TAKEOFF! - KULTUR-ETAGE ...

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TAKEOFF! - KULTUR-ETAGE ...
Off!
                   Nummer 77 | Oktober – Dezember 2020

                   Take                                  Das Messestadt-Magazin

                   Was nach Corona ‒ hoffentlich ‒ besser wird
                   Online und persönlich ‒ Wie Messe und Wirtschaftshochschule für
Schutzgebühr 2 €

                   die Zeit nach Corona planen
                   Neue Bibliothek ‒ Wie die Messestädter sie mitgestalten können
                   Hochhäuser, Wintermarkt, Blumenkübel ‒ Was die lokale SPD
                   von aktuellen Themen hält
TAKEOFF! - KULTUR-ETAGE ...
Wo große Gefühle
  alltäglich sind:
Willkommen in den    Schulen + Kindergärten
  Riem Arcaden.
INHALT                                                                                                               EDITORIAL

Überblick
30. Ramadama in der Messestadt am 31. 10.2020            4
Korrektur Bildhinweis                                    4
Heimspiel am Kopfbau                                     5

Schwerpunkt
BUGA-Hits Vol. 1                                         6
Gar nicht mal sooo normal                                9
"Wir suchen kreative Lösungen"                          12
Ein Wunsch für den Neustart                             16
Kopfbau Restart                                         18
Mischung aus Präsenzlehre und Onlineangeboten           20
Kein Sprint, sondern ein Dauerlauf                      22
Hohe Hygiene- und Sicherheitstandards
in den Riem-Arcaden                                     23
Neue Bildungswerkstatt                                  24
Klasse Recherche!                                       25
                                                             Liebe Messestadt,
Senf aus der Messestadt                                 26   bei Computern kann ein Neustart helfen, wenn die Programme nicht
                                                             mehr rund laufen. Beim Auto verhilft er zurück zur Mobilität, wenn
Stadteil voller Leben
Sie waren unsere Nachbarn                               27   man den Motor abgewürgt hat. Auch privat oder beruflich muss
Kräutergarten für alle Nachbarinnen und Nachbarn        27   man manchmal Dinge ändern, Neues wagen. Positiv und hin und
Der Freundschaftsgarten                                 28   wieder einfach nötig also, so ein Neustart. Nötig ist er nach dem
Schule und Kids                                              Corona-Lockdown in jedem Fall, aber lässt er sich auch positiv
Wenn Karl von Radau ruft ...                            29   gestalten? Viele Menschen leiden unter der Pandemie und den
Kinderbibliothek im Nachbarschaftstreff                 29   darauffolgenden Einschränkungen: Viele Eltern sind gestresst,
                                                             Kinder vereinsamt, Unternehmer stehen vor der Pleite, Mieter vor
Gott und die Welt                                            dem Auszug in eine billigere Bleibe. All diese Probleme wollen wir
St. Florian: Auf eine Wort mit Gott                     31   nicht verschweigen, wir haben uns dennoch entschieden, den
Sophienkirche: Gottesdienste finden statt, Aktuelles    32
                                                             journalistischen Blick vor allem nach vorne zu richten: Wie kann sich
IMF e.V.: Frauen und Familien stärken                   33
                                                             die Messestadt neu – und vielleicht sogar besser – aufstellen? Da
Veranstaltungskalender                                  34   gibt es durchaus Grund für Zuversicht, wie einige unserer
Wichtige Rufnummern                                     38   Geschichten zeigen, etwa über die Planungen für die neue
Impressum                                               39   Bibliothek oder die künftige Unterrichtsstruktur der Hochschule der
                                                             Bayerischen Wirtschaft.
Anzeigen
Kieferorthopädie Dr. Gremminger                         17   Und übrigens bedeutet diese Take Off! auch für mich persönlich
Kinderzahnarzt-Praxis                                   23
                                                             einen Neustart: Es ist nach vielen Jahren das erste Heft, das ich von
Kultur-Etage                                            40
                                                             der Messestadt aus redigiert habe. Ich verabschiede mich zwar
                                                             nicht komplett aus dem Chiemgau, aber in Zukunft können wir uns
                                                             auch wieder öfter im Viertel treffen. Ich freu mich drauf!

                                                                                                                      Hans Häuser

Titelfoto: Eva Döring / Foto Editorial: Hanna Boye

  Die nächste Take Off! erscheint Anfang Januar 2021.
  Redaktionsschluss ist am 15. November 2020.

Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                                                         3
SCHWERPUNKT
                            ÜBERBLICK

                                                   30. Ramadama in der Messestadt
                                                        am 31. Oktober 2020
                            Am 29. Oktober 1949 eröffnete Münchens               Schutt wurden an diesem einen Tag einge‐    So auch in der Messestadt, wo der Arbeits‐
                            Oberbürgermeister Thomas Wimmer auf                  sammelt und auf 25 Lastwägen wegtrans‐      kreis Ökologie am Samstag, dem 31. Okto‐
                            dem Königsplatz mit einem weit hörbaren              portiert. Als Dankeschön gab es damals      ber, von 10 bis 12 Uhr zum 30. Mal ein Ra‐
                            „rama dama“ eine große Räumaktion zur                eine Brotzeit mit Bier, gestiftet von       madama organisieren wird.
                            Beseitigung der zahllosen Schutthalden               Münchner Bäckern, Metzgern und Braue‐       Der Treffpunkt wird um 10 Uhr am oran‐
                            auf Straßen und Plätzen, die auch vier Jah‐          reien. „Ramadama“ ist in den darauf fol‐    gefarbenen AWM-Container auf der Pro‐
                            re nach dem Krieg noch das Stadtbild                 genden Jahrzehnten zu einem festen Be‐      menade beim Jugendzentrum Quax, Hel‐
                            prägten.                                             griff in der Landeshauptstadt geworden,     sinkistraße 100 (Messestadt West) sein.
                            Damals folgten mehr als 7.000 Münchne‐               wenn es um das gemeinschaftliche und        Gemeinsam werden die kleinen und gro‐
                            rinnen und Münchner seinem Aufruf,                   ehrenamtliche Einsammeln von Müll und       ßen Helferinnen und Helfer dann den Un‐
                            und auch der Oberbürgermeister half en‐              Unrat auf den Straßen, an der Isar und in   rat im Park rund um den See, in den
                            gagiert mit. Mehr als 15.000 Kubikmeter              den Parkanlagen geht.                       Grünfingern, auf der Promenade oder
                                                                                                                             auch im Riemer Wäldchen beseitigen. Da‐
Foto: Elisabeth Fahlbusch

                                                                                                                             für werden Arbeitshandschuhe, Greifzan‐
                                                                                                                             gen und Müllsäcke zur Verfügung gestellt
                                                                                                                             werden.
                                                                                                                             Unterstützt wird diese Familien-Aktion
                                                                                                                             vom Abfallwirtschaftsbetrieb München
                                                                                                                             (AWM).
                                                                                                                             Der Arbeitskreis Ökologie freut sich auf
                                                                                                                             viele Helfer aus der Messestadt, aber auch
                                                                                                                             aus den benachbarten Stadtteilen und Ge‐
                                                                                                                             meinden.
                                                                                                                                                    Elisabeth Fahlbusch

                                                                                                                                       Korrektur
                                                                                                                             Fotografen haben Namen – daran halten
                                                                                                                             wir uns in der Take Off! eigentlich. In der
                                                                                                                             letzten Ausgabe haben wir allerdings ein
                                                                                                                             Bild abgedruckt, ohne die Fotografin zu
                                                                                                                             nennen. Das sei hiermit nachgeholt. Diese
                                                                                                                             eindrucksvolle Momentaufnahme stammt
                                                                                                                             von Gabriele Albrecht.          Redaktion

                            Aufmerksame Sammler und immer gerne dabei: Barbara Kandler und Sohn Josef

                                                                                                                             Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020
                            4
ÜBERBLICK

                                                                                                                                               Fotos: Hans Häuser
Tobias Andr
              elang

   (V.l.n.r.) Verabschieden
   sich nach der musikali-
   schen Reise durch Europa:
   Landy Landinger (Gitarre),
   Berit Weissenberger (Ak-
   kordeon), Tobias Andre-
   lang (Kontrabass), Henny
   Hirschberger (Geige),
   Tobias Radke (Schlagzeug)

  HEIMSPIEL AM KOPFBAU
  Zwei Münchner Bands heizen den Messestädtern zum Sommerausklang ein

