N Bildu g. Weiter de ke ! - BILDUNG DIGITALE Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB - GEW Saarland

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N Bildu g. Weiter de ke ! - BILDUNG DIGITALE Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB - GEW Saarland
67. Jahrgang

Zeitung “Erziehung und Wissenschaft im Saarland” des Landesverbandes der GEW im DGB

 BILDUNG DIGITALE

      Bildung. Weiter denken!
N Bildu g. Weiter de ke ! - BILDUNG DIGITALE Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB - GEW Saarland
INHALT                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     EDITORIAL

                                                                                                                                                                                                                                                   Umfassend ist das Ganze nicht in unserer           Bereits im März fanden Personalratswahlen
                                                                                                                     Öffnungszeiten der                                                                                                          Zeitschrift zu behandeln, allenfalls können wir   in den Schulen und in verschiedenen Kommu­
                                                                                                                                                                                                                                                 – wie so oft – nur anreißen und Anstöße           nen statt. Ergebnisse liegen bei Redaktions­
                                                                                                                       Geschäftsstelle                                                                                                           geben. Das wiederum haben wir aber dieses         schluss noch nicht vor. Im April geht es weiter
                                                                                                                Mo. ­ Do.: 09.00 ­ 12.00 Uhr | 13.00 ­ 16.00 Uhr                                                                                 Mal in vielen Artikeln versucht und dabei ver­    mit den Personalräten der Stadt Püttlingen
                                                                                                                  Fr.: 09.00 ­ 12.00 Uhr | 13.00 ­ 15.00 Uhr                                                                                     schiedene Facetten miteinbezogen.                 und der Landeshauptstadt. In beiden Kommu­
                                                                                                                            Telefon: 0681 / 66830­0,                                                                                                                                               nen tritt die GEW mit starken Kandidat*innen
                                                                                                                            Telefax: 0681 / 66830­17                                                                                                Unser Gastautor Christian Bachmann             an. Wir hoffen auch hier auf ein gutes Ergeb­
                                                                                                                         E­Mail: info@gew­saarland.de                                                                                            berichtet aus der Praxis eines ‚digitalen Leh­    nis. n
                                                                                                                                                                                                                                                 rers‘ und Fortbildners und beleuchtet Vor­
                                                                                                                      Internet: http://www.gew.saarland
                                                                                                                                                                                                                                                 und Nachteile digitaler Nutzung im unterricht­      Bleibt gesund!
                                                                                                                                                                                                                                                 lichen Bereich, Anna Hassdenteufel stellt die       Matthias Römer
                                                                                                                                                                                                 Liebe Kolleginnen und Kollegen,                 berechtigte Frage nach der Beziehung im Digi­
                                                                                                                               GEW­Service                                                                                                       talen und plädiert für einen nüchternen
                                                                                                                               Beratungszeiten für                                                was bedeutet eigentlich ‚Digitale Bildung‘.    Umgang mit all den Möglichkeiten angesichts
                                                                                                                            Mitglieder in Rechtsfragen                                         Wird mit dem Digitalen gebildet? Werden wir       fehlender emotionaler Verbindung. Helmut
                                                                                                                          Mo., Di. u. Do.: 09.00 ­ 16.00 Uhr,                                                                                                                                      ANZEIGE
                                                                                                                                                                                               in Sachen Digitalität gebildet bzw. die Schüle­   Stolls Analyse von Big Data verdeutlicht nur
                                                                                                                               Mi.: 13.00 ­ 17.00 Uhr                                          rinnen und Schüler? Und was ist eigentlich        allzu gut, wo Gefahren lauern in der digitalen
                                                                                                                                                                                               daran digital, wenn man ein handgeschriebe­       Welt und welche Möglichkeiten diejenigen
                                                                                                                         Landesstelle für Rechtsschutz                                         nes Arbeitsblatt auf eine Plattform lädt, damit   erhalten, bei denen die Kinder eben nicht im

  04
Thema: Bildung digitale
                                                                                                                             Gabriele Melles­Müller,
                                                                                                                              Tel.: 0681 / 66830­13,
                                                                                                                   E­Mail: g.melles­mueller@gew­saarland.de
                                                                                                                                                                                               es 10 km entfernt jemand ausdruckt und dann
                                                                                                                                                                                               wieder von Hand bearbeitet?
                                                                                                                                                                                                                                                 Mittelpunkt beruflichen Handelns sind.
                                                                                                                                                                                                                                                 Zustimmung und Widerspruch zu diesem The­
                                                                                                                                                                                                                                                 menkomplex sind ausdrücklich erwünscht
                                                                                                                               Fr.: 13.00 ­ 16.00 Uhr unter                                       Man bemerkt relativ schnell, dass eine         und die Redaktion freut sich darüber.
                                                                                                                               Tel.: 0152 / 01701173 NEU                                       Einigkeit über den Begriff nur schwer zu erzie­
Editorial                                        03    18 Remonstrationspflicht                                                                                                                len ist. Vielleicht hat das Redaktionsteam sich      Komplettiert wird unser Aprilheft durch ein
                                                           Information aus der                                                 Beratung für                                                    gerade deswegen für das Thema entschieden,        Interview mit Mitarbeiter*innen in der statio­
                                                           Landesrechtsschutzsstelle                                 Referendarinnen und Referendare                                           aber den Namen im Stil eines Hauptgerichts        nären Jugendhilfe, die von den Arbeitsbedin­
Thema: Bildung digitale              04                19 “Aktuelle Probleme saarländischer                              Max Hewer, Tel.: 0176 / 30456396                                      verfremdet. Denn das Digitale wirkt manch­        gungen in der Pandemie berichten, einer
                                                           Studierender –                                                E­Mail: m.hewer@gew­saarland.de                                       mal wie ein schweres Hauptgericht, ein domi­      Information zur Remonstrationspflicht sowie
  04 Was bleibt von der Digitalisierung,                   Wege der Intervention”
           wenn die Lockdowns vorbei sind!                                                                                                                                                     nierendes und alles erschlagendes Thema,          Berichten aus den gewerkschaftlichen Unter­
                                                           Persönlicher Veranstaltungsrückblick                           Beratungsdienst für                                                  das nur wenig Raum für andere Fragen in der       gliederungen und zwei spannenden Buchbe­
   06 Bildung digitale – und die                                                                                   Auslandsaufenthalt von Lehrkräften
           Beziehung?
                                                       20 1. Mai 2021                                                                                                                          Pädagogik und der Didaktik lässt.                 sprechungen.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         www.reporter­ohne­grenzen.de
                                                           DGB Veranstaltungshinweis                                              Susanne Bleimehl
                                                                                                                                 Tel.: 0170 / 9655772
   08 Digitale Bildung im Saarland                     21 Glückwunsch an das neue                                       E­Mail: susannebleimehl@gmail.com                                      ANZEIGE
           Fünf Thesen und ein Ausblick                    Leitungsteam des BFA
   10 Learning Analytics und Big Data                                                                                 Redaktionsschluss
           in der Bildung                             Bücher & Medien                 21
                                                                                                                                         05.04.2021
Jugendhilfe                                      12    21 Mit Kindern tiefenentspannt                                                    (Mai­Ausgabe)
                                                           durch den Mediendschungel
                                                                                                                                         07.05.2021
  12 Arbeit in der stationären                         22 Ist Männlichkeit toxisch?                                                      (Juni­Ausgabe)
           Jugendhilfe unter
           Coronabedingungen                                                                                              E­Mail: redaktion@gew­saarland.de

                                                                                                                                                                                                Wir drucken für unser Leben gern
           Ein Interview aus Interviews
                                                      Geburtstage
                                                      & Jubiläen                                  23                           Impressum
Gewerkschaft                                     14
                                                       23 April 2021                                                                   Herausgeber
 14 Personalratswahlen 2021                                                                                    Gewerkschaft Erziehung und                             Layout
           14 Personalrat der                                                                                  Wissenschaft (GEW) im DGB,                          Bärbel Detzen
              Landeshautpstadt Saarbrücken                                                              Landesverband Saarland, Geschäftsstelle:             b.detzen@gew­saarland.de
                                                                                                           Mainzer Str. 84, 66121 Saarbrücken
           16 Personalrat der Stadt Püttlingen                                                           Tel.: 0681/66830­0, Fax: 0681/66830­17                         Druck
                                                                                                                  info@gew­saarland.de                         COD Büroservice GmbH
                                                                                                                                                         Bleichstraße 22, 66111 Saarbrücken
                                                                                                                       Redaktion                         Telefon: 0681/393530, info@cod.de
                                                                                                                   Matthias Römer
                                                                                                              redaktion@gew­saarland.de                              Bildnachweis
                                                                                                                     Thomas Bock,                         u.a. 123rf.com, GEW­Archiv, privat
                                                                                                                  Anna Haßdenteufel,
                                                                                                                      Helmut Stoll                                    Titelfoto
                                                                                                                                                        stock.adobe.com/©BillionPhotos.com
                                                                                                                 Anzeigenverwaltung
                                                                                                             Andreas Sánchez Haselberger
                                                                                                             a.sanchez@gew­saarland.de

