Wenn Mitarbeiterinnen schwanger werden - Arbeitsplatz Krankenhaus Dokumentation der Tagung am 20. November 2002
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Arbeitsplatz Krankenhaus Wenn Mitarbeiterinnen schwanger werden ..... Dokumentation der Tagung am 20. November 2002 Freie Hansestadt Bremen
VeranstalterInnen: Ärztekammer Bremen Arbeitnehmerkammer Bremen Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau Zentralkrankenhaus Bremen-Nord Zentralkrankenhaus Bremen-Ost Zentralkrankenhaus Links der Weser Zentralkrankenhaus Reinkenheide Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße Dokumentation der Tagung am 20. November 2002 Im Zentralkrankenhaus Links der Weser, Visit Academy Herausgabe: Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) Knochenhauerstr. 20-25 28195 Bremen Tel.: 0421/361-3133 E-mail: office@frauen.bremen.de www.zgf.bremen.de Büro Bremerhaven: Schifferstr. 48 27568 Bremerhaven Tel.: 0471/596-13823 E-mail: office-brhv@frauen.bremen.de Redaktion: Birgit Gessner, ZGF; Podiumsgespräch: Iris Bleyer-Rex, Arbeitnehmerkammer Layout: Traute Melle, Bremen Druck: Druckwerkstatt Schmidtstraße, Bremen Auflage: 2000 Bremen, November 2003
Inhalt Vorwort 4 1. Begrüßung 5 Karin Röpke, Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales Angela Dick, Pflegedirektorin, ZKH Links der Weser 2. Einführung 7 Ulrike Hauffe, Landesbeauftragte für Frauen 3. Wie sieht es wirklich aus? Erfahrungen und Zahlen 9 Joanna Simm, Frauenbeauftragte ZKH Bremen-Nord 4. Umsetzung des Mutterschutzgesetzes in den Kliniken 13 Dr. Margrit Gotzmann, Betriebsärztin ZKH Links der Weser 5. Mutterschutz: Rückblick, aktueller Stand und Zukunft 15 Prof. Dr. Ursula Rust, Universität Bremen 6. Podiumsgespräch 22 Zusammenfassung Iris Bleyer-Rex, Arbeitnehmerkammer Anhang Merkblätter 23 Auszug aus dem Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter 35 Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung 39 ————————————————— Auf 2 weitere Broschüren - zu beziehen bei den Herausgebern - wird hingewiesen: Mutterschutz, Erziehungsgeld, Elternzeit, hrsg. v.d. Arbeitnehmerkammer, Juli 2001 Was Sie über Mutterschutz, Erziehungsgeld, Elternzeit wissen müssen, hrsg. v. d. ZGF und dem Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales, 2003 3
Vorwort Die Frauenbeauftragten der Zentralkrankenhäuser im Lande Bremen haben weiter erfolgreich mit der Ärztekammer , der Arbeitnehmerkammer und der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau kooperiert. Ich freue mich, mit der Veröffentlichung dieses vierten Heftes „Wenn Mitarbeiterinnen schwanger werden” die Reihe „Arbeitsplatz Krankenhaus” fortsetzen zu können. Wir möchten mit der Tagungsdokumentation und der Zusammenfassung der Bestimmungen möglichst vielen Interessentinnen und Interessenten die Bedingungen, aber auch die Probleme des Mutterschutzes bzw. die Konsequenzen für die Frauenbeschäftigung deutlich machen. Wir möchten damit zu einer Reformdiskussion anregen, denn die Folgen einer Schwangerschaft sollten nicht nur überwiegend individuell von Frauen ausgetragen werden. Im Interesse aller ist es notwendig, die „Lasten” einer Schwangerschaft - organisatorische und finanzielle Konsequenzen - in der Gesellschaft gleichmäßiger zu ver- teilen. Ulrike Hauffe Landesbeauftragte für Frauen 4
1. Begrüßung Angela Dick, freundlichen Arbeitszeiten und von Karin Röpke, Pflegedirektorin ZKH Links der Weser Schwangeren-Arbeitsplätzen. Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesund- Die Führungskräfte von heute im Kran- heit, Jugend und Soziales Sehr geehrte Frau Senatorin Röpke, kenhaus müssen besonders geschärft ihr sehr geehrte Frau Hauffe, Augenmerk richten auf die Arbeitsplatz- Sehr geehrte Damen und Herren, sehr verehrte Gäste, anforderungen für schwangere Mitarbei- terinnen. Die Beratung der schwangeren ich bedanke mich ganz herzlich für die ich freue mich, Sie heute im Zentralkran- Frau sollte ausführlich und umfassend Einladung und freue mich, dass Sie mit kenhaus Links der Weser zum Thema: erfolgen. dem heutigen Abend mit der 4. Veran- Arbeitsplatz Krankenhaus „Wenn Mitar- Hier helfen eine gute Ausbildung der staltung seit 1997 die Tradition fortsetzen, beiterinnen schwanger werden” be- Führungskräfte aber auch die gute Ko- den Arbeitsplatz Krankenhaus im Lichte grüßen zu dürfen. operation und Kommunikation mit dem der Chancengleichheit auszuleuchten. betriebsärztlichen Dienst und der Zu den wichtigsten Schutzvorschriften, Frauenbeauftragten eines Kranken- Nach den Hürden beim beruflichen Auf- die der Gesetzgeber für Frauen erlassen hauses. stieg und der Arbeitszeitflexibilität sowie hat, gehören die Regelungen zum Schut- Innovative Ausfallkonzepte und Einsatz- den Bedingungen bei der Gewährung ze der Mütter. pläne im Krankenhaus, insbesondere für von Altersteilzeit haben Sie diesmal mit Mitarbeiterinnen des Krankenpflege- dem Mutterschutz ein angeblich reines Auch wenn dieser Komplex gemeinhin und Funktionsdienstes, des ärztlichen Frauenthema zur Diskussion gestellt. mit dem Begriff „Mutterschutz” be- Dienstes, helfen, schwangere Mitarbei- zeichnet wird, geht die Beschreibung des terinnen gut in den Arbeitsalltag zu inte- Arbeitsplatz und Schwangerschaft wird schutzwürdigen Personenkreis darüber grieren. häufig noch als Frauenthema angesehen hinaus. Die heutige Veranstaltung wird einen - was unschwer an der Zahl der heute Nicht minder wichtig sind die Kinder guten Überblick verschaffen über die anwesenden männlichen Zuhörer ables- selbst. Entwicklung der Schutzgesetze und bar ist. Dabei hat dieses Thema doch Denn alle gesetzlichen Schutzmaßnah- einen Bericht geben über aktuelle Sach- schon immer nicht nur die Frauen son- men zum Wohle der Mütter oder auch stände zu Umsetzungskonzepten sowie dern auch ihre Kinder vor und nach der der Väter zielen zugleich darauf ab, den Zukunftsperspektiven. Geburt sowie die Männer, also eigentlich jungen Erdenbürgern bestmögliche Be- Für die Veranstaltung heute wünsche ich alle Mitglieder der Gesellschaft betrof- dingungen für den Start ins Lebens zu Ihnen interessante Stunden. fen. Es wird uns in Zukunft wegen des schaffen. starken Geburtenrückgangs noch in besonderem Maße beschäftigen. Im Wirtschaftsbetrieb Krankenhaus als modernem Dienstleister in der Erbrin- Die Frauenpolitik versucht, das Thema gung der Leistung Gesundheit mit mehr heute anders aufzugreifen. Gender Main- als 80 % weiblichen beschäftigten Mit- streaming heißt das neue Zauberwort arbeiterinnen verlangt die Umsetzung nicht nur in der Frauenpolitik. Gender des Mutterschutzgesetzes ein besonde- Mainstreaming besteht „in der (Re-)Or- res Umgehen mit dem Personalmanage- ganisation, Verbesserung, Entwicklung ment, der Personalentwicklung, der Ab- und Evaluierung der Entscheidungspro- stimmung von familien- bzw. frauen- zesse mit dem Ziel, dass die an politischer 5
