Adventskalender einmal anders - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - forumKirche
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Nummer 23 8. bis 21. Dezember 2019 Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau Adventskalender einmal anders
Advent Editorial So macht Schenken Freude Der Advent ist die Zeit der Vogelperspekti- Der Zauber des «umgekehrten» Adventskalenders ve: Wir sind eingeladen, zwischendurch innezuhalten, aus dem Labyrinth unseres Alltags auszusteigen und das, was sich Sich nicht beschenken lassen, sondern Frau, mit der er gemeinsam das Internat um uns herum abspielt, aus der Distanz, andere beschenken, denen das Leben der Pädagogischen Maturitätsschule Kreuz- wie von oben zu betrachten. Aus dieser nicht so gut mitspielt – das ist die Grund- lingen leitet, beschlossen, dieses kleine Perspektive können wir gut erkennen, wo idee des «umgekehrten» Adventskalen- Adventsprojekt in ihrer Familie auszuprobie- wir uns verrannt und verstiegen haben, ders. Beni Merk aus Kreuzlingen fand ren. «Man schenkt sich oft überflüssiges uns in Sackgassen befinden oder wirklich diese Idee super und setzte sie letztes und unnützes Zeug, nur weil es so Tradition unserem je eigenen Weg treu geblieben Jahr mit seiner Familie um. Dieses Jahr ist», erläutert Beni Merk seine Beweggrün- sind. Wir spüren, wenn sich etwas ver- werden auf seine Initiative hin bereits de. Mit dem «umgekehrten» Adventskalen- krampft, verhärtet hat oder wunderbar im 60 solcher Kalender bestückt. der bekomme Schenken wieder einen Sinn. Fluss ist. Manchmal denken wir, wir müss- Auch in ihrem Freundes- ten all die Erwartungen erfüllen, die an Vom 1. Dezember bis zum kreis kam die Idee gut an. uns herangetragen werden, als dankbare Heiligen Abend öffnet man Nun war nur noch die Frage Tochter, guter Vater, gewissenhafte Ange- jeden Tag ein Türchen und der Verteilung zu klären. stellte, und übersehen dabei das, was lässt sich durch eine kleine Caritas Thurgau zeigte sich wirklich wichtig wäre, oder überschreiten Köstlichkeit überraschen. gerne bereit, die Advent- unsere eigenen Grenzen. Wir versuchen, So funktioniert normaler- spakete an bedürftige Per- Gipfel des Erfolgs zu erklimmen, die nicht weise ein Adventskalender. sonen und Familien weiter- wirklich glücklich machen. Und auf der an- Beim «umgekehrten» zuleiten. Zwei bis drei deren Seite kapitulieren wir vor scheinbar Adventskalender werden kleine Hinweise über die verfahrenen Situationen, die einfach von die Rollen hingegen ge- Empfänger – wie etwa die Titelbild: Adventskalender haben heute viele Gestalten. Sie verlieren aber in einer übersättigten Gesellschaft ihren Sinn. Bild: shutterstock.com einer anderen Seite angegangen werden tauscht: Man legt jeden Anzahl der Personen, Alter müssten. Tag ein kleines Geschenk oder Vorlieben – erleichter- (haltbare Lebensmittel, ten das Zusammenstellen «Von oben» betrachtet – das heisst für Hygieneartikel, eine Kerze, der Pakete. mich in Ruhe und mit einem liebevollen Guetzliform, Mütze usw.) in Blick – verschieben sich Grössenverhält- eine grosse Kiste und über- Mit einer selbst entworfenen Ganz praktisch helfen nisse und Gewichtungen, kann man tiefer gibt diese dann anonym an bunten Grafik wirbt Beni Merk Beni Merk erinnert sich blicken, werden Unstimmigkeiten aufge- jemanden, der normaler- für den «umgekehrten» gern an die Adventskalen- spürt. Die adventliche Perspektive ent- weise nicht in den Genuss Adventskalender. der, die er in seiner Kind- schärft und versöhnt. Sie kann aber auch solcher Dinge kommen heit geschenkt bekam – Antrieb sein, aktiv zu werden, z. B. auf würde. auch an die ganz einfachen mit Bildchen, Menschen zuzugehen, das Gespräch zu Diese Anregung entdeckte Beni Merk die er «mit einer Nadel aufgepfriemelt» hat. suchen, etwas zu klären. Sie kann zum auf der Facebook-Seite von www.street- «Ich finde es bis heute ein schönes Ritual», Entschluss führen, auch einmal «Nein» zu life.wien, einer österreichischen Webseite, bekennt er offen. Dies mag ein weiterer sagen, Grenzen zu ziehen, Freiräume zu die bürgerschaftliches Engagement fördert, Grund dafür gewesen sein, warum ihn die schaffen, in denen wir wieder atmen kön- und war begeistert davon. Er und seine Idee des «umgekehrten» Adventskalenders nen. Wir können ausgetretene Pfade ver- begeisterte. Anderen einfach mit Geld zu lassen, etwas Neues ausprobieren. Man helfen, ist für ihn zu unpersönlich. «Ich fin- muss nicht gleich das ganze Leben um- de es gut, wenn man ganz praktisch etwas krempeln, es reicht manchmal ein kleiner Schritt. Inhalt tun kann und Schenken erlebbar wird», sagt Merk. So seien in seiner Familie beim Ein gutes Beispiel für solch einen kleinen, Thurgau 7 Befüllen der Kiste immer wieder spannen- aber wichtigen Schritt ist für mich der Freiwilligkeit allein genügt nicht de Gespräche zustande gekommen. Die «umgekehrte» Adventskalender. Wenn Konferenz zur Konzernverantwortungsinitiative Kinder hätten z. B. nicht verstanden, wie Menschen alles Wichtige zum Leben ha- man Nudeln verschenken könne, da diese ben, keine Wünsche mehr offen sind, Dichte Worte 9 doch im Vorratsschrank lägen: «Die Aktion macht es keinen Sinn, sie weiterhin mit Die Weihnachtsoma hat uns geholfen, uns mit der Situation an- einem Adventskalender zu beschenken, derer Menschen auseinanderzusetzen und Thurgau 12 auch nicht, wenn dieser mit noch so aus- uns bewusst zu machen, dass es eben Nach Kirchen statt nach Füchsen suchen gefallenen Dingen bestückt ist. Damit die- Mit Foxtrail auf christlicher Entdeckungsreise nicht allen gut geht.» ser Brauch lebendig bleibt, muss er neu Ähnliche Erfahrungen machte eine Kollegin gefüllt werden. Mit der Idee, gemeinsam Kurse · Tagungen · Buchtipp 14 von Beni Merk, die sich mit einer Unter- andere zu beschenken, ist dies gelungen. stufenklasse an der Aktion beteiligte. Gottesdienste an den Wochenenden 15 Auch dort entwickelten sich interessante Filmtipp Gespräche und die Kinder waren heraus- gefordert, sich in eine andere Lebens- Kalenderblatt · Zum Schluss 16 wirklichkeit hineinzuversetzen. 2 forumKirche | 23-2019
