MEERESATLAS Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean 2017

Die Seite wird erstellt Lucas Busse
 
WEITER LESEN
MEERESATLAS Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean 2017
MEERESATLAS
Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean   2017
IMPRESSUM

Der MEERESATLAS 2017 ist ein Kooperationsprojekt von
Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein,
Heinrich-Böll-Stiftung (Bundesstiftung),
Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“ und
Le Monde diplomatique.

Redaktionsleitung: Ulrich Bähr, Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein

Wissenschaftlich verantwortlich:
Dr. Ulrike Kronfeld-Goharani, Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
Peter Wiebe, Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein

Grafikkoordination: Natascha Pösel

Projektmanagement:
Ulrich Bähr, Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein
Annette Maennel, Heinrich-Böll-Stiftung (Bundesstiftung)

Text: Natascha Pösel, Ulrich Bähr, Dr. Ulrike Kronfeld-Goharani
Art-Direktion, Illustration und Herstellung: Petra Böckmann
Dokumentation: Alina Dallmann, Lara Behling
Die Beiträge geben nicht notwendig die Ansicht aller Partnerorganisationen wieder.

Titelfoto: Shutterstock

V. i. S.d. P.: Heino Schomaker, Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein

1. Auflage. Mai 2017

Produktionsplanung: Elke Paul, Heinrich-Böll-Stiftung (Bundesstiftung)

Druck: Bonifatius GmbH – Druck | Buch | Verlag, Paderborn
Klimaneutral gedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

Dieses Werk steht unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – 4.0 international“ (CC BY 4.0).
Der Text der Lizenz ist unter http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/de/legalcode abrufbar.
Eine Zusammenfassung (kein Ersatz) ist unter http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de/ nachzulesen.

BESTELL- UND DOWNLOAD-ADRESSEN
Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein, Heiligendammer Str. 15, 24106 Kiel, www.meeresatlas.org
Heinrich-Böll-Stiftung (Bundesstiftung), Schumannstraße 8, 10117 Berlin, www.boell.de/meeresatlas
Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“, Olshausenstr. 40, 24098 Kiel, www.futureocean.org
MEERESATLAS
 Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean

                     1. AUFLAGE
                         2017
INHALT

    2 IMPRESSUM                                                   18 DAS MIKROPLASTIKPROBLEM
                                                                     Im Meer treibende Plastikteile sind nur das sichtbare
    6 VORWORT                                                        Zeichen eines sehr viel größeren Problems. Denn nur
                                                                     0,5 Prozent des Plastikmülls finden sich in den Müll­
 8 ZWÖLF KURZE LEKTIONEN                                             strudeln. Der Löwenanteil des Plastiks, das ins Meer
		 ÜBER DAS MEER UND DIE MENSCHEN                                    gelangt, lagert sich am Tiefseeboden ab.

                                                                  20 VIELFALT UND EINFALT
                                                                     Invasive Arten, die vor allem durch die internationale
                                                                     Seefahrt in fremde Ökosysteme gelangen, verdrängen
                                                                     einheimische Arten. Weitere Störfaktoren wie die Oze­
                                                                     anerwärmung schwächen zudem die Widerstands­
                                                                     kraft der Organismen gegen Umweltveränderungen.
                                                                     Besonders schmerzlich: Der Verlust genetischer Viel­
                                                                     falt ist nicht mehr rückgängig zu machen.

10 FISCH – BALD AUSVERKAUFT?                                      22 DER OZEAN BREMST DEN KLIMAWANDEL
      Die Lage vieler Fischbestände ist dramatisch: Viele            Ohne die klimaregulierende Funktion des Ozeans wäre
      sind erschöpft, viele von der industriellen Fischerei          unsere Welt eine andere – vor allem wäre sie wärmer.
      bis an ihre Grenzen ausgebeutet. Das trifft besonders          Der Ozean speichert Wärme und CO2 in großen Men­
      Menschen in ärmeren Ländern, die von der traditio­             gen und verlangsamt so den Klimawandel. Und damit
      nellen Fischerei vor ihren Küsten leben. Fangquoten            auch seine Folgen – gut für uns. Doch der Ozean und
      und Schutzgebiete werden von der illegalen, nicht ge­          seine Ökosysteme nehmen erheblichen Schaden.
      meldeten und unregulierten Fischerei unterlaufen –
      sie ist für fast ein Drittel des globalen Fischfangs ver­   24 HERAUSFORDERUNG MEERESSPIEGEL
      antwortlich.                                                   Die Meere erwärmen sich, der Meeresspiegel steigt –
                                                                     jedoch nicht überall im gleichen Maße. Gerade Inseln
12 HOFFNUNG AUS DER FISCHFARM?                                       und Küstengebiete in der südlichen Hemisphäre sind
      Die Hälfte des Fischs, der auf den Tellern der Welt lan­       besonders betroffen, viele werden schon heute von
      det, stammt heute bereits aus der Aquakultur. Doch             ihren Einwohnern verlassen. Doch das ist erst der An­
      nicht nachhaltige Zucht entlastet den Wildfang nicht           fang – noch mehr Menschen könnten zur Flucht ge­
      und sorgt für erhebliche Umweltbelastungen. Kann               zwungen werden.
      der steigende Bedarf an Fisch und Meeresfrüchten
      also gedeckt werden, ohne gravierende Umweltschä­           26 LEBEN IN DER RISIKOZONE
      den anzurichten?                                               Die Mehrzahl der größten Metropolen der Welt liegt
                                                                     an Küsten, viele davon an Flussdeltas. Dort ist das
14 DÜNGER FÜR DIE TODESZONEN                                         Risiko, von Naturkatastrophen getroffen zu werden,
      Durch den enormen Einsatz von Kunstdünger und                  besonders hoch. Dennoch hält der Boom der Mega­
      Gülle in der industrialisierten Landwirtschaft gelan­          citys in Wasserlage unvermindert an – entsprechen­
      gen Unmengen von Nitraten und Phosphaten über                  den Küstenschutz können sich aber nur reiche Staaten
      Flüsse in die Küstengewässer und erzeugen dort star­           leisten.
      kes Algenwachstum. Dadurch können riesige Todeszo­
      nen entstehen, in denen es keinen Sauerstoff und kein       28 DIE ZUKUNFT WIRD SAURER
      Leben mehr gibt.                                               Die Meere versauern in einer erdhistorisch bislang un­
                                                                     bekannten Geschwindigkeit. Zu schnell für viele Orga­
16 MÜLL UND GIFT IM MEER                                             nismen, um sich noch anpassen zu können. Besonders
      Wir benutzen den Ozean als Müllkippe. Besonders die            kalkbildende Arten wie Muscheln, Schnecken und Ko­
      Küstengebiete sind davon betroffen. Die Quellen des            rallen sind betroffen – in saureren Gewässern fällt es
      Mülls sind vielfältig, die Auswirkungen auf die betrof­        ihnen schwer, ihre Schutzhüllen zu bilden. Aber auch
      fenen Ökosysteme immens.                                       der Nachwuchs von Fischen ist bedroht.

4                                                                                                        M EERES ATL AS 2017
30 AUSBEUTUNG UND SCHUTZGEBIETE                                   42 LEBEN MIT DEM MEER
       Die Idee, dass das Meer geschützt werden muss, ist            Das Meer gibt uns vieles, wir sind für unser Leben auf
       jung. Schon unsere Ahnen betrieben bedenkenlos                es angewiesen. Wenn wir auch in Zukunft von seinen
       Raubbau, auch am Leben im Meer. In der Vergangen­             Gaben profitieren wollen, sollten wir unser Verhalten
       heit ist ein Reichtum an Meeresleben verlorengegan­           gegenüber dem großzügigen „aquatischen Kontinent“
       gen, den wir uns heute kaum noch vorstellen können.           ändern. Und nicht nur darum. Eine Übersicht.
       Erst in den letzten 30 Jahren hat die Fläche der Schutz­
       gebiete deutlich zugenommen – doch es ist immer            44 DIE WELT MUSS GEMEINSAM HANDELN:
       noch nur ein Bruchteil der Gesamtfläche.                   		 FÜR EINE NEUE GOVERNANCE DER OZEANE
                                                                     Es gibt keine ganzheitlichen, der Komplexität der
32 WEM GEHÖRT DAS MEER?                                              marinen Ökosysteme gerecht werdenden globa­
       Winzige, unbewohnte Inseln, die tausende Kilometer            len Strategien. Die Meere gehören zu den heute am
       entfernt von ihrem Mutterland liegen, gewinnen heu­           wenigsten geschützten und verantwortungsvoll ver­
       te geostrategischen Wert: Durch sie können Staaten            walteten Gebieten der Erde. Das muss sich angesichts
       ihr Einflussgebiet ausweiten. Voraussetzung ist die           der Bedeutung der Meere schnell ändern.
       Lage auf einem kontinentalen Festlandsockel.

34 WELTHUNGER NACH ROHSTOFFEN
       Große Bergbauunternehmen greifen im Verbund mit
       Industriestaaten nach den Schätzen der Tiefsee. Welt­
       marktpreise und sinkende Akzeptanz für den Berg­
       bau an Land lassen das aufwändige Geschäft lukrativ
       werden. Der Beginn der Ausbeutung der bisher kaum
       berührten Tiefen droht, noch bevor die ökologischen
       und sozialen Folgen ausreichend erforscht sind.

