Take Care: Kunst und Medizin Yoko Ono. This Room moves at the same Speed as the Clouds Alexandra Bachzetsis. 2020 : Obscene

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Take Care: Kunst und Medizin Yoko Ono. This Room moves at the same Speed as the Clouds Alexandra Bachzetsis. 2020 : Obscene
MAGAZIN 1 · JANUAR 2022     CHF 8.–

        Take Care:
     Kunst und Medizin
               Seite 8

  Yoko Ono. This Room
 moves at the same Speed
     as the Clouds
               Seite 18

    Alexandra Bachzetsis.
       2020 : Obscene
               Seite 22
Take Care: Kunst und Medizin Yoko Ono. This Room moves at the same Speed as the Clouds Alexandra Bachzetsis. 2020 : Obscene
JAN BRUEGHEL d. Ä. Hafenszene mit Fischmarkt. 1605. Öl auf Kupfer. Signiert und datiert. 17,4 × 27,3 cm.
(Auktion Alte Meister, 1. April 2022)

Einlieferungen für unsere zahlreichen Auktionen 2022
nehmen wir gerne entgegen.

ALTE UND MODERNE KUNST · SCHMUCK · ARMBANDUHREN
ASIATICA · DECORATIVE ARTS · BÜCHER · PHOTOGRAPHIE

Koller Auktionen · Hardturmstrasse 102 · 8031 Zürich
Tel. +41 44 445 63 63 · office@kollerauktionen.ch                                        www.kollerauktionen.ch
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EDITORIAL                                                3

                                                               Liebe Mitglieder
                                                               der Zürcher
                                                               Kunstgesellschaft
                                                                Wir freuen uns mit Ihnen über den überwältigenden Zulauf von
                                                                mehr als 100 000 kunstbegeisterten Besucherinnen und Besuchern,
                                                                die das Kunsthaus in den Wochen nach der Eröffnung des viel­
                                                                bewunderten Chipperfield-Baus gesehen haben und die unsere
                                                                Angebote überaus rege nutzen – bis Ende des Jahres wurden
                                                                zum Beispiel mehr als 500 Führungen gebucht, und dies trotz der
                                           noch immer schwierigen Corona-Bedingungen… Danke für die vielen positiven, ja begeis­
                                           terten Rückmeldungen. Auch freuen wir uns sehr über fast tausend neue Mitglieder in
                                           der Kunstgesellschaft innerhalb weniger Wochen – seien Sie alle herzlich willkommen!
                                                Die Sammlung Emil Bührle hat in der Presse ein nationales und internationales Echo
                                           ausgelöst. Wir bedauern, dass die Debatte teilweise polemisch geführt wurde. Dass die
                                           Geschichte dieser herausragenden Kunstsammlung erneut hohe Wellen schlagen würde,
                                           war zu erwarten, vor allem angesichts der nun breit und ernsthaft geführten Diskussion
                                           um die Thematik Raubkunst /  Fluchtkunst.
                                                Die Geschichte der Sammlung und die Herkunft aller Kunstwerke wurden vor
                                           dem Einzug in das öffentliche Kunsthaus gründlich erforscht. Diese Informationen sind
                                           vollumfänglich und transparent in gedruckter und elektronischer Form zugänglich,
                                           ebenso wie das komplette Archiv der Stiftung im Kunsthaus ohne Einschränkung für
                                           die Forschung zur Verfügung steht. Einer Überprüfung durch ein unabhängiges
                                           Expertengremium stehen sowohl die Zürcher Kunstgesellschaft wie auch die Stiftung
                                           Sammlung E. G. Bührle positiv gegenüber.
                                                Insbesondere das zentrale Thema Fluchtkunst bedarf nach Einschätzung des Kunst-
                                           hauses und einer Reihe von Expertinnen und Experten und Interessengruppen einer
                                           vertieften Diskussion von Fachleuten und Juristen sowie auf politischer Ebene. Wir be-
                                           grüssen diese Entwicklung ausdrücklich und werden sie nach Kräften unterstützen
                                           und aktiv fördern. Sie ist notwendig zur grundsätzlichen Klärung offener Fragen, nicht
                                           zuletzt um künftig eine verlässliche juristische Grundlage bei Rechts­fällen und gege­
                                           benenfalls bei Restitutionen zu erhalten.
                                                Das Kunsthaus Zürich verfügt über eine eigene Forschungsstelle für Provenienzen. Es
                                           ist selbstverständlich, dass die Forschungen weitergeführt und intensiviert werden und
                                           neue Erkenntnisse zu Provenienzen transparent vermittelt werden. Und natürlich wird die
                                           Kontextualisierung um neue, historisch abgesicherte Erkenntnisse ergänzt.
                                                Wenn Sie mehr wissen möchten, dann empfehlen wir Ihnen als Einstieg das Digitorial
                                           «Die Sammlung Emil Bührle im Kunsthaus Zürich» unter buehrle.kunsthaus.ch.
Foto © Franca Candrian, Kunsthaus Zürich

                                           Herzlichen Dank für Ihr Interesse: Im neuen Kunsthaus sind alle willkommen!

                                           Mit sehr freundlichen Grüssen, im Namen des ganzen Kunsthaus-Teams,
                                           Ihr Christoph Becker
Take Care: Kunst und Medizin Yoko Ono. This Room moves at the same Speed as the Clouds Alexandra Bachzetsis. 2020 : Obscene
4                                                                  GUT ZU WISSEN

                                                                                   MITGLIEDER

                                                                                   ZKO-Wandelkonzert
    Roy Lichtenstein, Baked Potato, 1962
    Kunsthaus Zürich, Sammlung Erna und Curt Burgauer, 1976                        An diesem besonderen Abend können Sie
    © Estate of Roy Lichtenstein / 2022, ProLitteris, Zurich
                                                                                   nach der regulären Öffnungszeit mit dem
                                                                                   Zürcher Kammerorchester die visuellen
                                                                                   Eindrücke der Sammlung in Kombination
    KULTURNEWS                                                      N E U!         mit musikalischen Beiträgen erleben. In

    «Kunst-Stück»
                                                                                   verschiedenen Räumen und unterschiedli­
                                                                                   chen Konstellationen präsentiert das ZKO
                                                                                   ein Programm, das – wie die Gäste – musika­

    Amerikanische Kunst                                                            lisch zwischen den Kunstepochen wandelt.

                                                                                   Fr 18. März ab 19.30 Uhr (Moser- und Müller-Bau)
                                                                                   Spezialpreis für Mitglieder: CHF 32.– (anstatt 40.–)
    Das «Kunst-Stück» erhält einen weiteren Vertiefungskurs.                       www.zko.ch/events/wandelkonzert-22

    Bei diesem Angebot erhalten Sie einen Einblick in die
    Strömungen der amerikanischen Kunst der Zeit nach dem
    Zweiten Weltkrieg. Nach einem Einführungsreferat lernen
    Sie in einem geführten Rundgang die unterschied­lichen
    Kunstrichtungen – Pop-Art, Abstrakter Expressionismus,
    Minimal-Art und Konzeptkunst – anhand der Werke in
    unserer Sammlung kennen.
    Do 17.3. / 15.9. / 8.12.2022, 18–19.45 Uhr
    Spezialpreis für Mitglieder: CHF 29.– (anstatt 39.–)
    www.kunsthaus.ch/agenda

                          SHOP

                          Tragbare Skulpturen
                          Im neuen Kunsthaus-Shop finden Sie ein wechselndes
                          Sortiment an jungen wie auch bekannten Schmucklabels,
                                                                                                                                          Artist Marta Botas, Foto: Lucia Gorostegui

                          wie zum Beispiel die einzigartigen Schmuckstücke von
                          Helena Rohner aus Madrid. Ihr Arbeitsprozess zeichnet
                          sich durch den spielerischen Umgang mit Materialien,
                          klaren Linien und einfachen Formen aus. Es entstehen
                          kleine, tragbare Skulpturen, die das Licht einfangen
                          und strahlend wiedergeben.

                          Wechselndes Sortiment
                          Mitglieder 10 % / Mitglieder PLUS 20 %
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GUT ZU WISSEN                                                 5
                                                                                       KULTURNEWS

                                                                                       Kulturzüri
                                                                                       Wie möchten Sie nach Ihrem
                                                                                       Kulturbesuch nach Hause gehen?
                                                                                       Lachend, weinend, mit rauchendem
                                                                                       Kopf oder mit Gänsehaut? Oder
                                                                                       doch mit rasendem Puls, tiefenent­
                                                                                       spannt, beglückt oder gar mit
                                                                                       weltverbesserischen Absichten? Mit
                                                                                       den neuen Filtern auf Kulturzüri
                                                                                       finden Sie die passende Veranstaltung
                                                                                       oder Ausstellung für Ihre Stimmung.
                                                                                       Kulturscouts bedienen in ihren
                                                                                       redaktionellen Beiträgen eine
                                                                                       Bandbreite an Kulturgeschmack
                                                                                       und geben für Sie Empfehlungen ab.
                                                                                       Lassen Sie sich inspirieren!