  Austropop und Balkan-Ska draußen im            Take Off!: Was bedeutet es für Dich, in        Wir wollen vor allem spielen, spielen, spie‐
  Südwesten der Messestadt: Das „Som‐            Deinem Viertel zu spielen?                     len. Wir hatten viele Gigs ausgemacht,
  mer in der Stadt“-Programm des Kul‐            Tobias Andrelang: Heimspiel! Großartig!        aber alle vor diesem hier haben sie uns lei‐
  turreferats machte an einem milden             Viele Freunde waren da. In der Messestadt      der gestrichen. Tollwood war geplant,
  Sonntagabend Mitte September Station           ist es einfach schön, wir haben hier so vie‐   Konzerte in Haar und Unterhaching –
  am Kopfbau. Die 089-Band beschwor              le Freunde. Gott sei Dank hat es uns hier‐     musste alles abgesagt werden. Aber jetzt
  bei dem Open-Air-Konzert die, wie sie          her verschlagen.                               schau ich, dass ich wieder an neue Konzer‐
  selbst es nennt, „guiade oide Zeit“ mit                                                       te komme.
  Alpenrock, Schlagern und Neuer Deut‐           In diesen Zeiten sind Konzerte ja eher
  scher Welle. Danach nahmen Treibauf            selten und laufen auch nicht so ab, wie        Kann man Eure Musik auch ohne Kon‐
  die etwa 200 Zuhörer auf eine Reise            man es gewöhnt ist. Hier gabs Einlass‐         zerte hören?
  durch Europa: Von Bayern über Irland,          kontrollen, Sitzpflicht mit großen Ab‐         CD haben wir keine, dafür fehlt die Kohle.
  nach Finnland, in die Ukraine und bis          ständen. Wie hast Du die Stimmung              Aber im Internet an den üblichen Orten
  nach Russland. Modern interpretierte           empfunden?                                     kann man unsere Songs runterladen. Geld
  Volksmusik, als Ska, Reggae oder auch          Super! Dafür, dass wegen Corona alle sit‐      lässt sich damit nicht verdienen. Neulich
  Walzer – Hauptsache es knallt und lässt        zen mussten, war ich echt begeistert, wie      hab ich zwölf Cent überwiesen bekom‐
  sich tanzen. Take Off! sprach hinterher        alle mitgegangen sind. Es sind schwierige      men. Aber ich will, dass wir präsent sind
  mit Bandleader und Kontrabassist Tobi‐         Zeiten, man muss das Beste draus machen.       und, wenn einer „Treibauf “ sucht, dass er
  as Andrelang (45). Er lebt mit seiner Fa‐                                                     dann auch was findet.
  milie seit elf Jahren in der Messestadt.       Die Zeiten werden vorerst nicht einfa‐
                                                 cher. Was sind Eure Pläne für die nahe                Das Interview führte Hans Häuser.
                                                 Zukunft?

  Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                                                            5
SCHWERPUNKT

                             BUGA-HITS VOL.1
                             Der Corona-Sommer am See ‒ eine Augen- und vor
                             allem Ohrenweide

In diesem Jahr ist der See nicht nur der
Ort, an dem das Abi, der Quali und der
Ferienbeginn gefeiert werden. In die‐
sem Jahr muss er als Ersatz für Urlaub
in Izmir, auf Kreta oder Mallorca die‐
nen. Träume von Backpack-Touren            Bis 2 Uhr nachts am See
nach dem Abschluss, dem Interrail-
Trip und Festival-Sommer sind ge‐
platzt. Clubs und Bars sind auch ge‐
schlossen. Nichts wo man den Frust         Deshalb will ich am See, wo die einen             rade ihr Abi bestanden. Deshalb sind sie
des Lockdowns wegtanzen könnte. All        das Virus vergessen und andere sich wei‐          momentan sehr oft am See. Ein bisschen
das wird auch am See kompensiert.          terhin schützen wollen, wo sich dieses            Wegfahren ist diesen Sommer aber noch
Natürlich ließen die Konflikte dann        Jahr alles abzuspielen scheint, eine Um‐          geplant. Die Ostseite ist ihr Stammplatz,
auch nicht lange auf sich warten. Lärm,    frage machen. Es geht um den Sound des            weil „An den Treppen geht’s so zu und
Müll, kein Abstandhalten. Anfang Juli      Sommers 2020. Damit hier nicht immer              am Strand geht es so schön flach ins
gehen Jugendliche am See sogar mit         nur ÜBER, sondern auch mal wieder                 Wasser.“ Ach ja, und was hört ihr gerade:
Messer und Hammer aufeinander los.         MIT Jugendlichen gesprochen wird. Los             Deutschrap. Capital Bra, Shirin David
Aber es gibt auch einen guten Aspekt:      geht’s!                                           und Apache (siehe Bild rechts oben).
Das Musikangebot, das am Wasser aus        Auf der Wiese hinter dem Kiesstrand               Ein bisschen weiter auf der Wiese höre
dutzenden Lautsprechern zu hören           treffe ich Lisa, Stella, Pauline, Celine, Josi    ich afrikanisch klingende Musik.
war, war wohl selten so vielfältig wie     und Emily. Die Mädchen aus Trudering              „Schön, oder? Das ist Serge Beynaud.“
diesen Sommer.                             (und eine aus der Messestadt) haben ge‐           Ein Musiker von der Elfenbeinküste, wie

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SCHWERPUNKT

                                                                                                                                      Foto: Malina Jesuiter
                                                                                           Abi bestande
                                                                                                          n und Sommer
                                                                                                                         am See

ich später herausfinde. Doch Amamari           nen Ball durch die Gegend schießen,        von der Familie der Freundin nicht er‐
und seine Kumpels wollen sich nicht von        werfen und oft genug ins Nirwana kata‐     wünscht zu sein scheint. Die drei Mäd‐
mir fotografieren lassen. Er erzählt mir       pultieren. (Nirvana habe ich am See lei‐   chen fahren spätestens um 21 Uhr nach
noch, dass er vor allem unter der Woche        der noch nie gehört.) Trotzdem sitzen      Hause. Das machen sie immer.
sehr oft hier ist, gleich nachdem er sei‐      die Freundinnen immer an den Trep‐         Richtung Ecke, wo die Treppen aufhören
nen Sohn aus dem Kindergarten abge‐            pen. Sie kommen mit der U-Bahn zum         und die Wiese beginnt, ist es leerer und
holt hat. Am Wochenende ist es ihm zu          See. Die kleine Musikbox ist das wich‐     ruhiger. Hier sind tagsüber auch mehr
voll hier.                                     tigste, die muss immer dabei sein. Dann    Familien. Ich treffe dort auf die Gruppe
Auf den Treppenstufen am Nordufer              hören sie Rap. Deutsch, Französisch        um Sally und Tobias. Alligatoah-Fans.
spreche ich Salem, Hafidha und Pina an.        oder Englisch. Gerade ist es „Hayate“      „Lass liegen“ und „Abgestochen“ kom‐
Die drei sitzen eng nebeneinander. Sie         (arabisch „Mein Leben“) von Luciano.       men aus dem Smartphone. Die Jungs
scheinen ein bisschen genervt zu sein          Darin rappt Luciano von der Beziehung      und Mädchen kommen mit dem Rad
von dem Pulk Jungs hinter ihnen, die ei‐       mit seiner libanesischen Freundin, die                weiter auf der nächsten Seite

Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                                                      7
SCHWERPUNKT

                       aus Kirchheim und „dem Landkreis weiter
                       draußen“ zum See. „Der ist halt nah.“
                       „Und sauberer als der Heimstettener See.“
                       „Normalerweise sitzen wir aber immer auf
                       der Mauer.“ „Das Gute hier sind auch die
                       Riem-Arcaden, wenn man noch was
                       braucht.“ Die Gruppe wird noch länger
                       dasitzen und den lauen Abend genießen.
                       „Mindestens bis 12, längstens bis 2.“
                       Langsam geht die Sonne unter. Die Famili‐
                       en gehen. Und viele jüngere Teenager. Mir
                       fällt noch eine Gruppe auf, die auf ihren
                       Handtüchern fast Corona-konform mit
                       Abstand im Kreis sitzt. Silvio, Niklas, Juli‐
                       an, Roman, Ines und Sebastian kennen
                       sich aus der Arbeit. Sie genießen ihren Fei‐
                       erabend mit Bier und Wasser, Brezn und
                       Obazda. „Wir sind so einmal im Jahr hier.“
                       Warum nur so selten? „Es gibt zu viele an‐
                       dere Seen in München.“ Sie sind mit dem
                       Fahrrad da. „An den Treppen ist es schon
                       grenzwertig voll.“ „Drüben wäre es besser,
                       aber da darf man ja nur bedingt liegen.“
                       „Aber voller als letztes Jahr ist es nicht. Des
                       passt schon.“ Nur Musik haben sie gar kei‐
                       ne dabei.
                       Ich glaube eine Platte namens „BUGA-
                       Hits Vol.1“ wäre ganz schön wild. Nichts
                       für jeden, aber wenn jeder mit Box am See
                       sitzt, ist für jeden was dabei. Wie schön,
                       dass das der verrückte Sound ist, mit dem
                       ich im Sommer bei offenem Fenster ein‐
                       schlafe.
                                                       Theresa Höpfl     Der BUGA-See-Mix
Fotos: Theresa Höpfl

                       Juli 2020. 32 Grad. Ein Glück, der See.