                                                                                                       Die Redaktion behält sich bei Beiträgen und Leserbriefen Kürzungen vor. Namentlich
                                                                                                       gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar und
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EuWiS 04/2021 | 2                                                                                                                                                                                        offset und digital                                                                        Tel. 0681 39353-51 Fax 0681 6852301
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               print@cod.de www.cod.de
N Bildu g. Weiter de ke ! - BILDUNG DIGITALE Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB - GEW Saarland
THEMA: BILDUNG DIGITALE                                                                                                                                                                                                                               THEMA: BILDUNG DIGITALE

Was bleibt von der Digitalisierung,                                                                                                                                                                                                                                  neue Lerngelegenheiten und eine erweiterte
                                                                                                                                                                                                                                                                     Teilhabe.

wenn die Lockdowns vorbei sind!                                                                                                                                                                                                                                       Sollten Schüler*innen aber nicht erst mal
                                                                                                                                                                                                                                                                      reale Erfahrungen machen?
                                                                                                                                                                                                                                                                         Oft wird gesagt, dass unsere Kinder erst
   Als ich zu Beginn des Schuljahres für meine    den einen Struktur während andere das Vor­                                                                                                                                                                          mal in den Wald gehen und sich dort ausken­
Klassen Materialien auf OSS eingestellt habe,     gehen als einengend, monoton und ineffektiv                                                                                                                                                                         nen sollten, bevor sie sich mit digitalen
kam prompt die Rückfrage einer Schülerin,         empfanden.                                                                                                                                                                                                          Medien auseinandersetzen. Dahinter steckt
warum ich das denn jetzt noch mache, es sei                                                                                                                                                                                                                           der Glaube, hier sei ein Gegensatz zu finden,
doch gar kein Lockdown mehr. Sind digitale           Natürlich sind die Aussagen nicht repräsen­                                                                                                                                                                      ein Entweder ­ oder. Aber digitale Medien
Medien denn nur eine Stütze für Krisensitua­      tativ, sie vermitteln bestenfalls einen ersten                                                                                                                                                                      können gerade bei solchen Exkursionen hilf­
tionen, ein Hilfskonstrukt, wenn Präsenzun­       Eindruck. Aber es zeigt sich doch, dass die                                                                                                                                                                         reich sein, zur Orientierung im Wald über
terricht nicht möglich ist? Oder bieten sie       Bedürfnisse und Einschätzungen unterschied­                                                                                                                                                                         GPS, zur Dokumentation des Gelernten über
gerade im Präsenzunterricht besondere Chan­       lich sind. Die Schwierigkeit, gerade diese                                                                                                                                                                          Fotos und Videos, über Pflanzenbestim­
cen? Was wird bleiben, wenn der Lockdown          unterschiedlichen Stärken, Interessen und                                                                                                                                                                           mungsapps und vieles mehr. Achten sollte
vorbei ist?                                       Fähigkeiten im Unterricht aufzugreifen, zeigt                                                                                                                                                                       man darauf, dass der Charakter des sinnli­
                                                  die Chancen digitaler Medien auf. Hier steht                                                                                                                                                                        chen Erlebens im Vordergrund steht. Das Bei­
  Während der Lockdowns hatten digitale           ein Füllhorn neuer Möglichkeiten bereit, die                                                                                                                                                                        spiel lässt sich auf viele andere Lerngelegen­
Medien Hochkonjunktur, ein Fortbildungsan­        den unterschiedlichsten Lernbedürfnissen                                                                                                                                                                            heiten übertragen. Und auch wenn Studien
gebot reihte sich an das nächste, um dem          entgegenkommen können, wenn die Umset­                                                                                                                                                                              zeigen, dass es keine „digital natives“ gibt,
Schulungsbedarf, also der immensen Nachfra­       zung technisch möglich ist.                                                                                                                                                                                         dass Schüler*innen, die mit Medien groß
                                                                                                                                                                                                                               Foto: GEW­Archiv/©Dominik Buschardt
ge der Kolleg*innen Rechnung zu tragen.                                                                                                                                                                                                                               geworden sind, also nicht unbedingt über
Schulen begannen mit Lernplattformen zu              Zur Informationsbeschaffung kann im Inter­                                                                                                                                                                       besondere Kompetenzen zu deren gewinn­
arbeiten und deren Möglichkeiten auszuloten,      net recherchiert werden oder können Quellen       die den Alltag von Schüler*innen sowieso prä­      rigkeiten, z. B. durch Vorlese­ und Überset­      tiven Lösungen. Veränderung braucht Diskurs                 bringender Nutzung verfügen, so bringen sie
sowohl für den Unterricht, als auch für die       ohne zusammengekürztes Arbeitsblatt im Ori­       gen, sind 24 Stunden geöffnet und lassen den       zungsanwendungen zu überbrücken, um eine          auf unterschiedlichen Kommunikationswe­                     doch einiges an Intuition und Vorkenntnissen
Kommunikation mit Schüler*innen und mit           ginal beachtet werden. Erklärvideos können        asynchronen Austausch auch über die 45 oder        gemeinsame Kommunikation unter Schüler*in­        gen, synchron oder asynchron. Vernetztes                    mit. Nutzung digitaler Medien und reales
dem Elternhaus – und nicht zuletzt um die ei­     die Erläuterungen von Lehrer*innen unter­         90 Minuten hinaus zu. An kollaborativen            nen herzustellen. Gemeinsames Gestalten           Denken und Arbeiten gewinnt damit zuneh­                    Erleben müssen also kein Gegensatzpaar sein,
genen Strukturen und Informationswege zu          stützen, können aber auch individuell zurück­     Dokumenten arbeiten Schüler*innen gemein­          von Lernprodukten gibt Schüler*innen die          mend an Bedeutung, was die Kollaboration,                   sondern können sich genial ergänzen. Hier soll
vereinfachen und die kollegiale Kooperation       gespult oder gestoppt werden, wenn z. B.          sam arbeitsteilig, strukturieren sich selbst und   Möglichkeit, ihre Stärken zum Gesamtergeb­        die gemeinsame Problemlösung erforderlich                   aber nicht der Eindruck entstehen, man solle