Advent Bild: Detlef Kissner News Spirituelle Selbstbestimmung An der Jahrestagung der diözesanen Fachgremien «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» Mitte November in Zürich referierte die ehemalige Ordens- frau Doris Reisinger. An der Tagung sagte sie, dass sexueller Missbrauch im religiö- sen Umfeld praktisch immer einhergehe mit spirituellem Missbrauch. Dieser ver- letzte die spirituelle Selbstbestimmung, denn jeder Mensch habe das Recht, selbst über sein geistliches Leben zu bestimmen. Die Kirche müsse sich funda- mental wandeln, wolle sie in Zukunft den Gläubigen diese spirituelle Selbstbestim- Beni Merk und seine Tochter freuen sich auf den nächsten «umgekehrten» Adventskalender. mung gewährleisten. Plattform für Erfahrungsaustausch Das Projekt «Für eine Kirche mit* den Grosse Resonanz zu einzelnen Empfängern, sondern auch Frauen» richtet sich neu aus. 2016 pilger- Das Echo auf die Päckchen-Aktion erlebte ganz konkrete Wunschlisten. «Da geht die ten acht Frauen und ein Mann von St. Beni Merk als «super schön»: Die be- Freiheit beim Schenken verloren. Das Schö- Gallen nach Rom mit dem Anliegen, dass schenkten Personen und Familien hätten ne daran ist ja, sich zu überlegen, was dem Männer der Kirche in Zukunft nicht mehr «total rührend geschrieben», wie sie der anderen gefallen könnte, auch wenn man ohne Frauen über deren Stellung, Rolle Adventskalender überrascht habe und sie es nicht hundertprozentig trifft. Ausserdem und Funktion entscheiden sollten. Nun sich darüber gefreut hätten. geht es ja bei einem Adventskalender um tritt das Pilgerprojekt in den Hintergrund. Diese Rückmeldungen und die Erfahrungen kleine Aufmerksamkeiten», gibt Merk zu Stattdessen gibt es auf der neuen Websei- vom letzten Jahr motivierten ihn und seine bedenken. te Platz für Blog-Beiträge in Text und Bild. Familie, die Aktion fortzuführen und Informa- Unterm Strich zieht er eine positive Bilanz. Diese sollen Erfahrungen von «Kirche mit» tionen darüber in den sozialen Netzwerken Ihn überrascht vor allem, dass so viele oder «Kirche ohne Frauen» in den Blick zu streuen. Nachdem letztes Jahr sieben spontan bereit sind mitzumachen: «Das ist nehmen, schreibt Initiantin Hildegard Aepli Adventspakete zusammenkamen, meldeten für mich ein Hoffnungsschimmer. Es gibt in einer Medienmitteilung. sich dieses Jahr bereits 60 Interessierte. doch noch einige Menschen in unserer Synodaler Weg in Deutschland «Die Aktion wurde zum Selbstläufer. Wir Gesellschaft, denen das Schicksal anderer In Deutschland hat ein auf zwei Jahre mussten fast schon bremsen, weil es mit nicht egal ist.» befristeter Reformdialog zur Zukunft der der Verteilung schwierig wurde», erzählt katholischen Kirche begonnen. Angestos- Beni Merk. Doch er fand weitere Partner, die Genau richtig sen haben ihn die katholischen Bischöfe diese Aufgabe gern übernahmen. Caritas In der Vorweihnachtszeit lassen es sich und Laien, die Regeln sind in einer Sat- Thurgau vermittelte den Kontakt zum die meisten Menschen gut gehen mit ver- zung festgelegt. In dieser heisst es, «Der Caritas-Markt Winterthur, wohin nun 20 schiedenen Leckereien bei Tee und Kerzen- Synodale Weg der katholischen Kirche in Adventskalender aus dem Raum Zürich ge- licht… «Armut ist für die, die sich das nicht Deutschland dient der gemeinsamen liefert werden. Eine Kollegin von Beni Merk, leisten können, dann noch spürbarer», Suche nach Schritten zur Stärkung des die sich letztes Jahr an der Aktion beteiligt sagt Simone Rutishauser, Mitarbeiterin der christlichen Zeugnisses». Die Beschlüsse hatte, hatte dort nämlich die Werbetrommel Caritas Thurgau. Deshalb ist für sie der der Initiative haben eine beratende Funk- gerührt. Ausserdem fragte er beim Sozial- «umgekehrte» Adventskalender ein tröstli- tion, der jeweilige Ortsbischof entscheidet, amt Kreuzlingen nach: «Auch dort kam die ches Zeichen in der richtigen Zeit. Über- ob er sie umsetzt. Idee gut an. Die Zusammenarbeit gestaltet haupt gefiel ihr die Idee so gut, dass sie sich unkompliziert und unbürokratisch.» sich dieses Jahr auch mit ihrer Familie dar- Papst gegen Veto-Recht an beteiligt und einige ihrer Freunde dafür Nach Meinung des Papstes wäre es bes- Organisation wird aufwendig gewinnen konnte. «Mit dieser Aktion kann ser, wenn alle Mitglieder des Weltsicher- Was klein begann, wuchs inzwischen zu man Kinder gut dafür sensibilisieren, was heitsrates die gleichen Rechte hätten. einem Projekt heran, das sich nicht mehr es heisst, arm zu sein», hebt die Sozial- Bislang reiche das Nein eines der Veto- «nebenbei» managen lässt. Obwohl Beni pädagogin hervor. Sie würde sich freuen, Länder, um mögliche Lösungen zu blockie- Merk diese Entwicklung freut, spürt er wenn auch an anderen Orten im Thurgau ren. Die Abschaffung des Veto-Rechts im auch, dass er an seine Grenzen kommt: jemand die Initiative für den «umgekehrten» Weltsicherheitsrat könnte eine Massnah- «Ich frage mich manchmal, wann ich das Adventskalender ergreift. Es fänden sich me sein, damit die Vereinten Nationen wie alles machen soll.» sicherlich genug Abnehmer dafür. Für die die UNO effektiver für Friedensvermittlun- Ausserdem entwickelt die Aktion seiner Verteilung könnte die Caritas Thurgau gen wirken können, sagte er auf seinem Ansicht nach eine Eigendynamik, die von weitere Sozialeinrichtungen anfragen. Rückflug von Tokio vor Journalisten. der ursprünglichen Idee abweicht. Denn in- kath.ch/Red. zwischen erreichen ihn nicht nur Eckdaten Detlef Kissner forumKirche | 23-2019 3
Kirche Schweiz Taufe ist nicht mehr selbstverständlich Neue Kirchenstatistik und ihre Bedeutung Bild: enriquelopez87/pixabay.com Geht es um die Zahl ihrer Mitglieder, kann sich die katholische Kirche in der Schweiz nach wie vor glücklich schätzen. Verant- wortlich für das «historische Hoch» ist laut dem Schweizerischen Pastoralsoziolo- gischen Institut (SPI) die Zuwanderung. Dessen aktuelle Kirchenstatistik zeigt aber auch, dass die Taufe innerhalb der katholischen Bevölkerung zunehmend hinterfragt wird. Noch immer ist die römisch-katholische Kir- che die grösste Religionsgemeinschaft der Schweiz. Ihr Anteil an der ständigen Wohn- bevölkerung ab 15 Jahren machte 2017 35,9 Prozent aus, wie der neusten Kirchen- statistik des SPI zu entnehmen ist. Das entspricht rund 2,5 Millionen Katholiken. Grund dafür sei vor allem die Zuwanderung von Gläubigen aus dem Ausland. Laut Sta- tistik haben im Jahr 2017 38,4 Prozent der katholischen Wohnbevölkerung ab 15 Jah- ren einen Migrationshintergrund, der Aus- länderanteil beträgt bei den Katholiken 24,3 Prozent. Bei den Reformierten verfügt hingegen nur knapp jeder Zehnte über ei- Immer weniger Katholiken in der Schweiz lassen ihre Kinder taufen. Darin zeige sich ein innerer nen Migrationshintergrund, und der Auslän- Entfremdungsprozess, so das SPI. deranteil liegt bei tiefen 4,6 Prozent. Immer weniger kirchliche Trauungen Unterschiede in Sprachregionen nen der Schweiz verloren». Diese Entwick- Darüber hinaus dokumentiert die Statistik Die Kirchenstatistik zeigt anhand der Tauf- lung bezeichnet das SPI als «relativ neu». Entwicklungen beim Sakramentenempfang. quoten zudem auf, dass die Weitergabe der Sie deute auf eine «gewachsene Fragilität» Seit 2013 ist die Zahl katholischer Trauun- Kirchenmitgliedschaft in