Adventskalender einmal anders - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - forumKirche

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Adventskalender einmal anders - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - forumKirche
Nummer 23
8. bis 21. Dezember 2019

                           Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau

Adventskalender einmal anders
Adventskalender einmal anders - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - forumKirche
Advent

                                                                                                                                                    Editorial                                     So macht Schenken Freude
                                                                                                                                                    Der Advent ist die Zeit der Vogelperspekti-   Der Zauber des «umgekehrten» Adventskalenders
                                                                                                                                                    ve: Wir sind eingeladen, zwischendurch
                                                                                                                                                    innezuhalten, aus dem Labyrinth unseres
                                                                                                                                                    Alltags auszusteigen und das, was sich        Sich nicht beschenken lassen, sondern                Frau, mit der er gemeinsam das Internat
                                                                                                                                                    um uns herum abspielt, aus der Distanz,       andere beschenken, denen das Leben                   der Pädagogischen Maturitätsschule Kreuz-
                                                                                                                                                    wie von oben zu betrachten. Aus dieser        nicht so gut mitspielt – das ist die Grund-          lingen leitet, beschlossen, dieses kleine
                                                                                                                                                    Perspektive können wir gut erkennen, wo       idee des «umgekehrten» Adventskalen-                 Adventsprojekt in ihrer Familie auszuprobie-
                                                                                                                                                    wir uns verrannt und verstiegen haben,        ders. Beni Merk aus Kreuzlingen fand                 ren. «Man schenkt sich oft überflüssiges
                                                                                                                                                    uns in Sackgassen befinden oder wirklich      diese Idee super und setzte sie letztes              und unnützes Zeug, nur weil es so Tradition
                                                                                                                                                    unserem je eigenen Weg treu geblieben         Jahr mit seiner Familie um. Dieses Jahr              ist», erläutert Beni Merk seine Beweggrün-
                                                                                                                                                    sind. Wir spüren, wenn sich etwas ver-        werden auf seine Initiative hin bereits              de. Mit dem «umgekehrten» Adventskalen-
                                                                                                                                                    krampft, verhärtet hat oder wunderbar im      60 solcher Kalender bestückt.                        der bekomme Schenken wieder einen Sinn.
                                                                                                                                                    Fluss ist. Manchmal denken wir, wir müss-                                                                            Auch in ihrem Freundes-
                                                                                                                                                    ten all die Erwartungen erfüllen, die an      Vom 1. Dezember bis zum                                                kreis kam die Idee gut an.
                                                                                                                                                    uns herangetragen werden, als dankbare        Heiligen Abend öffnet man                                              Nun war nur noch die Frage
                                                                                                                                                    Tochter, guter Vater, gewissenhafte Ange-     jeden Tag ein Türchen und                                              der Verteilung zu klären.
                                                                                                                                                    stellte, und übersehen dabei das, was         lässt sich durch eine kleine                                           Caritas Thurgau zeigte sich
                                                                                                                                                    wirklich wichtig wäre, oder überschreiten     Köstlichkeit überraschen.                                              gerne bereit, die Advent-
                                                                                                                                                    unsere eigenen Grenzen. Wir versuchen,        So funktioniert normaler-                                              spakete an bedürftige Per-
                                                                                                                                                    Gipfel des Erfolgs zu erklimmen, die nicht    weise ein Adventskalender.                                             sonen und Familien weiter-
                                                                                                                                                    wirklich glücklich machen. Und auf der an-    Beim «umgekehrten»                                                     zuleiten. Zwei bis drei
                                                                                                                                                    deren Seite kapitulieren wir vor scheinbar    Adventskalender werden                                                 kleine Hinweise über die
                                                                                                                                                    verfahrenen Situationen, die einfach von      die Rollen hingegen ge-                                                Empfänger – wie etwa die
Titelbild: Adventskalender haben heute viele Gestalten. Sie verlieren aber in einer übersättigten Gesellschaft ihren Sinn. Bild: shutterstock.com

                                                                                                                                                    einer anderen Seite angegangen werden         tauscht: Man legt jeden                                                Anzahl der Personen, Alter
                                                                                                                                                    müssten.                                      Tag ein kleines Geschenk                                               oder Vorlieben – erleichter-
                                                                                                                                                                                                  (haltbare Lebensmittel,                                                ten das Zusammenstellen
                                                                                                                                                    «Von oben» betrachtet – das heisst für
                                                                                                                                                                                                  Hygieneartikel, eine Kerze,                                            der Pakete.
                                                                                                                                                    mich in Ruhe und mit einem liebevollen
                                                                                                                                                                                                  Guetzliform, Mütze usw.) in
                                                                                                                                                    Blick – verschieben sich Grössenverhält-
                                                                                                                                                                                                  eine grosse Kiste und über-            Mit einer selbst entworfenen        Ganz praktisch helfen
                                                                                                                                                    nisse und Gewichtungen, kann man tiefer
                                                                                                                                                                                                  gibt diese dann anonym an             bunten Grafik wirbt Beni Merk        Beni Merk erinnert sich
                                                                                                                                                    blicken, werden Unstimmigkeiten aufge-
                                                                                                                                                                                                  jemanden, der normaler-                   für den «umgekehrten»            gern an die Adventskalen-
                                                                                                                                                    spürt. Die adventliche Perspektive ent-
                                                                                                                                                                                                  weise nicht in den Genuss                    Adventskalender.              der, die er in seiner Kind-
                                                                                                                                                    schärft und versöhnt. Sie kann aber auch
                                                                                                                                                                                                  solcher Dinge kommen                                                       heit geschenkt bekam –
                                                                                                                                                    Antrieb sein, aktiv zu werden, z. B. auf
                                                                                                                                                                                                  würde.                                                  auch an die ganz einfachen mit Bildchen,
                                                                                                                                                    Menschen zuzugehen, das Gespräch zu
                                                                                                                                                                                                  Diese Anregung entdeckte Beni Merk                      die er «mit einer Nadel aufgepfriemelt» hat.
                                                                                                                                                    suchen, etwas zu klären. Sie kann zum
                                                                                                                                                                                                  auf der Facebook-Seite von www.street-                  «Ich finde es bis heute ein schönes Ritual»,
                                                                                                                                                    Entschluss führen, auch einmal «Nein» zu
                                                                                                                                                                                                  life.wien, einer österreichischen Webseite,             bekennt er offen. Dies mag ein weiterer
                                                                                                                                                    sagen, Grenzen zu ziehen, Freiräume zu
                                                                                                                                                                                                  die bürgerschaftliches Engagement fördert,              Grund dafür gewesen sein, warum ihn die
                                                                                                                                                    schaffen, in denen wir wieder atmen kön-
                                                                                                                                                                                                  und war begeistert davon. Er und seine                  Idee des «umgekehrten» Adventskalenders
                                                                                                                                                    nen. Wir können ausgetretene Pfade ver-
                                                                                                                                                                                                                                                          begeisterte. Anderen einfach mit Geld zu
                                                                                                                                                    lassen, etwas Neues ausprobieren. Man
                                                                                                                                                                                                                                                          helfen, ist für ihn zu unpersönlich. «Ich fin-
                                                                                                                                                    muss nicht gleich das ganze Leben um-
                                                                                                                                                                                                                                                          de es gut, wenn man ganz praktisch etwas
                                                                                                                                                    krempeln, es reicht manchmal ein kleiner
                                                                                                                                                    Schritt.
                                                                                                                                                                                                  Inhalt                                                  tun kann und Schenken erlebbar wird»,
                                                                                                                                                                                                                                                          sagt Merk. So seien in seiner Familie beim
                                                                                                                                                    Ein gutes Beispiel für solch einen kleinen,    Thurgau                                          7     Befüllen der Kiste immer wieder spannen-
                                                                                                                                                    aber wichtigen Schritt ist für mich der        Freiwilligkeit allein genügt nicht                     de Gespräche zustande gekommen. Die
                                                                                                                                                    «umgekehrte» Adventskalender. Wenn             Konferenz zur Konzernverantwortungsinitiative          Kinder hätten z. B. nicht verstanden, wie
                                                                                                                                                    Menschen alles Wichtige zum Leben ha-                                                                 man Nudeln verschenken könne, da diese
                                                                                                                                                    ben, keine Wünsche mehr offen sind,            Dichte Worte                                     9     doch im Vorratsschrank lägen: «Die Aktion
                                                                                                                                                    macht es keinen Sinn, sie weiterhin mit        Die Weihnachtsoma                                      hat uns geholfen, uns mit der Situation an-
                                                                                                                                                    einem Adventskalender zu beschenken,                                                                  derer Menschen auseinanderzusetzen und
                                                                                                                                                                                                   Thurgau                                        12
                                                                                                                                                    auch nicht, wenn dieser mit noch so aus-                                                              uns bewusst zu machen, dass es eben
                                                                                                                                                                                                   Nach Kirchen statt nach Füchsen suchen
                                                                                                                                                    gefallenen Dingen bestückt ist. Damit die-     Mit Foxtrail auf christlicher Entdeckungsreise
                                                                                                                                                                                                                                                          nicht allen gut geht.»
                                                                                                                                                    ser Brauch lebendig bleibt, muss er neu                                                               Ähnliche Erfahrungen machte eine Kollegin
                                                                                                                                                    gefüllt werden. Mit der Idee, gemeinsam        Kurse · Tagungen · Buchtipp                    14      von Beni Merk, die sich mit einer Unter-
                                                                                                                                                    andere zu beschenken, ist dies gelungen.                                                              stufenklasse an der Aktion beteiligte.
                                                                                                                                                                                                   Gottesdienste an den Wochenenden               15      Auch dort entwickelten sich interessante
                                                                                                                                                                                                   Filmtipp                                               Gespräche und die Kinder waren heraus-
                                                                                                                                                                                                                                                          gefordert, sich in eine andere Lebens-
                                                                                                                                                                                                   Kalenderblatt · Zum Schluss                    16      wirklichkeit hineinzuversetzen.