36 WO LIEGT DIE ZUKUNFT?
       Erneuerbare Energie aus dem Meer macht vielen Hoff­
       nung: Hier könnte die Zukunft der Energieversorgung
       liegen. Es locken unerschlossene Vorkommen fossiler
       Brennstoffe, doch ihre Erschließung birgt Risiken – be­
       kannte wie bei der Förderung von Erdöl aus der Tiefsee
       und unbekannte wie beim Abbau von Methanhydrat.

38 DAS MEER ALS KULISSE
       Urlaub am und auf dem Wasser boomt. Die Kreuz­
       fahrtschiffe werden immer größer, immer mehr Küs­
       ten werden in Freizeitlandschaften verwandelt. Doch
       was bedeutet das für die Natur und für die Menschen,
       die die Urlaubs-Maschinerie am Laufen halten?

40 WELTHANDEL UND PREISKAMPF                                      46 QUELLEN VON DATEN, KARTEN
       Die internationale Seefahrt ist der Motor der Welt­        		 UND GRAFIKEN
       wirtschaft. Doch seit 2008 steckt sie in einer tiefen
       Krise: Frachtpreise sind ins Bodenlose gefallen und        49 EXPERTINNEN UND EXPERTEN
       Reederei-Multis liefern sich einen Preiskampf, den nur
       wenige überstehen werden. Doch was geschieht mit           50 ÜBER UNS
       den überflüssig gewordenen Riesenfrachtern?

M EERE S AT L A S 2017                                                                                                   5
VORWORT

    O
             zeane bedecken mehr als zwei Drittel    Schutzabkommen und Vereinbarungen veran­
             unseres Planeten und nehmen – dreidi­   kert, mit dem Ziel, uns und den kommenden
             mensional betrachtet – ein gewaltiges   Generationen ein Leben im Gleichgewicht mit
    Volumen ein, von dem vieles noch unentdeckt      der Natur zu ermöglichen und die Gesundheit
    ist. Sie sind reich an Ressourcen, bieten den    und Integrität der globalen Ökosysteme zu
    Menschen Nahrung, Energie und Mineralien.        sichern und partiell wiederherzustellen.
    Auf den Meeren transportieren wir Güter zwi­
    schen den Kontinenten. Meere sind zentral für    So fordern beispielsweise die Mitgliedsstaaten
    die Stabilität unseres Klimas und des Wetters.   der Vereinten Nationen im Abschlussdoku­
                                                     ment der Konferenz Rio+20 im Jahr 2012 ganz­-
    Ohne die Meere gäbe es den heutigen Reich­       heitliche und integrierte Ansätze für nach­
    tum und Wohlstand nicht, den Teile der           haltige Entwicklung und einen nachhaltigen
    Weltbevölkerung genießen. Doch die Zukunft       Umgang mit den Meeren. Die Forschung
    dieser einzigartigen Ökosysteme ist stark        hat sich über die letzten Dekaden besser
    gefährdet. Denn das jahrhundertelang gelten­     aufgestellt, um das System Ozean besser zu
    de Prinzip von der „Freiheit der Meere“, das     verstehen und Lösungen für einen nachhal­
    jedem und jeder unbegrenzten Zugang zur          tigen Umgang mit dem Ozean zu entwickeln.
    Nutzung des Ozeans und seiner Ressourcen         Auch die 2015 von den Vereinten Nationen
    ermöglichte, hat zu Überfischung, Verlust        verabschiedete Agenda 2030 für nachhaltige
    der Artenvielfalt und Meeresverschmutzung        Entwicklung trägt der Bedeutung der Meere
    geführt.                                         Rechnung. Von den 17 nachhaltigen Entwick­
                                                     lungszielen (Sustainable Development Goals,
    Unsere Meere und Küsten als wichtiger Teil       SDG) widmet sich SDG 14 dem Ozean. Um
    unserer Umwelt brauchen dringend Schutz.         dieses Ziel zu erreichen, bedarf es gewaltiger
    Auf internationaler Ebene sind dazu erste An­    Anstrengungen in der institutionellen Zu­
    sätze zu erkennen. Das Konzept der Nachhal­      sammenarbeit für die Umsetzung nationaler,
    tigkeit wird immer mehr in internationalen       regionaler und globaler Aktionspläne.

6                                                                                    M EERES ATL AS 2017
D
       iese Maßnahmen können langfristig aber         Dirk Sc h eelje
       nur dann Erfolg haben, wenn sie von            Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung
       breiten Schichten der Gesellschaft unter­      Schleswig-Holstein
stützt werden. Expertinnen und Experten aus
der Forschung und Verantwortliche aus Politik         Ba rba ra Un m ü ß ig
und Wirtschaft sind genauso gefragt wie die           Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung
Akteurinnen und Akteure der Zivilgesellschaft,
jede Bürgerin und jeder Bürger.                       Ma r t in Vis bec k
                                                      Sprecher des Kieler Exzellenzclusters
Hier setzt der vorliegende Atlas an. Er möchte        „Ozean der Zukunft“
einen Beitrag leisten und die wichtige Rolle der
Meere und ihrer Ökosysteme herausstellen – nicht
nur für die Menschen an den Küsten, sondern für
uns alle. Welche Reichtümer und welchen Wohl­
stand verschafft uns der Ozean? Wie gehen wir
mit diesen Ressourcen um? Wie steht es um die
Gesundheit der marinen Ökosysteme, und was
sind die größten Bedrohungen? Wie wirkt sich
der vom Menschen verursachte Klimawandel auf
Meere und Küsten aus? Welcher Zusammenhang
besteht zwischen einer nachhaltigeren Nutzung
mariner Ressourcen und Änderungen in unseren
Produktions- und Konsummustern?

Wir hoffen, mit dem Atlas Impulse für eine breite­
re gesellschaftliche und politische Diskussion über
die Bedeutung des Ozeans als lebenswichtiges
System und die Möglichkeiten zu seinem Schutz
anzuregen.

M EERE S AT L A S 2017                                                                        7
12 KURZE LEKTIONEN

    ÜBER DAS MEER UND DIE MENSCHEN
          1    Das Meer ist die LEBENSGRUNDLAGE EINER WACHSENDEN WELTBEVÖLKERUNG.
               Weltweit decken 2,9 Milliarden Menschen 20 Prozent ihres Proteinbedarfs
               durch Fisch. Das Klima auf der Erde wird im Wesentlichen von der Wechsel-
               wirkung zwischen Atmosphäre und Ozean bestimmt. Ohne das Meer können
               wir auf diesem Planeten nicht überleben.

                           2   Das Meer hat großen Stress durch unterschiedliche Faktoren.
                               Nicht nur ein Problem, sondern ein ganzes Krisenbündel sorgt
                               für diese Situation. WIR HABEN EINE MEERESKRISE!

                                    3   Der Ozean bedeckt 71 Prozent des Globus.
                                        DIE MEERE LEIDEN DURCH DEN KLIMAWANDEL.
                                        Versauerung, Erwärmung und Meeresspiegelanstieg
                                        verändern bereits Lebensräume. Der globale Meeres-
                                        spiegel ist in den letzten hundert Jahren um 20 cm
                                        gestiegen. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte es
                                        ein Meter werden.

       4 WIR NEHMEN MEHR, ALS DAS MEER GEBEN KANN.
          Durch starke Übernutzung treiben wir Raubbau am
          Meer. Beispielsweise durch Überfischung – 90 Prozent
          der globalen Fischbestände sind maximal genutzt
          oder bereits überfischt. Besonders besorgniserregend
          ist die Abnahme der biologischen Vielfalt.

                       5 WIR BENUTZEN DAS MEER ALS MÜLLKIPPE.
                          Das Meer nimmt viel auf – mehr als es
                          vertragen kann: Treibhausgase, Gülle und
                          Dünger, Plastikmüll, Ölverschmutzungen
                          und vieles andere. Die Zerstörung von
                          marinen Ökosystemen ist die Folge.

         6 UNSERE VERBINDUNG ZUM MEER IST OFT UNSICHTBAR. Was wir essen,
              womit wir unsere Zähne putzen, wohin wir verreisen, welche Kleidung
              wir tragen – all das hat Auswirkungen auf das Meer.

8                                                                             M EERES ATL AS 2017
MEERESATLAS 2017
                           12   Vieles bewegt sich in die richtige Richtung. Die Meereskrise rückt
                                in den Blickpunkt. Menschen auf der ganzen Welt beginnen, ihr
                                Verhalten und ihren Konsum zu ändern. Die Staatengemeinschaft
                                macht sich mit der Ozeankonferenz in New York 2017 auf den Weg,
                                den MEERESSCHUTZ GEMEINSAM ZU VERWIRKLICHEN.

                                           11   Der Ozean ist weltumspannend. Aber ES GIBT KEINE
                                                OBERSTE INTERNATIONALE BEHÖRDE, DIE wirklich für
                                                den Schutz des ganzen Meeres VERANTWORTLICH IST.
                                                Die Folge sind verschachtelte Zuständigkeiten, lücken-
   10     Machen wir weiter wie                 haftes Recht und Schlupflöcher.
          bisher, werden viele
          Menschen ihre Lebens-
          grundlage verlieren.
          DIE ÄRMSTEN SIND AM
          STÄRKSTEN BETROFFEN.
          Migration ist oft der
          letzte Ausweg.

                                     9 ES WÄRE GENUG FÜR ALLE DA. Ein nachhaltiger
                                        und gerechter Umgang mit den natürlichen
                                        Ressourcen des Meeres ist möglich.
                                        Voraussetzungen sind ein bewusster Konsum,
                                        eine faire Verteilung und ein kluges Fischerei-
                                        management.

