Wenn Mitarbeiterinnen schwanger werden - Arbeitsplatz Krankenhaus Dokumentation der Tagung am 20. November 2002

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Arbeitsplatz Krankenhaus
Wenn Mitarbeiterinnen
schwanger werden .....
   Dokumentation der Tagung am 20. November 2002

                                          Freie
                                          Hansestadt
                                          Bremen
VeranstalterInnen:

Ärztekammer Bremen

Arbeitnehmerkammer Bremen

Bremische Zentralstelle
für die Verwirklichung der
Gleichberechtigung der Frau

Zentralkrankenhaus
Bremen-Nord

Zentralkrankenhaus
Bremen-Ost

Zentralkrankenhaus
Links der Weser

Zentralkrankenhaus
Reinkenheide

Zentralkrankenhaus
St.-Jürgen-Straße

Dokumentation der Tagung am 20. November 2002 Im Zentralkrankenhaus Links der Weser, Visit Academy

Herausgabe:      Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF)
                 Knochenhauerstr. 20-25
                 28195 Bremen
                 Tel.: 0421/361-3133
                 E-mail: office@frauen.bremen.de
                 www.zgf.bremen.de

                 Büro Bremerhaven:
                 Schifferstr. 48
                 27568 Bremerhaven
                 Tel.: 0471/596-13823
                 E-mail: office-brhv@frauen.bremen.de

Redaktion:       Birgit Gessner, ZGF; Podiumsgespräch: Iris Bleyer-Rex, Arbeitnehmerkammer
Layout:          Traute Melle, Bremen
Druck:           Druckwerkstatt Schmidtstraße, Bremen
Auflage:         2000
                 Bremen, November 2003
Inhalt

Vorwort                                                                                                             4

1. Begrüßung                                                                                                        5
   Karin Röpke, Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales
   Angela Dick, Pflegedirektorin, ZKH Links der Weser

2. Einführung                                                                                                       7
   Ulrike Hauffe, Landesbeauftragte für Frauen

3. Wie sieht es wirklich aus? Erfahrungen und Zahlen                                                                9
   Joanna Simm, Frauenbeauftragte ZKH Bremen-Nord

4. Umsetzung des Mutterschutzgesetzes in den Kliniken                                                              13
   Dr. Margrit Gotzmann, Betriebsärztin ZKH Links der Weser

5. Mutterschutz: Rückblick, aktueller Stand und Zukunft                                                            15
   Prof. Dr. Ursula Rust, Universität Bremen

6. Podiumsgespräch                                                                                                 22
   Zusammenfassung Iris Bleyer-Rex, Arbeitnehmerkammer

  Anhang
  Merkblätter                                                                                                      23
  Auszug aus dem Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter                                                      35
  Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung                                           39

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Auf 2 weitere Broschüren - zu beziehen bei den Herausgebern - wird hingewiesen:
Mutterschutz, Erziehungsgeld, Elternzeit, hrsg. v.d. Arbeitnehmerkammer, Juli 2001
Was Sie über Mutterschutz, Erziehungsgeld, Elternzeit wissen müssen, hrsg. v. d. ZGF und dem Senator für Arbeit, Frauen,
 Gesundheit, Jugend, Soziales, 2003

                                                              3
Vorwort

Die Frauenbeauftragten der Zentralkrankenhäuser im Lande Bremen haben weiter erfolgreich mit der Ärztekammer , der
Arbeitnehmerkammer und der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau kooperiert. Ich
freue mich, mit der Veröffentlichung dieses vierten Heftes „Wenn Mitarbeiterinnen schwanger werden” die Reihe „Arbeitsplatz
Krankenhaus” fortsetzen zu können.
Wir möchten mit der Tagungsdokumentation und der Zusammenfassung der Bestimmungen möglichst vielen Interessentinnen
und Interessenten die Bedingungen, aber auch die Probleme des Mutterschutzes bzw. die Konsequenzen für die
Frauenbeschäftigung deutlich machen. Wir möchten damit zu einer Reformdiskussion anregen, denn die Folgen einer
Schwangerschaft sollten nicht nur überwiegend individuell von Frauen ausgetragen werden. Im Interesse aller ist es notwendig,
die „Lasten” einer Schwangerschaft - organisatorische und finanzielle Konsequenzen - in der Gesellschaft gleichmäßiger zu ver-
teilen.

Ulrike Hauffe
Landesbeauftragte für Frauen

                                                             4
1. Begrüßung

Angela Dick,                                freundlichen Arbeitszeiten und von           Karin Röpke,
Pflegedirektorin ZKH Links der Weser        Schwangeren-Arbeitsplätzen.                  Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesund-
                                            Die Führungskräfte von heute im Kran-        heit, Jugend und Soziales
Sehr geehrte Frau Senatorin Röpke,          kenhaus müssen besonders geschärft ihr
sehr geehrte Frau Hauffe,                   Augenmerk richten auf die Arbeitsplatz-      Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr verehrte Gäste,                        anforderungen für schwangere Mitarbei-
                                            terinnen. Die Beratung der schwangeren       ich bedanke mich ganz herzlich für die
ich freue mich, Sie heute im Zentralkran-   Frau sollte ausführlich und umfassend        Einladung und freue mich, dass Sie mit
kenhaus Links der Weser zum Thema:          erfolgen.                                    dem heutigen Abend mit der 4. Veran-
Arbeitsplatz Krankenhaus „Wenn Mitar-       Hier helfen eine gute Ausbildung der         staltung seit 1997 die Tradition fortsetzen,
beiterinnen schwanger werden” be-           Führungskräfte aber auch die gute Ko-        den Arbeitsplatz Krankenhaus im Lichte
grüßen zu dürfen.                           operation und Kommunikation mit dem          der Chancengleichheit auszuleuchten.
                                            betriebsärztlichen Dienst und der
Zu den wichtigsten Schutzvorschriften,      Frauenbeauftragten eines Kranken-            Nach den Hürden beim beruflichen Auf-
die der Gesetzgeber für Frauen erlassen     hauses.                                      stieg und der Arbeitszeitflexibilität sowie
hat, gehören die Regelungen zum Schut-      Innovative Ausfallkonzepte und Einsatz-      den Bedingungen bei der Gewährung
ze der Mütter.                              pläne im Krankenhaus, insbesondere für       von Altersteilzeit haben Sie diesmal mit
                                            Mitarbeiterinnen des Krankenpflege-          dem Mutterschutz ein angeblich reines
Auch wenn dieser Komplex gemeinhin          und Funktionsdienstes, des ärztlichen        Frauenthema zur Diskussion gestellt.
mit dem Begriff „Mutterschutz” be-          Dienstes, helfen, schwangere Mitarbei-
zeichnet wird, geht die Beschreibung des    terinnen gut in den Arbeitsalltag zu inte-   Arbeitsplatz und Schwangerschaft wird
schutzwürdigen Personenkreis darüber        grieren.                                     häufig noch als Frauenthema angesehen
hinaus.                                     Die heutige Veranstaltung wird einen         - was unschwer an der Zahl der heute
Nicht minder wichtig sind die Kinder        guten Überblick verschaffen über die         anwesenden männlichen Zuhörer ables-
selbst.                                     Entwicklung der Schutzgesetze und            bar ist. Dabei hat dieses Thema doch
Denn alle gesetzlichen Schutzmaßnah-        einen Bericht geben über aktuelle Sach-      schon immer nicht nur die Frauen son-
men zum Wohle der Mütter oder auch          stände zu Umsetzungskonzepten sowie          dern auch ihre Kinder vor und nach der
der Väter zielen zugleich darauf ab, den    Zukunftsperspektiven.                        Geburt sowie die Männer, also eigentlich
jungen Erdenbürgern bestmögliche Be-        Für die Veranstaltung heute wünsche ich      alle Mitglieder der Gesellschaft betrof-
dingungen für den Start ins Lebens zu       Ihnen interessante Stunden.                  fen. Es wird uns in Zukunft wegen des
schaffen.                                                                                starken Geburtenrückgangs noch in
                                                                                         besonderem Maße beschäftigen.
Im Wirtschaftsbetrieb Krankenhaus als
modernem Dienstleister in der Erbrin-                                                    Die Frauenpolitik versucht, das Thema
gung der Leistung Gesundheit mit mehr                                                    heute anders aufzugreifen. Gender Main-
als 80 % weiblichen beschäftigten Mit-                                                   streaming heißt das neue Zauberwort
arbeiterinnen verlangt die Umsetzung                                                     nicht nur in der Frauenpolitik. Gender
des Mutterschutzgesetzes ein besonde-                                                    Mainstreaming besteht „in der (Re-)Or-
res Umgehen mit dem Personalmanage-                                                      ganisation, Verbesserung, Entwicklung
ment, der Personalentwicklung, der Ab-                                                   und Evaluierung der Entscheidungspro-
stimmung von familien- bzw. frauen-                                                      zesse mit dem Ziel, dass die an politischer