                                                                                       kulturzüri.ch

                                                                                       KULTURNEWS

                                                                                       «Nachtaktiv» –
                                                                                       ein Museumsabend
                                                                                       für Jugendliche
                                                                                       Das CreativeLabZ, eine Initiative
OBJEKT DER BEGIERDE
                                                                                       der Universitäten Zürich und Basel

Dada Pocket Guide                                                                      sowie der ETH Zürich, organisiert
                                                                                       einmal im Monat eine Abendveran­
                                                                                       staltung für Jugendliche im Museum.
                                                                                       Am 31. März gastiert «Nachtaktiv»
Der «Dada Stadt Zürich Pocket Guide» (D/E) ist das nützliche                           im Rahmen der Ausstellung von
Handbuch, um den Dadaisten und Dadaistinnen in der Stadt Zürich                        Yoko Ono im Chipperfield-Bau.
auf die Spur zu kommen. Das auf die Dada-Wanderkarte                                   Kuratorin Mirjam Varadinis führt in
des Jubiläumsjahres 2016 beruhende, stark erweiterte und über                          die Ausstellung ein und stellt sich
                                                                                       den Fragen von Christoph Stuehn zu
hundertseitige Bändchen lokalisiert auf sechs detailreichen Karten
                                                                                       den Hintergründen der Ausstellung.
über siebzig Adressen, an welchen Dada-Protagonistinnen und
-Protagonisten Geschichte schrieben. Den von Cabaret Voltaire und
Kunsthaus co-editierten Guide können Sie auch in Stadtrundgängen
mit Salome Hohl und Cathérine Hug real vertiefen.
Der Pocket Guide ist am Kunsthaus-Shop für CHF 7.– erhältlich (Mitglieder CHF 6.50).

                                                                                       Für Jugendliche von 16 bis 25 Jahren.
                                                                                       Mit DJ und Barbetrieb. Eintritt frei.
                                                                                       Infos: nachtaktiv.live
Take Care: Kunst und Medizin Yoko Ono. This Room moves at the same Speed as the Clouds Alexandra Bachzetsis. 2020 : Obscene
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                       5.
                      22
Take Care: Kunst und Medizin Yoko Ono. This Room moves at the same Speed as the Clouds Alexandra Bachzetsis. 2020 : Obscene
AUKTIONEN
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23. MÄRZ SCHWEIZER KUNST UND INTERNATIONALE KUNST VOR 1900
22. JUNI MODERNE UND ZEITGENÖSSISCHE KUNST

 FERDINAND HODLER Piz Corvatsch, 1907

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8                                                  AUSSTELLUNGEN

    TAKE
    KUNST CARE
    UND MEDIZIN
    Ausgehend von den Sammlungsbeständen des Kunsthauses und
    ergänzt durch 180 Leihgaben, wird das produktive Wechselspiel
    von Krankheit und Schmerz, Medizin, Pflege und Heilung anhand
    von rund 300 Exponaten in sechs Kapiteln nachgezeichnet.

    8. April – 17. Juli 2022   KURATORIN Cathérine Hug
Take Care: Kunst und Medizin Yoko Ono. This Room moves at the same Speed as the Clouds Alexandra Bachzetsis. 2020 : Obscene
AUSSTELLUNGEN   9

Michelle Miles, hand model, 2018
Video, Farbe, Ton, Dauer 1'46''
Courtesy of the artist, © Michelle Miles
Take Care: Kunst und Medizin Yoko Ono. This Room moves at the same Speed as the Clouds Alexandra Bachzetsis. 2020 : Obscene
10                                                          AUSSTELLUNGEN

 E           s begegnet uns heute ein Klima, in wel-
             chem der Themenkomplex Gesundheit
             neben denjenigen von Sicherheit und in-
 dividueller Freiheit den wichtigsten Platz einnimmt.
 Künstlerinnen und Künstler, deren Körper als Instru-
 ment für die Schaffung ihrer Werke dient, befassen
 sich in einer bestimmten Phase ihrer Laufbahn
 häufig mit der Befindlichkeit ihrer Physis oder Psyche.
 Wie kunsthistorisch einschlägige Beispiele zeigen,
 machen die Betroffenen ihre Krankheit zum Thema
 genialischer Werke, etwa Paul Klee mit seinem Haut-
 leiden Sklerodermie und dem daran inspirierten
 neuartigen Umgang mit Bildkompositionen und -tex-
 turen; General Ideas lautstarke und werbewirksame
 Ästhetik im Kampf gegen die Diskriminierung von
 AIDS-Kranken; Anna Halprins Ausdruckstanz beim
 Heilungsprozess anlässlich ihrer Krebserkrankung
 oder jüngst bei den filmisch wie in einem Renais-
 sance-Stillleben inszenierten atrophierten Händen
 der an den Rollstuhl gebundenen Michelle Miles.
    Mit der Corona-Pandemie, die seit nunmehr zwei                                                               1
 Jahren weltweit die Medien beherrscht, hat das
 Thema Gesundheit nochmals eine ganz andere Dring-
 lichkeit im Bewusstsein der Menschen bekommen.
 Kaum jemand, der oder die sich nicht dazu geäussert
 hätte. Noch nie zuvor hat sich eine ansteckende
 Krankheit in so kurzer Zeit global verbreitet. Dadurch    Mittelalters zurück: Mit dem Anspruch, neben Wis-
 werden viele bis dahin nicht hinterfragte Werte in ein    sen auch Schönheit zu vermitteln, stellten Persönlich-
 kritisches Licht gestellt und Grundsatzfragen aufge-      keiten wie Hildegard von Bingen, Leonardo da Vinci
 worfen: «Wie stehen individuelle Freiheit und kollek-     oder Andreas Vesalius als Erste das Innere des
 tive Gesundheit im Verhältnis zueinander?»; «Was hat      menschlichen Körpers dar. Sichtbarmachen und In-
 in einer demokratisch verfassten Gesellschaft Priori-     terpretieren sind seit jeher Absichten, die Künstler
 tät?»; «Welches Leben wollen wir leben?»; «Ist Nor-       und Medizinerinnen verbinden.
 malität in Bezug auf den Körper überhaupt noch ein
 zeitgemässes Konzept?».                                                 HISTORISCHER EXKURS
                                                           Lange wurde der Medizin nicht der Stellenwert bei-
     SICHTBARMACHEN UND INTERPRETIEREN                     gemessen, welchen sie heute geniesst – und der Kunst
 Der offensichtlichste Aspekt, der Mediziner und           in der Medizin wird heute noch nicht die Bedeutung
 Künstlerinnen verbindet, ist die Bedeutung, welche        zugeschrieben, die sie dort vielleicht haben sollte. Die
 beide Gruppen Bildern beimessen. Bildgebende Ver-         Kirche war den Naturwissenschaften im Allgemeinen
 fahren haben die Medizin seit der Entdeckung der          und der medizinischen Forschung im Besonderen
 Röntgenstrahlen vor über einem Jahrhundert revolu-        feindlich gesinnt, da letztere mit ihrem evolutions-
 tioniert. Ferner finden sich in der jüngeren Wissen-      theoretischen Ansatz «avant la lettre» die höhere,
 schaftsgeschichte Beispiele, die zeigen, wie ästheti-     gottgewollte Weltordnung in Frage stellte. Eine akri-
 sche Kriterien naturwissenschaftliche Forschungsar-       bisch zusammengestellte, viel mehr exemplarische
 beit massgeblich mitbestimmen können. So erfolgte         denn repräsentative Auswahl von Objekten ab dem
 die Entwicklung der Doppelhelix der DNS, für die der      19. Jahrhundert, dem «Goldenen Zeitalter der Medi-
 Physiker Maurice Wilkins und die Molekularbiologen        zin» (Ronald D. Gerste; Erwin Ackerknecht), mit
 Francis Crick und James Watson 1962 den Nobelpreis        grossen Konvoluten aus der Medizinischen Samm-
 für Medizin erhielten, gleichermassen nach wissen-        lung des Instituts für Evolutionäre Medizin (UZH),
 schaftlichen wie visuellen Kriterien. Somit ist ein       der Graphischen Sammlung der ETH und dem Musée
 gewisser künstlerischer Gestaltungswille den Wis-         de l’Assistance Publique – Hôpitaux de Paris, zeigen
 senschaften inhärent. Dieser Anspruch reicht bis in       ästhetisch faszinierende Meilensteine, aber auch Irr-
 die Renaissance und sogar in die Stundenbücher des        wege der Medizingeschichte. Realien, also nicht per
AUSSTELLUNGEN           11

1    Damien Hirst,
3-Hydroxy-4-Methoxyphenethylamine, 1993
Glänzende Haushaltsfarbe auf Leinwand, 275 × 275 cm
Sammlung Bischofberger, Männedorf-Zurich,
© Damien Hirst and Science Ltd.
All rights reserved / 2022, ProLitteris, Zurich

2   Martin Kippenberger, Junger progressiver
Arzt bei der Betrachtung von Unrat, 1985
Öl auf Leinwand, 180 × 150 cm
Privatbesitz, Foto: Lothar Schnepf, © Estate of Martin
Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne

    KÜNSTLER/INNEN

    Mit der Beteiligung von rund 50 Künstle-
    rinnen und Künstler der Gegenwart bis
    zurück ins 19. Jahrhundert, darunter
    Panteha Abareshi, Ilit Azoulay, Jean-Michel
    Basquiat, Judith Bernstein, Joseph Beuys,
                                                                         2
    Louise Bourgeois, Rachal Bradley,
    Stefan Burger, Sophie Calle, Sabina Carraro,
    Georges Chicotot, Honoré Daumier,
    Jean Dubuffet, Albrecht Dürer, Max Ernst,
    Adolf Fleischmann, General Idea,
    Michael Günzburger, Anna Halprin und
    Ruedi Gerber, Barbara Hammer, Christoph
    Hänsli, Duane Hanson, Lynn Hershman
    Leeson, Damien Hirst, Ferdinand Hodler,
    Andreas Hofer, Hanspeter Hofmann, huber.
    huber, Anna Jermolaewa, Hennric Jokeit,
    Fritz Kahn, Martin Kippenberger, Paul Klee,
    Herlinde Koelbl, Bruce Nauman,
    MANON, Michelle Miles, Shana Moulton,                                    2
    Thomas Müllenbach, Matt Mullican,
    Meret Oppenheim, Uriel Orlow, Herbert
    Ploberger, Maria Pomiansky, Marc Quinn,
    Arnulf Rainer, RELAX chiarenza &
    hauser & co, Pipilotti Rist, Ana Roldán,
    Pamela Rosenkranz, Corinne L. Rusch,
    Talaya Schmid, Kiki Smith, Veronika
    Spierenburg, Jules Spinatsch, Lucy Stein,
    Daniel Spoerri, Rosemarie Trockel,
    Luc Tuymans, Varlin, Andreas Vesalius,
    Lotte Luise Volger, Christine Tien Wang,
    Nives Widauer.
12                                                         AUSSTELLUNGEN

                                                                                                                 3

 se als Kunst deklarierte Geschichtszeugen, werden in     (1964, beide Sammlung Speck, Köln). Aufgrund von
 einen assoziativen Dialog mit Kunstwerken gesetzt.       verbesserten hygienischen Bedingungen, einem aus-
 Symbolträchtig für das Zusammenspiel von Kunst           gewogeneren Verhältnis von Arbeit und Freizeit, aber
 und Medizin ist sicherlich, wenn Arzt und Künstler       auch dank Forschungsvorstössen in der Pharmabran-
 sich in einer Person vereinen, wie das bei dem in die-   che und einem breiteren Zugang zu Medikamenten
 ser Ausstellung vertretenen Radiologen Georges           ist die Lebenserwartung von 64 Jahren für Männer
 Chicotot (1908) und dem Ophtamologen Herbert             und 68 für Frauen im Jahr 1949 auf 76 und 81 im Jahr
 Ploberger (1928) der Fall ist.                           2002 gestiegen. Damien Hirst hat sich bei seinen
                                                          Medikamentenverpackungs-Displays und «Spot Pain-
        ZUKUNFTSDRANG UND INNOVATION                      tings» eingehend mit der Nomenklatur lebensverbes-
 Im 19. Jahrhundert überschlugen sich die Innovatio-      sernder und -erhaltender Faktoren und besonders mit
 nen nicht allein in den Bereichen der Industrie, Mo-     deren Warencharakter auseinandergesetzt. Titel wie
 bilität und Kommunikation, auch die Medizin setzte       «3-Hydroxy-4-Methoxyphenethylamine» stammen
 Meilensteine in der Antisepsis, der Anästhesie und       aus dem Produktekatalog «Biochemicals for Research
 damit einhergehend in der Chirurgie, der Epidemio-       and Diagnostic Reagents». Medizinische Technologie
 logie, der Prophylaxe und der Diagnostik. 1883 wurde     ersetzt christliche Theologie, die Gnosis wird Dia-
 auch die weltweit erste allgemeine Kranken- und          gnosis. Kein Werk versinnbildlicht dieses Symbol der
 Unfallversicherung im Deutschen Kaiserreich einge-       «Halbgötter in Weiss» anschaulicher als Duane
 führt. Im Verlauf technischer Entwicklungen began-       Hansons täuschend echt erscheinendes Abbild eines
 nen sich Künstlerinnen und Künstler immer mehr für       Arztes bei einer Sprechstunde.
 die technisch induzierten bildgebenden Verfahren der
 Medizin zu interessieren: Als ikonisches Ausgangsbild         KRANKHEIT ALS KREATIVITÄTSFAKTOR
 für dieses Interesse stehen die Schädelröntgenbilder     In jüngerer Zeit bedienen sich Kunstschaffende der
 von Claire und Yvan Goll (1927) oder auch Joseph         Medizin als integrales Gestaltungselement, sozusa-
 Beuys’ EKG in «Notfalls leben wir auch ohne Herz»        gen als physiologischem «Pinsel der Empfindung».
AUSSTELLUNGEN                                                   13

                                                 4

                3   Sabian Baumann, 4bein, 2011
                Grafitstift auf Papier (vélin), 93 × 150,5 cm
                Kunsthaus Zürich, 2015, © Sabian Baumann

                4    Stirnkühler gegen Kopfschmerzen
                und emaillierte Werbeplakette des
                Herstellers PSYGMA, per 4.5.1919 patentiert
                Leihgabe Universität Zürich, Institut
                für Evolutionäre Medizin (IEM), © Institut
                für Evolutionäre Medizin

                5   Georges Chicotot, Premiers essais
                du traitement du cancer par rayons X, 1908
                Öl auf Leinwand, 119 × 95,7 cm
                Musée de l'Assistance Publique – Hôpitaux
                de Paris, Foto: AP-HP / musée – F. Marin

        5
14                                                        AUSSTELLUNGEN

 Am spektakulärsten ist die «Medizin als Pinsel»            Der Philosoph Paul B. Preciado beobachtet in
 gewiss im Zusammenspiel mit den Bereichen der           unserer Zeit, die sowohl durch eine globale Gesund-
 plastischen Chirurgie. Künstlerinnen machen ihren       heitskrise als auch durch wissenschaftliche Errungen-
 Körper zum eigentlichen Kunstwerk bzw. nehmen an        schaften geprägt ist, ein tiefgreifendes Bedürfnis nach
 ihm bewusste Veränderungen vor, die nur durch           einer neuartigen Ästhetik des Begehrens. Die Künst-
 medizinische Eingriffe möglich sind. Ferner themati-    lerinnen und Künstler dieser Ausstellung nehmen uns
 sieren und hinterfragen Künstlerinnen und Künstler      auf eine Erkundungsreise von Leiblichkeit, Krankheit,
 wie Panteha Abareshi, Sabian Baumann, Martin            Schmerz und Heilung mit. Oder um es in den Worten
 Kippenberger, MANON und Veronika Spierenburg            der teilnehmenden, selbst von Krankheit betroffenen
 zum einen den Klinikalltag aus der Perspektive von      Künstlerin Anna Halprin zu sagen: «The body is living
 sogenannt «Betroffenen», zum anderen hinsichtlich       art. Your movement through time and space is art. A
 des Gesellschaftsdruckes eines «normalen» bzw. ide-     painter has brushes. You have your body.»
 alen Körperbildes. In MANONS «Selbstporträt in
 Gold» (2014) oder Sabian Baumanns «4bein» (2011)        Unterstützt von der Privatklinik Bethanien
 wird dieser Diskriminierung eine positive, auch mit
 Humor besetzte Geste der Selbstermächtigung ent-
 gegengesetzt.

             FORTSCHRITT STELLT UNS
                VOR NEUE FRAGEN
 Besonders ethische Fragen sind ins Zentrum der
 medialen Aufmerksamkeit gerückt, wie der weltweite
 Aufschrei rund um die durch den Biophysiker He
 Jiankui missbrauchte Crispr-Cas9-Methode (Gen-                       KATALOG UND VERANSTALTUNGEN
 schere) zeigt. Emmanuelle Charpentier und Jennifer
                                                                      Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit neuen Beiträgen von Vincent
 Doudna, die von der in dieser Ausstellung vertretenen                Barras, Christoph Becker, Flurin Condrau, Georges Didi-Huberman,
 Fotografin Herlinde Koelbl porträtiert worden sind,                  Cathérine Hug, Adina Kamien, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung,
 haben für Crispr-Cas9 2020 den Nobelpreis für Che-                   Muriel Pic, Linda Schädler, Martin Trachsel, Agnès Virolle und Nicola
                                                                      von Lutterotti. Rahmenprogramm u.a. mit dem Institut für Evolutionäre
 mie erhalten. Skulpturen naturgrosser Körper von
                                                                      Medizin (IEM) der UZH, der Forschungsgruppe «Rethinking Art
 Marc Quinn nahestehenden Personen, wie z. B. sei-                    History through Disability» der UZH und dem Unispital Zürich. Unter
 nem eigenen Kind, bestehen unter der Beimischung                     Mitwirkung u.a. von Sabian Baumann, Günter Burg, Sabina Carraro,
 von teils schier endlos erscheinenden Namenslisten                   Damian Christinger, Monika Dommann, Michael Geiges, Ruedi Gerber,
                                                                      Charlotte Matter, Michael Murrell, Edwin Ramirez, Talaya Schmid
 chemischer Substanzen von Medikamenten, die eben                     mit Laura Lazura, Claudia Spinelli, Jakob Tanner und Martin Trachsel.
 diese Dargestellten täglich einnehmen müssen. Mit                    Details ab April auf unserer Ausstellungswebsite.
 dem Titel «Chemical Life Support» werfen sie Grund-
 satzfragen über lebenserhaltende Massnahmen auf.

