Gleichzeitig rückte anfangs der 1990er Jahre die UNO im Rahmen des Entwicklungsprogrammes der Ver- „’Kulturelle Vielfalt’ bezieht sich auf die einten Nationen (UNDP) unter Amartya Sen den Begriff mannigfaltige Weise, in der die Kulturen der „menschlichen Entwicklung“ als Entwicklungsin- von Gruppen und Gesellschaften zum dikator in den Vordergrund. Ergänzend zu den wirt- Ausdruck kommen. Diese Ausdrucksformen schaftlichen und politischen Indikatoren wurde der Zu- werden innerhalb von Gruppen und gang zu Bildungsangeboten eingeführt (vgl. Gad 2014). Gesellschaften sowie zwischen ihnen Das Konzept, welches sich auf sieben Freiheiten des weitergegeben. Menschen stützt, inkludiert das Recht auf Mitbestim- Die kulturelle Vielfalt zeigt sich nicht nur mung und Mitgestaltung. In weiterer Folge fand die in der unterschiedlichen Weise, in der Auseinandersetzung mit dem Thema Eingang in die Dis- das Kulturerbe der Menschheit durch kussion um kulturelle Rechte. Das Recht auf kulturelle eine Vielzahl kultureller Ausdrucksformen Rechte findet sich bereits in der Allgemeinen Erklärung zum Ausdruck gebracht, bereichert und der Menschenrechte 1948, wird jedoch erst im Jahr weitergegeben wird, sondern auch in 1966 völkerrechtlich bindend. den vielfältigen Arten des künstlerischen Das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben findet Schaffens, der Herstellung, der Verbreitung, sich weiters explizit in der „Recommendation on Parti- des Vertriebs und des Genusses von cipation by the People at Large in Cultural Life and their kulturellen Ausdrucksformen, unabhängig Contribution to It“ der UNESCO 1976, wobei es beson- davon, welche Mittel und Technologien ders um drei Schlüsselaspekte geht: Zugang zu Kultur, verwendet werden.“ (UNESCO 2005: 13) Partizipation am kulturellen Geschehen sowie Möglich- keiten, an Kommunikation (im Sinne von Austausch, Das Übereinkommen von 2005 basiert auf den Welt- aber auch Freiheit zu kommunizieren) teilzunehmen konferenzen für Kultur in Venedig (1970), Mexiko-Stadt (UNESCO 1976). Im UNDP-Bericht 2004 „Kulturelle Frei- (1982) und Stockholm (1998), sowie der Weltdekade heit in unserer Welt der Vielfalt“ wird kulturelle Frei- für kulturelle Entwicklung (1988-1997) und zahlreichen heit selbst zum Bestandteil des Konzepts, wodurch der zum Thema verfassten Weltberichten (z.B. Unsere kre- Bedarf nach „kulturpolitisch motivierten Strategien“ ative Vielfalt 1995). Die in 2007 in Kraft getretene Kon- (Gad 2014: 46) geltend gemacht wird. Resümierend vention wurde von 149 Vertragsparteien ratifiziert und stellt Gad fest, dass das „Konzept der kulturellen Ent- dient als ein „Orientierungsrahmen der UNESCO für wicklung (...) zu einem Zeitpunkt, an dem offensichtlich die Stärkung der Kapazitäten zur Schaffung, Produkti- wurde, dass ein allein technisch-materieller Fortschritt on und Verbreitung kultureller Güter, Dienstleistungen nicht ausreiche, um eine umfassende, ganzheitliche und Aktivitäten.“ Das Übereinkommen ist durch seine Entwicklung einer Gesellschaft zu fördern“ entstand Konzeptualisierung in der „Kultur und kulturpolitisches (2014: 47). Die Diskussion um kulturelle Rechte zieht Handeln eine Schlüsselkomponente von eigenständi- sich dennoch bis in die Gegenwart und trotz ihrer völ- ger und nachhaltiger Entwicklung verstanden wird“ ein kerrechtlichen Verankerung erfahren kulturelle Rechte wichtiges Grundlagendokument für die Debatte über wenig Beachtung im entwicklungspolitischen Kontext. internationale Kulturpolitik (Gad 2014: 87). Durch den
DIE BEDEUTUNG VON KULTURKOOPERATION UND KUNSTVERMITTLUNG IM ENTWICKLUNGSPOLITISCHEN KONTEXT 9 völkerrechtlich bindenden Charakter der Konvention auch potentiell problematisch. Obwohl die Konvention werden Nationalstaaten dazu verpflichtet, Strategien mit dem Anspruch angetreten ist, die Schieflage zwi- zur Entwicklung einer Kulturpolitik umzusetzen. Vor al- schen Nord und Süd zu entschärfen, gibt es hier noch lem die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure gilt viel Verbesserungspotenzial. Der Wert der weltweiten als ein Kernstück um die vier wesentlichen Bereiche vo- Exporte kultureller Güter ist von 2013 auf 2014 um ranzubringen: knapp US$ 40 Mrd. gestiegen und wie Merkel anmerkt, • Stärkung von Governance im