                                                               8   Viele GEHEIMNISSE DER TIEFSEE
                                                                   sind noch unerforscht. Durch
                                                                   Tiefseebergbau vernichten wir
                7                                                  möglicherweise Ökosysteme,
                     Dabei steht die INDUSTRIALISIERUNG
                                                                   bevor wir sie kennenlernen.
                     DER OZEANE erst am Anfang! Der
                     große Run steht noch bevor. Rohstoffe
                     und Energie aus der Tiefsee sind heiß
                     begehrt. Der Bedarf wächst.

M EERE S AT L A S 2017                                                                                                      9
FISCHEREIMANAGEMENT

FISCH – BALD AUSVERKAUFT?
            Fisch ist ein Eckpfeiler der globalen Nahrungssicherheit. Es ist das weltweit am meisten
            gehandelte Produkt, das direkt aus der Natur gewonnen wird. Doch diese Abhängigkeit
            aller Nationen von der Ressource Fisch ist gleichzeitig die größte Bedrohung für unsere
            Fischbestände. Viele sind überfischt, Tendenz steigend.

           B
                   ereits vor vielen tausend Jahren fingen und aßen                     gen stärkerer Fangbeschränkungen. Doch nicht alle Be­
                   unsere Vorfahren Fisch. Doch während an Land die                     stände sind in der Lage, sich relativ schnell zu erholen,
                   Lebensweise des Jagens und Sammelns von der sess­                    auch wenn sie nachhaltig bewirtschaftet werden. Man­
            haften bäuerlichen Kultur abgelöst wurde, ist die ­Fischerei                che Bestände großer Speisefische wie Marlin, Schwert­
            bis heute eines geblieben: Jagd! Und wer fischt, sät nicht.                 fisch, Hai oder Kabeljau sind bereits um bis zu 90 Prozent
            Er erntet.                                                                  geschrumpft. Delfine und Meeresschildkröten, Opfer des
                Dieses Jagdverhalten und die zunehmende Nachfrage                       Beifangs, sind teilweise sogar vom Aussterben bedroht. Sie
            nach Fisch durch eine wachsende Weltbevölkerung ha­                         regenerieren sich nicht so schnell. Auch manche Thunfi­
            ben die globalen Fischbestände schrumpfen lassen. Über                      sche gehören zu den Arten, deren Bestände sich kaum
            30 Prozent sind nach Angaben der Welternährungsorga­                        erholen werden, solange weiter gefischt wird. Und das ge­
            nisation FAO überfischt oder gar zusammengebrochen, da                      schieht, da ihr Marktwert so hoch ist, dass sich die Jagd auf
            sie nicht nachhaltig bewirtschaftet werden.                                 sie auch noch lohnt, wenn nur noch wenige Exemplare
                Zwar bestandserhaltend, aber dennoch bis an die                         vorhanden sind. Der Rote Thun ist so begehrt, dass er auf
            Grenze der Belastbarkeit ausgeschöpft sind 58 Prozent.                      dem japanischen Markt regelmäßig schwindelerregende
            Das heißt: 90 Prozent der weltweit kommerziell genutzten                    Höchstpreise erzielt. Neujahr 2013 erwarb eine japanische
            Fischbestände sind ausgereizt. Mehr Nutzung geht hier                       Sushi-Gastronomiekette ein besonders prachtvolles Exem­
            nicht. Die meisten Bestände könnten sich allerdings durch                   plar für umgerechnet 1,3 Millionen Euro. Insgesamt gehen
            kluges Fischereimanagement im Laufe von ein paar Jah­                       heute 85 Prozent des Mittelmeerfangs nach Japan, welt­
            ren bis Jahrzehnten erholen. Es gibt erfolgreiche Beispiele                 weit fast zwei Drittel des kompletten Fangs.
            solcher Konzepte, etwa in den USA, Neuseeland, Australi­                        Viele Entwicklungsländer sind auf die Fischerei be­
            en und Norwegen. Dort haben sich viele Bestände erholt.                     sonders angewiesen. Denn dort ist die Fischerei Haupter­
            Auch in der Europäischen Union, die 2009 noch von einer                     werbszweig. Weltweit schätzt man die Zahl der kleinen
            90-prozentigen Überfischung ausgegangen war, beträgt                        Fischerinnen und Fischer auf rund 12 Millionen. In der
            die Überfischung nur noch 50 Prozent, nicht zuletzt we­                     industriell betriebenen Fischerei dagegen arbeiten nur

Subventionen und Ertrag – was am Ende übrig bleibt

     Flotten-Gesamtvolumen (Hochsee- und Küstenfischerei)
     in Bruttoraumzahl (BRZ)                                                                  $$       Summe Subventionen*
                                                                                                       Wert gefangener Fisch*     * in Millionen US-Dollar

              127.039                         66.447                      63.996                        157.593                            72.080

                            265                             449                         215                         367                                129

                                                                  132
  750                              527                                                                                      672
                                                                                              1771
            Niederlande                      Dänemark                   Deutschland                      Italien                        Griechenland
                                                                                                                                                             MEERESATLAS 2017 / GOC / EUROSTAT

              187.173                         171.942                     63.077                        341.191                            94.504

                            365                             520                       162
                                                                                                                   1073                               192

                                                                  346                                                           325
  965      Großbritannien         1149       Frankreich                   Irland                        Spanien                           Portugal
                                                                                              2625

                 Die Fischerei wird in allen europäischen Ländern stark subventioniert. Das Verhältnis von Ertrag und Subvention steht in
                     einem ungleichen Verhältnis. Während Italien und Spanien noch Gewinne einfahren, zahlt Deutschland sogar drauf.

10                                                                                                                                         M EERES ATL AS 2017
Wer fängt den Fisch – wer isst ihn auf?

                                                   Pro-Kopf-Verzehr Fisch
                            8.655
                                                       < 2 kg/Jahr              20–30 kg/Jahr
                                                       2–5 kg/Jahr              30–60 kg/Jahr
                           Nordost-                    5–10 kg/Jahr             > 60 kg/Jahr
                           Atlantik                    10–20 kg/Jahr
                                                                                                                       21.968
                                                       Fangmengen nach FAO-Regionen
                                                       in 1.000 Tonnen                                                                    3.149
          1.842
       Nordwest-                                                                                                                         Nordost-
         Atlantik                                                                                                                         Pazifik
   1.187                                                                                                12.822
 Westlicher                           1.112                                                                                                      1.908
                                                                                                                      Nordwest-
  Zentral-      4.416             Mittelmeer und                                                                       Pazifik                 Östlicher
  atlantik                       Schwarzes Meer
                                                                                                                                             Zentralpazifik
               Östlicher                                                                              Westlicher
               Zentral-                                     4.700                                    Zentralpazifik
               atlantik
                                                                             8.052                                                                                     6.890
                                                      Westlicher
                             1.575                    Indischer
                                                        Ozean

                                                                                                                                                                                    MEERESATLAS 2017 / FAO / GOC
               2.420                                                        Östlicher                                                                                  Südost-
                           Südost-                                                                                    543
                                                                            Indischer                                                                                  Pazifik
                           Atlantik
              Südwest-                                                        Ozean                               Südwest-
              Atlantik                                                                                             Pazifik

                                 Fangmengen der Top 10 Hochseefischerei-Nationen
                                 in 1.000 Tonnen

                                                   939              880            649             624            608           372       346           297      222       98
                                                    Chile           Japan         Südkorea           Taiwan       China      Indonesien Philippinen Spanien      USA Frankreich

500.000 Menschen. Pro Kopf fangen diese aber ein Viel­                               völlig überdimensionierte Fischereiflotten subventioniert
faches dessen, was kleine, „handwerklich“ Fischende mit                              und dadurch letztlich den Ausverkauf der Fischbestände
ihren Netzen aus dem Meer holen. Mit sogenannten Fab­                                noch beschleunigt.
rikschiffen, die mit modernen Technologien wie Echolot,                                  Würden Fischereiministerien den Empfehlungen der
Aufklärungsflugzeugen und riesigen Netzen ausgestattet                               Wissenschaft systematisch folgen und Bestände nur so be­
sind, schöpfen sie traditionelle Fanggründe gründlich ab.                            fischt, dass sie auf Dauer den maximalen nachhaltigen Er­
Die Fangschiffe operieren weltweit und suchen die profi­                             trag abwerfen (Konzept des „Maximum Sustainable Yield –
tabelsten Fischgründe auf. Zum Beispiel vor den Küsten                               MSY), wäre ein stetig nachwachsender Fischreichtum
Westafrikas, wo es wenig staatliche Regulierung gibt und                             in den Meeren der Welt keine Illusion. Ein guter Anfang
sie den Einheimischen ungleiche Konkurrenz machen.                                   wäre es wohl, die Subventionen – zum Beispiel für Treib­
     Ein anderes großes Problem für die Erhaltung der Be­
stände ist die sogenannte illegale, unregulierte und un­
                                                                                     stoff – konsequent zu streichen.
                                                                                                                                      •
dokumentierte (IUU-)Fischerei. Fische werden mit uner­
laubtem Fanggerät, zu Sperrzeiten oder in Schutzgebieten
                                                                                     So wenig Fische wie noch nie
gefangen. Oder es werden Fischarten gefangen, für die es
keine Lizenz gibt, oder mehr Fische gefangen, als erlaubt
                                                                                        Prozent
                                                                                                                                                                                    MEERESATLAS 2017 / FAO

ist. Illegale Fänge machen einen Anteil von bis zu 31 Pro­
                                                                                        100
zent der globalen Fischfänge aus. Manche Fangschiffs­
eignerinnen und -eigner entziehen sich rechtsstaatlicher
                                                                                         80
Kontrolle, indem sie unter einer sogenannten Billigflagge
fahren. Andere nutzen aus, dass es beispielsweise sehr
schwer ist, IUU-Schiffe inmitten der Inseln und Archipele                                60
Indonesiens zu verfolgen. Ähnlich in der Beringsee: Hier
wird IUU-Fischerei vor allem durch China und Russland                                    40
betrieben. Sie liegt hier bei 33 Prozent. Nach Schätzungen
werden jedes Jahr mindestens 500.000 Tonnen illegal ge­                                  20
fangener Fisch in Umlauf gebracht. Immerhin wurden in
der Europäischen Union nun schärfere Hafenkontrollen
eingeführt. Trotzdem landet auf europäischen Tellern im­                                      1974         1979    1984      1989     1994       1999     2004      2009    2013 Jahr
mer noch illegal gefangener Fisch.
                                                                                              Überfischt          Maximal befischt        Noch nicht an der Belastungsgrenze befischt
     Auch politischer Wille hält den Druck auf die Fischbe­
stände aufrecht: In Spanien und Portugal beispielsweise                                                      58 % der globalen Fischbestände sind maximal genutzt,
hat die Politik aus Angst vor Arbeitslosigkeit jahrelang                                               31 % sind überfischt und bei nur 10 % ist noch Luft nach oben.