                                                               5
Gestaltung beteiligten Akteure und Ak-       Es sind drei Bereiche meines Ressorts       Die Gewerbeaufsicht drängte bereits seit
teurinnen den Blickwinkel der Gleichstel-    berührt: Arbeit, Frauen und Gesundheit.     langem die Krankenhäuser dazu, die ein-
lung zwischen Frauen und Männern in          Ich kann daher aktiv dazu beitragen,        zelnen Arbeitsplätze darauf hin zu unter-
allen Bereichen und auf allen Ebenen         Schwierigkeiten und Widerstände zu          suchen, ob und wie eine Beschäftigung
einnehmen.”                                  überwinden, die es leider noch immer        Schwangerer ohne Gefährdung möglich
                                             gibt. Auf diesem Sektor muss immer          ist. Diese spezielle Beurteilung der Ge-
Dabei geht es um einen doppelten Zweck:      noch viel bewegt und gestaltet werden.      fährdung am Arbeitsplatz durch die Tätig-
- Zum einen handelt es sich um eine                                                      keit werdender oder stillender Mütter ist
  Querschnittsaufgabe für alle Maßnah-       Im Juni dieses Jahres wurde das Mutter-     durch die Verordnung zum Schutz der
  men.                                       schutzgesetz dahingehend geändert,          Mütter am Arbeitsplatz vom 15. April
- Zum anderen ist eine gezielte Förde-       dass sich die Mutterschutzfrist nach der    1997 verbindlich vorgeschrieben. Im ZKH
  rung von Frauen in Bereichen erforder-     Geburt eines Kindes von in der Regel        St.Jürgen-Straße ist vorbildlich ein um-
  lich, in denen sie nach wie vor benach-    acht Wochen in allen Fällen einer vorzei-   fangreicher Tätigkeitskatalog für schwan-
  teiligt werden.                            tigen Entbindung um die Anzahl der          gere Beschäftigte erarbeitet worden.
                                             Tage verlängert, die bei der sechswöchi-
Diese doppelte Strategie, die im An-         gen Schutzfrist vor der Entbindung nicht    Eine Beratung zu allen Fragen des Mut-
schluss an die Weltfrauenkonferenz in        in Anspruch genommen wurde. Ferner          terschutzes wird im Bereich Arbeit mei-
Peking entwickelt und im europäischen        wurde u.a. klargestellt, dass Beschäfti-    nes Hauses durch die Gewerbeaufsicht
Rahmen umgesetzt wurde, hat der Senat        gungsverbote als Beschäftigungszeiten       seit langem angeboten.
im Februar 2002 auch hier für Bremen         gelten und keine Minderung des Erho-
beschlossen.                                 lungsurlaubs rechtfertigen.                 Und trotzdem gibt es in diesem Bereich
                                                                                         noch viel zu bedenken.
Dies bedeutet für die Politik bei der Be-    Andere kürzliche Änderungen waren z.B.      - Reichen die rechtlichen Regelungen
schäftigung von Frauen in Krankenhäu-        die Berücksichtigung der Mutterschutz-        aus?
sern also, einerseits die Arbeitsbedingun-   zeiten in der Arbeitslosenversicherung zu   - Was können wir tun, damit Schwan-
gen so zu gestalten, dass Männer und         Anfang des Jahres mit dem Job-Aqtiv-          gerschaft, wie Sie es formuliert haben,
Frauen gleiche Chancen beim Zugang,          Gesetz und der Mutterschutz für Haus-         ein „normales und freudiges Ereignis”
bei der Wahrnehmung ihrer Arbeits-           angestellte (1997).                           auch für die Umgebung - d.h. Arbeit-
aufgaben und beim beruflichen Aufstieg                                                     geber und KollegInnen - wird?
haben. Andererseits aber sind besondere      Auch in Bremen haben wir in letzter Zeit    - Welche Vorschläge und politischen
Maßnahmen für Frauen zu ergreifen.           einiges zu diesem Thema getan (s.Anla-        Konzepte hinsichtlich Schutz wie Versi-
Insbesondere ist hier gesundheitspoli-       ge):                                          cherung gibt es, um die Belastung, die
tisch darauf zu achten, Frauen besonders     Das Gewerbeaufsichtsamt hat zusammen          durch den Einzelfall entstehen kann,
zu schützen.                                 mit dem Landesgewerbearzt Merkblätter         auf einen größeren Kreis von Personen
                                             für Arbeitgeber neu herausgegeben. Die        oder Betrieben umzuverteilen?
Dieses sind zwei Ziele der Sozialpolitik,    Fachdienste für Arbeitsschutz haben In-
die nicht immer gleichzeitig problemlos      formationen zur Umsetzung des Mutter-       Allen diesen spannenden Fragen wollen
verwirklicht werden können - die sich        schutzgesetzes in Betrieben und Dienst-     Sie heute Abend nachgehen, und ich
manchmal richtig beißen können. Dies         stellen des Landes und der Stadt Bremen     wünsche Ihnen dazu eine erfolgreiche
ist ein klassischer und lange bekannter      veröffentlicht.                             Veranstaltung.
Zielkonflikt.

                                                                6
2. Einführung
Ulrike Hauffe, Landesbeauftragte für Frauen

Als wir vor 5 Jahren mit der Veranstal-     wenn überall durch Arbeitsplatzbeschrei-     arbeitsverbotes an Schichteinteilungen.
tung „Über Hürden und Hindernisse in        bungen mehr Klarheit über den Einsatz        Für die Betroffenen besteht zuweilen kei-
der ärztlichen Weiterbildung” begannen,     der schwangeren Beschäftigten herge-         ne Klarheit darüber, wann und in wel-
hätten wir als Veranstalterinnen, und das   stellt werden würde.                         cher Form Beschäftigungsverbote umge-
sind alle kommunalen Krankenhäuser                                                       setzt werden.
und ihre Frauenbeauftragten, die Ärzte-     Ein weiteres Anliegen ist es, den organi-
kammer, die Arbeitnehmerkammer und          satorischen Ablauf so zu gestalten, dass     Ich höre schon die Stimmen: Wir würden
die Bremische Zentralstelle für die Ver-    es nicht zu Personalengpässen kommt.         ja gern rechtzeitig Maßnahmen ergrei-
wirklichung der Gleichberechtigung der      Dies kann bedeuten: Rechtzeitige Um-         fen, aber... Natürlich gehören dazu auch
Frau, nicht gedacht, dass wir auf ein so    setzung, Planung von „Schwangeren-           Mittel, um andere und vor allem zusätz-
starkes Interesse stoßen würden. An         reserven” - alle Zentralkrankenhäuser        liche Personalkapazitäten zur Verfügung
einigen der damals - auch überregional -    haben immerhin mindestens 30 Schwan-         zu stellen. In Zeiten so knapper Mittel
aufgeworfenen Fragen sind wir heute         gere pro Jahr - , Beschaffung von Ersatz-    scheint es fast verwegen, solche Forde-
noch „dran” und werden nicht locker         kräften oder aber Änderung der Arbeits-      rungen zu stellen.
lassen in unserem Bemühen, die Lage         abläufe. Wir müssen erreichen, dass es
der beschäftigten Frauen in den Kran-       hier nicht immer wieder im Einzelfall zu     Ich meine aber, solche Zeiten zwingen
kenhäusern zu verbessern. Ich freue         Friktionen kommt.                            auch dazu, über grundsätzlichere Verän-
mich sehr, dass dies dazu geführt hat,                                                   derungen nachzudenken. Die politische
dass wir mit Veranstaltung Nummer 4         Schon bei unserer ersten Tagung haben        Konzeption für den Mutterschutz um-
nun schon gewissermaßen auf die Tra-        wir gehört, vor welchen individuellen        fasst nicht nur den Arbeitsschutz, son-
dition einer Veranstaltungsreihe „Ar-       Konflikten Schwangere stehen können,         dern auch umfangreiche finanzielle Be-
beitsplatz Krankenhaus” zurückblicken       wenn sie sich keinen zufriedenstellen-       reiche, die durch Versicherungsschutz
können.                                     den, organisatorischen Lösungen gegen-       und finanzielle Umverteilung abgedeckt
                                            über sehen. Solange sie ihre Schwanger-      sind.
Unser heutiges Thema „Schwanger-            schaft nicht mitteilen, können sie verhin-
schaft” ging auch damals schon in die       dern, dass Maßnahmen von Seiten des          Wir sind an die gegenwärtige Form der
Diskussion ein - allerdings nur bezogen     Arbeitgebers ergriffen werden. Gleich-       „Lastenverteilung” gewöhnt, sollten uns
auf Ärztinnen. Ziel aller unserer Veran-    zeitig entstehen dabei gesundheitliche       jedoch nicht scheuen, Fragen zu stellen.
staltungen war und ist es, gemeinsam        Gefährdungen, besonders für die Unge-        Warum müssen beispielsweise die Kran-
nach Lösungen für Probleme zu suchen        borenen. Es wäre gut, die Situationen so     kenhäuser als große Arbeitgeber für
oder zu Verabredungen der Beteiligten       zu gestalten, dass solche Möglichkeiten      Frauen einen so hohen Kostenanteil für
zu kommen, wie künftig am besten ver-       gar nicht erst in Erwägung gezogen wür-      die Allgemeinheit tragen, während an-
fahren werden kann. So wurde beispiels-     den.                                         dere, die überwiegend Männer beschäf-
weise 1997 beschlossen, für schwangere                                                   tigen, kostenfrei bleiben? Warum gibt es
Ärztinnen Arbeitsplatzbeschreibungen        Die Praxis der Beschäftigungsverbote ist     für kleine Betriebe ein Umlageverfahren
zu erstellen. Unterstützt von der senato-   ein viel diskutiertes, aber unerforschtes    und für große nicht? Hier wären Visio-
rischen Behörde ist dies in einigen         Thema. Die niedergelassenen Ärzte ken-       nen für eine künftige Gestaltung zu ent-
Krankenhäusern inzwischen geschehen.        nen nicht immer alle gesetzlichen Rege-      wickeln.
In anderen ist immerhin mittlerweile das    lungen. Es gibt eine Diskussion um die
neue Merkblatt des Gewerbeaufsichts-        teilweise Aufhebung von Schutzvor-           Beginnen wir aber zunächst damit, was
amtes erhältlich. Ich würde mich freuen,    schriften, z.B. zur Anpassung des Nacht-     ist.

