Substitutions-Forum - TAGUNGSBAND Plattform für Drogentherapie - ögabs
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19. 18. Substitutions-Forum Plattform für Drogentherapie TAGUNGSBAND Samstag, 9. April 2016 Sonntag, 10. April 2016
Impressum: ÖGABS (Österreichische Gesellschaft für arzneimittelgestützte Behandlung von Suchtkrankheit) c/o Wiener Medizinische Akademie Alser Straße 4, 1090 Wien www.oegabs.at Druck: ROBIDRUCK Engerthstraße 128, 1200 Wien www.robidruck.co.at
19. SUBSTITUTIONS - FORUM Inhaltsverzeichnis Vorwort I. Altern im „Zeitalter des Gehirns“: die Komplexität des Drogen- und Arzneimittelgebrauchs und seiner Behandlung im höheren Lebensalter Alfred Springer II. Klinische Aspekte der Langzeitsubstitution mit Opioiden Hans Haltmayer III. Der geschlechtergerechte Zugang in der Arbeit mit alternden Suchtkranken Irmgard Vogt IV. Auch Drogenabhängige werden älter – Problemlagen und integrative Strategien in Wien Georg Preitler V. Was brauchen die Überlebenden – angemessene Betreuungsstrategien für alternde Suchtkranke mit multiplem Substanzkonsum Martin Kurz VI. Berichte aus dem Kompetenzzentrum Sucht an der Gesundheit Österreich gGmbH (GÖG) Martin Busch, Marion Weigl VII. Neues zur Hepatitis C Therapie und Therapiekonzepte zur HCV – Behandlung Opioid-Substituierter Michael Gschwantler, Hans Haltmayer VIII.Wenn die Entzugsbehandlung nicht abstinent macht, worin liegt dann der Sinn einer Entzugsbehandlung? Für einen Paradigmenwandel im stationären psychiatrischen Kontext Ekkehard Madlung-Kratzer 3
19. SUBSTITUTIONS - FORUM Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer! Im vorliegenden Tagungsband finden Sie eine Zusammenstellung von Vorträgen des 19. Substitutions-Forum, das vom 9.-10. April 2016 im Schlosshotel Mondsee stattfand. Das Substitutions-Forum, das sich in den letzten Jahren zur wichtigsten nationalen Plattform für Drogentherapie in Österreich entwickelt hat, ist zugleich der Jahreskongress der Österreichischen Gesellschaft für substitutionsgestützte Behandlung von Suchtkrankheit (ÖGABS). Auch in diesem Jahr hatte sich die Bundedrogenkoordinatorin im Bundesministerium für Gesundheit, Frau Dr. Schopper, bereit erklärt, das Forum zu eröffnen. In ihrer Rede unterstrich sie erneut die Bedeutung der Substitutionsbehandlung und ordnete dem Substitutionsforum eine wichtige Funktion als Diskussionsplattform zu. Auch die Leistungen der ÖGABS innerhalb des wissenschaftlichen und politischen Diskurses wurden von ihr gewürdigt. Sie trat diesmal allerdings auch als Referentin auf und informierte über die Bestrebungen zur Erarbeitung von Qualitätssicherungsstandards für die substitutionsgestützte Behandlung der Opioidabhängigkeit durch Repräsentanten der Medizin, der psycho-sozialen Intervention und der juristisch-legislativen Beurteilung. Das wissenschaftliche Hauptreferat hielt wieder A. Springer. Er sprach zum Thema: Altern im „Zeitalter des Gehirns“ und demonstrierte die Komplexität des Drogen- und Arzneimittelgebrauchs und seiner Behandlung im höheren Lebensalter. Die epidemiologische Zunahme älterer und alter Opioidgebraucher ist auf viele Faktoren zurückzuführen: die Lebenserwartung ist allgemein gestiegen; die Suchtklienten entstammen den geburtenstarken Jahrgängen 1946-1964 (baby boomers), in denen bereits eine relativ hohe Vorerfahrung mit Drogenkonsum vorliegt und der Nachfolgegeneration, die ebenfalls in ihrer Jugend beträchtliche Erfahrung mit Drogengebrauch aufweist. Zusätzlich wurden suchtgifthaltige und psychoaktive Arzneimittel besser zugänglich und die therapeutische Versorgung und Überlebenshilfe bereits längerfristig Abhängigkeitskranken entscheidend verbessert. Zu bedenken ist weiterhin die Möglichkeit iatrogen induzierter Abhängigkeit im Kontext der Behandlung altersbedingter Leidens- und Schmerzzustände körperlicher und seelischer Art. Und schließlich gibt es auch Coping-Verhalten in dieser Generation, mittels Arzneimittelgebrauch, Alkohol- und Drogengebrauch den Unzukömmlichkeiten des Alterns, den somatischen und psychischen Erkrankungen und Störungen, die es charakterisieren, zu begegnen. Im nächsten Jahrzehnt wird die zunehmend älter werdende, altersgemäß multimorbide und durch den Drogengebrauch in pathophysiologischer Hinsicht vorzeitig gealterte, Population der Drogengebraucher Ärzte erfordern, die sowohl Kompetenzen in Geriatrie wie auch in Suchtmedizin aufweisen. Die Experten der somatischen und psychischen Gesundheitsversorgung müssen die Möglichkeit ergreifen, die speziellen Bedürfnisse dieser Klientel anzusprechen und die Angebote in Therapie und Pflege entsprechend anzupassen. Dem Problembereich widmen sich internationale Forschungsbemühungen, die dazu geführt haben, dass das Problem auch von den internationalen Gesundheitsbehörden wahrgenommen wird und dass Leitlinien zur adäquaten Behandlung der alternden Suchtkranken entworfen wurden. Das Leitthema wurde in mehreren ausführlichen Beiträgen auf hohem Niveau abgehandelt. Frau Prof. Vogt aus Frankfurt brachte ihre umfassende Erfahrung der Situation in Deutschland ebenso wie Erkenntnisse aus dem internationalen SDD care Projekt in die Diskussion ein, wobei sie 4
19. SUBSTITUTIONS - FORUM einen besonderen Fokus auf den geschlechtergerechten Zugang in der Arbeit mit alternden Suchtkranken richtete. G. Preitler, der Leiter des Liaisondiensts Konnex der Sucht- und Drogenkoordination Wien, repräsentierte die Wiener Sicht des Problems. Er beschrieb die Problemlage, die sich für die Versorgungssituation in der Bundeshauptstadt daraus ergibt, dass die Drogenabhängigen altern und berichtete über integrative Strategien, die bereits entwickelt wurden, bzw. diskutiert werden. Auch H. Haltmayer widmete in seinem Beitrag über klinische Aspekte der Langzeitsubstitution mit Opioiden der Problematik der Altersstruktur der Suchtkranken besondere Aufmerksamkeit. Er stellte dar, in welch hohem Ausmaß der Anteil älterer und alter Opioidabhängiger an der substituierte Klientel bereits zugenommen hat. Dies ist nicht zuletzt auf die Methode der Langzeitsubstitution zurückzuführen, da internationale Evidenz dafür vorliegt, dass eine längere Dauer der OST mit besseren Behandlungsergebnissen korreliert und insbesondere die Prävalenz von auf dem Blutweg übertragbaren Infektionskrankheiten und auch die Rate tödlicher Überdosierungen reduziert. Diesen klinisch positiven Effekten stehen klinisch negative Effekte entgegen: verminderte