zu stützen. Solche Schul­ und Lernmanage­         Worte nachgeschlagen werden müssen und            tauschen sich aus. So können Schüler*innen         nis beizutragen. So kann Inklusion im Sinne       macht. Da Innovationen auch immer Risiken                   nun immer digitale Medien einsetzen, son­
mentsysteme haben sich grundsätzlich als          letzten Endes kann man das Video auch wech­       beispielsweise ein Themengebiet unter sich         des Lernens am gemeinsamen Gegenstand             mit sich bringen, braucht es auch das kritische             dern dort, wo es sinnvoll erscheint.
extrem praktisch erwiesen und werden ver­         seln, wenn einem die Erklärung nicht weiter­      aufteilen und in einem gemeinsamen Doku­           gelingen und Separation vermieden werden.         Hinterfragen, die unterschiedlichen Blickwin­
mutlich auch in Zukunft Bestand haben. Ihre       hilft. Virtual­ und Augmented Reality können      ment oder Wiki zusammenfassen. Möglich                                                               kel auf ein Problem und die Welt insgesamt.
größten Stärken liegen in der Dokumentation       Schüler*innen an Orte versetzen, die im           wäre auch, die Ergebnisse einer Gruppenar­                                                                                                                       Alles nur noch offen?
und im Austausch. Sie schaffen Struktur und       Unterricht unerreichbar wären, beispielswei­      beit oder eines Lerndorfs für alle zusammen­       Wohin soll es gehen? Welche Kompetenzen              Die 4K mögen nicht der Weisheit letzter                     Digitale Medien sind 24 Stunden geöffnet,
Überblick. Sie lassen die Integration von         se weil sie zu weit entfernt oder zu gefährlich   zustellen und damit zu sichern.                    sollten digitale Medien fördern?                  Schluss sein, sie können aber eine erste Orien­             die Rhythmisierung des Unterrichts kann
Materialien zu, die vorher schwieriger in den     sind. Augmented Reality (AR) erweitert dabei                                                            Vielfalt heißt nicht Beliebigkeit. Wenn man    tierung sein für die Ausrichtung des eigenen                dadurch ein Stück weit überwunden werden.
Lernverlauf zu integrieren waren, nicht nur zu    das Bild von der Realität, das man z. B. durch                                                       sich mit digitalen Medien im Unterricht ausei­    Unterricht im Hinblick auf die Individualität               Das hat viele Vorteile. Eine Sorge, die sich bei
Hause. Dazu zählen beispielsweise Erklärvi­       sein Tablet sieht, um neue Elemente. AR ver­      Quizzformate bringen Spannung in den               nandersetzt, dann kommt man am Modell der         der Schüler*innen und die Anforderungen der                 meinen Schüler*innen gezeigt hat, ist, dass
deos, Quizz und kollaborative Dokumente.          schafft so den Eindruck, etwas sonst Unzu­        Unterricht, Medien mit Alltagsbezug stei­          4K kaum vorbei. Die 4K stehen für vier Kom­       Zukunft.                                                    dadurch der Unterricht beliebig ausgedehnt
                                                  gängliches wie das Sonnensystem befinde sich      gern die Neugierde.                                petenzen, die unsere Schüler*innen in einer                                                                   wird. Schüler*innen und Lehrer*innen brau­
                                                                                                                                                                                                            Häufig wird im Zusammenhang mit digita­                  chen einen Schutzraum, private, von Unter­
   Für Lehrer*innen war die Umstellung auf        direkt vor einem. Virtual Reality (VR) benötigt      Erkenntnisse können in unterschiedlichen        sich rasant verändernden Welt zumindest           len Medien auf die Gefahren hingewiesen, die
Distanzunterricht über eine Lernplattform         eine eigene Brille, mit der man sich gefühlt in   Lernprodukten wie Comics, Filmen oder Pod­         dem Modell zufolge benötigen, um die Anfor­                                                                   richt befreite Zeit, die unbedingt gesichert
                                                                                                                                                                                                         mit ihnen einhergehen. Dazu zählen z. B. viel­              bleiben sollte. Ebenfalls hat sich gezeigt, dass
eine große Herausforderung. Selbst digital        eine fremde Umgebung z. B. ein fremdes            casts zusammengefasst werden. Inhalte müs­         derungen einer Zukunft meistern können, von       fältige Betrügereien, Identitätsdiebstahl,                  manche Schülerinnen und Schüler starke Vor­
affine Kolleg*innen haben sich vorher sicher­     Land, ein Flüchtlingslager, ein Organ oder ein    sen hier auf den Punkt gebracht, von unter­        der wir heute noch keine genaue Vorstellung       Cybermobbing, Trolle, Spielsucht und vieles                 teile aus der Flexibilität der Situation gezogen
lich nicht als Betreiber*innen oder zumindest     Konzert begeben kann. Hier versetzen sie          schiedlichen Seiten beleuchtet und verständ­       haben. Viele Schüler*innen werden Berufe          mehr. Aufgabe der Schule muss es sein, auf                  haben, andere gerade von engen Lernsettings
Content­Geber*innen einer Lernplattform           Schüler*in­nen in eine andere Welt, in der        lich dargestellt werden. Fachlich stellt das       ergreifen, die es heute noch gar nicht gibt,      diese Gefahren hinzuweisen und Netiquette                   profitiert haben. Will man die Vielfalt der Per­
gesehen, so dass Unterricht zumindest mitun­      man eine Vielzahl von Eindrücken gewinnen         eine anspruchsvolle Aufgabe dar und kann           und in einer Welt leben, die wir heute besten­    sowie einen verantwortungsbewussten                         sönlichkeiten berücksichtigen, dann sollte
ter neu gedacht werden musste.                    kann, und wenn es nur das Stimmengewirr in        nachhaltiges Lernen begünstigen.                   falls erahnen können. Auf die Frage, welche       Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln.                  Unterricht so angelegt sein, dass er beides
                                                  einer fremden Stadt im Fremdsprachenunter­                                                           Fähigkeiten auf eine solche ungewisse             In vielen Lehrplänen finden sich dazu Bezüge,               berücksichtigt.
                                                                                                      Dies sind nur ein paar Beispiele, wie digitale
   Aus Sicht der Schüler*innen, mit denen ich     richt ist. Immersives Lernen heißt das mit        Medien den Unterricht bereichern und dabei         Zukunft vorbereiten, versucht das Modell eine     viele Schulen bieten ergänzende Maßnah­
über den Distanzunterricht sprechen konnte,       Fachbegriff.                                      unterschiedliche Fähigkeiten, Interessen und       Antwort zu geben, indem es vier Kompeten­         men.                                                           Zeitgemäße Bildung bietet Schüler*innen
zeichnet sich grundsätzlich ein positives Bild.                                                     Zugänge ansprechen.                                zen in den Mittelpunkt stellt, die praktischer­                                                               die Möglichkeit zur Entfaltung ihrer Fähigkei­
Uneinigkeit besteht indes darin, was positiv         Unterricht ist viel mehr als Wissensvermitt­                                                      weise alle mit K beginnen, nämlich Kreativität,      Die verantwortungsvolle und zielführende                 ten, bereitet behutsam auf die Gefahren digi­
war. Die einen berichten, dass das Arbeiten zu    lung. Wenn es darum gehen soll, sich differen­        Im Zuge einer schülerzentrierten Individua­    Kommunikation, Kollaboration und Kritisches       Nutzung von digitalen Medien in der Schule                  taler Medien vor, hat die Anforderungen einer
Hause nach eigenem Rhythmus effektiver und        ziert mit einem Thema auseinanderzusetzen,        lisierung können solche Möglichkeiten leicht       Denken.                                           dient somit nicht nur der methodischen und                  ungewissen Zukunft im Blick und fördert die
störungsfreier war, andere heben gerade die       ist der direkte Austausch in Präsenz kaum zu      in Lernsettings wie Blütenaufgaben, Lerndör­                                                         medialen Vielfalt im Fachunterricht, sie stärkt             Partizipation aller. n
Nähe des Distanzunterrichts zum Präsenzun­        ersetzen, aber durchaus sinnvoll zu ergänzen.     fer oder Lerntheken integriert werden.               In Zeiten schnellen Wandels ist Kreativität     den reflektierten Umgang und fördert die
terricht hervor. Die häufige Orientierung an      Videokonferenzen können ein Substitut sein,                                                          eine nachvollziehbare Schlüsselkompetenz.         Möglichkeit, die Chancen digitaler Medien                     Christian Bachmann, Gastbeitrag
                                                                                                                                                                                                                                                                           Lehrer am Saarpfalz­Gymnasium in Homburg
eng geführten Unterrichtsformen mit Arbeits­      bieten aber auch ergänzende Möglichkeiten,         Im Bereich der Inklusion können digitale          Veränderte Anforderungen und Rahmenbe­            und insbesondere des Internets selbstbe­
blättern und regelmäßiger Abgabe stiftete         weil sie nicht an Orte gebunden sind. Chats,      Medien dazu genutzt werden, Sprachschwie­          dingungen verlangen nach neuen, nach krea­        stimmt und sicher zu nutzen. Damit entstehen