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Frau Simm schildert uns die Erfahrungen
der Frauenbeauftragten und stellt uns
den quantitativen Umfang in den Kran-
kenhäusern dar. Besonders interessant
dabei ist, wie verschieden die Häuser mit
den Problemen umgehen.

Frau Dr. Gotzmann wird uns aus der
Sicht der Betriebsärztin über die Praxis
der Umsetzung in den Kliniken berich-
ten.

Frau Professor Dr. Ursula Rust wird uns
einen Rückblick geben auf die Geschich-
te des Mutterschutzes und seinen aktu-
ellen Stand. Sie wird uns dann heran-
führen an heutige Überlegungen zu sei-
ner Neugestaltung.

Anschließend wollen wir in der Podiums-
diskussion gemeinsam Lösungsmöglich-
keiten erörtern und Verabredungen zwi-
schen den Beteiligten treffen.

Ich wünsche uns allen eine spannende
Veranstaltung.

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3. Wie sieht es wirklich aus?
Erfahrungen und Zahlen
Joanna Simm, Frauenbeauftragte ZKH Bremen-Nord

Viele unserer Beratungsgespräche als           Du Dich an den Tag erinnern, als ich Dir     Und ich kann jede einzelne Reaktion ver-
Frauenbeauftragte drehen sich um Fra-          mitteilte, dass ich schwanger bin? “ „Ja,    stehen, denn von Unflexibilität kann in
gen des Mutterschutzes, der Elternzeit         so in etwa,” antwortete ich. “Ich war so     Krankenhäusern wahrhaftig keine Rede
und des anschließenden Wiedereinstiegs         enttäuscht von deiner Reaktion”, fährt       sein. Das stellen die vielen Mitarbeiterin-
in das Berufsleben. Uns fiel es schwer, in     sie fort. “Weißt Du noch, was du als         nen jeden Tag erneut unter Beweis, die
unseren Planungsgesprächen unser Au-           erstes getan hast? Du bist aufgestanden      kurzfristig bei Engpässen einspringen.
genmerk nur auf den Mutterschutz zu            und hast den Dienstplan geholt. Kein         Wann hat sie Geburtstermin, und nach-
richten. Die drei genannten Bereiche sind      Wort der Freude darüber, dass ich            dem ich den hörte, war mir klar: sie hat
nicht voneinander zu trennen, fließen sie      schwanger bin, keine Gratulation, nichts     uns sehr spät unterrichtet...
doch ineinander über und bedingen sich         dergleichen. Nur der Dienstplan war Dir
gegenseitig... Schwangerschaft ist ei-         wichtig...”                                  Sie war die zweite schwangere Kollegin
gentlich nicht herauszulösen aus dem                                                        in diesem Jahr und noch gar nicht soo
Gesamtzusammenhang des Lebens, der             Sie hatte recht, genauso war meine Re-       lange bei uns beschäftigt. Erst kürzlich,
Arbeitswelt und den gesamtgesellschaft-        aktion. Ich sehe die Situation in unserem    nach einem Einsatz auf der Wochensta-
lichen Rahmenbedingungen. Sie ist ein          Aufenthaltsraum auch heute noch vor          tion, war sie zu uns in den Kreißsaal ge-
Teil in einem Puzzle, das wir in unserer       mir, als sei es gestern gewesen...           kommen. Sie war so glücklich darüber,
Vorbereitung versuchten zu ordnen.             Meine ersten Gedanken waren tatsäch-         nun „richtig” in der Geburtshilfe zu ar-
Vielleicht ist sie auch nur die Spitze eines   lich:                                        beiten. Und ich wusste, sie würde nur
Eisberges - ein anderes Bild, das uns dazu     · Ich muss sie aus der Nachtwache neh-       ungern zurückgehen auf die Wochen-
in den Sinn kam, weil wir uns nur mit             men.                                      station, die für unsere Schwangeren die
diesem einen Bereich, nämlich der              · Wann ist sie dafür eingeteilt?             “Ausweichstation” war.
Schwangerschaft, in dieser Veranstal-          · Wie und auf wen verteile ich die
tung beschäftigen wollten..                       Nächte?                                   Ich fühlte mich unwohl nach diesem Ge-
                                               · Wie viele Spätdienste (immerhin bis        spräch, konnte ihre Enttäuschung so gut
                                                  23.00 Uhr in unserem Bereich) hat sie     verstehen, ärgerte mich über mich selbst
Mein Beitrag ist überschrieben:                   noch in diesem Monat, an wie vielen       und nahm mir vor, in Zukunft anders zu
Wie sieht es wirklich aus? Erfahrungen            Wochenenden arbeitet sie?                 reagieren.
und Zahlen                                     · Der Dienstplan für den kommenden
Keine Angst! Ich werde sie nicht mit Sta-         Monat muss nun auch wieder umge-          Hier endet der kurze Rückblick auf mein
tistiken und Zahlenkolonnen langweilen.           stellt werden, gerade erst haben wir      persönliches Erlebnis.
Lassen Sie mich kurz eine eigene Erfah-           ihn mit Mühe fertig bekommen...
rung schildern. Das Ereignis liegt gute 7      · Die anderen Kolleginnen müssen an-
Jahre zurück. Ich war zu der Zeit leitende        gerufen und über die Dienstplanände-      Die weiteren Schilderungen stammen
Hebamme im Zentralkrankenhaus Bre-                rungen informiert werden.                 aus den anderen Krankenhäusern, wur-
men- Nord.                                                                                  den aber von jeder Frauenbeauftragten
Ich treffe auf der Geburtstagsfeier einer      Jede von Ihnen hier in diesem Raum, zu       so oder ziemlich ähnlich in der eigenen
gemeinsamen Kollegin eine Hebamme,             deren alltäglichem Geschäft solche Tele-     Klinik erlebt.
die einige Monate zuvor ihr erstes Kind        fonate gehören, kennt die Reaktionspa-       Ich habe bis zum Schluss gearbeitet, be-
bekommen hatte.                                lette, die von: „klar, gar kein Problem”     richtet eine Krankenschwester, ich hatte
“Du, Joanna” sagt sie, “was ich Dir im-        bis zu „da kann ich nicht einspringen, ich   überhaupt keine Probleme, aber die Kol-
mer noch mal erzählen wollte: Kannst           musste schon so häufig tauschen” reicht.     legInnen waren auch sehr rücksichtsvoll;