Testosteron- Plasmaspiegel, höhere Prävalenz sexueller Dysfunktionen, ein erhöhtes Risiko für Diabetes Mellitus Typ II und metabolisches Syndrom, sowie ein höheres Osteoporose-Risiko. Haltmayer kam zum Fazit, dass die Langzeit-Opiodsubstitution neg. klinische Effekte haben kann, dass aber die positiven Effekte bei weitem überwiegen. Die Sonntagmorgen-Session erweiterte, wie es der Tradition der Veranstaltung entspricht, den thematischen Raum. Zunächst griff Martin Kurz das Thema des Samstags nochmals auf und brachte seine Vorstellungen hinsichtlich einer angemessene Betreuungsstrategie für alternde Suchtkranke mit multiplem Substanzkonsum vor. Er ging speziell auf die Bedeutung von traumatischen Erfahrungen, insbesondere wenn sie in der Kindheit erlebt wurden, wie auch der Re-Traumatisierungen, denen Drogengebraucher ausgesetzt sind, ein und stellte Reflexionen über den Beziehungscharakter des Drogengebrauchs an. Als angemessene Betreuungsstrategien und –philosophien stellte er motivierende Gesprächsführung und Recovery als aktuelle Techniken und Konzepte vor und unterstrich die Bedeutung des Empowerment der PatientInnen. M. Gschwantler nahm erneut ein Update zur aktuellen Therapie der Hepatitis vor, berichtete über die derzeit gültigen Therapiestandards. Er meinte, dass mit den neuen Therapien (fast) jeder Patient ohne relevante Nebenwirkungen geheilt werden könnte und daher aus medizinischer Sicht jeder Patient mit chronischer Hepatitis C behandelt werden sollte; hohe Therapiekosten, fehlendes Screening und bei manchen Patienten Compliance-Probleme seien aber bislang limitierende Faktoren. Darüber wie Compliance-Probleme in den Griff bekommen werden können informierten Haltmayer und Gschwantler in dem Bericht über ihr gemeinsames Projekt „Directly observed therapy“ der chronischen Hepatitis C mit modernen interferon-freien Therapieregimen bei Substitutionspatienten mit „Borderline-compliance“. E. Madlung-Kratzer schließlich plädierte für einen Paradigmenwandel der Suchtbehandlung im stationären psychiatrischen Kontext. Er stellte sein differenziertes Konzept der Aufgaben einer stationären Akutbehandlung Suchtkranker vor, das Krisenbewältigung, Stabilisierung und Entzug umfasst, wobei er auch die Indikationskriterien für eine Entzugsbehandlung zu definieren versuchte. Als vorrangiges Ziel der klinischen Behandlung sollte nicht Drogenfreiheit gelten; vielmehr sei das Ziel jeglicher Behandlung die Erhaltung/Verbesserung der (somato-psychosozialen) Gesundheit und der Lebensqualität (auf unterschiedlichem Niveau) und eben nicht die Abstinenz (Heilung). Wie regelmäßig in den vergangenen Jahren stellten auch diesmal Martin Busch & Marion Weigl einen Bericht aus dem Kompetenzzentrum Sucht der GÖG vor. Diesmal informierten sie über die Drogensituation in Österreich und trugen erste Ergebnisse aus der Befragung der in der Substitutionsbehandlung tätigen Ärztinnen und Ärzte vor. Die Untersuchung konnte Daten aus einem 5
19. SUBSTITUTIONS - FORUM relativ hohen Rücklauf verwerten und lieferte erstmals Informationen zur beruflichen und sozialen Integration von Personen in Langzeit-OST, die allerdings großteils auf Schätzungen beruhen. Etwa die Hälfte der Langzeitpatientinnen und –patienten wurde von den Ärzten als beruflich gut/mittelmäßig integriert eingeschätzt, die soziale Integration wurde noch besser bewertet. Die Hepatitis C Antikörperprävalenz war sehr hoch. Die Angaben waren äußerst heterogen, was ev. auf die Heterogenität der Patientinnen und Patienten zurück zu führen ist, aber durchaus auch aus verzerrenden Schätzeffekten resultieren könnte. Am 9. April wurde Herr em. Univ. Prof. Dr. Christian Bertl mit dem Ehrenpreis der ÖGABS für seine Verdienste um die östereichische Drogenpolitik ausgezeichnet. Wir möchten Ihnen mit dem vorliegenden Tagungsband die Tagungsinhalte wieder in Erinnerung rufen und Ihre Neugierde auf „Mondsee 2017“ wecken! Wir bedanken uns nochmal bei den ReferentInnen und Sponsoren und würden uns freuen, Sie beim 20. Substitutions-Forum 2017 am gewohnten Veranstaltungsort in Mondsee begrüßen zu dürfen, Mit herzlichen Grüßen Univ.-Prof. Dr. Alfred Springer Dr. Wolfgang Werner Tagungspräsident Tagungs-Vizepräsident 1. Vorsitzender ÖGABS 2. Vorsitzender ÖGABS 6
Ankündigung Die Österreichische Gesellschaft für arzneimittelgestützte Behandlung von Suchtkrankheit, ÖGABS lädt zum: 20. SUBSTITUTIONS-FORUM Plattform für Drogentherapie 6.–7. Mai 2017, Schlosshotel Mondsee Bitte merken Sie sich diesen Termin vor. Wir würden uns freuen Sie zu diesem Anlass in Mondsee begrüßen zu dürfen. Online Anmeldung: www.oegabs.at Wissenschaftliches Komitee: Information: Dr. Hans Haltmayer Medizinische Ausstellungs- und Dr. Gerhard Rechberger Werbegesellschaft Dr. Peter Skriboth Freyung 6, 1010 Wien Univ.-Prof. Dr. Alfred Springer Tel.: 01 536 63-71, Fax: 01 535 60 16 Dr. Wolfgang Werner E-mail: maw@media.co.at
DROGENSUBSTITUTION Eine reife Entscheidung. Mundipharma Ges.m.b.H. Apollogasse 16-18 A-1070 Wien Tel.: +43/1/523 25 05 Fax: +43/1/523 25 05-44
19. SUBSTITUTIONS - FORUM I.I. Altern Alternim im„Zeitalter „Zeitalterdes desGehirns“: Gehirns“:die dieKomplexität Komplexitätdes desDrogen- Drogen-und und Arzneimittelgebrauchsund Arzneimittelgebrauchs undseiner seinerBehandlung Behandlungimimhöheren höheren Lebensalter Lebensalter AlfredSpringer Alfred Springer Autor: Univ.-Prof. Dr. Alfred Springer 1. Vorsitzender der ÖGABS em. Leiter des Ludwig Boltzmann Institutes für Suchtforschung,Wien Salztorgasse 6/5/8 1010 Wien Email: alfred.springer@meduniwien.ac.at Suchtmittelgebrauch im Alter und der alternde Substitutionsklient. Die Ergebnisse epidemiologischer Forschung sprechen eindeutig dafür, dass der Anteil der Konsumenten von illegalen Drogen, die älter sind als 40 Jahre, kontinuierlich anwächst. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogenmissbrauch in Lissabon geht davon aus, dass in Europa jeder fünfte Suchtkranke älter als 40 Jahre ist. Für Österreich wurde aus dem GÖG/ÖBIG 2008 berichtet, dass der Anteil der älteren Problemkonsumenten und Problemkonsumentinnen sich zwischen 2001 bis 2007 von 28% auf 33% erhöhte. Hinsichtlich der Opiatabhängigkeit und ihrer Behandlung zeigt das österreichische Substitutionsregister eine kräftige Zunahme von Substituierten seit der Jahrtausendwende. Der Anteil der älteren Drogenkonsumenten und -konsumentinnen an den Substituierten war bereits im Jahre 2000 hoch und er blieb dies auch in den folgenden Jahren: 2006 resp. 2007 waren etwa 4.000 ältere Opioidabhängige substituiert, das war fast die Hälfte aller Substituierten (Irmgard Eisenbach-Stangl / Christine Reidl). Eisenbach-Stangl und Spirig, meinten, dass sich die Gesamtzahl der problematischen und abhängigen Opiatgebraucher in diesem Zeitraum verdoppelt hat, wenn man den Anstieg auf der Basis des Substitutionsregisters kalkuliert; die Autoren errechneten auf dieser Basis, dass 2007 in Österreich zumindest 7.166 ältere Drogenabhängige lebten, wovon die meisten – etwa vier Fünftel – männlichen Geschlechts waren. An dieser Situation hat sich in den Folgejahren nichts verändert. Auch aus Deutschland werden vergleichbare Ergebnisse berichtet. Diese Entwicklung hat sicher mehrere Ursachen. Es ist aber anzunehmen, dass insbesondere die gesundheitsfördernden und therapeutischen Prinzipien, die bei der Behandlung opioidabhängiger Personen zum Einsatz kommen, das Risiko reduzieren, an den Folgen des Drogenkonsums frühzeitig zu sterben. Dazu trug zunächst die Einführung von schadensmindernden Hilfen, vor allem von Spritzentauschprogrammen und Methadonprogrammen bei. Seit den 1990er Jahren beobachten wir zusätzlich auch gewaltige Fortschritte in der medikamentösen Behandlung schwerer Begleiterkrankungen, wie Hepatitis und AIDS, die als Folge riskanter Gebrauchsmuster auftreten. Diese erfreuliche verbesserte Behandlungssituation der Opiatabhängigen führt dazu, dass sie länger mit ihrer Krankheit leben können. Das Bild der Suchtkrankheit verändert sich unter diesen neuen Bedingungen und die Erkrankung selbst bedarf veränderter Behandlungszugänge. Da die Klientel trotz aller therapeutischen Möglichkeiten erhebliche gesundheitliche Probleme aufweist, wächst ihr Versorgungsbedarf kontinuierlich an und stellt das Behandlungssystem und auch das Pflegesystem vor neue Aufgaben. Krankheitsbelastung und Hilfebedarf In einigen Studien in Deutschland wurden Angaben über die Krankheitbelastung älterer (45 - 61jähriger) Opiatabhängiger in psychischer und somatischer Hinsicht erhoben. Hinsichtlich der psychiatrischen Belastung liegt nach den Studien von Vogt et al. (2012) und Hößelbarth et al (2012) der Anteil von Depressionen, Angstörungen und anderen psychischen Störungen bei 62% und nach der PREMOS-Studie (Wittchen et al., 2012) der Anteil bei 65%. Auch in 9
19. SUBSTITUTIONS - FORUM dieser Studie wurden Depressionen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen erfragt. Es zeigte sich auch, dass mit dem Alter die Suizidgefahr anwächst. Die Neigung zum Gebrauch von psychoaktiven Substanzen und Suchtmitteln dokumentierte sich darin, dass 90-95% der älteren Drogenabhängigen angaben, Zigaretten zu rauchen, 27 % bis 50 % angaben Cannabis zu rauchen, 40-50% Alkohol tranken (auch wenn sie unter Hepatitis C-Infektion litten) und dass immerhin 80% angaben, gelegentlich andere Drogen zu gebrauchen. Hinsichtlich der somatischen Lage ließ sich erkennen, dass HIV Infektionen von 7 % bis 15% angegeben wurden und die Prävalenz der Hepatitis 60 % bis 68 % betrug. An anderen Krankheiten ließen sich beobachten: Abszesse 15%, Arthritis 15-30%, Erkrankungen der Atemwege 15-50%, Herz-Kreislaufbeschwerden 20-25%, Nierenbeschwerden 10-15%, Osteoporose 6-10%, Venenentzündungen 15-20%, Zahnbeschwerden 30-40% (vgl. Rosen et al., 2008). Insgesamt wurde die durchschnittliche Belastung mit körperlichen Krankheiten mit 2,5 – 3,5 berechnet. Hinweise auf Demenz („schwere Vergesslichkeit“) ließen sich bei ca. 20-40% beobachten. Entsprechend der multimorbiden psychischen und somatischen Belastung wurden die Kranken mit den verschiedenartigsten Arzneimitteln behandelt. Ca. 50% erhielten Medikamente zur Behandlung der psychischen Störungen (Antidepressiva, Z-Drogen, Benzodiazepine, Neuroleptika usw.) Außerdem wurden sie entsprechend der individuellen Belastung medikamentös unter anderem gegen ihre HIV-Infektion, ihre Hepatitis, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenbeschwerden und Leberbeschwerden behandelt. Insgesamt geht aus den deutschen Untersuchungen an Opioidabhängigen hervor, dass 30% bis 50% der Befragten über 45 Jahre durch gesundheitliche Beschwerden erheblich belastet sind und ev. neben kontinuierlicher ärztlicher Versorgung auch Unterstützung bei der Haushaltsführung benötigen (Degkwitz & Zurhold, 2010; Eppler et al., 2010, 2011; Hößelbarth et al., 2012). In Anbetracht der Entwicklung der Altersstruktur und der hohen Krankheitsbelastung der opiatabhängigen Patienten und Patientinnen ist davon auszugehen, dass es Engpässe in der Versorgung von (älteren) und hilfebedürftigen Konsumenten von illegalen Drogen geben wird und dass es geboten ist, der Thematik erhöhte Aufmerksamkeit entgegen zu bringen. Eisenbach-Stangl und Spirig analysierten die Diagnose- und Leistungsdokumentation der österreichischen Krankenanstalten und konnten aufzeigen, dass ältere Drogenabhängige weit seltener von den allgemeinen Gesundheitsdiensten als von der Drogenhilfe behandelt werden. Das Überleben der alternden Klientel wird daher entscheidend von Zugänglichkeit und Qualität der Suchthilfe mitbestimmt. Die Behandlung alternder und alter Opioidabhängiger – eine neue Herausforderung Die gesundheitliche Lage und die Versorgung alternder, oftmals multimorbider, Suchtkranke stellen heute ein relativ neues und schwerwiegendes Problem für die Versorgungsstrukturen dar. Die Problemlage ist dabei äußerst vielschichtig und erfordert entsprechend angepasste Initiativen: a. Erweiterung der therapeutischen Angebote: Der prekäre Gesundheitszustand der älteren Klientel kann dazu führen, dass die ambulante Versorgung der Opioidabhängigen durch den niedergelassenen Bereich und durch Spezialinstitutionen nicht ausreicht und mehr stationäre Substitutionsmöglichkeiten angeboten werden sollten, bzw. die Substitutionsbehandlung auch in den Einrichtungen der Pflege und der Altersversorgung ausreichend stattfinden kann. In Deutschland wurden in einigen Städten (z.B. in Berlin und in München) Kliniken und Wohnheime (Altenheime) für pflegebedürftige Drogenabhängige eingerichtet. Die Kliniken sind aus den Institutionen und Abteilungen für pflegebedürftige AIDS-Kranke hervorgegangen, während 10