der Familie nicht der Mitgliederbindung in der katholischen gen um zirka 20 Prozent auf 3200 im Jahr überall gleich gelingt. Das SPI stellt «be- Kirche hin. 2018 gesunken. Im Verhältnis zur Zahl der achtliche» Unterschiede zwischen den Bis- Für das SPI drängt sich trotz anhaltend ho- Ziviltrauungen in der Schweiz mit katholi- tümern und Sprachregionen fest. Während her Mitgliederzahl der katholischen Kirche scher Beteiligung erreichte die katholische in den Bistümern Lugano und St. Gallen das «Bild einer inneren Erosion der Kirch- Kirche im Jahr 2018 nur noch eine Trau- derzeit zirka acht von zehn Kindern getauft lichkeit» auf, schreibt es in einem Fazit des quote von 22 Prozent. Eine kirchliche Ehe- werden, sind es im Bistum Sitten zirka sie- Berichts. Die Zahl der Priesterweihen und schliessung sei für Katholikinnen und Ka- ben und im Bistum Basel zirka sechs von der Beichte seien schon lange auf «sehr tholiken keine Selbstverständlichkeit mehr, zehn Kindern. Die tiefsten Raten zeigen die niedrigem Niveau messbar» und die Zahl folgert das SPI. Dasselbe gelte für die Taufe Bistümer Chur und Lausanne-Genf-Freiburg der katholischen Eheschliessungen sinke der Kinder. Das hat Einfluss auf die Mit- (LGF). Dort wird nur ungefähr jedes zweite seit längerer Zeit kontinuierlich. Weil es gliedschaft: «Wenn katholische Eltern ihr Kind innerhalb der katholischen Bevölke- nun in den letzten Jahren auch zu einem Kind nicht mehr taufen lassen, dann ist ei- rung getauft. Es falle zudem auf, dass Rückgang der Taufen gekommen ist, spricht ne Kirchenmitgliedschaft schon beendet, diese Rate, mit Ausnahme des Bistums aus Sicht des SPI vieles dafür, dass sich bevor sie beginnen konnte.» Lugano, innerhalb der letzten Jahre ge- die fragil gewordene Kirchenbindung über Die Zahl der katholischen Taufen ist laut sunken ist. kürzere oder längere Zeit auch auf die Mit- SPI zwischen 2013 und 2018 um 11 Pro- gliederzahlen durchschlagen wird. Es emp- zent gesunken. 2018 wurden 18’568 Men- Neue Entwicklung fiehlt, in die Bindung von Mitgliedern zu in- schen katholisch getauft. Dies entspreche Das Institut folgert aus den Zahlen, dass vestieren, die bereits auf Distanz zur Kirche zirka 21 Prozent der Geburten in der die Taufe innerhalb der katholischen Bevöl- gegangen sind. Diese seien im Prinzip noch Schweiz. Das Institut findet, der Anteil von kerung «zusehends hinterfragt wird». Zwar gut ansprechbar, ist das SPI überzeugt 21 Prozent katholisch getaufter Kinder lie- werde die Mehrheit der Kinder innerhalb ge signifikant unter dem Anteil der katholi- der katholischen Bevölkerung immer noch Barbara Ludwig/Red. schen Bevölkerung von knapp 36 Prozent getauft, «den Charakter der Selbstverständ- im Jahr 2017. lichkeit hat die Taufe jedoch in vielen Regio- Ganzer Artikel auf www.forumkirche.ch 4 forumKirche | 23-2019
Thurgau 150 Jahre Landeskirchen Impressionen von der Auftaktveranstaltung Bilder: Detlef Kissner Über 250 Gäste versammelten sich am 1. Advent in der Kartause Ittingen, um das Jubiläum «150 Jahre Landeskirchen Thurgau» in einem feierlichen Rahmen zu beginnen. Im Mittelpunkt stand ein Gespräch in lockerer Atmosphäre über das Zusammenspiel von Kirche und Staat. Regierungsrat Jakob Stark, der katholi- sche Kirchenratspräsident Cyrill Bischof und der evangelische Kirchenratspräsident Wilfried Bührer blickten zurück auf die Ent- wicklungen, die vor 150 Jahren zur staat- lichen Anerkennung der Landeskirchen führten, beleuchteten die Gegenwart und äusserten Ideen und Wünsche für die Zukunft. Christoph Sutter moderierte den Austausch und brachte den Saal mit seinen pointierten Versen zum Schmunzeln. Regierungsrat Jakob Stark (r.) hebt anerkennend hervor, dass die Kirchen wichtige Aufgaben für die gesamte Gesellschaft übernehmen. Für Cyrill Bischof ist das Bezahlen von Kirchensteuern ein Akt Weitere Infos: www.150himmel.ch/news der Solidarität. Christoph Sutter (r.) bringt eine Fusion der beiden Kirchen ins Spiel. Wilfried Bührer meint dazu: Der inszenierte Stammtisch kommentiert das «So einfach ist das nicht.» Kirche bedeute ja auch Heimat und Vertrautsein mit Riten. Gespräch «von der Seitenlinie» aus. Das Trio Artemis begleitet den Auftakt mit Musikstücken von Klassik bis Rock. Die Verantwortlichen für die 12 Jubiläumsprojekte entzünden je eine Kerze. forumKirche | 23-2019 5
Thurgau Kommunikation aus einer Hand Katholische Synode des Kantons Thurgau Bild: Sarah Stutte An ihrer Herbstversammlung im Rathaus von Weinfelden waren sich die insgesamt 90 Synodalen in vielem einig. Anlass zur Diskussion gab es kaum. Neu wird das Pfarreiblatt forumKirche von der Landes- kirche Thurgau herausgegeben. Die Synode eröffnete mit der offiziellen Ankündigung von Kirchenrätin Anne Zorell Gross, die per Ende Juni 2020 nach neun Jahren aus der Behörde zurücktreten wird. Gleich darauf wurde die Abstimmung über die Integration von «forumKirche» in die katholische Landeskirche behandelt. Franz Hidber führte aus, dass die katholische Landeskirche ab 2020 neu die Träger- schaft für forumKirche wahrnehmen und sich die röm.-kath. Landeskirche Schaff- hausen mit einem Dienstleistungsvertrag Ivan Trajkov, Pastoralraumleiter Altnau, forderte eine differenziertere inhaltlich-strategische an den Kosten und der Leitung beteiligen Beteiligung der Pastoralen an forumKirche. wird. Die Genossenschaft Pressverein hat ihr bisheriges Verlagsrecht bereits Ende Oktober an die Landeskirche abgetreten. Trajkov, Pastoralraumleiter Altnau. Er er- nommen. Ebenfalls zugestimmt wurde dem Mit dieser Veränderung wolle man die klärte, dass man von pastoraler Seite aus Antrag, die vertraglichen Grundlagen im Redaktion von forumKirche mit der beste- grundsätzlich mit dem Antrag einverstan- Rahmen der in der Botschaft aufgezeigten henden, bisher im Generalsekretariat ange- den sei. Doch in der Botschaft fehle einer- Eckwerte zu schaffen. Der ergänzende siedelten Kommunikationsstelle der Lan- seits die Bistumsregionalleitung im Organi- Antrag zur Botschaft von Ivan Trajkov wurde deskirche zu einer einheitlichen Fachstelle gramm der strategischen Führung und dagegen deutlich abgelehnt. Kommunikation fusionieren, um medien- weiter sei dort die künftige, pastorale in- übergreifend Aufgaben im Bereich Print, haltlich-strategische Beteiligung, die bisher Geld für Fischingen Webseite und Social Media zu überneh- bei der Redaktionskommission lag, noch Ohne Gegenstimmen genehmigte die Syno- men. Dadurch optimiere man die internen nicht klar ausgestaltet. Ivan Trajkov stellte de die übrigen Anträge. So den Unterhalts- Abläufe, so Franz Hidber. Da die Abonne- deshalb den Antrag, dass die jetzige Re- kostenbeitrag in Höhe von 80'000 Franken mentskosten