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Gehört auch zu neuen Normalität: Masken trocknen in der Sonne

                                                                          as hat sicher vor allem damit zu

GAR NICHT MAL                                                    D        tun, dass ich nach wie vor fünf
                                                                          Tage die Woche im Homeoffice
                                                                          sitze. Hätte mir im Mai jemand ge‐
                                                                 sagt, dass sich daran auch drei Monate spä‐
                                                                 ter nichts geändert haben würde, hätte ich

SOOO NORMAL                                                      das wohl nicht geglaubt. Eigentlich funkti‐
                                                                 oniert das Arbeiten von zu Hause wunder‐
                                                                 bar – ginge es nur um die Arbeit an sich,
                                                                 ich wüsste nicht wozu ich überhaupt ins
                                                                 Büro gehen sollte. Aber mir fehlt der zwi‐
Zurück zur Normalität? Für Take Off!-Redakteurin Sabine          schenmenschliche Austausch. Keine ge‐
Wagner fühlt es sich eher so an, als hätte sie sich inzwischen   meinsamen Mittagessen, bei denen man
in einer alternativen Realität eingerichtet. Zwar stehen weder   erfährt, mit was die anderen Abteilungen
                                                                 so beschäftigt sind, kein kleiner Ratsch in
drei Sonnen am Himmel, noch regnet es Donuts, aber wie vor       der Kaffeeküche über Alltagsbanalitäten
Corona ist es eben auch nicht …                                  und auch der Flurfunk funktioniert nur
                                                                 sehr eingeschränkt, so ganz ohne gemein‐
                                                                 samen Flur … Die Spatzen und Meisen auf
                                                                 meinem Balkon bemühen sich zwar red‐
                                                                 lich, lautstark für Abwechslung zu sorgen,
                                                                 aber das ist auf Dauer (wie Telefonate und
                                                                 Videokonferenzen) nur ein schwacher Er‐
                                                                 satz.
                                                                                weiter auf der nächsten Seite

Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                               9
SCHWERPUNKT
Fotos: Sabine Wagner

                       Immerhin sorgt die Spatzenbande für ein bisschen                            Ausgerechnet in der Coronakrise hat unsere
                       Stimmung im Homeoffice                                                      Autorin ihre Vorliebe für Hefeteig entdeckt

                       Was ich, neben der Fahrt mit der U-Bahn,           hand von zur Neige gehenden Konsumgü‐                auch Regenschauern unterm Schirm ge‐
                       allerdings absolut nicht vermisse, ist der         tern: schon wieder Zeit für eine neue Pa‐            trotzt. Ich konnte meine Eltern und meine
                       Sommer im Büro. Auf der Südseite eines             ckung Kaffee und ja, auch das Toilettenpa‐           Schwester besuchen, und mit meinen
                       Altbaus, direkt unterm Dach und ohne               pier ist mal wieder alle… Und dank 7-                Nachbarn muss ich nicht mehr online es‐
                       Außenverschattung, herrscht dort spätes‐           Tage-Woche zu Hause, ist deren Ver‐                  sen: stattdessen treffen wir uns zur ge‐
                       tens zur Mittagszeit nämlich Saunaatmo‐            brauch im Vergleich zu vorher auch spür‐             meinsamen Brotzeit am See.
                       sphäre – nur der Latschenkieferaufguss             bar gewachsen.
                       fehlt. An meinem Heimarbeitsplatz ist es           Was allerdings einen riesigen Unterschied
                                                                                                                               Staycation und
                       im Vergleich dazu paradiesisch kühl, und           macht ist, dass ich anders als vor drei Mo‐
                       in der Mittagspause kann ich sogar mal             naten im analogen Leben wieder Kontakt               Kometen-Picknick
                       eben zum Erfrischen an den See radeln.             zu Menschen habe. Der Lesekreis hat sich
                       Insofern hat das Homeoffice natürlich              zum Beispiel endlich wieder getroffen,               Und dort habe ich in letzter Zeit wirklich
                       nach wie vor gewisse Vorteile.                     ganz real im Freien – und dabei haben wir            viel Zeit verbracht. Da meine ursprüngli‐

                       Zwischen Bett, Esstisch
                       und Badesee

                       Wahrscheinlich ist es eben die Routine, die
                       mir zu Beginn des Ganzen geholfen hat,
                       die jetzt eine gewisse Ermüdung aufkom‐
                       men lässt. Ich turne mich aus dem Bett –
                       die fünfte 30-Tage-Challenge ist so gut wie
                       durch, und nein, ich bin inzwischen nicht
                       fit wie ein Turnschuh, was womöglich da‐
                       mit zu tun hat, dass ich plötzlich Zeit zum
                       Backen habe – setzte mich mit einer Tasse
                       Kaffee an den Rechner und weiter geht`s.
                       Willkommen in Woche 23! Und ein Ende
                       scheint nicht in Sicht… Das Verrückte ist,
                       dass ich trotz allem das Gefühl habe, dass
                       die Zeit rast. Angesichts nach wie vor sehr
                       weniger privater Termine bemisst sich de‐
                       ren Verstreichen neuerdings jedoch an‐             Herrliche Aussichten: Staycation in der Messestadt

                       10                                                                                                      Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020
Ein ganzer See, fast für mich allein

chen Reisepläne (vielleicht nicht für dieses   der U-Bahn in die Innenstadt zu fahren,       besuchen. Irgendwie bietet die Messestadt
Jahr) ins Wasser gefallen sind, habe ich       an zwei Händen abzählen. Arzttermin,          eben doch fast alles, was es zum täglichen
nämlich beschlossen in der Messestadt zu       Unterlagen aus dem Büro holen, Treffen        Leben braucht – zumindest in einer alter‐
bleiben. Staycation nennt man das auf          mit Freunden – wobei selbst die neuer‐        nativen Realität …
Englisch, und eigentlich war das dank des      dings lieber rausfahren, um mich hier zu                                  Sabine Wagner
tollen Wetters Ende Juli auch so cool wie
das klingt. Denn für mich gibt es um die‐
ses Jahreszeit eh nichts Schöneres, als am
Morgen gemütlich durch den Park zu ra‐
deln und dann ins Wasser zu springen.
Den See hat man dann beinahe für sich
allein; kein anderes Geräusch als das Plät‐
schern des Wassers und ein Vogel hier
und da.
Das einzig Enttäuschende an meinen Fe‐
rien war der Komet. Meine Nachbarn
und ich hatten zu einer Zeit, zu der ich
sonst bereits im Bett liege, mit Picknickde‐
cke, Zitronenmuffins und Fernglas Stel‐
lung auf dem Rodelhügel bezogen. Und
dann gewartet und gewartet und gewartet
… Natürlich war es keine laue Sommer‐
nacht. Und natürlich war von Neowise
weit und breit nichts zu sehen. Was natür‐
lich daran gelegen haben könnte, dass wir
alle kaum in der Lage sind, auch nur den
großen Wagen zu finden. Ein kleines
Abenteuer mitten im Alltag war dieser
nächtliche Ausflug jedoch in jedem Fall,
und der Sternenhimmel auch ohne Kome‐
ten sehr schön.
Aber auch jenseits meines Urlaubs kann
ich die Male, die ich die Messestadt in den
letzten Monaten verlassen habe, um mit         Auch an meinem wachsenden Bücherturm lässt sich das Vergehen der Zeit bemessen

Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                                                         11
SCHWERPUNKT

                 „WIR SUCHEN
              KREATIVE LÖSUNGEN“
Eva Blomberg ist im März neu in den Bezirksausschuss (BA) Trudering-Riem gewählt worden. Sie
ist Fraktionsvorsitzende der SPD und Kinderbeauftragte. Sie wohnt seit drei Jahren in der
Messestadt, ihre Tochter geht hier in den Kindergarten und sie arbeitet als Lehrerin in Trudering
an der Mittelschule. Als Schwangere durfte sie das letzte Halbjahr wegen Corona nur digital
unterrichten und hatte entsprechend viel Energie für das neue Ehrenamt im BA. An einem extrem
heißen Juli-Tag trifft sich TakeOff!-Autorin Theresa Höpfl mit ihr zu einem Spaziergang durchs Vier-
tel – von Ost nach West, von Schatten-Weg zu Schatten-Bank. Da hilft es, im Sommer schon über
Weihnachten zu reden.

Start: Messe Ost, Willy-Brandt-Allee

Take Off!: Wenn man in den neuen BA
schaut, fällt eins sofort auf: Die Messe‐
stadt wird hauptsächlich durch SPD
und GRÜNE vertreten und das sind al‐
les Frauen.
Eva Blomberg: Ja! Das finde ich auch gut.
Die CSU gleicht das ja mit einer starken
Männerriege aus (lacht). Seit der Wahl
sind aber deutlich mehr aus der Messe‐
stadt im BA.