Gestaltung beteiligten Akteure und Ak- Es sind drei Bereiche meines Ressorts Die Gewerbeaufsicht drängte bereits seit teurinnen den Blickwinkel der Gleichstel- berührt: Arbeit, Frauen und Gesundheit. langem die Krankenhäuser dazu, die ein- lung zwischen Frauen und Männern in Ich kann daher aktiv dazu beitragen, zelnen Arbeitsplätze darauf hin zu unter- allen Bereichen und auf allen Ebenen Schwierigkeiten und Widerstände zu suchen, ob und wie eine Beschäftigung einnehmen.” überwinden, die es leider noch immer Schwangerer ohne Gefährdung möglich gibt. Auf diesem Sektor muss immer ist. Diese spezielle Beurteilung der Ge- Dabei geht es um einen doppelten Zweck: noch viel bewegt und gestaltet werden. fährdung am Arbeitsplatz durch die Tätig- - Zum einen handelt es sich um eine keit werdender oder stillender Mütter ist Querschnittsaufgabe für alle Maßnah- Im Juni dieses Jahres wurde das Mutter- durch die Verordnung zum Schutz der men. schutzgesetz dahingehend geändert, Mütter am Arbeitsplatz vom 15. April - Zum anderen ist eine gezielte Förde- dass sich die Mutterschutzfrist nach der 1997 verbindlich vorgeschrieben. Im ZKH rung von Frauen in Bereichen erforder- Geburt eines Kindes von in der Regel St.Jürgen-Straße ist vorbildlich ein um- lich, in denen sie nach wie vor benach- acht Wochen in allen Fällen einer vorzei- fangreicher Tätigkeitskatalog für schwan- teiligt werden. tigen Entbindung um die Anzahl der gere Beschäftigte erarbeitet worden. Tage verlängert, die bei der sechswöchi- Diese doppelte Strategie, die im An- gen Schutzfrist vor der Entbindung nicht Eine Beratung zu allen Fragen des Mut- schluss an die Weltfrauenkonferenz in in Anspruch genommen wurde. Ferner terschutzes wird im Bereich Arbeit mei- Peking entwickelt und im europäischen wurde u.a. klargestellt, dass Beschäfti- nes Hauses durch die Gewerbeaufsicht Rahmen umgesetzt wurde, hat der Senat gungsverbote als Beschäftigungszeiten seit langem angeboten. im Februar 2002 auch hier für Bremen gelten und keine Minderung des Erho- beschlossen. lungsurlaubs rechtfertigen. Und trotzdem gibt es in diesem Bereich noch viel zu bedenken. Dies bedeutet für die Politik bei der Be- Andere kürzliche Änderungen waren z.B. - Reichen die rechtlichen Regelungen schäftigung von Frauen in Krankenhäu- die Berücksichtigung der Mutterschutz- aus? sern also, einerseits die Arbeitsbedingun- zeiten in der Arbeitslosenversicherung zu - Was können wir tun, damit Schwan- gen so zu gestalten, dass Männer und Anfang des Jahres mit dem Job-Aqtiv- gerschaft, wie Sie es formuliert haben, Frauen gleiche Chancen beim Zugang, Gesetz und der Mutterschutz für Haus- ein „normales und freudiges Ereignis” bei der Wahrnehmung ihrer Arbeits- angestellte (1997). auch für die Umgebung - d.h. Arbeit- aufgaben und beim beruflichen Aufstieg geber und KollegInnen - wird? haben. Andererseits aber sind besondere Auch in Bremen haben wir in letzter Zeit - Welche Vorschläge und politischen Maßnahmen für Frauen zu ergreifen. einiges zu diesem Thema getan (s.Anla- Konzepte hinsichtlich Schutz wie Versi- Insbesondere ist hier gesundheitspoli- ge): cherung gibt es, um die Belastung, die tisch darauf zu achten, Frauen besonders Das Gewerbeaufsichtsamt hat zusammen durch den Einzelfall entstehen kann, zu schützen. mit dem Landesgewerbearzt Merkblätter auf einen größeren Kreis von Personen für Arbeitgeber neu herausgegeben. Die oder Betrieben umzuverteilen? Dieses sind zwei Ziele der Sozialpolitik, Fachdienste für Arbeitsschutz haben In- die nicht immer gleichzeitig problemlos formationen zur Umsetzung des Mutter- Allen diesen spannenden Fragen wollen verwirklicht werden können - die sich schutzgesetzes in Betrieben und Dienst- Sie heute Abend nachgehen, und ich manchmal richtig beißen können. Dies stellen des Landes und der Stadt Bremen wünsche Ihnen dazu eine erfolgreiche ist ein klassischer und lange bekannter veröffentlicht. Veranstaltung. Zielkonflikt. 6
2. Einführung Ulrike Hauffe, Landesbeauftragte für Frauen Als wir vor 5 Jahren mit der Veranstal- wenn überall durch Arbeitsplatzbeschrei- arbeitsverbotes an Schichteinteilungen. tung „Über Hürden und Hindernisse in bungen mehr Klarheit über den Einsatz Für die Betroffenen besteht zuweilen kei- der ärztlichen Weiterbildung” begannen, der schwangeren Beschäftigten herge- ne Klarheit darüber, wann und in wel- hätten wir als Veranstalterinnen, und das stellt werden würde. cher Form Beschäftigungsverbote umge- sind alle kommunalen Krankenhäuser setzt werden. und ihre Frauenbeauftragten, die Ärzte- Ein weiteres Anliegen ist es, den organi- kammer, die Arbeitnehmerkammer und satorischen Ablauf so zu gestalten, dass Ich höre schon die Stimmen: Wir würden die Bremische Zentralstelle für die Ver- es nicht zu Personalengpässen kommt. ja gern rechtzeitig Maßnahmen ergrei- wirklichung der Gleichberechtigung der Dies kann bedeuten: Rechtzeitige Um- fen, aber... Natürlich gehören dazu auch Frau, nicht gedacht, dass wir auf ein so setzung, Planung von „Schwangeren- Mittel, um andere und vor allem zusätz- starkes Interesse stoßen würden. An reserven” - alle Zentralkrankenhäuser liche Personalkapazitäten zur Verfügung einigen der damals - auch überregional - haben immerhin mindestens 30 Schwan- zu stellen. In Zeiten so knapper Mittel aufgeworfenen Fragen sind wir heute gere pro Jahr - , Beschaffung von Ersatz- scheint es fast verwegen, solche Forde- noch „dran” und werden nicht locker kräften oder aber Änderung der Arbeits- rungen zu stellen. lassen in unserem Bemühen, die Lage abläufe. Wir müssen erreichen, dass es der beschäftigten Frauen in den Kran- hier nicht immer wieder im Einzelfall zu Ich meine aber, solche Zeiten zwingen kenhäusern zu verbessern. Ich freue Friktionen kommt. auch dazu, über grundsätzlichere Verän- mich sehr, dass dies dazu geführt hat, derungen nachzudenken. Die politische dass wir mit Veranstaltung Nummer 4 Schon bei unserer ersten Tagung haben Konzeption für den Mutterschutz um- nun schon gewissermaßen auf die Tra- wir gehört, vor welchen individuellen fasst nicht nur den Arbeitsschutz, son- dition einer Veranstaltungsreihe „Ar- Konflikten Schwangere stehen können, dern auch umfangreiche finanzielle Be- beitsplatz Krankenhaus” zurückblicken wenn sie sich keinen zufriedenstellen- reiche, die durch Versicherungsschutz können. den, organisatorischen Lösungen gegen- und finanzielle Umverteilung abgedeckt über sehen. Solange sie ihre Schwanger- sind. Unser heutiges Thema „Schwanger- schaft nicht mitteilen, können sie verhin- schaft” ging auch damals schon in die dern, dass Maßnahmen von Seiten des Wir sind an die gegenwärtige Form der Diskussion ein - allerdings nur bezogen Arbeitgebers ergriffen werden. Gleich- „Lastenverteilung” gewöhnt, sollten uns auf Ärztinnen. Ziel