bereits von der Landeskirche daktionskommission gemeinsam mit der für das Jahr 2020 an den Verein Kloster gezahlt würden, lasse sich die ganze Inte- Steuerungsgruppe die redaktionelle Leit- Fischingen und die Gründung eines Wohl- gration kostenneutral vollziehen. linie sowie das Redaktionsstatut erlasse, fahrtsfonds aus den freien Mitteln der liqui- um die Aufgaben des neuen redaktionellen dierten Pensionskasse der katholischen Pastorales Mitspracherecht Beirats zu regeln. Landeskirche. Angenommen wurde ferner Personelle Veränderungen ziehe die Integra- das Budget mit einem Aufwandsüberschuss tion nicht mit sich. Das Personal werde von Neue Herausgeberin von 130'900 Franken sowie der Zentral- der Landeskirche zu den jetzigen Stellen- Kirchenrätin Marie-Anne Rutishauser ent- steuerfuss von 4.15 Steuerprozenten für prozenten übernommen. Die journalistische gegnete, dass eine Botschaft lediglich ein das Jahr 2020. Beim Finanzausgleich merk- Unabhängigkeit der Redaktion solle weiter- Informationsschreiben an die Synodalen te Finanzkommissions-Präsident Erwin hin durch einen redaktionellen Beirat be- sei und kein Reglement. Dass die Bistums- Wagner an, dass dieser neu mit 800'000 wahrt bleiben. Dieser trage die Verantwor- regionalleitung der Steuerungsgruppe Franken zu budgetieren sei anstatt mit tung der Inhalte der Redaktionsarbeit mit. Medien angehöre, sei reglementiert und 900'000 Franken, weil keine Notwendigkeit Einziger Wermutstropfen der Integration aus Gründen der besseren Verständlichkeit für diese Höhe bestünde. Die Festlegung für bleibe jedoch der Verlust des Vorsteuerab- nicht mehr zusätzlich im Organigramm er- die Parameter desselbigen wurde in der Fol- zugs bei der Mehrwertsteuer. Dieser entfal- wähnt. Für die Schaffung redaktioneller ge einstimmig entschieden. Kirchenrat und le künftig, da nur mehrwertsteuerpflichtige Leitlinien und eines Redaktionsstatuts der Bistumsregionalleitung verkündeten Unternehmen vorsteuerabzugsberechtigt solle eine grössere Arbeitsgruppe einge- den Beschluss, die Konzernverantwortungs- sind. Franz Hidber merkte des Weiteren an, setzt werden, der sowohl die Bistumslei- initiative zu unterstützen. Auf ein Schreiben dass die Prozentaufteilung innerhalb der tung als auch eine Fachperson der bisheri- an den Kirchenrat zur Frauenordination Fachstelle nicht schon in Stein gemeisselt gen Redaktionskommission angehöre. In nahm Kirchenrat Cyrill Bischof Stellung, sei und es künftig innerhalb der Aufgaben- der Folge wurde der Antrag des Kirchenrats eine Diskussion erfolgte nicht. bereiche noch zu Verschiebungen kommen zur neuen Herausgabe von forumKirche könne. Zum Geschäft äusserte sich Ivan durch die Landeskirche einstimmig ange- Sarah Stutte 6 forumKirche | 23-2019
Thurgau Freiwilligkeit allein genügt nicht Pastoralkonferenz zum Thema Konzernverantwortungsinitiative Die letzte Thurgauer Pastoralkonferenz im zu Menschenrechten, sozialen Arbeitsrech- antwortete, dass die Schweiz mit ihren 2019 widmete sich in Weinfelden dem ten und Umweltstandards beinhaltet. Leider Forderungen nicht alleine dasteht, sondern aktuellen Thema Konzernverantwortungs- war das Engagement in den ersten 15 Jah- im internationalen Trend liegt und deshalb initiative KOVI. Ökonom und Journalist ren mit 53 Mitgliedern sehr gering. Seit der global kompatibel sein sollte. Markus Mugglin beleuchtete in einem Lancierung der KOVI im 2016 hat sich die In Gruppen diskutierten die rund 50 Anwe- Referat die Hintergründe und ob Kampag- Mitgliederzahl verdoppelt, neu sind auch senden Fragen, wie etwa ob Seelsorger zu nen etwas bewirken können. Rohstoffhändler und Goldraffinerien dabei. Fragen der Ethik öffentlich Stellung bezie- Kampagnen wirken laut Mugglin dann nach- hen sollen. Der Grundtenor lautete, dass Aufmerksamen Radiohörerinnen und Radio- haltig, wenn Unternehmen unter Druck gera- die pastoral Tätigen sich durchaus zu ethi- hörern kam die Stimme sofort bekannt vor. ten und um ihre Reputation fürchten. «Repu- schen Themen, wie der Initiative, öffentlich Kein Wunder, denn Markus Mugglin leitete tation ist ein kostbares Gut. Jeder Schaden äussern sollen. Christoph Baumgartner bis 2012 die Politiksendung «Echo der wirkt sich für das Unternehmen kommerziell aus Bischofszell sieht die pastoral Tätigen Zeit» bei Radio SRF. Vorher war er auch Kor- aus», sagte Mugglin. Doch reicht der Faktor als Multiplikatoren, die solche Themen respondent für UNO- und globale Wirt- Reputation zur Respektierung der Men- breit an die Basis herantragen können. schaftsfragen sowie EU-Korrespondent in schenrechte aus oder braucht es politi- Auch in Predigten könnte auf die KOVI auf- Brüssel. Seit der Pensionierung arbeitet er schen Druck? Mugglin ist sich sicher, dass merksam gemacht werden. Denn langsam als selbstständiger Journalist und Ökonom Freiwilligkeit allein nicht genügt. Es brauche drängt gemäss Markus Mugglin die Zeit: Im für verschiedene Medien und hat 2016 das verpflichtende Regeln, Appelle und Empfeh- Dezember wird der Ständerat darüber befin- Buch «Konzerne unter Beobachtung. Was lungen des Bunderates reichten nicht aus. den, ob ein substanzieller Gegenvorschlag NGO-Kampagnen bewirken können» veröf- zur Initiative erstellt werden soll. Wird der fentlicht. Deshalb ist Mugglin ein Experte, Pastoralkonferenz unterstützt KOVI Gegenvorschlag genehmigt, wird wohl im wenn es um die Frage nach Menschen- Bei den Wortmeldungen plädierte Gaby nächsten Herbst darüber abgestimmt. rechtsverletzungen bei Unternehmungen Zimmermann aus Romanshorn dafür, dass Gaby Zimmermann nutzte deshalb die Ge- geht, die ebenfalls von der KOVI angepran- die Kirche die KOVI unterstützen müsse legenheit zu einem Antrag, dass die Thur- gert werden. Wie weit Wahrnehmung und und die Bischofskonferenz wie der evan- gauer Pastoralkonferenz die KOVI öffentlich Realität auseinanderklaffen, zeigte Mugglin gelische Kirchenbund mit gutem Beispiel unterstützt. Der Antrag wurde mit grosser zu Beginn auf:«Swissholding, der Verband voran geht. Bischofsvikar Hanspeter Mehrheit angenommen. der multinationalen Unternehmen in der Wasmer wollte wissen, ob grosse Firmen Schweiz, ist der Meinung, dass 80 Prozent die Schweiz verlassen könnten. Mugglin Claudia Koch der Schweizer Unternehmungen über eine Bild: Claudia Koch konsistente Menschenrechtspolitik ge- mäss UNO-Vorgaben verfügen.» KOVI dage- gen geht davon aus, dass weniger als die Hälfte der grossen Unternehmen laufend die menschenrechtlichen Auswirkungen ih- rer Aktivitäten ermittelt. Nach Mugglins Nachforschungen geht die Tendenz eher in Richtung KOVI, da nur wenige Unterneh- mungen menschenrechtliche Risiken ein- schätzen und nur eine Minderheit die Um- setzung der Massnahmen prüft, sowie Beschwerdemöglichkeiten schafft. Verpflichtende Regeln nötig Anschliessend präsentierte Mugglin neue Fälle im 2019, die Schlagzeilen machten. Glencore fällt dabei mehrmals negativ auf. «Diese Fälle bieten Stoff zu ernsthaften Dis- kussionen, die unbedingt geführt werden sollten», so Mugglin. Doch es gibt auch Lö- sungen, wie etwa die OECD-Richtlinien für den verantwortungsvollen Umgang, die erst- mals 1976 aufgestellt und 2011 angepasst wurden und die rund 30 Staaten befolgen. Seit dem Jahr 2000 gibt es den UN-Global Impact, initiiert vom ehemaligen UNO-Gene- Ökonom und Journalist Markus Mugglin beleuchtete die Hintergründe der Konzernverantwortungs- ralsekretär Kofi Annan, der Verpflichtungen initiative. forumKirche | 23-2019 7