                                                                  9
wir sind eben einfach ein tolles Team, in   Und ob ich unter diesen Umständen               vor sich sehen, und auch das Wissen
dem viel Rücksicht aufeinander genom-       eine Vertragsverlängerung bekomme...            darum, dass die Nacht- und Bereit-
men wird.                                                                                   schaftsdienste von den anderen mit
                                            Na ja, wenn wir an die eine Kollegin den-       übernommen werden müssen.
Heute bin ich klüger, berichtete eine       ken, die war schon sehr schwanger und
Kollegin, es wäre besser gewesen, wenn      erwartete viel Rücksichtnahme.                Die durchaus richtige Haltung und Aus-
man mich aus dem Bereich versetzt hät-                                                    sage: „Eine Schwangerschaft ist keine
te. Ich habe mir doch zuviel zugemutet      Wer denkt eigentlich an uns als Familien-     Krankheit” wird, so meine Erfahrung, so-
und gedacht, ich müsste durchhalten.        väter? lautet die Frage eines Arztes.         fort und mit entsprechendem Kopf-
Eine Krankenschwester mit heute er-         Die übliche Anzahl der Bereitschafts-         nicken bestätigt. In Vergessenheit gera-
wachsenem Kind machte sich nach der         dienste ist schon hart an der Grenze. Je-     ten - so mein Eindruck - ist die früher
Frühgeburt damals noch längere Zeit         der weitere Dienst heißt auch, eine           häufig benutzte Redewendung: Sie ist in
Gedanken dazu, ob ihr Verbleiben im OP      Nacht weniger zu Hause zu sein, einen         anderen Umständen. Mit dieser Be-
- auf eigenen Wunsch - die Ursache für      Abend weniger mit den Kindern zu ver-         schreibung verbinde ich automatisch:
die vorzeitige Niederkunft war.             bringen. Ja, ich weiß, das gleiche gilt für   Diese Frau bedarf der besonderen Für-
                                            Frauen...                                     sorge. Und nicht nur auf sie, sondern
Die Aussage eines Chefarztes: Natürlich                                                   ebenso auf das Ungeborene beziehen
beschäftige ich gern Frauen in meinem       Warum gibt es immer noch Frauen, die          sich die Vorschriften des Mutterschutz-
Bereich. Aber was mache ich, wenn sie       ihre Schwangerschaft sehr spät anzei-         gesetzes. Durch unsere unterstützenden
schwanger werden. Sie wissen, dass wir      gen, haben wir uns gefragt.                   Gespräche, z.B. mit Vorgesetzten oder in
nicht so schnell Ersatz bekommen, und                                                     dem einen oder anderen Fall mit der Per-
dass sie uns nicht nur als Operateurinnen   Die Gründe dafür sind vielfältig:             sonalabteilung, wurden andere Arbeits-
fehlen. Der Betrieb läuft doch weiter und   · Es ist die Furcht vor der Reaktion des      plätze gefunden, an denen sich die
bei ihrer Rückkehr wollen sie dann nur        Vorgesetzten.                               Schwangeren - unerwarteterweise - im
noch Teilzeit arbeiten. Die Kontinuität     · Rücksichtnahme auf die Kolleginnen:         Nachhinein doch viel wohler fühlten als
und der Informationsfluss im Klinikalltag     Man will sie nicht zu früh mit Bereit-      an dem ursprünglichen.
leiden darunter. Ja, wenn ich sofort          schafts- und Nachtdiensten belasten,        Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass
Unterstützung bekäme... Da könnten Sie        die sie “für einen” übernehmen müs-         es uns insbesondere in den helfenden
mal für uns tätig werden!                     sen.                                        Berufen schwer fällt, die Fürsorge der
                                            · Rücksichtnahme auf sich selbst: Man         anderen anzunehmen und um Hilfe zu
Eine Ärztin: Mein Arbeitsvertrag läuft        möchte gerne noch Spätdienste, aber         bitten, wenn wir an den Rand unserer
nur wenige Monate nach dem Entbin-            auch Nachtdienste machen, um mor-           Kräfte geraten. Die anderen könnten das
dungstermin aus. Ich würde gerne meine        gens nicht so früh aufstehen zu müs-        als Schwäche auslegen, haben sich
Weiterbildung fortsetzen, aber wenn ich       sen.                                        “nicht so angestellt”, arbeiteten und
noch stille nach einigen Monaten, passt     · Die Schwangere weiß, dass sie den Ar-       funktionierten bis zum Erreichen des
das nicht zu den Bereitschaftsdiensten.       beitsplatz wechseln müsste, möchte          Mutterschutzes.
Wie soll ich heute schon abschätzen, ob       aber gern im KollegInnenkreis bleiben       Ein Teufelskreis, so möchte ich die bisher
mein Kind mich doch länger zu Hause           und nicht in ein ihr unbekanntes Team       für alle Beteiligten unbefriedigende Si-
braucht... Meine Familie wohnt doch           wechseln.                                   tuation beschreiben. Denn betroffen sind
nicht hier, und gänzlich fremden Men-       · Insbesondere bei Ärztinnen ist es der       alle davon, die Schwangere, die Kolle-
schen so früh mein Kind zu überlassen...      “automatische” Karriereknick, den sie       gInnen, die Vorgesetzen und die Arbeit-

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geberseite, die bei einem entsprechen-         Stoffen, die Krankheitserreger übertra-    · Sofortiger Ersatz bei Beginn der Mut-
den finanziellen Ausgleich gern sofort für     gen können, das Arbeiten mit stechen-        terschutzfrist.
Ersatzkräfte sorgen würde, so die Aus-         den und schneidenden Instrumenten.
sage unserer Personalleiterin. Nicht uner-     Wenn ein direkter Kontakt mit Körper-      „Traumvorstellungen” werden manche
wähnt lassen möchte ich an dieser Stelle,      flüssigkeiten oder -geweben möglich ist,   von Ihnen sagen. Wie sollen wir das
dass es auch schon Neueinstellungen            dürfen werdende und stillende Mütter       denn in der heutigen Zeit, in der Minis-
oder Aushilfen vor Beendigung der Mut-         hier nicht beschäftigt werden.             terin Schmidt den Krankenhäusern eine
terschutzfristen gab, aber eben nicht                                                     Nullrunde abverlangt, in der die Regie-
grundsätzlich und immer erst nach z.T.         Es bleiben, wie man dieser Auflistung      rung in allen Bereichen zusätzliche Belas-
zähen Verhandlungen.                           entnehmen kann, eigentlich nur wenige      tungen wie Abgaben und Steuern ein-
Sie erinnern sich an meine erste Reak-         Bereiche übrig, in denen Schwangere        führt oder erhöht, in die Tat umsetzen?
tion, die sicherlich nicht typisch für ande-   und Stillende ohne Einschränkungen in      In der die Krankenkassen mit ihren Ein-
re Bereichs- und Stationsleitungen ist,        einem Krankenhaus weiterarbeiten kön-      künften angeblich auch nicht mehr aus-
wie ich aus vielen Gesprächen weiß. Ty-        nen.                                       kommen...
pisch ist aber, dass mehr als 80 % der Be-                                                Lassen Sie mich weiter “träumen”:
schäftigten in Kliniken Frauen sind, und       Dem müsste doch Rechnung getragen          Wenn wir auch in Zukunft qualifizierte
dort grundsätzlich mit einer höheren Ra-       werden, war unser Fazit, das wir als       Frauen in den unterschiedlichsten Be-
te von Schwangeren zu rechnen ist als in       Frauenbeauftragte zogen. Eine Institu-     rufsfeldern in Krankenhäusern beschäfti-
Betrieben, in denen das Verhältnis zwi-        tion, die im Bereich Gesundheitswesen      gen wollen, dann sind adäquate Kinder-
schen Männern und Frauen ein ausgegli-         angesiedelt ist, sollte Vorbildcharakter   betreuungsmöglichkeiten und eine diffe-
cheneres ist bzw. in dem der überwie-          haben. Wer, wenn nicht wir, sollten für    renzierte Personalentwicklungspolitik
gende Teil männliche Arbeitnehmer sind.        Schwangere gute Arbeitsbedingungen         unerlässlich. Daneben geht es um ange-
Weiterhin typisch ist, dass der Arbeits-       bieten können, in denen sie all das vor-   messene Gehälter, die es Frauen ermög-
platz Krankenhaus mit sich bringt, dass        finden, was für die Schwangerschaft und    lichen, ohne weitere Unterstützung sei-
die im Mutterschutzgesetz dezidiert auf-       Stillzeit für alle Frauen gelten sollte.   tens des Staates, den wir alle finanzieren,
geführten Beschäftigungsverbote und -                                                     Beruf und Familie miteinander zu verein-
einschränkungen für fast jede Schwan-          Die Rahmenbedingungen sollten ihnen        baren. An dieser Aufzählung wird deut-
gere in einem Krankenhaus gelten und           folgendes ermöglichen :                    lich, dass es sich um unterschiedliche An-
Anwendung finden. Als da wären:                · Rechtzeitig kundzutun, dass sie          sprechpartner handelt, die gefordert
Nachtarbeit, Mehrarbeit, Sonn- und               schwanger sind, denn es gibt umge-       sind, sich Gedanken zu machen und sich
Feiertagsarbeit, Heben und Tragen von            hend Ersatz bzw. Unterstützung für       einzumischen.
Lasten per Hand von mehr als 5 kg Ge-            den Bereich, in dem sie tätig sind.      Wie soll das gehen, wer lädt wen zu
wicht oder gelegentlich mehr als 10 kg,        · Anpassung der Arbeitszeit an ihre Be-    einem Gespräch ein, wer fühlt sich zu-
häufiges Strecken, Heben, Bücken z.B.            dürfnisse, natürlich im Rahmen des       ständig?
beim Lagern von PatientInnen, beim               gültigen Mutterschutzgesetzes. Eini-     Vielleicht kommen wir mit unseren Über-
Bettenmachen und bestimmten Reini-               gen würde es z.B. helfen, später anzu-   legungen ja gerade zur rechten Zeit.
gungsarbeiten, Unfallgefahren in der             fangen, gerade in den ersten Wochen,     Gerade gestern stellte sich die durch
Bäderabteilung oder in der Spülküche,            wenn manche noch unter der mor-          Ministerin Schmidt einberufene Rürup -
ionisierende Strahlen bei Röntgenauf-            gendlichen Übelkeit leiden.              Kommission vor. Am Ende dieses Abends
nahmen, Narkosegase, Reinigungs- und           · Bessere Rücksichtnahme auf Stillzei-     sind wir vielleicht soweit, ihr Vorschläge
Desinfektionsmittel, Beschäftigung mit           ten                                      unterbreiten zu können, wie wir uns die