aller unserer Veran- zeitig entstehen dabei gesundheitliche jedoch nicht scheuen, Fragen zu stellen. staltungen war und ist es, gemeinsam Gefährdungen, besonders für die Unge- Warum müssen beispielsweise die Kran- nach Lösungen für Probleme zu suchen borenen. Es wäre gut, die Situationen so kenhäuser als große Arbeitgeber für oder zu Verabredungen der Beteiligten zu gestalten, dass solche Möglichkeiten Frauen einen so hohen Kostenanteil für zu kommen, wie künftig am besten ver- gar nicht erst in Erwägung gezogen wür- die Allgemeinheit tragen, während an- fahren werden kann. So wurde beispiels- den. dere, die überwiegend Männer beschäf- weise 1997 beschlossen, für schwangere tigen, kostenfrei bleiben? Warum gibt es Ärztinnen Arbeitsplatzbeschreibungen Die Praxis der Beschäftigungsverbote ist für kleine Betriebe ein Umlageverfahren zu erstellen. Unterstützt von der senato- ein viel diskutiertes, aber unerforschtes und für große nicht? Hier wären Visio- rischen Behörde ist dies in einigen Thema. Die niedergelassenen Ärzte ken- nen für eine künftige Gestaltung zu ent- Krankenhäusern inzwischen geschehen. nen nicht immer alle gesetzlichen Rege- wickeln. In anderen ist immerhin mittlerweile das lungen. Es gibt eine Diskussion um die neue Merkblatt des Gewerbeaufsichts- teilweise Aufhebung von Schutzvor- Beginnen wir aber zunächst damit, was amtes erhältlich. Ich würde mich freuen, schriften, z.B. zur Anpassung des Nacht- ist. 7
Frau Simm schildert uns die Erfahrungen der Frauenbeauftragten und stellt uns den quantitativen Umfang in den Kran- kenhäusern dar. Besonders interessant dabei ist, wie verschieden die Häuser mit den Problemen umgehen. Frau Dr. Gotzmann wird uns aus der Sicht der Betriebsärztin über die Praxis der Umsetzung in den Kliniken berich- ten. Frau Professor Dr. Ursula Rust wird uns einen Rückblick geben auf die Geschich- te des Mutterschutzes und seinen aktu- ellen Stand. Sie wird uns dann heran- führen an heutige Überlegungen zu sei- ner Neugestaltung. Anschließend wollen wir in der Podiums- diskussion gemeinsam Lösungsmöglich- keiten erörtern und Verabredungen zwi- schen den Beteiligten treffen. Ich wünsche uns allen eine spannende Veranstaltung. 8
3. Wie sieht es wirklich aus? Erfahrungen und Zahlen Joanna Simm, Frauenbeauftragte ZKH Bremen-Nord Viele unserer Beratungsgespräche als Du Dich an den Tag erinnern, als ich Dir Und ich kann jede einzelne Reaktion ver- Frauenbeauftragte drehen sich um Fra- mitteilte, dass ich schwanger bin? “ „Ja, stehen, denn von Unflexibilität kann in gen des Mutterschutzes, der Elternzeit so in etwa,” antwortete ich. “Ich war so Krankenhäusern wahrhaftig keine Rede und des anschließenden Wiedereinstiegs enttäuscht von deiner Reaktion”, fährt sein. Das stellen die vielen Mitarbeiterin- in das Berufsleben. Uns fiel es schwer, in sie fort. “Weißt Du noch, was du als nen jeden Tag erneut unter Beweis, die unseren Planungsgesprächen unser Au- erstes getan hast? Du bist aufgestanden kurzfristig bei Engpässen einspringen. genmerk nur auf den Mutterschutz zu und hast den Dienstplan geholt. Kein Wann hat sie Geburtstermin, und nach- richten. Die drei genannten Bereiche sind Wort der Freude darüber, dass ich dem ich den hörte, war mir klar: sie hat nicht voneinander zu trennen, fließen sie schwanger bin, keine Gratulation, nichts uns sehr spät unterrichtet... doch ineinander über und bedingen sich dergleichen. Nur der Dienstplan war Dir gegenseitig... Schwangerschaft ist ei- wichtig...” Sie war die zweite schwangere Kollegin gentlich nicht herauszulösen aus dem in diesem Jahr und noch gar nicht soo Gesamtzusammenhang des Lebens, der Sie hatte recht, genauso war meine Re- lange bei uns beschäftigt. Erst kürzlich, Arbeitswelt und den gesamtgesellschaft- aktion. Ich sehe die Situation in unserem nach einem Einsatz auf der Wochensta- lichen Rahmenbedingungen. Sie ist ein Aufenthaltsraum auch heute noch vor tion, war sie zu uns in den Kreißsaal ge- Teil in einem Puzzle, das wir in unserer mir, als sei es gestern gewesen... kommen. Sie war so glücklich darüber, Vorbereitung versuchten zu ordnen. Meine ersten Gedanken waren tatsäch- nun „richtig” in der Geburtshilfe zu ar- Vielleicht ist sie auch nur die Spitze eines lich: beiten. Und ich wusste, sie würde nur Eisberges - ein anderes Bild, das uns dazu · Ich muss sie aus der Nachtwache neh- ungern zurückgehen auf die Wochen- in den Sinn kam, weil wir uns nur mit men. station, die für unsere Schwangeren die diesem einen Bereich, nämlich der · Wann ist sie dafür eingeteilt? “Ausweichstation” war. Schwangerschaft, in dieser Veranstal- · Wie und auf wen verteile ich die tung beschäftigen wollten.. Nächte? Ich fühlte mich unwohl nach diesem Ge- · Wie viele Spätdienste (immerhin bis spräch, konnte ihre Enttäuschung so gut 23.00 Uhr in unserem Bereich) hat sie verstehen, ärgerte mich über mich selbst Mein Beitrag ist überschrieben: noch in diesem Monat, an wie vielen und nahm mir vor, in Zukunft anders zu Wie sieht es wirklich aus? Erfahrungen Wochenenden arbeitet sie? reagieren. und Zahlen · Der Dienstplan für den kommenden Keine Angst! Ich werde sie nicht mit Sta- Monat muss nun auch wieder umge- Hier endet der kurze Rückblick auf mein tistiken und Zahlenkolonnen langweilen. stellt werden, gerade erst haben wir persönliches Erlebnis. Lassen Sie mich kurz eine eigene Erfah- ihn mit Mühe fertig bekommen... rung schildern. Das Ereignis liegt gute 7 · Die anderen Kolleginnen müssen an- Jahre zurück. Ich war zu der Zeit leitende gerufen und über die Dienstplanände- Die weiteren Schilderungen stammen Hebamme im Zentralkrankenhaus Bre- rungen informiert werden. aus den anderen Krankenhäusern, wur- men- Nord. den aber von jeder Frauenbeauftragten Ich treffe auf der Geburtstagsfeier einer Jede von Ihnen hier in diesem Raum, zu so oder ziemlich ähnlich in der eigenen gemeinsamen Kollegin eine Hebamme, deren alltäglichem Geschäft solche Tele- Klinik erlebt. die einige Monate zuvor ihr erstes Kind fonate gehören, kennt die Reaktionspa- Ich habe bis zum Schluss gearbeitet, be- bekommen hatte. lette, die von: „klar, gar kein Problem” richtet eine Krankenschwester, ich hatte “Du, Joanna” sagt sie, “was ich Dir im- bis zu „da kann ich nicht einspringen, ich überhaupt keine Probleme, aber die Kol- mer noch mal erzählen wollte: Kannst musste schon so häufig tauschen” reicht. legInnen waren auch sehr rücksichtsvoll; 9