Merkt man es auch in den politischen
Entscheidungen?
Wir preschen schon sehr aktiv mit neuen      Der Willy-Brandt-Platz soll lebendiger werden ‒ Eva Blomberg vor den neuen Blumenkübeln
Themen nach vorne: Der Park, der Um‐
gang miteinander, der Willy-Brandt-Platz,
das war jetzt schon sehr stark im Fokus.     Ich habe das Glück, dass mein Mann sich         Mit Blick auf die Willy-Brandt-Allee
Personell ist es nicht ausgeglichen zwi‐     genauso für Politik begeistert wie ich. Für     und die Hochhausdebatte vor gut einem
schen Trudering und Messestadt. Aber die     ihn ist es auch selbstverständlich aufs Kind    Jahr: Wie ist die Position der SPD dazu?
Frauenpower gleicht das aus. Eher ist es     aufzupassen, wenn ich abends zu den BA-         Das ist eine Debatte, die völlig explodiert
schon so, dass die anderen sagen: „Jetzt     Sitzungen gehe. Wir haben uns die Kinder‐       ist. Erstmal war es ja nur eine Idee der Ar‐
nicht immer nur die Messestadt. Die ist ja   betreuung von Anfang an sehr fair geteilt.      chitektin Andrea Gebhard, die jedes Jahr
nicht NUR benachteiligt.“                    Politik ist eine Art gemeinsames Hobby für      einen spannenden Entwurf macht, für den
                                             uns – teilweise sehr anstrengend, aber eben     sie gar keinen Auftrag hat. Nur, um eine
BA-Mitglied ist ja schon ein zeitaufwen‐     auch mit der einzigartigen Möglichkeit, die     Diskussion anzustoßen, was man aus dem
diges Ehrenamt. Macht es das für Müt‐        eigene Stadt mitzugestalten. Interessant ist    jeweiligen Ort machen könnte. Stand bis‐
ter schwerer?                                ja auch: Stellt man Vätern die gleiche Frage?   her ist aber eigentlich nur: Das ist ein städ‐

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SCHWERPUNKT

                                                                                             brauchen. Und den       Ich weiß allerdings noch nicht, ob sich da‐
Fotos. Theresa Höpfl

                                                                                             Grünstreifen     an     durch auch die Parksituation verbessert
                                                                                             der Allee finde ich     hat. Die Polizei ist erstmal hauptsächlich
                                                                                             auch hässlich, da       für den See da.
                                                                                             muss schon etwas
                                                                                             gemacht werden.         Mitte Juli am Wochenende sogar mit
                                                                                                                     Reiterstaffel.
                                                                                             Wir beginnen den        Grundsätzlich sagt mein Juso-SPD-Herz,
                                                                                             Spaziergang die         lieber so wenig Kontrollen wie nötig und
                                                                                             Astrid-Lindgren-        mehr Eigenverantwortung. Aber dieser
                                                                                             Straße rauf.            Sommer ist Ausnahme. Wer will‘s den
                                                                                                                     Leuten verdenken, wenn alles geschlossen
                                                                                               Eigentlich ist die    hat, die Abende hier am See zu verbringen.
                                                                                               Messestadt für        Das ist ja auch kein reines See-Problem.
                                                                                               Fußballspiele,        Am Gärtnerplatz, der Isar, im Englischen
                                                                                               Flohmarkt oder        Garten ist es nicht anders.
                                                                                               den See super mit
                                                                                               der U-Bahn zu er‐     Wir sind am See angekommen.
                                                                                               reichen. Trotz‐
                                                                                               dem kommen            Welche Rolle hat eigentlich das Security
                                                                                               sehr viele mit dem    Personal? Ich habe den Eindruck, dass
                                                                                               Auto, die offiziel‐   deren Feierabend weit vor dem eigentli‐
                                                                                               len Parkplätze        chen Partybeginn am See ist und ihre
                                                                                               sind voll und         Aufgabe dann darin besteht, am nächs‐
                                                                                               dann wird wild        ten Tag die Schäden zu dokumentieren
                                                                                               geparkt, teilweise    und an die Stadt weiterzuleiten.
                                                                                               bis in den Park       Das ist mir auch noch nicht so ganz klar.
                       Die Astrid-Lindgren-Straße als Weg zum See wird an Wochenenden          hinein. Was muss      Ich habe auch gehört, dass die Park Securi‐
                       regelmäßig zugeparkt                                                    getan werden, da‐     ty schon aktiv auf Gruppen von Jugendli‐
                                                                                               mit sich die Park‐    chen zugeht. Wir vom BA haben dem‐
                       tisches Grundstück. Sprich die Stadt kann situation hier etwas entspannt?                     nächst einen Termin mit dem Sicher-
                       entscheiden, was sie da macht, ohne es Das ist tatsächlich ein riesiges Problem. Es           heitsdienst, mit Jugendeinrichtungen und
                       vorher für viel Geld einem Investor abkau‐ wird zu wenig kontrolliert und es gibt zu          der Polizei, wo wir klären wollen, was jetzt
                       fen zu müssen. Deshalb soll eine Machbar‐ viele Möglichkeiten für die Leute sich ein‐         genau ihre Aufgabe ist, wo genau die Pro‐
                       keitsstudie gemacht werden, was da über‐ fach irgendwo hinzustellen. Hier zwischen            bleme liegen und was wir tun können.
                       haupt möglich ist vom Platz, der Berufs- und Förderschule wurde den                           Ohne die Leute vom See zu verbannen.
                       Infrastruktur und der Nachbarschaft her.         Sportvereinen erlaubt, während den Spie‐
                                                                        len am Wochenende zu parken. Nur:            An der Isar gab es mal die Kampagnen
                       Was steht für die SPD an erster Stelle:          Wenn da ein Auto steht, dann stellen sich    „Unsere Isar soll sauber bleiben“ und
                       Wohnraum schaffen oder Grünflächen               halt 20 unerlaubt daneben. Schranke, Pol‐    „Wahre Liebe ist...“, um ein besseres
                       erhalten?                                        ler, irgendetwas muss da unserer Meinung     Verbundenheitsgefühl mit der dortigen
                       Am Anfang waren wir im SPD-Ortsverein nach hin. Und die Vereine sollten die Tief‐             Natur herzustellen und die Leute zu er‐
                       sogar euphorisch: Cool, eine moderne garage nutzen dürfen. Auch eine Möglich‐                 innern, ihren Müll mitzunehmen. Was
                       Idee. Wir sind dann aber auch skeptisch keit: An sich hat ja jede Wohnung einen               konnte man daraus lernen und ist so et‐
                       geworden, als wir das Areal dort abgelau‐ Tiefgaragenstellplatz. Theoretisch könnte           was auch für unseren Park vorstellbar?
                       fen sind. Es ist schon sehr schmal. Dieser man die oberen Parkplätze dann ja auch             Ich weiß nicht, wie erfolgreich diese Kam‐
                       ganz ursprüngliche Plan mit elf Hochhäu‐ einfach Mal weglassen… Das finde ich im              pagnen waren, aber ich fände das für unse‐
                       sern ist damit für uns auch nicht vorstell‐ vierten Bauabschnitt mit den vielen Spiel‐        ren Park eine ganz tolle Sache. Wir vom
                       bar. Ich bin aber schon der Meinung, dass straßen so toll.                                    BA haben letztens auch mit dem Münch‐
                       wir vor allem bezahlbaren Wohnraum                                                            ner Gartenbauamt gesprochen: In der gan‐
                       schaffen, also neu bauen, müssen. Weil wir Jetzt ist die Polizei aber ja deutlich             zen Stadt gibt es in diesem Jahr viel mehr
                       hier Erzieher, Pflegerinnen und Polizisten mehr da.                                                        weiter auf der nächsten Seite

                       Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                                                           13
SCHWERPUNKT