19. SUBSTITUTIONS - FORUM Altenheime neu eingerichtet werden mussten. Eisenbach-Stangl und Spirig haben die Situation der alternden Opiatabhängigen in Österreich untersucht und beobachten können, dass es in unserem Bundesgebiet an spezifizierten Einrichtungen mangelt. Wien stellt ein Ballungszentrum dar, obwohl es auch in der Bundeshauptstadt an speziellen Angeboten für ältere Drogengebraucher mangelt. Aber es steht ihnen in Wien die gleiche Basisversorgung samt medizinischer Betreuung und Substitutionsbehandlung wie allen Drogenkonsumenten und –abhängigen zur Verfügung. b. Interaktives Niveau: Die Implementierung derartiger Vorhaben führt für Berufsgruppen, die bislang dieser Klientel fern standen, zu einer Konfrontation mit Opiatabhängigen und zur Befassung mit dem therapeutischen und substitutiven Einsatz von Opioiden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer c. Professionalisierung im Sinne einer Ausbildung und Weiterbildung der Vertreter der verschiedenen Gesundheits- und Pflegeberufe. Es gilt den professionellen Umgangs mit den Bedürfnissen der Klientel zu verbessern, Vorurteile zu bearbeiten und eine akzeptierende Haltung zu fördern (vgl. Baumgärtner, 2011). d. Medizinische Problematik: Arzneimittelinteraktionen, die aus der Behandlung in psychischer und somatischer Hinsicht multimorbider Patienten und Patientinnen erwachsen; Förderung des Wissens um diese Problematik und die Entwicklung von best practice Richtlinien. Strukturelle Neuorientierung Zu den neuen Aufgaben, die dem Versorgungssystem erwachsen, zählen die Unterbringung von Abhängigkeitskranken in Einrichtungen der Altenpflege und die Anwendung der Behandlungsstrategien, die für Opiatabhängige entwickelt werden, in neuen Behandlungskontexten. Aus Untersuchungen aus Deutschland und aus Österreich wissen wir, dass die herkömmlichen Versorgungsstrukturen, die älteren und alten Personen zur Verfügung stehen, sich in dieser Entwicklung überfordert fühlen und dass allgemein eine Umstrukturierung des Hilfesystems gefordert wird, um den neuen Anforderungen nachkommen zu können. Zu bedenken ist auch, dass die Aufgabe, den Bedürfnissen der versorgungsbedürftigen Opiatabhängigen entsprechen zu können, eine neue Facette im ohnehin schon schwierigen Umgang mit dem gebräuchlichen Suchtverhalten der Stammklientel von Alters- und Pflegeheimen repräsentiert (Schmidt und Mitarbeiter, 2012). Zur Versorgung älterer, hilfebedürftiger und pflegebedürftiger Konsumenten von illegalen Drogen werden umfassende Konzepte eingefordert, die eine enge Zusammenarbeit zwischen der Drogenhilfe, die sich verstärkt auf die Bedürfnisse dieser Klientel einstellen müsse, der Altenpflege und den Institutionen für psychische kranke Menschen und auch mit dem niedergelassenen Bereich ermöglichen. Darüber hinaus sollten Kontakte zu Selbsthilfeorganisationen mit spezifischen Angeboten aufgebaut werden. Auch in diesem Handlungsraum ist die interaktive Problemlage von besonderer Bedeutung. Daher wird in Forderungen nach einer Neustruktierung der Hilfsangebote der Fort- und Weiterbildung des Personals in Einrichtungen zur Pflege und Behandlung alter Menschen große Bedeutung zugeordnet. Diese Maßnahmen sollten dazu führen, dass Vorurteile, die die verschiedenen Institutionen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber der Klientel der Drogenabhängigen haben, bearbeitet und abgebaut werden können und dass eine tolerante und akzeptierende Haltung gefördert werden kann. Aus der Feldperspektive der Drogenbehandlung erscheint es notwendig, eine Basisversorgung ...zu etablieren, die auf einen toleranten Umgang mit Personen, denen eine Abstinenz derzeit nicht möglich ist, abzielt. Bei Opiatabhängigen könnte es sich auch als notwendig erweisen, Einrichtungen für substituierte Personen anbieten zu können, die tolerant mit Beikonsum und mit subjektiven Präferenzen hinsichtlich des Konsummodus umgehen, wobei derartige Angebote nicht auf den niedrigschwelligen Bereich eingeschränkt werden können, sondern auch in definierten Räumen der medizinischen Versorgung und in den offiziellen Pflegebereichen zur Verfügung stehen sollten (Eisenbach-Stangl und Spirig, 2010). 11
19. SUBSTITUTIONS - FORUM Literatur: Baumgärtner, Th., 2011, Alter und Sucht. Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen. Eisenbach-Stangl, I. und Spirig, H., 2010, Auch Drogenabhängige werden älter...Zur Lebenssituation einer Randgruppe. Wien Eisenbach-Stangl, I. und Reidl, Chr., 2010, Ältere Drogenabhängige in Österreich und in der Bundeshauptstadt Wien. In Eisenbach-Stangl, I. und Spirig, H., 2010, Kapitel 2 Degkwitz, P. und Heike Zurhold, 2010, Die Bedarfe älterer Konsumierender illegaler Drogen: zukünftige Anforderungen an Versorgungskonzepte in der Sucht- und Altenhilfe in Hamburg. Verlag Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, Fachabt. Drogen und Sucht Schmidt, Verena et al., 2012, Alter & Sucht. Zurück ins Leben – Hilfe bei Sucht im Alter. Bad Reichenhall und Salzburg Vogt, Irmgard (Hrsg.): Auch Süchtige altern. Probleme und Versorgung älterer Drogenabhängiger. Frankfurt am Main : Fachhochschulverl., 2011 Vogt, I., 2012: Altern und Drogenkonsum-Problemlagen von Konsumenten von illegalen Drogen. Präsentation anläßlich LÜSA 15. Jahre Leben – Arbeiten – ein Rückblick & Arbeitstagung 31. August 2012 Wittchen, U., Bühringer, G., Rehm, J.: Ergebnisse und Schlussfolgerungen der PREMOS-Studie. Effekte der langfristigen Substitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Moderatoren und Outcome. Suchtmedizin in Forschung und Praxis, 2011 Wolter, Dirk K.: Sucht im Alter - Altern und Sucht. Grundlagen, Klinik, Verlauf und Therapie. 1. Aufl. Stuttgart : Kohlhammer, 2011 12