       SINNLICH-ASSOZIATIVER STREIFZUG
 Ausgehend von den Sammlungsbeständen des Kunst-
 hauses und ergänzt durch über 180 Leihgaben, wird
 das produktive Wechselspiel von Krankheit und
 Schmerz, Medizin, Pflege und Heilung anhand von
 rund 300 Exponaten in sechs Kapiteln nachgezeich-
 net. Sämtliche Medien von Zeichnung und Malerei
 über Skulptur bis Video, Rauminstallation und
 Performance sind in dieser asynchron-assoziativen
 Abfolge wiederzufinden. Es werden ausschliesslich
 Kunstwerke berücksichtigt, die körperliche Gebre-
 chen (auch seelischen Ursprungs) thematisieren. Die
 sechs Themenbereiche drehen sich um das «goldene
 Zeitalter» der Medizin; Pandemien; Prophylaxe, Kom-
 plementärmedizin und Selbstheilung; der diagnosti-
 sche Blick und das System Spital und Pflege; Medika-
 tion und Forschung und schliesslich Betroffene am
 Scheideweg vom normalen zum singulären Körper.                                                                        6
AUSSTELLUNGEN                                                    15

                                                7

                6   Lotte Luise Volger, Lupus vulgaris.
                Lupus erythematodes, undatiert
                Moulage; Wachsmischung, Stoff auf Holz,
                18,4 × 23,5 × 11 cm
                Moulagenmuseum des Universitätsspitals
                und der Universität Zürich

                7   Kiki Smith, Untitled, 1992
                Graphit auf Metho-Zellulose und hand­gefärbtes
                Nepalpapier, 160 × 47 × 138 cm
                D. Daskalopoulos Collection, © Kiki Smith
16                                                          ANZEIGEN

     Featured Artists:
     Gabi Veit
     Tim Carson
                         Featured
                         Featured Artist:
                                  Artist: Nicole
                                          Nicole Schuste
                                                 Schuste
     Hanna Kim

     www.foc.ch

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      Tel. 043 399 70 63
                                                                                                           «Cabaret normand», 1875
      info@schulerauktionen.ch                                                                             Öl auf Leinwand, 98 x 130 cm
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Art inspires. Art stimulates. Art engages. That’s why Swiss Re collects art, commissions artists and builds
bridges between art and architecture, between business and institutions, between employees and their
work spaces. Art connects people – every day. Let’s be smarter together.

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18                            AUSSTELLUNGEN

                                                             1

 YOKO ONO
               THIS ROOM MOVES AT
          THE SAME SPEED AS THE CLOUDS

     4. März – 29. Mai 2022                   KURATORIN Mirjam Varadinis
AUSSTELLUNGEN                        19

               Yoko Ono (*1933) gehört zu den einflussreichsten
               Künstlerinnen unserer Zeit. Ihre Performances
               und Aktionen der 1960er- und 1970er-Jahre haben
               Kultstatus erreicht und laden sich gerade aus
               heutiger Perspektive mit neuer Aktualität auf.

Yoko Ono hat sich seit Beginn ihrer Karri-   Büchlein «Grapefruit» veröffentlicht. Die-
ere mit wichtigen gesellschaftspolitischen   ses kleine grosse Werk der Konzeptkunst
Themen auseinandergesetzt, die auch          enthält Handlungsanweisungen für einfa-
heute noch von grosser Relevanz sind. Sie    che Aktionen, die jede/r ausführen kann
engagiert sich seit jeher für den Frieden    und die ganz alltägliche Verrichtungen in
auf der Welt und setzt sich für feministi-   Performances verwandeln. Was dabei
sche Anliegen ein. Ideen spielen dabei im-   allerdings zählt ist die Imagination, die
mer die zentrale Rolle. Mal formuliert sie   Fantasie. Das Kunstwerk entsteht im Kopf
diese auf spielerisch-humorvolle Weise,      und muss nicht zwingend aufgeführt wer-
mal ganz radikal, dann wiederum sehr         den. Yoko Ono war eine der ersten, die
poetisch – und einige verwandelt sie in      solche «Event Scores» verfasste und damit
Objekte, andere lässt sie immateriell.       den Kunstbegriff radikal veränderte und
Dementsprechend vielfältig ist das künst-    nachhaltig erweiterte. Den Titel «Grape-
lerische Werk von Yoko Ono und umfasst       fruit» wählte die Künstlerin, weil sie die
Skulpturen, Arbeiten auf Papier, Installa-   Grapefruit als Hybrid verstand, als Mi-
tionen, Performances, Film und Musik.        schung zwischen Orange und Zitrone. Sie
                                             selbst empfand sich genauso als Hybrid –
      HANDLUNGSANWEISUNGEN                   zwischen Japan und Amerika, zwischen
    ZWISCHEN LYRIK, KONZEPT- UND             Ost und West, zwischen bildender Kunst,
        PERFORMANCEKUNST                     Musik und Performance.
Ausgangspunkt der meisten Werke sind
sogenannte «Event Scores» oder «Instruc-               AKTUALITÄT VON
tions». Viele davon hat Yoko Ono 1964                YOKO ONOS SCHAFFEN
erstmals in dem berühmten quadratischen      Diese vielfältige künstlerische Praxis ist
                                             es, die Yoko Ono aktueller macht denn je.
                                             Wir leben in Zeiten, in denen sich die
                                             Grenzen zwischen den künstlerischen
1
                                             Disziplinen immer mehr auflösen und die
    Yoko Ono, Cut Piece, 1964 / 65
Performance Carnegie Recital Hall,           Idee des Publikums als Performer bzw. die
New York City, 21. März 1965
Foto: Minory Niizuma, © Yoko Ono
                                             Inszenierung des Individuums im Alltag
                                             aufgrund von Social Media zentrale Be-
2   Yoko Ono, Film No. 4 ('Bottoms'),
[Fluxfilm No 16], 1966
                                             deutung erlangt hat. Die Ausstellung im
Filmstrip‘, © Yoko Ono                       Kunsthaus Zürich setzt genau bei dieser      2
20                                                        AUSSTELLUNGEN

                                                                                          3

 Aktualität von Yoko Onos Schaffen an und     Einzelausstellung einer internationalen
 zeigt eine Auswahl von rund 60 zentralen     Künstlerin im neu eröffneten Chipper-
 Werken aus allen Schaffensperioden, mit      field-Bau. Begleitend zur Ausstellung ist
 einem Schwerpunkt auf dem Frühwerk.          ein vielfältiges Performance-Programm
 Die Präsentation will keine klassische Re-   geplant, bei dem wichtige Werke von Yoko
 trospektive sein, sondern das über fünf-     Ono reinszeniert werden (siehe www.
 zigjährige künstlerische Schaffen mit        kunsthaus.ch, ab März). In einem erwei-
 einem frischen Blick aus dem Heute neu       terten Programmheft in Englisch und
 beleben und die Zuschauerinnen und           Deutsch werden diese Performances und
 Zuschauer auf vielfältige Weise mitinvol-    zentrale Themen von Yoko Onos Schaffen
 vieren. Yoko Ono ist an der Konzeption       mit Texten verschiedener Autorinnen be-
 der Ausstellung persönlich beteiligt, und    leuchtet, u.a. mit Beiträgen von RoseLee
 die Werkauswahl geschieht gemeinsam          Goldberg, Catherine Morris, Patti Smith,
 mit ihr und ihrem langjährigen Kurator       Dorothee Richter, Fanny Wissler und
 und Freund Jon Hendricks.                    Emma McCormick-Goodheart.