                                                                                               Das war erstmal eine rein personenbezo‐
                                                                                               gene Entscheidung. Thematisch stehen
                                                                                               wir den Grünen in vielen Punkten sicher
                                                                                               näher als der CSU. Aber Herrn Ziegler ha‐
                                                                                               ben wir als SPD-Ortsverein das Moderie‐
                                                                                               ren einfach mehr zugetraut als dem polari‐
                                                                                               sierenden Kandidaten der Grünen – und
                                                                                               bei einem so unterschiedlich aufgebauten
                                                                                               Stadtbezirk ist nun einmal die Fähigkeit zu
                                                                                               moderieren für die Arbeit unseres Gremi‐
                                                                                               ums absolut entscheidend. Allerdings war
                                                                                               uns wichtig, dass die Unterausschüsse
                                                                                               dann gleichmäßig verteilt werden: dass je
                                                                                               zwei von der SPD, von den GRÜNEN bzw.
                                                                                               von der CSU geleitet werden. Das war un‐
                                                                                               sere Bedingung. Deshalb merkt man es
                                                                                               jetzt inhaltlich auch gar nicht, dass der Ge‐
                                                                                               samt-BA-Vorsitzende von der CSU ist. Ich
                                                                                               finde es schade, wie das öffentlich nach der
                                                                                               Wahl dargestellt wurde. Es gibt keine
                                                                                               CSU-SPD-Koalition, weil es im BA grund‐
                                                                                               sätzlich keine Koalitionen gibt, sondern
Die alten Mülleimer (links) sollen nach und nach ersetzt werden, die neuen (rechts) sollen     parteiübergreifende Zusammenarbeit. Je
krähensicherer sein                                                                            nach Thema stimmen mal die Grünen,
                                                                                               mal die CSU mit uns ab – und gar nicht so
Müll als sonst. Wir können uns also vor‐          seite des Sees liegen darf. Dass man kei‐    selten werden wir uns sogar einstimmig
stellen, dass mehr große Müllcontainer im         ne Enten und Fische füttern darf. Über       einig.
Park aufgestellt werden – gerade Richtung         die grünen Poller mit dem durchgestri‐
U-Bahn und Parkplatz. Münchenweit sol‐            chenen Dackel müsste man ja eigentlich       Wir biegen ab in Richtung Willy-Brandt-
len die alten Mülleimer mit diesem Deckel         auch mal stolpern und sehen, dass auf        Platz.
ersetzt werden. Weil da die Krähen zu             den entsprechenden Wiesen und im
leicht Müll rausziehen können. Die GRÜ‐           Wasser Hunde nicht erlaubt sind.             Hier stehen ja plötzlich Blumenkübel!
NEN haben auch vorgeschlagen Müllgrei‐            Da kriegen wir von der Stadt immer wie‐      Ja! Dass die kommen, haben wir auch erst
fer und -säcke zu deponieren.                     der als Antwort: Hundebesitzer und -be‐      zwei Tage vorher erfahren. Die sind Teil
                                                  sitzerinnen kriegen, wenn sie ihren Hund     des stadtweiten Projekts „Sommerstraßen“
Die könnten aber auch leicht geklaut              anmelden, eine Broschüre, in der auch er‐    und bleiben bis Ende Oktober. Es ist wirk‐
werden.                                           klärt wird, was diese Poller in Münchner     lich erstaunlich, wie viel schöner ein paar
Das wird man testen müssen. Wir suchen            Parks bedeuten. Das heißt, eigentlich        bunte Blumen den Platz machen können.
kreative Lösungen. Vielleicht muss man            müssten es alle wissen. Man muss aber        Wir werden uns definitiv dafür einsetzen,
auch ansprechendere Schilder aufstellen.          auch sagen, teilweise sind die Bepollerun‐   dass auch im nächsten Jahr eine Sommer-
Mir hat auch eine Stadträtin erzählt, am          gen halt auch verwirrend.                    Bepflanzung kommt, falls es bis dahin
Feldmochinger See geht wohl abends die            Schönes Wort! Bepollerungen.                 noch keine anderen Pläne für den Platz
Polizei rum und fragt Gruppen: „Wer ist                                                        gibt.
euer Anführer?“ Dann fragen sie nach den          Wir gehen weiter in Richtung Westen.         Aber auf jeder Seite vom Pflanzentrog
Personalien und wenn am nächsten Tag an                                                        ist nur ein Stuhl befestigt. Corona-kon‐
der Stelle Müll rumliegt, ruft die Polizei an.    Wären diese ganzen „grünen“ Ideen            form.
Das hat wohl sehr gut geholfen.                   mit einem BA-Vorsitzenden der GRÜ‐
                                                  NEN nicht leichter umsetzbar? Wieso          Kommen wir zum „Sommer in der
Bei den Schildern frage ich mich immer:           hat sich die SPD-Fraktion als „Spiele‐       Stadt“, für den ja eigentlich auch mal
Theoretisch gibt es die ja schon. Sie wer‐        macher“ für die Wahl von Stefan Zieg‐        ein Trampolin auf dem Willy-Brandt-
den aber übersehen oder ignoriert. Dass           ler (CSU) und gegen Herbert Danner           Platz aufgebaut werden sollte. Warum
man nicht in der Zieranlage an der Süd‐           (GRÜNE) entschieden?                         kam das nicht?

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SCHWERPUNKT

Solche Orte liebt Eva Blomberg an der Messestadt. Die ist eben nicht nur Klötzchensiedlung, sondern kann auch Urlaubsresort

Wir hätten das im BA auch voll unter‐            wollen, soll es auch eine Eisbahn geben.         Kunstausstellungen, Café und Pop-up-Bi‐
stützt. Letztlich war es aber so, dass der       Keine echte, sondern von einem regiona‐          bliothek zusammen mit der Stadtbiblio‐
Schaustellerverband lieber an wenigen            len Kunststoffbahn-Hersteller. Die Bah‐          thek und der Wanderbühne vom „Som‐
großen Plätzen seine Fahrgeschäfte und           nen sind wohl CO2-neutral und brauchen           mer in der Stadt“.
Buden aufbauen wollte als komplett über          eben nicht diese riesigen Stromaggregate.
die Stadt verteilt. Außerdem muss die Sta‐                                                        Dann wird renoviert und es muss ein
tik des Platzes mal wieder durchgecheckt         Kann es mit Corona überhaupt einen               langfristiger Träger gefunden werden.
werden – wie gut die Steine und der Brun‐        Christkindlmarkt geben wie wir ihn               Dass hier Leben einkehrt, ist überfällig.
nen tragen. Aber: Der Stein ist wieder ins       sonst kennen?                                    Der Kopfbau ist so ein toller Ort zwischen
Rollen geraten…                                  Zumindest würde es die in der Innenstadt         Trudering und der Messestadt. Der mit
                                                 etwas entzerren. Und für die Messestädte‐        seiner Geschichte als Kassenhalle des
… Was helfen könnte, wenn das Wirts‐             rinnen und Messestädter wäre es doch             Flughafens und als KZ-Außenlager auch
haus König Ludwig einen Wintermarkt              auch super. Es wird auch überlegt, welche        sichtbar sein soll.
plant.                                           Läden am Platz etwas auf dem Markt an‐
Genau! Wenn die Statik passt, könnte der         bieten könnten. Die lokalen Geschäfte zu         Fazit: Der Corona-Sommer hat zumin‐
diesen Winter schon stattfinden.                 fördern, ist sicherlich nicht schlecht nach      dest hier im Viertel keinen kompletten
                                                 den Umsatzeinbußen durch Corona.                 Stillstand bewirkt. Seit der BA-Neuwahl
Es gab ja schon einmal vor einigen Jah‐                                                           wurde ganz schön viel angestoßen und
ren einen winzigen Christkindlmarkt              Jetzt sind wir ganz im Westen beim Kopf‐         Ideen entwickelt. Ein Neustart kann sehr
auf dem Willy-Brandt-Platz. Der lief al‐         bau angekommen. Endstation.                      kreativ sein.
lerdings nur mäßig, weshalb er wahr‐
scheinlich auch nur einmalig da war.             Hier bin ich sehr froh, dass sich das                  Das Interview führte Theresa Höpfl.
Was soll diesmal anders laufen, damit            Schimmelproblem doch noch gelöst hat.
er angenommen wird?                              Einfach, indem der Kopfbau mal den gan‐
Die beiden Wirte vom König Ludwig ha‐            zen Winter gelüftet wurde. Bis Ende Okto‐
ben da wirklich große Pläne. Nach ihrem          ber findet hier jetzt noch die Sommernut‐
Konzept, das sie bei der Stadt einreichen        zung mit der Initiative KopfbauT statt. Mit

Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                                                             15
SCHWERPUNKT

                                                                                                      ird ein Gerät neu gestartet,

                            EIN WUNSCH FÜR                                               W            werden das Betriebssystem
                                                                                                      und alle Dienste und Services
                                                                                                      neu geladen. Ein Neustart

                            DEN NEUSTART                                                 schafft also die Möglichkeit, noch mal
                                                                                         ganz von vorn zu beginnen. Neu zu den‐
                                                                                         ken, neu zu planen, neu umzusetzen. Es
                                                                                         bedeutet natürlich nicht, alles Bewährte
                            Die neue Stadtbibliothek am Elisabeth-Castonier-Platz wird   über Bord werfen zu müssen. Genauso
                                                                                         verhält es sich mit dem Neustart der Stadt‐
                            auf Bewährtes setzen und Neues ausprobieren                  bibliothek Riem.
                                                                                         Sie ist ein Teil des größten kommunalen
                                                                                         Bibliothekssystems in Deutschland, mit
                                                                                         gesetzten Kernaufgaben und Schwerpunk‐
                                                                                         ten. Die Angebote und Services der
Fotos: Brigitte Bielinski

                                                                                         Münchner Stadtbibliothek sind erprobt
                                                                                         und bewährt und sollen natürlich fortge‐
                                                                                         führt werden.
                                                                                         Gleichzeitig bietet sich in der Messestadt
                                                                                         die Chance, aktuelle Entwicklungen in der
                                                                                         Medienlandschaft und Veränderungen in
                                                                                         der Bibliothekswelt mitzudenken, The‐
                                                                                         men und Probleme, die aktuell die Gesell‐
                                                                                         schaft bewegen aufzugreifen und gezielt
                                                                                         auf die besonderen Bedürfnissen im
                                                                                         Quartier einzugehen.
                                                                                         Die neue Stadtteilbibliothek ist also ein
                                                                                         Neustart im besten Sinne, mit allen Mög‐
                                                                                         lichkeiten und Herausforderungen. Es
                            Wunschliste am Bauzaun in der Pop-up-Bibliothek am Kopfbau   müssen viele Fragen beantwortet werden:

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SCHWERPUNKT

wie ist der neue Standort zu erreichen, wie
können die Öffnungszeiten gestaltet wer‐
den? Wie groß werden die Räumlichkei‐
ten sein und wie genau planen wir die
Raumaufteilung, damit jede und jeder sein
Plätzchen findet? Welche Medien werden
in welchem Umfang angeboten? Wer be‐
sucht die Bibliothek mit welchem Anlie‐
gen – und wird dieses Anliegen ernst ge‐
nommen? Wie bekommen wir ein
attraktives Programm? Wo können wir
mit unserer Arbeit anknüpfen oder bereits
bestehende Angebote in der Messestadt
ergänzen und unterstützen?
Deshalb freut es uns sehr, dass wir nun, ein   Kinderbuchlesung, Upcycling mit Büchern, Bilderbuch-Autokino und Spielenachmittag - das war
gutes Jahr vor Eröffnung der „echten“ Bi‐      das Rahmenprogramm im September. Auch im Oktober ist die Pop-up-Bibliothek am Ende der
bliothek, mit der Pop-up-Sommerbiblio‐         Promenade einen Besuch am Mittwoch wert
thek im Kopfbau die Chance haben, per‐
sönlich und direkt vor Ort Ihre Meinung
zu hören. Wie stellen Sie sich eine neue,
moderne Bibliothek vor? Was macht sie zu       gungen und Wünsche, die uns erreichen,          Ende des nächsten Jahres im Osten der
einem Ort, an dem Sie sich gerne aufhal‐       sammeln wir und stellen sie auf dem Bau‐        Messestadt, am Elisabeth-Castonier-Platz,
ten? Was wünschen Sie sich?                    zaun in der Bibliotheksecke aus. Kommen         endgültig ankommen werden. Bis dahin
Seit Anfang August laden wir im ehemali‐       Sie doch mal vorbei und stöbern Sie! Die        freuen wir uns über jede Anregung, jede
gen Kassenhaus der Besuchertribüne in          Sommerbibliothek ist immer mittwochs            Rückmeldung und jeden Kontakt, der es
unsere temporäre Mini-Bibliothek ein.          von 15 bis 18 Uhr geöffnet, letzter Tag ist     uns ermöglicht, eine Bibliothek ‒ unsere
Das genaue Programm entsteht kurzfristig       der 28. Oktober. Mehr Details finden sich       Bibliothek ‒ neu zu denken, zu planen und
und wird nach Möglichkeiten aktualisiert.      online unter www.muenchner-stadtbiblio          umzusetzen, so dass sie der Wunsch-Bi‐
So kann man noch bis Ende Oktober eine         thek.de/stadtbibliothek-riem oder auf un‐       bliothek der Messestädterinnen und Mes‐
Ahnung davon bekommen, was und wie             serer Facebook-Seite.                           sestädter so nahe wie möglich kommt.
die Bibliothek einmal sein wird: ein aktiver   Was passiert nach der Sommerbibliothek?
und offener Ort für alle! Die Fragen, Anre‐    Es braucht noch etwas Geduld, bis wir                                       Brigitte Bielinski

                                                                                                                                     Anzeige

Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                                                                 17
KOPFBAU RESTART

                                                                                                                                                                     Fotos: Michael Lapper
                         Neuanfang für das lange ungenutzte Flughafengebäude

                       Nach „Cafe Kiosk“ 2018 und „Kopfbaut             betriebenes Café und jeden Mittwoch‐          ters Linn Song, der in Rosenheim eine
                       20:19“ findet mit dem Motto „Kopf hoch           nachmittag ist die kleine Pop-up Stadtteil‐   Professur für Architektur hat, sind auf Rei‐
                       2020“ nun das dritte Kulturprojekt zum           bibliothek geöffnet. In Ausstellungen und     sen quer durch die Welt entstanden und
                       Kopfbau statt. Und endlich: Nach einem           Veranstaltungen haben wir uns mit „Rei‐       vermitteln ein Bild dieser Orte jenseits
                       Jahr kontinuierlicher Lüftung hat sich die       sen“ und „Home Office“ Themen vorge‐          schneller Urlaubsselfies. Parallel dazu wa‐
                       durch Schimmel belastete Luftqualität            nommen, die durch Corona unsere Le‐           ren Skizzen von Semira Taş – auch Archi‐
                       stark verbessert, so dass das Haus nun           benswirklichkeit stark verändert haben.       tektin aus der Messestadt – ausgestellt, die
                       auch innen nutzbar und für Besucher ge‐          Im September war die Ausstellung im           auf einer kleinen Reise in die Münchner
                       öffnet ist.                                      „Kopf(bau) reisen“ mit zahlreichen Zeich‐     Glyptothek entstanden sind. Zeichnen
                       Vom August bis Ende Oktober gibt es an           nungen von Linn Song und Semira Taş zu        heißt: etwas genau anschauen und als Stri‐
                       den Wochenenden ein von Bewohnern                sehen. Die Zeichnungen des Messestäd‐         che aufs Papier bringen. Versuch, Fehler
                                                                                                                      und Korrektur. Großformatige Projektio‐
Foto: Irene Ferraris

                                                                                                                      nen an den Wänden zeigten mit Einbruch
                                                                                                                      der Dunkelheit die Zeichnungen im Nega‐
                                                                                                                      tiv und im Detail: raue, weiße Striche wie
                                                                                                                      Kreide, die nach der richtigen Form su‐
                                                                                                                      chen, in diesem Fall die Gestalt altgriechi‐
                                                                                                                      scher Skulpturen.
                                                                                                                      Mit diesen Figuren verbunden ist das Rei‐
                                                                                                                      sen in den mediterranen Süden. Deshalb
                                                                                                                      hängen im Mittelgang gelbe Sonnenschir‐
                                                                                                                      me an der Decke, nicht als Regenschutz,
                                                                                                                      sondern umgedreht, um Licht und Sonne
                                                                                                                      einzufangen.
                                                                                                                      Reisen grundsätzlich geht ja nicht mehr so
                                                                                                                      einfach. Im Kopf und in unseren Vorstel‐
                                                                                                                      lungen allerdings schon. Wie im Kinder‐
                                                                                                                      buch-Projekt „Die große Reise“, das im
                                                                                                                      Corona-Lockdown entstanden ist und zu
                       Café trinken, Kuchen essen, Ausstellung schauen und Leute traeffen: jetzt möglich am Kopfbau   dem es eine Lesung gab.

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SCHWERPUNKT

Im Oktober geht es um das                      Nach vielen Jahren des Stillstands und        und der Unterstützung der Bewohner‐
Thema Home Office                              dem Wecken des Kopfbaus aus seinem            schaft abhängen.
                                               Dornröschenschlaf ist nun Bewegung in         Viele verbinden mit Kultur eine Art Unter‐
Ganz plötzlich waren alle zuhause. Ein Teil    das Haus gekommen. Im Mai beschloss           haltung, die sie ja auch ist. Darüber hinaus
der Arbeit im Home Office wird wohl auch       der Stadtrat die einfache Grundsanierung      bietet Kultur auch die Möglichkeit, selbst
nach Corona bleiben. Im Oktober wollen         und anschließender Experimentierphase         kreativ über jetzt und die Zukunft nachzu‐
wir bei „My little home office“ mit ein paar   mit einem Mix von verschiedenen Akteu‐        denken, darüber zu diskutieren und Ideen
Ideen zum Selbermachen anregen und             ren für die nächsten Jahre.                   und Vorstellungen zu entwickeln. Denn
auch einige professionelle Lösungen über       Für uns als Initiative KopfbauT hat das be‐   ohne Vorstellungen wird nichts entstehen.
das Lernen und Arbeiten zu Hause zeigen.       reits mit den bisherigen und laufenden        So wir wir das sehen, ist das alte Gebäude
Und wir wollen wissen, wie das in der          kulturellen (und durchaus auch sozialen)      am westlichen Ende des Parks ein guter
Messestadt bereits geht und aussieht, und      Projekten bereits begonnen. Wir denken        Ort dafür. Restart Kopfbau.
sammeln Beiträge und Fotos dazu, die in        an einem Trägerverein für den Kopfbau.                                     Michael Lapper,
die Ausstellung einfließen.                    Ob dies gelingt, wird vom Engagement                          für die Initiative KopfbauT
War hier was? Eine historische Dokumen‐
tation zeigt an Bauzäune gepinnt kompakt
die Geschichte des ehemaligen Flughafens,
bei der auch über die dunkle NS-Vergan‐
genheit informiert wird. Im Rahmen des
Kulturprogramms „Sommer in der Stadt“
fand im September ein Konzert am
Kopfbau statt. Dabei spielte die Messestäd‐
ter Band „Treibauf “ in einer Mischung aus
Ska, driviger Polka, punkigem Landler
und Klezmer auch jüdische und russische
Lieder. Vor dem Hintergrund, dass am
ehemaligen Flughafen viele russische und
jüdische KZ-Häftlinge eingesetzte Zwangs‐
arbeiter ums Leben kamen, war auch das
ein guter Neuanfang für den Kopfbau.           Sonnenschirme kopfüber fangen das Licht ein

Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                                                          19
SCHWERPUNKT

MISCHUNG AUS PRÄSENZLEHRE
UND ONLINEANGEBOTEN
Gerhard Endres von der TakeOff!-Redaktion sprach mit Frau Dr. Evelyn Ehrenberger, der
Präsidentin der Hochschule der Bayerischen Wirtschaft (HDBW)

                                                              Fotos. HDBW
Take Off!: Wie haben Sie und die
Hochschule auf den Lockdown wegen
der Corona-Pandemie reagiert?
Evelyn Ehrenberger: Wir haben als Hoch‐
schule der Bayerischen Wirtschaft auch
schon vor der Pandemie die Präsenzlehre
mit Onlineangeboten ergänzt. Doch für

                                                                            Dr. Evelyn Ehrenberger. Die Chemikerin ist in Immenstadt im Allgäu ge-
                                                                            boren. Sie ist seit November 2015 Präsidentin der Hochschule, vorher
                                                                            war sie Vizepräsidentin der TU München für Entrepreneurship und Intel-
                                                                            lectual Property. In den Medien ist sie als regelmäßiger Gast beim „Der
                                                                            Sonntagsstammtisch“ im Bayerischen Fernsehen zu sehen.