EuWiS 04/2021 | 4                                                                                                                                                                                                                                                                                 EuWiS 04/2021 | 5
N Bildu g. Weiter de ke ! - BILDUNG DIGITALE Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB - GEW Saarland
Gewerkschaft
THEMA: Erziehung
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                 und Wissenschaft                                                                                                                                                                                                               THEMA: BILDUNG DIGITALE
                                       Saarland

Bildung digitale – und die Beziehung?                                                                                                                  depressive Symptome zeigen, finanziellen
                                                                                                                                                       Nöten ausgesetzt sind und vor dem Hinter­
                                                                                                                                                       grund einer geringen Bildung ihren Kindern
                                                                                                                                                                                                        diesem Verhalten einhergehende Unzufrie­
                                                                                                                                                                                                        denheit, Gereiztheit, Wut und Aggression pro­
                                                                                                                                                                                                        blematisch. Auch die Rückführung ins „nor­
                                                                                                                                                                                                                                                          und aus diesem Grund von den Kindern und
                                                                                                                                                                                                                                                          Jugendlichen so schmerzlich vermisst. Das
                                                                                                                                                                                                                                                          bestätigt auch der Direktor der Kinderpsychia­
                                                                                                                                                       beim Lernen zu Hause nicht helfen können.        male“ Leben werde ihrer Einschätzung nach         trie an der Berliner Charite, Christoph Correll.
   So wie fast alle Menschen nach den langen      als bloße Wissensvermittlung und sich vor         aufrecht zu erhalten. Ich weiß, dass viele Kol­    Dazu kommen in diesen Familien als Belas­        Eltern und Lehrer*innen vor große Herausfor­
                                                                                                                                                                                                                                                            Schulen werden gebraucht als Orte der
Wintermonaten mit Kälte, kurzen Tagen und         allem in der Interaktion mit Gleichaltrigen       legen*innen sich darum bemüht haben,               tungsfaktoren eine zunehmend ungesunde           derungen stellen.                                 Wertschätzung, der sozialen Teilhabe und
langen Nächten den Frühling, Wärme und            vollzieht.                                        wenigstens einmal in der Woche mit den             Ernährung und viel weniger sportliche Betäti­                                                      Kontakte. Als Orte, wo Kinder und Jugendliche
                                                                                                                                                                                                           Die Unterstützung des Unterrichts durch
Sonne herbeisehnen, so ist das wohl auch mit                                                        Eltern und/oder den Kindern telefonisch Kon­       gung (40 % der befragten Kinder und Jugend­      und mit den Möglichkeiten der Digitalität         im sozialen Miteinander die Freude am Ler­
                                                     Beziehungen – nicht nur zu Gleichaltrigen –
den Kindern und Jugendlichen in Bezug auf         sind für uns Menschen unerlässlich. Umso          takt zu halten. Viele wissen, dass es nicht        lichen sind überhaupt nicht mehr sportlich       kann gerade im Hinblick auf individualisiertes    nen behalten und sich so psychisch stabilisie­
die Schule. Ein Jahr unter Pandemiebedingun­      mehr für Kinder und Jugendliche, die ihren        reicht, Arbeitsaufträge und Arbeitsblätter         aktiv).                                          Lernen – pädagogisch sinnvoll eingesetzt –        ren können.
gen bedeutet für sie Lernen von zu Hause,         Platz in der Welt erst finden müssen. Liselotte   online zu stellen.                                                                                  durchaus hilfreich sein. Das wird außer den
Wechsel­ oder Hybridunterricht unterbrochen                                                                                                               Im Rahmen einer Fachtagung „Kontakt.                                                               Ich glaube fest daran, dass nur eine Schule,
                                                  Ahnert, Entwicklungspsychologin und Bin­             Denn die Herausforderung beim Lernen zu                                                          Anhängern der „Bewahrpädagogik“ (es soll          die präventiv arbeitet und Krisen ihrer Schü­
von Quarantänen einzelner Schüler*innen           dungsexpertin, unterstreicht die Bedeutung        Hause ist ja nicht nur das Abarbeiten eben         Beziehung. Resonanz. – Orientierung in der       alles so bleiben, wie es ist), nach mehr als
und/oder ganzer Klassen und Jahrgänge. Es                                                                                                              Coronakrise“ des LPH Ende Februar 2021                                                             ler*innen wahrnimmt und annimmt, Zugang
                                                  von Bindung für den Aufbau sozialer Bezie­        dieser Arbeitsaufträge und Arbeitsblätter. Es                                                       einem Jahr niemand mehr in Abrede stellen.        zu Bildung eröffnet.Solche Schulen gibt es,
bedeutet aber auch neue Formen des digital        hungen, die Verortung in der Welt, die Ent­       geht vor allem darum, dem Tag eine Struktur        berichtet Frau Prof. Dr. med. Eva Möhler
                                                                                                                                                                                                           Beziehungen, für Klaus Zierer, das Bildungs­   das macht mich zuversichtlich. n
gestützten Unterrichts. Die Schule als Lern­      wicklung von Selbstvertrauen und Selbstbe­        zu geben und das Lernen selbstverantwortlich       (Fachärztin in der Kinder­ Jugendpsychiatrie
und vor allem als Lebensraum ist in diesem                                                                                                             des Saarlandes) von einem Anstieg des            elixier schlechthin, lassen sich dauerhaft aber
                                                  wusstsein. Entscheidende Bindungsfiguren          und selbstorganisiert zu gestalten. Genau                                                           nicht digital pflegen, geschweige denn auf­
Jahr „des beeindruckenden Chaos aus Wech­         sind, so Ahnert, neben Eltern, Großeltern und     damit aber haben 60 % der 12­19jährigen im         Medienkonsums Jugendlicher im Laufe der
                                                                                                                                                                                                        bauen. Deshalb braucht es in Schulen Lehr­
sel­ und Distanzunterricht“, wie es Axel Rühle    Freunden auch und gerade Lehrerinnen und          Hinblick auf den Fernunterricht ein Problem.       Pandemie auf 75 %. Sie spricht in diesem
                                                                                                                                                                                                        kräfte, die bereit sind, die Kinder und Jugend­
in der Süddeutschen Zeitung vom 05. März          Lehrer. Viele Kinder brauchen Lehrer*innen in                                                        Zusammenhang von der Gefahr des soge­
                                                                                                        In der COPSY­Studie der UKE Hamburg,                                                            lichen zu sehen und ihnen Beziehungsange­
2021 nennt, immer wieder in den Hinter­           diesen Zeiten mehr denn je als Vertraute, sie                                                        nannten „Gaming Disorder“, einem Medien­
                                                                                                    einer Längsschnittstudie, die die Auswirkun­                                                        bote zu machen.
grund getreten.                                   brauchen den „Sehnsuchtsort“ Schule als                                                              konsum, der von der WHO als Suchtverhalten
                                                  geschützten Lebensraum. Die Schule muss ein       gen und Folgen der Corona­Pandemie auf die
                                                                                                                                                       eingestuft worden ist. Vor dem Lockdown             Schulen sind seit jeher dafür da, Fähigkei­
   Und wie im richtigen Leben: oft weiß man       Ort sein und bleiben, wo Kinder und Jugendli­     seelische Gesundheit und das Wohlbefinden
erst, was man vermisst, wenn man es lange                                                                                                              erfüllten 8 % der Jungen die Kriterien für ein   ten weiterzugeben, die sich nicht vererben
                                                  che jenseits des Lehrplans und Unterrichts­       von Kindern und Jugendlichen untersucht hat,
entbehren muss. Schon Seneca, der römische                                                          wird darüber hinaus festgestellt, dass sich das    „Gaming Disorder“ (maximaler Konsum,             lassen und werden nach mehr als einem Jahr
                                                  stoffs gesehen werden und Wertschätzung                                                              nichts anderes hat mehr Wert), heute sind es     in der Pandemie nicht nur als Lernraum, son­                                  Anna
Philosoph, der maßgeblich an der Erziehung        erfahren.                                         allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqua­
des späteren Kaisers Nero beteiligt war, wuss­                                                      lität der Kinder und Jugendlichen im Verlauf       bereits 24 %. Dabei seien nicht nur die mit      dern vielmehr als Begegnungsraum gebraucht                                    Haßdenteufel
te: „Non vitae sed scholae discimus“.                Je kleiner die Kinder sind, umso mehr brau­    der Pandemie verschlechtert haben. In der
                                                  chen sie die physische Anwesenheit eines          zweiten Befragung im Dezember 2020 und
   Auch wenn Generationen von Lehrer*in­          Erwachsenen, der sie ermutigt und dem sie         Januar 2021 fühlten sich 85 % der Befragten
nen uns glauben machen wollten, dass es           auch Fragen stellen können, sagt Tobias Lucht,    belastet, erlebten vermehrt Einsamkeit, Ängs­      ANZEIGE
umgekehrt sei und nicht müde wurden zu            der Leiter des Hamburger Kinderhilfeprojek­       te, Panik, Trauer, Kummer und Depression.
behaupten: „Non scholae sed vitae discimus“.      tes ‚Arche‘. Alle, die eigene Kinder großgezo­    Das ist im Vergleich zur ersten Befragung im
So erinnere ich mich gut daran, hauptsächlich     gen haben, wissen das nur zu gut. Je jünger       Sommer letzten Jahres ein Anstieg um 14 %.
deshalb mit Freude in die Schule gegangen zu      die Kinder sind, desto näher wollen sie da sein
sein, weil das Zusammensein mit Gleichaltri­      und spielen, wo die Erwachsenen sich aufhal­         Geschlossene Schulen und Vereine lassen
gen in eben jener ‚Schicksalsgemeinschaft‘        ten. Je älter sie werden, desto mehr brauchen     einen Großteil der gewohnten Lebensräume
von so großer Bedeutung für mich war. Etliche     sie uns als Gegenüber, das sie ernst nimmt        nicht mehr zu. 83 % der befragten Kinder und
Wandertage, Klassenfahrten und vor allem          und sie mit einer wertschätzenden, klaren         Jugendlichen haben weniger soziale Kontakte,
auch Freistunden, die wir ab 16 Jahren im         Haltung begleitet.                                die Freunde/Freundinnen und Mitschüler*in­
Innenhof unserer Schule verbringen durften,                                                         nen werden schmerzlich vermisst. Es fehlt
sind mir noch bestens in Erinnerung. Ebenso          In der ZEIT­Ausgabe vom 16. Juli 2020 sagt     Kindern und Jugendlichen massiv das Gese­
vieles von dem, was sich im Hintergrund der       Anna Herrhausen, Geschäftsführerin der            hen werden – auch und gerade in den Kontak­
tapferen Unterrichtsversuche unserer Lehre­       Alfred­Herrhausen­Stiftung, „Wenn wir auf         ten zu den Gleichaltrigen. Da wundert es
rinnen und Lehrer abspielte.                      die vergangenen Wochen blicken, stellen wir       nicht, dass 70 % der Befragten sich weniger
                                                  fest, wie anpassungsfähig wir Menschen            wohl und fit fühlten und angeben, weniger
  Deshalb erstaunt es mich nicht, dass eine       sind…Wir können auf vieles verzichten, nicht      Energie zu haben. Das geht einher mit einer
Studie der Universität Augsburg unter Leitung     aber auf die Verbindung miteinander und           Zunahme an Niedergeschlagenheit, depressi­
von Klaus Zierer, die den Namen eben jenes        nicht auf die Natur.“.                            ver Verstimmung und Aggression.
römischen Philosophen trägt („Seneca­Studie
2020“), genau das zu bestätigen scheint: „Non        Beziehungen wollen gepflegt und gelebt
scholae sed amicus discimus“ –„Nicht für die      werden. Unter Corona­Bedingungen braucht             Fast ein Drittel der 11­17jährigen zeigt laut
Schule, sondern für die Freunde lernen wir“.      es dazu im ‚echten Leben‘ ebenso wie in der       der COPSY­Studie Anzeichen einer allgemei­
                                                  Schule Kreativität und vielleicht die Rückbe­     nen Ängstlichkeit, ein Zustand der Perspektiv­
   Von den über 2200 im Oktober und               sinnung auf Althergebrachtes (Briefe schrei­      losigkeit macht sich breit. Familien, die viel
November 2020 befragten Schülerinnen und          ben, zum Telefonhörer greifen, sich zum Spa­      Zeit mit ihren Kindern verbringen und in
Schülern der Jahrgangsstufen 7 bis 12 gaben       ziergang treffen…).                               denen Kinder und Jugendliche das Gefühl
93% an, dass die Freunde der bestimmende                                                            haben, geliebt zu sein und gebraucht zu wer­
Grund sind, warum sie gerne in die Schule            Umso erschreckender ist, dass immer noch       den, können all diese Belastungen in der Krise
gehen. Demnach sind, über alle Jahrgangsstu­      40 % der Lehrerinnen und Lehrer in einer For­     relativ gut auffangen, so Frau Dr. Ravens­Sie­
fen hinweg, Freunde und Gleichaltrige der         sa­Studie, die von der Robert­Bosch­Stiftung      berer, Leiterin der Studie und Professorin für
wichtigste Motor und Anstoß für Bildungspro­      in Kooperation mit der ZEIT Ende 2020 durch­      Kinder­ und Jugendgesundheit in Hamburg.
zesse. Der Wegfall sozialer Kontakte kann für     geführt wurde, beklagen, dass ihre Schule         Besonders schlecht aber geht es in der Krise
die Bildung von Kindern und Jugendlichen          noch kein verbindliches Konzept habe, um          im Umkehrschluss den Kindern, deren Eltern
nicht folgenlos bleiben, wenn Bildung mehr ist    den Kontakt zu Schülerinnen und Schülern          dazu nicht in der Lage sind, weil sie selbst