19. SUBSTITUTIONS - FORUM II. Klinische Aspekte der Langzeitsubstitution mit Opioiden Hans Haltmayer Autor: Dr. Hans Haltmayer Ambulatorium Suchthilfe Wien, Suchthilfe Wien gGmbH Gumpendorfer Gürtel 8 1060 Wien Email: hans.haltmayer@suchthilfe.at Einleitung Die Opioidabhängigkeit ist eine chronische Erkrankung, die Betroffene in unterschiedlicher Intensität über Jahrzehnte, oft ein ganzes Leben lang, begleitet und dabei das Individuum selbst sowie dessen Umfeld vor große Herausforderungen stellt. Hinzu kommt, dass Opiatabhängige zusätzlich durch eine Vielzahl von Grund-, Begleit-, und Folgeerkrankungen belastet sind. Weltweit sind etwa 15 Millionen Menschen betroffen (WHO 2009). In Europa schätzt man die Zahl der Hochrisiko-Opioidabhängigen auf etwa 1,3 Millionen (EBDD 2016), in Österreich geht man von 28.000 bis 29.000 Betroffenen aus (GÖG 2015). Mortalität Unbehandelt verläuft die Opioid-Abhängigkeit zu einem hohen Prozentsatz tödlich. Die Sterblichkeitsrate liegt systematischen Reviews zufolge bei etwa 1% pro Jahr und ist damit 10-fach höher als die der Durchschnittsbevölkerung (Degenhardt et al 2011). In einer Longitudinalstudie mit 581 opiatabhängigen Männern in den USA betrug die Sterblichkeitsrate über einen Zeitraum von 33 Jahren 48%! Dabei verstarben 21,6% an einer Opiatüberdosis und 15,2 % an Lebererkrankungen (Hser et al 2001). Opioid-Substitutionstherapie (OST) Als „Therapie der Wahl“ bei der Behandlung der Opioid-Abhängigkeit gilt die Substitutionstherapie mit Opioiden (ÖGABS 2009, Meili et al. 2008, Fischer et al. 2006). Als einer der wichtigsten Erfolgsparameter im Rahmen der OST gilt die Haltequote bzw. Retentionsrate, sie ist das Maß für ein Verbleiben der Patienten in der Therapie. In einer „post hoc“ – Kohortenanalyse wurde die Haltequote in Österreich für einen Zeitraum von zwei Jahren untersucht. Eingeschlossen wurden jene Personen, die im Zeitraum 1.1.2011 bis 31.12.2012 eine Substitutionsbehandlung begonnen haben. Zur Berechnung der Haltequote wurde das Verfahren der „Überlebensanalyse“ nach Kaplan-Meier herangezogen. Dabei ergab sich in einem regionalen Vergleich zwischen Wien und den anderen Bundesländern, dass die Haltequote in Wien nach 800 Tagen hervorragende 70% betrug und in den anderen Bundesländern für denselben Zeitraum bei noch guten 57 Prozent lag (ÖBIG 2013). Das bedeutet, dass ein hoher Anteil derer, die einer Behandlung bedürfen und diese auch erhalten über einen längeren Zeitraum in der Behandlung verbleibt. Dauerbehandlung mit besserem Outcome Es besteht keinerlei Evidenz dafür eine Opioid-Substitutionstherapie von vorneherein zeitlich zu begrenzen. Im Gegenteil: Internationale Studien zeigen, dass eine längere Dauer der OST mit besseren Behandlungsergebnissen korreliert (Grella & Lovinger 2011, Ward et al. 1998). Demgegenüber besteht starke Evidenz dafür, dass eine zeitlich limitierte OST die Rückfallhäufigkeit erhöht, die Beschaffungskriminalität fördert, die Verbreitung von „blood borne“-Virusinfektionen fördert und die Rate an tödlichen Überdosierungen erhöht (ACMD 2014). Darüber hinaus betrachtet das Advisory Council on the Misuse of Drugs, das als beratendes Gremium für die Regierung des United Kingdom tätig ist, eine primär zeitlich limitierte OST als medizinrechtlichen Verstoß gegen das 13
19. SUBSTITUTIONS - FORUM ärztliche Gebot, Patienten die effektivste Behandlung auf Basis der besten verfügbaren Evidenz zur Verfügung zu stellen (ACMD 2014). Der Umstand einer über Jahre hinweg dauernden, eventuell lebensbegleitenden Opioid-Agonisten- Behandlung wirft die Frage auf, ob diese Pharmakotherapie im Langzeitverlauf unerwünschte eventuell sogar schädigende Begleiteffekte aufweist. Suppression des Testosteron-Plasmaspiegels Opioide (exogen und endogen) haben endokrinologische Effekte, die sie unter anderem über die Beeinflussung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden Achse ausüben. Opioide reduzieren die Freisetzung von Gonadotropin-Releasing Hormon (GnRH) im Hypothalamus und damit die Freisetzung von Follikel Stimulierendem Hormon (FSH) aus dem Hypophysen-Vorderlappen. Darüber hinaus unterdrücken Opioide die Produktion von Testosteron und Östrogen im Hoden und in den Eierstöcken (Katz 2005). Untersuchungen über die Auswirkung von OST auf den Plasma Testosteronspiegel kommen zu dem Ergebnis, dass der Testosteron-Plasmaspiegel bei Männern unter Opioid-Therapie signifikant reduziert ist und dass dieser Effekt bei allen Typen von Opioiden auftritt. Widersprüchliche Ergebnisse gibt es in Bezug auf die Korrelation zwischen der Höhe der Opioid-Dosis und des Testosteron- Plasmaspiegels. Während einige Untersuchungen eine reziproke Korrelation zwischen Plasma- Testosteron und Opioid-Dosis fanden (Bawor et al. 2015; Bawor et al. 2014) konnten andere Studien keinen Zusammenhang zwischen Plasma-Testosteron und individueller Opioid-Dosis herstellen (Gerra et al. 2016). Typische klinische Erscheinungen von Testosteronmangel sind etwa Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Stimmungsschwankungen, Libidoverlust, sexuelle Dysfunktion (insbesondere erektile Dysfunktion) und Hypogonadismus. Aufgrund der Studienlage empfiehlt es sich bei Männern in OST den Testosteronspiegel vor Beginn und während der Opioid-Therapie zu kontrollieren. Sexuelle Dysfunktion (SD) Die sexuelle Funktionsfähigkeit sowie deren dysfunktionale Ausprägungen sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von physiologischen, psychologischen und gesellschaftlichen Faktoren. Hormonelle Aspekte spielen im Zusammenhang mit der sexuellen Funktionsfähigkeit eine wichtige Rolle, im speziellen der Plasma-Testosteronspiegel beim Mann. Unter sexueller Dysfunktion werden Einschränkungen in den Bereichen erektile Funktion, Orgasmus-Funktion, Libido und sexuelle Appetenz sowie befriedigende Geschlechtshandlungen zusammengefasst. Interessanterweise existieren zu dieser Thematik fast ausschließlich Studien mit männlichen Probanden. Tendenziell ist die Prävalenz der sexuellen Dysfunktion bei Männern in OST unter Methadon (Razemat) höher als unter Buprenorphin. Beim Auftreten von SD unter Methadon stellt die Umstellung auf Buprenorphin eine therapeutische Option dar. Allerdings ist die Datenlage inkohärent und von nicht ausreichender Validität um beim Auftreten von Symptomen einer sexuellen Dysfunktion eine generelle Empfehlung zur Umstellung von Methadon auf Buprenorphin auszusprechen (Yee 2014). Weitere Faktoren, die neben einem reduzierten Testostern-Plasmaspiegel mit dem Auftreten von SD korrelieren, sind frühe stressvermittelnde Lebensumstände, wie eine traumatische vernachlässigte Kindheit und das Vorkommen psychiatrischer Begleiterkrankungen (Gerra et al. 2016). Die begleitende Therapie mit Psychopharmaka, Antihypertensiva sowie ein bestehender Nikotinabusus sind ebenso zu nennen. Langzeitsubstitution und Osteoporose Zum Auftreten von Osteoporose unter OST gibt es nur eine limitierte Anzahl von Studien. Sie liefern Hinweise darauf, dass Männer in OST ein erhöhtes Osteoporose-Risiko und damit ein erhöhtes 14