M EERE S AT L A S 2017                                                                                                                                                                11
AQUAKULTUR

HOFFNUNG AUS DER FISCHFARM?
              Aquakultur boomt – im Jahr 2014 kam fast jeder zweite von Menschen verzehrte Fisch
              aus einer Fischfarm. Die ökologischen und sozialen Probleme dieser Massentierhaltung
              unter Wasser sind jedoch immens.

             P
                     ro Kopf hat sich der Konsum von Fisch und Meeres­                                                füttert werden. Aquakultur hilft also nicht zwangsläufig
                     früchten über die letzten 50 Jahre verdoppelt. Vor al­                                           dabei, die Überfischung der Weltmeere einzudämmen.
                     lem in den Industrie- und Schwellenländern ist die                                                   Aquakultur als Massentierhaltung unter Wasser ist
              Nachfrage immens gestiegen. Als Antwort wurden Aqua­                                                    ein ökologisches Desaster. Die Fische verletzen sich, wer­
              kulturen seit den 70er Jahren massiv mit staatlichen und                                                den krank und schneller von Parasiten befallen. Um dem
              Entwicklungshilfegeldern gefördert. 1950 produzierten                                                   entgegenzuwirken, werden weitflächig Antibiotika und
              Aquakulturen global noch circa 500.000 Tonnen Lebend­                                                   Chemiekeulen – vom Hygienebad bis zu Pestiziden – ein­
              gewicht, 2014 waren es bereits 73,8 Millionen Tonnen, 88                                                gesetzt, die das Wasser verunreinigen. Je mehr Tiere in
              Prozent davon in Asien. China allein produziert 62 Prozent                                              einem Zuchtbecken gehalten werden, desto mehr Exkre­
              der weltweiten Erzeugnisse und ist damit die wichtigste                                                 mente, Nahrungsreste und Kadaver entstehen, die auf den
              Aquakulturnation.                                                                                       Boden unter den Zuchtbecken absinken und so das Wasser
                  Aquakultur findet an Land in Teichen, Durchfluss- und                                               überdüngen. Als Abwasser der Aquakulturen gelangt das
              Kreislaufsystemen und in großen Netzkäfigen im Meer                                                     nährstoffreiche Wasser zusammen mit Chemikalien und
              statt. Die Zucht auf hoher See und an Küsten macht 36                                                   Medikamentenrückständen dann in Flüsse, Seen, Meere
              Prozent der Gesamtproduktion aus. Gezüchtet werden                                                      und angrenzende Böden.
              vor allem Fische, Shrimps, Krebse und Muscheln. Damit                                                       Hinzukommt, dass oft Mangrovenwälder den Aqua­
              soll nicht nur die stetig steigende globale Nachfrage nach                                              kulturen weichen müssen. Das ist besonders absurd, sind
              Fisch und Meeresfrüchten gestillt, sondern auch eine                                                    sie doch die Kinderstube vieler Fischarten. 20 Prozent der
              Lösung für Überfischung gefunden werden. Doch Aqua­                                                     Mangrovenwälder weltweit wurden zwischen 1980 und
              kulturen sind gerade in ihrem industriellen Ausmaß eine                                                 2005 bereits durch menschliche Eingriffe zerstört, mehr
              ethisch, ökologisch und meist auch sozial höchst zweifel­                                               als die Hälfte davon (52 Prozent) ist auf die Errichtung von
              hafte Antwort auf Überfischung und Ernährungssiche­                                                     Aquakulturen zurückzuführen. Allein auf den Philippinen
              rung.                                                                                                   sind wegen Shrimpfarmen zwei Drittel der Mangroven­
                  Denn sie ziehen einen großen Futtermittelbedarf nach                                                wälder abgeholzt worden.
              sich: Für die Produktion von einem Kilogramm Garnelen,                                                      Aquakulturen zerstören die Lebensgrundlagen der lo­
              Lachs oder anderer Fische werden rund 2,5 bis 5 Kilo­                                                   kalen Bevölkerungen und schüren lokale Konflikte. Denn
              gramm Wildfisch benötigt, bei Thunfisch sogar 20 Kilo­                                                  die Fänge der traditionellen Küstenfischerei gehen durch
              gramm. So bedroht zum Beispiel die Mast von roten Thun­                                                 Aquakulturen massiv zurück. Menschen werden vertrie­
              fischen in Käfignetzen um Malta die lokalen Bestände von                                                ben oder in neue Arbeitsmodelle gedrängt. Heute arbei­
              Makrelen und Sardinen, die an die großen Raubfische ver­                                                ten bereits rund 19 Millionen Menschen in diesem Sektor.

Es geht auch anders – Aquakultur als geschlossener Nahrungskreislauf

                                                                                                                      Werden Zuchtfische in Netzen oder Käfigen gehalten und
  Strömung                       Gelöste Nährstoffe             Algen                                                 aktiv gefüttert 1 , führen ihre Ausscheidungen normalerwei-
                                                                                                                      se zu einer Überdüngung der Umgebung (Eutrophierung).
                         1                                                                                            Es sei denn, es werden zusätzlich andere Organismen in
                                          Muscheln
                                                                                                                      Strömungsrichtung 2 gehalten, die sich auf nachgeordne-
                Fische
                                                                                                                      ten Ernährungsebenen befinden. In Käfigen gehaltene
                                                                        MEERESATLAS 2017 / S. KNOTZ / IBIS-INFOBILD

                                                                                                                      Garnelen, Krebse oder Seegurken 3 fressen absinkende
                                                                                                                      Kot- und Futterpartikel. Muscheln 4 filtern kleinere Partikel
                                                                                                                      heraus. Und deren Ausscheidungen kommen wiederum den
                                                           4
                                                                                                                      Algen und Wirbellosen zugute.
                                                                                                                      Im Gegensatz zur konventionellen Fischzucht ist die soge-
 Nährstoffpartikel                        Wirbellose
                                                                                                                      nannte integrierte multitrophische Aquakultur ein scho-
                                                       3                                                              nender Ansatz, der die umliegenden Ökosysteme einbezieht
                                                                                                                      anstatt sie zu belasten. Diese stellt aber weltweit nur einen
        Strömung             2                                                                                        marginalen Anteil dar und problematisch bleibt auch hier
                                                                                                                      der Einsatz von Fischöl und -mehl zur Fütterung.

12                                                                                                                                                              M EERES ATL AS 2017
Die größten Aquakulturproduzenten weltweit (2014) – Zuchtfische und Meeresfrüchte

                                                                                                                                                                                MEERESATLAS 2017 / FAO
       Produktion in 1.000 Tonnen

                                                               45.469,00
                                                                                                        6,3
                                                                                                                    43,6
                        402,80
                 Nordeuropa             304,30
                                        Osteuropa
           1.332,50
                                                                           1.545,10
          Norwegen
                                                                           Ostasien
                                                                                                                           Fische
                                    331,40                                                                                                         559,70
       295,3
  Westeuropa
                                    Westasien
                                                                                                                     0,3                           Nordamerika
                                           4.881,00
      595,20
   Südeuropa                                                   China          3.397,10

                                                                                                           15,8
                                                Indien
                                                                                                                                                       1.214,50
                      1.137,10                                                Vietnam
                  Ägypten                                                                                                                                  Chile
                                                                                                                                                                   1.544,20
                                                                              4.253,90                 Mollusken
                                                                                                                                                                   Lateinamerika
                                       547,40
                                     Südasien                                 Indonesien                                                         2,7
                                            1.956,90                                                      Andere
                                                                                                                                  4,2   Krustentiere
            313,20                                                                                     aquatische   0,3
            Nigeria                     Bangladesch                                                         Tiere      0,5
                                                            3.194,80
                    243,70
                                                                             189,20                         Inland-Aquakultur in Mio. Tonnen
           Subsahara-Afrika                              Südostasien
                                                                           Ozeanien                         Marine- und Küstenaquakultur in Mio. Tonnen