wir sind eben einfach ein tolles Team, in Und ob ich unter diesen Umständen vor sich sehen, und auch das Wissen dem viel Rücksicht aufeinander genom- eine Vertragsverlängerung bekomme... darum, dass die Nacht- und Bereit- men wird. schaftsdienste von den anderen mit Na ja, wenn wir an die eine Kollegin den- übernommen werden müssen. Heute bin ich klüger, berichtete eine ken, die war schon sehr schwanger und Kollegin, es wäre besser gewesen, wenn erwartete viel Rücksichtnahme. Die durchaus richtige Haltung und Aus- man mich aus dem Bereich versetzt hät- sage: „Eine Schwangerschaft ist keine te. Ich habe mir doch zuviel zugemutet Wer denkt eigentlich an uns als Familien- Krankheit” wird, so meine Erfahrung, so- und gedacht, ich müsste durchhalten. väter? lautet die Frage eines Arztes. fort und mit entsprechendem Kopf- Eine Krankenschwester mit heute er- Die übliche Anzahl der Bereitschafts- nicken bestätigt. In Vergessenheit gera- wachsenem Kind machte sich nach der dienste ist schon hart an der Grenze. Je- ten - so mein Eindruck - ist die früher Frühgeburt damals noch längere Zeit der weitere Dienst heißt auch, eine häufig benutzte Redewendung: Sie ist in Gedanken dazu, ob ihr Verbleiben im OP Nacht weniger zu Hause zu sein, einen anderen Umständen. Mit dieser Be- - auf eigenen Wunsch - die Ursache für Abend weniger mit den Kindern zu ver- schreibung verbinde ich automatisch: die vorzeitige Niederkunft war. bringen. Ja, ich weiß, das gleiche gilt für Diese Frau bedarf der besonderen Für- Frauen... sorge. Und nicht nur auf sie, sondern Die Aussage eines Chefarztes: Natürlich ebenso auf das Ungeborene beziehen beschäftige ich gern Frauen in meinem Warum gibt es immer noch Frauen, die sich die Vorschriften des Mutterschutz- Bereich. Aber was mache ich, wenn sie ihre Schwangerschaft sehr spät anzei- gesetzes. Durch unsere unterstützenden schwanger werden. Sie wissen, dass wir gen, haben wir uns gefragt. Gespräche, z.B. mit Vorgesetzten oder in nicht so schnell Ersatz bekommen, und dem einen oder anderen Fall mit der Per- dass sie uns nicht nur als Operateurinnen Die Gründe dafür sind vielfältig: sonalabteilung, wurden andere Arbeits- fehlen. Der Betrieb läuft doch weiter und · Es ist die Furcht vor der Reaktion des plätze gefunden, an denen sich die bei ihrer Rückkehr wollen sie dann nur Vorgesetzten. Schwangeren - unerwarteterweise - im noch Teilzeit arbeiten. Die Kontinuität · Rücksichtnahme auf die Kolleginnen: Nachhinein doch viel wohler fühlten als und der Informationsfluss im Klinikalltag Man will sie nicht zu früh mit Bereit- an dem ursprünglichen. leiden darunter. Ja, wenn ich sofort schafts- und Nachtdiensten belasten, Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass Unterstützung bekäme... Da könnten Sie die sie “für einen” übernehmen müs- es uns insbesondere in den helfenden mal für uns tätig werden! sen. Berufen schwer fällt, die Fürsorge der · Rücksichtnahme auf sich selbst: Man anderen anzunehmen und um Hilfe zu Eine Ärztin: Mein Arbeitsvertrag läuft möchte gerne noch Spätdienste, aber bitten, wenn wir an den Rand unserer nur wenige Monate nach dem Entbin- auch Nachtdienste machen, um mor- Kräfte geraten. Die anderen könnten das dungstermin aus. Ich würde gerne meine gens nicht so früh aufstehen zu müs- als Schwäche auslegen, haben sich Weiterbildung fortsetzen, aber wenn ich sen. “nicht so angestellt”, arbeiteten und noch stille nach einigen Monaten, passt · Die Schwangere weiß, dass sie den Ar- funktionierten bis zum Erreichen des das nicht zu den Bereitschaftsdiensten. beitsplatz wechseln müsste, möchte Mutterschutzes. Wie soll ich heute schon abschätzen, ob aber gern im KollegInnenkreis bleiben Ein Teufelskreis, so möchte ich die bisher mein Kind mich doch länger zu Hause und nicht in ein ihr unbekanntes Team für alle Beteiligten unbefriedigende Si- braucht... Meine Familie wohnt doch wechseln. tuation beschreiben. Denn betroffen sind nicht hier, und gänzlich fremden Men- · Insbesondere bei Ärztinnen ist es der alle davon, die Schwangere, die Kolle- schen so früh mein Kind zu überlassen... “automatische” Karriereknick, den sie gInnen, die Vorgesetzen und die Arbeit- 10
geberseite, die bei einem entsprechen- Stoffen, die Krankheitserreger übertra- · Sofortiger Ersatz bei Beginn der Mut- den finanziellen Ausgleich gern sofort für gen können, das Arbeiten mit stechen- terschutzfrist. Ersatzkräfte sorgen würde, so die Aus- den und schneidenden Instrumenten. sage unserer Personalleiterin. Nicht uner- Wenn ein direkter Kontakt mit Körper- „Traumvorstellungen” werden manche wähnt lassen möchte ich an dieser Stelle, flüssigkeiten oder -geweben möglich ist, von Ihnen sagen. Wie sollen wir das dass es auch schon Neueinstellungen dürfen werdende und stillende Mütter denn in der heutigen Zeit, in der Minis- oder Aushilfen vor Beendigung der Mut- hier nicht beschäftigt werden. terin Schmidt den Krankenhäusern eine terschutzfristen gab, aber eben nicht Nullrunde abverlangt, in der die Regie- grundsätzlich und immer erst nach z.T. Es bleiben, wie man dieser Auflistung rung in allen Bereichen zusätzliche Belas- zähen Verhandlungen. entnehmen kann, eigentlich nur wenige tungen wie Abgaben und Steuern ein- Sie erinnern sich an meine erste Reak- Bereiche übrig, in denen Schwangere führt oder erhöht, in die Tat umsetzen? tion, die sicherlich nicht typisch für ande- und Stillende ohne Einschränkungen in In der die Krankenkassen mit ihren Ein- re Bereichs- und Stationsleitungen ist, einem Krankenhaus weiterarbeiten kön- künften angeblich auch nicht mehr aus- wie ich aus vielen Gesprächen weiß. Ty- nen. kommen... pisch ist aber, dass mehr als 80 % der Be- Lassen Sie mich weiter “träumen”: schäftigten in Kliniken Frauen sind, und Dem müsste doch Rechnung getragen Wenn wir auch in Zukunft qualifizierte dort grundsätzlich mit einer höheren Ra- werden, war unser Fazit, das wir als Frauen in den unterschiedlichsten Be- te von Schwangeren zu rechnen ist als in Frauenbeauftragte zogen. Eine Institu- rufsfeldern in Krankenhäusern beschäfti- Betrieben, in denen das Verhältnis zwi- tion, die im Bereich Gesundheitswesen gen wollen, dann sind adäquate Kinder- schen Männern und Frauen ein ausgegli- angesiedelt ist, sollte Vorbildcharakter betreuungsmöglichkeiten und eine diffe- cheneres ist bzw. in dem der überwie- haben. Wer, wenn nicht wir, sollten für renzierte Personalentwicklungspolitik gende Teil männliche Arbeitnehmer sind. Schwangere gute Arbeitsbedingungen unerlässlich. Daneben geht es um ange- Weiterhin typisch ist, dass der Arbeits- bieten können, in denen sie all das vor- messene Gehälter, die es Frauen ermög- platz Krankenhaus mit sich bringt, dass finden, was für die Schwangerschaft und lichen, ohne weitere Unterstützung sei- die im Mutterschutzgesetz dezidiert auf- Stillzeit für alle Frauen gelten sollte. tens des Staates, den wir alle finanzieren, geführten Beschäftigungsverbote und - Beruf und Familie miteinander zu verein- einschränkungen für fast jede Schwan- Die Rahmenbedingungen sollten ihnen baren. An dieser Aufzählung wird deut- gere in einem Krankenhaus gelten und folgendes ermöglichen : lich, dass es sich um unterschiedliche An- Anwendung finden. Als da wären: · Rechtzeitig