EuWiS 04/2021 | 6
N Bildu g. Weiter de ke ! - BILDUNG DIGITALE Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB - GEW Saarland
THEMA: BILDUNG DIGITALE                                                                                                                                                                                                                            THEMA: BILDUNG DIGITALE

Digitale Bildung im Saarland                                                                                                                            eines Geräts, sondern erfassen weitere Fakto­
                                                                                                                                                        ren, die zur Nutzung digitaler Bildung erfor­
                                                                                                                                                        derlich sind. Im Sinne der ersten These muss
                                                                                                                                                                                                          Senden von Sprachnachrichten über die Mes­
                                                                                                                                                                                                          senger­Dienste.
                                                                                                                                                                                                                                                             Bereich der digitalen Bildung der Fall. Genug
                                                                                                                                                                                                                                                             Menschen im Saarland wollen das ändern.
                                                                                                                                                                                                                                                                Fair wäre es, den Beteiligten eine realisti­
                                                                                                                                                        auch hier dringend darüber nachgedacht wer­          Die Forschung hat sich dieses Phänomens         sche Perspektive darüber zu eröffnen, wann
                                                                                                                                                        den, wie langfristig damit umzugehen ist.         bereits angenommen. So ist die schriftliche        diese Veränderungen geschehen werden. Die
   Die Pandemie hat uns bezogen auf Verän­           Bildungswissenschaftler wissen seit Jahr­       Unterricht etablieren. Das ist auch gut so,                                                          Kommunikation über digitale Medien auch            bisherige Ankündigungspolitik, der nur weni­
derungen und der Wahrnehmung von Proble­          zehnten, dass das selbstständige Lernen vor        denn ein großflächiger Wettbewerb zwischen                                                           ein Mittel um die Schriftlichkeit zu fördern.      ge konkrete Schritte gefolgt sind, führt nicht
men im Bildungssystem in vielerlei Hinsicht       allem jenen gelingt, die über die geeigneten       verschiedenen Plattformen hätte der digitalen      3. Digitale Methodik ist keine digitale           Aber, und das soll auch hier nicht vergessen       nur zur Verunsicherung, sondern auch zu
die Augen geöffnet. Fragestellungen, die vor      sozialen und ökonomischen Rahmenbedin­             Bildung im Saarland eher geschadet als             Didaktik                                          werden, der Zwang zur schriftlichen Kommu­         einer wachsenden Frustration aller Beteilig­
zwei Jahren niemand auf dem Schirm hatte,         gungen verfügen. Vor allem aber gelingt es         genutzt und vor allem Zeit gekostet. Dennoch          Die euphorische Grundstimmung, welche          nikation verhindert auch (soziale) Kommuni­        ten.
stehen nun im Fokus des Interesses und wer­       jenen, die ohnehin schon grundlegende              wird es weiterhin konkurrierende Plattformen       die digitale Bildung im Moment begleitet,         kation, denn die vornehmliche Kommunikati­
den von zahlreichen Beteiligten kontrovers        kognitive Voraussetzungen mitbringen. Dafür        geben und verschiedene Kommunikationswe­           täuscht über viele Mängel hinweg. Der größte      onsform zum Ausdruck emotionaler Befind­              Support­Probleme, Software­Förderung
diskutiert. Das Bildungssystem erlebt zurzeit     gibt es zahlreiche Belege. Fehlt einer der Fak­    ge, mit denen sich Schüler*innen und Leh­          ist, dass nicht mehr Inhalte und Kompetenzen      lichkeiten ist für viele Kinder und Jugendliche    und viele technische Fragen in den Schulen
                                                                                                                                                                                                                                                             sind bis heute nicht gelöst, auch die Ausstat­
eine seiner gravierendsten Transformationen,      toren, so gestaltet sich das Lernen ohne           rer*innen untereinander verständigen. Der          im Mittelpunkt stehen, sondern die methodi­       mündlich. Das sollte uns in der Weiterent­
                                                                                                                                                                                                                                                             tungswelle stockt. Bürokratische Hemmnisse
allerdings ungeplant und ungesteuert und          Zuwendung, individualisierte Betreuung oder        Übergang zu einer einheitlichen Plattform ist      sche Aufbereitung. Bereits in der Vergangen­      wicklung der digitalen Bildung unbedingt
                                                                                                                                                                                                                                                             verhindern allzu oft eine zügige Umsetzung
zeigt dabei zum einen, wozu es in der Lage ist,   auch passende räumliche Bedingungen als            ein langer Weg. Hier hat das Saarland sicher­      heit gab es Bewegungen in den Klassenzim­         beschäftigen.                                      von Innovationen. Langfristige Perspektiven
aber zum anderen auch, wo dringender Hand­        äußerst schwierig, ja sogar unmöglich. Da hilft    lich Vorreiterrolle und Vorbildfunktion in         mern, die Methodik vor Didaktik stellten. Z. B.                                                      für die Zeit nach der Geldwelle aus den För­
lungsbedarf besteht. Beides, Transformations­     auch die von der Politik forcierte Ausstat­        Deutschland übernommen, auch aufgrund              rannten in der viel gelobten Stationenarbeit         Veränderungen in der Kommunikation wer­         dertöpfen sind bisher nicht vorhanden, dabei
fähigkeit und Unterstützungsbedarf, müssen        tungsoffensive nur bedingt, denn fehlende          seiner Kleinheit. Eine Position, die man auf       der 80er­Jahre die Kinder im Klassenzimmer        den auch auf der sozialen und emotionalen          muss jetzt schon die Planung für die Zukunft
benannt, umfassend beschrieben und analy­         Ausstattungsmerkmale sind nur ein minimaler        keinen Fall verspielen sollte.                     von Ecke zu Ecke nur um in allen Ecken die        Ebene zu Verwerfungen führen, denn Pädago­         beginnen. n
siert werden um die richtigen Folgerungen für     Teil des Grundproblems.                                                                               gleichen schlechten Aufgaben zu finden wie        gik lebt zuletzt nicht nur von Inhalten und
die digitale Bildung zu ziehen und weitere Pla­                                                         Aber: Eine Plattform ist noch keine digitale    zuvor.                                            Kompetenzen, sondern eben von dieser Ebe­
nungen zielgerichtet zu gestalten.                   Schon vor der Pandemie war das Bildungs­        Bildung. Zu wenig wurde auf die technischen                                                          ne, die insbesondere in der Krise als außeror­
                                                  system im Saarland in Teilen rückschrittig und     und administrativen Voraussetzungen geach­            Dem Ausbau der digitalen Bildung muss          dentlich wichtig erschienen ist.
   Es gilt in der neuen Situation überdies Ver­
ständnisprobleme und Begriffe zu klären. Digi­    ungerecht. Belege, u. a. die formale Gleichbe­     tet. So gibt es immer noch Schulen im Saar­        eine umfassende digitale didaktische Diskussi­
                                                                                                                                                                                                             Die zweite Erkenntnis ist nicht weniger rele­
tale Bildung ist eines der Themen, zu dem alle    handlung von Gymnasium und Gemein­                 land, die weder über WLAN noch über eine           on vorausgehen aus der u. a. hervorgeht, dass     vant, aber sie wird den gesamten Vorgang der