                                                                                                                                                    2   forumKirche | 23-2019
Adventskalender einmal anders - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - forumKirche
Advent

                                                                                                 Bild: Detlef Kissner
                                                                                                                        News
                                                                                                                           Spirituelle Selbstbestimmung
                                                                                                                        An der Jahrestagung der diözesanen
                                                                                                                        Fachgremien «Sexuelle Übergriffe im
                                                                                                                        kirchlichen Umfeld» Mitte November in
                                                                                                                        Zürich referierte die ehemalige Ordens-
                                                                                                                        frau Doris Reisinger. An der Tagung sagte
                                                                                                                        sie, dass sexueller Missbrauch im religiö-
                                                                                                                        sen Umfeld praktisch immer einhergehe
                                                                                                                        mit spirituellem Missbrauch. Dieser ver-
                                                                                                                        letzte die spirituelle Selbstbestimmung,
                                                                                                                        denn jeder Mensch habe das Recht,
                                                                                                                        selbst über sein geistliches Leben zu
                                                                                                                        bestimmen. Die Kirche müsse sich funda-
                                                                                                                        mental wandeln, wolle sie in Zukunft den
                                                                                                                        Gläubigen diese spirituelle Selbstbestim-
Beni Merk und seine Tochter freuen sich auf den nächsten «umgekehrten» Adventskalender.                                 mung gewährleisten.
                                                                                                                            Plattform für Erfahrungsaustausch
                                                                                                                        Das Projekt «Für eine Kirche mit* den
Grosse Resonanz                                  zu einzelnen Empfängern, sondern auch                                  Frauen» richtet sich neu aus. 2016 pilger-
Das Echo auf die Päckchen-Aktion erlebte         ganz konkrete Wunschlisten. «Da geht die                               ten acht Frauen und ein Mann von St.
Beni Merk als «super schön»: Die be-             Freiheit beim Schenken verloren. Das Schö-                             Gallen nach Rom mit dem Anliegen, dass
schenkten Personen und Familien hätten           ne daran ist ja, sich zu überlegen, was dem                            Männer der Kirche in Zukunft nicht mehr
«total rührend geschrieben», wie sie der         anderen gefallen könnte, auch wenn man                                 ohne Frauen über deren Stellung, Rolle
Adventskalender überrascht habe und sie          es nicht hundertprozentig trifft. Ausserdem                            und Funktion entscheiden sollten. Nun
sich darüber gefreut hätten.                     geht es ja bei einem Adventskalender um                                tritt das Pilgerprojekt in den Hintergrund.
Diese Rückmeldungen und die Erfahrungen          kleine Aufmerksamkeiten», gibt Merk zu                                 Stattdessen gibt es auf der neuen Websei-
vom letzten Jahr motivierten ihn und seine       bedenken.                                                              te Platz für Blog-Beiträge in Text und Bild.
Familie, die Aktion fortzuführen und Informa-    Unterm Strich zieht er eine positive Bilanz.                           Diese sollen Erfahrungen von «Kirche mit»
tionen darüber in den sozialen Netzwerken        Ihn überrascht vor allem, dass so viele                                oder «Kirche ohne Frauen» in den Blick
zu streuen. Nachdem letztes Jahr sieben          spontan bereit sind mitzumachen: «Das ist                              nehmen, schreibt Initiantin Hildegard Aepli
Adventspakete zusammenkamen, meldeten            für mich ein Hoffnungsschimmer. Es gibt                                in einer Medienmitteilung.
sich dieses Jahr bereits 60 Interessierte.       doch noch einige Menschen in unserer
                                                                                                                           Synodaler Weg in Deutschland
«Die Aktion wurde zum Selbstläufer. Wir          Gesellschaft, denen das Schicksal anderer
                                                                                                                        In Deutschland hat ein auf zwei Jahre
mussten fast schon bremsen, weil es mit          nicht egal ist.»
                                                                                                                        befristeter Reformdialog zur Zukunft der
der Verteilung schwierig wurde», erzählt
                                                                                                                        katholischen Kirche begonnen. Angestos-
Beni Merk. Doch er fand weitere Partner, die     Genau richtig
                                                                                                                        sen haben ihn die katholischen Bischöfe
diese Aufgabe gern übernahmen. Caritas           In der Vorweihnachtszeit lassen es sich
                                                                                                                        und Laien, die Regeln sind in einer Sat-
Thurgau vermittelte den Kontakt zum              die meisten Menschen gut gehen mit ver-
                                                                                                                        zung festgelegt. In dieser heisst es, «Der
Caritas-Markt Winterthur, wohin nun 20           schiedenen Leckereien bei Tee und Kerzen-
                                                                                                                        Synodale Weg der katholischen Kirche in
Adventskalender aus dem Raum Zürich ge-          licht… «Armut ist für die, die sich das nicht
                                                                                                                        Deutschland dient der gemeinsamen
liefert werden. Eine Kollegin von Beni Merk,     leisten können, dann noch spürbarer»,
                                                                                                                        Suche nach Schritten zur Stärkung des
die sich letztes Jahr an der Aktion beteiligt    sagt Simone Rutishauser, Mitarbeiterin der
                                                                                                                        christlichen Zeugnisses». Die Beschlüsse
hatte, hatte dort nämlich die Werbetrommel       Caritas Thurgau. Deshalb ist für sie der
                                                                                                                        der Initiative haben eine beratende Funk-
gerührt. Ausserdem fragte er beim Sozial-        «umgekehrte» Adventskalender ein tröstli-
                                                                                                                        tion, der jeweilige Ortsbischof entscheidet,
amt Kreuzlingen nach: «Auch dort kam die         ches Zeichen in der richtigen Zeit. Über-
                                                                                                                        ob er sie umsetzt.
Idee gut an. Die Zusammenarbeit gestaltet        haupt gefiel ihr die Idee so gut, dass sie
sich unkompliziert und unbürokratisch.»          sich dieses Jahr auch mit ihrer Familie dar-                              Papst gegen Veto-Recht
                                                 an beteiligt und einige ihrer Freunde dafür                            Nach Meinung des Papstes wäre es bes-
Organisation wird aufwendig                      gewinnen konnte. «Mit dieser Aktion kann                               ser, wenn alle Mitglieder des Weltsicher-
Was klein begann, wuchs inzwischen zu            man Kinder gut dafür sensibilisieren, was                              heitsrates die gleichen Rechte hätten.
einem Projekt heran, das sich nicht mehr         es heisst, arm zu sein», hebt die Sozial-                              Bislang reiche das Nein eines der Veto-
«nebenbei» managen lässt. Obwohl Beni            pädagogin hervor. Sie würde sich freuen,                               Länder, um mögliche Lösungen zu blockie-
Merk diese Entwicklung freut, spürt er           wenn auch an anderen Orten im Thurgau                                  ren. Die Abschaffung des Veto-Rechts im
auch, dass er an seine Grenzen kommt:            jemand die Initiative für den «umgekehrten»                            Weltsicherheitsrat könnte eine Massnah-
«Ich frage mich manchmal, wann ich das           Adventskalender ergreift. Es fänden sich                               me sein, damit die Vereinten Nationen wie
alles machen soll.»                              sicherlich genug Abnehmer dafür. Für die                               die UNO effektiver für Friedensvermittlun-
Ausserdem entwickelt die Aktion seiner           Verteilung könnte die Caritas Thurgau                                  gen wirken können, sagte er auf seinem
Ansicht nach eine Eigendynamik, die von          weitere Sozialeinrichtungen anfragen.                                  Rückflug von Tokio vor Journalisten.
der ursprünglichen Idee abweicht. Denn in-                                                                                                            kath.ch/Red.
zwischen erreichen ihn nicht nur Eckdaten                                       Detlef Kissner

                                                                                                                                          forumKirche | 23-2019      3
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Kirche Schweiz

Taufe ist nicht mehr selbstverständlich
Neue Kirchenstatistik und ihre Bedeutung

                                                                                                                                                   Bild: enriquelopez87/pixabay.com
Geht es um die Zahl ihrer Mitglieder, kann
sich die katholische Kirche in der Schweiz
nach wie vor glücklich schätzen. Verant-
wortlich für das «historische Hoch» ist
laut dem Schweizerischen Pastoralsoziolo-
gischen Institut (SPI) die Zuwanderung.
Dessen aktuelle Kirchenstatistik zeigt
aber auch, dass die Taufe innerhalb der
katholischen Bevölkerung zunehmend
hinterfragt wird.