kundzutun, dass sie sprechpartner handelt, die gefordert Nachtarbeit, Mehrarbeit, Sonn- und schwanger sind, denn es gibt umge- sind, sich Gedanken zu machen und sich Feiertagsarbeit, Heben und Tragen von hend Ersatz bzw. Unterstützung für einzumischen. Lasten per Hand von mehr als 5 kg Ge- den Bereich, in dem sie tätig sind. Wie soll das gehen, wer lädt wen zu wicht oder gelegentlich mehr als 10 kg, · Anpassung der Arbeitszeit an ihre Be- einem Gespräch ein, wer fühlt sich zu- häufiges Strecken, Heben, Bücken z.B. dürfnisse, natürlich im Rahmen des ständig? beim Lagern von PatientInnen, beim gültigen Mutterschutzgesetzes. Eini- Vielleicht kommen wir mit unseren Über- Bettenmachen und bestimmten Reini- gen würde es z.B. helfen, später anzu- legungen ja gerade zur rechten Zeit. gungsarbeiten, Unfallgefahren in der fangen, gerade in den ersten Wochen, Gerade gestern stellte sich die durch Bäderabteilung oder in der Spülküche, wenn manche noch unter der mor- Ministerin Schmidt einberufene Rürup - ionisierende Strahlen bei Röntgenauf- gendlichen Übelkeit leiden. Kommission vor. Am Ende dieses Abends nahmen, Narkosegase, Reinigungs- und · Bessere Rücksichtnahme auf Stillzei- sind wir vielleicht soweit, ihr Vorschläge Desinfektionsmittel, Beschäftigung mit ten unterbreiten zu können, wie wir uns die 11
Berücksichtigung dieses Themas und die können, haben wir nach unserer ersten künftige Finanzierung vorstellen. Zu den in dieser Reihe erlebt, die den Titel trug: anderen Aspekten müssen die Standes- Hürden und Hindernisse in der ärztlichen vertretungen, die Gewerkschaften, die Weiterbildung. In fast allen Häusern gibt Arbeitgeberseite und die Krankenkassen es mittlerweile sogenannte Positivlisten, ihren Beitrag leisten. bzw. Arbeitsplatzbeschreibungen, auf Das uns zur Verfügung stehende Zahlen- die zurückgegriffen wird, wenn eine Frau material war der Unterschiedlichkeit we- schwanger ist. Wir haben uns über die- gen nicht direkt miteinander vergleich- sen Erfolg gefreut. bar. Die Prozentanteile der totalen Be- Ich wünsche mir und uns allen, dass wir schäftigungsverbote der verschiedenen vielleicht sogar schon bei unserer näch- Krankenhäuser lagen zwischen 2,8% sten gemeinsamen Veranstaltung von und 31,8%, die der uns nur zum Teil ebenso positiven Entwicklungen bezüg- vorliegenden teilweisen Beschäftigungs- lich der Ergebnisse des heutigen Abends verbote zwischen 2,7 und 63 %. berichten können. Trotzdem sprechen die Zahlen eine deut- liche Sprache. Diese Arbeitskräfte fehlen in der täglichen Versorgung. Und wir fin- den es einfach nicht gerecht und hin- nehmbar, dass die anderen Mitarbei- terInnen ständig diese Ausfallzeiten mit- zutragen haben; insbesondere in der heutigen Zeit der großen Personal- knappheit. Und ausgehen müssen wir davon, dass wir einen noch größeren Stellenabbau erleben. Wie das gehen soll, weiß ich zwar nicht, was ich aber weiß ist, dass diese Zustände dringend geändert werden müssen. Die Verant- wortung dafür liegt bei der gesamten Gesellschaft. Ihr Interesse muss es sein, gesunde Arbeitsbedingungen zu schaf- fen, Frauen und Männern zu ermögli- chen, Kinder in diese Welt zu setzen und qualifizierten Mitarbeiterinnen die Mög- lichkeit zu bieten, ihr Wissen und Kön- nen zum Wohle aller anzuwenden. Ich bin gespannt auf das Ende des heuti- gen Abends und seine Ergebnisse. Dass solche Veranstaltungen Erfolg haben 12
4. Umsetzung des Mutterschutzgesetzes in den Kliniken Dr. Margrit Gotzmann, Betriebsärztin (Der Vortrag wurde anhand der nachstehenden Folien frei gehalten und kann aus technischen Gründen leider nicht in vollem Umfang wieder gegeben werden.) Rechtsgrundlagen • Mutterschutzgesetz • Gefahrstoffverordnung • Röntgenverordnung • Strahlenschutzverordnung • Mutterschutzrichtlinienverordnung Mutterschutzgesetz § 4 (Beschäftigungsverbote) • Regelmäßiges Heben von Lasten > 5 kg oder gelegentliches Heben von Lasten > 10 kg • nach dem 5. Monat kein ständiges Stehen bei Beschäftigungen, die 4 h täglich überschreiten • keine Arbeiten, bei denen durch das Risiko der Entstehung einer Berufserkrankung eine erhöhte Gefährdung für Mutter oder Kind besteht Hier ging es insbesondere um den Schutz vor Infektionserkrankungen (Blutkontakt, Übertragung von Krankheitserregern durch die Luft) und Prophylaxe/ Impfraten bzw. um Risikoabschätzungen. GefahrstoffVO • Keine besonderen Grenzwerte für Schwangere oder Stillende • Einhaltung vorgegebener Grenzwerte unter Anlehnung an den MAK-Wert Hinweise auf Gefahrstoffkataster und Risiko bei Zytostatika und Narkosegasen Ionisierende Strahlen • RöV § 31 a (4) oder StrISchV § 55 (4) Organdosis der Gebärmutter darf während der Schwangerschaft 1 mSv nicht über- schreiten Hinweise auf die Novellierung der RöntgenVerordnung im Juli 2002 13
MutterschutzrichtlinienVO (4/1997) • Beurteilung der Arbeitsbedingungen · Abschätzung bestehender Gefahren · Bestimmung von Schutzmaßnahmen • Bei Gefährdung Umgestaltung oder Arbeitsplatzwechsel Hinweise auf Tätigkeitskataloge und eigenes Verfahren der Einzelberatung Beschäftigte der Krankenhäuser im Lande Bremen 1999 Tätigkeit Frauen absolut Männer absolut Frauenanteil in % Ärztlicher Dienst 473 875 35 Pflegedienst 4.480 727 81 MTA/ Funktion 2.274 445 84 Verwaltung 556 223 76 Sonstige 1.307 629 68 Gesamt 9.090 2.899 76 In den großen Abteilungen gibt es wenig Probleme. Es gibt genügend „erlaubte Tätigkeiten”, so dass lediglich die Arbeit umzu- verteilen ist. Schwieriger ist dies bei kleinen Arbeitsgruppen mit stark spezialisierten Mitarbeiterinnen. Ärztlnnen der Krankenhäuser im Lande Bremen 1999 Tätigkeit Frauen absolut Männer absolut Frauenanteil in % Leitende Funktion 5 121 4 Oberärztin 54 223 20 Assistenzärztln m. WB 116 166 41 Assistenzärztln o. WB 298 365 45 Gesamt 473 875 35 Frauen wenden sich gegen Einschränkungen ihrer Tätigkeit aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Patienten und dem Team und weil sie befürchten, dass durch Dienstumverteilung höhere Arbeitsbelastungen bzw. weitere Überstunden entstehen. Bereichsexterne Einsatzkräfte fehlen. Außerdem gibt es Benachteiligungen bei der Weiterbildungsplanung („Wer weiß, wie lange wir auf Sie zählen können?!”). Die Weiterbildungspläne sind nicht transparent, weshalb Besorgnisse entstehen, die vorgeschriebenen Inhalte nicht bzw. nicht in vol- lem Umfang vermittelt zu bekommen. Die Weiterbildungspläne müssten in stärkerem Maße die Situation berücksichtigen, die Weiterbildungsverträge sollten über die volle Weiterbildungszeit geschlossen werden. Angesichts des sich abzeichnenden Mangels an Arbeitskräften könnten die Arbeitgeber ihre Attraktivität für Mütter und Väter durch eine familienfreundliche Arbeitsgestaltung erhöhen. 14