                                          die Wucht des Lockdowns war das natür‐
                                          lich zunächst nicht ausreichend. Auch wir                  Ihre Studierenden leben ja in unter‐
                                          mussten daher innerhalb weniger Tage                       schiedlichen Situationen, viele studieren
                                          komplett von Präsenzlehre auf Online                       Vollzeit, einige berufsbegleitend. Hatte
                                          umstellen. Rückblickend auf das vergan‐                    das Online-Studium auch für manche
                                          gene Semester kann ich sagen: Es hat sehr                  Studierenden Vorteile?
                                          gut funktioniert. Beim Übergang in das                     Aus der Sicht der Hochschule und der Stu‐
                                          Online-Format haben wir alle sehr viel                     dierenden ist es wichtig, das genauer und
                                          dazu gelernt und die Situation gut gemeis‐                 umfassend zu analysieren. Betrachtet man
                                          tert.                                                      nur die Fahrzeit, dann sparen sich sicher

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SCHWERPUNKT

viele Studierende Zeit, das ist richtig. Man   tausch im Präsenzmodus.                         können sagen: Der erste große Arbeitsauf‐
darf allerdings dabei nicht vergessen: Die                                                     wand ist erst einmal geschafft. Die Dozen‐
Form des Lehrens und Lernens ist eine an‐      Was waren die größten Herausforde‐              ten kennen die Vor- und Nachteile der ein‐
dere, wenn man nicht direkt in Kontakt ist,    rungen für das Onlinestudium?                   zelnen Videokonferenzsysteme und die
wenn man sich nicht persönlich austau‐         Das hängt auch ein wenig vom Fachbe‐            notwendigen            Tools,         und
schen kann und die Dozentinnen und Do‐         reich ab; es gibt Fächer, da eignet sich das    können damit unterschiedlichen Anforde‐
zenten nur über das virtuelle Klassenzim‐      mehr und bei anderen weniger. Bisherige         rungen gerecht werden. Ich sehe bei unse‐
mer im Kontakt mit den Studierenden            Vorlesungsformate können ganz selten            ren Kolleginnen und Kollegen ein großes
sind. Gerade für neue Studierende, die das     1:1 als Online-Vorlesung angeboten wer‐         Interesse sich zu engagieren und auch
Gebäude, die Dozenten und die Kommu‐           den. Für die Dozentinnen und Dozenten           künftig neue Varianten der Lehre auszu‐
nikationsabläufe bisher nicht kannten, war     bedeutet dies in der Vorbereitung deutlich      probieren.
diese Situation schon eine große Heraus‐       mehr Aufwand. Sie mussten ihre bisheri‐
forderung. Positiv sehen die Studierenden      gen Vorlesungen genau ansehen und               Wie planen Sie die Vorlesungen für den
die örtliche und zeitliche Flexibilität, die   überarbeiten. Hinzu kommt die grund‐            Herbst?
Onlinelehre bringt. Dennoch ist der indi‐      sätzliche Frage: Nehme ich die Vorlesung        Realistischerweise müssen wir davon aus‐
viduelle, direkte Austausch für Lehrende       nur auf und stelle sie so den Studierenden      gehen, dass wir im Herbst nicht mit dem
und Studierende auch sehr wichtig.             zur Verfügung, oder mache ich eine in‐          gewohnten Regelbetrieb starten können.
                                               teraktive Online-Veranstaltung? Hier            Ich kann allerdings die Studierenden wie‐
Wird das Studium auf Dauer parallel            können die Studierenden in unterschied‐         der in das Gebäude der Hochschule holen,
geschehen, d.h. in einer Kombination           lichen Lernräumen Aufgaben bearbeiten           brauche aber den Mindestabstand von 1,5
aus Präsenzlehre und Onlinestudium?            und anschließend wieder in das größere          Meter und muss weitere Hygienemaßnah‐
In der akuten Krisensituation haben wir        Klassenzimmer zusammenkommen. Egal              men berücksichtigen. Jeder kann sich aus‐
immer überlegt: Was ist aufgrund von Co‐       in welcher Variante: Eine große Heraus‐         rechnen, dass es damit hier im Gebäude
rona notwendig und wichtig? Der nächste        forderung bleibt es, sozusagen auf lange        der alten Wappenhalle nicht möglich ist,
Schritt ist es zu analysieren, was wir als     Distanz, den Kontakt zu den Studieren‐          alle Studierendengruppen gleichzeitig zu
Verantwortliche der Hochschule aus der         den zu halten und permanent ihr Feed‐           unterrichten. Ich gehe davon aus, dass wir
veränderten Lehr- und Lernsituation mit‐       back einzubauen.                                im Herbst einen sinnvollen Mix aus Prä‐
nehmen. Beispielsweise können wir schon                                                        senz- und Onlinelehre umsetzen werden.
jetzt sagen, dass es eine gute Möglichkeit     Die Dozenten mussten sicher noch                Ziel ist es, allen Studierenden möglichst
ist, in hybriden Modellen Präsenzlehre         mehr Zeit aufwenden, verdienten sicher          häufig die Gelegenheit zum „Studieren vor
mit Onlinestudium zu kombinieren.              nicht mehr. Wie waren die Reaktionen?           Ort“ zu geben.
Selbstverständlich wollen wir dieses Hy‐       Von den Dozenten wurde in dieser Situati‐       Wir wissen noch nicht den genauen Ab‐
bridmodell auch für die Weiterentwick‐         on sehr viel gefordert, das stimmt. Nach        lauf. Wichtig ist mir jedoch: Wir starten
lung der Hochschule nutzen. In der Zu‐         meiner Erfahrung aus dem letzten Semes‐
kunft brauchen wir sicherlich eine             ter ist das Interesse, die Motivation und ja     HDBW
ausgewogene Balance zwischen einer on‐         auch die Faszination der HDBW-Dozen‐             Hochschule der Bayerischen Wirtschaft
line-geprägten Wissensvermittlung und          ten sehr groß, etwas Neues auszuprobie‐
dem individuellen persönlichen Aus‐            ren. Auch der interdisziplinäre Austausch        Lehrbetrieb im Oktober 2014 gestartet.
                                                                        war sehr gut und
                                                                                                Derzeit gibt acht Bachelor- und Masterstudi-
                                                                        hat zu neuen Ideen      engänge:
                                                                        und Umsetzungen
                                                                                                Betriebswirtschaftslehre (B.A.), Wirtschafts-
                                                                        beigetragen. Natür‐
                                                                                                informatik/Business Intelligence (B.Sc.), Wirt-
                                                                        lich war die schnel‐    schaftsingenieurwesen (B.Eng.), Maschinen-
                                                                        le Einführung der       bau (B.Eng.), Digital Business Modelling and
                                                                        Onlinelehre zeit‐       Entrepreneurship (M.A.), Digitale Fabrik und
                                                                        lich und inhaltlich     Operational Intelligence (M.Sc.), Cyber Secu-
                                                                        aufwändiger, aber       rity (M.Sc.), Digitale Technologien (M.Eng.)
                                                                        die Dozenten ha‐        Im Sommersemester 2020 studieren 370
                                                                        ben das mehr als        Studierende im Bachelor- und 60 im Master-
                                                                        Bereicherung und        studium.
                                                                        weniger als Belas‐      www.hdbw-hochschule.de
Mathevorbereitungskurs an der HDBW                                       tung erlebt. Wir

Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                                                                      21
SCHWERPUNKT

KEIN SPRINT,                                                                        nur Messeveranstalter zu sein, sondern
                                                                                    über 365 Tage im Jahr die passenden
                                                                                    Plattformen für unsere Kunden anzubie‐
                                                                                    ten.