einen Beitrag leisten wollen, unabhängig          schaftsschule, gibt es zuhauf.                     funktionsfähige Infrastruktur verfügen um die      sich digitale Bildung nicht lediglich darin       Leistungserfassung und der Kontrolle verän­
davon, ob sie das nötige Rüstzeug besitzen                                                           Plattform überhaupt nutzen zu können, wäh­         erstreckt, neue Methoden zu ersinnen, um          dern. Digitale Kommunikation ist manifest. Sie
oder nicht. In der Diskussion mischen sich die       Die Gefahr, dass ohnehin schon benachtei­       rend die Fortbildungsaktivitäten zum Glück         die immer gleichen vielleicht auch ungeeigne­     ist nachvollziehbar und man kann auch
Positionen von Praktikern mit solchen, die die    ligte Bevölkerungsschichten durch das digitale     mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht        ten Aufgabenstellungen, Arbeitsblätter und        Wochen später immer noch darauf zurück­
wissenschaftliche Perspektive in den Mittel­      Lernen, welches ein hohes Maß an Eigenstän­        haben. Darüber hinaus fehlt es allenthalben        andere Dinge an die Schülerinnen und Schüler      greifen. Dies war bisher nur bei schriftlichen
punkt stellen und jenen, die eher die techni­     digkeit einfordert, in der Spirale der Bildungs­   an einer Struktur um den technischen Sup­          zu distribuieren. Diese Diskussion steckt bis­    Arbeiten in der Schule der Fall. Nun ist es aber                               Matthias Römer
schen Aspekte betonen. Dazu kommt die poli­       benachteiligung weiter abrutschen, ist groß.       port zu gewährleisten. Ministerium und Schul­      her in den Kinderschuhen und es ist jetzt die     möglich die gesamte Kommunikation zwi­
tisch­administrative Seite, deren Augenmerk       Viele Schülerinnen und Schüler erfahren            träger schieben im Zusammenhang damit ger­         Aufgabe des Landes, der Administration und        schen Schülerinnen und Lehrerinnen doku­
meist nicht im didaktischen Bereich, sondern      zuhause nicht die Unterstützung, die sie           ne den schwarzen Peter hin und her. Dieser         des LPM sich ausführlicher als bisher damit       mentiert und bewertbar nachzuvollziehen.
eher in der Außenwirkung liegt. Insoweit          benötigen würden, zusätzliche Angebote oder        Konflikt bei den Zuständigkeiten und vor allem     auseinander zu setzen. Arbeit, die im Zusam­      Dies verändert Kommunikation elementar,
unterscheidet sich diese Diskussion nicht allzu   Maßnahmen sind bisher Mangelware. Gerade           bei den finanziellen Ressourcen geschieht auf      menhang damit nicht geleistet wird, wird zu       denn diese Kontrollfunktion stand bisher nicht
sehr von der Bildungsdiskussion im Allgemei­      nun ist es wichtig in der Euphorie über die        dem Rücken derer, welche dringend Ausstat­         den Lehrerinnen und Lehrern spätestens in         im Vordergrund der Kommunikation. Das glei­
nen, denn auch dort finden sich zahlreiche        Beobachtung hinzugewonnener Selbststän­            tung, Infrastruktur und Personal benötigen.        einigen Jahren doppelt und dreifach als           che gilt übrigens für die Nachvollziehbarkeit
Diskutant*innen, deren Expertise von einem        digkeit bei Schülerinnen und Schüler durch         Hinzu kommt, dass in die Diskussionen über         zusätzliche Belastung zurückkehren. Abgese­       der pädagogischen und der inhaltlichen Tätig­
reinen Sichtkontakt mit der Schule bis hin zu     die digitale Unterstützung des Lernens, jene       die Ausstattung nur wenige Personen invol­         hen davon kommen in der gesamten Diskussi­        keit der Lehrerinnen und Lehrer. Da durch die
30 Jahren Erfahrung innerhalb des Systems         nicht zu vergessen, die trotz dieser Unterstüt­    viert sind, welche über das didaktische und        on die fachlichen Perspektiven viel zu kurz.      digitale Aufbereitung des Unterrichts dieser
Schule reicht. Um verstehen zu können, wel­       zung immer noch abgehängt werden. Das              methodische Fundament der digitalen Bil­           Diese aber wiederum leisten den entschei­         quasi präsent und einsehbar ist, ist es Für Vor­
ches die zentralen Handlungsfelder der nächs­                                                                                                                                                             gesetzte und auch die Schulaufsicht ein Leich­
                                                  Eigenlob jener, bei denen der Distanzunter­        dung verfügen. Vielmehr herrscht das Diktat        denden Beitrag dafür, die Frage nach der För­
ten Jahre sind, müssen wir nachvollziehen,                                                                                                                                                                tes die Arbeit der Kolleginnen Kollegen nach­
                                                  richt ‚ganz hervorragend‘ funktioniert, ist        der Technokraten und Administratoren.              derung der Schwächsten zu beantworten. Der
wie digitale Bildung wirkt und wirken kann.                                                                                                                                                               zuvollziehen. Dies muss nicht unbedingt nur
                                                  wohl eher das Ausblenden von Realitäten zu­                                                           Zusammenhang zur ersten These wird somit
                                                                                                                                                                                                          mit Nachteilen verbunden sein, ist doch so
  Die Entwicklung im Pandemiejahr 2020 und        gunsten subjektiver Sichtweisen. In der ver­          Die Administrative in Form der MBK zieht        klar.                                             das kooperative Arbeiten zwischen Kollegin­
die prognostizierte Lage für die nächsten         ständlichen jedoch kurzfristig gedachten Freu­     sich bisweilen aus der Verantwortung, in dem                                                         nen und Kollegen, aber auch Schülerinnen und
Monaten erlauben nun einen ersten kriti­          de darüber, dass ein erklecklicher Anteil der      sie bezüglich der Notengebung und im                                                                 Schülern wesentlich vereinfacht. Dennoch
schen Blick und das Benennen von Arbeitsfel­      eigenen Schüler den digitalen Wegen des eige­      Umgang mit den Leistungen der Schülerinnen         4. Digitale Bildung wird das Schüler*innen­       bleibt ein schaler Nachgeschmack. Denn man
dern für die kommende Zeit. An dieser Stelle      nen Handelns Folge leistet, wird oft vergessen     und Schüler vage bleibt. Dies mag der unsi­        Lehrer*innen­Verhältnis verändern                 weiß nie genau, was mit der dokumentierten
werden diese in fünf Thesen – auch auf die        ausführlich und intensiv zu diskutieren, warum     cheren Pandemielage geschuldet sein, ist              Diese These mag zunächst banal klingen, ist    Unterrichtsplanung geschieht. Auch diese Fra­
saarländische Situation bezogen – aufgezeigt.     diejenigen, die keine Folge leisten ausge­         aber sicherlich langfristig keine erfolgreiche     aber weitreichender als viele meinen. Ich         gen müssen im Fortgang der weiteren Ent­
                                                  schlossen bleiben. Erfreulicherweise hat man       Strategie. Schon jetzt sollten die Rahmenbe­       möchte dies an zwei grundlegenden Beispie­        wicklung digitaler Bildung dringend diskutiert
                                                  diese Erkenntnis auch von Entscheider*innen        dingungen für die nächsten Schuljahre festge­      len verdeutlichen.                                werden. Es entsteht durch die Manifestation
1. Digitale Bildung vertieft die ökonomische      vernommen. Wie jedoch konkret damit umge­          zurrt werden, denn die Nutzung von Plattfor­                                                         eine neue Möglichkeit der Kontrolle, welche
und soziale Spaltung                              gangen wird, wurde bisher nicht erklärt.           men wird sicherlich fortgesetzt, auch wenn            Zum einen wird durch die digitale Kommu­       dringend sowohl personalrechtlicher als auch
   Das ist in keinem Falle ein Argument gegen                                                        das akut­pandemische Lernen von zu Hause           nikation das Schriftliche erheblich in den Vor­   schulrechtlicher Rahmenbedingungen bedarf.
die Ausweitung digitaler Bildung. Allerdings                                                         beendet sein wird. Die Strategien zur Versor­      dergrund rücken. Viele Schülerinnen und
muss diese unbestreitbare Folge der Pande­        2. Eine Plattform macht noch keine Bildung         gung benachteiligter Schülerinnen und Schü­        Schüler verbinden mit eben diesem Schriftli­
mie noch stärker in den Blick genommen und           Trotz der Anlaufschwierigkeiten konnte sich     ler mit Endgeräten sind zwar lobenswert, aber      chen große Probleme und schätzen deswegen         5. Realistische Perspektiven sind gefragt
entsprechend flankiert werden.                    OSS als Standardplattform für den Unterricht       greifen zu kurz. Viel zu oft erstrecken sich die   die mündliche Kommunikation. Nicht zuletzt           Das Saarland ist Meister im Nicht­Abrufen
                                                  von zu Hause und den zukünftigen digitalen         Benachteiligungen nicht nur über den Besitz        zeigt sich diese Entwicklung am vermehrten        vorhandener Fördergelder. Das ist auch im