Aus dem Bistum · Thurgau Vorangehen im Warten Baghdad in My Shadow Was mich bewegt: ein Beitrag von Felix Gmür Regisseur kommt zum Gespräch Ist das nicht ein Widerspruch? Gibt es Bewegung im Aushalten? London, kurz vor Weihnachten. Das Café Abu Nawas ist beliebter Mehrere biblische Lesungen in der Adventszeit erinnern uns an Zufluchtsort für mehrere Exil-Iraker. Der Dichter Taufiq entkam als das Spannungsfeld von Ausharren und Voranschreiten. Aushalten Kommunist der Folter Saddam Husseins und arbeitet nun in ist angesagt, damals und auch heute: Kriege im Nahen Osten, London als Nachtwächter in einem Museum. Die willensstarke Flüchtlingsströme, Zerstörung vieler natürlicher Ressourcen, Amal studierte im Irak Architektur, doch ihre Diplome zählen im Exil Perspektivenlosigkeit. Wir sind als einzelne machtlos und müssen nicht. Sie flüchtete vor ihrem gewalttätigen Ex-Mann und hilft nun das aushalten. Zugleich lassen uns Schicksalsschläge im privaten im Café aus. Muhanad wiederum verliess Bagdad, um der Bedro- Umfeld erstarren. Aushalten. Bis heute warten wir auf Heil, auf hung zu entkommen, der Homosexuelle dort ausgesetzt sind. Doch die Vollendung der Welt, auf die Wiederkunft Jesu Christi. auch vor seinen Freunden in London traut er sich nicht, offen zu Christsein heisst warten. Doch Warten bedeutet nicht, die Hände seinem Liebhaber zu stehen. Sie alle holen die langen Schatten in den Schoss zu legen. An Weihnachten feiern wir, dass Gott wahr- der Vergangenheit ein, als Taufiqs Neffe Naseer unter dem Einfluss haftig in Jesus Christus Mensch geworden ist. Er wirkt jeden Tag eines islamistischen Predigers einen Anschlag auf das Café der neu in seiner Schöpfung und begegnet uns. Momente des Heils «Gottlosen» plant. sind möglich, jeden Tag: dort, wo einsame Menschen liebevolle Der 64-jährige Zürcher Regisseur Samir («Snow White», «Iraqi Zuwendung erfahren, dort, wo Politikerinnen und Politiker sich für Odyssey») ist selbst in Bagdad geboren und wuchs als Kind die Bewahrung der Schöpfung stark machen, dort, wo Arbeitsplätze irakischer Eltern in Schwamendingen auf. Er kennt die Situation geschaffen und erhalten werden, dort, wo Menschen für jene des Exils aus eigener Erfahrung und verwebt die Schicksale seiner beten, die nicht mehr weiterwissen. Christinnen und Christen sind Figuren zu einem poetischen Gleichnis. dazu berufen, im Warten voranzugehen und mitzugestalten. Das Kino Roxy in Romanshorn zeigt den Film am 12. Dezember um Dabei sind wir nicht allein, weil Jesus Christus verheisst: 19.30 Uhr. Im Anschluss an den Film gibt es ein Gespräch mit dem Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt. Filmautor Samir, dem poeta doctus unter den Schweizer Filme- machern. Es geht ganz unsentimental um Weihnachten, Migration Bild: zVg in einer globalisierten Welt, die Rolle der Frau, Homosexualität und die interkulturelle Auseinandersetzung über den Sinn der Religionen. +Felix Gmür, Bischof von Basel Matthias Loretan CSI-Mahnwache für Glaubensverfolgte Vier Thurgauer Städte nehmen teil Bild: zvg Um auf Glaubensverfolgte in aller Welt auf- merksam zu machen, findet jedes Jahr Mit- te Dezember in mehreren Schweizer Städ- ten eine Mahnwache statt. Diese wird von der überkonfessionellen Menschenrechts- organisation Christian Solidarity Internatio- nal (CSI) organisiert, in diesem Winter be- reits zum achten Mal. Auch in Bischofszell, Die CSI-Mahnwache Weinfelden, Frauenfeld und Romanshorn findet am 12. Dezember treffen sich am 12. Dezember um 18 Uhr von 18 bis 18.30 Uhr Menschen zu dieser friedlichen Kundge- statt. bung. «Wir werden eine halbe Stunde lang still an die Menschen denken, die in ihren in dem der Anlass dort zum ersten Mal «Viele müssen aus ihrer Heimat flüchten. Ländern für ihren christlichen Glauben ver- stattfand, hätten sich um die 30 bis 40 Es ist wichtig, dafür zu sensibilisieren und folgt werden. Wir hängen uns dazu Plakate Personen daran beteiligt. «Das hat mich über die Schweiz hinauszuschauen», erklärt um und weisen auf einzelne Krisenherde positiv überrascht. Ich hoffe natürlich, dass er. Dazu gehöre auch, sich nicht nur an wie Indien oder Nigeria hin. Auf diese auch in diesem Jahr viele Menschen zu uns einem einzigen Abend einzusetzen, son- Weise möchten wir für unsere Glaubens- stossen», so der 68-Jährige. Nach der dern auch unter dem Jahr einen finanziel- schwestern und -brüder einstehen», erklärt Mahnwache würden sich mit einigen der len oder anderweitigen Beitrag an die Hansjörg Haller. Der ehemalige evangeli- daran Teilnehmenden oft noch Gespräche entsprechenden Organisationen in den sche Pfarrer aus Hauptwil organisiert die über die Situation der Verfolgten ergeben. jeweiligen Ländern zu leisten. Mahnwache als Ehrenamtlicher auf dem Hansjörg Haller engagiert sich, um den Grubplatz in Bischofszell. Im letzten Jahr, Glaubensverfolgten eine Stimme zu geben. Sarah Stutte 8 forumKirche | 23-2019
Dichte Worte Die Weihnachtsoma Früher, vor noch sieben Jahren, früher, als wir alle waren, früher galt – und dies galt bleiern: Weihnachten gemeinsam feiern! Heilig Abend standen alle ehrfurchtsvoll und froh beim Stalle, sangen Lieder, sprachen Texte. Wenn Mama den Christbaum schmückt, Nichts, was dieses Fest bekleckste. Kugeln, Stern, Lametta zückt Oma, Eltern und wir Kinder, und auch Kerzen nicht vergisst Esel, Ochse, Schafe, Rinder, wird die Oma sehr vermisst. Hirten und die Heiligkeit: alle standen just bereit. Drum beschliess am Weihnachtsmorgen ich, mir eine auszuborgen. Fürchtet euch – sprach Engel – nicht! Eine, welche diese Nacht Oma las die Weihnachtsgschicht. mit uns feiert, singt und lacht. Und es freuten sich im Stalle Also hol ich, ganz alleine, Tiere und die Hirten alle eine aus dem Pflegeheime. ob dem kleinen Jesulein. Eine aus der Eingangshalle, Meistens schlief hier Oma ein. denn da sitzen sie heut alle je mit Rollstuhl. Still und lauschen. Nach dem feinen Weihnachtsschmaus Ich fass eine – und wir rauschen packten wir Geschenke aus, heim, wo wir den Abend feiern, freuten uns, beschert zu werden, Lieder singen, Verse leiern… fühlten himmlisch uns auf Erden. Assen, lachten, machten Krach. Die geborgte Oma spricht Oma wurde wieder wach zwar den ganzen Abend nicht. ob der Festerei und sang gern von süssem Glockenklang. Doch sie sitzt mit grossen, feuchten Augen da – und schenkt uns Glück. Tja, dies war vor sieben Jahren, Später schieb im Sternenleuchten als wir noch beisammen waren. ich die Oma froh zurück. Alle, Herzschmerzfrieden habend, feierten den Heiligabend. All die Omas, die wir bräuchten sitzen irgendwo auf Erden. Doch seit Oma nicht mehr ist Warten, dass wir Skrupel scheuchten gähnt der Weihnachtsabend trist – und darauf, geholt zu werden! und die Christbaummelodie klingt voll Festmelancholie. CHRISTOPH SUTTER forumKirche | 23-2019 9