Hier sind die Arbeitsbedingungen jedoch äußert prekär:                              Die gravierenden sozialen und ökologischen Folgen in
Oftmals werden Arbeitsvereinbarungen nur mündlich ge­                           den gängigen industriellen Aquakulturen können jedoch
troffen, Arbeitsschutzregelungen, geschweige denn ihre                          nicht allein mit technischen und ökologischen Verbesse­
Durchsetzung, existieren in den seltensten Fällen. Aus­                         rungen gestoppt werden.
beutung und Zwangsarbeit sind die Folge. Die Internatio­                            Die Nachfrage nach Fisch und Meerestieren ist der
nale Arbeitsorganisation (ILO) zeigt, dass 70 bis 80 Prozent                    Haupttreiber für den weiteren Ausbau von industriell be­
der Fischereien (Aquakulturen und Küstenfischerei) Klein­                       triebenen Aquakulturen. Sie bedienen – mehrheitlich als
betriebe sind und sich auf die Arbeitskraft innerhalb von                       Massentierhaltung unter Wasser – einen profitgetriebe­
Familien stützen. Das bedeutet, dass auch Kinder in die                         nen Weltmarkt mit großem Hunger nach billigem Fisch.
körperlich oft sehr anstrengenden und gefährlichen Pro­                         Der Konsum von Fisch und Meerestieren durch die globa­
duktionsketten der Fischerei einbezogen sind.
     Aquakulturen sind grundsätzlich ökologisch zu be­
                                                                                len Mittelklassen muss sinken.
                                                                                                                              •
treiben, wie die Karpfen- und Forellenzucht zeigt. Viele
Jahrhunderte waren ökologisch und selbstbestimmt be­                            Der Fisch aus Aquakultur nimmt zu
triebene Aquakulturen Lebensgrundlage und Eiweißquel­
le vieler Millionen Menschen, insbesondere in Asien.
                                                                                                                                                                                MEERESATLAS 2017 / FAO

                                                                                           Fischerei          Aquakultur
    Dass ein Umsteuern möglich ist, zeigt die Pangasius­                              Angaben in kg/Kopf
zucht in Vietnam. Nach der Aufdeckung skandalöser
                                                                                  12
Zuchtbedingungen wird sie schrittweise auf neue Um­
weltstandards umgestellt, unter anderem nach dem                                      10
ASC-Siegel (Aquaculture Stewardship Council). Das bedeu­                              8
tet, dass kein Mehl von Fischen aus überfischten Bestän­
den verfüttert werden soll und dass die Einhaltung einer                              6

guten Wasserqualität und eine geringe Sterblichkeitsrate                              4
während der Zucht gewährleistet wird.
                                                                                      2
    Auch an technischen Lösungen zu einer umweltver­
träglichen Aquakultur wird intensiv geforscht – geschlos­                             0
                                                                                              1954         1964       1974       1984       1994          2004      2014      Jahr
sene Kreislaufsysteme verringern die Belastungen stark,
sind aber teuer und im Betrieb anspruchsvoll und ener­                                           Von 1954 bis 2014 ist der Anteil der in Aquakultur gezüchteten
gieintensiv.                                                                                              Tiere für den menschlichen Verzehr stetig gestiegen.
                                                                                                      Heute übersteigt er den Anteil aus Wildfang sogar leicht.

M EERE S AT L A S 2017                                                                                                                                                               13
EUTROPHIERUNG

DÜNGER FÜR DIE TODESZONEN
          Im Golf von Mexiko, vor dem Delta des Mississippi, hat sich eine 20.000 Quadratkilometer
          große Todeszone gebildet. Wie in jedem Sommer. Hier lebt kaum noch etwas. Die Ursachen
          liegen an Land – 2.000 Kilometer stromaufwärts.

          D
                 ort, südwestlich der Großen Seen, liegt der Corn Belt,                         Die Netze blieben leer. Alle Tiere, die fliehen konnten, wie
                 das Hauptanbaugebiet für Soja und Mais. Für den                                Fische und Krebstiere, waren verschwunden. Wer nicht
                 Anbau dieser Nutzpflanzen werden Unmengen von                                  fliehen konnte, zum Beispiel Miesmuscheln oder Austern­
          Kunstdünger und Schweinegülle eingesetzt, und hier kon­                               populationen, starb – und das schon vor 150 Jahren.
          zentriert sich auch die US-amerikanische Schweinemast.                                    Eine Ursache war das Wachstum der Städte. In der Folge
          Die Abfallprodukte dieser extrem intensiven Landwirt­                                 gelangten immer mehr Abwässer in die Flüsse und Buch­
          schaft, Nitrate und Phosphate, belasten das Grundwasser                               ten. Heute gibt es zwar Kläranlagen, doch dafür setzen wir
          und fließen in das viertlängste Flusssystem der Erde: den                             seit Mitte des letzten Jahrhunderts in der Landwirtschaft
          Mississippi-Missouri, der südlich von New Orleans in den                              so große Mengen an Kunstdünger ein, dass Nutzpflanzen
          Golf von Mexiko mündet. Dort lassen sie das Meer umkip­                               ihn nicht aufnehmen können und dieser dann im Meer
          pen – riesige sauerstofffreie Gebiete bilden sich, in denen                           landet. Hier erledigt er seinen Job – nur dass er jetzt Algen
          kein Leben mehr möglich ist.                                                          und Phytoplankton düngt. Sterben diese Pflanzen ab, sin­
              Weltweit gibt es etliche solcher sauerstoffarmen Zonen­                           ken sie zu Boden, wo Bakterien sie zersetzen und in der
          im Ozean. Einige der größten sind natürlichen Ursprungs.                              Tiefe auch noch das letzte bisschen Sauerstoff aufzehren.
          Sie liegen in tropischen Regionen, zum Beispiel vor der                               Für viele Arten gibt es dann kein Entkommen mehr.
          Küste von Peru, vor der arabischen Halbinsel oder vor Na­                                 Dieser durch Überdüngung des Meerwassers ausgelös­
          mibia. Hier leben nur wenige angepasste Arten, wie etwa                               te Effekt – in der Fachsprache als Eutrophierung bezeich­
          Bakterien. Die Todeszonen in Flussmündungsgebieten                                    net – lässt sich an vielen Orten der Welt beobachten: In
          sind allerdings meist menschengemacht – und sie werden                                der Pearl-River-Mündung im Südchinesischen Meer oder
          immer größer. Hier sollten eigentlich Fische, Muscheln                                auch in Indien, an der Ganges-Mündung in der Bucht
          und Krebstiere gedeihen, ebenso wie Seegraswiesen und                                 von Bengalen. Die Ostsee, flächenmäßig eine der größten
          Seetangwälder. Doch sie alle brauchen Sauerstoff zum Le­                              Todeszonen der Welt, erlebt seit den 1950er- und 1960er-
          ben – den es hier nun kaum noch gibt. Todeszone – diesen                              Jahren einen starken Rückgang des Sauerstoffgehalts.
          Namen haben Fischerinnen und Fischer den Sauerstoff-                                  Auch hier ist dies eine Folge der Industrialisierung der
          minimumzonen gegeben, lange bevor man Sauerstoff                                      Landwirtschaft. In der Ostsee kommt erschwerend hinzu,
          überhaupt messen konnte. Sie haben als Erste bemerkt,                                 dass es sich um ein flaches Binnenmeer mit wenig Wasser­
          dass da, wo Leben sein sollte, plötzlich keines mehr war.                             austausch handelt.
                                                                                                    Bis zu den 1980er-Jahren kam es insgesamt zu einer
                                                                                                Vervierfachung der Stickstoffeinträge und zu einer Ver­
                                                                                                achtfachung der Phosphateinträge gegenüber dem Be­
Hier wird Sauerstoff knapp
                                                                                                ginn des letzten Jahrhunderts. Insbesondere zwischen
                                                                                                den 1960er- und 1980er-Jahren ist ein kräftiger Anstieg
                                                                     MEERESATLAS 2017 / WRI /
                                                                         PAULMIER&RUIZ-PINO

                                       Todeszone
                                                                                                der Nährstoffkonzentrationen im Ostseewasser gemessen
                                       Besorgniserregender Zustand
                                                                                                worden. Seitdem verharren die Werte auf diesem hohen
                                       Gebiet in Erholung
                                       Natürliche O2-Minimumzone
                                                                                                Niveau. Im Jahr 2009 hatte die Helsinki-Kommission (HEL­
                                                                                                COM) erstmals eine einheitliche Klassifizierung der Ostsee
                                                                                                vorgenommen und 189 Gebiete klassifiziert. Das erschre­
                                                                                                ckende Ergebnis: Nur elf waren in einem guten ökologi­
                                                                                                schen Zustand.
                                                                                                    Immerhin: Es wird etwas getan. Im sogenannten Ost­
                                                                                                seeaktionsplan, der 2007 von allen Ostseeanliegerstaaten
                                                                                                verabschiedet wurde, sind konkrete Ziele zur weiteren
                                                                                                Reduktion der Nährstoffeinträge vereinbart. So sollte der
                                                                                                Eintrag von Phosphor um 15.250 Tonnen jährlich zurück­
                                                                                                gehen. Der Stickstoffeintrag sollte um 135.000 Tonnen pro
                                                                                                Jahr reduziert werden. Das Ziel ist eine Ostsee frei von Eu­
                                                                                                trophierung.
     Natürliche Vorkommen von Sauerstoffminimumzonen sind in den                                    Der Plan ist keine unverbindliche Absichtserklärung:
     Tropen zu finden. Die zahlreichen Zonen an Flussmündungen sind                             Deutschland zum Beispiel musste sich im September 2016
                                         allerdings menschengemacht.                            wegen Verstoßes gegen die Ziele dem Europäischen Ge­

14                                                                                                                                        M EERES ATL AS 2017
So entsteht die Todeszone im Golf von Mexiko – Schweinezucht und intensiver Ackerbau