      ERSTE EINZELAUSSTELLUNG                 Unterstützt von
        IM CHIPPERFIELD-BAU
 Die Ausstellung «THIS ROOM MOVES AT
 THE SAME SPEED AS THE CLOUDS»
 von Yoko Ono ist die erste Präsentation
 der Künstlerin in einem grossen Schwei-
 zer Museum und gleichzeitig die erste        Albers & Co AG
AUSSTELLUNGEN                                                            21

        4

                                                                             5

                    3   Yoko Ono, Wish Tree, 1996 / 2013
                    Ausstellungsansicht, YOKO ONO: HALF-A-WIND SHOW
                    - A RETROSPECTIVE, Louisiana Museum of Modern Art,
                    2013, Foto: Bjarke Ørsted, © Yoko Ono

                    4    Yoko Ono and John Lennon, War is over!
                    If you want it (Love and Peace from John & Yoko), 1969
                    Original-Poster, © Yoko Ono

                    5   Yoko Ono, Apple, 1966
                    Ausstellungsansicht, UNFINISHED PAINTINGS &
                    OBJECTS BY YOKO ONO, Indica Gallery, London, 1966
                    Foto: Iain Macmillan, © Yoko Ono

                    6   Yoko Ono, Sky Piece to Jesus Christ, 1965 / 2013
                    Performance in Zusammenarbeit mit
                    YOKO ONO: HALF-A-WIND SHOW – A RETROSPECTIVE,
                    Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, 2013
                    Foto: Bjarke Ørsted, Courtesy of Louisiana Museum
                    of Modern Art, © Yoko Ono

6
22                                                      AUSSTELLUNGEN

 Alexandra Bachzetsis

 2020: OBSCENE
 25. März – 1. Mai 2022    KURATORIN Mirjam Varadinis

                                                                               ihr neustes Werk «2020: Obscene» bei uns in der
                                                                               Museumsfassung Premiere feiert. Darin erforscht die
                                                                               Künstlerin performativ die Abhängigkeiten zwischen
                                                                               der «Szene» – also dem Spielen und dem Inszenieren
                                                                               – und dem «Obszönen». Diese Beziehung hat eine
                                                                               lange und inspirierende Geschichte in der Sprachphi-
                                                                               losophie, Soziologie sowie der Kultur- und Kunst-
                                                                               theorie. Jean Baudrillard verwendet das Obszöne als
                                                                               kulturkritischen Terminus, um unsere globale Gesell-
                                                                               schaft zu beschreiben, die der Mediatisierung voll-
                                                                               kommen unterworfen und in der die Medialität zur
                                                                               Realität geworden ist.
                                                                                  Gemeinsam mit drei Co-Performerinnen und -Per-
                    Alexandra Bachzetsis (*1974) ist Choreografin und          formern konzentriert sich Bachzetsis in «2020:
                    bildende Künstlerin und lebt und arbeitet in Zürich.       Obscene» auf das Verhältnis der Inszenierung des
                    Ihre künstlerische Praxis entfaltet sich an der Schnitt-   exzessiven Körpers und dessen Verzehr durch den
                    stelle von Tanz, Performance, bildender Kunst und          begehrenden Blick. Die Arbeit untersucht einerseits
                    Theater. Viele ihrer Arbeiten beschäftigen sich mit        die Problematik des Theaters als Manipulationsma-
                    Choreografien des Körpers und insbesondere mit der         schine im Hinblick auf Verführung, Anziehung und
                    Frage, auf welche Weise wir uns Gesten, Ausdrucks-         Spiele der sexuellen Identität, andererseits den dar-
                    weisen, Identifikationsmuster und Fantasien aus der        stellenden Körper selbst als Ort der Entfremdung und
                    Popkultur aneignen, wenn wir unsere Körper im-             Begrenzung des menschlichen Seins. Die Performer/
                    merzu neu entwerfen und definieren. Dabei interes-         innen werden mit ihrer eigenen Körperlichkeit kon-
                    siert sich Bachzetsis für den wechselseitigen Einfluss     frontiert – mit den Widersprüchen zwischen Intui-
                    zwischen «populär-kommerziellen» Medien (Social            tion und Geste, Licht und Dunkel, Partitur und Skript
                    Media, Videoclips oder Fernsehen) und der «Kunst»          sowie Norm und Form.
                    (Ballett, moderner und zeitgenössischer Tanz, Per-
                    formance und bildende Kunst).                              Unterstützt von der Dr. Georg und
                                                                               Josi Guggenheim-Stiftung
                          INSZENIERUNG DES EXZESSIVEN KÖRPERS
                    Alexandra Bachzetsis’ Arbeiten wurden weltweit in
                    wichtigen Museen und Theatern sowie Biennalen und
                    Festivals gezeigt. Mit dem Kunsthaus Zürich verbin-
                    det die Künstlerin, die 2018 mit dem Kunstpreis der
                    Stadt Zürich ausgezeichnet wurde, schon eine längere
                    Geschichte. Bereits 2008 wurde hier eine frühe Arbeit
                    von ihr gezeigt, und im Laufe der Jahre folgten weitere
                    Performances. Wir freuen uns daher sehr, dass nun
AUSSTELLUNGEN                                       23

                                                                AUSSTELLUNG UND
                                                                LIVE-PERFORMANCE
                                                                «2020: Obscene» von Alexandra
                                                                Bachzetsis ist sowohl Ausstellung
                                                                wie auch Live-Performance.
                                                                Im Aus­stellungsmodus werden
                                                                die Bühnenelemente zu Projek-
                                                                tionsflächen für eine dreiteilige
                                                                Videoprojektion, und am 1. / 2. April
                                                                wird die Performance live im
                                                                Vortragssaal aufgeführt. Nicht
                                                                verpassen!

                                                                Weitere Informationen sowie
                                                                Reservation ab Anfang März unter:
                                                                www.kunsthaus.ch/agenda
Fotos © Melanie Hofmann; Porträt © Peggy June
24                               ANZEIGEN

             WIR PFLEGEN NOCH DIE KUNST
             DER DISKRETEN UND KOMPETENTEN
             OBJEKTVERMITTLUNG.              www.fsp.immo
                                             044 915 46 00
             FEINE SCHWEIZER IMMOBILIEN

     Talaya
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     bis 12.02.2022
                       Galerie

     Birmensdorferstrasse 299
     8055 Zürich
     www.koenigbuero.ch
SAMMLUNG                                                                 25

                                                                                                                                   DIGITALER RAUM IM FOKUS
                                                                                                                       Der Name ist Programm: Das «Kunsthaus Digilab» ist
                                                                                                                       ein Raum zum Experimentieren, Ausprobieren und
                                                                                                                       auch kritischen Nachdenken über den digitalen Raum.
                                                                                                                       Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler werden
                                                                                                                       eingeladen, in regelmässigen Abständen neue Kunst-
                                                                                                                       werke zu realisieren, die online erfahrbar sind und
                                                                                                                       Themen wie Big Data, Überwachung oder den Zugang
                                                                                                                       zu Information reflektieren. Das erste Projekt «Re-
                                                                                                                       fuse to be Human – Die Baidu Ausgabe» der
                                                                                                                       !Mediengruppe Bitnik lud beispielsweise dazu ein, das
                                                                                                                       Internet aus der Perspektive eines Bots zu erkunden
                                                                                                                       – also eine Umkehr des im Netz üblichen Mechanis-
                                                                                                                       mus, der die User dazu auffordert zu bestätigen, dass
                                                                                                                       sie keine Roboter sind. Mit Hilfe einer von Bitnik pro-
                                                                                                                       grammierten Browsererweiterung wurde der Zugang
                                                                                                                       auf Websites und Archive eröffnet, die üblicherweise
                                                                                                                       hinter einer Paywall liegen. Das Werk hinterfragte die
                                                                                                                       politischen und kommerziellen Kontrollmechanis-
                                                                                                                       men, die das Netz und damit auch unseren Zugang zu
                                                                                                                       Information bestimmen. Ab Mitte März wird eine neue
                                                                                                                       Arbeit von Nora Turato (*1991) im Digilab zu sehen
                                                                                                                       sein, die sich mit der Sprache der online zirkulieren-
                                                                                                                       den Nachrichtenflut und Texthysterie beschäftigt.

                                                                                                                                  AUSSTELLUNGSGESCHICHTE

                                      Kunsthaus
                                                                                                                                     ONLINE ZUGÄNGLICH
                                                                                                                       Gleichzeitig bietet das «Kunsthaus Digilab» die Mög-
                                                                                                                       lichkeit, in die Geschichte des Hauses einzutauchen
                                                                                                                       und mehr über die über hundertjährige Ausstellungs-

                                      Digilab
                                                                                                                       geschichte zu erfahren. Das Kunsthaus Zürich, das
                                                                                                                       1910 im Moser-Bau am Heimplatz 1 eingezogen ist,
                                                                                                                       kann auf über tausend Ausstellungen zurückblicken.
                                                                                                                       Die durch den persönlichen Einsatz der beteiligten
                                                                                                                       Künstlerinnen und Künstler und Kuratorinnen und
                                      TEXT Mirjam Varadinis und Cathérine Hug                                          Kuratoren geprägte Vielfalt und Qualität verleiht dem
                                                                                                                       Kunsthaus sein einmaliges Gesicht im internationa-
                                                                                                                       len Ausstellungsbetrieb. Um diese Projekte, die phy-
                                                                                                                       sisch gut im Archiv der Bibliothek dokumentiert sind,
                                                              Wer sich gefragt hat, was es mit dem «Refuse to be       einem breiteren Publikum zugänglich zu machen,
                                                              Human»-Sticker auf sich hatte, der dem letzten           sind nun alle Ausstellungen im «Kunsthaus Digilab»
                                                              Kunsthaus-Magazin beilag, findet hier nun die Auflö-     aufgelistet. Zu einer Auswahl, die als Work in Progress
                                                              sung. Die Aktion fand nämlich im Zusammenhang mit        ständig wachsen soll, wurden retrospektiv Texte
                                                              unserem neu lancierten «Kunsthaus Digilab» (digilab.     verfasst und ergänzende Materialien digitalisiert.
                                                              kunsthaus.ch) statt. Dies ist eine digitale Plattform,   Diese Form der Kontextualisierung ist einmalig und
                                                              die die Menschen in Zeiten der Pandemie auf innova-      neu. In anderen Institutionen wird meist auf beste-
                                                              tive Weise zu Hause vor ihren Bildschirmen abholt        hende «Werbetexte» zurückgegriffen oder einfach ein
                                                              und sie für neue Formen der Kunst begeistert. Das        Zeitstrahl online gestellt.
Foto © Sara Nenzi, Kunsthaus Zürich