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Berücksichtigung dieses Themas und die      können, haben wir nach unserer ersten
künftige Finanzierung vorstellen. Zu den    in dieser Reihe erlebt, die den Titel trug:
anderen Aspekten müssen die Standes-        Hürden und Hindernisse in der ärztlichen
vertretungen, die Gewerkschaften, die       Weiterbildung. In fast allen Häusern gibt
Arbeitgeberseite und die Krankenkassen      es mittlerweile sogenannte Positivlisten,
ihren Beitrag leisten.                      bzw. Arbeitsplatzbeschreibungen, auf
Das uns zur Verfügung stehende Zahlen-      die zurückgegriffen wird, wenn eine Frau
material war der Unterschiedlichkeit we-    schwanger ist. Wir haben uns über die-
gen nicht direkt miteinander vergleich-     sen Erfolg gefreut.
bar. Die Prozentanteile der totalen Be-     Ich wünsche mir und uns allen, dass wir
schäftigungsverbote der verschiedenen       vielleicht sogar schon bei unserer näch-
Krankenhäuser lagen zwischen 2,8%           sten gemeinsamen Veranstaltung von
und 31,8%, die der uns nur zum Teil         ebenso positiven Entwicklungen bezüg-
vorliegenden teilweisen Beschäftigungs-     lich der Ergebnisse des heutigen Abends
verbote zwischen 2,7 und 63 %.              berichten können.
Trotzdem sprechen die Zahlen eine deut-
liche Sprache. Diese Arbeitskräfte fehlen
in der täglichen Versorgung. Und wir fin-
den es einfach nicht gerecht und hin-
nehmbar, dass die anderen Mitarbei-
terInnen ständig diese Ausfallzeiten mit-
zutragen haben; insbesondere in der
heutigen Zeit der großen Personal-
knappheit. Und ausgehen müssen wir
davon, dass wir einen noch größeren
Stellenabbau erleben. Wie das gehen
soll, weiß ich zwar nicht, was ich aber
weiß ist, dass diese Zustände dringend
geändert werden müssen. Die Verant-
wortung dafür liegt bei der gesamten
Gesellschaft. Ihr Interesse muss es sein,
gesunde Arbeitsbedingungen zu schaf-
fen, Frauen und Männern zu ermögli-
chen, Kinder in diese Welt zu setzen und
qualifizierten Mitarbeiterinnen die Mög-
lichkeit zu bieten, ihr Wissen und Kön-
nen zum Wohle aller anzuwenden.

Ich bin gespannt auf das Ende des heuti-
gen Abends und seine Ergebnisse. Dass
solche Veranstaltungen Erfolg haben

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4. Umsetzung des Mutterschutzgesetzes
in den Kliniken
Dr. Margrit Gotzmann, Betriebsärztin

(Der Vortrag wurde anhand der nachstehenden Folien frei gehalten und kann aus technischen Gründen leider nicht in vollem
Umfang wieder gegeben werden.)

  Rechtsgrundlagen

  •   Mutterschutzgesetz
  •   Gefahrstoffverordnung
  •   Röntgenverordnung
  •   Strahlenschutzverordnung
  •   Mutterschutzrichtlinienverordnung

  Mutterschutzgesetz § 4 (Beschäftigungsverbote)

  • Regelmäßiges Heben von Lasten > 5 kg oder
    gelegentliches Heben von Lasten > 10 kg
  • nach dem 5. Monat kein ständiges Stehen bei Beschäftigungen, die 4 h täglich
    überschreiten
  • keine Arbeiten, bei denen durch das Risiko der Entstehung einer Berufserkrankung
    eine erhöhte Gefährdung für Mutter oder Kind besteht

Hier ging es insbesondere um den Schutz vor Infektionserkrankungen (Blutkontakt, Übertragung von Krankheitserregern durch
die Luft) und Prophylaxe/ Impfraten bzw. um Risikoabschätzungen.

  GefahrstoffVO

  • Keine besonderen Grenzwerte für Schwangere oder Stillende
  • Einhaltung vorgegebener Grenzwerte unter Anlehnung an den MAK-Wert

Hinweise auf Gefahrstoffkataster und Risiko bei Zytostatika und Narkosegasen

  Ionisierende Strahlen

  • RöV § 31 a (4) oder StrISchV § 55 (4)

  Organdosis der Gebärmutter darf während der Schwangerschaft 1 mSv nicht über-
  schreiten

Hinweise auf die Novellierung der RöntgenVerordnung im Juli 2002

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MutterschutzrichtlinienVO (4/1997)

  • Beurteilung der Arbeitsbedingungen
    · Abschätzung bestehender Gefahren
    · Bestimmung von Schutzmaßnahmen
  • Bei Gefährdung Umgestaltung oder Arbeitsplatzwechsel

Hinweise auf Tätigkeitskataloge und eigenes Verfahren der Einzelberatung

  Beschäftigte der Krankenhäuser im Lande Bremen 1999

  Tätigkeit               Frauen absolut   Männer absolut     Frauenanteil in %
  Ärztlicher Dienst              473               875                   35
  Pflegedienst                 4.480               727                   81
  MTA/ Funktion                2.274               445                   84
  Verwaltung                     556               223                   76
  Sonstige                     1.307               629                   68
  Gesamt                       9.090             2.899                   76

In den großen Abteilungen gibt es wenig Probleme. Es gibt genügend „erlaubte Tätigkeiten”, so dass lediglich die Arbeit umzu-
verteilen ist. Schwieriger ist dies bei kleinen Arbeitsgruppen mit stark spezialisierten Mitarbeiterinnen.

  Ärztlnnen der Krankenhäuser im Lande Bremen 1999

  Tätigkeit               Frauen absolut   Männer absolut     Frauenanteil in %
  Leitende Funktion               5                121                    4
  Oberärztin                     54                223                   20
  Assistenzärztln m. WB         116                166                   41
  Assistenzärztln o. WB         298                365                   45
  Gesamt                        473                875                   35

Frauen wenden sich gegen Einschränkungen ihrer Tätigkeit aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Patienten und dem
Team und weil sie befürchten, dass durch Dienstumverteilung höhere Arbeitsbelastungen bzw. weitere Überstunden entstehen.
Bereichsexterne Einsatzkräfte fehlen.
Außerdem gibt es Benachteiligungen bei der Weiterbildungsplanung („Wer weiß, wie lange wir auf Sie zählen können?!”). Die
Weiterbildungspläne sind nicht transparent, weshalb Besorgnisse entstehen, die vorgeschriebenen Inhalte nicht bzw. nicht in vol-
lem Umfang vermittelt zu bekommen. Die Weiterbildungspläne müssten in stärkerem Maße die Situation berücksichtigen, die
Weiterbildungsverträge sollten über die volle Weiterbildungszeit geschlossen werden.
Angesichts des sich abzeichnenden Mangels an Arbeitskräften könnten die Arbeitgeber ihre Attraktivität für Mütter und Väter
durch eine familienfreundliche Arbeitsgestaltung erhöhen.