Kulturbereich hat der Kultursektor in zwischen mehr Beschäftigte als • Verbesserung der Bedingungen für die Mobilität von die Autoindustrie (vgl. Merkel 2010). Jedoch bleibt der Kunstschaffenden Anteil von Exporten ungleich verteilt: 26,5% der Expor- • Integration von Kultur in nachhaltige Entwicklungs- te entfallen auf sogenannte Entwicklungsländer (außer strategien China und Indien) und nur 0,5% auf die am wenigsten • Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten entwickelten Länder (UNESCO 2018). Eine weitere Herausforderung bleibt somit die bud- Die Konvention definiert Kultur sowohl als Ware und getäre Situation der teilnehmenden Länder. Obwohl Träger von Wertvorstellungen und sieht Kultur als ein viele Vertragsländer Kultur in nachhaltige Entwicklungs- „strategisches Element von Entwicklungspolitik und re- pläne einbeziehen , sinkt der Anteil an für Kultur auf- gionaler Entwicklung“ (Merkel 2010: 68). Die Verortung gewendeter öffentlicher Entwicklungshilfe jährlich und von Kultur als strategisches Element hat die Stärkung war im Jahr 2018 der niedrigste seit 10 Jahren. Posi- unabhängiger lokaler und regionaler Kulturwirtschaf- tiv wird hervorgestrichen, dass es vor allem auf städ- ten zum Ziel, die durch internationale Kooperationen tischer Ebene eine Steigerung in Investitionen in Kul- und Abkommen erreicht werden sollen. Der Artikel 16 turwirtschaft und Entwicklung gibt, dabei wird jedoch der Konvention verpflichtet die teilnehmenden Länder – laut den Studienautor*innen – zu wenig auf ökolo- zu einer „Vorzugsbehandlung für Entwicklungsländer“, gische Auswirkungen von kultureller Produktion und die u.a. die Kunstsektoren Film, Musik und Fernsehen künstlerischem Wirken geachtet. Weiterer positiver Ef- betreffen. Mit diesen verbindlichen Klauseln soll gesi- fekt ist, dass der durch die UNESCO angeregte Diskurs chert werden, dass sowohl Individuen als auch Gesell- um kulturelle Vielfalt, deren Schutz und Anerkennung schaften längerfristigen Nutzen von der Konvention zum weiteren Umdenken und Neukonzeptualisierung haben. Die Vorzugsbehandlungen für Kunstschaffende des Entwicklungsbegriffes beigetragen hat (vgl. UNES- dienen somit dem Ziel, eigene kulturelle Ausdrucksfor- CO 2018). men zu stärken und zu verbreiten. Dies soll besonders der Schieflage im Güteraustausch zwischen dem Globa- len Süden und dem Globalen Norden entgegenwirken. 2.2. Kulturpolitik auf europäischer Jedoch zeigt der 2018 veröffentlichte Bericht über die Ebene Umsetzung der Konvention, dass trotz der positiven Si- gnale vieles noch unzureichend umgesetzt worden ist. Im Kontext der Europäischen Union wird Kulturpoli- Die transnationale Zusammenarbeit, sowie die Mobili- tik ab den 1990er Jahren zum sichtbaren Thema. Im am tät im globalen Süden nehmen zwar zu, dennoch blei- 1.11.1993 in Kraft getretenen Vertrag über die Europäi- ben Reisebeschränkungen und somit ein Ungleichver- sche Union verpflichtet sich die Union im „Kulturartikel“ hältnis im globalen Austausch zwischen dem Globalen (§167 des Vertrags von Lissabon) zur Wahrung der kul- Süden und Norden bestehen. Trotz der Vorzugsklausel turellen Vielfalt Europas und zum Schutz des gemeinsa- sind nur 18% der Kunstschaffenden aus dem Globalen men Kulturerbes. Diese vorerst EU-intern ausgerichte- Süden für Mobilitätsprogramme aus dem Globalen Nor- te Politik wird im Laufe der Jahre ausdifferenziert und den antragsberechtigt. Jedoch bleibt anzumerken, dass 1997 beschreibt der Europarat im Bericht „In from the bilaterale und regionale Handelsabkommen immer Margins“ Kulturpolitik als öffentliche Aufgabe: stärker kulturelle Klauseln beinhalten. Auch ist die Stär- kung regionaler Binnenmärkte nicht zu vernachlässi- „We define cultural policy as the overall gen. Weiters ist die Ökonomisierung und Kommodifizie- framework of public measures in the rung von Kultur, begleitet von Wahrnehmung von Kul- cultural field. They may be taken by tur als Ware und einer steigenden Kommerzialisierung national governments and regional and