                                                                                                                                                                                                                                      MEERESATLAS 2017 / GRIDA / USDA
                           Montana
                                             North Dakota

                                                                        8.863.000
                                                     502.000                                       207.000
                           Wyoming               South Dakota                                     Wisconsin
                                                                          Minnesota

                                                           1.522.000                                                                                                         Pennsylvania
                                                                                    25.745.000
                                                                                                                                           4.372.000
                                                           Nebraska
                                                                                        Iowa                                                             3.954.000
                                                                                                                                            Indiana
                                 69.000                                                               3.4378.000                                            Ohio
                                 Colorado             985.000                                                                                                                   Virginia
                                                                                                           Illinois                              280.000
                                                       Kansas                                                                                    Kentucky
                                                                                         6.057.000
                                                                                                                                                                              North Carolina
                             New Mexiko                                                   Missouri                                    214.000
                                                                     1.338.000                                             Tennessee

   Gesamt Stickstoffdüngung                                             Oklahoma         784.000
   für Kulturpflanzen

                                                                                                                                                                                                                                      MEERESATLAS 2017 / EPA
   (kg/km2 und Jahr)                                                                    Arkansas                                                                   Soviel Nitrat spült der Mississippi ins Meer
                                                                                                           772.000                            Alabama
          Weniger als 10                                                                                                                                           2.000
          10–100                                                                                       Mississippi

                                                                                                                                                                                                             Jährliche Nitratfracht
                                                                Texas

                                                                                                                                                                                                             in tausend Tonnen
          100–500                                                                                                                                      Florida
          500–1.000                                                                            Louisiana                                                             1.000
          Mehr als 1.000
          Todeszone
                                                                                                                                                                        0
          Anzahl Schweine, Stand 2012                                                                                                                                         1960          1980   2000     Jahr

richtshof stellen. Das Land hatte die Grenzwerte für Nitra­                                    Küstengewässer unterliegen der gemeinsamen Verant­
te im Grundwasser auf etwa einem Drittel der Fläche                                            wortung von Anrainerstaaten. Hier tummeln sich Fische,
überschritten – eine Folge von zu viel Gülle im Grundwas­                                      Muscheln, Shrimps, hier sind die Meere am produktivsten –
ser. Bei einer Verurteilung drohen der deutschen Regie­                                        gleichzeitig sind sie hier auch den größten Belastungen
rung Geldstrafen in sechsstelliger Höhe – pro Tag! Bis die                                     ausgesetzt. Die bittere Ironie: Ausgerechnet von der Land-
Grenzwerte wieder stimmen. Die Eutrophierung ist ein                                           und Ernährungswirtschaft geht eine Bedrohung für eine
Problem, das ohne solche Abkommen auf internationaler                                          Nahrungsressource aus, die wir für die Welternährung
Ebene nicht gelöst werden kann – nationale Regelungen
greifen zu kurz, wenn der Nachbar weiter einleitet. Die
                                                                                               dringend brauchen.
                                                                                                                                                      •
So entstehen sauerstoffarme Zonen im Meer

 Wassertiefe
                                                                                                               MEERESATLAS 2017 / LUMCON

    in m                                                                                                                                     1 Nährstoffreiches         Wasser strömt ein.
 0
                                                                                                                                             2 Algen wachsen unnatürlich stark und sterben
            1
                                                                                                                                                 wieder ab.
                                                                 2
  5
                                                                                                                                             3 Zooplankton          ernährt sich von den Algen.
                                                                                    3                                                        4 Bakterien
 10
                                                                                                                                                          ernähren sich vom Kot des Zooplanktons
                                                                                                                                                 und von den abgestorbenen Algen.
                                                                          4
                                                                                                                                             5 Bakterien verbrauchen den Sauerstoff im Wasser
 15                                              6
                                                                                                                                                 beim Abbau des Kots und der abgestorbenen Algen.
                Sauerstoffreiches Wasser
                Sauerstoffarmes Wasser                                        5                                                              6 Sinkt  der Sauerstoffgehalt des Wassers unter ein
 20
                Sauerstofffreies Wasser                                                                                                          bestimmtes Niveau, fliehen die Meerestiere oder
                                                                                                                                                 sterben.
                                                                                             Entfernung
      0                     10              20                       30                   40 von der
                                                                                             Küste in km

M EERE S AT L A S 2017                                                                                                                                                                                                                    15
VERSCHMUTZUNG

MÜLL UND GIFT IM MEER
     Die Müllberge an manchen Küsten sind ein für alle sichtbares Problem.
     Andere Verschmutzungen sind nicht so offensichtlich, aber darum nicht
     weniger gravierend.

                                       NI TRATE U ND P HOSP HAT E
                                       URSACHEN: Industriell betriebene Landwirtschaft wie intensive Tier­
                                       mast und intensiver Ackerbau.

                                       FOLGEN UND TRENDS: Seit den 1950er- und 1960er-Jahren hat sich
                                       die Landwirtschaft weltweit zu einer Massenindustrie fortentwickelt.
                                       Einträge von Tiergülle und Kunstdünger gelangen über das Grund­
                                       wasser in die Flüsse und anschließend ins Meer. Todeszonen vor den
                                       Küsten sind die Folge. Internationale Abkommen versuchen mit einer
                                       Reduzierung der Einträge gegenzusteuern.

     P L AST IK M ÜLL
     URSACHEN: Nur 20 Prozent des Plastikmülls, der im Meer
     landet, entstehen auf See. 80 Prozent entstehen an Land.             C HE MI E U ND SC HW E RME TA L L E
     Und zwar in solchen Ländern, die kein oder ein sehr
                                                                          URSACHEN: Industrielle Abwässer und Abgase,
     schlechtes Abfallmanagement betreiben.
                                                                          Bergbau, die Verbrennung von Heizöl.
     FOLGEN UND TRENDS: Fünf große Müllstrudel sind be­
                                                                          FOLGEN UND TRENDS: Nach Angaben der
     kannt. Der meiste Müll landet jedoch an allen lokalen
                                                                          OECD sind weltweit etwa 100.000 unterschied­
     Küsten und ist somit ein globales Problem. An den abge­
                                                                          liche chemische Substanzen im Umlauf. Dazu
     legenen Küsten Svalbards auf Spitzbergen beispielsweise
                                                                          zählen unter anderem Schwermetalle wie Blei
     wurden im Jahr 2015 100 Kubikmeter Kunststoffmüll ab­
                                                                          und Quecksilber, aber auch langlebige organi­
     gesammelt. Der Müllberg wächst von Jahr zu Jahr.
                                                                          sche Schadstoffe, sogenannte POPs (Persistent
                                                                          Organic Pollutants). Viele dieser Stoffe sind ge­
                                                                          sundheitlich höchstproblematisch, da sie sich
                                                                          in den Organismen der Lebewesen im Meer an­
                                                                          reichern und über die Nahrungsnetze auch für
                                                                          Menschen eine Gesundheitsgefahr darstellen.

16                                                                                                       M EERES ATL AS 2017
MU NI T I ON I M ME E R
                                                                     URSACHEN: Weltkriege und andere Kon­
RA D IOAKT IV ITÄT                                                   flikte. Etliche Staaten rund um den Erdball
                                                                     haben sowohl chemische als auch konven­
URSACHEN: Atommächte und Staaten, die Atomkraftwerke
                                                                     tionelle Waffen im Meer versenkt.
betreiben, wie die USA, Russland, Japan und etliche europä­
ische Staaten.                                                       FOLGEN UND TRENDS: Die einhellige
                                                                     Meinung der politisch Verantwortlichen
FOLGEN UND TRENDS: Von den 1950er-Jahren an haben Staa­
                                                                     ist: Eine Bergung wäre zu teuer und mög­
ten, unter anderem USA, Russland, Japan und etliche europä­
                                                                     licherweise auch zu riskant. Risiken be­
ische Staaten, Fässer mit radioaktivem Müll aus ihren Atom­
                                                                     stehen aber auch, wenn alles im Meer
kraftwerken legal ins Meer verklappt. Fässer im Ärmelkanal,
                                                                     bleibt: Auch über 70 Jahre nach dem zwei­
die eigentlich jahrhundertelang dicht bleiben sollten, sind
                                                                     ten Weltkrieg wird beispielsweise weißer
dennoch leckgeschlagen. 1993 wurde die Atommüllverklap­
                                                                     Phosphor aus Brandbomben in Klumpen
pung schließlich verboten. Das gilt für radioaktive Feststoffe.
                                                                     an den Strand geschwemmt. Diese Klum­
Die direkte Einleitung von radioaktiven Abwässern ist nach
                                                                     pen sehen aus wie Bernstein und werden
wie vor erlaubt und wird auch praktiziert. Auch die Reaktor­
                                                                     daher gern von Kindern aufgesammelt.
katastrophe von Fukushima sowie Atomwaffentest der Groß­
                                                                     Kommt Phosphor mit Sauerstoff und Wär­
mächte haben messbare Auswirkungen.
                                                                     me in Berührung, brennt sich die 1.300
                                                                     Grad heiße Masse bis auf die Knochen
                                                                     durch. Militärische Altlasten werden uns
                                                                     auch in Zukunft beschäftigen.