19. SUBSTITUTIONS - FORUM Frakturrisiko haben. Die Studien konnten allerdings nicht klären, ob dieser Effekt bereits vor dem Eintritt in die OST als Folge des vorangegangenen Heroingebrauches bestanden hat oder, ob sich die Osteoporose erst unter der Opioid Agonisten Therapie entwickelte (Grey et al. 2010). Entwicklung von Opioid-Toleranz Eine interessante Studie aus der Charité in Berlin kam zu dem Ergebnis, dass sich unter Langzeitsubstitution sowohl bei razemischem Methadon als auch bei Levomethadon eine Toleranzentwicklung beobachten lässt (Gutwinski et al. 2016). 679 Patienten (370 Methadon-Razemat; 309 Levmethadon) wurden hinsichtlich der Korrelation von Behandlungsdauer und Dosishöhe untersucht. Dabei betrug die durchschnittliche Methadon- Äquivalentdosis bei jenen Patienten die 1 Jahr oder kürzer in Behandlung standen 81,6mg. Bei den bereits 20 Jahre oder länger in OST befindlichen Patienten lag die durchschnittliche Dosis mit 125,4mg um das 1,5-fache höher. Zusammenfassung Die zeitlich unlimitierte Behandlung von Opioid-Abhängigen durch eine Opioid-Substitutionstherapie vermittelt eine Reihe von positiven klinischen Effekten. Zu nennen sind eine deutliche und anhaltende Reduktion der Mortalität, der Rückfallhäufigkeit und der Prävalenz von „blood borne“-Infektionen. Als klinisch negative Effekte können ein verminderter Plasma-Testosteronspiegel, eine erhöhte Prävalenz sexueller Dysfunktionen, eine verminderte Knochendichte mit erhöhtem Frakturrisiko sowie die Entwicklung einer Opioid-Toleranz auftreten. Die Langzeitsubstitution mit Opioiden kann negative klinische Effekte mit sich bringen die zu beachten sind, die positiven Effekte dieser Behandlungsform überwiegen diese jedoch bei weitem! Literatur: Advisory Council on the Misuse of Drugs (ACMD) (2014): Time limiting opioid substitution therapy. https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/371521/ACMD_RC_Tim e_limiting_OST_061114.pdf Bawor M, Bamic H, Dennis BB, Plater C, Worster A, Varenbut M, Daiter J, Marsh DC, Steiner M, Angling R, Coote M, Pare G, Thabane L, Samaan Z (2015): Testosterone suppressioninopioidusers: Asystematic review and meta-analysis. Drug and Alcohol Dependence 149(2015)1–9 Bawor M, Dennis BB, Samaan MC, Plater C, Worster A, Varenbut M, Daiter J, Marsh DC, Desai D, Steiner M, Anglin R, Coote M, Pare G, Thabane L & Samaan Z (2014): Methadone induces testosterone suppression in patients with opioid addiction. SCIENTIFIC REPORTS 4:6189 DOI: 10.1038/srep06189 Degenhardt L, Bucello C, Mathers B, Briegleb C, Ali H, Hickman M, McLaren J (2011): Mortality among regular or dependent users of heroin and other opioids: a systematic review and meta-analysis of cohort studies. Addiction. 106(1):32-51 EBDD (Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht) (2016): Europäischer Drogenbericht 2016: Trends und Entwicklungen, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg. Fischer G, Kayer B (2006): Substanzabhängigkeit vom Morphintyp – Stat-of-the-Art der Erhaltungstherapie mit synthetischen Opioiden. Psychiatrie & Psychotherapie 2(2):16, 39-54 15
19. SUBSTITUTIONS - FORUM Gerra G, Manfredini M, Somaini L, Maremmani I, Leonardi C, Donnini C (2016): Sexual Dysfunct ion in Men Receiving Methadone Maintenance Treatment : Clinical History and Psychobiological Correlates. Eur Addict Res 22:163–175 Grella CE & Lovinger K (2011): 30-year trajectories of heroin and other drug use among men and women sampled from methadone treatment in California. Drug and Alcohol Dependence 118: 251-258 Grey A, Rix-Trott K, Horne A, Gamble G, Bolland M & Reid IR (2010): Decreased bone density in men on methadone maintenance therapy. Addiction 106, 349–354 Gutwinski S, Schoofs N, Stuke H, Riemer ThG, Wiers CE & Bermpohl F (2016): Opioid tolerance in methadone maintenance treatment: comparison of methadone and levomethadone in long-term treatment. Harm Reduction Journal 13:7 Hser Y, Hoffmann V, Grella Ch E, Anglin D (2001): A 33-Year Follow-up of Narcotics Addicts. Arch Gen Psychiatry 58:503-508 Katz N (2005): The Impact of Opioids on the Endocrine System. Pain Management Rounds 1:9 MeiliD, Broers B, Bruggmann P, Fink A, Hämmig R (2008): Medizinische Empfehlungen für substitutionsgestützte Behandlung (SBG) bei Opioidabhängigkeit-Erstellt durch die Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin/Swiss Society of Addiction Medicine (SSAM). Suchtmed 10, 29-53. ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen) (2013): Epidemiologiebericht Drogen 2013. Gesundheit Österreich GmbH, Wien ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen) (2015): Bericht zur Drogensituation 2015. Gesundheit Österreich GmbH, Wien ÖGABS (Österreichische Gesellschaft für arzneimittelgestützte Behandlung von Suchtkrankheit) (2009): Konsensus-Statement „Substitutionsgestützte Behandlung Opioidabhängiger.“ Suchtmed 11(6) 281-297 Ward J, Mattick RP and Hall W (1998): How long is long enough? Answers to questions about the duration of methadone maintenance treatment. In J. Ward, R.P. Mattick, and W. Hall (Eds.), Methadone maintenance treatment and other opioid replacement therapies (pp. 305-336). Amsterdam: Overseas Publishers Association, Harwood Academic Publishers. WHO (World Health Organization) (2009): Guidelines for the psychosocially assisted pharmacological treatment of opiuoid dependence. WHO, Geneva. Yee A, Loh HS, Hisham Hashim HM, Ng CG (2014): The Prevalence of sexual Dysfunction among Male Patients on Methadone and Buprenorphine Treatments: A Meta-Analysis Study. J Sex Med 11:22-32 16
19. SUBSTITUTIONS - FORUM III. Der geschlechtergerechte Zugang in der Arbeit mit alternden Suchtkranken Irmgard Vogt Autor: in Prof. Dr. Irmgard Vogt Mitbegründerin des Institutes für Suchtforschung University of Applied Sciences, Frankfurt am Main Habsburgerallee 50 60385 Frankfurt am Main Deutschland Email: vogt@fb4.fra-uas.de Der Titel des Beitrags verweist auf eine Reihe von Themen- und Problemkomplexe wie Geschlecht, Lebensalter per se und im Kontext von Substanzkonsum sowie, schließlich, auf den geschlechtergerechten Zugang zu Hilfen je nach Lebensalter und Art der Substanzkonsumstörung. Darauf kann nicht in aller Ausführlichkeit eingegangen werden. Es können jedoch wichtige Fragen gestellt werden, die sich bei einer Auseinandersetzung mit den Themenkomplexen ergeben. Als Beispiel soll auf die Lebenssituation und die zukünftigen Probleme der Subgruppe der 45+ Jahre 1 alten Männer und Frauen, die chronisch Straßendrogen konsumieren und einschlägige Substanzkonsumstörungen haben, genauer eingegangen werden. Zunächst zu den im Titel angesprochenen Themen- und Problemkomplexen. Geschlecht (gender) ist ein Begriff, der vielfach diskutiert wird, worauf hier nicht ausführlich einzugehen ist. Für