10 KULTUR UND ENTWICKLUNG local authorities, or their agencies. A ziehungen“ gefördert (Europäische Kommission 2018). policy requires explicitly defined goals. In Die Agenda hebt weiters die Bedeutung kultureller order to realise these goals, there need Dimension für nachhaltige Entwicklung hervor und to be mechanisms to enable planning, verfolgt dabei drei strategische Ziele: eine soziale, eine implementation and evaluation.” wirtschaftliche und eine außenpolitische Dimension. (Europarat 1997: 33) Der EU-Arbeitsplan für 2019-2022 setzt somit folgende Schwerpunkte: Die Aufgabe der Kulturpolitik umfasst dabei folgende • Nachhaltigkeit des Kulturerbes Ziele: • Beitrag von Kultur zum Zusammenhalt in der Gesell- 1. Förderung von kultureller Identität schaft 2. Förderung von kultureller Vielfalt • Unterstützung von Kultur- und Kreativschaffenden 3. Förderung von Kreativität und europäischen Inhalten 4. Förderung gesellschaftlicher Teilhabe als Teil einer • Gleichstellung der Geschlechter globalen Gesellschafts- und Friedenspolitik (Europa- • Internationale Kulturbeziehungen (Europäische Kom- rat 1997: 45-50, zit. nach Gad 2014: 93) mission 2018) 2007 veröffentlichte die Europäische Kommission Bezüglich außenpolitischer Dimension will man beson- die „Europäische Kulturagenda im Zeichen der Globali- ders die internationalen Kulturbeziehungen stärken und sierung“, die zwischen einem breiten und einem engem fokussiert sich auf Förderung von: Konzept von Kultur oszilliert: • Kultur als Motor für nachhaltige soziale und wirt- schaftliche Entwicklung „Kultur ist die Seele der menschlichen • interkulturellem Dialog Entwicklung und Zivilisation. Die Kultur lässt • Kulturerbe – Stärkung der Zusammenarbeit (Europäi- uns hoffen und träumen, indem sie unsere sche Kommission 2018) Sinne anregt und neue Sichtweisen der Wirklichkeit bietet. Sie bringt die Menschen Bei der Umsetzung der Projekte wird auf partizipa- zusammen, indem sie den Dialog anfacht tive, bottom-up Zugänge wert gelegt und die Bedeu- und Leidenschaften weckt, aber auf eine tung lokaler Verantwortlichkeit betont. Das Netzwerk Art, die eint anstatt entzweit.“ (Kommission der kulturellen Institutionen der EU, EUNIC, übernimmt der europäischen Gemeinschaften 2007: 1). dabei die Implementierung der Projekte mit der Unter- stützung lokaler EUNIC Institutionen und in Kooperati- 2009 kam es zur Verabschiedung der „Brüsseler De- on mit EU Delegationen und lokalen Partner*innen. klaration“, die die Zusammenarbeit zwischen der EU Wie der UNESCO Bericht 2018 jedoch betont, gibt und den AKP-Staaten fördern soll. Unter dem Titel „Cul- es auch auf europäischer Ebene noch einiges an Han- ture and Creativity, Vectors for Development“ wurde dlungsbedarf. Auch Gad stellt fest: „Kulturpolitik bleibt vor allem die ökonomische Dimension von Kultur und bis auf weiteres kein vorrangiges Thema in der Entwick- Entwicklung diskutiert. Nachdem die EU die UNESCO lungspolitik“ (2014: 98). Maßnahmen der Kulturpolitik Konvention ratifiziert hatte, entwickelte sie 2016 die ge- konzentrieren sich immer mehr auf die „Stärkung der meinsame Mitteilung „Künftige Strategie der EU für in- kulturellen Wertschöpfungskette: Schaffensprozess, ternationale Kulturbeziehungen“. In dieser im Einklang Produktion, Vertrieb/Verbreitung und Zugang.“ (ebd.) mit der UNESCO Konvention stehenden Erklärung wird Was nötig ist, ist ein integrativer Politikansatz und die Kulturdiplomatie zu einem neuen Bereich für das die Einbindung von Akteurer*innen unterschiedlicher gemeinsame auswärtige Handeln der Union erkoren. Bereiche (Zivilgesellschaft und Politik). Das Ziel muss Des Weiteren wird die Rolle von Kultur als „wichtige es daher sein, „Kulturpolitik als integralen Bestandteil Komponente und als Impulsgeber der Entwicklung“ im von Gesellschaftspolitik zu begreifen“, welche auf „ei- neuen europäischen Konsens über die Entwicklungspo- nem Verständnis von Kultur, Politik und Gesellschaft litik anerkannt. Kultur wird „als Identitäts- und Kohäs- als einem Dreieck mit gegenseitiger Wechselwirkung“ ionsträger, als Motor für soziale und wirtschaftliche beruht (Gad 2014: 99). Darüber hinaus werden neue Entwicklung und als Faktor für die Pflege friedlicher Be- Technologie- und Vertriebsmöglichkeiten (Internet, Te-