Noch immer ist die römisch-katholische Kir-
che die grösste Religionsgemeinschaft der
Schweiz. Ihr Anteil an der ständigen Wohn-
bevölkerung ab 15 Jahren machte 2017
35,9 Prozent aus, wie der neusten Kirchen-
statistik des SPI zu entnehmen ist. Das
entspricht rund 2,5 Millionen Katholiken.
Grund dafür sei vor allem die Zuwanderung
von Gläubigen aus dem Ausland. Laut Sta-
tistik haben im Jahr 2017 38,4 Prozent der
katholischen Wohnbevölkerung ab 15 Jah-
ren einen Migrationshintergrund, der Aus-
länderanteil beträgt bei den Katholiken
24,3 Prozent. Bei den Reformierten verfügt
hingegen nur knapp jeder Zehnte über ei-        Immer weniger Katholiken in der Schweiz lassen ihre Kinder taufen. Darin zeige sich ein innerer
nen Migrationshintergrund, und der Auslän-      Entfremdungsprozess, so das SPI.
deranteil liegt bei tiefen 4,6 Prozent.

Immer weniger kirchliche Trauungen              Unterschiede in Sprachregionen                     nen der Schweiz verloren». Diese Entwick-
Darüber hinaus dokumentiert die Statistik       Die Kirchenstatistik zeigt anhand der Tauf-        lung bezeichnet das SPI als «relativ neu».
Entwicklungen beim Sakramentenempfang.          quoten zudem auf, dass die Weitergabe der          Sie deute auf eine «gewachsene Fragilität»
Seit 2013 ist die Zahl katholischer Trauun-     Kirchenmitgliedschaft in der Familie nicht         der Mitgliederbindung in der katholischen
gen um zirka 20 Prozent auf 3200 im Jahr        überall gleich gelingt. Das SPI stellt «be-        Kirche hin.
2018 gesunken. Im Verhältnis zur Zahl der       achtliche» Unterschiede zwischen den Bis-          Für das SPI drängt sich trotz anhaltend ho-
Ziviltrauungen in der Schweiz mit katholi-      tümern und Sprachregionen fest. Während            her Mitgliederzahl der katholischen Kirche
scher Beteiligung erreichte die katholische     in den Bistümern Lugano und St. Gallen             das «Bild einer inneren Erosion der Kirch-
Kirche im Jahr 2018 nur noch eine Trau-         derzeit zirka acht von zehn Kindern getauft        lichkeit» auf, schreibt es in einem Fazit des
quote von 22 Prozent. Eine kirchliche Ehe-      werden, sind es im Bistum Sitten zirka sie-        Berichts. Die Zahl der Priesterweihen und
schliessung sei für Katholikinnen und Ka-       ben und im Bistum Basel zirka sechs von            der Beichte seien schon lange auf «sehr
tholiken keine Selbstverständlichkeit mehr,     zehn Kindern. Die tiefsten Raten zeigen die        niedrigem Niveau messbar» und die Zahl
folgert das SPI. Dasselbe gelte für die Taufe   Bistümer Chur und Lausanne-Genf-Freiburg           der katholischen Eheschliessungen sinke
der Kinder. Das hat Einfluss auf die Mit-       (LGF). Dort wird nur ungefähr jedes zweite         seit längerer Zeit kontinuierlich. Weil es
gliedschaft: «Wenn katholische Eltern ihr       Kind innerhalb der katholischen Bevölke-           nun in den letzten Jahren auch zu einem
Kind nicht mehr taufen lassen, dann ist ei-     rung getauft. Es falle zudem auf, dass             Rückgang der Taufen gekommen ist, spricht
ne Kirchenmitgliedschaft schon beendet,         diese Rate, mit Ausnahme des Bistums               aus Sicht des SPI vieles dafür, dass sich
bevor sie beginnen konnte.»                     Lugano, innerhalb der letzten Jahre ge-            die fragil gewordene Kirchenbindung über
Die Zahl der katholischen Taufen ist laut       sunken ist.                                        kürzere oder längere Zeit auch auf die Mit-
SPI zwischen 2013 und 2018 um 11 Pro-                                                              gliederzahlen durchschlagen wird. Es emp-
zent gesunken. 2018 wurden 18’568 Men-          Neue Entwicklung                                   fiehlt, in die Bindung von Mitgliedern zu in-
schen katholisch getauft. Dies entspreche       Das Institut folgert aus den Zahlen, dass          vestieren, die bereits auf Distanz zur Kirche
zirka 21 Prozent der Geburten in der            die Taufe innerhalb der katholischen Bevöl-        gegangen sind. Diese seien im Prinzip noch
Schweiz. Das Institut findet, der Anteil von    kerung «zusehends hinterfragt wird». Zwar          gut ansprechbar, ist das SPI überzeugt
21 Prozent katholisch getaufter Kinder lie-     werde die Mehrheit der Kinder innerhalb
ge signifikant unter dem Anteil der katholi-    der katholischen Bevölkerung immer noch                                     Barbara Ludwig/Red.
schen Bevölkerung von knapp 36 Prozent          getauft, «den Charakter der Selbstverständ-
im Jahr 2017.                                   lichkeit hat die Taufe jedoch in vielen Regio-        Ganzer Artikel auf www.forumkirche.ch

4   forumKirche | 23-2019
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Thurgau

150 Jahre Landeskirchen
Impressionen von der Auftaktveranstaltung

                                                                                                                                                             Bilder: Detlef Kissner
Über 250 Gäste versammelten sich am
1. Advent in der Kartause Ittingen, um
das Jubiläum «150 Jahre Landeskirchen
Thurgau» in einem feierlichen Rahmen
zu beginnen. Im Mittelpunkt stand ein
Gespräch in lockerer Atmosphäre über das
Zusammenspiel von Kirche und Staat.
Regierungsrat Jakob Stark, der katholi-
sche Kirchenratspräsident Cyrill Bischof
und der evangelische Kirchenratspräsident
Wilfried Bührer blickten zurück auf die Ent-
wicklungen, die vor 150 Jahren zur staat-
lichen Anerkennung der Landeskirchen
führten, beleuchteten die Gegenwart und
äusserten Ideen und Wünsche für die
Zukunft. Christoph Sutter moderierte den
Austausch und brachte den Saal mit
seinen pointierten Versen zum Schmunzeln.             Regierungsrat Jakob Stark (r.) hebt anerkennend hervor, dass die Kirchen wichtige Aufgaben für die
                                                      gesamte Gesellschaft übernehmen. Für Cyrill Bischof ist das Bezahlen von Kirchensteuern ein Akt
   Weitere Infos: www.150himmel.ch/news               der Solidarität.

Christoph Sutter (r.) bringt eine Fusion der beiden Kirchen ins Spiel. Wilfried Bührer meint dazu:       Der inszenierte Stammtisch kommentiert das
«So einfach ist das nicht.» Kirche bedeute ja auch Heimat und Vertrautsein mit Riten.                    Gespräch «von der Seitenlinie» aus.

Das Trio Artemis begleitet den Auftakt mit Musikstücken von Klassik bis Rock.   Die Verantwortlichen für die 12 Jubiläumsprojekte entzünden je eine Kerze.

                                                                                                                              forumKirche | 23-2019     5
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Thurgau

Kommunikation aus einer Hand
Katholische Synode des Kantons Thurgau

                                                                                                                                                      Bild: Sarah Stutte
An ihrer Herbstversammlung im Rathaus
von Weinfelden waren sich die insgesamt
90 Synodalen in vielem einig. Anlass zur
Diskussion gab es kaum. Neu wird das
Pfarreiblatt forumKirche von der Landes-
kirche Thurgau herausgegeben.