                                                              «Kunsthaus Digilab» ergänzt den kürzlich eröffneten         Auf kleiner Flamme gestartet, soll das Projekt in
                                                              Chipperfield-Bau und erweitert den neu gebauten          den kommenden Monaten und Jahren weiterwach-
                                                              physischen Raum im Virtuellen. Damit sollen sowohl       sen. Dabei steht nicht ein im Voraus definierter
                                                              geografisch wie auch gesellschaftlich neue Besucher-     Masterplan im Vordergrund, der digitale Raum soll
                                                              gruppen angesprochen und fürs Museum gewonnen            vielmehr prozesshaft und modular gebaut werden –
                                                              werden.                                                  entsprechend der Idee eines «Labs».
26                                                          SAMMLUNG

 Konfiskation und
 Verfolgung
 Die Fluchtgut-Debatte als Prüfstein für die Schweiz
 TEXT Joachim Sieber

 Die Provenienzforschung steht in der ak-    Akten sorgfältig untersucht und publi-       Besitzer mit Referenzdaten versehen, die
 tuellen Debatte um den Einzug der Samm-     ziert. Seit 2017 ist am Kunsthaus ein wis-   eine eindeutige Identifizierung ermögli-
 lung Emil Bührle in den neu eröffneten      senschaftlicher Mitarbeiter eingestellt,     chen und die Kontextualisierung erleich-
 Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich an     der sich ausschliesslich der Erforschung     tern.
 prominenter Stelle. Sie befasst sich mit    der Provenienzen widmet. Anhand meh-
 den historischen Erwerbungskontexten        rerer vom Bundesamt für Kultur kofinan-            WANN WIRD FLUCHTGUT
 von Artefakten und Sammlungen. Dazu         zierter Projekte wird im Haus eine syste-      ZU RAUBKUNST: DER KONTEXT IST
 zählen die Untersuchung der Schweizer       matische Provenienzforschung der                      ENTSCHEIDEND
 Kulturpolitik, von Erwerbungen für pri-     Sammlungsbestände betrieben. Dabei           Die Kontextualisierung der Erwerbsum-
 vate und öffentliche Sammlungen sowie       werden nebst den zentralen Zugängen          stände ist insbesondere deswegen zentral,
 von transnationalen Verflechtungen des      zwischen 1933 und 1945 auch die späteren     als die aktuelle Debatte sich um den Be-
 Kulturgütertransfers, insbesondere in Un-   Ankäufe, Schenkungen und Legate fort-        griff des sogenannten Fluchtguts dreht.
 rechtskontexten von Kolonialherrschaft      laufend untersucht. Im Zuge dieser Pro-      Der Begriff wurde von der 1996 von der
 oder dem NS-Regime. Provenienzfor-          jekte konnten diverse Archivbestände         Schweizer Regierung eingesetzten «Unab-
 schung ist heute aus Museen nicht mehr      erschlossen und digitalisiert, sowie For-    hängigen Expertenkommission Schweiz
 wegzudenken. Denn ein aktueller und         schungsstrukturen aufgebaut werden.          – Zweiter Weltkrieg» («Bergier-Kommis-
 transparenter Umgang mit den histori-       Dank dieser Grundlagen auf dem aktuel-       sion») als «Kulturgüter, die von den ( jüdi-
 schen Objektgeschichten der gezeigten       len Forschungsstand kann die Überfüh-        schen) Eigentümern selbst in oder über
 Kunstwerke ist ein wichtiger Pfeiler der    rung der Provenienzangaben der Samm-         die Schweiz ins Exil verbracht wurden»
 Verantwortung, die ein Museum als Ge-       lung Emil Bührle in die Sammlungsdaten-      definiert. Ausgehend von der Sammlung
 dächtnisinstitution gegenüber der Gesell-   bank des Kunsthaus Zürich angegangen         Emil Bührle entzündet sich aktuell die
 schaft wahrnehmen muss.                     werden. Das Ziel dabei wird sein, die um-    Debatte, wie in der Schweiz mit Kulturgü-
                                             fangreichen Provenienzrecherchen der         tern umgegangen werden soll, die auf-
         PROVENIENZFORSCHUNG                 Stiftung E. G. Bührle strukturell zu über-   grund der politischen und kriegerischen
     AM MUSEUM: INFRASTRUKTUR UND            arbeiten und punktuell zu überprüfen und     Entwicklungen aufgrund des NS-Regimes
           ARCHIVKENNTNISSE                  anzupassen. Bestehen in den Provenienz-      in Deutschland und den besetzten Gebie-
 Bereits im Kontext der Erstellung des       angaben zu einem Werk aufgrund nicht         ten in die Schweiz gebracht und hier ver-
 2007 erschienenen Sammlungskatalogs         vorhandener Dokumente Wissenslücken,         kauft wurden.
 der Gemälde, Skulpturen und Installatio-    so werden diese gemäss den musealen             Die grundlegende Problematik dieser
 nen wurden die Provenienzen der Samm-       Standards nun explizit ausgewiesen.          wichtigen (kultur-)politischen Diskus-
 lungswerke aufgrund der bestehenden         Ebenso werden frühere Besitzerinnen und      sion, welche bereits seit längerem auch auf
SAMMLUNG                                                                     27

internationaler Ebene läuft, besteht darin,   nander vernetzt und erarbeiten wichtige               Schweizer Museen zeitgemässe Lösung zu
dass die Richtlinien der Washingtoner         Grundlagen für eine faire und gerechte                finden.
Prinzipien (1998) und der Erklärung von       Bearbeitung von Provenienzfragen in der                  Damit eine Meinungsbildung zu spezi-
Terezín (2009) von Staat zu Staat unter-      Schweiz. Doch sind sie nicht allein, wich-            fischen Werkgeschichten stattfinden
schiedlich ausgelegt und umgesetzt wur-       tige Player sind auch der Kunsthandel,                kann, schaltete das Kunsthaus Mitte Ja-
den. So hat sich für die Bundesrepublik       Archive sowie private Sammlungen. Mit-                nuar 2022 eine neue Sammlung Online
Deutschland – im Gegensatz zur Schweiz        telfristig dürfte es sich als unvermeidlich           auf. Dort werden Provenienzangaben in-
Rechtsnachfolger des NS-Staats – der Be-      erweisen, dass auf Bundesebene zeitge-                klusive Quellennachweise zugänglich ge-
griff der «NS-verfolgungsbedingt entzoge-     mässe Richtlinien betreffend den Umgang               macht. Neu werden die bisherigen Prove-
nen Kulturgüter» etabliert. Dieser Begriff    mit Provenienzfragen definiert werden.                nienzangaben in relevanten Fällen zudem
wird für die Beurteilung beigezogen, ob       Dabei müssten in angemessener Weise                   durch erläuternde Kurztexte ergänzt, in
ein Werk Raubkunst ist oder nicht. In der     sowohl internationale wie auch spezifisch             denen die Objektgeschichte der Werke in
Schweiz hingegen ist für den Bund für die     schweizerische Aspekte Berücksichtigung               den historischen Kontext eingeordnet
Beurteilung, ob ein Werk als Raubkunst        finden. Das Kunsthaus verfolgt die De-                wird. Dies wird fortlaufend auch für die
gilt, die Frage entscheidend, ob ein Trans-   batte aufmerksam und beteiligt sich am                Werke der Sammlung Bührle so gehandhabt
fer oder Handwechsel zwischen 1933 und        Diskurs, um in Zukunft eine für die                   werden (vgl. collection.kunsthaus.ch).
1945 in seiner Wirkung konfiskatorisch
war. In anderen Worten, ob ein Werk auf-
grund einer Beschlagnahme von Gütern
oder Vermögen seitens des NS-Regimes
transferiert oder verkauft wurde. Der
«verfolgungsbedingte Entzug» findet nur
am Rande Erwähnung, da er in seiner
Form konfiskatorisch gewesen sein
musste.
    Der grundlegende Unterschied der bei-
den ausgeführten Auslegungen besteht
also darin, dass in der Schweiz aktuell die
Verfolgung alleine nicht dafür ausreicht,
dass ein Fluchtgut-Werk als Raubkunst
eingestuft wird. Dies ist für die Schweizer
Museen ein wichtiger Punkt. Gerade das
Kunsthaus Zürich verfügt über Fluchtgut-
Werke, bei denen nachgezeichnet werden
kann, dass sie mit viel Umsicht und Res-
pekt gegenüber den Eigentümerinnen und
Eigentümern in die Sammlung gelangten.
Das Kunsthaus stand nicht selten in na-
hem, langjährigem Kontakt zu betroffenen
Sammlern und unterstützte diese auf viel-
fältige Weise.                                           Provenienzforschung on display: Der Interventionsraum Provenienz­
                                                         forschung mit dem Neuankauf für die Kunsthaus-Sammlung 2021:
                                                         Raphaël Denis, La Loi normale des erreurs: les transactions
    KLÄRUNG STRITTIGER PUNKTE                            Göring-Rochlitz, 2021, Kunsthaus Zürich, 2021, © Raphaël Denis
Die Provenienzforscherinnen und Prove-
nienzforscher der Schweiz sind gut mitei-
Amar Kanwar, Such a Morning, 2017. Video, Farbe, mit Ton, 85’. Courtesy of the artist and Marian Goodman Gallery, Paris