Schaffhausen · Kirche ohne Grenzen – italienisch Neuer Vertrag für forumKirche «Mini Gschicht Synode der Landeskirche Schaffhausen Leben von christlicher Musik Bild: Detlef Kissner Andreas Textor Toby Meyers Konzerte «Freiheit – Mini (Mitte) dankte Gschicht mit Gott» sind eine Reise durch Annemarie Wehrli, seine Lebensgeschichte und seinem die nach zwei Perioden Finden von Gott. Der Aargauer hat sich ihr Amt als Synoden- als christlicher Musiker selbstständig präsidentin abgeben gemacht. Kirche ohne Grenzen war bei muss, für ihre effiziente einem dieser Konzerte dabei und hat den Sitzungsleitung. aufgestellten Ehemann und Vater von drei Töchtern bei einem Gespräch kennengelernt. Derzeit tourst du mit deinem neuen Album «Freiheit – Mini Gschicht mit Gott» durch Am 25. November kamen die Synodalen Auflösung der bisherigen Trägerschaft, ei- die Deutschschweiz, die letzten Wochen der römisch-katholischen Landeskirche ner einfachen Gesellschaft, an, der neben auch hier in der Region Bodensee, seit Schaffhausen zur letzten Sitzung ihrer den Landeskirchen Thurgau und Schaffhau- 2019 vermehrt in katholischen Kirchen. vierjährigen Amtsperiode zusammen. sen auch die Genossenschaft Pressverein Was kann man von einem solchen Abend Nach intensiven Beratungen nahmen sie angehöre. Der Pressverein habe der vorzei- erwarten? das Budget 2020 an und beschlossen den tigen Auflösung des Herausgebervertrages Eine tiefgängige Story, meine persönliche Ausstieg aus der Trägerschaft des Pfarrei- bereits zugestimmt. Der Synodalrat befür- Lebensgeschichte in Form von Erzählun- blattes forumKirche. wortet gemäss Fritschi dieses Ansinnen gen und Lieder, welche durch fliessende ebenfalls unter der Voraussetzung, dass er Übergänge einen Spannungsbogen von Bei den Budgetberatungen gab es viele seinen Einfluss auf forumKirche weiterhin Dramaturgie und Freiheit darstellen. Mei- Wortmeldungen. Ruth Neidhart stellte den wahrnehmen kann und gleiche Leistungen ne Songs, harmonischer Pop, sind solche, Antrag, den vorgesehenen Betrag für den bezüglich Pfarreiblatt und Webseite zu glei- bei denen die Konzertbesucher auch mal Ehekurs um 1200 Franken zu erhöhen, da- chen Kosten erhält. Synodalratspräsident zum Mitsingen eingeladen werden. Es mit zusätzlich ein Nachfolgetreffen zum Andreas Textor wies darauf hin, dass kein sind Höhen und Tiefen aus dem Leben, diesjährigen Kurs angeboten werden kön- vertragsfreier Zeitraum entstehe, sondern die jeder Mensch irgendwo kennt und ne. Die Anwesenden stimmten diesem An- sich ein Nachfolgevertrag nahtlos an den nachempfinden kann. Da ich mit der trag mehrheitlich zu. Urs Elsener, Mitglied bestehenden anschliessen werde. Die Musik mein Herz, all mein Innerstes, aus- des Synodalrats, kündigte an, dass man Synodalen stimmten dem Antrag zu, den drücke, sind die Lieder durch und durch nach Abklärung des Interesses an einem Synodalrat mit dem Abschluss eines neuen authentisch. solchen Kurs in der Pastoralkonferenz kon- Vertrages zu beauftragen. krete Schritte einleiten werde. Was bedeutet für dich Freiheit, dass du Synodalratsmitglied Adrian Fritschi erläuter- Ausblick auf Kirchentag gleich ein ganzes Konzept danach te auf Anfrage, warum der Ansatz für digita- Die Regionalverantwortliche Margrith benennst? le Projekte von 5'000 auf 10'000 Franken Mühlebach berichtete über die neu ein- Ich wurde ungeplant und sehr unpassend erhöht wurde. Die Mittel sollen zum einen geführten Konferenzen der Pastoralraum- geboren, somit wuchs ich mit dem Gefühl für zusätzliche Tools auf der neuen Websei- leitenden, die auf Bistumsebene und etwa auf, mich ständig dafür entschuldigen zu te der Landeskirche verwendet werden. drei Mal pro Jahr auf regionaler Ebene zu- müssen, dass ich da bin. Ich traute mich Zum anderen möchte sich der Synodalrat sammenkommen. Neben dem Austausch nicht zu zeigen, mich zu wehren, oder die Möglichkeit offenhalten, bei einem Pro- unter den Verantwortlichen seien die Rück- einfach zu sein. Aber in meiner Traumwelt jekt zur digitalen Mitgliederverwaltung ein- meldungen der Bedürfnisse an die Diözes- und im Glauben an Gott traute ich mich zusteigen. Der Empfehlung der Geschäfts- anleitung wertvoll. immer mehr – dort konnte ich aufblühen –, prüfungskommission folgend bestätigten Andreas Textor informierte über die Kom- im Glauben an Jesus fand ich all das, was die Synodalen das vorgelegte Budget ein- mission Sozialdiakonie, die ihre Arbeit auf- ich vermisste. Vor allem die Freiheit! Für stimmig, das einen Verlust von ungefähr genommen und bereits eine weihnachtliche mich ist Freiheit das Gefühl, das auszu- 65'000 Franken vorsieht. Geschenkaktion für Obdachlose organisiert leben, was tief in mir steckt und Schritte hat. Er rief ausserdem die Kirchgemeinden zu wagen, von denen ich bisher nur träum- Fachstelle Kommunikation dazu auf, sich aktiv am Bodensee-Kirchen- te. Aber es führt nur dann wirklich zur Frei- Ein weiterer Schwerpunkt stellte die Neu- tag zu beteiligen, der vom 19. bis 20. Sep- heit, wenn ich es in der Beziehung mit strukturierung des Pfarreiblattes forumKir- tember 2020 in Schaffhausen stattfinden Jesus tue. Eine Zeit lang wollte ich es aus che dar. Adrian Fritschi legte dar, dass die wird. Anmeldungen können unter www.bo- der Unabhängigkeit heraus tun, dann war katholische Landeskirche Thurgau die per- densee-kirchentag2020.ch vorgenommen es allerdings so, wie wenn ich mich um sonellen Ressourcen im Bereich Kommuni- werden. mich selbst drehe und ich fühlte mich wie- kation bündeln und dafür eine neue Fach- der gefangen. Wenn Jesus das Zentrum in stelle schaffen wolle. Dazu strebe sie die Detlef Kissner meinem Leben ist und sich mein Leben 10 forumKirche | 23-2019