Die Synode eröffnete mit der offiziellen
Ankündigung von Kirchenrätin Anne Zorell
Gross, die per Ende Juni 2020 nach neun
Jahren aus der Behörde zurücktreten wird.
Gleich darauf wurde die Abstimmung über
die Integration von «forumKirche» in die
katholische Landeskirche behandelt. Franz
Hidber führte aus, dass die katholische
Landeskirche ab 2020 neu die Träger-
schaft für forumKirche wahrnehmen und
sich die röm.-kath. Landeskirche Schaff-
hausen mit einem Dienstleistungsvertrag       Ivan Trajkov, Pastoralraumleiter Altnau, forderte eine differenziertere inhaltlich-strategische
an den Kosten und der Leitung beteiligen      Beteiligung der Pastoralen an forumKirche.
wird. Die Genossenschaft Pressverein hat
ihr bisheriges Verlagsrecht bereits Ende
Oktober an die Landeskirche abgetreten.       Trajkov, Pastoralraumleiter Altnau. Er er-           nommen. Ebenfalls zugestimmt wurde dem
Mit dieser Veränderung wolle man die          klärte, dass man von pastoraler Seite aus            Antrag, die vertraglichen Grundlagen im
Redaktion von forumKirche mit der beste-      grundsätzlich mit dem Antrag einverstan-             Rahmen der in der Botschaft aufgezeigten
henden, bisher im Generalsekretariat ange-    den sei. Doch in der Botschaft fehle einer-          Eckwerte zu schaffen. Der ergänzende
siedelten Kommunikationsstelle der Lan-       seits die Bistumsregionalleitung im Organi-          Antrag zur Botschaft von Ivan Trajkov wurde
deskirche zu einer einheitlichen Fachstelle   gramm der strategischen Führung und                  dagegen deutlich abgelehnt.
Kommunikation fusionieren, um medien-         weiter sei dort die künftige, pastorale in-
übergreifend Aufgaben im Bereich Print,       haltlich-strategische Beteiligung, die bisher        Geld für Fischingen
Webseite und Social Media zu überneh-         bei der Redaktionskommission lag, noch               Ohne Gegenstimmen genehmigte die Syno-
men. Dadurch optimiere man die internen       nicht klar ausgestaltet. Ivan Trajkov stellte        de die übrigen Anträge. So den Unterhalts-
Abläufe, so Franz Hidber. Da die Abonne-      deshalb den Antrag, dass die jetzige Re-             kostenbeitrag in Höhe von 80'000 Franken
mentskosten bereits von der Landeskirche      daktionskommission gemeinsam mit der                 für das Jahr 2020 an den Verein Kloster
gezahlt würden, lasse sich die ganze Inte-    Steuerungsgruppe die redaktionelle Leit-             Fischingen und die Gründung eines Wohl-
gration kostenneutral vollziehen.             linie sowie das Redaktionsstatut erlasse,            fahrtsfonds aus den freien Mitteln der liqui-
                                              um die Aufgaben des neuen redaktionellen             dierten Pensionskasse der katholischen
Pastorales Mitspracherecht                    Beirats zu regeln.                                   Landeskirche. Angenommen wurde ferner
Personelle Veränderungen ziehe die Integra-                                                        das Budget mit einem Aufwandsüberschuss
tion nicht mit sich. Das Personal werde von   Neue Herausgeberin                                   von 130'900 Franken sowie der Zentral-
der Landeskirche zu den jetzigen Stellen-     Kirchenrätin Marie-Anne Rutishauser ent-             steuerfuss von 4.15 Steuerprozenten für
prozenten übernommen. Die journalistische     gegnete, dass eine Botschaft lediglich ein           das Jahr 2020. Beim Finanzausgleich merk-
Unabhängigkeit der Redaktion solle weiter-    Informationsschreiben an die Synodalen               te Finanzkommissions-Präsident Erwin
hin durch einen redaktionellen Beirat be-     sei und kein Reglement. Dass die Bistums-            Wagner an, dass dieser neu mit 800'000
wahrt bleiben. Dieser trage die Verantwor-    regionalleitung der Steuerungsgruppe                 Franken zu budgetieren sei anstatt mit
tung der Inhalte der Redaktionsarbeit mit.    Medien angehöre, sei reglementiert und               900'000 Franken, weil keine Notwendigkeit
Einziger Wermutstropfen der Integration       aus Gründen der besseren Verständlichkeit            für diese Höhe bestünde. Die Festlegung für
bleibe jedoch der Verlust des Vorsteuerab-    nicht mehr zusätzlich im Organigramm er-             die Parameter desselbigen wurde in der Fol-
zugs bei der Mehrwertsteuer. Dieser entfal-   wähnt. Für die Schaffung redaktioneller              ge einstimmig entschieden. Kirchenrat und
le künftig, da nur mehrwertsteuerpflichtige   Leitlinien und eines Redaktionsstatuts               der Bistumsregionalleitung verkündeten
Unternehmen vorsteuerabzugsberechtigt         solle eine grössere Arbeitsgruppe einge-             den Beschluss, die Konzernverantwortungs-
sind. Franz Hidber merkte des Weiteren an,    setzt werden, der sowohl die Bistumslei-             initiative zu unterstützen. Auf ein Schreiben
dass die Prozentaufteilung innerhalb der      tung als auch eine Fachperson der bisheri-           an den Kirchenrat zur Frauenordination
Fachstelle nicht schon in Stein gemeisselt    gen Redaktionskommission angehöre. In                nahm Kirchenrat Cyrill Bischof Stellung,
sei und es künftig innerhalb der Aufgaben-    der Folge wurde der Antrag des Kirchenrats           eine Diskussion erfolgte nicht.
bereiche noch zu Verschiebungen kommen        zur neuen Herausgabe von forumKirche
könne. Zum Geschäft äusserte sich Ivan        durch die Landeskirche einstimmig ange-                                                  Sarah Stutte

6   forumKirche | 23-2019
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Thurgau

Freiwilligkeit allein genügt nicht
Pastoralkonferenz zum Thema Konzernverantwortungsinitiative

Die letzte Thurgauer Pastoralkonferenz im       zu Menschenrechten, sozialen Arbeitsrech-        antwortete, dass die Schweiz mit ihren
2019 widmete sich in Weinfelden dem             ten und Umweltstandards beinhaltet. Leider       Forderungen nicht alleine dasteht, sondern
aktuellen Thema Konzernverantwortungs-          war das Engagement in den ersten 15 Jah-         im internationalen Trend liegt und deshalb
initiative KOVI. Ökonom und Journalist          ren mit 53 Mitgliedern sehr gering. Seit der     global kompatibel sein sollte.
Markus Mugglin beleuchtete in einem             Lancierung der KOVI im 2016 hat sich die         In Gruppen diskutierten die rund 50 Anwe-
Referat die Hintergründe und ob Kampag-         Mitgliederzahl verdoppelt, neu sind auch         senden Fragen, wie etwa ob Seelsorger zu
nen etwas bewirken können.                      Rohstoffhändler und Goldraffinerien dabei.       Fragen der Ethik öffentlich Stellung bezie-
                                                Kampagnen wirken laut Mugglin dann nach-         hen sollen. Der Grundtenor lautete, dass
Aufmerksamen Radiohörerinnen und Radio-         haltig, wenn Unternehmen unter Druck gera-       die pastoral Tätigen sich durchaus zu ethi-
hörern kam die Stimme sofort bekannt vor.       ten und um ihre Reputation fürchten. «Repu-      schen Themen, wie der Initiative, öffentlich
Kein Wunder, denn Markus Mugglin leitete        tation ist ein kostbares Gut. Jeder Schaden      äussern sollen. Christoph Baumgartner
bis 2012 die Politiksendung «Echo der           wirkt sich für das Unternehmen kommerziell       aus Bischofszell sieht die pastoral Tätigen
Zeit» bei Radio SRF. Vorher war er auch Kor-    aus», sagte Mugglin. Doch reicht der Faktor      als Multiplikatoren, die solche Themen
respondent für UNO- und globale Wirt-           Reputation zur Respektierung der Men-            breit an die Basis herantragen können.
schaftsfragen sowie EU-Korrespondent in         schenrechte aus oder braucht es politi-          Auch in Predigten könnte auf die KOVI auf-
Brüssel. Seit der Pensionierung arbeitet er     schen Druck? Mugglin ist sich sicher, dass       merksam gemacht werden. Denn langsam
als selbstständiger Journalist und Ökonom       Freiwilligkeit allein nicht genügt. Es brauche   drängt gemäss Markus Mugglin die Zeit: Im
für verschiedene Medien und hat 2016 das        verpflichtende Regeln, Appelle und Empfeh-       Dezember wird der Ständerat darüber befin-
Buch «Konzerne unter Beobachtung. Was           lungen des Bunderates reichten nicht aus.        den, ob ein substanzieller Gegenvorschlag
NGO-Kampagnen bewirken können» veröf-                                                            zur Initiative erstellt werden soll. Wird der
fentlicht. Deshalb ist Mugglin ein Experte,     Pastoralkonferenz unterstützt KOVI               Gegenvorschlag genehmigt, wird wohl im
wenn es um die Frage nach Menschen-             Bei den Wortmeldungen plädierte Gaby             nächsten Herbst darüber abgestimmt.
rechtsverletzungen bei Unternehmungen           Zimmermann aus Romanshorn dafür, dass            Gaby Zimmermann nutzte deshalb die Ge-
geht, die ebenfalls von der KOVI angepran-      die Kirche die KOVI unterstützen müsse           legenheit zu einem Antrag, dass die Thur-
gert werden. Wie weit Wahrnehmung und           und die Bischofskonferenz wie der evan-          gauer Pastoralkonferenz die KOVI öffentlich
Realität auseinanderklaffen, zeigte Mugglin     gelische Kirchenbund mit gutem Beispiel          unterstützt. Der Antrag wurde mit grosser
zu Beginn auf:«Swissholding, der Verband        voran geht. Bischofsvikar Hanspeter              Mehrheit angenommen.
der multinationalen Unternehmen in der          Wasmer wollte wissen, ob grosse Firmen
Schweiz, ist der Meinung, dass 80 Prozent       die Schweiz verlassen könnten. Mugglin                                          Claudia Koch
der Schweizer Unternehmungen über eine

                                                                                                                                                   Bild: Claudia Koch
konsistente Menschenrechtspolitik ge-
mäss UNO-Vorgaben verfügen.» KOVI dage-
gen geht davon aus, dass weniger als die
Hälfte der grossen Unternehmen laufend
die menschenrechtlichen Auswirkungen ih-
rer Aktivitäten ermittelt. Nach Mugglins
Nachforschungen geht die Tendenz eher in
Richtung KOVI, da nur wenige Unterneh-
mungen menschenrechtliche Risiken ein-
schätzen und nur eine Minderheit die Um-
setzung der Massnahmen prüft, sowie
Beschwerdemöglichkeiten schafft.