15.5.2022
18.2.2022 –
                                                                                                                                        LAUSANNE

mcba.ch
                                                                                                                                        Résister, encore
                                                                                                                                        DES BEAUX-ARTS
                                                                                                                                        MUSÉE CANTONAL
ANDERNORTS                                                                      29

Ins Licht gezeichnet
Scheibenrisse von Amman bis Füssli
TEXT Jonas Beyer

                                                                                                             2

                                                                                           1   Christoph Murer, Scheibenriss mit Herkules
                                                                                           am Scheideweg und Wappen Hirzel, 1595
                                                                                           Feder in Schwarz und Braun, grau laviert,
                                                                                           30,4 × 20,4 cm
                                                                                           Kunsthaus Zürich

                                                                                           2  Lux Zeiner zugeschrieben, Scheibenriss mit
                                                                                           Wappen und Jagdszenen, um 1480 (?)
                                                                                           Feder in Dunkelbraun, Durchmesser 29,8 cm
                                                                          1                ETH-Bibliothek Zürich, Graphische Sammlung

Eine breitere Öffentlichkeit wurde mit der    ausreichend gewürdigt, dass Scheiben-        in Arbeiten etwa von Gotthard Ringgli,
Kunstform des Scheibenrisses erst in          risse neben ihrer dienenden Funktion oft     Christoph Murer oder Jost Amman nie-
jüngster Zeit durch einschlägige Ausstel-     genug von hohem künstlerischen Wert          derschlägt, so sind die Scheibenrisse zum
lungen in der Staatlichen Kunsthalle          sind.                                        anderen auch in ihrer kulturgeschichtli-
Karlsruhe (2009) oder im Kunstmuseum             Diesem Desiderat soll nun mit einer       chen Aussagekraft von herausragendem
Basel (2020) vertraut gemacht. Scheiben-      Ausstellung begegnet werden, in der gleich   Wert: Szenen aus dem Alltag oder aus der
risse sind Entwurfszeichnungen für Glas-      vier Zürcher Institutionen, namentlich die   Berufswelt, moralisierende Sinnbilder
malereien. Die kleinformatigen Glasge-        Zentralbibliothek Zürich, das Kunsthaus      und religiöse Sujets gewähren einen rei-
mälde gelten als schweizerische und           Zürich, die Graphische Sammlung der          chen Einblick in die Gedankenwelt und
süddeutsche Eigenheit, die im 16. und         ETH Zürich und das Schweizerische Nati-      das Leben der damaligen Zeit.
17. Jahrhundert durch den Brauch der          onalmuseum, ihre Bestände in einer ge-           Rund sechzig Zeichnungen aus den vier
Wappen- und Fensterschenkungen eine           meinsamen Kooperation ans Licht der          Zürcher Sammlungen werden ab 18. März
Hochblüte erlebten. Obwohl Zürich da-         Öffentlichkeit befördern. Alle vier Häuser   bis 2. Juli 2022 in der Schatzkammer der
mals als ein Zentrum der Glasmalerei in       besitzen auf dem Feld der Scheibenrisse      Zentralbibliothek Zürich zu sehen sein.
der Schweiz galt, sind Scheibenrisse seit     bedeutende historische Bestände, in de-      Begleitet wird die Schau durch einen reich
fast achtzig Jahren nicht mehr in einer auf   nen sämtliche wichtigen Künstler ihrer       illustrierten Katalog mit Beiträgen aus der
dieses Thema konzentrierten Ausstellung       Zeit mit prominenten Blättern vertreten      aktuellen Forschung.
zu sehen gewesen. Wirklich überraschend       sind. Überzeugen die Blätter zum einen in
scheint das nicht, denn nur selten wird       ihrer zeichnerischen Virtuosität, die sich
30                               ERWEITERUNG

ERÖFFNUNG

                                         04. OKT
                                         Feier für Mitarbeitende und am
                                         Bau Beteiligte
DIE
        TEXT Björn Quellenberg
ERWEITERUNG                          31

                                                                       06. OKT
                                                                       Director’s Preview & Party

                            05. OKT
                            Vorbesichtigung für Donatorinnen
                            und Kunstfreunde
Fotos © Caroline Minjolle
32                         ERWEITERUNG

                                   08. OKT
                                   Eröffnung für Mitglieder
                                   der Zürcher Kunstgesellschaft

     07. OKT
     Politischer Festakt
ERWEITERUNG                                                33

                                                                    IN BILDERN

                                                                    «Museums-Check»

09.-10. OKT
                                                                    Fünf Tage lang nahm ein TV-Team des
                                                                    Südwestrundfunks das erweiterte
                                                                    Kunsthaus unter die Lupe. Das Ergebnis
                                                                    wurde am 19. Dezember um 18.30 Uhr
Tage der offenen Tür                                                in einem halbstündigen Beitrag auf 3sat
                                                                    ausgestrahlt: Museums-Check mit
Am 9. und 10. Oktober öffnete das Kunsthaus gratis.
                                                                    Markus Brock – Kunsthaus Zürich – 3sat-
Der Samstag begann mit einem symbolischen Akt.                      Mediathek. Sehen Sie selbst, aus welcher
Bis Sonntag strömten über 15 000 Besucherinnen und                  Perspektive die Journalisten aus dem
Besucher ins Kunsthaus.                                             Nachbarland das Kunsthaus betrachten.
                                                                    Mit Christoph Becker und Mirjam Varadinis.

                                                                    «Das Publikum»
                                                                    Im letzten Film unserer Reihe zur Kunst­
                                                                    haus-Erweiterung hat das Publikum
                                                                    das Wort. Was die ersten Besucherinnen
                                                                    und Besucher über die Architektur, die
                                                                    Sammlung und die Ausstellungen denken,
                                                                    erfahren Sie hier: www.kunsthaus.ch/
                                                                    museum/ueber-uns/erweiterung
34                                                             ERWEITERUNG

 IN WORTEN
                                                    «Grosszügige und
                                                    helle Räume: Der
 «Viele der hier gezeigten 170 Bilder
                                                    Neubau ist nicht nur
 sind Weltklasse, in jedem der vielen
 Säle staunt man aufs Neue über                     wegen der Kunst,
                                                    sondern auch wegen
 längst ikonisch gewordene Bilder
 von Manet, Cézanne, Monet, Signac,
 Pissaro, Gauguin und van Gogh.

                                                    der Architektur
 In einem regelmässigen Rhythmus,
 nicht zu eng, nicht zu luftig ge­
 hängt, führen sie die Besucherin­
 nen und Besucher durch den
 französischen Impressionismus,
 dass es eine Lust ist. Und die
                                                    einen Besuch wert.»
 Geschichte? Über die wird man                      Pascal Turin, «Züriberg / Neumünster Post»
                                                    14. Oktober 2021
 umfassend und kompetent im
 Dokumentationsraum informiert.»