                                                             14
5. Mutterschutz:
Rückblick, aktueller Stand und Zukunft1
Prof. Dr. Ursula Rust, Universität Bremen

Die Liste der VeranstalterInnen ist beein-   heute an der Veranstaltung beteiligt          Auch für den Krankenhausbereich dürfte
druckend. Die Liste weist die heutige        sind. So wie sie hier heute vertreten sind,   die generelle Einschätzung zutreffend
Veranstaltung als das Ergebnis eines         waren sie vor 120 Jahren - wenn auch          sein, dass Arbeitgeber den Mutter-
Zusammenwirkens der verschiedenen an         unter einem anderen „Logo” - inhaltlich       schutz5 als Einschränkung ihrer Disposi-
der Gestaltung des Arbeitsplatzes Kran-      an der Strukturierung des Mutterschut-        tionsfreiheit erleben und organisatori-
kenhaus Beteiligten aus. Und wenn in         zes beteiligt.                                sche Probleme bemängeln, Ersatzkräfte
der Liste die Gewerbeaufsichtsämter in                                                     zu finden und außerdem die finanziellen
Bremen und Bremerhaven nicht aus-            Für den aktuellen Stand möchte ich zwei       Lasten des Mutterschutzes kritisieren.
drücklich genannt werden, sind diese         anstehende Gesetzesvorhaben aufgrei-          Auch für das Krankenhaus dürfte die Er-
Aufsichtsbehörden gleichwohl in der Dis-     fen:                                          fahrung zutreffen, dass die Kolleginnen
kussion präsent und informieren zum          - Der bundesdeutsche Gesetzgeber ist          und Kollegen die Folgen tragen, wenn
heutigen Thema mit dem vom Senator             gefordert, den arbeitsrechtlichen Stan-     durch Mutterschutz freiwerdende Ar-
für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend         dard des Mutterschutzes so zu kodifi-       beitsplätze nicht neu besetzt werden.
und Soziales der Freien Hansestadt Bre-        zieren, wie dies bisher die Recht-          Die daraus folgenden möglichen Ver-
men herausgegebenen Merkblatt2                 sprechung des Europäischen Gerichts-        schlechterungen der Konkurrenzchancen
„Mutterschutz im Krankenhaus”. Der             hofs in den vergangenen zehn Jahren         bei der Suche nach einem unbefristeten
Blick in die Dokumentation der vorange-        im Fallrecht Stück für Stück kontinuier-    Arbeitsplatz oder auch bei der innerbe-
gangenen drei Veranstaltungen zum              lich und in sich völlig schlüssig ent-      trieblichen Arbeitsplatzentwicklung ha-
Arbeitsplatz Krankenhaus3 hat für mich         wickelt hat.                                ben Frauen individuell zu tragen. Der
gezeigt, wie Sie die Möglichkeit derarti-    - Der bundesdeutsche Gesetzgeber              Gesetzgeber hat Ausgleichsmechanis-
ger Veranstaltungen zu aktuellen oder          steht aus hier nicht zu vertiefenden        men, die den betrieblichen Konflikt ent-
grundsätzlich besonders bedeutsamen            Gründen vor einer grundsätzlichen Re-       schärfen könnten, in ersten Ansätzen ge-
Themen nutzen, um im Dialog der Betei-         form des Gesundheitssystems. Gesetz-        regelt. Ein umfassendes Konzept, das
ligten Probleme zu identifizieren und Lö-      entwürfe liegen für die parlamentari-       den „Frauenbetrieb” Krankenhaus von
sungen auf den Weg zu bringen.                 sche Beratung noch nicht vor. Aus den       den überproportionalen Kosten des
                                               bisherigen Diskussionen ist aber ein-       Mutterschutzes im Vergleich zur unter-
Mein Referat zu Fragen des Arbeits-            deutig ein Thema zu identifizieren, das     proportionalen mutterschutzrechtlichen
platzes Krankenhaus hat drei Elemente,         zur heutigen Veranstaltung gehört.          Belastung von Betrieben, in denen über-
die bereits das Thema „Rückblick, aktu-        Die Privatisierung der Gesundheits-         wiegend Männer arbeiten, entlastet und
eller Stand und Zukunft” benennt, vor-         schutzes als mögliches Risiko von           die Kostentragung in einen fairen Aus-
geben. Es ist nahe liegend und inhaltlich      Schwangeren steht auf der Tages-            gleich bringen kann, ist Inhalt zum The-
auch richtig, mein Referat entsprechend        ordnung.                                    ma Zukunft.
in diese drei Bereiche zu unterteilen.
                                             Als mögliche Visionen für die Zukunft         Eckpunkte zu diesen drei Bereichen, also
Für den Rückblick benenne ich zwei Säu-      werde ich einen betrieblichen Konflikt        Rückblick, aktueller Stand und Zukunft,
len des Mutterschutzes4: die arbeits-        zum Ausgangspunkt nehmen, den Sie             habe ich jeweils in einer Folie zusam-
rechtliche Basis und den sozialrechtlichen   gerade für den Krankenhausbereich seit        mengefasst, die für die Dokumentation
Schutz. Beide Elemente haben sich weit-      langem sehr gut kennen und zu dem Sie         vorangestellt ist.
gehend parallel entwickelt. Mit dem          - soweit ich vorab ein wenig hören konn-
Rückblick werde ich auch diejenigen Ak-      te - zwar nicht einfache aber doch meist
teure benennen können, die ebenso            vernünftige Lösungen gefunden haben.

                                                               15
Mutterschutz (Arbeitsrecht)    Mutterschaftsleistungen (Sozialrecht)

                                               1878 Novelle                   1883 KVG7
                                                    Gewerbeordnung6

                                               1891 Novelle                   1892 Novelle KVG            1890 Internationale
                                                    Gewerbeordnung                                             Arbeitssschutz-
5.1. Rückblick                                                                                                 konferenz in Berlin

                                                                              1911 RVO8                   1919 ILO Übereinkommen
Arbeitsschutzgesetze hatten ihren Aus-
gangspunkt beim preußischen Regulativ          1927 Mutterschutzgesetz        1926 Änderung RVO
für die Beschäftigung jugendlicher Ar-
beitnehmer in Bergwerken und Fabriken          1942 Gesetz zum Schutze
von 1839. Anstoß für das Verbot der                 der erwerbstätigen
Kinderarbeit unter neun Jahren und der              Mutter
Begrenzung der täglichen Arbeitszeit von
                                               1952 Mutterschutzgesetz        1952 Änderung RVO
Jugendlichen unter 16 Jahren auf 10
Stunden waren Klagen des Militärs an                                          1989 RVO (nicht SGB V)9
fehlenden tauglichen Rekruten. Zahlrei-
che Ärzte waren Fürsprecher eines Kin-         1996 Änderung MuSchG                                       1992 EG-Mutterschutz-
derarbeitsschutzes10.                                                                                          richtlinie
                                               1997 Mutterschutzricht
Vierzig Jahre später wurden in Preußen              linienverordnung
                                                    MuSchRiV
1874 mit der Novelle der Gewerbeord-
nung Arbeiterinnen mit dem Verbot der          2002 Änderung MuSchG
Arbeit unter Tage in den öffentlich-
rechtlichen Arbeitsschutz einbezogen.
Die Ausdehnung fiel in die Zeit einer ge-    der kindlichen und weiblichen Arbeiter        zialversicherungsgesetze. Für die gesetz-
sellschaftlichen Diskussion über die indu-   diskutiert. Der Bericht legte die schlechte   liche Krankenversicherung wurde von
strielle Frauenarbeit. Der Schutz der Fa-    Lage dar verbunden mit Verbesserungs-         Beginn an das Risiko Mutterschutz bei
milie, die Begrenzung des Einflusses der     vorschlägen. Ergebnis war die Novelle         den Lohnersatzleistungen wie der Ver-
Gewerkschaften und der Erhalt des Ein-       der Gewerbeordnung von 1878. Sie ent-         sicherungsfall Krankheit behandelt. Wie
flusses der Kirche bestimmten die parla-     hielt die ersten mutterschutzrechtlichen      bei Krankheit gab es Lohnersatzleistungen
mentarischen Entscheidungen zum              Beschäftigungsverbote. Frauen durften         von 50 % bis maximal 75 % des durch-
Frauenarbeitsschutz.                         nach der Geburt drei Wochen nicht be-         schnittlichen Tageslohns. Sie wurden für
                                             schäftigt werden. Wochenhilfe und da-         drei Wochen Mutterschutz gezahlt.
Beim Mutterschutz war die Diskussions-       mit sozialrechtlichen Mutterschutz gab
grundlage eine andere als zum Frauen-        es noch nicht.                                Das Ausgangsniveau war bescheiden:
arbeitsschutz. Hier waren die befürwor-                                                    drei Wochen Arbeitsfreistellung nach der
tenden Akteure relativ früh Ärzte. Hin-      Dieselben gesellschaftlichen Gruppen, die     Geburt mit keineswegs ausreichender fi-
tergrund war neben der Gesundheit der        sich zunächst für die Schutzvorschriften      nanzieller Unterstützung. Sachleistungen
Mutter die Höhe der Säuglingssterblich-      eingesetzt hatten, verlangten auch eine       wurden noch nicht übernommen. Die
keit und der Anteil von Frühgeburten.        finanzielle Absicherung. Mutterschutz         gewählte Struktur, die Mutterschaft als
Auch Vertreterinnen der Frauenbewe-          ohne Wöchnerinnenunterstützung wirkt          Versicherungsfall in das von Beiträgen
gung und andere gesellschaftliche Grup-      eher als ein Fluch denn als ein Segen, so     der Arbeitgeber und Beschäftigten finan-
pen benannten den Bedarf an Mutter-          damals ein deutlicher Diskussionsbeitrag.     zierte System der gesetzlichen Kranken-
schutzgesetzgebung. 1878 wurde im            1883 war das Krankenversicherungsge-          versicherung zu integrieren, bestimmte
Reichstag eine Enquête über die Lage         setz der Einstieg in die Bismarck’schen So-   aber den Weg der Weiterentwicklung11.