Verpflichtende Regeln nötig
Anschliessend präsentierte Mugglin neue
Fälle im 2019, die Schlagzeilen machten.
Glencore fällt dabei mehrmals negativ auf.
«Diese Fälle bieten Stoff zu ernsthaften Dis-
kussionen, die unbedingt geführt werden
sollten», so Mugglin. Doch es gibt auch Lö-
sungen, wie etwa die OECD-Richtlinien für
den verantwortungsvollen Umgang, die erst-
mals 1976 aufgestellt und 2011 angepasst
wurden und die rund 30 Staaten befolgen.
Seit dem Jahr 2000 gibt es den UN-Global
Impact, initiiert vom ehemaligen UNO-Gene-      Ökonom und Journalist Markus Mugglin beleuchtete die Hintergründe der Konzernverantwortungs-
ralsekretär Kofi Annan, der Verpflichtungen     initiative.

                                                                                                                    forumKirche | 23-2019      7
Adventskalender einmal anders - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - forumKirche
Aus dem Bistum · Thurgau

Vorangehen im Warten                                                               Baghdad in My Shadow
Was mich bewegt: ein Beitrag von Felix Gmür                                        Regisseur kommt zum Gespräch

Ist das nicht ein Widerspruch? Gibt es Bewegung im Aushalten?                      London, kurz vor Weihnachten. Das Café Abu Nawas ist beliebter
Mehrere biblische Lesungen in der Adventszeit erinnern uns an                      Zufluchtsort für mehrere Exil-Iraker. Der Dichter Taufiq entkam als
das Spannungsfeld von Ausharren und Voranschreiten. Aushalten                      Kommunist der Folter Saddam Husseins und arbeitet nun in
ist angesagt, damals und auch heute: Kriege im Nahen Osten,                        London als Nachtwächter in einem Museum. Die willensstarke
Flüchtlingsströme, Zerstörung vieler natürlicher Ressourcen,                       Amal studierte im Irak Architektur, doch ihre Diplome zählen im Exil
Perspektivenlosigkeit. Wir sind als einzelne machtlos und müssen                   nicht. Sie flüchtete vor ihrem gewalttätigen Ex-Mann und hilft nun
das aushalten. Zugleich lassen uns Schicksalsschläge im privaten                   im Café aus. Muhanad wiederum verliess Bagdad, um der Bedro-
Umfeld erstarren. Aushalten. Bis heute warten wir auf Heil, auf                    hung zu entkommen, der Homosexuelle dort ausgesetzt sind. Doch
die Vollendung der Welt, auf die Wiederkunft Jesu Christi.                         auch vor seinen Freunden in London traut er sich nicht, offen zu
Christsein heisst warten. Doch Warten bedeutet nicht, die Hände                    seinem Liebhaber zu stehen. Sie alle holen die langen Schatten
in den Schoss zu legen. An Weihnachten feiern wir, dass Gott wahr-                 der Vergangenheit ein, als Taufiqs Neffe Naseer unter dem Einfluss
haftig in Jesus Christus Mensch geworden ist. Er wirkt jeden Tag                   eines islamistischen Predigers einen Anschlag auf das Café der
neu in seiner Schöpfung und begegnet uns. Momente des Heils                        «Gottlosen» plant.
sind möglich, jeden Tag: dort, wo einsame Menschen liebevolle                      Der 64-jährige Zürcher Regisseur Samir («Snow White», «Iraqi
Zuwendung erfahren, dort, wo Politikerinnen und Politiker sich für                 Odyssey») ist selbst in Bagdad geboren und wuchs als Kind
die Bewahrung der Schöpfung stark machen, dort, wo Arbeitsplätze                   irakischer Eltern in Schwamendingen auf. Er kennt die Situation
geschaffen und erhalten werden, dort, wo Menschen für jene                         des Exils aus eigener Erfahrung und verwebt die Schicksale seiner
beten, die nicht mehr weiterwissen. Christinnen und Christen sind                  Figuren zu einem poetischen Gleichnis.
dazu berufen, im Warten voranzugehen und mitzugestalten.                           Das Kino Roxy in Romanshorn zeigt den Film am 12. Dezember um
Dabei sind wir nicht allein, weil Jesus Christus verheisst:                        19.30 Uhr. Im Anschluss an den Film gibt es ein Gespräch mit dem
Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt.                                 Filmautor Samir, dem poeta doctus unter den Schweizer Filme-
                                                                                   machern. Es geht ganz unsentimental um Weihnachten, Migration
                                                                       Bild: zVg

                                                                                   in einer globalisierten Welt, die Rolle der Frau, Homosexualität
                                                                                   und die interkulturelle Auseinandersetzung über den Sinn der
                                                                                   Religionen.
                                 +Felix Gmür,
                            Bischof von Basel                                                                                         Matthias Loretan

CSI-Mahnwache für Glaubensverfolgte
Vier Thurgauer Städte nehmen teil

                                                                                                                                                          Bild: zvg
Um auf Glaubensverfolgte in aller Welt auf-
merksam zu machen, findet jedes Jahr Mit-
te Dezember in mehreren Schweizer Städ-
ten eine Mahnwache statt. Diese wird von
der überkonfessionellen Menschenrechts-
organisation Christian Solidarity Internatio-
nal (CSI) organisiert, in diesem Winter be-
reits zum achten Mal. Auch in Bischofszell,          Die CSI-Mahnwache
Weinfelden, Frauenfeld und Romanshorn           findet am 12. Dezember
treffen sich am 12. Dezember um 18 Uhr              von 18 bis 18.30 Uhr
Menschen zu dieser friedlichen Kundge-                             statt.
bung. «Wir werden eine halbe Stunde lang
still an die Menschen denken, die in ihren      in dem der Anlass dort zum ersten Mal                     «Viele müssen aus ihrer Heimat flüchten.
Ländern für ihren christlichen Glauben ver-     stattfand, hätten sich um die 30 bis 40                   Es ist wichtig, dafür zu sensibilisieren und
folgt werden. Wir hängen uns dazu Plakate       Personen daran beteiligt. «Das hat mich                   über die Schweiz hinauszuschauen», erklärt
um und weisen auf einzelne Krisenherde          positiv überrascht. Ich hoffe natürlich, dass             er. Dazu gehöre auch, sich nicht nur an
wie Indien oder Nigeria hin. Auf diese          auch in diesem Jahr viele Menschen zu uns                 einem einzigen Abend einzusetzen, son-
Weise möchten wir für unsere Glaubens-          stossen», so der 68-Jährige. Nach der                     dern auch unter dem Jahr einen finanziel-
schwestern und -brüder einstehen», erklärt      Mahnwache würden sich mit einigen der                     len oder anderweitigen Beitrag an die
Hansjörg Haller. Der ehemalige evangeli-        daran Teilnehmenden oft noch Gespräche                    entsprechenden Organisationen in den
sche Pfarrer aus Hauptwil organisiert die       über die Situation der Verfolgten ergeben.                jeweiligen Ländern zu leisten.
Mahnwache als Ehrenamtlicher auf dem            Hansjörg Haller engagiert sich, um den
Grubplatz in Bischofszell. Im letzten Jahr,     Glaubensverfolgten eine Stimme zu geben.                                                  Sarah Stutte

8   forumKirche | 23-2019
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Dichte Worte

Die Weihnachtsoma
Früher, vor noch sieben Jahren,
früher, als wir alle waren,
früher galt – und dies galt bleiern:
Weihnachten gemeinsam feiern!