DIE BEDEUTUNG VON KULTURKOOPERATION UND KUNSTVERMITTLUNG IM ENTWICKLUNGSPOLITISCHEN KONTEXT 11 lekommunikation) kulturpolitisch immer bedeutsamer. • Ziel 11 – Nachhaltige Städte und Gemeinden, unter Da in vielen Ländern noch immer kohärente strategi- Punkt 11.4: sche Papiere fehlen, welche die Ziele und die Zusam- „Die Anstrengungen zum Schutz und zur Wahrung menarbeit zwischen Entwicklung und Kultur definieren des Weltkultur und -naturerbes verstärken.“ fordert Wilhelm, die Verknüpfung von Kultur und Ent- wicklung zu einem „institutionalisierten Faktor“ bei der • Betrachtet man Kultur im breiten Sinne als Wirkungs- Implementierung von Projekten zu machen (Wilhelm feld und Handlungsfeld, kann man Kultur bei Zielen 2010). Nachdem Kultur ein Nebenthema bei den Mil- 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) und 16 (Frieden, leniumszielen der Entwicklung (MDGs) war, bleibt sie Gerechtigkeit und starke Institutionen) als mitimpli- auch bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG) ziert denken. ein Unterthema, auch wenn die UNESCO betont, Kul- tur wäre ein „Herzstück der sustainable development Die Agenda 30 spiegelt somit die drei wichtigen Di- goals“: mensionen Wirtschaft, Soziales und Ökologie wieder und der Anspruch, Kultur als eine vierte Dimension von „Wenn die SDGs nach ökonomischen, Entwicklung zu etablieren, wurde nicht erreicht. Rah- sozialen und ökologischen Zielen als die drei menpläne für nachhaltige Entwicklung zeichnen sich Säulen nachhaltiger Entwicklung gegliedert laut dem UNESCO Bericht somit immer noch durch eine sind, dann tragen Kultur und Kreativität Absenz kultureller Dimension aus (UNESCO 2018). zu jeder dieser Säulen transversal bei. Im Nichtsdestotrotz ist Kultur immer mehr zu einem mehr Gegenzug trägt die ökonomische, soziale oder weniger sichtbaren, jedoch fixen Bestandteil zahl- und ökologische Dimension nachhaltiger reicher internationaler und nationaler Programme ge- Entwicklung zum Schutz des kulturellen worden, die von staatlichen Organisationen getragen Erbes sowie zur Förderung von Kreativität werden. Im nächsten Abschnitt erfolgt eine Übersicht bei.“ (UNESCO Internetquelle a) über ein paar ausgewählte nationale, internationale und transnationale Akteure, die sich mit dem Thema Im Vergleich zu den MDGs bringen SDGs somit eini- Entwicklung und Kultur beschäftigen. ges an Fortschritt in diesem Bereich, aber es gibt noch immer keine Anerkennung für Kultur als Treibkraft für nachhaltige Entwicklung. Die SDGs bestehen aus 17 Zie- 2.3. Nationale len mit Unterzielen. Keines der 17 Ziele ist explizit der Entwicklungsagenturen Kultur gewidmet, vielmehr findet sich Kultur als Unter- punkt bei u.a. folgenden Zielen: Neben den supranationalen Institutionen wie der • Ziel 4 – Hochwertige Bildung, Unterpunkt 4.7: UNESCO oder der EU spielen nationale Akteure, wie „Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die not- nationale Entwicklungsagenturen bei der Implemen- wendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur För- tierung entwicklungspolitischer Programme eine we- derung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter sentliche Rolle. Gerade Kulturpolitik zeichnet sich durch anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung internationale Zusammenarbeit aus, obwohl laut der und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, UNESCO Konvention 2005 Kulturpolitik als „souverä- Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens ne Aufgabe jedes einzelnen Staates für sich selbst“ ist und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die (Gad 2014: 92). Dabei wird Kunst und Kultur eine unter- Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags schiedliche Gewichtung zugeteilt. Während Länder wie der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung.“ Dänemark, Schweden oder die Schweiz eine stärkere Verankerung von Kultur in entwicklungspolitischen • Ziel 8 – Menschenwürdige Arbeit und Wirtschafts- Strategiepapieren entwickelt hatten, ist in Ländern wachstum, unter Punkt 8.9: wie beispielsweise Österreich Kultur eher ein Quer- „Bis 2030 Politiken zur Förderung eines nachhaltigen schnittsthema. Gemeinsam ist jedoch den meisten Ent- Tourismus erarbeiten und umsetzen, der Arbeitsplät- wicklungsinstitutionen, dass Kultur und Kunst spätes- ze schafft und die lokale Kultur und lokale Produkte tens seit der Implementierung der UNESCO Konvention fördert.“ nicht mehr vollkommen außer Acht gelassen wird. Im