                                                               16
Von einer völlig neuen Ebene kamen An-       schaft wurde 1927 in ersten Ansätzen         rungsträger geschaffen werden sollte16.
stöße für eine Verbesserung des Mutter-      eingeführt, 1942 wesentlich erweitert        Umgesetzt wurde der Ausbau der ge-
schutzes. 1890 fand in Berlin eine inter-    und 1952 für die Bundesrepublik veran-       setzlichen Krankenversicherung, wie er
nationale Arbeitsschutzkonferenz statt.      kert.                                        u.a. vom Deutschen Verein für Armen-
Gegenstand war auch der Wöchnerin-                                                        pflege gefordert worden war.
nenschutz für die in der Fabrik arbeiten-    Der erreichte arbeitsrechtliche Standard
den Frauen. Die deutsche Regierung ver-      wurde in der Krankenversicherung auf-        Und fasse ich im Rückblick die Beteilig-
trat die Auffassung, die internationale      gegriffen. Die Verlängerung der Schutz-      ten zusammen, kann ich von Beginn an
Konkurrenzfähigkeit der deutschen Be-        fristen von drei auf vier bzw. sechs Wo-     die Gruppen identifizieren, die sich heute
triebe werde durch einseitige Einrichtun-    chen wurde durch die Novelle des Kran-       unverändert für Lösungen zu Fragen des
gen des Arbeitsschutzes gefährdet12. Die     kenversicherungsgesetzes 1892 bzw.           Mutterschutzes befassen. Diese waren
teilnehmenden Staaten in Berlin fassten      1903 krankenversicherungsrechtlich um-       - Mediziner - hier mit der Präsidentin
gleichwohl zum Wöchnerinnenschutz            gesetzt. Das Wochengeld war für sechs          der Ärztekammer vertreten,
einstimmige Beschlüsse.                      Wochen in Höhe entsprechend dem              - die Frauenbewegung - hier mit der
                                             Krankengeld zu zahlen. Seit der Reichs-        Landesbeauftragten repräsentiert,
Deutschland setzte die Beschlüsse 1891       versicherungsordnung von 1911 war ein        - die Fabrikinspektion - hier zwar nicht
mit der Novelle zur Gewerbeordnung13         Wochengeld für acht Wochen zu zahlen,          unmittelbar auf dem Podium aber bei
um. Danach waren Arbeitnehmerinnen           davon mindestens sechs Wochen nach             den Teilnehmenden vertreten,
für vier Wochen nach der Geburt von          der Geburt. Erstmals wurde die Sach-         - die Krankenkassen - hier mit der Kran-
der Arbeit freizustellen. In den folgenden   leistung Mutterschaftshilfe mit der RVO        kenkassenvertretung für das Podium
zwei Wochen durften die Frauen nur           1911 als Mehrleistung eingeführt15. Seit       vorgesehen und
beschäftigt werden, wenn ein ärztliches      1926 war die Dauer des Wochengeldes          - Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite -
Zeugnis Arbeitsfähigkeit beglaubigte14.      vier Wochen vor und sechs Wochen               hier mit der Vertretung der Personal-
Die Novelle zur Gewerbeordnung 1908          nach der Geburt in Höhe des Kranken-           abteilung des ZKH St.-Jürgen-Straße
führte erstmals mutterschutzrechtliche       geldes und es gab Wochenhilfeleistun-          und mit der Moderation durch die
Vorgaben für Schwangere ein, indem die       gen.                                           Arbeitnehmerkammer vertreten.
Schutzfristen auf acht Wochen ausge-         Das mit dem Mutterschutzgesetz 1927
dehnt wurden und davon mindestens            verfolgte Ziel, den Schutz der Schwan-       Und für alle Akteurinnen und Akteure
sechs Wochen nach der Geburt, faktisch       geren zu verbessern, wurde infolge der       waren und sind bis heute unverändert
damit auch vor der Niederkunft. Die wei-     fehlenden Abstimmung des MuSchG              Standards grundlegend, wie sie nach
teren Schritte zum Ausbau des arbeits-       von 1927 und der Wochenhilfeleistun-         internationalen Verpflichtungen für den
rechtlichen Mutterschutzes waren die         gen der RVO praktisch oft vereitelt.         bundesdeutschen Gesetzgebers zu be-
Verlängerung der Schutzfristen vor und       Im Vorfeld der arbeits- und sozialrechtli-   achten sind.
nach der Geburt (1926 sechs Wochen           chen Verbesserungen fand jeweils eine        • Für den Startpunkt 1891 wirkten sich
vor und sechs Wochen nach der Geburt,        breite Debatte statt, an der sich die An-      die Beschlüsse der Berliner Konferenz
1942 außerdem acht Wochen für Stillen-       fang des 20. Jahrhunderts entstandene          aus.
de und zwölf Wochen bei Frühgeburten;        Mutterschutzbewegung intensiv betei-         • In der Weimarer Republik war dem
1952 sechs Wochen vor, acht Wochen           ligte. Forderungen nach einer „Mutter-         Übereinkommen Nr. 3 der Internatio-
nach der Geburt und zwölf Wochen bei         schaftsversicherung” wurden gestellt.          nalen Arbeitsorganisation17 über die
Früh- und Mehrgeburten). Ein Kündi-          Am meisten wurde dazu die Frage disku-         Beschäftigung der Frauen vor und
gungsschutz während der Schwanger-           tiert, ob ein eigenständiger Versiche-         nach der Niederkunft Rechnung zu