die hier anstehende Diskussion ist jedoch neben den (über sex definierten) Kategorien Mann – Frau auch die Kategorie Transgender zu berücksichtigen. Für die Praxis der Versorgung von Menschen unterschiedlicher Altersgruppen mit Substanzkonsumstörungen kann die Einbeziehung dieser Kategorie eine Reihe von schwierigen Fragen aufwerfen, etwa dann, wenn es um Angebote „nur für Frauen“ oder „nur für Männer“ geht. Betrachtet man das Lebensalter, hat man es je nach den Konsumstörungen mit unterschiedlichen Gruppen zu tun. Chronische Konsumenten und Konsumentinnen von Straßendrogen präsentieren sich schon in den Altersgruppen zwischen 45 und 60+ Jahren im Habitus und in ihrem Gesundheitsstatus wie Männer und Frauen, die 65 Jahre und älter sind. Darauf wird im Folgenden noch etwas genauer eingegangen. Davon zu unterscheiden sind die jungen Alten (ca. 60 bis 69 Jahre) ebenso wie die älteren Alten (ca. 70-79 Jahre) mit ihren Gewohnheiten und ihrem Konsum von psychoaktiven Substanzen (z.B. alkoholische Getränke, Zigaretten, Cannabisprodukte, psychoaktive Medikamente). Im Vergleich mit den Konsumenten und Konsumentinnen von Straßendrogen ist ihr Gesundheitsstatus – pauschal genommen – erheblich besser. Allerdings sind die Lebenserwartungen der 60 Jahre und älteren, die chronisch Tabak konsumieren, in riskanter Weise Alkoholisches trinken und zudem psychoaktive Medikamenten (Beruhigungs-, Schlaft- und Schmerzmittel) nehmen, sehr wahrscheinlich verkürzt (im Vergleich zu Personen derselben Altersgruppen, die nicht rauchen, nicht riskant Alkoholisches trinken und nicht regelmäßig psychoaktive Medikamente einnehmen). Für die Altersgruppen ab 60 Jahren stellen sich folgende Fragen: Welche älteren und alten Menschen (Frauen, Männer und Transgender) brauchen welche Hilfen im Umgang mit alkoholischen Getränken, Zigaretten und anderen psychoaktiven Substanzen (z.B. Cannabisprodukten, Amphetaminen und verwandten Stoffen)? Und welche älteren und alten Menschen brauchen welche Hilfen bei Mehrfachkonsum (z.B. bei fast 1 Als Straßendrogen bezeichne ich alle psychoaktiven Substanzen, die von Händlern illegal auf der Straße oder an anderen Plätzen oder auch im Internet angeboten und verkauft werden. In der Regel sind die Produkte nicht auf ihre Sicherheit hin untersucht worden. Das gilt sowohl für Heroin, das von den Händlern angeboten wird, als auch für psychoaktive Medikamente (z.B. fürFlunitrazepam) oder für schwarzgebrannte alkoholische Getränke. 17
19. SUBSTITUTIONS - FORUM täglichem Konsum nicht riskanter Mengen alkoholischer Getränke, regelmäßigem Konsum von Tabak und regelmäßigem Konsum ärztlich verordneter Beruhigungs-, Schlaf- oder Schmerzmittel)? Brauchen Männer, Frauen und Transgender unterschiedliche Hilfen? Hinweise auf einige Antworten auf diese Fragen ergeben sich aus den neu vorgelegten S3 Leitlinien „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“ und „Screening, Diagnose und Behandlung des schädlichen und abhängigen Tabakgebrauchs“ (vgl. AWMF-Register Nr. 076-006 / AWMF-Register Nr. 076-001). Ein genauerer Blick auf die chronische Konsumenten und Konsumentinnen von Straßendrogen ergibt, dass man in Deutschland heute von etwa 60 000 bis 80 000 Personen über 45 Jahre ausgehen muss, die zu dieser Problemgruppe gehören. Untersucht man ihre Problemlagen genauer, ergibt sich folgendes. Der Anteil derjenigen, die multimorbid sind, ist hoch. Neben mehreren Substanzkonsumstörungen (insbesondere der Abhängigkeit von Heroin und Opioiden sowie von Kokain und verwandten Stoffen, von Cannabisprodukten, von Tabak und nicht selten auch von Alkohol) leiden sie am häufigsten unter Hepatopathien, Herz-Kreislauferkrankungen (auch Herzinfarkten, Schlaganfällen, Lungenödemen etc.), Zahnverlust und Zahnerkrankungen, Gelenk-, Knochen-, Bandscheiben-, Rückenbeschwerden, Atemwegserkrankungen sowie an Ängsten und Depressionen. Wegen der hohen Belastung an psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen benötigen die meisten neben der täglichen Einnahme von ärztlich verordneten Opioiden (Methadon, Buprenorphin etc.) eine kontinuierliche medikamentöse Behandlung. Die tägliche Einnahme von 5 bis 10 verschiedenen Medikamenten ist in dieser Personengruppe nicht ungewöhnlich. In vielen Fällen ist allein schon aus gesundheitlichen Gründen eine Wiedereingliederung in die Arbeitswelt nicht sehr realistisch. Dazu kommt, dass viele nur noch über wenige und manche über keine informellen sozialen Netzwerke verfügen. Daher sind sie auf die kontinuierliche Anbindung an professionelle Netzwerke angewiesen. Mit fortschreitenden körperlichen und psychischen Beschwerden braucht diese Personengruppe zur Bewältigung des Alltags jedoch zusätzliche Hilfen, die zum Teil von der Drogenhilfe und zum Teil von anderen Diensten (ambulante Pflege, Hilfen bei der Haushaltsführung, Essen auf Rädern usw.) organisiert werden. Wenn Angebote des ambulanten betreuten Wohnens einschließlich zusätzlicher Hilfsdienste nicht mehr ausreichen, ergeben sich Fragen nach der weiteren Unterbringung dieser Personengruppe. In diesem Zusammenhang stellen sich Fragen danach, ob eine Eingliederung der – vergleichsweise jungen – chronischen Konsumenten und Konsumentinnen von Straßendrogen in die bestehenden Angebote für ältere und alte pflegebedürftige Menschen (also in Heime für psychisch Kranke oder Alterspflegeheime) sinnvoll ist. Das könnte einerseits zu einer Inklusion dieser Personengruppe beitragen. Andererseits würden sie wegen ihres Alters und ihrer Lebensführung deutlich von der Mehrheit der Mitbewohner und Mitbewohnerinnen abweichen, was zu einer Reihe von Problemen im Alltag führen könnte. Alternativ bietet es sich an, für sie spezifische Einrichtungen aus- und aufzubauen, was allerdings zu einer weiteren Exklusionen führen würde. Generell müsste man Fragen aufgreifen, wie das Geschlecht der Betroffenen bei der Unterbringung zu berücksichtigen ist. Mit Bezug auf die ältere werdenden Konsumentinnen und Konsumenten von Straßendrogen werden uns diese Diskussionen in den kommenden Jahren beschäftigen. 18