Heilig Abend standen alle
ehrfurchtsvoll und froh beim Stalle,
sangen Lieder, sprachen Texte.          Wenn Mama den Christbaum schmückt,
Nichts, was dieses Fest bekleckste.     Kugeln, Stern, Lametta zückt
Oma, Eltern und wir Kinder,             und auch Kerzen nicht vergisst
Esel, Ochse, Schafe, Rinder,            wird die Oma sehr vermisst.
Hirten und die Heiligkeit:
alle standen just bereit.               Drum beschliess am Weihnachtsmorgen
                                        ich, mir eine auszuborgen.
Fürchtet euch – sprach Engel – nicht!   Eine, welche diese Nacht
Oma las die Weihnachtsgschicht.         mit uns feiert, singt und lacht.
Und es freuten sich im Stalle           Also hol ich, ganz alleine,
Tiere und die Hirten alle               eine aus dem Pflegeheime.
ob dem kleinen Jesulein.                Eine aus der Eingangshalle,
Meistens schlief hier Oma ein.          denn da sitzen sie heut alle
                                        je mit Rollstuhl. Still und lauschen.
Nach dem feinen Weihnachtsschmaus       Ich fass eine – und wir rauschen
packten wir Geschenke aus,              heim, wo wir den Abend feiern,
freuten uns, beschert zu werden,        Lieder singen, Verse leiern…
fühlten himmlisch uns auf Erden.
Assen, lachten, machten Krach.          Die geborgte Oma spricht
Oma wurde wieder wach                   zwar den ganzen Abend nicht.
ob der Festerei und sang
gern von süssem Glockenklang.           Doch sie sitzt mit grossen, feuchten
                                        Augen da – und schenkt uns Glück.
Tja, dies war vor sieben Jahren,        Später schieb im Sternenleuchten
als wir noch beisammen waren.           ich die Oma froh zurück.
Alle, Herzschmerzfrieden habend,
feierten den Heiligabend.               All die Omas, die wir bräuchten
                                        sitzen irgendwo auf Erden.
Doch seit Oma nicht mehr ist            Warten, dass wir Skrupel scheuchten
gähnt der Weihnachtsabend trist         – und darauf, geholt zu werden!
und die Christbaummelodie
klingt voll Festmelancholie.            CHRISTOPH SUTTER

                                                                 forumKirche | 23-2019   9
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Schaffhausen · Kirche ohne Grenzen – italienisch

Neuer Vertrag für forumKirche                                                                                         «Mini Gschicht
Synode der Landeskirche Schaffhausen                                                                                  Leben von christlicher Musik

                                                                                               Bild: Detlef Kissner
         Andreas Textor                                                                                               Toby Meyers Konzerte «Freiheit – Mini
         (Mitte) dankte                                                                                               Gschicht mit Gott» sind eine Reise durch
     Annemarie Wehrli,                                                                                                seine Lebensgeschichte und seinem
die nach zwei Perioden                                                                                                Finden von Gott. Der Aargauer hat sich
  ihr Amt als Synoden-                                                                                                als christlicher Musiker selbstständig
   präsidentin abgeben                                                                                                gemacht. Kirche ohne Grenzen war bei
muss, für ihre effiziente                                                                                             einem dieser Konzerte dabei und hat den
       Sitzungsleitung.                                                                                               aufgestellten Ehemann und Vater von
                                                                                                                      drei Töchtern bei einem Gespräch
                                                                                                                      kennengelernt.

                                                                                                                      Derzeit tourst du mit deinem neuen Album
                                                                                                                      «Freiheit – Mini Gschicht mit Gott» durch
Am 25. November kamen die Synodalen             Auflösung der bisherigen Trägerschaft, ei-                            die Deutschschweiz, die letzten Wochen
der römisch-katholischen Landeskirche           ner einfachen Gesellschaft, an, der neben                             auch hier in der Region Bodensee, seit
Schaffhausen zur letzten Sitzung ihrer          den Landeskirchen Thurgau und Schaffhau-                              2019 vermehrt in katholischen Kirchen.
vierjährigen Amtsperiode zusammen.              sen auch die Genossenschaft Pressverein                               Was kann man von einem solchen Abend
Nach intensiven Beratungen nahmen sie           angehöre. Der Pressverein habe der vorzei-                            erwarten?
das Budget 2020 an und beschlossen den          tigen Auflösung des Herausgebervertrages                              Eine tiefgängige Story, meine persönliche
Ausstieg aus der Trägerschaft des Pfarrei-      bereits zugestimmt. Der Synodalrat befür-                             Lebensgeschichte in Form von Erzählun-
blattes forumKirche.                            wortet gemäss Fritschi dieses Ansinnen                                gen und Lieder, welche durch fliessende
                                                ebenfalls unter der Voraussetzung, dass er                            Übergänge einen Spannungsbogen von
Bei den Budgetberatungen gab es viele           seinen Einfluss auf forumKirche weiterhin                             Dramaturgie und Freiheit darstellen. Mei-
Wortmeldungen. Ruth Neidhart stellte den        wahrnehmen kann und gleiche Leistungen                                ne Songs, harmonischer Pop, sind solche,
Antrag, den vorgesehenen Betrag für den         bezüglich Pfarreiblatt und Webseite zu glei-                          bei denen die Konzertbesucher auch mal
Ehekurs um 1200 Franken zu erhöhen, da-         chen Kosten erhält. Synodalratspräsident                              zum Mitsingen eingeladen werden. Es
mit zusätzlich ein Nachfolgetreffen zum         Andreas Textor wies darauf hin, dass kein                             sind Höhen und Tiefen aus dem Leben,
diesjährigen Kurs angeboten werden kön-         vertragsfreier Zeitraum entstehe, sondern                             die jeder Mensch irgendwo kennt und
ne. Die Anwesenden stimmten diesem An-          sich ein Nachfolgevertrag nahtlos an den                              nachempfinden kann. Da ich mit der
trag mehrheitlich zu. Urs Elsener, Mitglied     bestehenden anschliessen werde. Die                                   Musik mein Herz, all mein Innerstes, aus-
des Synodalrats, kündigte an, dass man          Synodalen stimmten dem Antrag zu, den                                 drücke, sind die Lieder durch und durch
nach Abklärung des Interesses an einem          Synodalrat mit dem Abschluss eines neuen                              authentisch.
solchen Kurs in der Pastoralkonferenz kon-      Vertrages zu beauftragen.
krete Schritte einleiten werde.                                                                                       Was bedeutet für dich Freiheit, dass du
Synodalratsmitglied Adrian Fritschi erläuter-   Ausblick auf Kirchentag                                               gleich ein ganzes Konzept danach
te auf Anfrage, warum der Ansatz für digita-    Die Regionalverantwortliche Margrith                                  benennst?
le Projekte von 5'000 auf 10'000 Franken        Mühlebach berichtete über die neu ein-                                Ich wurde ungeplant und sehr unpassend
erhöht wurde. Die Mittel sollen zum einen       geführten Konferenzen der Pastoralraum-                               geboren, somit wuchs ich mit dem Gefühl
für zusätzliche Tools auf der neuen Websei-     leitenden, die auf Bistumsebene und etwa                              auf, mich ständig dafür entschuldigen zu
te der Landeskirche verwendet werden.           drei Mal pro Jahr auf regionaler Ebene zu-                            müssen, dass ich da bin. Ich traute mich
Zum anderen möchte sich der Synodalrat          sammenkommen. Neben dem Austausch                                     nicht zu zeigen, mich zu wehren, oder
die Möglichkeit offenhalten, bei einem Pro-     unter den Verantwortlichen seien die Rück-                            einfach zu sein. Aber in meiner Traumwelt
jekt zur digitalen Mitgliederverwaltung ein-    meldungen der Bedürfnisse an die Diözes-                              und im Glauben an Gott traute ich mich
zusteigen. Der Empfehlung der Geschäfts-        anleitung wertvoll.                                                   immer mehr – dort konnte ich aufblühen –,
prüfungskommission folgend bestätigten          Andreas Textor informierte über die Kom-                              im Glauben an Jesus fand ich all das, was
die Synodalen das vorgelegte Budget ein-        mission Sozialdiakonie, die ihre Arbeit auf-                          ich vermisste. Vor allem die Freiheit! Für
stimmig, das einen Verlust von ungefähr         genommen und bereits eine weihnachtliche                              mich ist Freiheit das Gefühl, das auszu-
65'000 Franken vorsieht.                        Geschenkaktion für Obdachlose organisiert                             leben, was tief in mir steckt und Schritte
                                                hat. Er rief ausserdem die Kirchgemeinden                             zu wagen, von denen ich bisher nur träum-
Fachstelle Kommunikation                        dazu auf, sich aktiv am Bodensee-Kirchen-                             te. Aber es führt nur dann wirklich zur Frei-
Ein weiterer Schwerpunkt stellte die Neu-       tag zu beteiligen, der vom 19. bis 20. Sep-                           heit, wenn ich es in der Beziehung mit
strukturierung des Pfarreiblattes forumKir-     tember 2020 in Schaffhausen stattfinden                               Jesus tue. Eine Zeit lang wollte ich es aus
che dar. Adrian Fritschi legte dar, dass die    wird. Anmeldungen können unter www.bo-                                der Unabhängigkeit heraus tun, dann war
katholische Landeskirche Thurgau die per-       densee-kirchentag2020.ch vorgenommen                                  es allerdings so, wie wenn ich mich um
sonellen Ressourcen im Bereich Kommuni-         werden.                                                               mich selbst drehe und ich fühlte mich wie-
kation bündeln und dafür eine neue Fach-                                                                              der gefangen. Wenn Jesus das Zentrum in
stelle schaffen wolle. Dazu strebe sie die                                    Detlef Kissner                          meinem Leben ist und sich mein Leben

10 forumKirche | 23-2019
Kirche ohne Grenzen – italienisch

ht mit Gott»

                                                                                                                                                   Bild: Romina Monferrini
   um ihn dreht, dann ist es so, wie es ein
   Song von mir auf den Punkt bringt: «Ich
   fliege frei, wie ein Planet um die Sonne».