 Christoph Heim, «Tages-Anzeiger»
 7. Oktober 2021

                                                                                                 «Ich habe das Museum
                                                                                                 besucht und war
 Fakten oder Kampagnen?                                                                          überwältigt. Von der
                                                                                                 Qualität der Meister-
 Im letzten Magazin hatten wir die «CH Media» einem Faktencheck unterzogen.
 Diesmal müssen wir die «Republik» korrigieren. Redaktor Daniel Binswanger                       werke, aber auch davon,
 behauptete, Christoph Becker sei der erste familienfremde Stiftungsrat in der
 Stiftung Sammlung E. G. Bührle gewesen. Dies ist falsch. Bereits sein Vorgänger
                                                                                                 dass das Kunsthaus
 Felix Baumann hatte im Stiftungsrat Einsitz. Und dies nicht aus Eitelkeit oder
 Machstreben, wie die «Republik» der Kunsthaus-Leitung unterstellt, sondern
                                                                                                 einen ganzen Saal mit
 von der Stiftung aufgrund einer Bestimmung in den Statuten gewählt, welche                      der historischen
 besagt, dass im Stiftungsrat unter anderem jeweils ein Vertreter einer Behörde
 der Stadt Zürich, wie z. B. ein Mitglied des Stadtrates, oder ein Vertreter einer               Aufarbeitung der Sam-
 kunsthis­torischen Institution, ein Professor der Kunstgeschichte oder ein
 Konservator des Landesmuseums oder ein Mitglied der Zürcher Kunstgesell­
                                                                                                 meltätigkeit Bührles
 schaft sein soll. Im Übrigen gab es auch weitere Mitglieder, die nicht zur Familie              belegt hat. Einmalig!»
 gehörten, wie z. B. Prof. Franz Zelger oder Dr. Roger Fayet. Diese Wahrheit hätte
 nicht in die Kampagne gepasst, die die «Republik» gegen das Kunsthaus führt.                    Peter Rothenbühler, «Weltwoche»
                                                                                                 17. November 2021
ERWEITERUNG                                                        35

IN ZAHLEN
                                            87,5
                                            Das Digitorial buehrle.kunsthaus.ch
                                            erzielt Bestnoten. 87,5 % der
                                            Leserinnen und Leser bescheinigen
                                            diesem digitalen Produkt einen
                                            hohen bis sehr hohen Erkenntnis­

240’000
                                            wert. Die redaktionelle Haltung
                                            wird mehrheitlich als «objektiv»
                                            bewertet, die Bedienbarkeit als
                                                                                     900
                                            «einfach» und «intuitiv» gelobt.         Unserem Verein haben sich seit der
Der erste digitale Besucherguide                                                     Eröffnung des Chipperfield-Baus
mit seinem Museumsplan, den                 Zwei Drittel der Nutzenden bewer­        900 neue Mitglieder angeschlossen.
Tipps und Touren, der Künstlersu­           ten die Text- und Bildelemente als       Das ist der grösste Zuwachs in der
che und den Quicklinks ist in den           gut verständlich und nicht abstrakt.     über zweihundertjährigen Geschichte
ersten acht Wochen nach der                                                          der Zürcher Kunstgesellschaft innert
                                                                                     so kurzer Zeit.
Eröffnung bereits von 240'000
Nutzerinnen und Nutzern aufgeru­
fen worden. Die Macher und die
Umwelt freuts, denn der gedruckte           52
                                                                                     2
Lageplan kann in geringeren
Auflagen produziert werden.                 Werner Merzbacher teilt seine Passion.
                                            Auch 2022 wird jede Woche ein frischer
                                            Strauss Blumen die Besucherinnen und
                                            Besucher seiner Sammlung im Chipper­     Das Archiv der Stiftung Sammlung
                                            field-Bau empfangen.
                                                                                     Emil Bührle wurde in den sechs
                                                                                     Wochen nach seiner öffentlichen
                                                                                     Zugänglichkeit in der Kunsthaus-
                                                                                     Bibliothek von nur zwei externen
                                                                                     Personen konsultiert. Dies steht
                                                                                     in krassem Gegensatz zur Vielzahl

218’631’025
                                                                                     derjenigen, die öffentlich neue
                                                                                     Forschung reklamieren, aber die
                                                                                     Quellen selber nicht nutzen.

Nie wurde mehr über das Kunsthaus geschrieben. Das ist die Reichweite
aller Presseclippings, die wir national und aus dem umliegenden Ausland
erfassen konnten. Radio und Fernsehen sowie Online-Plattformen ohne
Reichweiteangaben nicht eingerechnet. Zu kurz kamen die Positionen von
Künstlerinnen, die endlich mit mehr Werken präsent sind, die Kunst
aussereuropäischer Länder, das neue Dada-Kabinett, die Kolonialismus-
Debatte und das Digilab, denen sich die Redaktionen nur in wenigen
Fällen zuwandten. Denn für Schlagzeilen, mehr Clicks und höhere Auflagen
eignete sich die Causa Bührle besser.
36                                                                       ANZEIGEN

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                                                     Yusuf Sert
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                       oberdorfstrasse 19 Zürich
                           +41 79 221 26 38

      Winter Group Show
      RückblicK auf 2021 & Vorschau auf 2022        bis Ende Febuar

      mit Garda Alexander, Lucia Coray, Maria Eitle-Vozar, Meike Entemann,

                                                                                                                   RT
      Anna Handick, Dieter Kränzlein, Patrizia Kränzlein, Gabriela Morschett,

                                                                                                                JUNGI
                                                                                                                  A
                                                                                                              E
                                                                                                  O6 ·F8001 Zürich
      Mahroo Movahedi, Eberhard Ross, Hans Schnorf, Hans Thomann und
      Maja Vieli-Bisig
                                                                                            GALER
                                                                                              C
                                                                                                  IE
                                                                                                         IN
                                                                                           É
                                                                                       ART mistrasse 4 00
                                                                                          D
      Aktuelle Informationen zu den Ausstellungen
      finden Sie immer auf www.utebarth.com
                                                                                                         Rä 44 261 6
     ART FORUM UTE BARTH                                                                                 +41 . j u n g i . c o m
                                                                                                          www jungi.com
     Galerie für Moderne & Zeitgenössische Kunst       www.utebarth.com                                   i n fo @
     Kartausstrasse 8 CH-8008 Zürich T +41 44 3802711 info@utebarth.com

                                                                           Jungi_AnzB_KunsthMag_c_89x122_V04.indd 1                                     11.02.21 15:44

                    aum
 entwicklungsr

                                                                                                                  Giovanni Giacometti

                                                                                                     EINLIEFERUNG ZUR
                                                                                                    FRÜHJAHRSAUKTION
                                                                                                  GEMÄLDE • GRAFIK • PLAKATE • SCHWEIZER KUNST
                                                                                                            ANTIQUITÄTEN • SCHMUCK

                                                                                                      DOBIASCHOFSKY AUKTIONEN AG
                                                                                    Monbijoustrasse 30/32       Tel. 031 560 10 60      www.dobiaschofsky.com
                                                                                    CH-3011 Bern                Fax 031 560 10 70       info@dobiaschofsky.com

                                                                        Kunsthaus Zuerich_133_89x122mm_Einlieferung.indd 1                                 23.11.21 10:17
INTERN                                                              37

                                                                                                                                                 Es war ein strahlender Sommernachmittag im August des

                                                                                   Eine
                                                                                                                                                 vergangenen Jahres. Zahlreiche Besucherinnen und Be-
                                                                                                                                                 sucher fanden sich im Garten der Kunst unter freiem
                                                                                                                                                 Himmel zusammen, um mitten im neuen Park einer

                                                                                Erinnerung
                                                                                                                                                 Podiumsdiskussion zu lauschen, wie erfolgverspre-
                                                                                                                                                 chende Innovationen unsere Natur und die Erde vor der
                                                                                                                                                 schneller werdenden Zerstörung bewahren können. Der
                                                                                                                                                 Diskurs war lebhaft und von positiver Neugier getrieben
                                                                                                                                                 und wir waren glücklich, wie gut alles klappte. Wenig
                                                                                                                                                 später ging es unter dem Titel «Die essbare Stadt» um die
                                                                                                                                                 Sensibilisierung für den scheinbaren Wildwuchs der
                                                                                                                                                 Natur, der sich nicht nur als nützlich, sondern als er-
                                                                                                                                                 staunlich geniessbar erwies, denn da wurde tatsächlich
                                                                                                                                                 für alle gekocht, mitten im Garten der Kunst. Diese Mitte,
                                                                                                                                                 um die wir uns fast wie von selbst versammeln können,
                                                                                                                                                 ist das Rondell, ein kleines, aber markantes Bauwerk aus
                                                                                                                                                 konzentrischen Kreissegmenten, das für diese unter-
Rondell: Foto © Caroline Minjolle; Anne Keller Dubach: Foto © Florian Kalotay

                                                                                                                                                 schiedlichen Aufgaben errichtet wurde. Die Idee, einen
                                                                                                                                                 Ort zu schaffen für den Dialog über Kunst, Kultur, Natur,
                                                                                                                                                 entstand an einem Esstisch mit Blick aufs Meer, als ein
                                                                                                                                                 Funke übersprang: Anne Keller und David Chipperfield
                                                                                 Anne Keller Dubach                                              und eine allererste Skizze, die schon verriet, dass dies ein
                                                                                                                                                 ganz besonderer Ort für das grosse neue Kunsthaus sein
                                                                                     1956 – 2021                                                 würde. Das Rondell im Garten der Kunst haben wir ge-
                                                                                                                                                 baut. Es ist ein Geschenk der D&K DubachKeller-Stiftung
                                                                                    Anne Keller Dubach, unsere weitblickende und                 an das Kunsthaus und an uns alle. Und immer, wenn wir
                                                                                      grosszügige Präsidentin und gute Freundin,
                                                                                  ist für uns alle viel zu früh am 22. September 2021
                                                                                                                                                 in unserem schönen Garten sind, wenn wir bei dem Ron-
                                                                                 nach kurzer, schwerer Krankheit in Zürich gestorben.            dell sitzen und zuhören, diskutieren oder zusammen
                                                                                                                                                 feiern, können wir uns erinnern.

                                                                                                                                                 TEXT Christoph Becker
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