12 KULTUR UND ENTWICKLUNG Folgenden wird auf ein paar ausgewählte Institutionen beziehung von Expert*innen aus der Zivilgesellschaft. und Schwerpunkte eingegangen. Nach diesem Dreijahresprogramm wird Kultur wieder zum Randthema und die Schwerpunktsetzung der ADA 2.3.1. Österreich orientiert sich stark an den SDGs. Diese zeichnet sich Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit durch einen menschenrechtsbasierten Ansatz aus und (OEZA) wurde 2004 operativ in die Austrian Develop- liegt schwerpunktmäßig ab 2016 auf folgenden The- ment Agency (ADA) umgesetzt. Schon ab dem ersten men: Dreijahresprogramm 2005-2007 war der Dialog der • Bildung Kulturen, der unter dem Punkt Menschenrechte sub- • Sicherung des Friedens und menschlicher Sicherheit, summiert wurde, ein Bestandteil der Entwicklungs- Menschenrechte und Migration zusammenarbeit. Weiters wurde von Beginn an die • Wasser – Energie, Ernährungssicherheit Bedeutung von entwicklungspolitischer Informations-, • Wirtschaft und Entwicklung Bildungs-, Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit in Öster- reich als wichtig erachtet. In diesem Zusammenhang Querschnittsthemen sind Umwelt und Klimaschutz, betont die ADA besonders die Bedeutung von NGOs sowie Geschlechtergleichstellung. Kultur wird einer- und dem zivilgesellschaftlichen Sektor, die sich durch seits mit Bildung in Zusammenhang gebracht (Bildung Erfahrung, Kompetenzen und Kontakten in diesem Be- als wesentlicher Faktor für kulturelle Entwicklung), an- reich auszeichnen, wie weiter unten noch genauer dar- dererseits mit Menschenrechten (Förderung der wirt- gestellt wird. Von Anfang an sind die Schwerpunkte der schaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte) ADA großteils in den Bereichen Armutsbekämpfung, und Frieden (Förderung des Menschenrechts- und in- Friedenssicherung und Schutz der natürlichen Um- terkulturellen Dialogs). Ab 2016 erfolgt im Umgang mit welt positioniert. Schwerpunktländer der ADA sind da- Migration eine Zäsur im entwicklungspolitischen Kon- bei Burkina Faso, Äthiopien, Uganda, Mosambik, Bhu- text. Waren Migration und Mobilität in früheren Pro- tan mit besonderem Schwerpunkt Armutsbekämpfung. grammen durchaus positiv dargestellt, wird Migration Nachhaltige Wirtschafsentwicklung wird besonders in nun im Zusammenhang mit post-konflikt Gesellschaf- Ländern Kosovo, Albanien, Moldau, Georgien und Ar- ten, Radikalisierung, gewaltbereitem Extremismus und menien priorisiert. Besonders Friede und Sicherheit, terroristischer Rekrutierung problematisiert (ADA Ak- Stabilität und Wiederaufbau sowie Aufbau von Struk- tualisierung Dreijahresprogramm 2017). Schwerpunkt turen betrifft Projekte in palästinensischen Gebieten. Migration und Entwicklungszusammenarbeit bleiben Daneben unterstützt die ADA durch Kooperation mit auch in den folgenden Jahren einer der Foci österrei- der Zivilgesellschaft und Wirtschaft Projekte in anderen chischer Entwicklungszusammenarbeit (Dreijahrespro- Ländern. gramm 2019-2021). Ab dem Jahr 2006 wird Gendergleichstellung in al- Somit ist auch heute noch ein strukturierter Zu- len Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit als gang zum Thema Kultur und Entwicklung in über- Querschnittsmaterie systematisch umgesetzt. Ange- geordneten entwicklungspolitischen Zugang Öster- regt durch die „Women Leaders“ Konferenz erfolgt im reich absent. Kultur bleibt von vielen Akteuren*in- Rahmen des Dreijahresprogrammes 2007-2009 die Er- nen und Faktoren beeinflusstes Querschnittsthema. richtung einer Taskforce zum „Dialog der Kulturen“, Jedoch wird im Bericht an die UNESCO Konvention be- welche sich besonders dem Thema Frauen in Friedens- tont, dass die Konvention ein effektives Instrument dar- prozessen widmet. Im Jahr 2006 ratifiziert Österreich stellt, um interministeriellen Dialog anzuregen und den die UNESCO Konvention zum Schutz kultureller Vielfalt, Einsatz zivilgesellschaftlicher Akteure im kulturellen jedoch wird Kultur erst im Dreijahresprogramm 2009- Sektor zu garantieren, beispielsweise Institutionen wie 2011 explizit als eigener Punkt angesprochen. Kultur dem VIDC und kulturen in bewegung, wie weiter unten soll laut dem Programm in alle Politikbereiche, inkl. ausgeführt wird (vgl. Österreichischer UNESCO-Jahres- Entwicklungszusammenarbeit inkludiert werden. Das bericht 2020). Ziel ist, angelehnt an die UNESCO Ziele, die Stärkung kultureller Vielfalt und das Fördern wechselseitigen 2.3.2. Dänemark Verständnisses von Gesellschaft. Es kommt zur Bil- Wie weiter oben erwähnt, zeichneten sich vor al- dung einer interministeriellen Arbeitsgruppe unter Ein- lem die nordischen Länder (Dänemark, Schweden,