   Musik wurde zu deinem Lebensinhalt,
   wie kam es dazu?
   Ich wuchs in einer musikalischen Familie
   auf und entdeckte bald mein Talent am
   Piano. Mit acht Jahren begann ich Klavier-
   und Orgelunterricht zu nehmen. Ich wollte
   eine mit Musik verbundene Arbeit, aber
   es hiess: «Zuerst lernt man einen richti-
   gen Beruf.» So begann ich eine Lehre als
   Polymechaniker.
   Im 3. Lehrjahr fragte mich mein Lehr-
   meister: «Toby, du machst doch Musik,
   könntest du nicht an meiner Geburtstags-
   feier spielen?» So ging ich mit meinem
   Keyboard an diese Party und merkte, dass
   es mir viel Freude bereitete. Nebst dem
   Arbeitsalltag habe ich begonnen, mit dem
   Keyboard am PC verschiedene Instrumen-         Toby Meyer: «Mein Ziel für 2020: in sämtlichen Städten durch die Outreaches die Liebe Gottes
   te einzuspielen. Auch für meine Kollegen       weitergeben.»
   und deren Band habe ich ab und zu ein
   Arrangement gemacht.                           Nebst diesem Engagement machst du                 Projekt: Ich gehe dann beispielsweise auf
   So merkte ich mit der Zeit, dass ich mir       auch sogenannte «Outreaches». Anfangs             einen Marktplatz, in einen Bahnhof oder
   wirklich und ernsthaft im Bereich Musik        November beispielsweise im Einkaufs-              ein Einkaufszentrum und spiele dort Lob-
   etwas aufbauen könnte. Mit 20 Jahren           zentrum Schlosspark in Frauenfeld. Was            preislieder. Lieder, in welchen ich meine
   schliesslich machte ich mein Hobby zum         muss man sich darunter vorstellen?                Liebe zu Gott ausdrücke. Auch Instrumen-
   Beruf und wurde freischaffender Musiker.       Einen Tag pro Woche reserviere ich mir je-        talteile auf dem Klavier baue ich dabei ein,
                                                  weils für ein ganz spezielles musikalisches       um Ruhe und Frieden in die Hektik des
                                                                                                    Alltags zu bringen. Mit diesem Outreach-
                                                                                                    Projekt möchte ich zusammen mit anderen
    «La mia storia con Dio»                                                                         Gläubigen, die mich jeweils dabei beglei-
                                                                                                    ten, unseren Mitmenschen dienen. Wäh-
    Una vita con la musica cristiana                                                                rend ich musiziere, verschenken sie den
                                                                                                    Passanten beispielsweise eine CD von
    I concerti di Toby Meyer «Libertà – La mia storia con Dio» sono un viaggio attraverso           mir, ein gutes Wort, eine Ermutigung usw.
    la sua storia di vita e la sua scoperta di Dio. Il polimero addestrato è diventato un           Ich erlebe immer wieder, dass somit der
    lavoratore autonomo come musicista cristiano. Kirche ohne Grenzen era presente a                oftmals graue Alltag zu einem Platz des
    questi concerti e ha incontrato il marito e il padre di tre figlie in una conversazione.        Friedens verändert wird, und zu einem
                                                                                                    Ort wird, wo man über Gott ins Gespräch
    Ogni concerto inizia con una canzone che tutti possono cantare insieme. Già con i primi         kommt, Herzen berührt werden oder zu-
    suoni uno è portato dalla musica. Toby Meyer comprende i suoi sentimenti più profondi           sammen gebetet wird. Es ist immer wieder
    attraverso la sua musica nel mondo. Il suo amore per la musica, il suo autentico amore          von Neuem spannend, was alles geschieht,
    per Dio e la sua storia commovente con alti e bassi («desiderio insoddisfatto di avere          wie Gott wirkt und wem wir alles begegnen.
    figli, diventato realtà dopo 7 anni») toccano il pubblico a un livello incredibilmente
    profondo e rendere l'occasione più di un semplice concerto. È un viaggio nell'anima di          Interview & Übersetzung: Romina Monferrini
    una persona che, attraverso la musica e l'aiuto di Dio, si è trovato libero di sentirsi un
    uccello e non essere più bloccato dalla puntura del passato.
                                                                                                                                                   Bild: zVg

                                                                                                      Romina Monferrini (31) ist
    Cantare nei centri commerciali                                                                    Theologin und stammt aus
    Ma Toby Meyer vorrebbe trasmettere il suo messaggio non solo nelle chiese alla gente.             dem Dorf Monteroni di
    Nel suo tour di sensibilizzazione, canta nei centri commerciali e nelle aree pedonali.            Lecce (Süditalien). Sie
    Vuole parlare alle persone e portare a loro il messaggio di Dio; con molta passione,              arbeitet in der Pfarrei Heilig
    autenticità e contatto visivo con i suoi ascoltatori attenti.                                     Geist in Hünenberg.

                                                                                                                        forumKirche | 23-2019 11
Thurgau

Nach Kirchen statt nach Füchsen suchen
Mit Foxtrail-Variante auf christlicher Entdeckungsreise

Die Tägerwilerin Claudia Zaugg hat im                                  Claudia Zaugg                                     Die 23-jährige aus Tägerwilen ist noch bis
Rahmen ihrer Ausbildung einen «Church-                                 initiierte den                                    Mitte Dezember Praktikantin der evangeli-
trail» realisiert. Der Rätselweg verbindet                             Churchtrail.                                      schen Kirchgemeinde und gab als solche
die Romanshorner Kirchen miteinander                                                                                     die Initialzündung zur Umsetzung. Im Rah-
und soll helfen, diese spielerisch neu zu                                                                                men ihrer Ausbildung zur Diakonin sollte
entdecken.                                                                                                               sie selbstständig ein Projekt auf die Beine
                                                                                                                         stellen. «Als ich erfuhr, dass seitens Kir-
Eine helle Holzwand vor dem evangelischen                                                                                chenvorsteherschaft schon lange der
Pfarrhaus mit der einladenden Beschriftung                                                                               Wunsch nach einem Rätselweg bestand,
«Viel Spass beim Churchtrail» heisst die        top motiviert ist, kann man an einzelnen                                 der die Romanshorner Kirchen miteinander
Rätselfreunde willkommen. So sieht er also      Posten auch noch zusätzliche Aufgaben                                    verbindet, war ich von der Idee begeistert»,
aus, der Startpunkt des Kirchenwegs durch       meistern. Ausgerüstet mit Karte, Stift,                                  erklärt sie.
Romanshorn, der an keine Öffnungszeiten         Notizblock und Laufblatt kann es also losge-
gebunden ist und jederzeit von Teilnehmern      hen – einmal quer durch Romanshorn. Um                                   Kopf und Handwerk
aller Altersklassen absolviert werden kann.     nicht zu viel zu verraten, wird an dieser Stel-                          Im Folgenden schrieb die junge Frau die
Auf der rechten Seite der Wand erklärt eine     le natürlich kein Rätsel detailliert offenbart.                          verschiedenen Kirchen an, die sich alle-
Tafel Wissenswertes über den aktuellen          Nur das – die Churchtrailer müssen unter                                 samt zur Beteiligung bereit erklärten und
Standort, beispielsweise wie viele Freiwilli-   anderem Farbe bekennen, am Rad drehen,                                   die Info-Texte zu den einzelnen Gebäuden
ge in der jeweiligen Kirche zum Leben           den Tastsinn prüfen, Fehler entdecken und                                selbst verfassten. Claudia Zaugg machte
derselbigen beitragen oder wann die Got-        Bilder suchen. Einige der Aufgaben sind da-                              sich derweil – unterstützt von Kirchenvor-
teshäuser gebaut wurden. Direkt anschlies-      bei ganz schön knifflig. Mit einem guten                                 steherin Regula Streckeisen, Kirchenpräsi-
send an diese Ausführungen folgt das erste      Spürsinn sollte jeder aber in knapp zwei bis                             dentin Jeannette Tobler und Pfarrer Ruedi
farbig markierte Denkspiel in Form eines        zweieinhalb Stunden, je nachdem, ob die                                  Bertschi, der die Reime für die einzelnen
Reims, das erklärt, was zu tun ist. Ganz        normale Runde oder diejenige mit den Zu-                                 Posten schrieb – an die konkrete Umset-
links findet man einen Behälter mit Lauf-       satzposten gemacht wird, an allen teilneh-                               zung. In knapp drei Monaten reifte die Idee
blättern, in denen die einzelnen Rätsel zu      menden Kirchen vorbeikommen.                                             vom Konzept bis zur Ausgestaltung der
finden und die Lösungen zu notieren sind.                                                                                Rätsel auf Papier, von denen sich Claudia
Jede gelöste Aufgabe generiert einen Hin-       Weg der Verbindung                                                       Zaugg in einer ersten Fassung über 25 aus-
weis auf die folgende, so dass man im bes-      Das sind, neben der evangelischen und ka-                                dachte, bis zum praktischen Bau der einzel-
ten Fall logisch von einem der insgesamt        tholischen Kirche Romanshorn, ferner die                                 nen Posten. «Dafür musste ich erst einmal
zwölf Posten zum nächsten geführt wird.         evangelisch-methodistische Kirche, die Kir-                              handwerklich begabte Menschen aus der
                                                che im Rebgarten, die FCTchurch und die                                  Gemeinde finden, ich selbst bin das nicht»,
Knifflige Aufgaben                              Freikirche der Siebenten-Tags Adventisten.                               erklärt die 23-Jährige lachend.
Weiter unten an der Wand sind mehrere Kar-      Sie alle gehören der Arbeitsgemeinschaft
ten mit Stiften angeheftet. Auf ihnen sind      Christlicher Kirchen Romanshorn an. «Es                                  Positive Rückmeldungen
die Stopps durch rote Wegweiser markiert,       war schön, ein gemeinschaftlich christli-                                Um im Vorfeld eine Idee dafür zu bekom-
Tipps für die weitere Strecke stehen zudem      ches Projekt zusammen mit anderen Kir-                                   men, wie ein einfacher Trail funktionieren
im Laufblatt. Falls man gut in der Zeit und     chen zu lancieren», erklärt Claudia Zaugg.                               könnte, besuchte Claudia Zaugg einen ähn-
                                                                                                                         lich konzipierten Weg in Bischofszell. «Da-
                                                                                                  Bilder: Sarah Stutte