               Ö LV ERSCH MUTZUNG
               URSACHEN: Abwässer, Leckagen bei der
               Ölförderung, reguläre Schifffahrt, illegale
               Tankreinigungen, Tankerunglücke und
               Bohr­unfälle.
                                                                  L ÄRM U ND SC HAL L
               FOLGEN UND TRENDS: Exponierte Fels-
               und Sandküsten benötigen einige Mona­              URSACHEN: Seeverkehr, Tiefseebergbau, mili­
               te bis fünf Jahre zur Regenerierung, ge­           tärische Aktivitäten, das Rammen von Spund­
               schützte Felsküsten und Korallenriffe zwei         wänden für Häfen und Offshore-Anlagen,
               bis mehr als zehn Jahre. Und geschützte            die Suche nach Öl- und Gasvorkommen mit
               Weichböden, Salzwiesen und Mangroven               Schallkanonen, Öl- und Gasförderung.
               brauchen dazu zwei bis mehr als zwanzig
                                                                  FOLGEN UND TRENDS: Der Lärm auf den
               Jahre.
                                                                  Meeren nimmt aufgrund immer stärkerer
               Obwohl die Förderraten hoch sind wie nie,          Nutzung der Ozeane zu. Tendenz steigend.
               ist die Ölverschmutzung durch Tankerun­            Fische und insbesondere Meeressäuger wie
                                                                                                                   MEERESATLAS 2017

               glücke aufgrund strenger Auflagen für              Wale und Delfine, die sich über Schall ver­
               den Schiffsverkehr zurückgegangen. Das             ständigen und orientieren, werden empfind­
               Risiko von Bohrunfällen steigt dagegen je          lich beeinträchtigt. Die Tiere verirren sich,
               weiter man in die Tiefe vordringt.                 stranden und verenden im flachen Wasser.

M EERE S AT L A S 2017                                                                                             17
PLASTIKMÜLL

DAS MIKROPLASTIKPROBLEM
            Die Bilder von durch Plastikmüll verschmutzten Stränden, von Seevögeln, die an
            Plastikteilen zugrunde gegangen sind, sind heute allgegenwärtig. Doch ebenso
            sehen wir Bilder von Menschen, die Strände säubern, hören von Ingenieursplänen,
            die die Ozeane wieder reinigen wollen. Also alles auf dem Weg zur Besserung?

            A
                   uf der Welt werden jährlich 300 Millionen Tonnen                                                           Die restlichen 99 Prozent des Mülls, der vor den Küsten
                   Plastik produziert, etwa zwei Prozent davon, unge­                                                     seine Reise begann, erreichen die Müllstrudel nie. Das Mi­
                   fähr 8 Millionen Tonnen, landen im Meer. Eine ge­                                                      kroplastik verteilt sich im Meer, sinkt letztlich ab, hinab in
            waltige Menge – jedoch: Nur ein Prozent davon ist an der                                                      die kalten Tiefen des Ozeans. Dort, auf dem Tiefseeboden,
            Meeresoberfläche tatsächlich auffindbar. Wiederum die                                                         ist die Plastikkonzentration um das 1.000-fache höher als
            Hälfte davon, also nur 0,5 Prozent, findet sich in den so­                                                    an der Meeresoberfläche. Dort lagert sich das Mikroplas­
            genannten Müllstrudeln, die durch die Ozeanzirkulation                                                        tik ab, wird in die Sedimente eingebettet und bildet dort
            gebildet werden.                                                                                              allmählich eine neue geologische Schicht, den Plastikho­
                 Wo ist der Rest? Wo sind die anderen 99 Prozent? Für                                                     rizont, den Forscherinnen und Forscher der Zukunft der­
            die Wissenschaft tatsächlich ein Rätsel, dem man nur                                                          einst unserer Zeit zurechnen werden. Die traurige Wahr­
            langsam auf die Spur kam. Erst um die Jahrtausendwen­                                                         heit: Wir nutzen die Tiefsee als gigantische Müllkippe und
            de wurde klar, dass man es mit einem bisher unbekann­                                                         profitieren davon, dass sie den Großteil des Mülls schein­
            ten Phänomen zu tun hat: Mikroplastik. 80 Prozent des                                                         bar auf Dauer verschwinden lässt, ohne ihn uns wieder
            Plastikmülls gelangen – oft mit den Flüssen – ins Meer,                                                       vor die Füße zu spülen.
            20 Prozent werden von Schiffen geworfen. Ein Teil des                                                             Eine weitere „Plastiksenke“ ist das schwimmende
            Plastikmülls wird mit den Meeresströmungen weit hin­                                                          Meereis – auch in ihm findet sich Mikroplastik in höchs­
            ausgetrieben und sammelt sich teilweise in den großen                                                         ten Konzentrationen. Doch es ist kein so stabiler Speicher
            Strudeln wie dem Great Pacific Garbage Patch im Nordpa­                                                       wie der Meeresboden: Das beschleunigte Abschmelzen
            zifischen Wirbel.                                                                                             des Eises als Folge des Klimawandels könnte in den nächs­
                 Auf dieser Reise, die bis zu zehn Jahre dauern kann,                                                     ten Jahren 1.000 Milliarden Plastikpartikel freisetzen, das
            werden die großen Plastikteile zerrieben, durch Sonnen­                                                       200-Fache dessen, das wir zur Zeit im Meer vorfinden.
            strahlung zersetzt und von Bakterien zerfressen – der Müll                                                        Dabei ist schon jetzt der geringe Anteil Mikroplastik,
            wird zu Mikroplastik, also zu Teilchen, die kleiner als fünf                                                  der nicht absinkt, ein großes Problem: Fische halten ihn
            Millimeter sind. Die Plastikmüllstrudel darf man sich da­                                                     für Plankton – kein Wunder, findet sich doch an man­
            her auch nicht als massive Müllinseln, die sich im Meer                                                       chen Stellen schon sechsmal mehr Plastik als Plankton im
            drehen, vorstellen. Man könnte sie durchschwimmen,                                                            Meerwasser. Sehr kleine verschluckte Teile können durch
            ohne das Mikroplastik zu bemerken, aus dem sie sich zu­                                                       die Darmwände der Fische ins umgebende Gewebe ge­
            sammensetzen – in einer zwar sehr hohen, aber immer                                                           langen und sich dort ablagern. Damit gelangen sie in die
            noch mit dem Auge nicht wahrnehmbaren Konzentration.                                                          Nahrungsnetze und zuletzt auf unsere Teller und in un­
            Größere Plastikelemente finden sich relativ selten.                                                           sere Mägen. Die Folgen, die der Verzehr von Mikroplastik
                                                                                                                          haben kann, sind noch nicht erforscht – erst seit 2007 ist
                                                                                                                          Mikroplastik überhaupt ein Thema der Forschung. Ein Er­
Wo konzentriert sich der Plastikmüll?
                                                                                                                          gebnis gibt Anlass zur Sorge: Die Plastikoberfläche wirkt
                                                                                                                          wie ein Schwamm für Schadstoffe, hier reichern sich be­
     Oberflächenströmungen
                                                                                         MEERESATLAS 2017 / GRIDA / WOR

                                                                                                                          sonders gut Umweltgifte wie zum Beispiel PCB oder auch
     Plastikmüllstrudel in den
                                                                                                                          Krankheitserreger an, die sich so verbreiten und ganze
     subtropischen Wirbeln
                                                 1000                         1000                                        Fischbestände bedrohen.
                                               bis 2500                     bis 2500
                                                                              g/km2                                           Ist das Plastik erst einmal im Meer, bekommt man es
                                                 g/km2
                                                                                                                          nicht mehr heraus. Denn den weitaus größten Anteil –
                                 Nordpazifischer                    Nordatlantischer                                      das Mikroplastik – könnte man nur herausfiltern, und das
              1000                   Wirbel                             Wirbel                                            ist keine Option: Zurückbliebe von allem Leben befreites
            bis 2500
              g/km2
                                                                                 0–50                                     Meerwasser. Bleiben die größeren Objekte, die gerade
                                                       50                        g/km2
                                                    bis 200                                                               für größere Tiere so gefährlich sind. Hier wird an vielen
                                    0                g/km2                                                                technischen Lösungen gearbeitet – Stichwort „Ocean Cle­
         Indischer Ozean          g/km2                                   Südatlantischer
                                                   Südpazifischer             Wirbel                                      anup“. Auch dabei muss man die ökologischen Folgen ge­
              Wirbel                                  Wirbel
     50                                                                                                                   gen den Nutzen aufrechnen, denn hierbei plant man, den
  bis 200                                            1000                  1000
   g/km2                                                                 bis 2500
                                                                                                                          Müll großflächig abzufischen, und dabei kommt es wie bei
                                                   bis 2500
                                                     g/km2                 g/km2                                          der herkömmlichen Fischerei zwangsläufig zu Beifang.
                                                                                                                          Man muss fragen: Wie groß ist der Nutzen im Verhältnis

18                                                                                                                                                                   M EERES ATL AS 2017
Wo kommt der Plastikmüll her? Die Top-20-Länder mit dem schlechtesten Plastikabfall-Management

                                                                                                                                                                                                                                    MEERESATLAS 2017 / JAMBECK
                                                                                                                                                            Plastikmüll mit schlechtem Abfallmanagement*
                                                                      0,49
                                                                               0,07 0,19                                                                    Anteil davon Eintrag ins Meer, niedrige Schätzung*
                                                                Türkei                                                                                      Anteil davon Eintrag ins Meer, höhere Schätzung*
                                   0,97
                                                                                                                                                            * in Millionen Tonnen pro Jahr
                                                       0,39             0,79
                                                0,15
                                                                                                                                                        0,30                                                     0,28
                                                  Ägypten                           0,12
                                                                                           0,31                                                                   0,05 0,12          1,88                               0,04 0,11
                                                                                                                                                      Nordkorea                                                USA
                     0,52                                                       Bangladesch