19. SUBSTITUTIONS - FORUM IV. Auch Drogenabhängige werden älter – Problemlagen und integrative Strategien in Wien Georg Preitler Autoren: DAS Dipl. Päd. Georg Preitler Leitung Liaisondienst Konnex Sucht- und Drogenkoordination Wien, gGmbH Neulinggasse 29/ Stg.1/4.OG/TOP 14 1030 Wien Email: georg.preitler@sd-wien.at Die Zahl der LangzeitkonsumentInnen von Drogen und die Zahl der älteren substituierten Personen sind durch die höhere Lebenserwartung dieser Zielgruppen in den letzten Jahren angestiegen. Die integrative Versorgung von Suchtkranken in Wien macht die Angebote des Gesundheits- und Sozialsystems auch für sie zugänglich und verhindert dadurch weitere Ausgrenzung. Waren in Wien 2002 noch ungefähr 1.000 SubstitutionspatientInnen über 40 Jahre alt, so stieg diese Zahl bis 2012 auf das Doppelte an. Ein wesentlicher Erfolg von psychosozialen und medizinischen Maßnahmen in der Beratung, Behandlung und Betreuung von Suchtkranken. Dabei hat die Substitutionsbehandlung zur gesundheitlichen und sozialen Stabilisierung dieser Zielgruppe ebenso beigetragen wie Harm Reduction-Maßnahmen. Aufgrund der verschiedenen Problemlagen älterer Suchtkranker, die u.a. im Zusammenhang mit einer Voralterung der Zielgruppe stehen, sah sich das Gesundheits- und Sozialsystem bei der Behandlung älterer Suchtkranker auch zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert, die insgesamt die Integration der älteren PatientInnen in bestehende Angebote von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen vorsahen. Dabei sollen insbesondere die Selbständigkeit und die Fähigkeit der eigenen verantwortungsvollen Lebensgestaltung von älteren SuchtpatientInnen gefördert werden. Diverse Betreuungsangebote müssen die speziellen Bedürfnisse von älteren Suchtkranken berücksichtigen und gleichzeitig die Schwierigkeiten, mit denen ExpertInnen in der Betreuung dieser KlientInnengruppe konfrontiert sind, erfassen. Dieses Ziel bedarf jedoch einer entsprechenden Flexibilität und Aufnahmebereitschaft des Systems, um die bedarfsgerechte Versorgung älterer Suchtkranker auch langfristig sicherzustellen. Dabei sind Vernetzung, Kooperation, Fachberatung und Weiterbildung essentielle Bausteine in der Ausarbeitung klientInnengerechter Versorgungsstrukturen. Wien: Arbeitsgruppe Ältere Suchtkranke Ältere Suchtkranke werden in Wien in Einrichtungen der Sucht- und Drogenhilfe sowie je nach weiteren Problemfeldern in anderen Bereichen des Gesundheits- und Sozialsystems (Wohnungslosenhilfe, Pflege und Betreuung etc.) versorgt. Um die Kooperation und den Austausch zwischen den Bereichen zu optimieren, wurde 2010 die Arbeitsgruppe „Ältere Suchtkranke“ ins Leben gerufen. In dieser Arbeitsgruppe sind ExpertInnen aus den unterschiedlichsten Bereichen des Wiener Gesundheits- und Sozialsystems vertreten (Sucht– und Drogenhilfe, mobile Pflege und Betreuung, stationäre Pflege und Betreuung, Ärztekammer, Krankenanstalten, uvm.). In entsprechenden bereichsübergreifenden und multiprofessionellen Unterarbeitsgruppen wird an den Themenfeldern „Entlassungsmanagement“, „Schulung, Fortbildungen und Fachberatung“ „mobile/aufsuchende Leistungen“ sowie „Tagesstruktur“ gearbeitet und korrespondierende Maßnahmenkataloge entwickelt. 19
19. SUBSTITUTIONS - FORUM Die Arbeit der verschiedenen Arbeitstreffen fand bisher - kurz zusammengefasst - ihren Niederschlag in folgenden Ergebnissen: • Spezialfallbearbeitung/HelferInnenkonferenz: In einzelnen Fällen bestehen aufgrund der Komplexität der Problemlagen vor allem von vorgealterten und multimorbiden Suchtkranken bzw. der Überforderung der Einrichtungen Unklarheiten bezüglich der Zuständigkeiten in der Versorgung. In diesen Fällen setzen sich alle SystempartnerInnen und ggf. auch die betreuende Einrichtung rasch zusammen, um eine möglichst adäquate und ggf. bereichsübergreifende Versorgung zu ermöglichen. • Standardisiertes Zuweisungsformular für substituierte PatientInnen zu Pflege und Betreuungseinrichtungen. • Telefonliste der wichtigsten Informations-/Unterstützungsstellen rund um Ältere KonsumentInnen illegaler Substanzen bzw. Substituierte. • Bildungsangebote des Sucht- und Drogenhilfe Netzwerkes (SDHN) für Ausbildungsstätten für Pflege und Betreuung, um das Thema Sucht im Rahmen der Ausbildung zu diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen sowie PflegehelferInnen, HeimhelferInnen und Fach-SozialbetreuerInnen praxisnahe zu behandeln. • Fortbildungen für das SDHN sowie vom SDHN zum Thema Sucht und Pflege. Beispielhaft fand 2012 die Tagung „Versorgung Älterer Suchtkranker im und außerhalb des Krankenhauses“ statt. • Grobkonzept für eine suchtspezifische medizinische und psychosoziale Versorgung nicht- mobiler Suchtkranker. • Merkblatt für Substitution und Pflege für MitarbeiterInnen des Sucht- und Drogenhilfenetzwerkes (SDHN) und substituierende ÄrztInnen. • Konzeptvorschlag „Zeitgestaltung“ Projekt zur Verbesserung der Tagesstruktur bei älteren Suchtkranken. Parallel dazu wurde im Jahr 2011 die Arbeitsgruppe „Handlungsleitlinien Pflege und Sucht“ unter Teilnahme von Suchthilfeeinrichtungen, dem Sucht- und Drogenbeauftragten der Stadt Wien, Vertretungen des Bereiches Pflege und Betreuung (Fonds Soziales Wien und Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen), der Behörden und der Sucht- und Drogenkoordination (SDW) gebildet. Diese befasste sich mit der Erstellung von allgemein gültigen Handlungsleitlinien zum Umgang mit Sucht/Abhängigkeit von Substanzen für MitarbeiterInnen der Berufsgruppe Pflege. So wurden Qualitätshandbücher für den ambulanten Bereich und für den stationären Bereich fertig gestellt, welche eine wertvolle Orientierung und Unterstützung in der täglichen Arbeit bieten: • Handlungsleitlinie Umgang mit Sucht/Abhängigkeit von Substanzen für mobile Pflege und Betreuungsdienste in Wien • Handlungsleitlinie Umgang mit Sucht in Wohn – und Pflegeeinrichtungen Die seit 2014 tätige Steuerungsgruppe Rehabilitation und Substitution beschäftigt sich mit der Frage der Organisation der Substitution im Rahmen eines Aufenthaltes in einem Rehabilitationszentrum oder Sonderkrankenhaus. Eine etwaige Substitutionsbehandlung soll und darf kein Ausschlussgrund für den Zugang zu Leistungen der medizinischen Rehabilitation sein. Unklarheiten und Unsicherheiten bezüglich einer rechtskonformen Verschreibung bei einer Aufnahme in eine stationäre medizinische Rehabilitation wurden durch die Tätigkeit der Steuerungsgruppe bereinigt. In Kooperation zwischen Ärztekammer Wien, Beauftragten für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, dem Gesundheitsdienst der Stadt Wien, dem Fachbereich Gesundheitsrecht der Stadt Wien, der Pensionsversicherungsanstalt, der Wiener Gebietskrankenkasse und der Sucht- und Drogenkoordination Wien wurde ein 20
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