EuWiS 04/2021 | 8                                                                                                                                                                                                                                                                      EuWiS 04/2021 | 9
N Bildu g. Weiter de ke ! - BILDUNG DIGITALE Zeitung "Erziehung und Wissenschaft im Saarland" des Landesverbandes der GEW im DGB - GEW Saarland
THEMA: BILDUNG DIGITALE                                                                                                                                                                                                                            THEMA: BILDUNG DIGITALE

Learning Analytics und                                                                                                                                 systematische Überforderung, die sich daraus
                                                                                                                                                       ergibt, dass das Entscheidende gar nicht über­
                                                                                                                                                       blickt werden kann. Es zeigt sich nach Hor­
                                                                                                                                                                                                          voraussetzen. Lernanforderungen, die keine
                                                                                                                                                                                                          schnelle Lösungen und damit unmittelbare
                                                                                                                                                                                                          Belohnungen der Lernenden erlauben, finden
                                                                                                                                                                                                                                                             Gegenteil der Fall, worauf der französische
                                                                                                                                                                                                                                                             Philosoph Gilles Deleuze hinweist, der von
                                                                                                                                                                                                                                                             Dividualisierung spricht, weil die Personen

Big Data in der Bildung                                                                                                                                tong, dass in „jedem digitalen Lerntool, jeder
                                                                                                                                                       App und jeder Schulverwaltungssoftware
                                                                                                                                                       immer eine bestimmte Wahrnehmungs­ und
                                                                                                                                                                                                          daher in den behavioristisch geprägten Pro­
                                                                                                                                                                                                          grammen kaum Platz.
                                                                                                                                                                                                                                                             ausschließlich in die Elemente zerlegt werden,
                                                                                                                                                                                                                                                             die für die digitale Modellierung von Nutzer­
                                                                                                                                                                                                                                                             profilen relevant sind. Der Soziologe Andreas
                                                                                                                                                       Realitätsmodellierung (steckt), bei der ein         Nudging und Gamification                          Reckwitz argumentiert ähnlich und verwen­
  Schon seit ihrem Gewerkschaftstag 2017           Bewusstmachung der Wirkmechanismen                mationen preis, wenn Massive Open Online          selektierter Ausschnitt der Bildungswelt in           Die Learning Analytics­Algorithmen nutzen       det in diesem Zusammenhang den Begriff
setzt sich die GEW immer wieder kritisch mit       digitaler Bildungstechnologien                    Courses (MOOC) oder Lernapps genutzt wer­         bestimmte Datenformate und Indikatoren             die Prinzipien des Nudging („Anstupsen“) und       „Profil­Subjekte“.
den Veränderungen auseinander, die auf­               Diese Forschungen fokussieren nicht auf        den. Aber wie sieht es mit der Schulverwal­       übersetzt wird, der dann wiederum – und das        der Gamification als zentrale Prinzipien, die
grund der rapide zunehmenden Digitalisie­          die Wirksamkeit von digital basierten Lernan­     tungssoftware, standardisierten Tests und der     ist hier so entscheidend – über Algorithmen        das Design ihrer Lerntechnologien bestim­          Schlussfolgerungen: Entwicklung eines
rung im Bildungsbereich zu beobachten sind.        geboten, wie sie etwa im Mittelpunkt der          Schulcloud aus? Kann hier schon von Big Data      und Modellierungen in Wert gesetzt wird.“ (S.      men. Durch Nudging sollen die Lernenden            datenpolitischen Alternativprogramms
So veranstaltete das Bundesforum „Bildung in       „What­Works“­ oder „Does­It­Work“­ Studien        gesprochen werden, obwohl Data Mining in          10)                                                wie die Nutzer*innen in anderen digital/virtu­        Um die Einflüsse der mächtigen EdTech­
der digitalen Welt“ im September 2019 eine         stehen: z. B. „Lässt sich eine Leistungssteige­   diesem Kontext ökonomisch (noch) nicht sehr                                                          ell strukturierten Welten dazu gebracht wer­       Industrie im Bildungsbereich zu begrenzen,
Fachtagung mit dem Titel „Learning Analytics       rung durch Einsatz spezifischer Lern­Apps         attraktiv ist? Im Sinne der Critical Data Stu­       Die Learning Analytic­Tools sind danach zu      den, Entscheidungen zu treffen, die ihnen          plädiert Hartong für ein datenpolitisches
und Big Data in der Bildung“. Einen wichtigen      feststellen?“ Vielmehr geht es um das kriti­      dies wird laut Hartong der Bildungsbereich        befragen, welche Logik(en) der Selektion, der      positive Gefühle vermitteln. Die Technologien      Alternativprogramm, in dem Fragen nach
Tagungsvortrag leistete Dr. Sigrid Hartong, die    sche Verstehen und Bewusstmachen der              zunehmend von „wirkmächtigen Dateninfra­          In­Formation , der In­Wertsetzung von Lernen       der Gamification verwenden die für Compu­          informationeller Selbstbestimmung und Tech­
an der Helmut­Schmidt­Universität Hamburg          Wirkmechanismen, die digitale Technologien        strukturen“ durchdrungen, zu deren Merkma­        oder Bildung zur Geltung kommen. Ganz kon­         terspiele typischen Wettbewerbe, Ranglisten        nologiefolgenbewertung ernsthaft bearbeitet
zu diesem Thema forscht.                           im Kontext von Bildung entfalten.                 len auch Big Data als ein Aspekt gehört.          kret: „Wann wird eine Aufgabe als schwer           und Belohnungssysteme, um zur häufigen             werden. Um das Primat der Pädagogik vor der
                                                                                                                                                       oder leicht klassifiziert, wann gilt eine Aufga­   und intensiven Nutzung der dargebotenen            Technik zur Geltung zu bringen, bedarf es
   Im Folgenden werden nur die mir wesent­         Learning Analytics: Sammeln und algorith­            Unter Dateninfrastrukturen werden hier­        be als korrekt gelöst, wann wertet der Algo­       Produkte anzuregen. Um Gamification im Bil­        einer „Data Infrastructure Literacy“. Damit ist
                                                                                                                                                                                                                                                             gemeint, die Bildungsakteure wissen nicht nur
lich erscheinenden Überlegungen des ver­           misches Auswerten von Daten der Lernen­           bei „komplexe soziotechnische Systeme,            rithmus etwas als Lernzuwachs oder gar als         dungsbereich geht es jedoch nicht um Prozes­
                                                                                                                                                                                                                                                             mit digitalen Tools umzugehen, sondern sind
schrifteten Vortrages kurz dargelegt mit der       den                                               Selektions­ und Regelungsstrukturen bezeich­      student success?... Wie wird in einer Schul­       se des Spielens, die auf Freiwilligkeit beruhen,
                                                                                                                                                                                                                                                             auch bereit und fähig, die Hintergründe der
Absicht, einen ersten Einblick in die komplexe        Kurz und einfach ausgedrückt: im Rahmen        net, innerhalb derer (digitale) Daten über das    cloud mit Lernmaterialien die Suchfunktion         sondern um institutionell verankerte Beob­         Entstehung und die Funktionsweise von
Thematik zu ermöglichen und zu intensiver          von Learning Analytics werden mittels digita­     Bildungssystem generiert, organisiert, mit        gesteuert, wie wird geordnet, was auf Seite        achtungen und Bewertungen, die sich auf Bil­       Dateninfrastrukturen zu verstehen. Denn das