                             0,08 0,21                                                                                                                                                               0,75
                                 Algerien                                                                                                                                                     0,28
                                                                                                                                                         1,83
            0,31                                                       0,60                                                                                                        Philippinen
                                                                                                  8,82     1,32 3,53
                       0,05 0,12                                                0,09 0,24
                         Marokko                                                                                                                                          0,73         3,22
                                                                                         Indien                                                                                                                            1.800
                                                                                                         China                                                     0,28

                                                                                                                                                                                                                                    MEERESATLAS 2017 / GRIDA
          0,47                                                                                                                                         Vietnam                                                             1.500
                     0,07 0,19
                                                               0,48
       Brasilien                                                        0,07 0,19                                                                        0,94
                                                                                                                                                                                                        1,29
                                                                             Pakistan                                                                                     0,37
                                                                                                                                                                   0,14                                                    1.000
                                                                                                                                                                                                 0,48
                      0,52                                                                                                                                                                                                 800
                                                                        1,59                                                                           Malaysia
                                                                                                                    1,03
                                         0,21                                                                                                                                       Indonesien                             600
                                 0,08
                                                                                                                                               0,41
                                    Nigeria                                                                                             0,15                                                                               400
                                                                                           0,64
                                                                                    0,24
                                                                                                           Thailand                                                                                                        200
                                  0,63                                               Sri Lanka             0,46
                                                    0,25                                                                                                                         1950 1970 1990 2010 2030 2050
                                            0,09                                                                                    0,07 0,18
                                                                                                                                                                                 Globale Produktionsmengen an Plastik
                                                Südafrika                                                Myanmar                                                                 in Millionen Tonnen

                                                                                                             31,9 Millionen Tonnen Plastikmüll werden weltweit unsachgemäß
zu dem Schaden, der dadurch entsteht? Das Problem kann                                                       entsorgt, 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen davon landen im Meer.
vor allem an Land gelöst werden. An Küsten und Fluss­                                                        Die oben gezeigten Top-20-Länder sind für 83 % des weltweiten
mündungen, auf Märkten und in Haushalten. Und das ist                                                        Plastikmüll-Missmanagements verantwortlich.
die gute Nachricht: Wir haben es wirklich selbst in der                                                      Die 23 EU-Küstenstaaten würden zusammengenommen Platz 18
Hand. Ein Teil des Plastikmülls im Meer stammt von Verpa­                                                    in diesem Ranking einnehmen. Nordamerika, China und Europa
ckungen – hier können wir direkt durch unseren Konsum                                                        produzieren insgesamt etwa zwei Drittel des weltweiten Plastiks.
Einfluss nehmen. Mikroplastik in Kosmetikprodukten soll­
te verboten werden. Vor allem aber gilt es, eine weltweit                                                    Hebel, damit die richtigen Anreize gesetzt werden. Die
funktionierende Recyclingwirtschaft aufzubauen, damit                                                        Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist vor allem
weniger neue Kunststoffe erzeugt und weniger unkontrol­
liert entsorgt werden. Hier ist politisches Engagement der
                                                                                                             eine Frage des politischen Willens.
                                                                                                                                                                                       •
Wie gelangt das ganze Plastik ins Meer?

                                                                                                                                        Schlechtes oder fehlendes Abfallmanagement / Recyclingsystem
                                                                                                                 MEERESATLAS 2017

                                                                                                                                    1

                                                                                                                                        ist der größte Verursacher
                                                                                                                                    2   Mit ungereinigten Abwässern gelangt Plastikmüll aus Städten
                                                                                                                                        und Industrie direkt in den Fluss / ins Meer
                                            1                                                                                       3   Mikroplastik als Zusatz in Kosmetikprodukten wird von den
                             3                                                                                                          Kläranlagen nicht herausgefiltert
                                                                                     2                                              4   Verlorene oder absichtlich auf See entsorgte Fischernetze und
                                                                                                                                        Angelleinen
                 5                                                                                                                  5   Verlorene Ladung und Schiffsmaterial

                                                           7                                                                        6   Illegal auf See entsorgter Müll
   4                                                                            6
                                                                                                                                    7   Katastrophenmüll: von Hurrikanen, Sturmfluten und Tsunamis
                                                                                                                                        auf See getragene Trümmer und Müll

M EERE S AT L A S 2017                                                                                                                                                                                                              19
BIODIVERSITÄT

VIELFALT UND EINFALT
            Pazifische Auster oder heimische Miesmuschel – ganz klar, wem die Feinschmeckerinnen
            und Feinschmecker auf der Promi-Insel Sylt den Vorzug geben. Die fremde Auster hat sich
            im Wattenmeer explosionsartig ausgebreitet und verdrängt die heimischen Muscheln.

           D
                    er Hauptgrund für die Bedrohung der marinen                    futter und Turbo-Dünger auf die Auster. Bis Mitte der
                    Artenvielfalt ist die Nutzung und Verschmutzung                1990er-Jahre zählte man vor Sylt weniger als zehn Ex­
                    natürlicher Lebensräume. Die andere Bedrohung                  emplare der Pazifischen Auster pro Quadratmeter. 2007
            ist das Eindringen invasiver Arten. Wie im Fall der Pazi­              waren es 1.800 Exemplare! Im gleichen Zeitraum ist die
            fischen Auster im Nationalpark Wattenmeer vor der Insel                Miesmuschelpopulation drastisch zurückgegangen. Und
            Sylt. Denn die „Sylter Royal“ ist nicht nur eine Delikates­            nicht nur die ist betroffen: Eine Änderung im System zieht
            se, sie ist auch eine Plage. Aber wie konnte sie überhaupt             andere nach sich. Der Austernfischer zum Beispiel ernährt
            hierherkommen? Das Auseinanderdriften der Kontinente                   sich hauptsächlich von Miesmuscheln. Die Schale der Pa­
            und Inseln hat in der Evolution dazu geführt, dass sich                zifischen Auster ist für ihn viel zu dick und zu hart. Der
            Millionen von Arten in ihrer ganzen Vielfalt getrennt ent­             Anpassungsdruck steigt – und je geringer die Biodiversität
            wickeln konnten. Doch heute rücken die Kontinente wie­                 ist, desto schlechter kann ein Ökosystem auf Umweltver­
            der zusammen – auf andere Weise: Tausende von Spezies                  änderungen reagieren.
            reisen täglich in den Ballastwassertanks von Fracht- und                    Ein anderes, noch größeres Problem für die Biodiver­
            Containerschiffen oder auf treibendem Plastikmüll kreuz                sität eines Lebensraums entsteht, wenn eine sogenann­
            und quer über den Ozean und gelangen so in Ökosyste­                   te „foundation species“ bedroht ist: Dazu zählen zum
            me, in denen sie bisher fremd waren. Davon profitieren                 Beispiel der Kelptang in den urwaldähnlichen Seetang­
            in erster Linie diejenigen Arten, die gut mit sehr unter­              wäldern der nordamerikanischen Pazifikküste oder die
            schiedlichen Umweltbedingungen zurechtkommen. Die                      Korallen des Great Barrier Reefs vor der Nordostküste
            Pazifische Auster ist so eine Generalistin.                            Australiens. Die 360 Hart- und 80 Weichkorallenarten des
                Bemerkenswert am Fall des Eroberungsfeldzuges der                  größten Korallenriffs der Erde sind Heimat für über 1.500
            Pazifischen Auster im Wattenmeer ist, dass der Verursa­                Fischarten, 1.500 Schwammarten, 5.000 Weichtierarten
            cher genau nachgewiesen werden kann. Die Europäische                   und 200 Vogelarten. Viele von ihnen sind vom Aussterben
            Auster war dort durch Krankheit und Überfischung seit                  bedroht, wie auch Meeressäuger wie die Seekuh. Sterben
            1950 fast ausgestorben. Ende der 1970er-Jahre begann                   die Korallen, verliert das gesamte Ökosystem Korallenriff
            ein Team der Deutschen Bundesforschungsanstalt für                     sein Fundament – manche flexible Arten können dann
            Fischerei daher zu erforschen, ob die umweltresistentere               ausweichen, andere aber nicht. Wie viele andere Korallen­
            Pazifischen Auster eine Alternative für die lokalen Aus­               riffe befindet sich das Great Barrier Reef derzeit in einem
            ternzüchter sein könnte. Ja – die fremde Auster gedieh                 katastrophalen Zustand. Die gefürchtete Korallenbleiche
            prächtig in der Nordsee. Das Wattenmeer, nährstoffreich                hat 93 Prozent des Riffs erfasst. Große Teile des nördlichen
            und daher produktiv, wirkte wie ein Cocktail aus Kraft­                Bereichs sind bereits in dramatischem Maß abgestorben.

Die Miesmuschel und ihre Nachbarn im dauerüberfluteten Bereich des Wattenmeeres

                                                                                  Pazifischer                                       Pazifischer
                                                                                                                                                     MEERESATLAS 2017 / AWI / KÜNSTING

                                                                                                                                    Beerentang
                              FRÜHER                                         Gespensterkrebs
                                                                                                                HEUTE
                                    Großes Seegras

                                                                                                        Meerwalnuss
                                                          Riff-Borstenwurm
                                                                             Miesmuschel

  Miesmuschel
                                                                                                                                     Pazifische Auster
                                                                                            Amerikanische               Pazifisches Manteltier
                                               Europäische Auster                           Pantoffelschnecke

                Im Vergleich zu früher hat die Miesmuschel heute                     Amerikanische Schwertmuschel                   Heimische Art
                    mit größerem Konkurrenzdruck zu kämpfen.                                                                        Invasive Art

20                                                                                                                               M EERES ATL AS 2017
Sie können auch lesen