5. Mutterschutz: Rückblick, aktueller Stand und Zukunft1 Prof. Dr. Ursula Rust, Universität Bremen Die Liste der VeranstalterInnen ist beein- heute an der Veranstaltung beteiligt Auch für den Krankenhausbereich dürfte druckend. Die Liste weist die heutige sind. So wie sie hier heute vertreten sind, die generelle Einschätzung zutreffend Veranstaltung als das Ergebnis eines waren sie vor 120 Jahren - wenn auch sein, dass Arbeitgeber den Mutter- Zusammenwirkens der verschiedenen an unter einem anderen „Logo” - inhaltlich schutz5 als Einschränkung ihrer Disposi- der Gestaltung des Arbeitsplatzes Kran- an der Strukturierung des Mutterschut- tionsfreiheit erleben und organisatori- kenhaus Beteiligten aus. Und wenn in zes beteiligt. sche Probleme bemängeln, Ersatzkräfte der Liste die Gewerbeaufsichtsämter in zu finden und außerdem die finanziellen Bremen und Bremerhaven nicht aus- Für den aktuellen Stand möchte ich zwei Lasten des Mutterschutzes kritisieren. drücklich genannt werden, sind diese anstehende Gesetzesvorhaben aufgrei- Auch für das Krankenhaus dürfte die Er- Aufsichtsbehörden gleichwohl in der Dis- fen: fahrung zutreffen, dass die Kolleginnen kussion präsent und informieren zum - Der bundesdeutsche Gesetzgeber ist und Kollegen die Folgen tragen, wenn heutigen Thema mit dem vom Senator gefordert, den arbeitsrechtlichen Stan- durch Mutterschutz freiwerdende Ar- für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend dard des Mutterschutzes so zu kodifi- beitsplätze nicht neu besetzt werden. und Soziales der Freien Hansestadt Bre- zieren, wie dies bisher die Recht- Die daraus folgenden möglichen Ver- men herausgegebenen Merkblatt2 sprechung des Europäischen Gerichts- schlechterungen der Konkurrenzchancen „Mutterschutz im Krankenhaus”. Der hofs in den vergangenen zehn Jahren bei der Suche nach einem unbefristeten Blick in die Dokumentation der vorange- im Fallrecht Stück für Stück kontinuier- Arbeitsplatz oder auch bei der innerbe- gangenen drei Veranstaltungen zum lich und in sich völlig schlüssig ent- trieblichen Arbeitsplatzentwicklung ha- Arbeitsplatz Krankenhaus3 hat für mich wickelt hat. ben Frauen individuell zu tragen. Der gezeigt, wie Sie die Möglichkeit derarti- - Der bundesdeutsche Gesetzgeber Gesetzgeber hat Ausgleichsmechanis- ger Veranstaltungen zu aktuellen oder steht aus hier nicht zu vertiefenden men, die den betrieblichen Konflikt ent- grundsätzlich besonders bedeutsamen Gründen vor einer grundsätzlichen Re- schärfen könnten, in ersten Ansätzen ge- Themen nutzen, um im Dialog der Betei- form des Gesundheitssystems. Gesetz- regelt. Ein umfassendes Konzept, das ligten Probleme zu identifizieren und Lö- entwürfe liegen für die parlamentari- den „Frauenbetrieb” Krankenhaus von sungen auf den Weg zu bringen. sche Beratung noch nicht vor. Aus den den überproportionalen Kosten des bisherigen Diskussionen ist aber ein- Mutterschutzes im Vergleich zur unter- Mein Referat zu Fragen des Arbeits- deutig ein Thema zu identifizieren, das proportionalen mutterschutzrechtlichen platzes Krankenhaus hat drei Elemente, zur heutigen Veranstaltung gehört. Belastung von Betrieben, in denen über- die bereits das Thema „Rückblick, aktu- Die Privatisierung der Gesundheits- wiegend Männer arbeiten, entlastet und eller Stand und Zukunft” benennt, vor- schutzes als mögliches Risiko von die Kostentragung in einen fairen Aus- geben. Es ist nahe liegend und inhaltlich Schwangeren steht auf der Tages- gleich bringen kann, ist Inhalt zum The- auch richtig, mein Referat entsprechend ordnung. ma Zukunft. in diese drei Bereiche zu unterteilen. Als mögliche Visionen für die Zukunft Eckpunkte zu diesen drei Bereichen, also Für den Rückblick benenne ich zwei Säu- werde ich einen betrieblichen Konflikt Rückblick, aktueller Stand und Zukunft, len des Mutterschutzes4: die arbeits- zum Ausgangspunkt nehmen, den Sie habe ich jeweils in einer Folie zusam- rechtliche Basis und den sozialrechtlichen gerade für den Krankenhausbereich seit mengefasst, die für die Dokumentation Schutz. Beide Elemente haben sich weit- langem sehr gut kennen und zu dem Sie vorangestellt ist. gehend parallel entwickelt. Mit dem - soweit ich vorab ein wenig hören konn- Rückblick werde ich auch diejenigen Ak- te - zwar nicht einfache aber doch meist teure benennen können, die ebenso vernünftige Lösungen gefunden haben. 15
Mutterschutz (Arbeitsrecht) Mutterschaftsleistungen (Sozialrecht) 1878 Novelle 1883 KVG7 Gewerbeordnung6 1891 Novelle 1892 Novelle KVG 1890 Internationale Gewerbeordnung Arbeitssschutz- 5.1. Rückblick konferenz in Berlin 1911 RVO8 1919 ILO Übereinkommen Arbeitsschutzgesetze hatten ihren Aus- gangspunkt beim preußischen Regulativ 1927 Mutterschutzgesetz 1926 Änderung RVO für die Beschäftigung jugendlicher Ar- beitnehmer in Bergwerken und Fabriken 1942 Gesetz zum Schutze von 1839. Anstoß für das Verbot der der erwerbstätigen Kinderarbeit unter neun Jahren und der Mutter Begrenzung der täglichen Arbeitszeit von 1952 Mutterschutzgesetz 1952 Änderung RVO Jugendlichen unter 16 Jahren auf 10 Stunden waren Klagen des Militärs an 1989 RVO (nicht SGB V)9 fehlenden tauglichen Rekruten. Zahlrei- che Ärzte waren Fürsprecher eines Kin- 1996 Änderung MuSchG 1992 EG-Mutterschutz- derarbeitsschutzes10. richtlinie 1997 Mutterschutzricht Vierzig Jahre später wurden in Preußen linienverordnung MuSchRiV 1874 mit der Novelle der Gewerbeord- nung Arbeiterinnen mit dem Verbot der 2002 Änderung MuSchG Arbeit unter Tage in den öffentlich- rechtlichen Arbeitsschutz einbezogen. Die Ausdehnung fiel in die Zeit einer ge- der kindlichen und weiblichen Arbeiter zialversicherungsgesetze. Für die gesetz- sellschaftlichen Diskussion über die indu- diskutiert. Der Bericht legte die schlechte liche Krankenversicherung wurde von strielle Frauenarbeit. Der Schutz der Fa- Lage dar verbunden mit Verbesserungs- Beginn an das Risiko Mutterschutz bei milie, die Begrenzung des Einflusses der vorschlägen. Ergebnis war die Novelle den Lohnersatzleistungen wie der Ver- Gewerkschaften und der Erhalt des Ein- der Gewerbeordnung von 1878. Sie ent- sicherungsfall Krankheit behandelt. Wie flusses der Kirche bestimmten die parla- hielt die ersten mutterschutzrechtlichen bei Krankheit gab es Lohnersatzleistungen mentarischen Entscheidungen zum Beschäftigungsverbote. Frauen durften von 50 % bis maximal 75 % des durch- Frauenarbeitsschutz. nach der Geburt drei Wochen nicht be- schnittlichen Tageslohns. Sie wurden für schäftigt werden. Wochenhilfe und da- drei Wochen Mutterschutz gezahlt. Beim Mutterschutz war die Diskussions- mit sozialrechtlichen Mutterschutz gab grundlage eine andere als zum Frauen- es noch nicht. Das Ausgangsniveau war bescheiden: arbeitsschutz. Hier waren die befürwor- drei Wochen Arbeitsfreistellung nach der tenden Akteure relativ früh Ärzte. Hin- Dieselben gesellschaftlichen Gruppen, die Geburt mit keineswegs ausreichender fi- tergrund war neben der Gesundheit der sich zunächst für die Schutzvorschriften nanzieller Unterstützung. Sachleistungen Mutter die Höhe der Säuglingssterblich- eingesetzt hatten, verlangten auch eine wurden noch nicht übernommen. Die keit und der Anteil von Frühgeburten. finanzielle Absicherung. Mutterschutz gewählte Struktur, die Mutterschaft als Auch Vertreterinnen der Frauenbewe- ohne Wöchnerinnenunterstützung wirkt Versicherungsfall in das von Beiträgen gung und andere gesellschaftliche Grup- eher als ein Fluch denn als ein Segen, so der Arbeitgeber und Beschäftigten finan- pen benannten den Bedarf an Mutter- damals ein deutlicher Diskussionsbeitrag. zierte System der gesetzlichen Kranken- schutzgesetzgebung. 1878 wurde im 1883 war das Krankenversicherungsge- versicherung zu integrieren, bestimmte Reichstag eine Enquête über die Lage setz der Einstieg in die Bismarck’schen So- aber den Weg der Weiterentwicklung11. 16