DIE BEDEUTUNG VON KULTURKOOPERATION UND KUNSTVERMITTLUNG IM ENTWICKLUNGSPOLITISCHEN KONTEXT 13 Norwegen, Finnland) durch innovative und im ent- wie in Österreich orientieren sich zivilgesellschaftliche wicklungspolitischen Diskurs verankerte und etablierte Organisationen wie das CKU an den Schwerpunkten so- Konzeptualisierungen zu Kultur und Entwicklung aus. wie Schwerpunktländern der DANIDA. Unterschied zu Die dänische Entwicklungskooperation (DANIDA), Österreich ist, dass Kulturpolitik unter einem Dach ist angesiedelt am Ministerium für auswärtige Angelegen- (wie beispielsweise Botschaften als kulturelle Träger, heiten ist verantwortlich für die Implementierung ent- die in Österreich Teil der Auslandskultur und getrennt wicklungspolitischer Programme mit Schwerpunktlän- von der ADA sind). Auch die Länge der Projektfinanzie- dern in Afrika, Asien und dem Mittleren Osten. Um eine rung unterscheidet sich von der ADA: In Dänemark sind möglichst reiche und vielfältige kulturelle Umgebung zu es 3 Jahre, im Unterschied zu 2-jährigen Projekten in erschaffen, ist das oberste Ziel dänischer Kulturpolitik, Österreich. Zugang zu Kultur und Kunst, sowie die Sicherung der 2013 wurde die dänische Strategie für Kultur und freien Äußerung in Kunst und Kultur zu fördern und zu Entwicklung „The Right to Art and Culture“, entwickelt gewährleisten. Daher sieht sich die Entwicklungspoli- und vom CKU implementiert. Dabei verfolgte man fünf tik Dänemarks durch die UNESCO Konvention 2005 in strategische Prioritäten: ihrem Weg bestätigt, welches sie schon seit knapp 60 1. Empowerment der Menschen durch aktive Partizi- Lalala – Konzerte für Kinder © kulturen in bewegung Jahren verfolgt. pation an Kultur und Kunst Einer der Schlüsselakteure bei der Umsetzung der 2. Sicherung von Freiheit für Künstler*innen Kulturpolitik ist das Dänische Zentrum für Kultur und 3. Ökonomisches Wachstum durch Kreativwirtschaft Entwicklung (CKU). Dieses 1998 am Ministerium für zu fördern auswärtige Angelegenheiten gegründete Institut war 4. Das Stärken von Friedens- und Versöhnungsprozes- von Anfang an besonders für Kooperationen zwischen sen in post-Konflikt Gesellschaften durch Kunst und Dänemark, den Entwicklungsländern in Asien, Afrika, kulturelle Aktivitäten Mittlerem Osten und den lokalen Partnern, sowie däni- 5. Förderung von interkulturellen Dialog und interkul- schen Botschaften und Repräsentanten zuständig. Das tureller Zusammenarbeit Institut fördert den Dialog und das Verständnis jenseits kultureller Differenzen und nationaler Grenzen. Ähnlich
14 KULTUR UND ENTWICKLUNG Dabei ging das CKU von der breiten Prämisse aus, Vor allem auf städtischer Ebene wird in Deutschland dass Kunst und Kreativität zentrale Parameter für nach- auf den demokratisch-partizipativen Zugang gesetzt, haltige und soziale Entwicklung seien und einen Beitrag mit den Schwerpunkten kulturelle Bildung und Kultur- zu Demokratisierungsprozessen, Stärkung der Men- tourismus. Ab 2015 wurden besonders Kulturprojekte schenrechte und ökonomischen Wachstum leisten. Die zur Integration und Partizipation von Geflüchteten und Programme richteten sich somit auf marginalisierte Migrant*innen entwickelt, wodurch man auf die soge- Gruppen in den Schwerpunktländern der dänischen nannte „Migrationskrise“ künstlerisch einen Kontra- Entwicklungszusammenarbeit, wie beispielsweise Viet- punkt setzen wollte. nam oder Uganda, wo vor allem Kunstausbildungspro- Das 2018 initiierte Globalvorhaben „Kultur- und jekte, die einerseits die ökonomische Selbstermächti- Kreativwirtschaft“, angesiedelt am Bundesministerium gung und andererseits soziale Kohäsion stärken sollen, für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit gefördert wurden. In Dänemark selbst lag der Fokus (BMZ) und implementiert durch die Deutsche Gesell- auf der Erhöhung von Wissen über Kunst und Kultur schaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH aus Asien, Afrika und dem Mittleren Osten. Wegw, um möchte das Potenzial von Kunst und Kultur nutzen, um diese Ziele zu erreichen warwn durch das ‚Images Fes- Entwicklung langfristig und vor allem inklusiv zu fördern. tival’, sowie Einladungen von Künstler*innen aus Asien, Der Zugang weist auf das Ungleichgewicht hin, dass Afrika und dem Mittleren Osten nach Dänemark, um dieses Potential aufgrund fehlender „staatlicher Un- im Rahmen kreativer Workshops ihre Kunst vorzustel- terstützung, bedarfsorientierten Ausbildungsmöglich- len. Das Programm lief 2016 aus. Daher kommt Gad in keiten, starken Interessensverbänden sowie passen- seiner Betrachtung „nordischer Konzepte“ zur Schluss- den Finanzierungsmodellen und Marktzugängen“ nicht folgerung, dass die Konzepte keine primär kulturpoli- ausgeschöpft werden kann (GIZ 2020). Aus diesem tischen Konzeptionen sind, sondern „sie beschreiben Grund werden Projekte unterstützt, die die Beschäfti- eine erweiterte Entwicklungspolitik, die vor allem ande- gungs- und Einkommenschancen für Kultur- und Kre- re Ziele verfolgt, beziehungsweise kulturpolitische An- ativschaffende in den sechs Partnerländern (Jordanien, sätze für entwicklungspolitische Ziele nutzt“ (Gad 2014: Libanon, Irak, Südafrika, Kenia und Senegal) fördern. 238). Auch wenn sich die Konzepte durch Innovation Wie in anderen Ländern wird die Umsetzung der Pro- und Verankerung in Programmen auszeichnen, wurde gramme durch Kooperationen mit lokalen Partnerinsti- „Kultur und Entwicklung“ nicht stärker mit den über- tutionen und diversen zivilgesellschaftlichen Organisati- greifenden Entwicklungspolitiken verknüpft. Während onen statt. Das in dieser Periode stattfindende Projekt Kultur noch 2015 in den Strategiepapieren der Agentur zur Kultur- und Kreativwirtschaft hat bis März 2020 ca. als „catalyst for democracy and participation in develo- 65 Aktivitäten umgesetzt: die Aktivitäten reichen von ping countries“ definiert wird (DANIDA 2015), findet Festivals (Fak’ugesi Digital Festival), Crowfunding-Kam- sich seit 2016 kein expliziter Bezug auf Kultur mehr. Der pagnen für Kreativprojekte in Kenia mit der Etablierung Schwerpunkt hat sich auf folgende vier strategische Zie- einer neuen lokalen Plattform „thundafund“, zu Quali- le verlagert: Sicherheit und Entwicklung, Migration und fizierungsprogrammen für Designer*innen in Jordani- Entwicklung, Nachhaltiges Wachstum und Entwicklung en, die sich im Rahmen der Amman Design Week im sowie Freiheit und Entwicklung. Oktober 2019 präsentierten. Darüber hinaus wurden Paneldiskussionen, Workshops und Kulturbeiträge auf 2.3.3. Deutschland der re:publica 2019, dem 1. German-African ICT Forum Zeichnete sich die deutsche Entwicklungszusam- und dem Zukunftsforum Globalisierung Gerecht Gestal- menarbeit durch enge Kooperation mit der UNESCO ten 2020 organisiert. Genauso wie in Österreich und aus, fokussierte sie sich in den rezenten Programmen Dänemark gibt es enge Zusammenarbeit mit zivilge- vermehrt auf Wertschöpfungskette von Kultur- und sellschaftlichen Akteuren, wie beispielsweise der Hein- Kreativwirtschaft. Der zweite deutsche Staatenbericht rich-Böll-Stiftung, die sich besonders für Gleichberech- an die UNESCO 2016 zeigt, dass die Kulturbudgets von tigung kultureller und ethnischer Minderheiten, sowie Bund und Land gestiegen und besonders in interna- für soziale und politische Partizipation von Migrant*in- tionaler Kulturkooperation zahlreiche innovative Pro- nen einsetzt. Die Stiftung ist in mehr als 60 Ländern mit jekte entstanden sind. Der Bericht hebt hervor, dass weiteren 100 Projektpartner*innen aktiv. Zu nennen ist kulturelle Vielfalt nachhaltige Entwicklung stimuliert. auch das Goethe-Institut, das weltweit tätige Kulturin-