SONDERN                                                                             Die Messe München zeigte in der Ver‐
                                                                                    gangenheit auch wie Geschäft, bayeri‐

EIN DAUERLAUF
                                                                                    sche Kultur und Lebensfreude sich gut
                                                                                    ergänzen. Das ist derzeit schwierig.
                                                                                    Welche Ideen haben Sie für die Zu‐
                                                                                    kunft?
                                                                                    Als einer der erfolgreichsten internationa‐
Klaus Dittrich, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Messe                      len Messeveranstalter verbinden wir Men‐
München, stellte sich den Fragen von Gerhard Endres über die                        schen rund um den Globus miteinander.
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Geschäft der Messe                         Sei es auf unseren Präsenzveranstaltungen
München und die Zukunft des Messegeschäfts                                          oder digital mit anderen Formaten. Dabei
                                                                                    möchten wir auch immer ein Stück weit
                                                                                    unsere Tradition und Kultur mittranspor‐
                                                                                    tieren. Das wird auch in Zukunft so blei‐
                                                                                    ben, wenn wir weiterhin lebendige Platt‐
                                                                                    formen und Netzwerke schaffen und die
Take Off!: Die Corona-Pandemie ließ         Die aktuelle Lage zeigt, wie wichtig Platt‐
                                                                                    analoge und digitale Welt miteinander
die Wirtschaft weltweit einbrechen.         formen zur persönlichen Vernetzung      verbinden. Deshalb ist es wichtig, das digi‐
Auch die Messe München musste viele         sind. Die Corona-Krise macht allerdings tale Geschäft weiter auszubauen und neue
Messen und Kongresse absagen. Wie           auch deutlich, dass Online-Angebote im‐ Formate zu entwickeln. Unser Ziel ist es,
hat das Unternehmen auf die Corona-         mer relevanter werden. Daher arbeiten   rund 5 Prozent des Gesamtumsatzes bis
Krise reagiert?                             wir fortlaufend an digitalen Produkten, 2021 mit Digitalprodukten zu machen.
Klaus Dittrich: Die Krise hat die Event‐    die wir unseren Kunden als Ersatz für ab‐
                                                                                    Das entspricht einem Volumen von rund
branche als eine der Ersten unmittelbar     gesagte Veranstaltungen anbieten kön‐   20 Millionen Euro.
und hart getroffen. Dazu zählen nicht nur   nen.
wir als Messeveranstalter, sondern auch     In den vergangenen Monaten haben wir Wie erging es Ihnen, als im März alle
unsere zahlreichen Partner wie Standbau‐    mit den ISPO Re.Start Days für den Sport- Messen abgesagt worden sind?
firmen, Agenturen oder Caterer. Allein      und Outdoor-Be‐
für unser Unternehmen müssen wir im         reich und der

                                                                                                                                   Foto: Messe München
schlimmsten Fall mit einem Umsatzver‐       IFAT impact für
lust von 240 Millionen Euro im Jahr 2020    die internationale
rechnen.                                    Umweltbranche,
In der Zwischenzeit arbeiteten wir mit      bereits erste digita‐
Hochdruck daran, unsere Veranstaltun‐       le Live-Konferen‐
gen noch infektionssicherer zu machen.      zen auf die Beine
Deshalb haben wir gemeinsam mit den         gestellt. Auch die
bayerischen Messegesellschaften ein um‐     EXPO REAL wird
fangreiches Schutz- und Hygienekonzept      in diesem Jahr un‐
aufgesetzt. Hier werden Kriterien wie Ab‐   ter dem Titel
standswahrung, Hygiene und Nachver‐         „EXPO REAL Hy‐
folgbarkeit aller Teilnehmer zuverlässig    brid Summit“ zu
und verbindlich definiert.                  einem physischen
                                            wie auch virtuellen
Wie sehen Sie die Zukunft der Messe         Treffpunkt der Im‐
München unter diesen veränderten            mobilienbranche.
Bedingungen?                                Das      langfristige
                                            Ziel ist es, nicht Klaus Dittrich bei der Eröffnung der Messer Re.Start

22                                                                                 Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020
SCHWERPUNKT

Die Pandemie hat unser aller Leben mit         bußen. Dies stellt die Geschäftsführung      begleiten wird, ist es wichtig, dass wir
einem Schlag verändert. 2019 war das er‐       und das Unternehmen aktuell vor große        Durchhaltevermögen beweisen und ge‐
folgreichste Geschäftsjahr in der Ge‐          Herausforderungen, die es in den kom‐        stärkt aus dieser Situation herausgehen. Es
schichte der Messe München. Das macht          menden Monaten zu meistern gilt.             handelt sich hier nämlich nicht um einen
mich persönlich sehr stolz. Gleichzeitig       Eine Krise bedeutet aber nicht nur Verlus‐   Sprint, sondern um einen Dauerlauf: Am
hat Corona uns gezeigt, wie verwundbar         te, sondern auch Chancen: Eine Chance        Ende gewinnt der, der am meisten Aus‐
die globale Wirtschaft trotz Rekordergeb‐      für mehr Digitalisierung und eine neue,      dauer beweist.
nissen ist. Ein leergefegter Eventkalender     agile Welt. Auch wenn uns Corona noch
bedeutet natürlich enorme finanzielle Ein‐     sehr lange persönlich und wirtschaftlich         Das Interview führte Gerhard Endres

Hohe Hygiene- und Sicherheitsstandards
in den Riem-Arcaden
Damit der Aufenthalt in den Riem-Arca‐         umgehen“, was für Centermanager Ivo          der Regeln und Maßnahmen innerhalb
den für alle Gäste und im Center Be‐           Walther nicht zuletzt an der umfangrei‐      der Shops unterstützt werden.“
schäftigten so sicher und angenehm wie         chen Kommunikation und engen Zusam‐          Die Besucher der Riem-Arcaden werden
möglich ist, wurden seit Beginn der Pan‐       menarbeit mit allen Beteiligten liegt.       im Center über Beschilderungen, Kun‐
demie umfangreiche Schutz- und Hygie‐          Das Centermanagement steht im perma‐         denleitsysteme, digitale Screens sowie
nemaßnahmen implementiert, die im              nenten Austausch mit den örtlichen Be‐       Durchsagen über die geltenden Regelun‐
Verlauf der Monate immer wieder über‐          hörden, sowie den Miet- und Geschäfts‐       gen und Maßnahmen informiert. An der
prüft, erweitert und an neue Entwicklun‐       partnern.                                    Kundeninfo im Untergeschoss können,
gen angepasst worden sind.                     „Koordination und Abstimmung sind es‐        gegen eine kleine Spende für die Münch‐
„Es zeigte sich, dass die Gäste und all die    sentiell“ betont Walther, „so können ge‐     ner Tafel, Masken erworben werden.
Miet- und Geschäftspartner sehr ruhig,         meinsam individuelle Lösungen gefunden
besonnen und umsichtig mit der Situation       und die Mietpartner bei der Umsetzung                                  Gerhard Endres

                                                                                                                               Anzeige

Take Off! Nr. 77 – Oktober bis Dezember 2020                                                                                        23
SCHWERPUNKT

                  NEUE BILDUNGSWERKSTATT
                  ECHO e.V. und Bildungswerkstatt e.V. sind seit August zwei eigenständige Vereine

                  In den letzten zehn Jahren hat ECHO e.V.        überlegten strukturellen Schnitt zu ma‐
                  neben seinem Kerngeschäft der kulturel‐         chen, der beiden Teilen eine gezieltere in‐       Der neue Verein Bildungswerkstatt e.V. ist
                  len Bildung einen neuen Geschäftsbereich        haltliche Ausrichtung und eine schlankere         hier erreichbar:
                  gegründet und weiterentwickelt: die Bil‐        und effizientere Organisationsstruktur er‐        Bildungswerkstatt e.V.
                  dungswerkstatt. In dieser Abteilung wer‐        möglicht. Mit Wirkung zum 1.8.2020 wur‐           Astrid-Lindgren-Str. 16
                  den folgende Servicemaßnahmen für               de daher der Geschäftsbereich Bildungs‐           Telefon: 089 94 46 68 71
                                                                                                                    Fax: 089 85 63 67 44
                  Schulen und Sachaufwandsträger angebo‐          werkstatt des ECHO e.V. in einen
                                                                                                                    E-Mail: office@bws-ev.de
                  ten: Zum einen inklusive, im Rahmen der         eigenständigen Träger Bildungswerkstatt
                                                                                                                    www.bws-ev.de
                  offenen Ganztagsschule qualifizierte Be‐        e.V. ausgegründet, der ab sofort völlig selb‐
                  treuungsangebote am Nachmittag für              ständig agiert.
                  Schüler und Schülerinnen von Grund-,            Das Kerngeschäft des ECHO e.V. – dazu
                  Förder- und weiterführenden Schulen,            gehört der Betrieb der Einrichtungen
                  zum anderen Kursangebote, Blockpro‐             Quax und Grünwerkstatt in der Messe‐
                  gramme und Exkursionen für die gebun‐           stadt, der Betrieb der Dachauer Krea‐
                  dene Ganztagsschule aller Schultypen.           tivschmiede (DAKS) in Dachau, der kul‐
                  Dieser wichtige Bereich ist mittlerweile        turpädagogische        Dienst     Planspiel
                  sehr groß geworden und hat mit dem              inklusive eines vielseitigen Ferienangebo‐
                  Kerngeschäft des Vereins, nämlich der au‐       tes für Münchner Kinder, der Betrieb der        davon ebenso wenig betroffen wie die qua‐
                  ßerschulischen kulturellen Bildung und          Stadtteilplattform „Unsere Messestadt“, die     lifizierte Mittags- und Nachmittagsbetreu‐
                  Inklusion, organisatorisch und inhaltlich       Dachauer Sommerspielaktion und die              ung im Quax in der Messestadt.
                  immer weniger gemein. Aus diesem                Konzipierung von Blockprogrammen der
                  Grund war es an der Zeit, hier einen wohl‐      kulturellen Bildung für Schulen – ist                                  Oliver Dauberschmidt
Foto: Echo e.V.

                  Der neue Verein Bildungswerkstatt legt den Schwerpunkt auf schulbegleitende Angebote

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