Von einer völlig neuen Ebene kamen An- schaft wurde 1927 in ersten Ansätzen rungsträger geschaffen werden sollte16. stöße für eine Verbesserung des Mutter- eingeführt, 1942 wesentlich erweitert Umgesetzt wurde der Ausbau der ge- schutzes. 1890 fand in Berlin eine inter- und 1952 für die Bundesrepublik veran- setzlichen Krankenversicherung, wie er nationale Arbeitsschutzkonferenz statt. kert. u.a. vom Deutschen Verein für Armen- Gegenstand war auch der Wöchnerin- pflege gefordert worden war. nenschutz für die in der Fabrik arbeiten- Der erreichte arbeitsrechtliche Standard den Frauen. Die deutsche Regierung ver- wurde in der Krankenversicherung auf- Und fasse ich im Rückblick die Beteilig- trat die Auffassung, die internationale gegriffen. Die Verlängerung der Schutz- ten zusammen, kann ich von Beginn an Konkurrenzfähigkeit der deutschen Be- fristen von drei auf vier bzw. sechs Wo- die Gruppen identifizieren, die sich heute triebe werde durch einseitige Einrichtun- chen wurde durch die Novelle des Kran- unverändert für Lösungen zu Fragen des gen des Arbeitsschutzes gefährdet12. Die kenversicherungsgesetzes 1892 bzw. Mutterschutzes befassen. Diese waren teilnehmenden Staaten in Berlin fassten 1903 krankenversicherungsrechtlich um- - Mediziner - hier mit der Präsidentin gleichwohl zum Wöchnerinnenschutz gesetzt. Das Wochengeld war für sechs der Ärztekammer vertreten, einstimmige Beschlüsse. Wochen in Höhe entsprechend dem - die Frauenbewegung - hier mit der Krankengeld zu zahlen. Seit der Reichs- Landesbeauftragten repräsentiert, Deutschland setzte die Beschlüsse 1891 versicherungsordnung von 1911 war ein - die Fabrikinspektion - hier zwar nicht mit der Novelle zur Gewerbeordnung13 Wochengeld für acht Wochen zu zahlen, unmittelbar auf dem Podium aber bei um. Danach waren Arbeitnehmerinnen davon mindestens sechs Wochen nach den Teilnehmenden vertreten, für vier Wochen nach der Geburt von der Geburt. Erstmals wurde die Sach- - die Krankenkassen - hier mit der Kran- der Arbeit freizustellen. In den folgenden leistung Mutterschaftshilfe mit der RVO kenkassenvertretung für das Podium zwei Wochen durften die Frauen nur 1911 als Mehrleistung eingeführt15. Seit vorgesehen und beschäftigt werden, wenn ein ärztliches 1926 war die Dauer des Wochengeldes - Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite - Zeugnis Arbeitsfähigkeit beglaubigte14. vier Wochen vor und sechs Wochen hier mit der Vertretung der Personal- Die Novelle zur Gewerbeordnung 1908 nach der Geburt in Höhe des Kranken- abteilung des ZKH St.-Jürgen-Straße führte erstmals mutterschutzrechtliche geldes und es gab Wochenhilfeleistun- und mit der Moderation durch die Vorgaben für Schwangere ein, indem die gen. Arbeitnehmerkammer vertreten. Schutzfristen auf acht Wochen ausge- Das mit dem Mutterschutzgesetz 1927 dehnt wurden und davon mindestens verfolgte Ziel, den Schutz der Schwan- Und für alle Akteurinnen und Akteure sechs Wochen nach der Geburt, faktisch geren zu verbessern, wurde infolge der waren und sind bis heute unverändert damit auch vor der Niederkunft. Die wei- fehlenden Abstimmung des MuSchG Standards grundlegend, wie sie nach teren Schritte zum Ausbau des arbeits- von 1927 und der Wochenhilfeleistun- internationalen Verpflichtungen für den rechtlichen Mutterschutzes waren die gen der RVO praktisch oft vereitelt. bundesdeutschen Gesetzgebers zu be- Verlängerung der Schutzfristen vor und Im Vorfeld der arbeits- und sozialrechtli- achten sind. nach der Geburt (1926 sechs Wochen chen Verbesserungen fand jeweils eine • Für den Startpunkt 1891 wirkten sich vor und sechs Wochen nach der Geburt, breite Debatte statt, an der sich die An- die Beschlüsse der Berliner Konferenz 1942 außerdem acht Wochen für Stillen- fang des 20. Jahrhunderts entstandene aus. de und zwölf Wochen bei Frühgeburten; Mutterschutzbewegung intensiv betei- • In der Weimarer Republik war dem 1952 sechs Wochen vor, acht Wochen ligte. Forderungen nach einer „Mutter- Übereinkommen Nr. 3 der Internatio- nach der Geburt und zwölf Wochen bei schaftsversicherung” wurden gestellt. nalen Arbeitsorganisation17 über die Früh- und Mehrgeburten). Ein Kündi- Am meisten wurde dazu die Frage disku- Beschäftigung der Frauen vor und gungsschutz während der Schwanger- tiert, ob ein eigenständiger Versiche- nach der Niederkunft Rechnung zu 17
Überlegungen zu Reformen • Umsetzung der Richtlinie 2002/73/EG ins deutsche Arbeitsrecht Art. 2 (7) Diese Richtlinie steht nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesonde- re bei Schwangerschaft und Mutterschaft, entgegen. Die ungünstigere Behandlung einer Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft tragen, das als eines der ersten Über- gilt als Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie. einkommen der IAO am 29.10.1919 • Gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI) als Vorbild bei einer Privatisierung von Tei- in Washington angenommen18 und len der gesetzlichen Krankenversicherung mit Vorgaben für die Privatversicherung 1927 vom Deutschen Reich ratifiziert wurde19. § 8 Abs. 1SGB XI Die pflegerische Versorgung der Bevölkerung • Für die Bundesrepublik Deutschland20, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe die die Neufassung des Washingtoner § 110 Abs. 1 Nr. 2 lit. d SGB XI Keine Staffelung der Prämie nach Geschlecht Abkommens 195221 nicht ratifiziert hat, erfolgte gleichwohl eine umfas- § 110 Abs. 1 Nr. 2 lit. f SGB XI Beitragsfreie Mitversicherung der Kinder sende Neuregelung, die auch an Ver- besserungen von 1942 anknüpfte. Eine wesentliche Verbesserung erfolg- Richtlinie kodifiziert u.a. Rechtsprechung Frau im Zusammenhang mit Schwanger- te mit der Umsetzung der Mutter- des Europäischen Gerichtshofs zur schaft als Diskriminierung im Sinne die- schutzrichtlinie der EG 1996 und 2002. Gleichbehandlung von Männern und ser Richtlinie gilt. Es ist eine fiktive Die Hausangestellten wurden