DIE BEDEUTUNG VON KULTURKOOPERATION UND KUNSTVERMITTLUNG IM ENTWICKLUNGSPOLITISCHEN KONTEXT 15 stitut, zuständig für interkulturelle Zusammenarbeit. Machtverhältnisse tatsächlich ausgewogener gestalten In seinem knapp 70jährigen Bestehen hat das Institut werden können, bleibt kritisch zu hinterfragen, da allein zahlreiche Projekte durchgeführt und ist in 92 Ländern durch den ungleichen Zugang zu Ressourcen und finan- tätig. zieller Unterstützung Asymmetrien zwischen den soge- nannten Geber- und Partnerländern bestehen. 2.3.4. Schweiz Die Schwerpunktsetzung der Schweizer Entwick- Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit lungszusammenarbeit liegt in folgenden Bereichen: (DEZA) stellt ihre Kulturarbeit unter das Motto „culture Stärkung kultureller Rechte, wobei besonders die Frei- matters“. Der Ausgangspunkt ist die Prämisse, dass Di- burger Erklärung über kulturelle Rechte (2007) her- alog und Kulturaustausch „das Fundament friedlicher vorgehoben wird, die auch international viel Anklang Beziehungen zwischen Personen, Gemeinschaften oder gefunden hat. Kunst gilt als Ressource für die Verteidi- Staaten“ bildet und somit das gegenseitige Verständ- gung der Meinungsfreiheit, jedoch ist in gewissen Kon- nis und Toleranz fördert (DEZA Internetquelle c). Kultur texten die Sichtbarkeit von kritischen Kunstschaffenden gilt dabei als Dimension von Entwicklung und Kunst als auch mit Gefahrenpotential verbunden. Das zeigt un- relevanter Sektor auf sozio-ökonomischer Ebene. Be- ter anderem das Engagement der DEZA in Usbekistan: sonders kulturelle Rechte, sowie die Anerkennung von das Ilkhom-Theater in Taschkent gilt als unabhängiger Minderheiten gelten als inhärent für Menschenwürde kreativer Ort und ist politisch aufgrund der kritischen und Persönlichkeitsentfaltung. Darüber hinaus hat das Ausrichtung höchst umstritten. Das Theater sieht sich Bundesgesetz im Bereich der Entwicklungszusammen- immer wieder Anschlägen ausgesetzt, 2007 wurde der arbeit bereits 1976 auf die Bedeutung von Vermittlung Gründer Mark Weil ermordet. Weiters weist auch der von Wissen und Erfahrung hingewiesen, um wirtschaft- UNESCO Bericht 2018 aus, dass Angriffe auf Kunstschaf- liche, soziale und kulturelle Entwicklung mitzuprägen. fende weltweit stark zunehmen, von 90 Angriffen im Die Positionspapers weisen explizit auf die Unterschei- Jahr 2014 auf 430 im Jahr 2016. Dabei richten sich die dung zwischen Kunst und Kultur, wobei besonders die meisten Angriffe auf Musiker. Gleichzeitig steigt die Zahl Bedeutung von Kunst hervorgestrichen wird: der Initiativen, die gefährdete Kunstschaffende unter- stützt. Dies beinhaltet zivilgesellschaftliche Initiativen, „Einen speziellen Platz in einer Kultur nimmt aber auch bindende Rechtsgrundlagen zur Förderung die Kunst ein: Sie ist einerseits integraler von wirtschaftlichen und sozialen Rechten von Kunst- Bestandteil einer Kultur, nimmt aber schaffenden (vgl. UNESCO 2018). Die Entwicklungszu- zugleich eine Stellung ausserhalb dieser sammenarbeit kann dazu beitragen, Kunstschaffenden Kultur ein, indem sie kulturell Etabliertes einen sicheren Raum für ihre Stimmen zu erschaffen in Frage stellen kann. Von jeher bietet der und somit Toleranz und demokratische Teilhabe un- künstlerische Ausdruck den Menschen terstützen. Daher ist es ein großes Anliegen Schweizer und der Gesellschaft einen Anreiz, ihre Entwicklungszusammenarbeit junge Menschen, sowie Wahrnehmung zu verändern und sich Migrant*innen durch die Programme anzusprechen zu mobilisieren. Dadurch entsteht ein und durch Kulturbildungsprogramme deren Inklusion günstiges Umfeld für Reflexion, Selbstkritik zu fördern. 2010 beauftragte die DEZA die Kulturkoope- und Diskussion, das Meinungsvielfalt und ration Artlink mit der Verwaltung des SüdKulturFonds. soziale Transformation fördert.“ (DEZA Das Ziel des Fonds ist es, Kunstschaffenden aus den Internetquelle c) sogenannten „Entwicklungsländern“ zu unterstützen. Artlink ist dabei die Kompetenzstelle für Kunst und Kul- Die DEZA vertritt somit einen holistischen Zugang: tur aus Afrika, Lateinamerika, Asien und Osteuropa. Die Kultur wird als fester Bestandteil gesellschaftlichen Le- Arbeit von Artlink zeichnet sich vorwiegend durch Ev- bens gesehen und daher als ein Bestandteil von nach- entbezogenheit aus. Matarasso (2020) bescheinigt da- haltiger Entwicklung in die Programme integriert. Die her der DEZA, trotz ihres bescheidenen Budgets, einen DEZA betont dabei, Machtverhältnisse ausgewogener überproportionalen Mehrwert im Bereich Kultur und zu gestalten, indem sie nicht auf das Ausüben kulturel- Entwicklung zu leisten. ler Macht, sondern auf die Hilfe bei Stärkung eigener, lokaler kultureller Ressourcen setzen. Inwieweit dabei
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