Kirche ohne Grenzen – italienisch ht mit Gott» Bild: Romina Monferrini um ihn dreht, dann ist es so, wie es ein Song von mir auf den Punkt bringt: «Ich fliege frei, wie ein Planet um die Sonne». Musik wurde zu deinem Lebensinhalt, wie kam es dazu? Ich wuchs in einer musikalischen Familie auf und entdeckte bald mein Talent am Piano. Mit acht Jahren begann ich Klavier- und Orgelunterricht zu nehmen. Ich wollte eine mit Musik verbundene Arbeit, aber es hiess: «Zuerst lernt man einen richti- gen Beruf.» So begann ich eine Lehre als Polymechaniker. Im 3. Lehrjahr fragte mich mein Lehr- meister: «Toby, du machst doch Musik, könntest du nicht an meiner Geburtstags- feier spielen?» So ging ich mit meinem Keyboard an diese Party und merkte, dass es mir viel Freude bereitete. Nebst dem Arbeitsalltag habe ich begonnen, mit dem Keyboard am PC verschiedene Instrumen- Toby Meyer: «Mein Ziel für 2020: in sämtlichen Städten durch die Outreaches die Liebe Gottes te einzuspielen. Auch für meine Kollegen weitergeben.» und deren Band habe ich ab und zu ein Arrangement gemacht. Nebst diesem Engagement machst du Projekt: Ich gehe dann beispielsweise auf So merkte ich mit der Zeit, dass ich mir auch sogenannte «Outreaches». Anfangs einen Marktplatz, in einen Bahnhof oder wirklich und ernsthaft im Bereich Musik November beispielsweise im Einkaufs- ein Einkaufszentrum und spiele dort Lob- etwas aufbauen könnte. Mit 20 Jahren zentrum Schlosspark in Frauenfeld. Was preislieder. Lieder, in welchen ich meine schliesslich machte ich mein Hobby zum muss man sich darunter vorstellen? Liebe zu Gott ausdrücke. Auch Instrumen- Beruf und wurde freischaffender Musiker. Einen Tag pro Woche reserviere ich mir je- talteile auf dem Klavier baue ich dabei ein, weils für ein ganz spezielles musikalisches um Ruhe und Frieden in die Hektik des Alltags zu bringen. Mit diesem Outreach- Projekt möchte ich zusammen mit anderen «La mia storia con Dio» Gläubigen, die mich jeweils dabei beglei- ten, unseren Mitmenschen dienen. Wäh- Una vita con la musica cristiana rend ich musiziere, verschenken sie den Passanten beispielsweise eine CD von I concerti di Toby Meyer «Libertà – La mia storia con Dio» sono un viaggio attraverso mir, ein gutes Wort, eine Ermutigung usw. la sua storia di vita e la sua scoperta di Dio. Il polimero addestrato è diventato un Ich erlebe immer wieder, dass somit der lavoratore autonomo come musicista cristiano. Kirche ohne Grenzen era presente a oftmals graue Alltag zu einem Platz des questi concerti e ha incontrato il marito e il padre di tre figlie in una conversazione. Friedens verändert wird, und zu einem Ort wird, wo man über Gott ins Gespräch Ogni concerto inizia con una canzone che tutti possono cantare insieme. Già con i primi kommt, Herzen berührt werden oder zu- suoni uno è portato dalla musica. Toby Meyer comprende i suoi sentimenti più profondi sammen gebetet wird. Es ist immer wieder attraverso la sua musica nel mondo. Il suo amore per la musica, il suo autentico amore von Neuem spannend, was alles geschieht, per Dio e la sua storia commovente con alti e bassi («desiderio insoddisfatto di avere wie Gott wirkt und wem wir alles begegnen. figli, diventato realtà dopo 7 anni») toccano il pubblico a un livello incredibilmente profondo e rendere l'occasione più di un semplice concerto. È un viaggio nell'anima di Interview & Übersetzung: Romina Monferrini una persona che, attraverso la musica e l'aiuto di Dio, si è trovato libero di sentirsi un uccello e non essere più bloccato dalla puntura del passato. Bild: zVg Romina Monferrini (31) ist Cantare nei centri commerciali Theologin und stammt aus Ma Toby Meyer vorrebbe trasmettere il suo messaggio non solo nelle chiese alla gente. dem Dorf Monteroni di Nel suo tour di sensibilizzazione, canta nei centri commerciali e nelle aree pedonali. Lecce (Süditalien). Sie Vuole parlare alle persone e portare a loro il messaggio di Dio; con molta passione, arbeitet in der Pfarrei Heilig autenticità e contatto visivo con i suoi ascoltatori attenti. Geist in Hünenberg. forumKirche | 23-2019 11
Thurgau Nach Kirchen statt nach Füchsen suchen Mit Foxtrail-Variante auf christlicher Entdeckungsreise Die Tägerwilerin Claudia Zaugg hat im Claudia Zaugg Die 23-jährige aus Tägerwilen ist noch bis Rahmen ihrer Ausbildung einen «Church- initiierte den Mitte Dezember Praktikantin der evangeli- trail» realisiert. Der Rätselweg verbindet Churchtrail. schen Kirchgemeinde und gab als solche die Romanshorner Kirchen miteinander die Initialzündung zur Umsetzung. Im Rah- und soll helfen, diese spielerisch neu zu men ihrer Ausbildung zur Diakonin sollte entdecken. sie selbstständig ein Projekt auf die Beine stellen. «Als ich erfuhr, dass seitens Kir- Eine helle Holzwand vor dem evangelischen chenvorsteherschaft schon lange der Pfarrhaus mit der einladenden Beschriftung Wunsch nach einem Rätselweg bestand, «Viel Spass beim Churchtrail» heisst die top motiviert ist, kann man an einzelnen der die Romanshorner Kirchen miteinander Rätselfreunde willkommen. So sieht er also Posten auch noch zusätzliche Aufgaben verbindet, war ich von der Idee begeistert», aus, der Startpunkt des Kirchenwegs durch meistern. Ausgerüstet mit Karte, Stift, erklärt sie. Romanshorn, der an keine Öffnungszeiten Notizblock und Laufblatt kann es also losge- gebunden ist und jederzeit von Teilnehmern hen – einmal quer durch Romanshorn. Um Kopf und Handwerk aller Altersklassen absolviert werden kann. nicht zu viel zu verraten, wird an dieser Stel- Im Folgenden schrieb die junge Frau die Auf der rechten Seite der Wand erklärt eine le natürlich kein Rätsel detailliert offenbart. verschiedenen Kirchen an, die sich alle- Tafel Wissenswertes über den aktuellen Nur das – die Churchtrailer müssen unter samt zur Beteiligung bereit erklärten und Standort, beispielsweise wie viele Freiwilli- anderem Farbe bekennen, am Rad drehen, die Info-Texte zu den einzelnen Gebäuden ge in der jeweiligen Kirche zum Leben den Tastsinn prüfen, Fehler entdecken und selbst verfassten. Claudia Zaugg machte derselbigen beitragen oder wann die Got- Bilder suchen. Einige der Aufgaben sind da- sich derweil – unterstützt von Kirchenvor- teshäuser gebaut wurden. Direkt anschlies- bei ganz schön knifflig. Mit einem guten steherin Regula Streckeisen, Kirchenpräsi- send an diese Ausführungen folgt das erste Spürsinn sollte jeder aber in knapp zwei bis dentin Jeannette Tobler und Pfarrer Ruedi farbig markierte Denkspiel in Form eines zweieinhalb Stunden, je nachdem, ob die Bertschi, der die Reime für die einzelnen Reims, das erklärt, was zu tun ist. Ganz normale Runde oder diejenige mit den Zu- Posten schrieb – an die konkrete Umset- links findet man einen Behälter mit Lauf- satzposten gemacht wird, an allen teilneh- zung. In knapp drei Monaten reifte die Idee blättern, in denen