                                                                                                                         nach bin ich die Orte in Romanshorn abge-
                                                                                                                         fahren und habe mir überlegt, was wohin
                                                                                                                         passen könnte. Eine Ausnahme bildete da-
                                                                                                                         bei die katholische Kirche St. Johannes. Da
                                                                                                                         diese schon einen eigenen «Schlossberg-
                                                                                                                         Rätselweg» ins Leben gerufen hatte, wurde
                                                                                                                         kurzerhand ein Auszug daraus in den gros-
                                                                                                                         sen Churchtrail integriert. Dieser ist nun
                                                                                                                         seit Ende Oktober eröffnet, die ersten
                                                                                                                         Rückmeldungen sind positiv. Inzwischen
                                                                                                                         wurde der Laufzettel noch einmal überar-
                                                                                                                         beitet und vereinfacht, um dem Ziel, die
                                                                                                                         Menschen spielerisch auf eine kirchliche
                                                                                                                         Entdeckungsreise zu schicken und nieder-
                                                                                                                         schwellig über die eigenen Angebote zu
                                                                                                                         informieren, noch näherzukommen.

Der Startpunkt bei der evangelischen Kirche.                                                                                                            Sarah Stutte

12 forumKirche | 23-2019
Thurgau

Friedensverkünder im Kirchturm
Ein Fachmann führt in die Welt der Glocken ein

                                                                                                                                                    Bild: Claudia Koch
Ob auf Weihnachtskarten, am Christbaum
oder zum Jahresausklang: Glocken sind
zurzeit omnipräsent. Wer mehr über das
täglich genutzte Kulturgut erfahren möch-
te, stösst unweigerlich auf Hans Jürg
Gnehm aus Affeltrangen.

Er kennt sie alle, jede einzelne der 688
Glocken in den 163 Türmen im Kanton
Thurgau. Hans Jürg Gnehm, Glockensach-
verständiger und ehemaliger Experte des
Bundes, hat zwischen 1992 und 1999
sämtliche Thurgauer Glocken inventarisiert.
So erhielt jede Glocke einen ausführlichen
«Steckbrief» mit Angaben zu ihrer musikali-
schen und geschichtlichen Beschaffenheit.
Es wurden unter anderem Umfang und
Höhe gemessen, das Gewicht geschätzt
wie auch die Klangfarbe der Glocke mit
Stimmgabeln bestimmt. Einige Beispiele
dieser umfangreichen Arbeit sind im Buch
«Schätze des Glaubens – Kostbarkeiten
aus dem Besitz der thurgauischen Kirch-        Hans Jürg Gnehm hat alle Glocken in Thurgauer Kirchtürmen inventarisiert, hier im Kirchturm
gemeinden» zu finden. Darin erfährt man,       in Hüttlingen.
dass die Glocke ursprünglich aus Asien
und China stammt und durch die Völker-         Da einer Glocke der Hauch von Ewigkeit
wanderung verbreitet wurde. Irische Wan-       anhaftet, werden nur selten neue Glocken
dermönche brachten die Glocke nach             gegossen. «Ein Glockenaufzug ist etwas            zwüscheHALT
Mitteleuropa. Die Zeiten des Geläuts           sehr spezielles, da die Glocken für ein paar
orientierten sich an den Horen, den klöster-   Jahrhunderte im Turm verschwinden», sagt          Familien auf dem Weg
lichen Gebetszeiten der Mönche. Noch           Gnehm. Apropos Turm: Dieser hat auch
heute erinnern das Sechs- oder Elf-Uhr-        eine grosse Auswirkung auf den Klang der
                                                                                                 zu Weihnachten
Geläut an das Betzeitläuten.                   Glocke: Je weniger man von den Glocken
                                               sieht, desto besser tönt es.                      zwüscheHALT ist eine Einladung an Fami-
Erster Schweizer Glockenexperte                                                                  lien, sich am Samstag, 14. Dezember, in
Der 66-jährige Hans Jürg Gnehm war als         Frieden bringende Inschriften                     besinnlicher Weise auf Weihnachten einzu-
Bub oft in Hüttlingen und fasziniert, wie in   Besonders zu Weihnachten und zum Jah-             stimmen. Eltern, Grosseltern, Paten… kön-
den Sechzigerjahren die Glocken von Hand       reswechsel ist das Vollgeläut nicht wegzu-        nen sich mit 4- bis 10-jährigen Kindern von
geläutet wurden. «Kirchenbauten und            denken. Oft bezieht sich das Geläut auf ein       der katholischen Kirche Weinfelden aus auf
kunsthistorische Gegenstände haben mich        Lied wie etwa «Salve Regina» oder «Wachet         einen Rundweg begeben, der auch für ge-
immer schon begeistert», sagt Gnehm,           auf ruft uns die Stimme». «Zu dieser Zeit         ländegängige Kinderwägen geeignet ist.
dessen Grossvater als Sigrist tätig war.       ist man offener für Glocken», weiss Gnehm,        An verschiedenen Stationen wird gebastelt,
«Glockengeläut ist etwas Entrücktes, das       «da die Menschen in einer emotionalen             gesungen und gespielt. Die Weihnachts-
man nicht sieht, aber immer präsent ist        Stimmung sind und Frieden finden möch-            geschichte bildet den Rahmen dieses An-
und einen andachtsvoll trägt», sagt Gnehm.     ten.» Glocken wurden etwa als Friedensver-        lasses. Die Gruppen starten individuell von
Der gelernte Bahnbeamte und spätere            künder eingesetzt und bei vielen Inschriften      15.15 bis 16.00 Uhr und legen die Strecke
Sozialarbeiter und Diakon bildete sich in      taucht das Wort Frieden auf. Und obwohl           von etwa zwei Kilometern in ihrem eigenen
Deutschland zum ersten Schweizer               die Glockeninschriften in evangelischen           Tempo zurück. Am späten Nachmittag gibt
Glockenexperten für Landeskirchen und          und katholischen Kirchen recht unter-             es eine warme Suppe zur Stärkung. Ab-
Denkmalpflege aus. Mit der Inventarisation     schiedlich sind, gibt es eine, die rund 50        schliessend treffen sich alle um 18.15 Uhr
der Thurgauer Glocken wurde der kulturelle     Mal als häufigste gemeinsame Inschrift            zu einer vorweihnachtlichen Feier in der
Wert erkannt und festgehalten. Da jedes        vorkommt und direkt mit der Weihnachts-           evangelischen Kirche in Weinfelden.
Detail der Glocke aufgeführt ist, weiss man    geschichte zu tun hat: Ehre sei Gott in
bei einem Schaden, was gemacht werden          der Höhe und Frieden auf Erden und den                                                        Red.
muss. Auch die Entwicklung und die Verän-      Menschen ein Wohlgefallen.
derungen in den Inschriften und beim Klang                                                          Nähere Infos und Anmeldung
der Glocke sind im Inventar auszumachen.                                       Claudia Koch         (bis 08.12.): www.kiju.kath-tg.ch

                                                                                                                     forumKirche | 23-2019 13
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