                                                               17
Überlegungen zu Reformen

                                             • Umsetzung der Richtlinie 2002/73/EG ins deutsche Arbeitsrecht
                                               Art. 2
                                               (7) Diese Richtlinie steht nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesonde-
                                               re bei Schwangerschaft und Mutterschaft, entgegen.
                                               Die ungünstigere Behandlung einer Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft
  tragen, das als eines der ersten Über-       gilt als Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie.
  einkommen der IAO am 29.10.1919
                                             • Gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI) als Vorbild bei einer Privatisierung von Tei-
  in Washington angenommen18 und               len der gesetzlichen Krankenversicherung mit Vorgaben für die Privatversicherung
  1927 vom Deutschen Reich ratifiziert
  wurde19.                                     § 8 Abs. 1SGB XI                     Die pflegerische Versorgung der Bevölkerung
• Für die Bundesrepublik Deutschland20,                                             ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
  die die Neufassung des Washingtoner          § 110 Abs. 1 Nr. 2 lit. d SGB XI     Keine Staffelung der Prämie nach Geschlecht
  Abkommens 195221 nicht ratifiziert
  hat, erfolgte gleichwohl eine umfas-         § 110 Abs. 1 Nr. 2 lit. f SGB XI     Beitragsfreie Mitversicherung der Kinder
  sende Neuregelung, die auch an Ver-
  besserungen von 1942 anknüpfte.
  Eine wesentliche Verbesserung erfolg-    Richtlinie kodifiziert u.a. Rechtsprechung     Frau im Zusammenhang mit Schwanger-
  te mit der Umsetzung der Mutter-         des Europäischen Gerichtshofs zur              schaft als Diskriminierung im Sinne die-
  schutzrichtlinie der EG 1996 und 2002.   Gleichbehandlung von Männern und               ser Richtlinie gilt. Es ist eine fiktive
  Die Hausangestellten wurden mit den      Frauen. Der Gerichtshof hat mehrfach           Gleichbehandlung, weil hier Unver-
  übrigen Arbeitnehmerinnen gleichge-      bestätigt, dass der Schutz der körperli-       gleichbares verglichen wird und so
  stellt. Die Schutzfristen für Mütter     chen Verfassung der Frau während und           gleichwohl als Diskriminierung definiert
  nach Frühgeburten sind verbessert        nach einer Schwangerschaft ein legiti-         werden kann. Männer werden mit
  worden.                                  mes, mit dem Gleichbehandlungsgrund-           schwangeren Frauen verglichen. Frauen
                                           satz von Männern und Frauen zu verein-         werden mit schwangeren Frauen vergli-
Keine Aussagen gibt das EG-Recht zur       barendes Ziel ist. Der Gerichtshof hat         chen. Wird hier wegen der Schwanger-
Frage der Finanzierung des Mutter-         außerdem ständig darüber befunden,             schaft entweder der Mann besser be-
schaftsgeldes. Dieser finanzielle Aspekt   dass die Schlechterstellung von Frauen         handelt als die Schwangere oder Frau
des Mutterschutzes ist seit langem ein     im Zusammenhang mit Schwangerschaft            besser behandelt als die Schwangere
„Spartopf” der jeweiligen Regierungen      oder Mutterschaft eine unmittelbare Dis-       liegt eine verbotene Diskriminierung vor.
gewesen. Insofern bedeutet der Rück-       kriminierung wegen des Geschlechts
blick immer die Schärfung des Blickes      darstellt. Frauen haben Anspruch auf           Welche Konsequenzen hat dies? Die Be-
dafür, wenn einmal wieder sozialrechtli-   Rückkehr an ihren früheren oder einen          weislast dazu in solchen Situationen geht
che Ansprüche auf den Prüfstand gestellt   gleichwertigen Arbeitsplatz unter Bedin-       relativ zügig auf den Arbeitgeber über,
werden. Für den Mutterschutz ist dazu      gungen, die für sie nicht ungünstiger          dass keine Benachteiligung wegen der
die verfassungsrechtliche Basis wichtig,   sind. Schwangere haben einen Anspruch          Schwangerschaft vorliegt. Ist eine Dis-
dass Mutterschutz eine Umsetzung von       darauf, dass ihnen alle Verbesserungen         kriminierung wegen der Schwanger-
Art. 6 Abs. 4 der Verfassung ist22.        der Arbeitsbedingungen zugute kom-             schaft festgestellt, verlangt die Richtlinie
                                           men, auf die sie während ihrer Abwesen-        eine wirksame, verhältnismäßige und
                                           heit Anspruch gehabt hätten.                   abschreckende Sanktion. Ausgehend da-
                                                                                          von, dass die Legislaturperiode ihr nor-
5.2. Zum Stand                             All dieses im Fallrecht zu findende Recht      males Ende finden wird, ist jetzt das
                                           ist nunmehr in dieser Richtlinie vom Sep-      Superministerium von Minister Clement
Die Europäische Gemeinschaft hat im        tember 2002 auch aufgeschrieben wor-           gefordert, die Richtlinie umzusetzen. Die
September 2002 die Richtlinie 2002/        den. Es steht unmissverständlich drin,         Frist hierfür läuft spätestens am 5. Okto-
73/EG im Amtsblatt veröffentlicht. Diese   dass die ungünstigere Behandlung einer         ber 2005 ab. Zur Umsetzung gehört m.E.

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die klare Aussage zum Diskriminierungs-         gehörigen Kinder erhalten bleiben soll.        5.3 Perspektiven
schutz Schwangerer und zwar im Wort-            Ob die für die Zeit des Mutterschutzes
laut der Gesetzes und nicht erst im Wege        bisher bestehende beitragsfreie Mitver-
der europarechtskonformen Auslegung             sicherung der Schwangeren und die in             1986 Änderung Lohnfortzahlungs-
                                                                                                      gesetz: Einführung des Um-
des deutschen Arbeitsrechts.                    dieser Zeit gewährten Mutterschafts-
                                                                                                      lageverfahrens, U2 für Klein-
                                                hilfeleistungen weiterhin zur Verfügung               betriebe
Die zweite möglicherweise anstehende            gestellt werden, wird garantiert von den-
Gesetzesänderung betrifft Privatisie-           jenigen diskutiert werden, die wenig             1996 Änderung des § 10 LFZG:
rungsbestrebungen im Gesundheitsbe-             Verständnis für den untrennbaren Zu-                  Volle Erstattung der Arbeit-
reich. Die Mutterschaftshilfe ist von Be-       sammenhang von Mutterschutz und                       geberaufwendungen      nach
ginn an eine solidarisch finanzierte Leis-      finanzieller Absicherung haben.                       dem Mutterschutzgesetz
tung der gesetzlichen Krankenversiche-
rung23. Versicherung ist Vorsorge für den       Jede Individualisierungsdebatte darüber,
Fall der Mutterschaft. Dies gilt auch heu-      dass künftig Versicherte zumindest für         Die Ungleichheit der Arbeitgeber bei der
te, wo bald die Hälfte der erwerbstätigen       einen bestimmten Teil der Gesundheits-         Finanzierung des Mutterschutzes ist in
Frauen keine Kinder bekommt. In glei-           vorsorge wählen können, ob sie sich            den Blick geraten. Die Ungleichheit wird
cher Weise finanziert die Hälfte der er-        noch zusätzlich sichern24, birgt als Risiko,   meistens im abnehmenden Anteil der
werbstätigen Männer die Schwanger-              dass auch die Vorsorge für den Fall der        Krankenkasse am Mutterschaftsgeld ge-
schaften der erwerbstätigen Frauen mit.         Schwangerschaft zur wählbaren Leistung         sehen. Ursache ist, dass die anteilige Fi-
Die anderen, die nicht Väter werden,            der Krankenversicherung wird. Es wäre          nanzierung der Krankenkasse dadurch
finanzieren die Mutterschaftshilfeleistun-      das Ende der solidarischen Finanzierung        abnimmt, dass der Anteil der Kranken-
gen mit. Könnte man hierin ein Problem          der Leistungen bei Schwangerschaft und         kasse nicht dynamisiert ist. Insofern
sehen?                                          Mutterschaft. Die gesundheitlichen Risi-       steigt kontinuierlich der Anteil der
                                                ken sind aus der Entstehungszeit der           Arbeitgeber bei der Finanzierung des
Die tradierte Sicht der Privatversicherung      Mutterschutzes bekannt.                        Mutterschaftsgeldes. Hierzu sind Verfah-
ist, dass es das individuelle Risiko der ein-                                                  ren beim Bundesverfassungsgericht an-
zelnen Frau darstellt, wenn sie schwan-         Die Privatisierungsdebatte im Gesund-          hängig. Meines Erachtens haben diese
ger wird. Versicherungsmathematisch             heitsbereich ist für den Bereich der           nicht viele Erfolgsaussichten. Vertiefen
gerechnet kennt jede Privatversicherte          Schwangerschaft aufmerksam zu verfol-          kann ich dies aber nicht und will ich es
die Folgen. Höhere Tarife für Frauen, die       gen. Privatisierung muss nicht die solida-     auch nicht.
versicherungsmathematisch für die Kran-         rische Lastentragung zur Folge haben.
kenversicherung immer wieder gerecht-           Die Pflegeversicherung zeigt Lösungen.         Eine andere Ungleichheitslage gibt m.E.
fertigt werden, beruhen darauf, dass bei        Sie gibt den privaten Leistungsanbietern       Handlungsbedarf: Es gibt Branchen, die
den Frauen das Risiko Mutterschaft mit-         Standards vor, wie der geschlechtsneu-         Frauenbranchen sind. Es gibt Tätigkeits-
berechnet wird. Die Tatsache, dass hinter       trale Tarif und die Mitversicherung der        bereiche, in denen kaum Frauen zu fin-
jeder Schwangeren auch ein Vater ste-           Kinder.                                        den sind. Die Finanzierungslast der
hen muss, scheint hier überhaupt nicht                                                         Schwangerschaft für die Beschäftigungs-
zu beeindrucken. Zurzeit wird noch                                                             verbote während der Schwangerschaft -
ziemlich eindeutig diskutiert, dass bei                                                        ein für den Krankenhausbereich zwei-
einer Gesundheitsstrukturreform zumin-                                                         felsohne eher häufig anzutreffendes
dest die Mitversicherung der familienan-                                                       Phänomen - und der Mutterschutzfristen

                                                                   19
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