die einzelnen Rätsel zu menden Kirchen vorbeikommen. vom Konzept bis zur Ausgestaltung der finden und die Lösungen zu notieren sind. Rätsel auf Papier, von denen sich Claudia Jede gelöste Aufgabe generiert einen Hin- Weg der Verbindung Zaugg in einer ersten Fassung über 25 aus- weis auf die folgende, so dass man im bes- Das sind, neben der evangelischen und ka- dachte, bis zum praktischen Bau der einzel- ten Fall logisch von einem der insgesamt tholischen Kirche Romanshorn, ferner die nen Posten. «Dafür musste ich erst einmal zwölf Posten zum nächsten geführt wird. evangelisch-methodistische Kirche, die Kir- handwerklich begabte Menschen aus der che im Rebgarten, die FCTchurch und die Gemeinde finden, ich selbst bin das nicht», Knifflige Aufgaben Freikirche der Siebenten-Tags Adventisten. erklärt die 23-Jährige lachend. Weiter unten an der Wand sind mehrere Kar- Sie alle gehören der Arbeitsgemeinschaft ten mit Stiften angeheftet. Auf ihnen sind Christlicher Kirchen Romanshorn an. «Es Positive Rückmeldungen die Stopps durch rote Wegweiser markiert, war schön, ein gemeinschaftlich christli- Um im Vorfeld eine Idee dafür zu bekom- Tipps für die weitere Strecke stehen zudem ches Projekt zusammen mit anderen Kir- men, wie ein einfacher Trail funktionieren im Laufblatt. Falls man gut in der Zeit und chen zu lancieren», erklärt Claudia Zaugg. könnte, besuchte Claudia Zaugg einen ähn- lich konzipierten Weg in Bischofszell. «Da- Bilder: Sarah Stutte nach bin ich die Orte in Romanshorn abge- fahren und habe mir überlegt, was wohin passen könnte. Eine Ausnahme bildete da- bei die katholische Kirche St. Johannes. Da diese schon einen eigenen «Schlossberg- Rätselweg» ins Leben gerufen hatte, wurde kurzerhand ein Auszug daraus in den gros- sen Churchtrail integriert. Dieser ist nun seit Ende Oktober eröffnet, die ersten Rückmeldungen sind positiv. Inzwischen wurde der Laufzettel noch einmal überar- beitet und vereinfacht, um dem Ziel, die Menschen spielerisch auf eine kirchliche Entdeckungsreise zu schicken und nieder- schwellig über die eigenen Angebote zu informieren, noch näherzukommen. Der Startpunkt bei der evangelischen Kirche. Sarah Stutte 12 forumKirche | 23-2019
Thurgau Friedensverkünder im Kirchturm Ein Fachmann führt in die Welt der Glocken ein Bild: Claudia Koch Ob auf Weihnachtskarten, am Christbaum oder zum Jahresausklang: Glocken sind zurzeit omnipräsent. Wer mehr über das täglich genutzte Kulturgut erfahren möch- te, stösst unweigerlich auf Hans Jürg Gnehm aus Affeltrangen. Er kennt sie alle, jede einzelne der 688 Glocken in den 163 Türmen im Kanton Thurgau. Hans Jürg Gnehm, Glockensach- verständiger und ehemaliger Experte des Bundes, hat zwischen 1992 und 1999 sämtliche Thurgauer Glocken inventarisiert. So erhielt jede Glocke einen ausführlichen «Steckbrief» mit Angaben zu ihrer musikali- schen und geschichtlichen Beschaffenheit. Es wurden unter anderem Umfang und Höhe gemessen, das Gewicht geschätzt wie auch die Klangfarbe der Glocke mit Stimmgabeln bestimmt. Einige Beispiele dieser umfangreichen Arbeit sind im Buch «Schätze des Glaubens – Kostbarkeiten aus dem Besitz der thurgauischen Kirch- Hans Jürg Gnehm hat alle Glocken in Thurgauer Kirchtürmen inventarisiert, hier im Kirchturm gemeinden» zu finden. Darin erfährt man, in Hüttlingen. dass die Glocke ursprünglich aus Asien und China stammt und durch die Völker- Da einer Glocke der Hauch von Ewigkeit wanderung verbreitet wurde. Irische Wan- anhaftet, werden nur selten neue Glocken dermönche brachten die Glocke nach gegossen. «Ein Glockenaufzug ist etwas zwüscheHALT Mitteleuropa. Die Zeiten des Geläuts sehr spezielles, da die Glocken für ein paar orientierten sich an den Horen, den klöster- Jahrhunderte im Turm verschwinden», sagt Familien auf dem Weg lichen Gebetszeiten der Mönche. Noch Gnehm. Apropos Turm: Dieser hat auch heute erinnern das Sechs- oder Elf-Uhr- eine grosse Auswirkung auf den Klang der zu Weihnachten Geläut an das Betzeitläuten. Glocke: Je weniger man von den Glocken sieht, desto besser tönt es. zwüscheHALT ist eine Einladung an Fami- Erster Schweizer Glockenexperte lien, sich am Samstag, 14. Dezember, in Der 66-jährige Hans Jürg Gnehm war als Frieden bringende Inschriften besinnlicher Weise auf Weihnachten einzu- Bub oft in Hüttlingen und fasziniert, wie in Besonders zu Weihnachten und zum Jah- stimmen. Eltern, Grosseltern, Paten… kön- den Sechzigerjahren die Glocken von Hand reswechsel ist das Vollgeläut nicht wegzu- nen sich mit 4- bis 10-jährigen Kindern von geläutet wurden. «Kirchenbauten und denken. Oft bezieht sich das Geläut auf ein der katholischen Kirche Weinfelden aus auf kunsthistorische Gegenstände haben mich Lied wie etwa «Salve Regina» oder «Wachet einen Rundweg begeben, der auch für ge- immer schon begeistert», sagt Gnehm, auf ruft uns die Stimme». «Zu dieser Zeit ländegängige Kinderwägen geeignet ist. dessen Grossvater als Sigrist tätig war. ist man offener für Glocken», weiss Gnehm, An verschiedenen Stationen wird gebastelt, «Glockengeläut ist etwas Entrücktes, das «da die Menschen in einer emotionalen gesungen und gespielt. Die Weihnachts- man nicht sieht, aber immer präsent ist Stimmung sind und Frieden finden möch- geschichte bildet den Rahmen dieses An- und einen andachtsvoll trägt», sagt Gnehm. ten.» Glocken wurden etwa als Friedensver- lasses. Die Gruppen starten individuell von Der gelernte Bahnbeamte und spätere künder eingesetzt und bei vielen Inschriften 15.15 bis 16.00 Uhr und legen die Strecke Sozialarbeiter und Diakon bildete sich in taucht das Wort Frieden auf. Und obwohl von etwa zwei Kilometern in ihrem eigenen Deutschland zum ersten Schweizer die Glockeninschriften in evangelischen Tempo zurück. Am späten Nachmittag gibt Glockenexperten für Landeskirchen und und katholischen Kirchen recht unter- es eine warme Suppe zur Stärkung. Ab- Denkmalpflege aus. Mit der Inventarisation schiedlich sind, gibt es eine, die rund 50 schliessend treffen sich alle um 18.15 Uhr der Thurgauer Glocken wurde der kulturelle Mal als häufigste gemeinsame Inschrift zu einer vorweihnachtlichen Feier in der Wert erkannt und festgehalten. Da jedes vorkommt und direkt mit der Weihnachts- evangelischen Kirche in Weinfelden. Detail der Glocke aufgeführt ist, weiss man geschichte zu tun hat: Ehre sei Gott in bei einem Schaden, was gemacht werden der Höhe und Frieden auf Erden und den Red. muss. Auch die Entwicklung und die Verän- Menschen ein Wohlgefallen. derungen in den Inschriften und beim Klang Nähere Infos und Anmeldung der Glocke sind im Inventar auszumachen. Claudia Koch (bis 08.12.): www.kiju.kath-tg.ch forumKirche | 23-2019 13
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