mit den Frauen. Der Gerichtshof hat mehrfach Gleichbehandlung, weil hier Unver- übrigen Arbeitnehmerinnen gleichge- bestätigt, dass der Schutz der körperli- gleichbares verglichen wird und so stellt. Die Schutzfristen für Mütter chen Verfassung der Frau während und gleichwohl als Diskriminierung definiert nach Frühgeburten sind verbessert nach einer Schwangerschaft ein legiti- werden kann. Männer werden mit worden. mes, mit dem Gleichbehandlungsgrund- schwangeren Frauen verglichen. Frauen satz von Männern und Frauen zu verein- werden mit schwangeren Frauen vergli- Keine Aussagen gibt das EG-Recht zur barendes Ziel ist. Der Gerichtshof hat chen. Wird hier wegen der Schwanger- Frage der Finanzierung des Mutter- außerdem ständig darüber befunden, schaft entweder der Mann besser be- schaftsgeldes. Dieser finanzielle Aspekt dass die Schlechterstellung von Frauen handelt als die Schwangere oder Frau des Mutterschutzes ist seit langem ein im Zusammenhang mit Schwangerschaft besser behandelt als die Schwangere „Spartopf” der jeweiligen Regierungen oder Mutterschaft eine unmittelbare Dis- liegt eine verbotene Diskriminierung vor. gewesen. Insofern bedeutet der Rück- kriminierung wegen des Geschlechts blick immer die Schärfung des Blickes darstellt. Frauen haben Anspruch auf Welche Konsequenzen hat dies? Die Be- dafür, wenn einmal wieder sozialrechtli- Rückkehr an ihren früheren oder einen weislast dazu in solchen Situationen geht che Ansprüche auf den Prüfstand gestellt gleichwertigen Arbeitsplatz unter Bedin- relativ zügig auf den Arbeitgeber über, werden. Für den Mutterschutz ist dazu gungen, die für sie nicht ungünstiger dass keine Benachteiligung wegen der die verfassungsrechtliche Basis wichtig, sind. Schwangere haben einen Anspruch Schwangerschaft vorliegt. Ist eine Dis- dass Mutterschutz eine Umsetzung von darauf, dass ihnen alle Verbesserungen kriminierung wegen der Schwanger- Art. 6 Abs. 4 der Verfassung ist22. der Arbeitsbedingungen zugute kom- schaft festgestellt, verlangt die Richtlinie men, auf die sie während ihrer Abwesen- eine wirksame, verhältnismäßige und heit Anspruch gehabt hätten. abschreckende Sanktion. Ausgehend da- von, dass die Legislaturperiode ihr nor- 5.2. Zum Stand All dieses im Fallrecht zu findende Recht males Ende finden wird, ist jetzt das ist nunmehr in dieser Richtlinie vom Sep- Superministerium von Minister Clement Die Europäische Gemeinschaft hat im tember 2002 auch aufgeschrieben wor- gefordert, die Richtlinie umzusetzen. Die September 2002 die Richtlinie 2002/ den. Es steht unmissverständlich drin, Frist hierfür läuft spätestens am 5. Okto- 73/EG im Amtsblatt veröffentlicht. Diese dass die ungünstigere Behandlung einer ber 2005 ab. Zur Umsetzung gehört m.E. 18
die klare Aussage zum Diskriminierungs- gehörigen Kinder erhalten bleiben soll. 5.3 Perspektiven schutz Schwangerer und zwar im Wort- Ob die für die Zeit des Mutterschutzes laut der Gesetzes und nicht erst im Wege bisher bestehende beitragsfreie Mitver- der europarechtskonformen Auslegung sicherung der Schwangeren und die in 1986 Änderung Lohnfortzahlungs- gesetz: Einführung des Um- des deutschen Arbeitsrechts. dieser Zeit gewährten Mutterschafts- lageverfahrens, U2 für Klein- hilfeleistungen weiterhin zur Verfügung betriebe Die zweite möglicherweise anstehende gestellt werden, wird garantiert von den- Gesetzesänderung betrifft Privatisie- jenigen diskutiert werden, die wenig 1996 Änderung des § 10 LFZG: rungsbestrebungen im Gesundheitsbe- Verständnis für den untrennbaren Zu- Volle Erstattung der Arbeit- reich. Die Mutterschaftshilfe ist von Be- sammenhang von Mutterschutz und geberaufwendungen nach ginn an eine solidarisch finanzierte Leis- finanzieller Absicherung haben. dem Mutterschutzgesetz tung der gesetzlichen Krankenversiche- rung23. Versicherung ist Vorsorge für den Jede Individualisierungsdebatte darüber, Fall der Mutterschaft. Dies gilt auch heu- dass künftig Versicherte zumindest für Die Ungleichheit der Arbeitgeber bei der te, wo bald die Hälfte der erwerbstätigen einen bestimmten Teil der Gesundheits- Finanzierung des Mutterschutzes ist in Frauen keine Kinder bekommt. In glei- vorsorge wählen können, ob sie sich den Blick geraten. Die Ungleichheit wird cher Weise finanziert die Hälfte der er- noch zusätzlich sichern24, birgt als Risiko, meistens im abnehmenden Anteil der werbstätigen Männer die Schwanger- dass auch die Vorsorge für den Fall der Krankenkasse am Mutterschaftsgeld ge- schaften der erwerbstätigen Frauen mit. Schwangerschaft zur wählbaren Leistung sehen. Ursache ist, dass die anteilige Fi- Die anderen, die nicht Väter werden, der Krankenversicherung wird. Es wäre nanzierung der Krankenkasse dadurch finanzieren die Mutterschaftshilfeleistun- das Ende der solidarischen Finanzierung abnimmt, dass der Anteil der Kranken- gen mit. Könnte man hierin ein Problem der Leistungen bei Schwangerschaft und kasse nicht dynamisiert ist. Insofern sehen? Mutterschaft. Die gesundheitlichen Risi- steigt kontinuierlich der Anteil der ken sind aus der Entstehungszeit der Arbeitgeber bei der Finanzierung des Die tradierte Sicht der Privatversicherung Mutterschutzes bekannt. Mutterschaftsgeldes. Hierzu sind Verfah- ist, dass es das individuelle Risiko der ein- ren beim Bundesverfassungsgericht an- zelnen Frau darstellt, wenn sie schwan- Die Privatisierungsdebatte im Gesund- hängig. Meines Erachtens haben diese ger wird. Versicherungsmathematisch heitsbereich ist für den Bereich der nicht viele Erfolgsaussichten. Vertiefen gerechnet kennt jede Privatversicherte Schwangerschaft aufmerksam zu verfol- kann ich dies aber nicht und will ich es die Folgen. Höhere Tarife für Frauen, die gen. Privatisierung muss nicht die solida- auch nicht. versicherungsmathematisch für die Kran- rische Lastentragung zur Folge haben. kenversicherung immer wieder gerecht- Die Pflegeversicherung zeigt Lösungen. Eine andere Ungleichheitslage gibt m.E. fertigt werden, beruhen darauf, dass bei Sie gibt den privaten Leistungsanbietern Handlungsbedarf: Es gibt Branchen, die den Frauen das Risiko Mutterschaft mit- Standards vor, wie der geschlechtsneu- Frauenbranchen sind. Es gibt Tätigkeits- berechnet wird. Die Tatsache, dass hinter trale Tarif und die Mitversicherung der bereiche, in denen kaum Frauen zu fin- jeder Schwangeren auch ein Vater ste- Kinder. den sind. Die Finanzierungslast der hen muss, scheint hier überhaupt nicht Schwangerschaft für die Beschäftigungs- zu beeindrucken. Zurzeit wird noch verbote während der Schwangerschaft - ziemlich eindeutig diskutiert, dass bei ein für den Krankenhausbereich zwei- einer Gesundheitsstrukturreform zumin- felsohne eher häufig anzutreffendes dest die Mitversicherung der familienan- Phänomen - und der Mutterschutzfristen 19
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