Beschäftigung mit dieser anzuregen.                ler Technologie Daten der Lernenden bzw.          Bedeutung(en) versehen und schließlich mit        eins oben und was erst auf Seite fünf steht?       dungslaufbahnen auswirken können.                  Verstehen der Zusammenhänge im Austausch
                                                   Lernumgebungen gesammelt und algorith­            Bildungssteuerungsprozessen verbunden             Usw. usf.“ (S. 10)                                                                                    mit anderen kann dazu beitragen, die Frei­
   Dass mit der Kritik an der Bildungsdigitali­    misch zur Optimierung von Lernprozessen           werden.“ (S. 9) Jede datafizierte Lernumge­                                                          Verhaltenskontrolle und Nudging am Bei­            heitsräume zurückzugewinnen, die zur Entfal­
sierung keine technikfeindliche Totalverwei­       ausgewertet.                                      bung, jedes Schulmanagement­ und Monito­             Hartong weist in diesem Zusammenhang            spiel der App „ClassDojo“                          tung demokratischer Gesellschaften unab­
gerung einhergeht, stellt Hartong schon in                                                           ringsystem nutze damit Formen von Learning        auf die Problematik hin, die sich bei der Ent­        Diese auf dem Lehrer*innen­Handy instal­        dingbar sind. Neben der Finanzierung von kri­
ihren einleitenden Worten klar. Die Kritik rich­      Nun gehört es zu den klassischen Aufgaben      Analytics, „indem Daten, die direkt oder indi­    wicklung der Learning Analytics­Modelle            lierte App, die laut Betreiber schon von 95 %      tischer Digitalisierungsforschung müsste laut
tet sich zunächst gegen das als selbstver­         von Pädagogik, auf der Basis von Lernstands­      rekt etwas über das Lernen und Lernumge­          ergeben. Denn die zugrundeliegenden Algo­          der Schulen in den USA genutzt wird, soll dazu     Hortong in der Aus­ und Fortbildung von
ständlich wahrgenommene Diktum, dass alle          erhebungen und der Analyse von Lernprozes­        bungen aussagen sollen, verarbeitet, analy­       rithmen seien geprägt durch politische, kultu­     dienen, das Klima, die Disziplin und die           Lehrkräften der kritische Blick auf Datafizie­
Bildungsinstitutionen, angefangen von Kitas,       sen die nächsten Lern­ und Entwicklungs­          siert und nutzbar gemacht werden sollen.“         relle und ethische Wertvorstellungen und           Zusammenarbeit im Klassenraum zu verbes­           rung und Learning Analytics geschärft wer­
über Schulen, Hochschulen bis zur Erwachse­        schritte zu planen. Das Neue der Learning­        (S. 9) Entscheidend ist dabei, sich bewusst zu    beeinflusst durch persönliche Vorlieben und        sern. In Echtzeit können das Verhalten der         den. Für die Bildungsgewerkschaft GEW – so
nenbildung „umfänglich und maximal schnell         Analytics­Verfahren besteht allerdings darin,     machen, welchem Zweck die Nutzung der             Kompetenzen der Programmierer*innen und            Schüler*innen mit Punkten bewertet, Verhal­        mein abschließendes Plädoyer ­ wäre es fatal,
digitalisiert werden müssen“. Angesichts des       dass die von Informatiker*innen entwickelten      Daten dient und welche Macht sich entfalten       nicht zuletzt auch durch finanzielle Rahmen­       tensprofile erstellt und Wettbewerbe der           den Verheißungen digitaler Lerntechnologien
Corona­bedingten Distanzlernens sind aktuell       Programmierungsformate diese Aufgabe              kann, wenn digitale Lerntechnologien              bedingungen. Obwohl diese komplexen Fak­           Schüler*innen untereinander erstellt werden.       kritiklos zu vertrauen. Stattdessen sollte der
Alternativen zu diesem allgegenwärtigen Dik­       übernehmen, was mit einer zunehmenden             bestimmte Menschen­ und Weltbilder forcie­        toren und Effekte noch nicht durch einschlägi­     Anhand von Indikatoren, nach denen die App         aufklärerisch­emanzipatorische Kern von Bil­
tum im öffentlichen Diskurs nur sehr leise ver­    „Datafizierung“ vieler Bereiche der Lernenden     ren.                                              ge Forschungen im Detail belegt sind, lassen       wünschenswerte Verhaltensweisen definiert          dung betont werden, der darin besteht, die
nehmbar.                                           einhergeht. Auch die bildungsstatistische                                                           sich dennoch schon einige Tendenzen erken­         und bestimmten Punktwerten zuordnet, wer­          Subjekte durch die Erweiterung ihrer Denk­
                                                   Erhebung von Daten der Schüler*innen, wie         Digitale Lerntechnologien keine neutralen,        nen.                                               den Profile erstellt. Die Heranwachsenden          und Handlungsmöglichkeiten von den unter­
                                                                                                                                                                                                                                                             schiedlichsten Zwängen und Herrschaftsver­
Critical Data Studies: die Macht der Daten,        etwa formelle Bildungsabschlüsse, Schulno­        rein funktionale Tools                                                                               können dann durch optimierte Anpassung an
                                                                                                                                                                                                                                                             hältnissen zu befreien. n
die kein neutrales Abbild der Realität sind        ten, internationale Leistungsvergleiche (PISA,        Im aktuellen Diskurs über Bildungsdigitali­   Behavioristische Dressur durch digitale            die vorgegebenen Verhaltensnormen einen
   Hartong nimmt keine dezidiert medienpä­         TIMMS), ist nichts Neues. Doch die Digitalisie­   sierung überwiegt die Vorstellung, digitale       Lerntechnologien                                   „grünen Kreis“ erreichen.
dagogische Perspektive ein, sondern bezieht        rung und das damit verbundene Aufkommen           Technologien seien neutrale Werkzeuge, die           So konnten britische Forscher zeigen, dass
sich auf die sogenannten „Critical Data Stu­       von „Big Data“ verleihen den Datenerhebun­        als Hilfsmittel eingesetzt werden können, um      die mit dem Attribut „innovativ“ geschmück­           Hartong merkt hierzu an, dass es nur weni­
dies“, die in den vergangenen Jahren vor allem     gen im Bildungsbereich eine neue Qualität.        Bildungsprozesse zu optimieren. Die Tools         ten digitalen Lerntechnologien, die global an      ge Studien gibt, die sich kritisch mit den Nud­
international zunehmend populärer wurden,                                                            und Apps sparen Zeit, machen Kommunikati­         Einfluss gewinnen, oftmals durch die Lern­         ging­Mechanismen dieser App auseinander­
in Deutschland aber noch kaum zur Kenntnis         Big Data und Dateninfrastrukturen im Bil­         on und Vernetzung von Raum und Zeit unab­         theorien des Behaviorismus geprägt sind. Eine      setzen. Aus meiner Sicht bleibt nur zu hoffen,
genommen werden. Zentrale Erkenntnis die­          dungsbereich?                                     hängig, fördern Individualisierung einerseits     Variante dieser lerntheoretischen Modelle,         dass sich Lehrkräfte hierzulande nicht solchen
ser Studien ist,                                      Zu den zentralen Merkmalen von Big Data        und Kollaboration andererseits, online­Diag­      das Operante Konditionieren, geht davon aus,       Algorithmen ausliefern, sondern auf ihre
                                                   gehören die drei mit „v“ beginnenden Phäno­       nosen liefern postwendend passgenaue För­         dass menschliches Lernen hauptsächlich             pädagogischen Fähigkeiten bei der Bearbei­
   „dass Daten niemals ein neutrales, entpoli­     mene: high­volume (große Datenmenge)              dervorschläge, so der Mainstream der Digita­      durch Belohnung und Bestrafung erfolgt. Der        tung von Verhaltensproblemen z. B. im Klas­
tisiertes, technologisch verdichtetes Abbild       high­velocity (enorme Schnelligkeit der Pro­      lisierungsprotagonisten. Ja, auch ein emanzi­     Hauptprotagonist des Operanten Konditionie­        senrat vertrauen.                                                                     Helmut Stoll
von Realität sind (als was sie nämlich gerade      duktion und Verarbeitung von Daten) und           patorisches Potenzial böte der digitale Mög­      rens, Skinner, war der festen Meinung, dass
bei Lerntechnologien oftmals verkauft wer­         high­variety (immense Bandbreite der Infor­       lichkeitsraum, weil die Bildungsakteure selbst­   menschliches Verhalten durch positive und          Dividualisierung statt Individualisierung              Quelle: Learning Analytics und Big Data in der Bildung
den), sondern zum einen immer von der              mationstypen). Diese vielschichtige Daten­        bestimmt aus der Fülle der Angebote schöp­        negative Reize von außen gelenkt werden              Mit dem Einsatz digitaler Lerntechnologien           Zur notwendigen Entwicklung eines datenpolitischen
                                                                                                                                                                                                                                                                 Alternativprogramms (GEW­Publikation November
Umgebung, in der sie entstehen, massiv             struktur kann nicht mehr allein von Menschen      fen könnten.                                      könne. Die Außenlenkung und unmittelbare           verbindet sich häufig das Versprechen, durch           2019)
beeinflusst sind, dass Daten zum anderen           bearbeitet werden, sondern bedarf komple­                                                           Belohnungskoppelung durch Smileys oder das         individuell abgestimmte Anforderungen, Auf­
aber auch immer Wirklichkeit erschaffen und        xer Algorithmen. Im Bildungsbereich geben            Aus kritischer Perspektive verkennt die        Erreichen eines höheren „Levels“ behindern         gabenformate und Unterstützungsmöglichkei­
damit eine oftmals unterschätzte Macht aus­        jetzt schon Millionen von Menschen ihre per­      Annahme der erweiterten autonom verant­           aber jene Lernprozesse, die die kritische Aus­     ten seien Lernprozesse leicht zu individualisie­
üben.“ (S. 7 )                                     sönlichen Daten, Standort­ und Verlaufsinfor­     worteten Handlungsspielräume jedoch die           einandersetzung mit komplexen Themen               ren. Allerdings ist nach Hortong oft das

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